Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Die Antragstellerin ist schuldig, der L***** Privatstiftung binnen 14 Tagen die mit 2.059,38 EUR (darin 343,23 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens zu ersetzen.
Text
Begründung
In dem vom Handelsgericht Wien geführten Firmenbuch ist unter FN ***** die L***** Privatstiftung (im Folgenden: Privatstiftung) eingetragen, die von Helmut J. S*****, geboren am 26. 7. 1956, und der - mittlerweile verstorbenen - Friederike S*****, geboren am 26. 7. 1920, errichtet wurde. Die Stiftungserklärung umfasst neben der Stiftungsurkunde vom 27. 2. 1996 auch eine Stiftungszusatzurkunde (§ 10 PSG; § 6 der Stiftungsurkunde).
§ 3 der Stiftungsurkunde lautet:
„Dauer, Vorbehalt des Widerrufs
3.1. Die Stiftung wird auf unbestimmte Zeit errichtet.
3.2. Die Stifter, Herr Helmut J. S***** und Frau Friederike S*****, behalten sich den Widerruf der Stiftungserklärung und der Stiftung vor."
Nach § 7 der Stiftungsurkunde bilden der Stifter Helmut J. S***** und dessen leibliche Nachkommen in gerader Linie den Kreis der Begünstigten. Die Regelung der Reihenfolge und des Umfangs der Begünstigung wurde der Stiftungszusatzurkunde vorbehalten. § 10 der Stiftungsurkunde lautet auszugsweise:
„Änderung der Stiftungserklärung und Auflösung der Privatstiftung
10.1. Diese Stiftungserklärung (Stiftungsurkunde und Stiftungszusatzurkunde) kann durch den Stifter ergänzt und/oder geändert werden.
10.2. Nach Ableben eines Stifters, wie auch für den Fall der Geschäftsunfähigkeit eines Stifters, ist der Stiftungsvorstand mit schriftlicher Zustimmung des anderen Stifters [...] zur Ergänzung und Änderung der Stiftungserklärung (Stiftungsurkunde sowie Stiftungszusatzurkunde) befugt. [...]
10.5. Im Falle der Auflösung sind aus dem Stiftungsvermögen zunächst allfällige Verbindlichkeiten der Stiftung zu begleichen. Das verbleibende Stiftungsvermögen ist an sämtliche zum Zeitpunkt der Auflösung der Privatstiftung lebenden Begünstigten als Letztbegünstigte und in Ermangelung eines solchen an den oder die Erben des Letztbegünstigten im Verhältnis ihrer Erbquote nach Maßgabe der Regelungen in der Stiftungszusatzurkunde zu übertragen.
10.6. Im Falle eines Widerrufs der Stiftung erfolgt die Rückübertragung des verbleibenden Stiftungsvermögens an die Stifter im Verhältnis der geleisteten Stiftungseinlagen [...]."
Am 7. 8. 2008 langte beim Erstgericht der von der Antragstellerin „namens Helmut J. S*****" gestellte Antrag auf Auflösung der Privatstiftung ein. Die Antragstellerin sei Gesamtrechtsnachfolgerin der B***** AG. Dieser sei zu 70 E 743/00t des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien die Pfändung des Anspruchs des Stifters Helmut J. S***** auf dessen Guthaben aus der Auseinandersetzung der Privatstiftung bewilligt worden. Die betreibende Partei sei ermächtigt worden, im Namen des Stifters (Verpflichteten) zu diesem Zweck nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts die Einleitung des Auseinandersetzungsverfahrens, insbesondere den Widerruf der Privatstiftung nach § 34 PSG iVm Punkt 3.2. der Stiftungsurkunde, auszusprechen und die sonst zur Ausübung und Nutzbarmachung des gepfändeten Rechts sowie im Fall des Unterbleibens des nach § 35 Abs 2 PSG erforderlichen einstimmigen Auflösungsbeschlusses des Stiftungsvorstands nach § 35 Abs 3 PSG im Namen des Stifters die Auflösung durch das Gericht zu beantragen. Die Antragstellerin habe dem Vorstand der Privatstiftung am 24. 6. 2008 eine notariell beglaubigte Widerrufserklärung übermittelt und zugleich die Fassung des Auflösungsbeschlusses nach § 35 Abs 2 Z 1 PSG verlangt. Dies habe der Vorstand der Privatstiftung mit Schreiben vom 15. 7. 2008 abgelehnt. Darin werde der Standpunkt vertreten, dass das Recht auf Widerruf der Privatstiftung nur von beiden Stiftern gemeinsam ausgeübt werden könne. Derartiges ergebe sich jedoch aus Punkt 3.2. der Stiftungsurkunde nicht. Jedenfalls könne Helmut J. S***** das Recht des Widerrufs der Privatstiftung nach dem Ableben der Mitstifterin Friederike S***** alleine ausüben.
Nach einem Verbesserungsverfahren fasste das Erstgericht im Außerstreitverfahren zu 75 Fr 8348/08w den Beschluss, dass die Privatstiftung infolge des exekutiven Widerrufs seitens eines Gläubigers des Stifters Helmut J. S***** aufgelöst sei. Die Stifterrechte könnten nach Punkt 3.2. der Stiftungsurkunde von den Stiftern getrennt wahrgenommen werden. Die Antragstellerin sei Rechtsnachfolgerin der betreibenden Partei im Verfahren 70 E 742/00t des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien. Der Widerruf vom 24. 6. 2008 sei gegenüber dem Stiftungsvorstand wirksam erklärt worden (§§ 34, 17 Abs 3 letzter Satz PSG).
Zu 75 Fr 12022/08y ordnete das Erstgericht als Firmenbuchgericht die Eintragung der Auflösung der Privatstiftung im Firmenbuch an, welche am 9. 10. 2008 durchgeführt wurde.
Das Rekursgericht änderte diese Beschlüsse dahin ab, dass der Antrag auf Auflösung der Privatstiftung abgewiesen wurde.
§ 3 Abs 2 PSG sei dahin zu verstehen, dass der Widerruf von allen Stiftern, nicht nur den verbliebenen Stiftern erklärt werden müsse. Bei Tod eines Mitstifters erlösche daher ein mehreren Stiftern zustehendes Widerrufsrecht. Dies entspreche dem Prinzip der Verselbständigung der Stiftung und der gesetzgeberischen Absicht, das Widerrufsrecht zeitlich zu begrenzen, eher als die gegenteilige Auffassung.
Der Revisionsrekurs sei zulässig, weil zu § 3 Abs 2 PSG keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs vorliege.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht angeführten Grund zulässig; er ist aber nicht berechtigt.
1.1. Gemäß § 34 PSG kann eine Privatstiftung vom Stifter nur dann widerrufen werden, wenn er sich den Widerruf in der Stiftungserklärung vorbehalten hat. Einem Stifter, der eine juristische Person ist, kann ein Widerruf nicht vorbehalten werden.
1.2. Geht dem Stiftungsvorstand ein zulässiger Widerruf des Stifters zu (gemäß § 17 Abs 3 letzter Satz PSG genügt die Abgabe der Willenserklärung gegenüber einem Mitglied des Stiftungsvorstands), so hat er einen einstimmigen Auflösungsbeschluss zu fassen (§ 35 Abs 2 Z 1 PSG). Unterlässt der Stiftungsvorstand die Fassung eines Auflösungsbeschlusses, obwohl die Voraussetzungen dafür vorliegen, so kann ua jeder Stifter die Auflösung der Privatstiftung durch das Gericht beantragen (§ 35 Abs 3 PSG). Darüber hat der für den Sitz der Privatstiftung zuständige, zur Ausübung der Gerichtsbarkeit in Handelssachen berufene Gerichtshof erster Instanz im Verfahren außer Streitsachen zu entscheiden (§ 40 PSG). Vom Auflösungsbeschluss wird das Firmenbuchgericht benachrichtigt, welches die Auflösung in das Firmenbuch nach den Bestimmungen des Firmenbuchgesetzes, das in § 15 ebenfalls auf das Verfahren außer Streitsachen verweist, einzutragen hat (§ 35 Abs 5 PSG; vgl 6 Ob 19/06x).
1.3. Gläubiger des Stifters können ein diesem vorbehaltenes Widerrufsrecht und dessen Liquidationsguthaben als Letztbegünstiger nach den §§ 331 ff EO pfänden und vom Gericht ermächtigt werden, den Widerruf namens des Stifters zu erklären, (N. Arnold, PSG² § 34 Rz 16; 3 Ob 217/05s; 3 Ob 16/06h).
1.4. Letztbegünstigter ist gemäß § 6 PSG derjenige, dem ein nach Abwicklung der Privatstiftung verbleibendes Vermögen zukommen soll. Wird die Privatstiftung zufolge Widerrufs aufgelöst und ist in der Stiftungserklärung nichts anderes vorgesehen, so ist der Stifter Letztbegünstiger (§ 36 Abs 4 PSG).
2.1. Die Besonderheit des vorliegenden Falls liegt jedoch darin, dass die Privatstiftung mehrere Stifter hat. Für diesen Fall ordnet § 3 Abs 2 PSG an, dass die dem Stifter zustehenden oder vorbehaltenen Rechte nur von allen Stiftern gemeinsam ausgeübt werden können, es sei denn, die Stiftungsurkunde sehe etwas anderes vor.
2.2. Nach der überwiegenden Meinung im Schrifttum führt bei Stiftermehrheit der Wegfall eines Stifters zum Erlöschen des Widerrufsrechts (Arnold, PSG² § 3 Rz 50; Bruckner/Fries/Fries, Die Familienstiftung im Zivil-, Steuer- und Handelsrecht, 61; Berger in Doralt/Nowotny/Kalss, PSG § 34 Rz 4; Keller, Die Möglichkeiten der Einflussnahme des Stifters im Privatstiftungsrecht, 181). Es reiche nicht aus, wenn die „verbliebenen" Stifter das Gestaltungsrecht ausübten. Sei ein Stifter verstorben oder könne er aus sonstigen Gründen nicht mitwirken, könne das Recht von den anderen Stiftern nicht ausgeübt werden (Arnold aaO). Die Regelung des § 33 Abs 2 PSG, wonach vor Entstehen der Privatstiftung eine Änderung der Stiftungserklärung auch nach Wegfall eines Stifters durch die verbliebenen Stifter vorgenommen werden könne, lasse sich nicht auf die Ausübung der sonstigen Gestaltungsrechte übertragen (Arnold aaO). Ergänzend verweisen Bruckner/Fries/Fries (aaO 61) darauf, dass sich dieses Ergebnis auch mit einem Größenschluss aus § 33 Abs 1 PSG begründen lasse. Könne die Stiftungserklärung vor dem Entstehen einer Stiftung von mehreren Stiftern nicht mehr widerrufen werden, wenn einer von ihnen weggefallen sei, sei anzunehmen, dass dies umso mehr für den Widerruf der Stiftung nach ihrer Entstehung gelte. Diesen Auffassungen haben sich Berger (in Doralt/Nowotny/Kalss, PSG § 34 Rz 4) und Keller (Die Möglichkeiten der Einflussnahme des Stifters in Privatstiftungsrecht 181) angeschlossen.
2.3. Dem gegenüber vertreten Kalss/Zollner (Ausübung und Änderung von Stifterrechten bei einer Stiftermehrheit, GesRZ 2006, 227 ff) die Auffassung, dass auch nach dem Tod eines Stifters eine gemeinschaftliche Rechtsausübung iSd § 3 Abs 2 PSG weiterhin zulässig sei. Der Wortlaut des § 3 Abs 2 PSG lasse offen, ob sich die gemeinsame Rechtsausübung auf „sämtliche" Stifter oder nur auf die noch lebenden Stifter beziehe. Aus dem Zweck der Regelung, der im Schutz jedes einzelnen Stifters vor ihm nicht genehmen Handlungen und Entscheidungen liege, könne nicht abgeleitet werden, dass nach dem Tod eines Stifters eine gemeinschaftliche Rechtsausübung iSd § 3 Abs 2 PSG nicht mehr möglich sein solle. Das automatische Erlöschen würde eine völlige Erstarrung der Stifterrechte zu Lasten der noch lebenden Stifter bedeuten. Die Errichtung einer Privatstiftung durch mehrere Stifter werde im Regelfall von der Überlegung getragen, die Stifterrechte - insbesondere das Widerrufs- und das Änderungsrecht - für einen möglichst langen Zeitraum zu sichern und deren Erlöschen durch den Tod eines Stifters gerade zu verhindern; dies gelte insbesondere, aber nicht nur, im Falle einer generationsübergreifenden Stiftermehrheit. Der der Stiftermehrheit zugrundeliegende Zweck - nämlich die weitgehende Erhaltung der Ausübbarkeit von Stifterrechten - gebiete es daher, dass die Stifterrechte im Zweifel nach dem Tod eines Stifters durch die verbleibenden Stifter weiterhin ausgeübt werden können, widrigenfalls die Stiftergemeinschaft und damit die Stiftungsurkunde ihrem eigentlichen Zweck nicht gerecht würden. Dies entspreche der vergleichbaren Rechtslage bei einer Mehrheit von Berechtigten eines Vorkaufs- bzw Wiederkaufsrechts nach Deutschem Recht (nunmehr §§ 461, 472 BGB).
3.1. Der Oberste Gerichtshof schließt sich der herrschenden Auffassung an. Schon der Wortlaut des § 3 Abs 2 PSG spricht dafür, dass das Widerrufs- bzw Änderungsrecht nur von allen Stiftern gemeinsam ausgeübt werden kann. Dieses Ergebnis wird durch die in § 33 Abs 2 PSG zugrundeliegende Wertung bekräftigt. Diese Bestimmung zeigt, dass dem Gesetzgeber das Problem, dass ein Stifter wegfällt, durchaus bewusst war. Nach § 33 Abs 1 PSG kann vor dem Entstehen einer Privatstiftung die Stiftungserklärung vom Stifter widerrufen oder abgeändert werden; wenn einer von mehreren Stiftern weggefallen ist, kann die Stiftungserklärung nicht widerrufen und nur unter Wahrung des Stiftungszwecks geändert werden. Nach § 33 Abs 2 PSG kann nach dem Entstehen einer Privatstiftung die Stiftungserklärung vom Stifter nur geändert werden, wenn er sich Änderungen vorbehalten hat. Ist eine Änderung wegen Wegfalls eines Stifters, mangels Einigkeit bei mehreren Stiftern oder deswegen nicht möglich, weil Änderungen nicht vorbehalten sind, so kann der Stiftungsvorstand unter Wahrung des Stiftungszwecks Änderungen der Stiftungserklärung zur Anpassung an geänderte Verhältnisse vornehmen. Kann nach § 33 Abs 1 PSG selbst vor dem Entstehen einer Stiftung die Stiftungserklärung von mehreren Stiftern nicht mehr widerrufen werden, wenn einer von ihnen weggefallen ist, so spricht dies - im Sinne der Ansicht von Bruckner/Fries/Fries (Die Familienstiftung im Zivil-, Steuer- und Handelsrecht 61) dafür, dass dies umso mehr für den Widerruf der Stiftung nach ihrer Entstehung gilt, zumal § 33 Abs 1 und 2 PSG deutlich zwischen der Änderung der Stiftungserklärung vor und nach dem Entstehen der Privatstiftung differenziert.
3.2. Damit ist die Änderungsbefugnis nach Wegfall eines Stifters nach § 33 Abs 1 PSG nicht so umfassend wie bei einer Mitwirkung aller Stifter. Die Materialien begründen dies damit, dass dies im Interesse des Stifters gelegen sei, „der seinen Willen verwirklicht sehen will" (1132 BlgNR 18. GP 26 [ähnlich auch ebendort 15]; vgl Arnold, PSG² § 33 Rz 25). Im Hinblick auf diese Stellungnahme in den Materialien kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass - wie Kalss/Zollner meinen - bei Wegfall eines Stifters die Widerrufsmöglichkeit durch die verbleibenden Stifter dem Zweck des Gesetzes eher entspreche. Vielmehr ist gerade umgekehrt davon auszugehen, dass nach der Wertung des Gesetzes im Zweifel der geäußerte Wille des verstorbenen Stifters nicht durch eine Erklärung der Mitstifter rückgängig gemacht werden können soll.
4. Dieses Ergebnis entspricht auch eher dem Prinzip der Verselbständigung der Stiftung sowie dem gesetzgeberischen Willen, das Widerrufsrecht zeitlich zu begrenzen. Dem Institut der Privatstiftung liegt der Gedanke zugrunde, dass mit einem „eigentümerlosen" Vermögen ein bestimmter Zweck besser, zielstrebiger und auch dauerhafter verwirklicht werden kann, als wenn das Vermögen mit dem Schicksal des Stifters und dem seiner Rechtsnachfolger verbunden bliebe und etwa in eine Gesellschaft eingebracht würde, die von den Gesellschaftern beeinflussbar ist. Durch die Errichtung der Stiftung verliert auch der Stifter den Zugriff auf das Vermögen. Er kann in das Stiftungsgeschehen grundsätzlich nicht mehr eingreifen. Einflussmöglichkeiten können sich nur aus der Stiftungserklärung und aus dem Recht zur Änderung der Stiftungserklärung oder zum Widerruf der Stiftung ergeben (RIS-Justiz RS0115134, RS0052195; 6 Ob 106/03m).
5.1. Entgegen der Ansicht von Kalss/Zollner ergibt sich auch aus der Rechtslage beim Vorkaufs- bzw Wiederkaufsrecht nichts Gegenteiliges. Vielmehr unterscheidet sich die Regelung der gemeinschaftlichen Ausübung des Vorkaufs- bzw Wiederkaufsrechts grundlegend von § 3 Abs 2 PSG. Beim Vorkaufsrecht betont die Lehre (Bettelheim in Klang, ABGB1 II 2, 1022; F. Bydlinski in Klang, ABGB² IV 2, 815), dass ein gleichzeitig mehreren Personen eingeräumtes Vorkaufsrecht im Zweifel von allen Berechtigten gemeinsam auszuüben sei. Falle einer der Berechtigten weg oder lehne er die Ausübung des Vorkaufsrechts ab, so wachse mangels abweichender Vereinbarung sein Anteil den Mitberechtigten zu, weil dies im Zweifel der Absicht der Parteien und der Natur des Geschäfts entspreche.
5.2. Eine diesbezügliche ausdrückliche Regelung findet sich in §§ 461, 472 BGB für das Wiederkaufs- und Vorkaufsrecht. Im deutschen Schrifttum wird allerdings vertreten, dass der Grundsatz der ungeteilten Mitberechtigung zur gemeinschaftlichen Ausübung an sich dazu führen müsste, dass das Vorkaufsrecht erlösche, sobald es in der Person eines Mitberechtigten erloschen sei (Huber in Soergel, BGB3 § 472 Rz 3). Als Beispiel verweist Huber auf den Tod eines Mitberechtigten. Allerdings anerkennt Huber, dass der deutsche Gesetzgeber in § 472 Satz 2 BGB Gegenteiliges angeordnet habe. Daraus lässt sich aber entnehmen, dass Huber an sich der Auffassung ist, dass bei gemeinsamer Befugnis zur Ausübung eines höchstpersönlichen Rechts dieses Recht bei Ableben eines Berechtigten nicht mehr ausgeübt werden kann.
5.3. Zwischen der Interessenlage beim Vor- und Wiederkaufsrecht und beim Widerruf einer Privatstiftung bestehen jedoch gravierende Unterschiede. Während bei einem mehreren Berechtigten gemeinsam zustehenden Vor- oder Wiederkaufsrecht die Interessen desjenigen, der das Recht nicht ausüben kann oder will, in keiner Weise beeinträchtigt sind, wenn man den übrigen Berechtigten diese Möglichkeit zubilligt, wird durch den Widerruf der Stiftung durch die verbliebenen Stifter auch der Wille des verstorbenen Stifters rückgängig gemacht. Abgesehen von den dargelegten unterschiedlichen Auffassungen im Schrifttum zur Behandlung des Wegfalls eines von mehreren Berechtigten beim Vor- und Wiederkaufsrecht steht schon dieser fundamentale Unterschied in der Interessenlage einem Rückgriff auf diese Institute als Auslegungsinstrument im Stiftungsrecht entgegen.
6.1. Dass in der Praxis der Wunsch nach einer weitgehenden Erhaltung der Ausübbarkeit von Stifterrechten bestehen mag, vermag an diesem Ergebnis nichts zu ändern, weil es den Stiftern frei steht, in der Stiftungsurkunde die Ausübung des Widerrufsrechts abweichend zu regeln. In diesem Sinne finden sich in der Praxis häufig gerade im Bereich von Familienstiftungen Bestimmungen dahin, dass die Gestaltungsrechte nach dem Ableben eines bestimmten Stifters den übrigen Stiftern zukommen soll (vgl Arnold, PSG² § 3 Rz 54). In Anbetracht des Fehlens einer derartigen Regelung in der Stiftungsurkunde kann aber den Stiftern im vorliegenden Fall ein diesbezüglicher Wille nicht unterstellt werden.
6.2. In einer Stiftungserklärung enthaltene Regelungen über den Widerruf der Privatstiftung sind nach den für die Satzungen juristischer Personen entwickelten Kriterien - dh nach ihrem Wortlaut und Zweck in ihrem systematischen Zusammenhang objektiv (normativ) - auszulegen (RIS-Justiz RS0108891).
6.3. Die Antragstellerin und das Erstgericht vertreten den Standpunkt, die vorliegende Stiftungsurkunde enthalte eine von der dispositiven Bestimmung des § 3 Abs 2 PSG abweichende Regelung.
Allein daraus, dass in Punkt 3.2. - abweichend von der Diktion in anderen Teilen der Stiftungsurkunde - beide Stifter namentlich angeführt sind, kann allerdings nicht der Schluss gezogen werden, sie seien jeweils für sich allein zur Ausübung des Widerrufsrechts befugt; es wäre ein Leichtes gewesen, dies unzweideutig zum Ausdruck zu bringen. Vielmehr weist Punkt 10.6. der Stiftungsurkunde eher in die gegenteilige Richtung, weil die darin für den Fall eines Widerrufs der Stiftung vorgesehene Rückübertragung des verbleibenden Stiftungsvermögens an „die Stifter" das Vorhandensein einer Stiftermehrheit voraussetzt.
7. Soweit die Parteien auf die Rechtslage in Liechtenstein verweisen, ist dem zunächst entgegenzuhalten, dass das Liechtensteinische Stiftungsrecht nicht ohne weiteres für die Auslegung des österreichischen Rechts herangezogen werden kann (vgl 6 Ob 101/09k). Im Übrigen wurde erst durch die Novelle des Liechtensteinischen Stiftungsrechts durch LGBl Nr 220 vom 26. 8. 2008 in Art 552 § 4 Abs 2 PGR eine § 3 Abs 2 PSG entsprechende Regelung eingeführt. Abweichend vom österreichischen Recht ist dort jedoch ausdrücklich vorgesehen, dass im Falle des Wegfalls eines Stifters die vorgenannten Rechte erlöschen. Allerdings ist weder den Gesetzesmaterialien (abgedruckt in Attlmayr/Rabanser, Das neue liechtensteinische Stiftungsrecht - Kurzkommentar 25) noch der Lehre zu entnehmen, ob es sich dabei um eine bloße Klarstellung oder eine Änderung der Rechtslage handeln sollte. Auch aus dieser zusätzlichen Erwägung kann die entsprechende Regelung in Liechtenstein nicht für die Auslegung des österreichischen Rechts fruchtbar gemacht werden. Lediglich der Vollständigkeit ist zudem darauf zu verweisen, dass vor der zitierten Novelle der Wegfall eines Stifters in Lehre und Rechtsprechung - soweit ersichtlich - nicht expliziert behandelt wurde. Allerdings vertrat die herrschende Lehre die Auffassung, dass der Widerruf im Zweifel durch alle Stifter erklärt werden müsse (Bösch, Liechtensteinisches Stiftungsrecht 608).
8. Zusammenfassend erweist sich der angefochtene Beschluss daher als frei von Rechtsirrtum, sodass dem unbegründeten Revisionsrekurs ein Erfolg zu versagen war.
9. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsrekursverfahrens gründet sich auf § 78 AußStrG iVm § 15 Abs 1 FBG.
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