OGH 6Ob106/03m (RS0118046)

OGH6Ob106/03m29.8.2022

Rechtssatz

1. Das dem Stifter einer Privatstiftung vorbehaltene Widerrufsrecht ist kein höchstpersönliches Recht, sondern eine vermögensrechtliche Angelegenheit im Sinne des § 273 ABGB. Der Widerruf kann vom Sachwalter des Stifters erklärt werden und wird mit der gerichtlichen Genehmigung wirksam.

2. In der Stiftungserklärung enthaltene Regelungen über den Widerruf der Privatstiftung (§ 34 PSG) sind wie die korporativen Gesetzesbestimmungen einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung objektiv auszulegen. Auf die subjektive Parteiabsicht kommt es nicht an.

Normen

ABGB §273
IO §114
PSG §3
PSG §33
PSG §34

6 Ob 106/03mOGH11.09.2003

Veröff: SZ 2003/105

3 Ob 217/05sOGH26.04.2006

Auch; nur: Das dem Stifter einer Privatstiftung vorbehaltene Widerrufsrecht ist kein höchstpersönliches Recht, sondern eine vermögensrechtliche Angelegenheit im Sinne des § 273 ABGB. Der Widerruf kann vom Sachwalter des Stifters erklärt werden und wird mit der gerichtlichen Genehmigung wirksam. (T1)<br/>Beisatz: Der Widerrufsvorbehalt des Stifters stellt einen Vermögenswert dar. (T2)<br/>Beisatz: Für den Änderungsvorbehalt kann nichts anderes gelten. (T3)<br/>Beisatz: Die Ausübung der Gestaltungsrechte des Stifters kann auch durch Dritte erfolgen (zum Beispiel Sachwalter oder obsorgeberechtigte Eltern des Stifters mit pflegschaftsbehördlicher Genehmigung); Dritter kann aber auch ein gewillkürter Vertreter des Stifters sein. (T4)<br/>Veröff: SZ 2006/66

3 Ob 16/06hOGH26.04.2006

Auch; nur T1; Beis wie T2; Beis wie T4

3 Ob 169/07kOGH16.08.2007

Ähnlich; Beisatz: Für die Frage, ob der vom Stifter einer Privatstiftung schon eingeklagte und rechtskräftig festgestellte Anspruch gegen den Stiftungsprüfer auf Ausfolgung von Prüfberichten ein höchstpersönlicher Anspruch des Stifters ist, der mit seinem Tod erlischt, kommt es auf den Inhalt und die Auslegung der die Stifterrechte regelnden Stiftungserklärung an. (T5)<br/>Veröff: SZ 2007/129

6 Ob 235/08iOGH15.01.2009

Vgl; Beisatz: Das dem Stifter vorbehaltene Widerrufsrecht ist nicht als höchstpersönliches Recht zu sehen, sondern als eine vermögensrechtliche Angelegenheit, wobei der Widerrufsvorbehalt einen Vermögenswert darstellt. (T6)<br/>Beisatz: Die Ausübung des Widerrufsrechts hat im Fall des Konkurses jedenfalls dann unmittelbare Auswirkungen auf dessen Sollmasse, wenn der Stifter in der Stiftungserklärung als derjenige vorgesehen ist, dem im Falle der Auflösung der Privatstiftung deren verbleibendes Vermögen zufallen soll, oder wenn der Stifter Letztbegünstigter aufgrund der Stiftungserklärung bzw gemäß § 36 Abs 4 PSG ist. Jedenfalls bei einer solchen Konstellation kann der Masseverwalter des Stifters den Widerrufsvorbehalt ausüben. (T7)

6 Ob 240/10bOGH28.01.2011

Auch; Beisatz: Hier: Bestellungs‑ und Abberufungsrecht eines Privatstifters. (T8)

6 Ob 102/12mOGH13.09.2012

Vgl; Beisatz: Das dem Stifter vorbehaltene Widerrufs‑ und Änderungsrecht ist zwar höchstpersönlich und damit unübertragbar, jedoch nicht vertretungsfeindlich. (T9)<br/>Veröff: SZ 2012/89

6 Ob 198/13fOGH09.10.2014

Auch; Beisatz: Der Stifterwille ist aus der Stiftungserklärung durch Auslegung derselben zu ermitteln. (T10)<br/>Veröff: SZ 2014/92

6 Ob 108/15yOGH21.12.2015

Vgl auch; Beisatz: Nach § 3 Abs 3 PSG gehen die Rechte des Stifters, die Privatstiftung zu gestalten, nicht auf seine Rechtsnachfolger über. Daraus folgt, dass bei natürlichen Personen das Recht zur Ausübung von Gestaltungsrechten jedenfalls mit dem Tod des Stifters erlischt und dass die Gestaltungsrechte auch nicht über das Ableben des Stifters hinausgehend von Bevoll­mächtigten ausgeübt werden können. Auch das Recht auf Widerruf ist ein Gestaltungsrecht, das höchstpersönlich und damit unübertragbar ist. (T11)<br/>Veröff: SZ 2015/143<br/>

6 Ob 71/18mOGH24.05.2018

Vgl auch; Beis wie T9 nur: Das dem Stifter vorbehaltene Widerrufs‑ und Änderungsrecht ist höchstpersönlich und damit unübertragbar. (T12)

8 Ob 101/20sOGH03.08.2021

Vgl; Beisatz: Hier: Ist die Möglichkeit, die Begünstigtenstellung aufzugeben, wirtschaftlich werthaltig, weil es einen zur Entgeltzahlung bereiten Interessenten gibt, handelt es sich dabei um einen Vermögensbestandteil, der im Konkurs des Begünstigten in die Masse fällt. (T13)<br/>Beisatz: Der Insolvenzverwalter ist zur Verwertung dieses Vermögensbestandteils berechtigt und kann zugunsten der Masse die dafür notwendige Erklärung an Stelle der Schuldnerin ausüben. (T14)

6 Ob 100/22gOGH29.08.2022

Vgl; Beisatz: Hier: Das Änderungsrecht ist ein einseitiges höchstpersönliches und in der Stiftungsurkunde ausdrücklich vorzubehaltendes Recht des Stifters. (T15)

Dokumentnummer

JJR_20030911_OGH0002_0060OB00106_03M0000_001

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)