OGH 6Ob156/12b

OGH6Ob156/12b16.11.2012

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.‑Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Außerstreitsache der Antragstellerin H***** G*****, vertreten durch Dr. Wolfgang Vanis, Rechtsanwalt in Wien, gegen die Antragsgegnerin V***** Privatstiftung, *****, vertreten durch Doralt Seist Csoklich Rechtsanwaltspartnerschaft in Wien, wegen Abberufung von Mitgliedern des Stiftungsvorstands der im Firmenbuch des Landesgerichts Klagenfurt zu FN ***** eingetragenen Antragsgegnerin, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Antragstellerin gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Graz als Rekursgericht vom 20. Juni 2012, GZ 4 R 141/12f‑12, mit dem der Beschluss des Landesgerichts Klagenfurt vom 3. April 2012, GZ 65 Fr 6092/11d‑8, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden aufgehoben und dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Die Vorinstanzen wiesen den auf § 27 Abs 2 PSG gestützten Antrag der Antragstellerin vom 16. 12. 2011 auf Abberufung der Vorstandsmitglieder der Antragsgegnerin mit der Begründung zurück, sie habe aufgrund einer vom Stifter am 11. 11. 2011 vorgenommenen Änderung der Stiftungsurkunde und der Stiftungszusatzurkunde ihre Begünstigtenstellung verloren; darüber hinaus sei nunmehr ein Familienbeirat, dem sie ursprünglich als Mitglied angehört habe, nicht mehr eingerichtet. Da die Eintragung der Änderungen konstitutiv wirke und der Eintragungsbeschluss formell und materiell rechtskräftig sei, fehle es der Antragstellerin an der Antragslegitimation.

Rechtliche Beurteilung

Der außerordentiche Revisionsrekurs ist aus Gründen der Rechtssicherheit zulässig; er ist auch berechtigt.

1. Der erkennende Senat hat erst jüngst klargestellt, dass in einem Abberufungsverfahren nach § 27 Abs 2 PSG die Privatstiftung nicht Partei des Verfahrens ist (6 Ob 40/12v); Antragsgegner sind vielmehr die abzuberufenden Mitglieder des Stiftungsvorstands. Dass sowohl in dem ‑ ebenfalls die Antragstellerin und denselben Stifter sowie einen identen Sachverhalt betreffenden ‑ Abberufungsverfahren 6 Ob 157/12z als auch im vorliegenden Verfahren die Privatstiftungen als Antragsgegnerinnen geführt werden, liegt in § 2 Abs 1 Z 2 AußStrG begründet (vgl neuerlich 6 Ob 40/12v).

Für das fortzusetzende Verfahren (vgl 2.) bedeutet dies aber ‑ dies gilt im Übrigen sinngemäß auch für das der Entscheidung 6 Ob 157/12z zugrundeliegende Verfahren ‑, dass das Erstgericht nunmehr jene Mitglieder des Vorstands der Antragsgegnerin am Verfahren zu beteiligen haben wird, deren Abberufung die Antragstellerin anstrebt.

Da die Antragstellerin ihren Antrag zu Unrecht gegen die Privatstiftung als Antragsgegnerin richtete und die Vorinstanzen die abzuberufenden Mitglieder des Stiftungsvorstands bislang dem Verfahren nicht beigezogen haben, ist die von ihnen vorgenommene Antragszurückweisung einer a-limine-Zurückweisung vergleichbar; einer Beiziehung der Privatstiftung im Revisionsrekursverfahren bedurfte es somit nicht.

2. Der erkennende Senat hat in der bereits erwähnten Entscheidung 6 Ob 157/12z die Zurückweisung des Abberufungsantrags der Antragstellerin mit der Begründung nicht gebilligt, dass sich die Antragstellerin auf anhängige Verfahren berufen habe, mit denen sie die Gültigkeit unter anderem der Änderungen von Stiftungsurkunde und Stiftungszusatzurkunde vom 11. 11. 2011 bestreite; diese maßgebliche Vorfrage hätten die Vorinstanzen entweder selbst beurteilen oder das Verfahren nach § 25 Abs 2 Z 1 AußStrG unterbrechen müssen. Darüber hinaus sei § 27 Abs 2 PSG dahin auszulegen, dass die dort statuierte Antragslegitimation auch ehemaligen aktuellen Begünstigten zukommt, soweit ‑ wie auch im vorliegenden Fall ‑ Abberufungsgründe angeführt werden, die sich auf die Verletzung von Pflichten gegenüber dem Begünstigten beziehen.

3. Damit waren aber auch hier die Zurückweisungsbeschlüsse der Vorinstanzen zu beseitigen; das Erstgericht wird eine inhaltliche Prüfung der von der Antragstellerin behaupteten Abberufungsgründe vorzunehmen haben.

Da eine endgültige Beurteilung des Verfahrenserfolgs im vorliegenden Verfahrensstadium noch nicht möglich ist, war mit Kostenvorbehalt vorzugehen.

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