BVwG W114 2127670-2

BVwGW114 2127670-228.6.2019

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2019:W114.2127670.2.00

 

Spruch:

W114 2127670-2/11E

 

IM NAMEN DER REPUBLIK!

 

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Bernhard DITZ über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , Staatsangehörigkeit Afghanistan, vertreten durch XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Salzburg, Außenstelle Salzburg, vom 05.09.2017, Zl. 1054261209-170564564/BMI-BFA_SBG_AST_01_TEAM_03, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 04.06.2019 zu Recht:

 

A)

 

Die Beschwerde wird abgewiesen.

 

B)

 

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

 

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

 

I. Verfahrensgang:

 

1. XXXX , geb. XXXX , (im Weiteren: Beschwerdeführer oder BF), ein afghanischer Staatsbürger, Angehöriger der Volksgruppe der Hazara und damals noch schiitischer Moslem, stellte am 22.03.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.

 

2. Bei der am 24.03.2015 erfolgten Erstbefragung vor dem Bezirkspolizeikommando Baden, PI Traiskirchen, Erstaufnahmestelle gab der Beschwerdeführer an am 11.12.1999 geboren zu sein. Er stamme aus XXXX , im Distrikt Lal wa Sarjangal in der Provinz Ghor in Afghanistan. Seine Eltern wären bereits tot; er habe keine Geschwister. Im August 2014 sei er nach Stadt Herat gezogen, wo er gearbeitet und Geld angespart habe. Ende Dezember 204 habe er schlepperunterstützt von Herat verlassen und habe im Iran für ca. einen Monat als Schneider und als Bauarbeiter gearbeitet.

 

Befragt nach seinen Fluchtgründen führte er aus, dass - als er 5 Jahre alt gewesen sei - sein Vater von unbekannten bewaffneten Leuten mit der Pistole erschossen worden sei. Seine Mutter sei daraufhin zu seinem Onkel (Bruder seines Vaters) gezogen. Seine Mutter und auch er selbst wären vom Onkel stark geschlagen worden. Als er 8 Jahre alt gewesen sei, sei seine Mutter krank geworden und schließlich verstorben. Der Beschwerdeführer habe als Vollwaise beim Onkel gewohnt. Der Onkel habe ihn immer wieder geschlagen, sodass er ca. im Oktober 2014 von diesem weggelaufen sei. Da der Beschwerdeführer in Afghanistan niemanden habe und vom Onkel geschlagen werde, habe er entschieden, nach Österreich zu reisen und hier eine Existenz aufzubauen. Weitere Fluchtgründe habe er nicht. Im Fall einer Rückkehr habe er Angst um sein Leben. Einerseits vor seinem Onkel, andererseits vor den Männern, die seinen Vater ermordet hätten.

 

3. In einem Altersfeststellungsverfahren wurde von XXXX sachverständig festgestellt, dass der Beschwerdeführer spätestens am

XXXX geboren wäre und daher zum Zeitpunkt der Stellung des Antrages auf internationalen Schutz jedenfalls volljährig gewesen wäre.

 

4. In seiner Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) am 03.09.2015 beharrte der BF darauf, dass er am 11.12.1999 geboren sei. Er sei psychisch angeschlagen und leide an Schlafstörungen.

 

Nunmehr führte der BF - in Abänderung seines Vorbringens aus der Erstbefragung - aus, dass er einen Bruder habe, bei dem er wohne und von dem er unterstützt werde.

 

5. In einem neurologisch-psychiatrischem Gutachten betreffend den Beschwerdeführer vom 26.03.2016 führte XXXX als begutachtender Sachverständiger aus, dass es keine Hinweise für das Vorliegen einer posttraumatischen Belastungsstörung beim Beschwerdeführer gebe. Er leide an einer Anpassungsstörung mit einer leichtgradig depressiven Reaktion.

 

Im Zuge der Begutachtung vor dem Sachverständigen führte der Beschwerdeführer aus, dass er bereits im ersten Lebensjahr mit seinen Eltern in den Iran ausgereist sei. Sein Vater sei bereits verstorben gewesen. Er habe im Iran illegal mit dem Bruder und der Mutter gelebt und eine Ausweisung nach Afghanistan befürchtet. In Afghanistan habe er Feinde und diese würden ihn erkennen oder finden. Er sei eigentlich im Iran aufgewachsen und kenne Afghanistan nicht. Sein Bruder lebe bereits seit 7 Jahren in Österreich.

 

Im Zuge des Gespräches mit dem Sachverständigen erzählte der BF, dass sein Vater zum Christentum konvertiert sei. Die Frage, ob auch er zum Christentum konvertiert sei, hat er verneint.

 

6. Am 22.04.2016 wurde der Beschwerdeführer erneut durch das BFA, Regionaldirektion Salzburg, niederschriftlich einvernommen. Dabei führte der BF aus, dass er aus dem Iran ausgewiesen worden wäre und ca. acht Monate in Herat gelebt und gearbeitet habe. Er habe dort in einem Gasthaus gewohnt. Er habe dort Leute kennen gelernt, die seine Flucht aus Mitleid teilweise finanziert hätten, wobei für seine Schleppung Kosten in Höhe von ca. EUR 4.000.-- angelaufen wären. Er selbst habe auch etwas gespart gehabt, sodass die Kosten für seine Schleppung hätten aufgebracht werden können.

 

Er selbst sei von seinem einzigen Onkel, der in XXXX , im Distrikt Lal wa Sarjangal in der Provinz Ghor zuletzt gelebt habe, geflüchtet.

 

Konkretisierend zu seinem Fluchtgrund befragt wiederholte er, dass sein Vater ermordet worden wäre, als der BF fünf Jahre alt gewesen wäre. Danach seien sie zum Onkel gezogen, der sie alle, auch seine Mutter geschlagen habe. Zwei Jahre nach dem Vater sei auch die Mutter verstorben. In dieser Zeit habe sein Onkel immer Gewalt ausgeübt. Der Beschwerdeführer sei darauf gekommen, dass der Onkel das Grundstück des Vaters des Beschwerdeführers verkaufen wolle. Da der Onkel sie immer wieder geschlagen habe, habe der Beschwerdeführer keinen Sinn mehr gesehen, zurückzukehren. Der Onkel habe 100.000 Afghanis als Anzahlung zuhause gehabt, die der Beschwerdeführer an sich genommen habe. Der Onkel habe den Beschwerdeführer als Boten zum Käufer geschickt, um das Restgeld in Höhe von 100.000 Afghanis abzuholen, das der Beschwerdeführer ebenfalls an sich genommen habe. Der Beschwerdeführer sei damit nach Herat und dann in den Iran gegangen, von wo aus er wieder nach Afghanistan abgeschoben worden sei. Der Beschwerdeführer habe insgesamt acht Monate in der Stadt Herat in einem Gasthaus zugebracht und habe auch gearbeitet. Dort habe er Gäste kennen gelernt mit denen er in den Iran geflüchtet sei. Nach einiger Zeit habe er sich überlegt, nach Europa zu gehen, da er dieses Leben sattgehabt habe.

 

Auf die Frage nach dem Grund für die Ausreise vom Gasthaus in Herat in den Iran gab der Beschwerdeführer an, dass der Onkel, nachdem er das Geld des Onkels genommen habe, von ihm verfolgt worden wäre und dieser irgendwann erfahren hätte, dass sich der BF in Herat befinde. Der Onkel habe ihm auch einmal mit dem Umbringen gedroht.

 

7. Mit Bescheid des BFA vom 11.05.2016, Zl. 1054261209-150295658/BMI-BFA_SBG_AST_01_TEAM_03, wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gemäß §§ 57, 55 AsylG nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen. Es wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise des Beschwerdeführers 2 Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.).

 

Begründet wurde diese Entscheidung damit, dass der BF keine asylrelevanten Ausreisegründe vorgebracht habe. Nachdem der BF bewiesen habe, dass er in der Lage gewesen sei eine Dauer von 8 Monaten in Herat zu verbringen und dort nicht nur zu leben sondern auch zu arbeiten und keine individuellen Umstände vorliegen würden, die dafür sprechen würden, dass der BF bei einer Rückkehr nach Afghanistan in eine derart extreme Notlage geraten würde, die eine unmenschliche Behandlung iSd Art. 3 EMRK darstellen würde, würden auch keine Gründe vorliegen, die gem. § 8 AsylG zur Gewährung von subsidiärem Schutz führen würden.

 

Dieser Bescheid wurde dem BF am 13.05.2016 zugestellt.

 

8. Gegen diese Entscheidung erhob der BF, vertreten durch XXXX , mit Schriftsatz vom 27.05.2016 Beschwerde. Einerseits wies er dabei auf eine Verfolgungsgefahr durch seinen von ihm bestohlenen Onkel und andererseits auf eine Verfolgungsgefahr infolge seiner Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Hazara und als Rückkehrer nach Afghanistan hin. Darüber hinaus führte er aus, dass die Sicherheitslage in ganz Afghanistan derart volatil sei, dass dem BF jedenfalls subsidiärer Schutz zu gewähren sei.

 

9. Nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) am 14.12.2016 wurde mit Erkenntnis des BVwG vom 15.12.2016, GZ W123 2127670-1/6E, die Beschwerde hinsichtlich der Gewährung des Status eines Asylberechtigten bzw. hinsichtlich des Status eines subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde nicht erteilt. Es wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gem. § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und festgestellt, dass die Abschiebung des BF gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig ist. Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde die Frist für die freiwillige Ausreise des BF mit zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt.

 

Diese Entscheidung wurde weder beim VwGH noch beim VfGH angefochten. Der Beschwerdeführer hat Österreich nicht innerhalb der ihm zugestandenen Frist für eine freiwillige Ausreise verlassen noch wurde er nach Afghanistan abgeschoben.

 

10. Mehr als ein Jahr nachdem der BF hätte Österreich verlassen müssen stellte er am 11.05.2017 in Anwesenheit seines Vertreters

XXXX einen Folgeantrag auf internationalen Schutz. Bei der Erstbefragung zum Folgeantrag begründete er diesen damit, dass er jetzt Christ geworden sei. Sein Vater sei auch Christ gewesen und sei deswegen getötet worden. Er habe den Grund der Ermordung seines Vaters nicht gekannt. Erst als er seinen Bruder in Österreich getroffen habe, habe dieser ihm mitgeteilt, dass sein Vater Christ gewesen wäre und deshalb getötet worden wäre.

 

11. In einer Stellungnahme vom 15.03.2017 teilte XXXX , als mittlerweile ehemalige Pastorin der Gemeinde in Salzburg der Evangelisch-methodistischen Kirche in Österreich mit, dass der BF seit Ende 2017 mit ihrer Pfarrgemeinde in Kontakt stehe und seither regelmäßig den Gottesdienst besuche. Er habe kleinere Aufgaben wie das Austeilen der Liederbücher, das Einsammeln der Kollekte oder eine Mitarbeit beim Flohmarkt übernommen. Er habe den Wunsch geäußert Christ zu werden und getauft zu werden. Daher nehme er an einem Glaubenskurs teil. Es würden dort die Grundlagen in der Kenntnis der Bibel und des christlichen Glaubens gelegt werden. Es gehe um eine konkretere Vorbereitung auf die Taufe. Das nehme aber noch einige Zeit in Anspruch, da ein Kennenlernen des christlichen Glaubens am besten über das Mitfeiern der Feste innerhalb des Kirchenjahres geschehe. Der BF sei ein eifriger und höflicher junger Mann, der sich mit Interesse und Freude der Sache zuwende und große Eigeninitiative zeige. In seiner derzeitigen Situation sei für ihn das Mitfeiern der Gottesdienste, das persönliche Gebet und das Lesen in der Heiligen Schrift wichtige Quellen, um sein inneres Gleichgewicht zu finden.

 

12. Am 05.07.2017 fand beim BFA eine weitere Einvernahme des BF statt. Dabei führte der BF aus, dass die im ersten Asylverfahren vorgetragenen Fluchtgründe immer noch vorliegen würden. Zusätzlich dazu sei er noch Christ geworden. Er habe damals noch nicht gewusst, dass sein Vater Christ gewesen wäre. Das habe er erst vor 10 oder 11 Monaten (05/216 oder 06/2016) erfahren. Er sei bei der Einvernahme vor dem BVwG sehr durcheinander gewesen, da er erst neulich von seinem Bruder erfahren habe, dass sein Vater wegen dem Christentum getötet worden wäre. Er kenne seit März 2017 die Christliche Gemeinde. Sein Bruder habe ihm diese Kirche vorgeschlagen, aufgrund dessen er dann in die Kirche gegangen sei. Sein Bruder sei kein Christ. Auf seiner Flucht habe er im Iran sechs Monate lang auf einer Baustelle gearbeitet. In der Türkei habe er sich drei Monate lang aufgehalten. Er habe bei der Flucht kein Ziel gehabt, sei in Österreich gut behandelt worden, weswegen er hiergeblieben sei.

 

Sein Bruder, der selbst nichtpraktizierender Moslem sei, habe ihm geraten einen neuerlichen Antrag auf internationalen Schutz zu stellen.

 

Der BF sei noch nicht getauft; die Taufe erwarte er im Herbst. Auf die Frage, zu welchem Zweig des Christentums er sich nun bekenne, antwortete er "Methodistische und Orthodoxe und Evangelische und Katholische Kirche. Ich gehe einmal in der Woche zum Religionsunterricht."

 

Erst über Intervention einer anwesenden Vertrauensperson hat er schließlich ausgeführt, dass er einmal in der Woche in die Evangelische Methodistische Kirche gehe.

 

13. Mit Bescheid des BFA, Regionaldirektion Salzburg, Außenstelle Salzburg, vom 05.09.2017, Zl. 1054261209-170564564/BMI-BFA_SBG_AST_01_TEAM_03, wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z. 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) und bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Gemäß § 57 AsylG wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt und gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen. Es wurde festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt III.). Weiters wurde ausgeführt, dass die Frist für die freiwillige Ausreise des Beschwerdeführers gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt IV.).

 

Begründend wurde zu Spruchpunkt I. ausgeführt, dass der Beschwerdeführer weiterhin eine asylrelevante Verfolgungsgefahr bei einer Rückkehr nach Afghanistan nicht glaubhaft gemacht habe. Bezüglich der vom BF angegebenen religiösen Gesinnung als evangelischer Christ wird in der Beweiswürdigung der angefochtenen Entscheidung hingewiesen, dass der BF diesbezüglich unglaubwürdig sei.

 

Da sein Bruder für den BF die Kirche ausgesucht habe und auch vorgeschlagen habe einen Folgeantrag zu stellen, sei es nicht überzeugend, dass der BF aus innerer Überzeugung konvertiert sei. Zudem habe der BF nachweislich gelogen, indem er angegeben habe, dass er von der Konversion seines Vaters erst später informiert worden wäre, dieses Wissen jedoch insbesondere erst beim Folgeantrag asylrelevant dargelegt habe. Der BF verfüge auch nur über ein unzureichendes Wissen über seine Glaubensgemeinschaft. Darüber hinaus habe er als Christ auch in der Einvernahme vor dem BFA zum Folgeantrag eine asylrelevante Verfolgungsgefahr als schiitischer Moslem vorgetragen und derart sein Fluchtvorbringen gesteigert.

 

Insgesamt vertrat das BFA die Auffassung, dass der vom BF vorgetragene Sachverhalt unglaubwürdig und konstruiert sei.

 

Zu Spruchpunkt II. wurde dargelegt, dass der Beschwerdeführer zumindest 8 Monate in Herat gelebt habe und daher wieder dorthin zurückkehren könne.

 

Diese Entscheidung wurde dem Beschwerdeführer am 07.09.2017 zugestellt.

 

14. Mit Schriftsatz vom 20.09.2017, eingelangt am selben Tag beim BFA, erhob der Beschwerdeführer, vertreten durch XXXX , Beschwerde.

 

Der Beschwerdeführer begründete diese Beschwerde im Wesentlichen zusammengefasst damit, dass er als konvertierter Christ, Hazara und Rückkehrer in Afghanistan in Lebensgefahr sei, da er dort der steigend konfessionell motivierten Gewalt von militanten Islamisten ausgesetzt sei. Als er erfahren habe, dass sein Vater Christ gewesen sei, habe der BF seine Religion gewechselt. Deshalb sei sein Leben in Gefahr.

 

Der Beschwerdeführer sei im wehrfähigen Alter und sei deswegen vor einer Zwangsrekrutierung durch radikale Gruppierungen bedroht.

 

Die Situation in Afghanistan sei nicht derart, dass der Beschwerdeführer sich dort ohne Unterstützung durch ein familiäres oder soziales Netz niederlassen könne, ohne in eine existenzbedrohende Lage zu geraten bzw. aufgrund der dort herrschenden Sicherheitslage der Gefahr ausgesetzt wäre, bei einem Anschlag getötet zu werden. Daher sei dem BF zumindestens der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zu gewähren.

 

7. Die Beschwerde und die Unterlagen des Verwaltungsverfahrens wurden dem BVwG mit Schreiben des BFA vom 10.10.2017 zur Entscheidung vorgelegt.

 

8. Gemeinsam mit der Ladung zur Beschwerdeverhandlung vom 12.04.2019 wurden dem Beschwerdeführer Länderfeststellungen zu Afghanistan mit Aktualisierungen vom 26.03.2019 zugänglich gemacht und ihm die Möglichkeit geboten, eine Stellungnahme abzugeben.

 

9. Im Rahmen der mündlichen Beschwerdeverhandlung am 04.06.2019 wurde der Beschwerdeführer, vertreten durch XXXX zu seiner Identität und Herkunft sowie zu seinen Fluchtgründen, insbesondere zu seiner von ihm behaupteten Konversion zum Christentum befragt. Die Verhandlung fand im Beisein einer Dolmetscherin für die Sprache Dari statt. Das BFA verzichtete mit Schreiben vom 23.05.2019 auf eine Teilnahme an der Verhandlung. Darüber hinaus legte der Beschwerdeführer einen Taufschein über eine am 01.04.2018 stattgefundene Taufe, sowie Unterstützungserklärungen von Mitgliedern seiner Glaubensgemeinschaft in Salzburg sowie ein Deutschsprachkurszertifikat auf Niveau B1 vor.

 

Befragt, warum er nunmehr in der Beschwerde erstmals vorbringe, dass er bei einer Rückkehr nach Afghanistan auch von Zwangsrekrutierung betroffen wäre, antwortete der BF, dass es beim XXXX in Salzburg keine Dolmetscher für Dari und Farsi gebe. Dort würden hauptsächlich nur Arabisch-Dolmetscher arbeiten. Jener Rechtberater, der die Beschwerde geschrieben habe, sei selber im Jahr 2015 nach Österreich gekommen. Der BF wisse gar nicht, was er alles geschrieben habe. Der Inhalt der Beschwerde sei mit dem BF nicht abgesprochen worden. Die Frage, ob er bei einer Rückkehr nach Afghanistan zwangsrekrutiert werden würde, verneinte der Beschwerdeführer.

 

Befragt, warum der Beschwerdeführer wegen seiner Volksgruppenzugehörigkeit bei einer Rückkehr nach Afghanistan verfolgt werden würde, entgegnete er, dass allgemein bekannt sei, dass Hazara in Afghanistan Schwierigkeiten ausgesetzt wären. Die Volksgruppe der Hazara würde in Afghanistan als etwas Überflüssiges betrachtet werden. Auf konkretere Nachfrage führte der BF aus, nichts von der Lage in Afghanistan zu wissen.

 

Die Frage, woran man bei einer Rückkehr nach Afghanistan merken würde, dass der BF Christ sei, beantwortete er ausweichend, dass er

In Afghanistan seinen Glauben nicht geheim halten und verstecken könnte. Wenn man über das Christentum sprechen würde, sei es allgemein bekannt, dass man dort sofort des Glaubensabfalls bezichtigt werde. Da diese Frage somit nicht beantwortet wurde, wurde sie wiederholt. Nunmehr antwortete der BF sehr allgemein und ausweichend, dass er in Österreich einen Weg gehe, den er auch in Afghanistan genauso weiter verfolgen würde. Er würde seinen Glauben aktiv leben. Nachdem auf die ausweichende Antwort hingewiesen wurde, wurde die Frage neuerlich wiederholt. Darauf antwortete der BF, dass er dort nicht so leben könnte, wie er früher gelebt habe. Das würde respektlos wirken, was solle er sonst noch dazu sagen. Nachdem der BF abermals auf die verallgemeinernden Antworten aufmerksam gemacht wurde und ergänzend ausgeführt wurde, dass er darlegen sollte, wie man in Afghanistan merken würde, wenn man sich mit ihm unterhalte oder ihm zusehe, dass er Christ sei, antwortete er, dass er ganz frei über seinen Glauben und die christliche Religion sprechen würde. Er habe doch gesagt, dass er seinen Glauben nicht geheim halten könne. Er würde religiöse (muslimische) Vorschriften, die in Afghanistan einzuhalten wären, nicht einhalten. Er würde nicht an das, was in Afghanistan gelebt wird, glauben. So würde man erkennen, dass er andersgläubig sei. Bei einer Rückkehr nach Afghanistan würde jedoch jeder erfahren, dass er Christ sei, weil er darüber sprechen würde. Die Frage, wie er in Afghanistan sein Christentum ausleben würde, wurde von ihm damit beantwortet, dass er langsam ein paar Leute zum Christentum einladen würden. Ergänzend stellte er die Gegenfrage, was ein Christ sonst dort machen könnte. Die Frage, wie ein Christ in Österreich seinen Glauben ausübe beantwortete der BF mit einem Hinweis auf die Einhaltung der 10 Gebote. Man besuche einmal pro Woche den Gottesdienst und nehme auch sonntags an kirchlichen Veranstaltungen teil. Er selbst halte sich ganz streng an den Weg, der er eingeschlagen habe. Die Beziehung, die er zu Gott aufgebaut habe, erhalte er weiterhin. Danach wurde die Frage gestellt, was er bei einer Rückkehr nach Afghanistan nicht mehr machen könne, was er unbedingt machen müsse und was geschehen würde, wenn er das in Afghanistan trotzdem machen würde. Diese Frage beantwortete er damit, dass er hier Leute zum Christentum einladen müsse und über Jesus Christus erzählen müsse. In Afghanistan wisse niemand, dass Jesus für die Vergebung unserer Sünden gestorben sei. Da der BF die Frage offensichtlich nicht richtig verstand, wurde er darauf hingewiesen, dass wirkliche Christen in Österreich beten würden, regelmäßig den Gottesdienst besuchen würden und versuchen würden, ein Gott gefälliges Leben zu führen. Er selbst wies antwortend darauf hin, dass er (bei einer Rückkehr nach Afghanistan) nicht wieder wie der befragende Richter leben könne und auch nicht wie er beten könne. Er habe auch nicht die gleiche Denkweise wie diese. Als Rückkehrer aus Europa würde er sich in Gefahr begeben, wenn er über das Christentum sprechen würde. Die Frage, warum es im Christentum gehe, beantwortete der BF damit, dass Gott seinen Sohn auf die Erde geschickt habe, um uns zu retten. Er habe das Leben seines Sohnes für die Vergebung unserer Sünden geopfert. Die Beziehung zu Gott sei im Christentum näher und liebevoller als im Islam. Im Islam müsse man Gott fürchten.

 

Der BF vermochte auch Noah als Erbauer der Arche richtig einzuordnen, darzulegen, dass das Alte Testament mit der Schöpfungsgeschichte beginnt. Er konnte auch über entsprechendes Ersuchen, aus einer Farsi-Bibel vorlesen und eine Lieblingsstelle im neuen Testament benennen und diese Stelle nacherzählen.

 

In der mündlichen Verhandlung wurde auch der derzeitige Interims-Pastor der evangelisch methodistischen Gemeinde in Salzburg, XXXX , zeugenschaftlich einvernommen.

 

XXXX gab an, sich bereits im Ruhestand zu befinden und in Linz zu wohnen, jedoch regelmäßig die Gemeinde in Salzburg, die er übergangsmäßig betreue, besuche. Er habe den BF im Jahr 2017 über die Pastorin XXXX kennengelernt, von der er die Gemeinde in Salzburg übernommen habe. Sie habe ihm damals auch Unterlagen gegeben, was sie bisher den Asylwerbern beigebracht habe. Sie habe einen Bibelkurs mit ihnen gemacht, aber da die Deutschkenntnisse noch schwach waren, habe sie versucht den beiden Asylwerbern (neben dem BF sei auch noch ein weiterer Asylwerber Teilnehmer am Bibelkurs gewesen) an Hand von Kinderbibeln oder Bilderbibeln, insbesondere das Neue Testament nahe zu bringen. Er habe dann mit einem Taufkurs im Oktober 2017 fortgesetzt. Dieser habe unter XXXX bereits im Februar 2017 begonnen. seine Aufgabe sei es gewesen, die beiden in den Gottesdienst einzuführen und die einzelnen Elemente näher zu bringen. Sie hätten dann die Taufe und das Abendmahl als Sakramente besprochen. Beide und damit auch der BF hätten ausdrücklich einen Taufwunsch geäußert und hätten ein Bekenntnis abgelegt. Die Taufe habe am Ostersonntag am 01.04.2018 stattgefunden. Den Taufvorbereitungskurs habe ausschließlich er ab November 2017 gehalten. Das habe immer am Sonntag nach dem Gottesdienst stattgefunden. Der Kurs habe ca. ein- bis eineinhalb Stunden gedauert hat. Er sei nicht jeden Sonntag in Salzburg gewesen; teilweise sei er auch nur nach 14 Tagen in Salzburg gewesen. Er sei für den BF nicht die einzige Bezugsperson. Der BF sei auch von anderen Mitglieder der Gemeinde auch in Glaubensfragen unterstützt worden. Er habe auch Fragen an andere Gemeindemitglieder stellen können, die von diesen beantwortet worden wären. Die Taufe sei kein Abschluss, sondern ein markanter Meilenstein bei einer Umkehr und es finde auch nach der Taufe eine Fortsetzung des Glaubenskurses statt. Im konkreten Fall habe sein offizieller Glaubenskurs mit Abschluss des Jahres 2018 geendet. Der Glaubenskurs finde jedoch weiterhin im Privatkreis der Glaubensgemeinschaft statt. In diesem Jahr wären auch viele private Kontakte zum BF entstanden, er sei eingeladen worden, wodurch sich ein Vertrauensverhältnis entwickelt habe. Die Treffen würden immer noch stattfinden. Der BF sei in die Gemeinde gut integriert und erscheine jeden Sonntag zum Gottesdienst.

 

Befragt, ob er glaube, dass der BF Christ sei, antwortete XXXX , dass man nicht ins Herz blicken könne. Wenn er als Taufspender nicht überzeugt gewesen wäre, hätte er den BF nicht getauft. Er glaube auch, dass der BF das christliche Gedankengut derart intensiv verinnerlicht habe, dass er ohne dieses Gedankengut nicht mehr sein könnte. Die Frage, ob der BF evangelisierend tätig sei, beantwortete XXXX damit, dass der BF mit vielen Leuten über seinen Glauben spreche und auch andere mit in den Gottesdienst bringe.

 

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

 

1. Feststellungen:

 

Der entscheidungsrelevante Sachverhalt steht fest. Auf Grundlage des erhobenen Antrages auf internationalen Schutz, der Erstbefragung sowie Einvernahmen des Beschwerdeführers durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sowie des BFA, der Beschwerde gegen den im Spruch genannten Bescheid des BFA, der im Verfahren vorgelegten Dokumente, der mündlichen Verhandlungen vor dem BVwG und der Einsichtnahme in den Bezug habenden Verwaltungsakt, das Zentrale Melderegister, das Fremdeninformationssystem, das Strafregister sowie das Grundversorgungs-Informationssystem und in das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Afghanistan vom 29.06.2018 mit Aktualisierungen und Ergänzungen vom 04.06.2019 werden folgende Feststellungen getroffen und der Entscheidung zugrunde gelegt:

 

1.1. Zum Beschwerdeführer:

 

Der auch bereits bei der Antragstellung auf internationalen Schutz volljährige Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Afghanistan, Angehöriger der Volksgruppe der Hazara und war - nach eigenen Angaben - jedenfalls bis zur Entscheidung des BVwG vom 15.12.2016, GZ W123 2127670-1/6E, schiitischer Moslem. Er spricht die Sprachen Dari und Farsi. Er ist mit den Gepflogenheiten in einem afghanischen Haushalt vertraut. Der Beschwerdeführer wurde in der Provinz Ghor in Afghanistan geboren. Er besuchte eine Schule und ist in der Lage Farsi zu lesen. Er hat Erfahrung als Hilfsarbeiter, wobei er als Schneider und Bauerbeiter arbeitete.

 

Es kann nicht festgestellt werden, ob der den Großteil seines Lebens in Afghanistan, allenfalls in der Provinz Ghor oder im Iran zugebracht hat. Der BF hat jedenfalls mehrere Monate in Herat zugebracht und hat dort auch gearbeitet. Er ist ledig und hat keine Kinder.

 

Der Beschwerdeführer ist gesund. Er befindet sich in keiner Behandlung und benötigt keine medizinische Hilfe. Er geht in Österreich keiner Erwerbstätigkeit nach, lebt von der Grundversorgung und ist in Österreich strafrechtlich unbescholten. Der Beschwerdeführer lebt in Österreich in keiner Beziehung.

 

Es kann auch nicht festgestellt werden, wann, warum und auf welchem Weg der Beschwerdeführer Afghanistan verlassen hat. Es kann ebenfalls nicht festgestellt oder ausgeschlossen werden, ob der BF über Familienmitglieder in Afghanistan oder im Iran verfügt, bzw. ob jene Person, die sich in Österreich befindet und vom Beschwerdeführer als Bruder bezeichnet wird, tatsächlich sein Bruder ist. Es kann daher auch weder festgestellt bzw. ausgeschlossen werden, dass der BF bei einer Rückkehr nach Afghanistan familiäre Unterstützung oder Unterstützung durch Freunde oder Bekannte, die sich einerseits im Iran und andererseits in Afghanistan befinden, erhalten würde.

 

Der Beschwerdeführer würde - wie bereits in der unangefochten gebliebenen rechtskräftigen Entscheidung des BVwG vom 15.12.2016, GZ W123 2127670-1/6E, ausgeführt wurde, weder wegen seiner Volksgruppenzugehörigkeit als Hazara noch als Schiit bzw. auch nicht von einem Onkel, den er nach eigenen Angaben bestohlen und zumindest verletzt habe, asylrelevant verfolgt werden.

 

Der Beschwerdeführer verfügt über ein beachtliches Wissen über christliche Glaubensinhalte und wurde nach Absolvierung eines Taufvorbereitungs- bzw. Glaubenskurses am 01.04.2018 in Salzburg von XXXX von der Evangelisch-methodistischen Kirche in Österreich getauft. Er vermochte jedoch nicht glaubhaft machen, dass er in Afghanistan sein zumindest in Ansätzen vorhandenes Christentum in einer nach außen erkennbaren Weise ausleben würde und deswegen bei einer Rückkehr nach Afghanistan als Christ erkannt werden würde, deswegen verfolgt werden würde und schließlich in eine besorgniserregende Situation geraten würde. Es kann insbesondere nicht festgestellt werden, dass er christliche Glaubensinhalte und Glaubenswerte derart verinnerlicht hat, dass er diese bei einer Rückkehr nach Afghanistan auch ausleben würde bzw. ausleben müsste. Es kann daher nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer im Falle der Rückkehr nach Afghanistan aufgrund seines Interesses für den christlichen Glauben mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit psychischer und/oder physischer Gewalt ausgesetzt wäre.

 

Der Beschwerdeführer hat insbesondere in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG am 04.06.2019 den Eindruck hinterlassen, dass er keinesfalls bereit ist, wieder nach Afghanistan zurückzukehren und bereit ist alle Möglichkeiten auszuschöpfen, um dieses Ziel zu erreichen, selbst, wenn das bedeutet, dass er sich mühsam umfassende Kenntnisse über den christlichen Glauben aneignen muss. Der BF hat den Eindruck hinterlassen, dass ihm der christliche Glauben selbst nicht so wichtig ist, sondern von ihm nur als nötiges Mittel gesehen wird, damit er sein Ziel, in Österreich bleiben zu können und hier ein ruhiges und weitgehend sorgenfreies Leben zu führen, erreicht.

 

Ausgehend von den Länderfeststellungen zu Afghanistan und die UNHCR Richtlinien vom 30.08.2018 berücksichtigend kann sich der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr nach Afghanistan jedenfalls in Herat, das über einen für Zivilflugzeuge erreichbaren Flughafen verfügt, niederlassen, zumal er bereits in der Vergangenheit mehrere Monate dort gelebt und gearbeitet hat und damit dort auch mit den lokalen Verhältnissen vertraut ist und bereits in der Vergangenheit bewiesen hat, dass er dort leben und arbeiten kann. Die Vor-Ort-Verhältnisse und die Versorgungslage und auch die Sicherheitslage in Herat ist nicht derart, dass der BF als alleinstehender, junger, gesunder, arbeitsfähiger und volljähriger Mann mit Arbeitserfahrung, der in der Lage ist, sowohl eine in Afghanistan gebräuchliche Schrift zu lesen und zu schreiben, bei einer Wiederansiedelung - entsprechende erforderliche Bemühungen des BF vorausgesetzt - in Herat auf Dauer in eine aussichtslose Situation geraten würde, wenn auch eine Wiederansiedelung am Beginn mit Schwierigkeiten verbunden sein könnte.

 

1.2. Zur maßgeblichen Situation in Afghanistan:

 

Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 29.06.2018 (letzte Kurzinformation eingefügt am 04.06.2019):

 

Politische Lage:

 

Die Verfassung der islamischen Republik Afghanistan sieht vor, dass der Präsident der Republik direkt vom Volk gewählt wird und sein Mandat fünf Jahre beträgt (Casolino 2011). Implizit schreibt die Verfassung dem Präsidenten auch die Führung der Exekutive zu (AAN 13.02.2015). Nach den Präsidentschaftswahlen im Jahr 2014 einigten sich die beiden Kandidaten Ashraf Ghani und Abdullah Abdullah Mitte 2014 auf eine Regierung der Nationalen Einheit (RNE) (AM 2015; vgl. DW 30.09.2014). Mit dem RNE-Abkommen vom 21.09.2014 wurde neben dem Amt des Präsidenten der Posten des CEO (Chief Executive Officer) eingeführt, dessen Befugnisse jenen eines Premierministers entsprechen.

 

Friedens- und Versöhnungsprozess

 

Am 28.02.2018 machte Afghanistans Präsident Ashraf Ghani den Taliban ein Friedensangebot (NYT 11.03.2018; vgl. TS 28.02.2018). Die Annahme des Angebots durch die Taliban würde, so Ghani, diesen verschiedene Garantien gewähren, wie eine Amnestie, die Anerkennung der Taliban-Bewegung als politische Partei, eine Abänderung der Verfassung und die Aufhebung der Sanktionen gegen ihre Anführer (TD 07.03.2018). Quellen zufolge wird die Annahme bzw. Ablehnung des Angebots derzeit in den Rängen der Taliban diskutiert (Tolonews 16.04.2018; vgl. Tolonews 11.04.2018). Anfang 2018 fanden zwei Friedenskonferenzen zur Sicherheitslage in Afghanistan statt: die zweite Runde des Kabuler Prozesses [Anm.: von der afghanischen Regierung ins Leben gerufene Friedenskonferenz mit internationaler Beteiligung] und die Friedenskonferenz in Taschkent (TD 24.03.2018; vgl. TD 07.03.2018, NZZ 28.02.2018). Anfang April rief Staatspräsident Ghani die Taliban dazu auf, sich für die Parlamentswahlen im Oktober 2018 als politische Gruppierung registrieren zu lassen, was von diesen jedoch abgelehnt wurde (Tolonews 16.04.2018).

 

Am 07.06.2018 verkündete Präsident Ashraf Ghani einen Waffenstillstand mit den Taliban für den Zeitraum 12.06.2018 - 20.06.2018. Die Erklärung erfolgte, nachdem sich am 04.06.2018 über 2.000 Religionsgelehrte aus ganz Afghanistan in Kabul versammelt hatten und eine Fatwa zur Beendigung der Gewalt aussprachen (Tolonews 07.06.2018; vgl. Reuters 07.06.2018, RFL/RL 05.06.2018). Durch dieses Fatwa wurden Selbstmordanschläge für ungesetzlich (nach islamischem Recht, Anm.) erklärt und die Taliban dazu aufgerufen, den Friedensprozess zu unterstützen (Reuters 05.06.2018). Die Taliban selbst gingen am 09.06.2018 auf das Angebot ein und erklärten einen Waffenstillstand von drei Tagen (die ersten drei Tage des Eid-Fests, Anm.).

 

Am Samstag dem 26.01.2019 endete die sechstägige Friedensgesprächsrunde in Doha, Katar, zwischen dem U.S.-Chefunterhändler Zalmay Khalilzad und den Taliban-Vertretern (DP 28.01.2019; vgl. NYT 28.01.2019, CNN 27.01.2019, Tolonews 28.01.2019). Quellen zufolge wurde ein erster Vertragsentwurf ausgehandelt, wonach sich die Taliban dazu verpflichten würden, ausländische Terrororganisationen von Afghanistan fernzuhalten, und die USA würden im Gegenzug dazu ihren Truppenabzug aus Afghanistan innerhalb von 18 Monaten garantieren. Dieser sei jedoch an weitere Bedingungen gebunden, die noch genau besprochen werden müssen, wie die Ausrufung eines Waffenstillstands zwischen den Taliban und der afghanischen Regierung sowie die Forderung von direkten Gesprächen zwischen diesen beiden Akteuren (NYT 28.01.2019; vgl. DP 28.01.2019, FP 29.01.2019). Inoffiziellen Quellen zufolge wurde bei den Gesprächen u.a. die Schaffung einer Interimsregierung, in der auch die Taliban vertreten sein sollen, angedacht, was jedoch von Khalilzad dementiert wurde (NYT 28.01.2019; vgl. DP 28.01.2019).

 

Ende Mai 2019 fand in Moskau die zweite Runde der Friedensgespräche zwischen den Taliban und afghanischen Politikern (nicht der Regierung.) statt. Bei dem Treffen äußerte ein Mitglied der Taliban, Amir Khan Muttaqi, den Wunsch der Gruppierung nach Einheit der afghanischen Bevölkerung und nach einer "inklusiven" zukünftigen Regierung. Des Weiteren behauptete Muttaqi, die Taliban würden die Frauenrechte respektieren wollen. Ein ehemaliges Mitglied des afghanischen Parlaments, Fawzia Koofi, äußerte dennoch ihre Bedenken und behauptete, die Taliban hätten kein Interesse daran, Teil der aktuellen Regierung zu sein, und dass die Gruppierung weiterhin für ein islamisches Emirat stünde (Tolonews 31.05.2019).

 

Vom 29.04.2019 bis 03.05.2019 tagte in Kabul die "große Ratsversammlung" (Loya Jirga). Dabei verabschiedeten deren Mitglieder eine Resolution mit dem Ziel, einen Friedensschluss mit den Taliban zu erreichen und den inner-afghanischen Dialog zu fördern. Auch bot Präsident Ghani den Taliban einen Waffenstillstand während des Ramadan von 06.05.2019 bis 04.06.2019 an, betonte aber dennoch, dass dieser nicht einseitig sein würde. Des Weiteren sollten 175 gefangene Talibankämpfer freigelassen werden (BAMF 06.05.2019). Einer weiteren Quelle zufolge wurden die kritischen Äußerungen zahlreicher Jirga-Teilnehmer zu den nächtlichen Militäroperationen der USA nicht in den Endbericht aufgenommen, um die Beziehungen zwischen den beiden Staaten nicht zu gefährden. Die Taliban nahmen an dieser von der Regierung einberufenen Friedensveranstaltung nicht teil, was wahrscheinlich u.a. mit dem gescheiterten Dialogtreffen, das für Mitte April 2019 in Katar geplant war, zusammenhängt. Dort wäre die Regierung zum ersten Mal an den Friedensgesprächen mit den Taliban beteiligt gewesen. Nachdem erstere jedoch ihre Teilnahme an die Bedingung geknüpft hatte, 250 Repräsentanten nach Doha zu entsenden und die Taliban mit Spott darauf reagierten, nahm letztendlich kein Regierungsmitarbeiter an der Veranstaltung teil. So fanden Gespräche zwischen den Taliban und Exil-Afghanen statt, bei denen viele dieser das Verhalten der Regierung öffentlich kritisierten (Heise 16.05.2019).

 

Anfang Mai 2019 fand in Katar auch die sechste Gesprächsrunde zwischen den Taliban und den USA statt. Der Sprecher der Taliban in Doha, Mohammad Sohail Shaheen, betonte, dass weiterhin Hoffnung hinsichtlich der inner-afghanischen Gespräche bestünde. Auch konnten sich der Quelle zufolge die Teilnehmer zwar bezüglich einiger Punkte einigen, dennoch müssten andere "wichtige Dinge" noch behandelt werden (Heise 16.05.2019).

 

Am 14.05.2019 hat die unabhängige Wahlkommission (Independent Electoral Commission, IEC) die Wahlergebnisse der Provinz Kabul für das afghanische Unterhaus (Wolesi Jirga) veröffentlicht (AAN 17.05.2019; vgl. IEC 14.05.2019, IEC 15.05.2019). Somit wurde nach fast sieben Monaten (die Parlamentswahlen fanden am 20.10.2018 und 21.10.2018 statt) die Stimmenauszählung für 33 der 34 Provinzen vervollständigt. In der Provinz Ghazni soll die Wahl zusammen mit den Präsidentschafts- und Provinzialratswahlen am 28.09.2019 stattfinden. In seiner Ansprache zur Angelobung der Parlamentsmitglieder der Provinzen Kabul und Paktya am 15.05.2019 bezeichnete Ghani die siebenmonatige Wahl als "Katastrophe" und die beiden Wahlkommissionen, die IEC und die Electoral Complaints Commission (ECC), als "ineffizient" (AAN 17.05.2019).

 

Der afghanische Präsident Ashraf Ghani äußerte während einer Fernsehansprache am 28.01.2019 sein Unbehagen bzgl. eines voreiligen Abzugs der U.S.-Truppen aus Afghanistan und erinnerte an die dramatischen Auswirkungen des sowjetischen Abzuges Ende der 1980er Jahre, dem Anarchie und die Ermordung des ehemaligen Präsidenten Mohammad Najibullah folgten (NYT 28.01.2019). Ghani, der die Taliban mehrmals dazu aufgefordert hatte, direkt mit seiner Regierung zu verhandeln, zeigte sich des Weiteren über den Ausschluss der afghanischen Regierung aus den Friedensgesprächen besorgt (NYT 28.01.2019; vgl. DP 28.01.2019, IM 28.01.2019). Während sich einige Quellen hinsichtlich gründlicher Friedensgespräche und eines effizient ausgehandelten Abkommens optimistisch zeigen (Internazionale 30.01.2019; vgl. WP 30.01.2019), fürchten andere, dass ein Abzug der amerikanischen Truppen den Zusammenbruch der afghanischen Regierung wegen der Taliban und vorhersehbarer Machtkämpfe zwischen den verschiedenen lokalen Akteuren zur Folge haben könnte (DP 28.01.2019; vgl. FP 29.01.2019).

 

Sicherheitslage in Afghanistan:

 

Die Sicherheitslage in Afghanistan bleibt volatil. Die Vereinten Nationen (UN) registrierten im Berichtszeitraum 16.08.2018 - 15.11.2018 5.854 sicherheitsrelevante Vorfälle, was einen Rückgang von 2% gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres bedeutet. Bewaffnete Zusammenstöße gingen um 5% zurück, machten aber weiterhin den Großteil der sicherheitsrelevanten Vorfälle (63%) aus. Selbstmordanschläge gingen um 37% zurück, was möglicherweise an erfolgreichen Bekämpfungsmaßnahmen in Kabul-Stadt und Jalalabad liegt. Luftangriffe durch die afghanische Luftwaffe (AAF) sowie internationale Streitkräfte stiegen um 25%. Die am stärksten betroffenen Regionen waren der Süden, der Osten und der Süd-Osten. In der Provinz Kandahar entstand die Befürchtung, die Sicherheitsbedingungen könnten sich verschlechtern, nachdem der Polizeichef der Provinz und der Leiter des National Directorate for Security (NDS) im Oktober 2018 ermordet worden waren (UNGASC 07.12.2018). Gemäß dem Special Inspector General for Afghanistan Reconstruction (SIGAR) fanden bis Oktober 2018 die meisten Angriffe regierungsfeindlicher Gruppierungen in den Provinzen Badghis, Farah, Faryab, Ghazni, Helmand, Kandahar, Uruzgan und Herat statt. Von Oktober bis Dezember 2018 verzeichneten Farah, Helmand und Faryab die höchste Anzahl regierungsfeindlicher Angriffe (SIGAR 30.01.2019).

 

Nach dem Taliban-Angriff auf Ghazni-Stadt im August 2018, bestand weiterhin die Befürchtung, dass die Taliban großangelegte Angriffe im Südosten des Landes verüben könnten. Dies war zwar nicht der Fall, dennoch setzten Talibankämpfer die afghanischen Sicherheitskräfte am Stadtrand von Ghazni, in Distrikten entlang des Highway One nach Kabul und durch die Einnahme des Distrikts Andar in Ghazni im Oktober weiterhin unter Druck. Im Westen der Provinz Ghazni, wo die ethnische Gruppierung der Hazara eine Mehrheit bildet, verschlechterten sich die Sicherheitsbedingungen wegen großangelegter Angriffe der Taliban, was im November zur Vertreibung zahlreicher Personen führte. In Folge eines weiteren Angriffs der Taliban im Distrikt Khas Uruzgan der Provinz Uruzgan im selben Monat wurden ebenfalls zahlreiche Hazara-Familien vertrieben. Des Weiteren nahmen Talibankämpfer in verschiedenen Regionen vorübergehend strategische Positionen entlang der Hauptstraßen ein und behinderten somit die Bewegungsfreiheit zwischen den betroffenen Provinzen. Beispiele dafür sind Angriffe entlang Hauptstraßen nach Kabul in den Distrikten Daymirdad und Sayyidabad in Wardak, der Route Mazar - Shirbingham und Maimana - Andkhoy in den nördlichen Provinzen Faryab, Jawzjan und Balkh und der Route Herat - Qala-e-Naw im westlichen Herat und Badghis (UNGASC 07.12.2018). Trotz verschiedener Kampfhandlungen und Bedrohungen blieben mit Stand Dezember 2018 gemäß SIGAR die Provinzzentren aller afghanischen Provinzen unter Kontrolle bzw. Einfluss der afghanischen Regierung (SIGAR 30.01.2019).

 

Im Laufe des Wahlregistrierungsprozesses und während der Wahl am 20. und am 21. Oktober wurden zahlreiche sicherheitsrelevante Vorfälle registriert, welche durch die Taliban und den Islamischen Staat - Provinz Khorasan (ISKP) beansprucht wurden (UNGASC 07.12.2018; vgl. UNAMA 10.10.2018, UNAMA 11.2018). Während der Wahl in der Provinz Kandahar, die wegen Sicherheitsbedenken auf den 27. Oktober verschoben worden war, wurden keine sicherheitsrelevanten Vorfälle registriert. Die afghanischen Sicherheitskräfte entdeckten und entschärften einige IED [Improvised Explosive Devices - Improvisierte Spreng- oder Brandvorrichtung/Sprengfallen] in Kandahar-Stadt und den naheliegenden Distrikten (UNAMA 11.2018). Die United Nations Assistance Mission in Afghanistan (UNAMA) hatte zwischen 01.01.2018 und 30.09.2018 im Zusammenhang mit den Parlamentswahlen insgesamt 366 zivile Opfer (126 Tote und 240 Verletzte) registriert (UNAMA 10.10.2018). Am offiziellen Wahltag, dem 20. Oktober, wurden 388 zivile Opfer (52 Tote und 336 Verletzte) registriert, darunter 117 Kinder (21 Tote und 96 Verletzte) und 48 Frauen (2 Tote und 46 Verletzte). Am folgenden Wahltag, dem 21. Oktober, wurden 47 weitere zivile Opfer (4 Tote und 43 Verletzte) verzeichnet, inklusive 17 Kinder (2 Tote und 15 Verletzte) und Frauen (3 Verletzte). Diese Zahlen beinhalten auch Opfer innerhalb der Afghan National Police (ANP) und der Independet Electoral Commission (IEC) (UNAMA 11.2018). Die am 20. Oktober am meisten von sicherheitsrelevanten Vorfällen betroffenen Städte waren Kunduz und Kabul. Auch wenn die Taliban in den von ihnen kontrollierten oder beeinflussten Regionen die Wählerschaft daran hinderten, am Wahlprozess teilzunehmen, konnten sie die Wahl in städtischen Gebieten dennoch nicht wesentlich beeinträchtigen (trotz der hohen Anzahl von Sicherheitsvorfällen) (UNGASC 07.12.2018).

 

Die Regierung kontrolliert bzw. beeinflusst - laut Angaben der Resolute Support (RS) Mission - mit Stand 22.10.2018 53,8% der Distrikte, was einen leichten Rückgang gegenüber dem Vergleichszeitraum 2017 bedeutet. 33,9% der Distrikte sind umkämpft und 12,3% befinden sich unter Einfluss oder Kontrolle von Aufständischen. Ca. 63,5% der Bevölkerung leben in Gebieten, die sich unter Regierungskontrolle oder -einfluss befinden; 10,8% in Gegenden unter Einfluss bzw. Kontrolle der Aufständischen und 25,6% leben in umkämpften Gebieten. Die Provinzen mit der höchsten Anzahl an Distrikten unter Kontrolle bzw. Einfluss von Aufständischen sind Kunduz, Uruzgan und Helmand (SIGAR 30.01.2019).

 

Global Incident Map zufolge wurden im Berichtszeitraum (01.01.2018 - 31.12.2018) 4.436 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert. Durch die folgende kartografische Darstellung der Staatendokumentation soll die Verteilung des Konflikts landesweit veranschaulicht werden.

 

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(BFA Staatendokumentation 20.02.2019)

 

In der folgenden Grafik der Staatendokumentation wird das Verhältnis zwischen den vier Quartalen des Jahres 2018 anhand der registrierten sicherheitsrelevanten Vorfälle für den Zeitraum 01.01.2018 - 31.12.2018 veranschaulicht.

 

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(BFA Staatendokumentation 20.02.2019)

 

Zivile Opfer:

 

Die United Nations Assistance Mission in Afghanistan (UNAMA) registrierte im ersten Quartal 2019 (01.01.2019 - 31.03.2019) 1.773 zivile Opfer (581 Tote und 1.192 Verletzte), darunter waren 582 der Opfer Kinder (150 Tote und 432 Verletzte). Dies entspricht einem Rückgang der gesamten Opferzahl um 23% gegenüber dem gleichen Zeitraum des Vorjahres, welches somit der niedrigste Wert für das erste Jahresquartal seit 2013 ist (UNAMA 24.04.2019).

 

Diese Verringerung wurde durch einen Rückgang der Zahl ziviler Opfer von Selbstmordanschlägen mit IED (Improvised Explosive Devices - unkonventionelle Spreng- und Brandvorrichtung/Sprengfallen) verursacht. Der Quelle zufolge könnten die besonders harten Winterverhältnisse in den ersten drei Monaten des Jahres 2019 zu diesem Trend beigetragen haben. Es ist unklar, ob der Rückgang der zivilen Opfer wegen Maßnahmen der Konfliktparteien zur Verbesserung des Schutzes der Zivilbevölkerung oder durch die laufenden Gespräche zwischen den Konfliktparteien beeinflusst wurde (UNAMA 24.04.2019). Die Zahl der zivilen Opfer aufgrund von Nicht-Selbstmord-Anschlägen mit IEDs durch regierungsfeindliche Gruppierungen und Luft- sowie Suchoperationen durch regierungsfreundliche Gruppierungen ist gestiegen. Die Zahl der getöteten Zivilisten, die regierungsfreundlichen Gruppierungen zugeschrieben wurden, übertraf im ersten Quartal 2019 die zivilen Todesfälle, welche von regierungsfeindlichen Elementen verursacht wurden (UNAMA 24.04.2019).

 

Kampfhandlungen am Boden waren die Hauptursache ziviler Opfer und machten etwa ein Drittel der Gesamtzahl aus. Der Einsatz von IEDs war die zweithäufigste Ursache für zivile Opfer: Im Gegensatz zu den Trends von 2017 und 2018 wurde die Mehrheit der zivilen Opfer von IEDs nicht durch Selbstmordanschläge verursacht, sondern durch Angriffe, bei denen der Angreifer nicht seinen eigenen Tod herbeiführen wollte. Luftangriffe waren die Hauptursache für zivile Todesfälle und die dritthäufigste Ursache für zivile Opfer (Verletzte werden auch mitgezählt), gefolgt von gezielten Morden und explosiven Kampfmittelrückständen (UXO - unexploded ordnance). Am stärksten betroffen waren Zivilisten in den Provinzen Kabul, Helmand, Nangarhar, Faryab und Kunduz (in dieser Reihenfolge) (UNAMA 24.04.2019).

 

Anschläge bzw. Angriffe und Anschläge auf hochrangige Ziele:

 

Die Taliban und weitere aufständische Gruppierungen wie der Islamische Staat (IS) verübten auch weiterhin "high-profile"-Angriffe, speziell im Bereich der Hauptstadt, mit dem Ziel, eine Medienwirksamkeit zu erlangen und damit ein Gefühl der Unsicherheit hervorzurufen und so die Legitimität der afghanischen Regierung zu untergraben (USDOD 12.2017; vgl. SBS 28.02.2018, NZZ 21.03.2018, UNGASC 27.02.2018). Möglicherweise sehen Aufständische Angriffe auf die Hauptstadt als einen effektiven Weg, um das Vertrauen der Bevölkerung in die Regierung zu untergraben, anstatt zu versuchen, Territorium in ländlichen Gebieten zu erobern und zu halten (BBC 21.03.2018).

 

Die Anzahl der öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffe hatte sich von 01.06. - 20.11.2017 im Gegensatz zum Vergleichszeitraum des Vorjahres erhöht (USDOD 12.2017). In den ersten Monaten des Jahres 2018 wurden verstärkt Angriffe bzw. Anschläge durch die Taliban und den IS in verschiedenen Teilen Kabuls ausgeführt (AJ 24.02.2018; vgl. Slate 22.04.2018). Als Antwort auf die zunehmenden Angriffe wurden Luftangriffe und Sicherheitsoperationen verstärkt, wodurch Aufständische in einigen Gegenden zurückgedrängt wurden (BBC 21.03.2018); auch wurden in der Hauptstadt verstärkt Spezialoperationen durchgeführt, wie auch die Bemühungen der US-Amerikaner, Terroristen zu identifizieren und zu lokalisieren (WSJ 21.03.2018).

 

Landesweit haben Aufständische, inklusive der Taliban und des IS, in den Monaten vor Jänner 2018 ihre Angriffe auf afghanische Truppen und Polizisten intensiviert (TG 29.01.2018; vgl. BBC 29.01.2018); auch hat die Gewalt Aufständischer gegenüber Mitarbeiter/innen von Hilfsorganisationen in den letzten Jahren zugenommen (The Guardian 24.01.2018). Die Taliban verstärken ihre Operationen, um ausländische Kräfte zu vertreiben; der IS hingegen versucht, seinen relativ kleinen Einflussbereich zu erweitern. Die Hauptstadt Kabul ist in diesem Falle für beide Gruppierungen interessant (AP 30.01.2018).

 

Angriffe auf afghanische Sicherheitskräfte und Zusammenstöße zwischen diesen und den Taliban finden weiterhin statt (AJ 22.05.2018; AD 20.05.2018). Zählt man nur die getöteten Zivilisten, sind die regierungstreuen Truppen im 1. Quartal sogar für mehr Opfer verantwortlich als die Aufständischen: Die afghanischen Sicherheitskräfte, ihre internationalen Unterstützer und regierungstreue Milizen töteten 305 unbeteiligte Bürger, die Taliban, die Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) und andere regierungsfeindliche Kräfte 227. Mehr Tote gab es vor allem durch Luftangriffe und bei Suchoperationen.

 

49 Zivilisten kamen im Kreuzfeuer und bei anderen Vorfällen um. Sie wurden in der Statistik keiner Seite zugezählt. Insgesamt starben damit dem Bericht zufolge von Januar bis Ende März 581 Zivilisten in dem Konflikt und 1192 wurden verletzt. Unter den Toten waren 150 Kinder.

 

Die Einsätze der afghanischen Regierungstruppen und ihrer Verbündeten haben insgesamt zu einem Anstieg der zivilen Opfer geführt. Während die Gesamtzahl der verletzten oder getöteten Zivilisten in den ersten drei Monaten 2019 um 23 Prozent auf 1773 Personen sank, stieg die Zahl der Opfer der Einsätze regierungstreuer Truppen um 39 Prozent auf 608 (305 Tote, 303 Verletzte). Das geht aus einem Bericht der UNO-Mission in Afghanistan hervor.

 

Einschließlich der Verletzten gingen die meisten zivilen Opfer weiterhin auf das Konto der regierungsfeindlichen Kräfte. Ihre Gesamtzahl sank jedoch in Jahresfrist um 36 Prozent auf 963 (227 Tote und 736 Verletzte). Weniger Opfer gab es vor allem infolge von Selbstmordattentaten.

 

Im ersten Quartal 2019 wurden vier Angriffe mit Selbstmordattentätern dokumentiert; ein Jahr zuvor waren es noch 19 gewesen. Dazu könne der harte Winter beigetragen haben, heißt es. Unklar sei, ob auch die Gespräche der Taliban mit den USA zur Lösung des Konflikts damit in Zusammenhang stünden.

 

Zur Veranschaulichung öffentlichkeitswirkamer werden hier auszugsweise einige Beispiele wiedergegeben (Die folgende Liste enthält öffentlichkeitswirksame (high-profile) Vorfälle sowie Angriffe bzw. Anschläge auf hochrangige Ziele und erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit):

 

* Selbstmordanschlag vor dem Ministerium für ländliche Rehabilitation und Entwicklung (MRRD) in Kabul: Am 11.06.2018 wurden bei einem Selbstmordanschlag vor dem Eingangstor des MRRD zwölf Menschen getötet und 30 weitere verletzt. Quellen zufolge waren Frauen, Kinder und Mitarbeiter des Ministeriums unter den Opfern (AJ 11.06.2018). Der Islamische Staat (IS) bekannte sich zum Angriff (Reuters 11.06.2018; Gandhara 11.06.2018).

 

* Bei einem Selbstmordanschlag in Kabul-Stadt kamen am 31.10.2018 ca. sieben Personen ums Leben und weitere acht wurden verletzt (Dawn 01.11.20181; vgl. 1TV 31.10.2018, Pajhwok 31.10.2018). Unter den Opfern befanden sich auch Zivilisten (Pajhwok 31.10.2018; vgl. 1TV 31.10.2018). Die Explosion fand in der Nähe des Kabuler Gefägnisses Pul-i-Charkhi statt und hatte dessen Mitarbeiter zum Ziel (Dawn 01.11.2018; vgl. 1TV 31.10.2018, Pajhwok 31.10.2018). Der IS bekannte sich zum Anschlag (Dawn 01.11.2018, vgl. 1TV 31.10.2018).

 

* Am 12.11.2018 kamen bei einem Selbstmordanschlag in Kabul-Stadt ca. sechs Personen ums Leben und 20 weitere wurden verletzt (Tolonews 12.11.2018; vgl. DZ 12.11.2018, ANSA 12.11.2018). Anlass dafür war eine Demonstration in der Nähe des "Pashtunistan Square" im Stadtzentrum, an der hunderte von Besuchern, darunter hauptsächlich Mitglieder und Unterstützer der Hazara-Gemeinschaft, teilnahmen, um gegen die während des Berichtszeitraums anhaltenden Kämpfe in den Provinzen Ghazni und Uruzgan zu demonstrieren (Tolonews 12.11.2018; vgl. DZ 12.11.2018, KP 12.11.2018). Der IS bekannte sich zum Anschlag (DZ 12.11.2018; vgl. AJ 12.11.2018).

 

* Bei einem Selbstmordanschlag in Kabul-Stadt kamen am 20.11.2018 ca. 55 Menschen ums Leben und ca. 94 weitere wurden verletzt (AJ 21.11.2018; vgl. NYT 20.11.2018, TS 21.11.2018, LE 21.11.2018). Der Anschlag fand in der Hochzeitshalle "Uranus" statt, wo sich Islamgelehrte aus ganz Afghanistan anlässlich des Nationalfeiertages zu Maulid an-Nabi, dem Geburtstag des Propheten Mohammed, versammelt hatten (AJ 21.11.2018; vgl. TS 21.11.2018, TNAE 21.11.2018, IFQ 20.11.2018, Tolonews 20.11.2018). Quellen zufolge befanden sich zum Zeitpunkt der Explosion zwischen 1.000 und 2.000 Personen, darunter hauptsächlich Islamgelehrte und Mitglieder des Ulemarates, aber auch Mitglieder der afghanischen Sufi-Gemeinschaft und andere Zivilisten, in der Hochzeitshalle (AJ 21.11.2018; vgl. LE 21.11.2018, NYT 20.11.2018, DZ 20.11.2018, IFQ 20.11.2018). Gemäß einer Quelle fand die Detonation im ersten Stock der Hochzeitshalle statt, wo sich zahlreiche Geistliche der afghanischen Sufi-Gemeinschaft versammelt hatten. Es ist nicht klar, ob das Ziel des Anschlags das Treffen der sufistischen Gemeinschaft oder das im Erdgeschoss stattfindende Treffen der Ulema und anderer Islamgelehrten war (LE 21.11.2018; vgl. TNAE 21.11.2018). Weder die Taliban noch der Islamische Staat (IS) bekannten sich zum Angriff, der dennoch von den Taliban offiziell verurteilt wurde (LE 21.11.2018; vgl. AJ 21.11.2018, IFQ 20.11.2018).

 

* Am 24.12.2018 detonierte vor dem Ministerium für öffentliches Bauwesen im Osten Kabuls (PD 16) eine Autobombe; daraufhin stürmten Angreifer das nahe gelegene Gebäude des Ministeriums für Arbeit, Soziales, Märtyrer und Behinderte und beschossen weitere Regierungseinrichtungen in der Umgebung (ORF 24.12.2018; vgl. ZO 24.12.2018, Tolonews 25.12.2018). Nach einem mehrstündigen Gefecht zwischen den afghanischen Sicherheitskräften und den Angreifern konnten diese besiegt werden. Quellen zufolge kamen ca. 43 Menschen ums Leben (AJ 25.12.2018; vgl. Tolonews 25.12.2018, NYT 24.12.2018). Bisher bekannte sich keine Gruppierung zum Anschlag (Tolonews 25.12.2018; vgl. AJ 25.12.2018).

 

* Bei einem Anschlag auf einen Stützpunk des afghanischen Sicherheitsdienstes (NDS, National Directorate of Security) in der zentralen Provinz Wardak (auch Maidan Wardak) kamen am 21.01.2019 zwischen zwölf und 126 NDS-Mitarbeiter ums Leben (TG 21.01.2019; vgl. IM 22.01.2019). Quellen zufolge begann der Angriff am Montagmorgen, als ein Humvee-Fahrzeug der U.S.-amerikanischen Streitkräfte in den Militärstützpunkt gefahren und in die Luft gesprengt wurde. Daraufhin eröffneten Angreifer das Feuer und wurden in der Folge von den Sicherheitskräften getötet (TG 21.01.2019; vgl. NYT 21.01.2019). Die Taliban bekannten sich zum Anschlag, der, Quellen zufolge, einer der tödlichsten Angriffe auf den afghanischen Geheimdienst der letzten 17 Jahre war (NYT 21.01.2019; vgl. IM 22.01.2019). Am selben Tag verkündeten die Taliban die Wiederaufnahme der Friedensgespräche mit den U.S.-amerikanischen Vertretern in Doha, Katar (NYT 21.01.2019; vgl. IM 22.01.2019, Tolonews 21.01.2019).

 

* Am Vortag, dem 20.01.2019, war der Konvoi des Provinzgouverneurs der Provinz Logar, Shahpoor Ahmadzai, auf dem Autobahnabschnitt zwischen Kabul und Logar durch eine Autobombe der Taliban angegriffen worden. Die Explosion verfehlte die hochrangigen Beamten, tötete jedoch acht afghanische Sicherheitskräfte und verletzte zehn weitere (AJ 20.01.2019; vgl. IM 22.01.2019).

 

* Des Weiteren detonierte am 14.01.2019 vor dem gesicherten Green Village in Kabul, wo zahlreiche internationale Organisationen und NGOs angesiedelt sind, eine Autobombe (Reuters 15.01.2019). Quellen zufolge starben bei dem Anschlag fünf Menschen und über 100, darunter auch Zivilisten, wurden verletzt (TG 21.01.2019; vgl. Reuters 15.01.2019, RFE/RL 14.01.2019). Auch zu diesem Anschlag bekannten sich die Taliban (TN 15.01.2019; vgl. Reuters 15.01.2019).

 

* Am 08.05.2019 haben Taliban-Kämpfer in der afghanischen Hauptstadt Kabul die Einrichtung der internationalen NGO Counterpart International angegriffen. Das teilte das afghanische Innenministerium am Mittwoch mit. Counterpart International mit Hauptsitz in Arlington in Virginia arbeitet in verschiedenen Projekten mit der US-Entwicklungsbehörde USAID zusammen. Laut einem Sprecher des afghanischen Gesundheitsministeriums wurden zunächst neun Verletzte in verschiedene Krankenhäuser Kabuls gebracht.

 

* Am 26.05.2019 wurde ein leitender Mitarbeiter einer NGO in Kart-e Naw (PD5, Police District 5) durch unbekannte bewaffnete Männer erschossen (Tolonews 27.05.2019).

 

* Am 27.05.2019 wurden nach der Explosion einer Magnetbombe, die gegen einen Bus von Mitarbeitern des Ministeriums für Hadsch und religiöse Angelegenheiten gerichtet war, zehn Menschen verletzt. Die Explosion fand in Parwana-e Do (PD2) statt. Zum Vorfall hat sich keine Gruppierung bekannt (Tolonews 27.5.2019).

 

* Des Weiteren wurden im Laufe der letzten zwei Maiwochen vier Kontrollpunkte der afghanischen Sicherheitskräfte durch unbekannte bewaffnete Männer angegriffen (Tolonews 31.05.2019).

 

* Am 30.05.2019 wurden in Folge eines Selbstmordangriffes nahe der Militärakademie Marshal Fahim im Stadtteil Char Rahi Qambar (PD5) sechs Personen getötet und 16 Personen, darunter vier Zivilisten, verletzt. Die Explosion erfolgte, während die Kadetten die Universität verließen (1 TV NEWS 30.05.2019). Der Islamische Staat (IS) bekannte sich zu dem Anschlag (AJ 30.05.2019).

 

* Am 31.05.2019 wurden sechs Personen, darunter vier Zivilisten, getötet und fünf Personen, darunter vier Mitglieder der US-Sicherheitskräfte, verletzt, nachdem ein mit Sprengstoff beladenes Auto in Qala-e Wazir (PD9) detonierte. Quellen zufolge war das ursprüngliche Ziel des Angriffs ein Konvoi ausländischer Sicherheitskräfte (Tolonews 31.05.2019).

 

* Am 02.06.2019 kam nach der Detonation von mehreren Bomben eine Person ums Leben und 17 weitere wurden verletzt. Die Angriffe fanden im Westen der Stadt statt, und einer davon wurde von einer Klebebombe, die an einem Bus befestigt war, verursacht. Einer Quelle zufolge transportierte der Bus Studenten der Kabul Polytechnic University (TW 02.06.2019). Der IS bekannte sich zu den Anschlägen und beanspruchte den Tod von "mehr als 30 Schiiten und Mitgliedern der afghanischen Sicherheitskräfte" für sich. Die Operation erfolgte in zwei Phasen: Zuerst wurde ein Bus, der 25 Schiiten transportierte, angegriffen, und darauf folgend detonierten zwei weitere Bomben, als sich "Sicherheitselemente" um den Bus herum versammelten. Vertreter des IS haben u.a. in Afghanistan bewusst und wiederholt schiitische Zivilisten ins Visier genommen und sie als "Polytheisten" bezeichnet. (LWJ 02.06.2019).

 

* Am 03.06.2019 kamen nach einer Explosion auf der Darul Aman Road in der Nähe der American University of Afghanistan fünf Menschen ums Leben und zehn weitere wurden verletzt. Der Anschlag richtete sich gegen einen Bus mit Mitarbeitern der Independent Administrative Reform and Civil Service Commission (Tolonews 03.06.2019).

 

US-Angaben zufolge ist die Zahl der IS-Anhänger in Afghanistan auf ca. 5.000 gestiegen, fünfmal so viel wie vor einem Jahr. Gemäß einer Quelle profitiert die Gruppierung vom "zahlenmäßigen Anstieg der Kämpfer in Pakistan und Usbekistan und von aus Syrien geflohenen Kämpfern". Des Weiteren schließen sich enttäuschte Mitglieder der Taliban sowie junge Menschen ohne Zukunftsperspektive dem IS an, der in Kabul, Nangarhar und Kunar über Zellen verfügt (BAMF 03.06.2019). US-Angaben zufolge ist es "sehr wahrscheinlich", dass kleinere IS-Zellen auch in Teilen Afghanistans operieren, die unter der Kontrolle der Regierung oder der Taliban stehen (VOA 21.05.2019). Eine russische Quelle berichtet wiederum, dass ca. 5.000 IS-Kämpfer entlang der Nordgrenze tätig sind und die Nachbarländer bedrohen. Der Quelle zufolge handelt es sich dabei um Staatsbürger der ehemaligen sowjetischen Republiken, die mit dem IS in Syrien gekämpft haben (Newsweek 21.05.2019).

 

Am 20. und am 21.10.2018 fand in Afghanistan die Wahl für das Unterhaus (Wolesi Jirga, Anm.) in 32 der 34 Provinzen statt (AAN 21.10.2018; vgl. LS 21.10.2018). In der Provinz Ghazni wurde die Parlamentswahl verschoben, voraussichtlich, wenn u.a. auch die Präsidentschafts- und Distriktwahlen stattfinden sollen. In der Provinz Kandahar fand die Wahl am 27.10.2018 mit Ausnahme der Distrikte Nesh und Maruf statt (AAN 26.10.2018; vgl. CNN 27.10.2018). Grund für die Verzögerung war die Ermordung u.a. des lokalen Polizeichefs General Abdul Raziq am 18.10.2018 (AJ 19.10.2018; vgl. LS 21.10.2018). Während der Wahl in der Provinz Kandahar wurden keine sicherheitsrelevanten Vorfälle gemeldet (CNN 27.10.2018). Die Wahl, die für den 20.10.2018 geplant war, wurde um einen Tag verlängert, weil die Wähler aus sicherheits- und technischen Gründen in zahlreichen Provinzen nicht wählen konnten:

Lange Wartezeiten vor den Wahllokalen sowie verspätete Öffnungszeiten, Mangel an Wahlunterlagen, Probleme bei der biometrischen Verifizierung der Wähler, sicherheitsrelevante Vorfälle usw. waren die Hauptprobleme während der beiden Wahltage (AAN 20.10.2018; vgl. AAN 21.10.2018). Von den ca. neun Millionen Afghanen und Afghaninnen, die sich für die Wahl registriert hatten, wählten laut Schätzungen der Independent Election Commission (IEC) zwischen drei und vier Millionen (CNN 27.10.2018; vgl. RN 21.10.2018, AAN 21.10.2018b). In den Städten und Gebieten, die als sicherer gelten, war der Wahlandrang höher als in den ländlichen Gegenden, in denen die Taliban Einfluss ausüben (AAN 20.10.2018; vgl. RN 21.10.2018, AAN 21.10.2018).

 

Während der beiden Wahltage fanden Quellen zufolge landesweit ca. 200 sicherheitsrelevante Vorfälle statt und ca. 170 Zivilisten kamen während des ersten Wahltages ums Leben bzw. wurden verwundet: In Kabul wurden 15 Tote, in Baghlan 12, in Nangarhar 11 und in Kunduz 3 Tote verzeichnet. Auch Mitglieder der afghanischen Sicherheitskräfte befanden sich unter den Opfern (vgl. AAN 21.10.2018a, RN 21.10.2018, AFP 20.10.2018).

 

Die United Nations Assistance Mission in Afghanistan (UNAMA) registrierte zwischen 01.01.2018 und 30.9.2018 im Zusammenhang mit den Parlamentswahlen insgesamt 366 zivile Opfer (126 Tote und 240 Verletzte) (UNAMA 10.10.2018).

 

Regierungsfeindliche Gruppierungen:

 

Terroristische und aufständische Gruppierungen stellen Afghanistan und die Koalitionskräfte vor erhebliche Herausforderungen. Derzeit sind rund 20 terroristische Organisationen in Afghanistan zu finden:

das von außen unterstützte Haqqani-Netzwerk stellt nach wie vor die größte Gefährdung für afghanische und internationale Kräfte dar. Die Verflechtung von Taliban und Haqqani-Netzwerk ist so intensiv, dass diese beiden Gruppierungen als Fraktionen ein und derselben Gruppe angesehen werden. Wenn auch die Taliban öffentlich verkündet haben, sie würden zivile Opfer einschränken, so führt das Haqqani-Netzwerk auch weiterhin Angriffe in bevölkerungsreichen Gegenden aus (USDOD 12.2017).

 

Im August 2017 wurde berichtet, dass regierungsfeindliche bewaffnete Gruppierungen - insbesondere die Taliban - ihre Aktivitäten landesweit verstärkt haben, trotz des Drucks der afghanischen Sicherheitskräfte und der internationalen Gemeinschaft, ihren Aktivitäten ein Ende zu setzen (Khaama Press 13.08.2017). Auch sind die Kämpfe mit den Taliban eskaliert, da sich der Aufstand vom Süden in den sonst friedlichen Norden des Landes verlagert hat, wo die Taliban auch Jugendliche rekrutieren (Xinhua 18.03.2018). Ab dem Jahr 2008 expandierten die Taliban im Norden des Landes. Diese neue Phase ihrer Kampfgeschichte war die Folge des Regierungsaufbaus und Konsolidierungsprozess in den südlichen Regionen des Landes. Darüber hinaus haben die Taliban hauptsächlich in Faryab und Sar-i-Pul, wo die Mehrheit der Bevölkerung usbekischer Abstammung ist, ihre Reihen für nicht-paschtunische Kämpfer geöffnet (AAN 17.03.2017).

 

Teil der neuen Strategie der Regierung und der internationalen Kräfte im Kampf gegen die Taliban ist es, die Luftangriffe der afghanischen und internationalen Kräfte in jenen Gegenden zu verstärken, die am stärksten von Vorfällen betroffen sind. Dazu gehören u.a. die östlichen und südlichen Regionen, in denen ein Großteil der Vorfälle registriert wurde. Eine weitere Strategie der Behörden, um gegen Taliban und das Haqqani-Netzwerk vorzugehen, ist die Reduzierung des Einkommens selbiger, indem mit Luftangriffen gegen ihre Opium-Produktion vorgegangen wird (SIGAR 1.2018).

 

Außerdem haben Militäroperationen der pakistanischen Regierung einige Zufluchtsorte Aufständischer zerstört. Jedoch genießen bestimmte Gruppierungen, wie die Taliban und das Haqqani-Netzwerk Bewegungsfreiheit in Pakistan (USDOD 12.2017). Die Gründe dafür sind verschiedene: das Fehlen einer Regierung, das permissive Verhalten der pakistanischen Sicherheitsbehörden, die gemeinsamen kommunalen Bindungen über die Grenze und die zahlreichen illegalen Netzwerke, die den Aufständischen Schutz bieten (AAN 17.10.2017).

 

Taliban:

 

Die Taliban führten auch ihre Offensive "Mansouri" weiter; diese Offensive konzentrierte sich auf den Aufbau einer "Regierungsführung" der Taliban (engl. "governance") bei gleichzeitiger Aufrechterhaltung der Gewalt gegen die afghanische Regierung, die ANDSF und ausländische Streitkräfte. Nichtsdestotrotz erreichten die Taliban, die Hauptziele dieser "Kampfsaison" laut US-Verteidigungsministerium nicht (USDOD 12.2017). Operation Mansouri sollte eine Mischung aus konventioneller Kriegsführung, Guerilla-Angriffen und Selbstmordattentaten auf afghanische und ausländische Streitkräfte werden (Reuters 28.04.2017). Auch wollten sich die Taliban auf jene Gegenden konzentrieren, die vom Feind befreit worden waren (LWJ 28.04.2017). Laut NATO Mission Resolute Support kann das Scheitern der Taliban-Pläne für 2017 auf aggressive ANDSF-Operationen zurückgeführt, aber auch auf den Umstand, dass die Taliban den IS und die ANDSF gleichzeitig bekämpfen müssen (USDOD 12.2017).

 

Im Jahr 2017 wurden den Taliban insgesamt 4.385 zivile Opfer (1.574 Tote und 2.811 Verletzte zugeschrieben. Die Taliban bekannten sich nur zu 1.166 zivilen Opfern. Im Vergleich zum Vorjahreswert bedeutet dies einen Rückgang um 12% bei der Anzahl ziviler Opfer, die den Taliban zugeschrieben werden. Aufgrund der Komplexität der in Selbstmord- und komplexen Anschlägen involvierten Akteure hat die UNAMA oft Schwierigkeiten, die daraus resultierenden zivilen Opfer spezifischen regierungsfreundlichen Gruppierungen zuzuschreiben, wenn keine Erklärungen zur Verantwortungsübernahme abgegeben wurden. Im Jahr 2017 haben sich die Taliban zu 67 willkürlichen Angriffen auf Zivilist/innen bekannt; dies führte zu 214 zivilen Opfern (113 Toten und 101 Verletzten). Auch wenn sich die Taliban insgesamt zu weniger Angriffen gegen Zivilist/innen bekannten, so haben sie dennoch die Angriffe gegen zivile Regierungsmitarbeiter/innen erhöht - es entspricht der Linie der Taliban, Regierungsinstitutionen anzugreifen (UNAMA 2.2018).

 

Schätzungen von SIGAR zufolge kontrollierten im Oktober 2017 und im Jänner 2018 die Taliban 14% der Distrikte Afghanistans (SIGAR 30.04.2018). Die Taliban selbst verlautbarten im März 2017, dass sie beinahe 10% der afghanischen Distrikte kontrollierten (ODI 6.2018). Die Taliban halten auch weiterhin großes Territorium in den nördlichen und südlichen Gegenden der Provinz Helmand (JD News 12.3.2018; vgl. LWJ 20.04.2018). Die ANDSF haben, unterstützt durch US-amerikanische Truppen, in den ersten Monaten des Jahres 2018 an Boden gewonnen, wenngleich die Taliban nach wie vor die Hälfte der Provinz Helmand unter Kontrolle halten (JD News 12.03.2018; vgl. LWJ 20.04.2018). Helmand war lange Zeit ein Hauptschlachtfeld - insbesondere in der Gegend rund um den Distrikt Sangin, der als Kernstück des Taliban-Aufstands erachtet wird (JD News 12.03.2018; vgl. Reuters 30.03.2018). Die Taliban haben unerwarteten Druck aus ihrer eigenen Hochburg in Helmand erhalten: Parallel zu der Ende März 2018 abgehaltenen Friedenskonferenz in Usbekistan sind hunderte Menschen auf die Straße gegangen, haben eine Sitzblockade abgehalten und geschworen, einen langen Marsch in der von den Taliban kontrollierten Stadt Musa Qala zu abzuhalten, um die Friedensgespräche einzufordern. Unter den protestierenden Menschen befanden sich auch Frauen, die in dieser konservativen Region Afghanistans selten außer Hauses gesehen werden (NYT 27.03.2018).

 

Die Taliban geben im Kurznachrichtendienst Twitter Angaben zu ihren Opfern oder Angriffen (FAZ 19.10.2017; vgl. Pajhwok 13.03.2018). Ihre Angaben sind allerdings oft übertrieben (FAZ 19.10.2017). Auch ist es sehr schwierig Ansprüche und Bekennermeldungen zu verifizieren - dies gilt sowohl für Taliban als auch für den IS (AAN 05.02.2018).

 

Ethnische Minderheiten:

 

In Afghanistan leben laut Schätzungen vom Juli 2017 mehr als 34.1 Millionen Menschen (CIA Factbook 18.01.2018). Zuverlässige statistische Angaben zu den Ethnien Afghanistans und zu den verschiedenen Sprachen existieren nicht (BFA Staatendokumentation 7.2016; vgl. CIA Factbook 18.01.2018). Schätzungen zufolge, sind:

40% Pashtunen, rund 30% Tadschiken, ca. 10% Hazara und 9% Usbeken. Auch existieren noch andere ethnische Minderheiten, wie z.B. die Aimaken, die ein Zusammenschluss aus vier semi-nomadischen Stämmen mongolisch, iranischer Abstammung sind, sowie die Belutschen, die zusammen etwa 4 % der Bevölkerung ausmachen (GIZ 1.2018; vgl. CIA Factbook 18.01.2018).

 

Artikel 4 der Verfassung Afghanistans besagt: "Die Nation Afghanistans besteht aus den Völkerschaften der Paschtunen, Tadschiken, Hazara, Usbeken, Turkmenen, Belutschen, Paschai, Nuristani, Aimaq, Araber, Kirgisen, Qizilbasch, Gojar, Brahui und anderen Völkerschaften. Das Wort ‚Afghane' wird für jeden Staatsbürger der Nation Afghanistans verwendet." (BFA Staatendokumentation 7.2016).

 

Keine Gesetze verhindern die Teilnahme der Minderheiten am politischen Leben. Nichtsdestotrotz, beschweren sich unterschiedliche ethnische Gruppen, keinen Zugang zu staatlicher Anstellung in Provinzen haben, in denen sie eine Minderheit darstellen (USDOS 20.04.2018).

 

Der Gleichheitsgrundsatz ist in der afghanischen Verfassung rechtlich verankert, wird allerdings in der gesellschaftlichen Praxis immer wieder konterkariert. Soziale Diskriminierung und Ausgrenzung anderer ethnischer Gruppen und Religionen im Alltag bestehen fort und werden nicht zuverlässig durch staatliche Gegenmaßnahmen verhindert (AA 5 .2018). Ethnische Spannungen zwischen unterschiedlichen Gruppen resultierten weiterhin in Konflikten und Tötungen (USDOS 20.04.2018).

 

Hazara:

 

Die schiitische Minderheit der Hazara macht etwa 10% der Bevölkerung aus (CIA Factbook 18.01.2018; CRS 12.01.2015). Die Hazara besiedelten traditionell das Bergland in Zentralafghanistan, das sich zwischen Kabul im Osten und Herat im Westen erstreckt und unter der Bezeichnung Hazaradschat (azarajat) bekannt ist. Das Kernland dieser Region umfasst die Provinzen Bamyan, Ghazni, Daikundi und den Westen der Provinz Wardak. Es können auch einzelne Teile der Provinzen Ghor, Uruzgan, Parwan, Samangan, Baghlan, Balkh, Badghis, und Sar-e Pul dazugerechnet werden. Wichtige Merkmale der ethnischen Identität der Hazara sind einerseits ihr ethnisch-asiatisches Erscheinungsbild, woraus gern Schlussfolgerungen über eine turko-mongolische Abstammung der Hazara gezogen werden (BFA Staatendokumentation 7.2016); andererseits gehören ethnische Hazara hauptsächlich dem schiitischen Islam an (mehrheitlich Zwölfer-Schiiten) (BFA Staatendokumentation 7.2016; vgl. AJ 27.06.2016, UNAMA 15.02.2018).

 

Die Hazara-Gemeinschaft/Gesellschaft ist traditionell strukturiert und basiert auf der Familie bzw. dem Klan. Die sozialen Strukturen der Hazara werden manchmal als Stammesstrukturen bezeichnet; dennoch bestehen in Wirklichkeit keine sozialen und politischen Stammesstrukturen. Das traditionelle soziale Netz der Hazara besteht größtenteils aus der Familie, obwohl gelegentlich auch politische Führer einbezogen werden können (BFA Staatendokumentation 7.2016).

 

Nicht weniger wichtig als Religion und Abstammung ist für das ethnische Selbstverständnis der Hazara eine lange Geschichte von Unterdrückung, Vertreibung und Marginalisierung. Jahrzehntelange Kriege und schwere Lebensbedingungen haben viele Hazara aus ihrer Heimatregion in die afghanischen Städte, insbesondere nach Kabul, getrieben (BFA Staatendokumentation 7.2016). Dennoch hat sich die Lage der Hazara, die während der Taliban-Herrschaft besonders verfolgt waren, grundsätzlich verbessert (AA 5 .2018; vgl. IaRBoC 20.04.2016); vornehmlich aufgrund von Bildung und vor allem auf ökonomischem und politischem Gebiet (CRS 12.01.2015; vgl. GD 02.10.2017). Hazara in Kabul gehören jetzt zu den am besten gebildeten Bevölkerungsgruppen und haben auch eine Reihe von Dichtern und Schriftstellern hervorgebracht (BFA Staatendokumentation 7.2016). Auch wenn es nicht allen Hazara möglich war diese Möglichkeiten zu nutzen, so haben sie sich dennoch in den Bereichen Bildung, öffentliche Verwaltung und Wirtschaft etabliert (GD 02.10.2017).

 

So haben Hazara eine neue afghanische Mittelklasse gegründet. Im Allgemeinen haben sie, wie andere ethnische Gruppen auch, gleichwertigen Zugang zum Arbeitsmarkt. Nichtsdestotrotz, sind sie von einer allgemein wirtschaftlichen Verschlechterung mehr betroffen als andere, da für sie der Zugang zu Regierungsstellen schwieriger ist - außer ein/e Hazara ist selbst Abteilungsleiter/in. Einer Quelle zufolge existiert in der afghanischen Gesellschaft die Auffassung, dass andere ethnische Gruppierungen schlecht bezahlte Jobs Hazara geben. Einer weiteren Quelle zufolge, beschweren sich Mitglieder der Hazara-Ethnie über Diskriminierung während des Bewerbungsprozesses, da sie anhand ihrer Namen leicht erkennbar sind. Die Ausnahme begründen Positionen bei NGOs und internationalen Organisationen, wo das Anwerben von neuen Mitarbeitern leistungsabhängig ist. Arbeit für NGOs war eine Einnahmequelle für Hazara - nachdem nun weniger Hilfsgelder ausbezahlt werden, schrauben auch NGOs Jobs und Bezahlung zurück, was unverhältnismäßig die Hazara trifft (IaRBoC 20.04.2016). So berichtet eine weitere Quelle, dass Arbeitsplatzanwerbung hauptsächlich über persönliche Netzwerke erfolgt (IaRBoC 20.04.2016; vgl. BFA/EASO 1.2018); Hazara haben aber aufgrund vergangener und anhaltender Diskriminierung eingeschränkte persönliche Netzwerke (IaRBoC 20.04.2016).

 

Gesellschaftliche Spannungen bestehen fort und leben lokal in unterschiedlicher Intensität gelegentlich wieder auf (AA 9 .2016; vgl. USDOS 20.04.2018); soziale Diskriminierung gegen schiitische Hazara basierend auf Klasse, Ethnie oder religiösen Ansichten finden ihre Fortsetzung in Erpressungen (illegale Steuern), Zwangsrekrutierung, Zwangsarbeit, physischer Misshandlung und Festnahmen (USDOS 20.04.2018).

 

Die Hazara sind im nationalen Durchschnitt mit etwa 10% in der Afghan National Army und der Afghan National Police repräsentiert (Brookings 25.05.2017).

 

Zur Provinz Herat und zur Stadt Herat:

 

Herat ist eine der größten Provinzen Afghanistans und liegt im Westen des Landes. Herat grenzt im Norden an die Provinz Badghis und Turkmenistan, im Süden an die Provinz Farah, im Osten an die Provinz Ghor und im Westen an den Iran. Die Provinz ist in folgende Bezirke eingeteilt, die gleichzeitig auch die administrativen Einheiten bilden: Shindand, Engeel/Injil, Ghorian/Ghoryan, Guzra/Guzara und Pashtoon Zarghoon/Pashtun Zarghun, werden als Bezirke der ersten Stufe angesehen. Awba/Obe, Kurkh/Karukh, Kushk, Gulran, Kuhsan/Kohsan, Zinda Jan und Adraskan als Bezirke zweiter Stufe und Kushk-i-Kuhna/Kushki Kohna, Farsi, und Chisht-i-Sharif/Chishti Sharif als Bezirke dritter Stufe (UN OCHA 4.2014; vgl. Pajhwok o. D.). Provinzhauptstadt ist Herat-Stadt, welche sich im gleichnamigen Distrikt befindet und eine Einwohnerzahl von 506.900 hat (CP 21.09.2017). In der Provinz befinden sich zwei Flughäfen:

ein internationaler in Herat-Stadt und ein militärischer in Shindand. Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 1.967.180 geschätzt (CSO 4.2017). In der Provinz leben Paschtunen, Tadschiken, Hazara, Turkmenen, Uzbeken und Aimaken (Pajhwok o.D.; vgl. NPS o. D.).

 

Herat ist eine relativ entwickelte Provinz im Westen des Landes. Das Harirud-Tal, eines der fruchtbarsten Täler des Landes, wo Baumwolle, Obst und Ölsaat angebaut werden, befindet sich in der Provinz (AJ 8.3.2012). Bekannt ist Herat auch wegen seiner Vorreiterrolle in der Safran-Produktion (AJ 8.3.2012; vgl. EN 9.11.2017). Es sollen Regierungsprogramme und ausländische Programme zur Unterstützung der Safran-Produktion implementiert werden. Safran soll eine Alternative zum Mohnanbau werden (Tolonews 10.11.2017; vgl. EN 09.11.2017). Anfang Jänner 2018 wurde ein Labor zur Kontrolle der Safran-Qualität in Herat errichtet (Pajhwok 13.01.2018). Die Safranproduktion garantierte z.B. auch zahlreiche Arbeitsplätze für Frauen in der Provinz (Tolonews 10.11.2017; vgl. EN 09.11.2017). Auch in unsicheren Gegenden wird Safran angebaut. (Tolonews 10.11.2017). Insgesamt wurden 2017 in der Provinz min. 8 Tonnen Safran produziert; im Vorjahr 2016 waren es 6.5 Tonnen (Pajhwok 13.01.2018; vgl. EN 09.11.2017). Trotzdem stieg im Jahr 2017 in der Provinz die Opiumproduktion. In den Distrikten Shindand und Kushk, geprägt von schlechter Sicherheitslage, war der Mohnanbau am höchsten (UNODC 11.2017).

 

Im Dezember 2017 wurden verschiedene Abkommen mit Uzbekistan unterzeichnet. Eines davon betrifft den Bau einer 400 km langen Eisenbahnstrecke von Mazar-e Sharif und Maymana nach Herat (UNGASC 27.02.2018; vgl. RFE/RL 06.12.2017).

 

Mitte März 2018 wurde der Bau der TAPI-Leitung in Afghanistan eingeweiht. Dabei handelt es sich um eine 1.800 km lange Pipeline für Erdgas, die Turkmenistan, Afghanistan, Pakistan und Indien 30 Jahre lang mit 33 Billionen m³ turkmenischem Erdgas versorgen soll. Die geplante Leitung wird sich entlang der Herat-Kandahar-Autobahn erstrecken. Somit wird sie durch Gegenden, auf die die Taliban einen starken Einfluss haben, verlaufen. Jedoch erklärten die Taliban, TAPI sei ein "wichtiges Projekt" und sie würden es unterstützen (PPG 26.02.2018; vgl. RFE/RL 23.02.2018). Im Rahmen des TAPI-Projekts haben sich 70 Taliban bereit erklärt, an den Friedensprozessen teilzunehmen (Tolonews 04.03.2018). Um Sicherheit für die Umsetzung des TAPI-Projekts zu gewähren, sind tausende Sicherheitskräfte entsandt worden (Tolonews 14.03.2018).

 

Allgemeine Informationen zur Sicherheitslage:

 

Herat wird als eine der relativ friedlichen Provinzen gewertet, dennoch sind Aufständische in einigen Distrikten der Provinz, wie Shindand, Kushk, Chisht-i-Sharif und Gulran, aktiv (AN 18.02.2018; vgl. UNODC 12.2017, Khaama Press 25.10.2017, AJ 25.06.2017). Des Weiteren wurde Ende Oktober 2017 verlautbart, dass die Provinz Herat zu den relativ ruhigen Provinzen im Westen des Landes zählt, wenngleich sich in den abgelegenen Distrikten die Situation in den letzten Jahren aufgrund der Taliban verschlechtert hat (Khaama Press 25.10.2017).

 

Die Provinz ist u.a. ein Hauptkorridor für den Menschenschmuggel in den Iran bekannt - speziell von Kindern (Pajhwok 21.01.2017).

 

Mitte Februar 2018 wurde von der Entminungs-Organisation Halo Trust bekannt gegeben, dass nach zehn Jahren der Entminung 14 von 16 Distrikten der Provinz sicher seien. In diesen Gegenden bestünde keine Gefahr mehr, Landminen und anderen Blindgängern ausgesetzt zu sein, so der Pressesprecher des Provinz-Gouverneurs. Aufgrund der schlechten Sicherheitslage und der Präsenz von Aufständischen wurden die Distrikte Gulran und Shindand noch nicht von Minen geräumt. In der Provinz leben u.a. tausende afghanische Binnenflüchtlinge (AN 18.02.2018).

 

Im Zeitraum 01.01.2017-30.04.2018 wurden in der Provinz 139 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert, welche durch die folgende Darstellung der Staatendokumentation veranschaulicht werden sollen:

 

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Im gesamten Jahr 2017 wurden in der Provinz Herat 495 zivile Opfer (238 getötete Zivilisten und 257 Verletzte) registriert. Hauptursache waren IEDs, gefolgt von Selbstmordanschlägen/komplexen Attacken und gezielten Tötungen. Dies bedeutet eine Steigerung von 37% im Gegensatz zum Vergleichsjahr 2016 (UNAMA 2.2018).

 

Militärische Operationen in Herat:

 

In der Provinz werden militärische Operationen durchgeführt, um einige Gegenden von Aufständischen zu befreien (Khaama Press 18.01.2017; Khaama Press 15.01.2017). Auch werden Luftangriffe verübt (D&S 25.10.2017; vgl. NYT 29.08.2017); dabei wurden Taliban getötet (D&S 25.10.2017; vgl. NYT 29.08.2017). Zusammenstöße zwischen Sicherheitskräften und Aufständischen finden statt (AJ 25.06.2017; vgl. AAN 11.01.2017). In Herat sind Truppen der italienischen Armee stationiert, die unter dem Train Advise Assist Command West (TAAC-W) afghanische Streitmächte im Osten Afghanistans unterstützen (MdD o.D.).

 

Regierungsfeindliche Gruppierungen in Herat:

 

Herat wird als einer der relativ friedlichen Provinzen gewertet, dennoch sind Aufständische in einigen Distrikten der Provinz, wie Shindand, Kushk, Chisht-i-Sharif und Gulran, aktiv (AN 18.02.2018;

vgl. UNODC 12.2017, Khaama Press 25.10.2017, AJ 25.06.2017). Dem Iran wird von verschiedenen Quellen nachgesagt, afghanische Talibankämpfer auszubilden und zu finanzieren (RFE/RL 23.02.2018;

vgl. Gandhara 22.02.2018, IP 13.08.2017, NYT 05.08.2017). Regierungsfeindliche Aufständische griffen Mitte 2017 heilige Orte, wie schiitische Moscheen, in Hauptstädten wie Kabul und Herat, an (FAZ 01.08.2017; vgl. DW 01.08.2017). Dennoch erklärten Talibanaufständische ihre Bereitschaft, das TAPI-Projekt zu unterstützen und sich am Friedensprozess zu beteiligen (AF 14.03.2018; vgl. Tolonews 04.03.2018). Es kam zu internen Konflikten zwischen verfeindeten Taliban-Gruppierungen (D&S 25.10.2017; vgl. NYT 29.08.2017).

 

Anhänger des IS haben sich in Herat zum ersten Mal für Angriffe verantwortlich erklärt, die außerhalb der Provinzen Nangarhar und Kabul verübt wurden (UNAMA 2.2018).

 

ACLED registrierte für den Zeitraum 01.01.2017-15.07.2017 IS-bezogene Vorfälle (Gewalt gegen die Zivilbevölkerung) in der Provinz Herat (ACLED 23.02.2017).

 

Allgemeine Menschenrechtslage:

 

Im Bereich der Menschenrechte hat Afghanistan unter schwierigen Umständen erhebliche Fortschritte gemacht. Inzwischen ist eine selbstbewusste neue Generation von Afghaninnen und Afghanen herangewachsen, die sich politisch, kulturell und sozial engagiert und der Zivilgesellschaft eine starke Stimme verleiht. Diese Fortschritte erreichen aber nach wie vor nicht alle Landesteile und sind außerhalb der Städte auch gegen willkürliche Entscheidungen von Amtsträgern und Richtern nur schwer durchzusetzen (AA 5 .2018).

 

Zu den bedeutendsten Menschenrechtsfragen zählen außergerichtliche Tötungen, Verschwindenlassen, willkürliche Verhaftungen, Festnahmen (u. a. von Frauen wegen "moralischer Straftaten") und sexueller Missbrauch von Kindern durch Mitglieder der Sicherheitskräfte. Weitere Probleme sind Gewalt gegenüber Journalisten, Verleumdungsklagen, durchdringende Korruption und fehlende Verantwortlichkeit und Untersuchung bei Fällen von Gewalt gegen Frauen. Diskriminierung von Behinderten, ethnischen Minderheiten sowie aufgrund von Rasse, Religion, Geschlecht und sexueller Orientierung, besteht weiterhin mit geringem Zuschreiben von Verantwortlichkeit. Die weit verbreitete Missachtung der Rechtsstaatlichkeit und die Straffreiheit derjenigen, die Menschenrechtsverletzungen begangen haben, sind ernsthafte Probleme. Missbrauchsfälle durch Beamte, einschließlich der Sicherheitskräfte, werden von der Regierung nicht konsequent bzw. wirksam verfolgt. Bewaffnete aufständische Gruppierungen greifen mitunter Zivilisten, Ausländer und Angestellte von medizinischen und nicht-staatlichen Organisationen an und begehen gezielte Tötungen regierungsnaher Personen (USDOS 20.4.2018). Regierungsfreundlichen Kräfte verursachen eine geringere - dennoch erhebliche - Zahl an zivilen Opfern (AI 22.02.2018).

 

Menschenrechte haben in Afghanistan eine klare gesetzliche Grundlage (AA 5 .2018). Die 2004 verabschiedete afghanische Verfassung enthält einen umfassenden Grundrechtekatalog (AA 5 .2018; vgl. MPI 27.01.2004). Afghanistan hat die meisten der einschlägigen völkerrechtlichen Verträge - zum Teil mit Vorbehalten - unterzeichnet und/oder ratifiziert (AA 5 .2018). Nationale und internationale Menschenrechtsorganisationen operieren in der Regel ohne staatliche Einschränkungen und veröffentlichen ihre Ergebnisse zu Menschenrechtsfällen. Regierungsbedienstete sind in dieser Hinsicht einigermaßen kooperativ und ansprechbar (USDOS 20.04.2018). Die verfassungsrechtlich vorgeschriebene Afghanistan Independent Human Rights Commission AIHRC bekämpft weiterhin Menschenrechtsverletzungen. Sie erhält nur minimale staatliche Mittel und stützt sich fast ausschließlich auf internationale Geldgeber. Innerhalb der Wolesi Jirga beschäftigen sich drei Arbeitsgruppen mit Menschenrechtsverletzungen: der Ausschuss für Geschlechterfragen, Zivilgesellschaft und Menschenrechte, das Komitee für Drogenbekämpfung, berauschende Drogen und ethischen Missbrauch sowie der Jusitz-, Verwaltungsreform- und Antikorruptionsausschuss (USDOS 20.04.2018).

 

Im Februar 2016 hat Präsident Ghani den ehemaligen Leiter der afghanischen Menschenrechtskommission, Mohammad Farid Hamidi, zum Generalstaatsanwalt ernannt (USDOD 6.2016; vgl. auch NYT 03.09.2016).

 

Seit 01.01.2018 ist Afghanistan für drei Jahre Mitglied des Human Rights Council (HRC) der Vereinten Nationen. Mit Unterstützung der United Nations Assistance Mission in Afghanistan (UNAMA) und des Office of the High Commissioner for Human Rights (OHCHR) arbeitet die afghanische Regierung an der Förderung von Rechtsstaatlichkeit, der Rechte von Frauen, Kindern, Binnenflüchtlingen und Flüchtlingen sowie Zuschreibung von Verantwortlichkeit (HRC 21.02.2018).

 

Grundversorgung und Wirtschaft:

 

Im Jahr 2015 belegte Afghanistan auf dem Human Development Index (HDI) Rang 169 von 188 (UNDP 2016). Seit 2002 hat Afghanistan mit Unterstützung durch die internationale Gemeinschaft wichtige Fortschritte beim Wiederaufbau seiner Wirtschaft erzielt. Nichtsdestotrotz bleiben bedeutende Herausforderungen bestehen, da das Land weiterhin von Konflikten betroffen, arm und von Hilfeleistungen abhängig ist (IWF 08.12.2017; vgl. WB 10.04.2018). Während auf nationaler Ebene die Armutsrate in den letzten Jahren etwas gesunken ist, stieg sie in Nordostafghanistan in sehr hohem Maße. Im Norden und im Westen des Landes konnte sie hingegen reduziert werden (SCA 22.05.2018). Angesichts des langsamen Wachstums, sicherheitsbedingter Versorgungsunterbrechungen und schwacher landwirtschaftlicher Leistungen, nimmt die Armut weiterhin zu (WB 10.04.2018).

 

Die Verbraucherpreisinflation bleibt mäßig und wurde für 2018 mit durchschnittlich 6% prognostiziert (IWF 08.12.2017). Der wirtschaftliche Aufschwung erfolgt langsam, da die andauernde Unsicherheit die privaten Investitionen und die Verbrauchernachfrage einschränkt. Während der Agrarsektor wegen der ungünstigen klimatischen Bedingungen im Jahr 2017 nur einen Anstieg von ungefähr 1.4% aufwies, wuchsen der Dienstleistungs- und Industriesektor um 3.4% bzw. 1.8%. Das Handelsbilanzdefizit stieg im ersten Halbjahr 2017, da die Exporte um 3% zurückgingen und die Importe um 8% stiegen (UN GASC 27.02.2018).

 

Nahrungsmittelsicherheit und Trinkwasser:

 

Die afghanische Statistikbehörde (Central Statistics Organization, CSO) veröffentlicht im Mai 2018 die Ergebnisse ihrer Erhebung zu den Lebensbedingungen in Afghanistan im afghanischen Jahr 2016/17. Bezugnehmend auf eine Erhebung aus dem afghanischen Jahr 2011/12 stellt die CSO fest, dass die Ernährungsunsicherheit insgesamt von 30,1 Prozent im Jahr 2011/12 auf 44,6 Prozent im Jahr 2016/17 angestiegen sei, was einem Zuwachs von 14,5 Prozentpunkten entspreche. Auf nationaler Ebene sei in allen Kategorien der Ernährungsunsicherheit (sehr stark, stark und mäßig) ein Anstieg um fast 5 Prozentpunkte zu beobachten. Die Ernährungsunsicherheit nehme in allen Bevölkerungsgruppen zu, wobei der höchste Anstieg in den ländlichen Gebieten (17,2 Prozentpunkte), gefolgt von den städtischen Gebieten (7,7 Prozentpunkte) und der geringste bei den Kutschi (6,7 Prozentpunkte) zu verzeichnen sei. In der städtischen Bevölkerung sei der stärkste Anstieg in der sehr stark ernährungsunsicheren Gruppe (4,1 Prozentpunkte) zu verzeichnen.

 

In Form eines Diagrammes stellt die CSO zudem detailliert dar, wie sich die Ernährungsunsicherheit in der urbanen Bevölkerung Afghanistans entwickelt habe. So sei die Gruppe der ausreichend Ernährungssicheren von 49,5 Prozent im Jahr 2011/12 auf 42,4 und die der grenzwertig Ernährungssicheren von 16,1 auf 15,5 Prozent gesunken, während die Gruppe der mäßig von Ernährungsunsicherheit

Betroffenen von 14,9 auf 17,1 Prozent, die Gruppe der stark

Betroffenen von 10,8 auf 12,1 Prozent und die Gruppe der sehr stark Betroffenen von 8,7 Prozent im Jahr 2011/12 auf 12,9 Prozent im Jahr 2016/17 angewachsen sei.

 

FEWS NET (Famine Early Warning System Network), ein Netzwerk aus Analysten, das in über 35 Ländern tätig ist und fortlaufend Daten und Karten über die aktuelle Ernährungssicherheit in Afghanistan veröffentlicht, arbeitet seit März 2011 mit der aktualisierten Version einer ernährungssicherheitsbezogenen Klassifizierung, der sogenannten Integrated Food Security Phase Classification (IPC) Version 2.0 (FEWS NET, ohne Datum (a)). Die Klassifizierung setzt sich aus fünf Phasen von Ernährungsunsicherheit zusammen, die von minimal (Phase 1) über angespannt (Phase 2) und krisenhaft (Phase 3) bis hin zu einem Notfall (Phase 4) und einer Hungersnot (Phase 5) reichen. Während bei Phase 1 mehr als vier von fünf Haushalten in der Lage seien, den Bedarf an Grundnahrungsmitteln und nicht nahrungsbezogenen Gütern zu decken ohne atypische, nicht nachhaltige Strategien für den Zugang zu Nahrung und Einkommen anzuwenden, habe in Phase 2 bereits mindestens jeder fünfte Haushalt trotz humanitärer Hilfe nur einen gerade noch angemessenen Lebensmittelverbrauch und sei nicht in der Lage sich wesentliche nicht nahrungsbezogenen Güter zu leisten ohne irreversible Bewältigungsstrategien anzuwenden. In Phase 3 weise trotz humanitärer Hilfe mindestens jeder fünfte Haushalt Lücken im Nahrungsmittelkonsum mit hoher oder überdurchschnittlicher akuter Unterernährung auf oder sei nur geringfügig unter der Voraussetzung eines vorzeitigen Abbaus jener Güter, die die Lebensgrundlagen schaffen, in der Lage, den Mindestnahrungsmittelbedarf zu decken, was zu Lücken im Nahrungsmittelkonsum führe. Phase 4 sei davon gekennzeichnet, dass trotz humanitärer Hilfe mindestens jeder fünfte Haushalt mit großen Lücken im Nahrungsmittelkonsum zu kämpfen habe, die zu sehr hoher akuter Unterernährung und erhöhter Sterblichkeit führen würden, oder zu einem sehr starken Verlust jener Güter, die die Lebensgrundlagen schaffen, was in naher Zukunft zu Lücken im Nahrungsmittelkonsum führe. Phase 5 bedeute, dass trotz humanitärer Hilfe mindestens jeder fünfte Haushalt einen extremen Mangel an Nahrung und anderen Grundbedürfnissen, bei denen Hunger, Tod und Not offensichtlich sind, aufweise.

 

FEWS NET stellt auf seiner Webseite Karten zur Ernährungssicherheit für Afghanistan zur Verfügung, die bis Juli 2009 zurückreichen. Im Folgenden finden sich die Karten für Oktober 2010, Oktober 2015, die aktuelle Karte für Oktober 2018 und eine Prognose für den Zeitraum von Oktober 2018 bis Jänner 2019:

 

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FEWS NET schreibt im September 2018 zudem, dass die Auswirkungen der Lebensmittelkrise in ganz Afghanistan präsent seien, da die Kaufkraft sinke, die normale Lebensgrundlage durch Konflikte gestört werde und der Ertrag der regenwassergespeisten Grundnahrungsmittel schlecht sei und zu einem im Vergleich zu den letzten Jahren erhöhten Bedarf an Unterstützung im Ernährungsbereich führe. Insbesondere in nördlichen, nordöstlichen und nordwestlichen Gebieten dürften arme Haushalte, die von der wassergespeisten Weizenproduktion abhängig seien, bis zur Frühjahrsernte im nächsten Jahr Schwierigkeiten haben, den Konsumbedarf zu decken. Die am stärksten betroffenen Haushalte würden wahrscheinlich die nach der ernährungssicherheitsbezogenen Klassifizierung (Integrated Food Security Phase Classification, IPC) als Notsituation ("Emergency") bezeichnete Phase 4 von 5 erleben, da mit Beginn des Winters große Nahrungsmitteldefizite auftreten würden.

 

Das Europäische Unterstützungsbüro für Asylfragen (European Asylum Support Office, EASO) veröffentlicht im Juni 2018 einen auf verfügbaren Herkunftsländerinformationen basierenden Leitfaden zu Afghanistan ("Country Guidance"). Zur Ernährungssicherheit in den Städten Kabul, Herat und Mazar-e Sharif wird angeführt, dass es generell keine Nahrungsmittelknappheit gebe. Die wichtigste Variable bezüglich des Zugangs zu Nahrungsmitteln seien die zur Verfügung stehenden Mittel, was im Fall von Vertriebenen ein Problem darstellen könne. Bezogen auf den Zugang zu Wasser schreibt das EASO, dass der Zugang zu Trinkwasser in Kabul, Herat und Mazar-e Sharif oft eine Herausforderung sei. In Mazar-e Sharif und Herat hätten die meisten Menschen jedoch Zugang zu verbesserten Wasserquellen und sanitären Einrichtungen.

 

Im Rahmen der Erhebung zu den Lebensbedingungen in Afghanistan (Afghan Living Conditions Survey, ALCS) würden Wasserquellen, die vor äußeren Verunreinigungen geschützt seien, wie zum Beispiel eine Handpumpe (privat oder öffentlich), gebohrte Brunnen oder geschütztes Quell- und Leitungswasser (privat oder öffentlich) als verbesserte Trinkwasserquellen definiert. Laut der ALCS-Erhebung, die von der afghanischen Statistikbehörde (CSO) 2013/14 durchgeführt wurde, habe sich der Zugang zu verbesserten Trinkwasserquellen im Vergleich zu einer Evaluierung (National Risk and Vulnerability Assessment) 2011/12 deutlich von 46 auf fast 65 Prozent und im Vergleich zu einer Evaluierung 2007/08 von 27 auf 65 Prozent erhöht.

 

In der 2016/17 durchgeführten Erhebung zu den Lebensbedingungen in Afghanistan wird erwähnt, dass mit neu entwickelten Kategorien für die Überwachung der Trinkwasserversorgung ("sicher verwaltet", "grundlegend", "begrenzt", "nicht verbessert" und "keine Versorgung") gearbeitet worden sei. Dieser Kategorisierung folgend hätten nur 36 Prozent der afghanischen Bevölkerung Zugang zu sicher verwalteter Trinkwasserversorgung, mit großen Unterschieden zwischen den Bevölkerungsgruppen. Die Menschen, die in ländlichen Gebieten leben oder der Kutschi-Bevölkerung angehören würden, hätten im Vergleich zur städtischen Bevölkerung (75,3 Prozent) deutlich weniger - 25,1 bzw. 3,9 Prozent - Zugang zu sicher verwalteten Trinkwasserdienstleistungen. Unter Berücksichtigung der Wasserkontamination würden diese Werte weiter sinken und die Unterschiede zwischen den Bevölkerungsgruppen dürften sich erhöhen.

 

Die folgende Grafik aus den Berichten der CSO zeigen den Prozentsatz der Bevölkerung mit Zugang zu verbesserten Trinkwasserquellen auf Provinzebenen im Jahr 2016/17:

 

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Religionsfreiheit:

 

Etwa 99,7% der afghanischen Bevölkerung sind Muslime, davon zwischen 84,7 und 89,7% Sunniten (CIA 2017; vgl. USCIRF 2017). Schätzungen zufolge sind etwa 10 - 19% der Bevölkerung Schiiten (AA 5 .2018; vgl. CIA 2017). Andere in Afghanistan vertretene Glaubensgemeinschaften wie die der Sikhs, Hindus, Baha¿i und Christen machen ca. 0,3% der Bevölkerung aus. Offiziell lebt noch ein Jude in Afghanistan (USDOS 15.08.2017).

 

Laut Verfassung ist der Islam die Staatsreligion Afghanistans. Anhänger anderer Religionen sind frei, ihren Glauben im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften auszuüben (USDOS 15.08.2017). Der politische Islam behält in Afghanistan die Oberhand; welche Gruppierung - die Taliban (Deobandi-Hanafismus), der IS (Salafismus) oder die afghanische Verfassung (moderater Hanafismus) - religiös korrekter ist, stellt jedoch weiterhin eine Kontroverse dar. Diese Uneinigkeit führt zwischen den involvierten Akteuren zu erheblichem Streit um die Kontrolle bestimmter Gebiete und Anhängerschaft in der Bevölkerung (BTI 2018).

 

Das afghanische Strafgesetzbuch, das am 15.02.2018 in Kraft getreten ist, enthält keine Definition von Apostasie (vgl. MoJ 15.05.2017). Laut der sunnitisch-hanafitischen Rechtsprechung gilt die Konversion vom Islam zu einer anderen Religion als Apostasie. Jeder Konvertit soll laut islamischer Rechtsprechung drei Tage Zeit bekommen, um seinen Konfessionswechsel zu widerrufen. Sollte es zu keinem Widerruf kommen, gilt Enthauptung als angemessene Strafe für Männer, während Frauen mit lebenslanger Haft bedroht werden. Ein Richter kann eine mildere Strafe verhängen, wenn Zweifel an der Apostasie bestehen. Auch kann die Regierung das Eigentum des/der Abtrünnigen konfiszieren und dessen/deren Erbrecht einschränken. Des Weiteren ist gemäß hanafitischer Rechtssprechung Proselytismus (Missionierung) illegal. Dasselbe gilt für Blasphemie, die in der hanafitischen Rechtssprechung unter die Kapitalverbrechen fällt (USDOS 15.08.2017) und auch nach dem neuen Strafgesetzbuch unter der Bezeichnung "religionsbeleidigende Verbrechen" verboten ist (MoJ 15.05.2017: Art. 323). Zu Verfolgung von Apostasie und Blasphemie existieren keine Berichte (USDOS 15.08.2017).

 

Das Unterlassen islamisch gebotener religiöser Handlungen, wenn diese Unterlassungen nicht öffentlich propagiert werden, führen in Afghanistan im Allgemeinen nicht dazu, dass diese Personen mit weitreichend negativen Folgen konfrontiert sind.

 

Es gibt insbesondere im städtischen Bereich in Afghanistan viele Menschen, die beispielsweise kaum oder gar nicht eine Moschee besuchen, und dadurch auch nicht in Verdacht geraten, ungläubig oder ein Apostat zu sein.

 

Die Religionsfreiheit hat sich seit 2001 zwar verbessert, jedoch wird diese noch immer durch Gewalt und Drangsale gegen religiöse Minderheiten und reformerische Muslime behindert (FH 11.04.2018).

 

Anhänger religiöser Minderheiten und Nicht-Muslime werden durch das geltende Recht diskriminiert (USDOS 15.08.2017; vgl. AA 5 .2018); so gilt die sunnitisch-hanafitische Rechtsprechung für alle afghanischen Bürger/innen unabhängig von ihrer Religion (AA 5 .2018). Wenn weder die Verfassung noch das Straf- bzw. Zivilgesetzbuch bei bestimmten Rechtsfällen angewendet werden können, gilt die sunnitisch-hanafitische Rechtsprechung. Laut Verfassung sind die Gerichte dazu berechtigt, das schiitische Recht anzuwenden, wenn die betroffene Person dem schiitischen Islam angehört. Gemäß der Verfassung existieren keine eigenen, für Nicht- Muslime geltende Gesetze (USDOS 15.08.2017).

 

Ein Muslim darf eine nicht-muslimische Frau heiraten, aber die Frau muss konvertieren, sofern sie nicht Anhängerin einer anderen abrahamitischen Religion (Christentum oder Judentum) ist. Einer Muslima ist es nicht erlaubt, einen nicht-muslimischen Mann zu heiraten (USDOS 15.08.2017). Ehen zwischen zwei Nicht-Muslimen sind legal, solange das Paar nicht öffentlich ihren nichtmuslimischen Glauben deklariert (HO U.K. 2.2017; vgl. USDOS 10.08.2016). Die nationalen Identitätsausweise beinhalten Informationen über die Konfession des/der Inhabers/Inhaberin. Das Bekenntnis zum Islam wird für den Erwerb der Staatsbürgerschaft nicht benötigt (USDOS 15.08.2017). Religiöse Gemeinschaften sind gesetzlich nicht dazu verpflichtet, sich registrieren zu lassen (USDOS 15.08.2017).

 

Laut Verfassung soll der Staat einen einheitlichen Lehrplan, der auf den Bestimmungen des Islam basiert, gestalten und umsetzen; auch sollen Religionskurse auf Grundlage der islamischen Strömungen innerhalb des Landes entwickelt werden. Der nationale Bildungsplan enthält Inhalte, die für Schulen entwickelt wurden, in denen die Mehrheiten entweder schiitisch oder sunnitisch sind; ebenso konzentrieren sich die Schulbücher auf gewaltfreie islamische Bestimmungen und Prinzipien. Der Bildungsplan beinhaltet Islamkurse, nicht aber Kurse für andere Religionen. Für Nicht-Muslime an öffentlichen Schulen ist es nicht erforderlich, am Islamunterricht teilzunehmen (USDOS 15.08.2017).

 

Christen berichteten, die öffentliche Meinung stehe ihnen und der Missionierung weiterhin feindselig gegenüber. Mitglieder der christlichen Gemeinschaft, die meistens während ihres Aufenthalts im Ausland zum Christentum konvertierten, würden aus Furcht vor Vergeltung ihren Glauben alleine oder in kleinen Kongregationen in Privathäusern ausüben (USDOS 15.08.2017).

 

Hindus, Sikhs und Schiiten, speziell jene, die den ethnischen Hazara angehören, sind Diskriminierung durch die sunnitische Mehrheit ausgesetzt (CRS 13.12.2017).

 

Beobachtern zufolge sinkt die gesellschaftliche Diskriminierung gegenüber der schiitischen Minderheit weiterhin; in verschiedenen Gegenden werden dennoch Stigmatisierungsfälle gemeldet (USDOS 15.08.2017).

 

Mitglieder der Taliban und des IS töten und verfolgen weiterhin Mitglieder religiöser Minderheiten aufgrund ihres Glaubens oder ihrer Beziehungen zur Regierung (USDOS 15.08.2017; vgl. CRS 13.12.2017, FH 11.04.2018). Da Religion und Ethnie oft eng miteinander verbunden sind, ist es schwierig, einen Vorfall ausschließlich durch die religiöse Zugehörigkeit zu begründen (USDOS 15.08.2017).

 

Schiiten:

 

Die Bevölkerung schiitischer Muslime wird auf 10 - 15% geschätzt (CIA 2017; vgl. USCIRF 2017). Zur schiitischen Bevölkerung zählen die Ismailiten und ein Großteil der ethnischen Hazara (USDOS 15.08.2017). Die meisten Hazara-Schiiten gehören der Jafari-Sekte (Zwölfer-Sekte) an. Im letzten Jahrhundert ist allerdings eine Vielzahl von Hazara zur Ismaili-Sekte übergetreten. Es gibt einige Hazara-Gruppen, die zum sunnitischen Islam konvertierten. In Uruzgan und vereinzelt in Nordafghanistan leben einige schiitische Belutschen (BFA Staatendokumentation 7.2016). Afghanische Schiiten und Hazara neigen dazu, weniger religiös und gesellschaftlich offener zu sein als ihre Glaubensbrüder im Iran (CRS 13.12.2017).

 

Die politische Repräsentation und die Beteiligung an den nationalen Institutionen seitens der traditionell marginalisierten schiitischen Minderheit, der hauptsächlich ethnische Hazara angehören, ist seit 2001 gestiegen (FH 11.04.2018). Obwohl einige schiitischen Muslime höhere Regierungsposten bekleiden, behaupten Mitglieder der schiitischen Minderheit, dass die Anzahl dieser Stellen die demographischen Verhältnisse des Landes nicht reflektiere; auch vernachlässige die Regierung in mehrheitlich schiitischen Gebieten die Sicherheit. Das afghanische Ministry of Hajj and Religious Affairs (MOHRA) erlaubt sowohl Sunniten als auch Schiiten Pilgerfahrten zu unternehmen (USDOS 15.08.2017).

 

Im Ulema-Rat, der nationalen Versammlung von Religionsgelehrten, die u. a. dem Präsidenten in der Festlegung neuer Gesetze und Rechtsprechung beisteht, beträgt die Quote der schiitischen Muslime ca. 30% (AB 07.06.2017; vgl. USDOS 15.08.2017). Des Weiteren tagen rechtliche, konstitutionelle und menschenrechtliche Kommissionen, welche aus Mitgliedern der sunnitischen und schiitischen Gemeinschaften bestehen und von der Regierung unterstützt werden, regelmäßig, um die interkonfessionelle Schlichtung zu fördern (USDOS 15.08.2017).

 

Beobachtern zufolge ist die Diskriminierung der schiitischen Minderheit durch die sunnitische Mehrheit zurückgegangen; dennoch existieren Berichte zu lokalen Diskriminierungsfällen (USDOS 15.8.2017). Afghanischen Schiiten ist es möglich, ihre Feste öffentlich zu feiern; einige Paschtunen sind jedoch wegen der Feierlichkeiten missgestimmt, was gelegentlich in Auseinandersetzungen mündet (CRS 13.12.2017). In den Jahren 2016 und 2017 wurden schiitische Muslime, hauptsächlich ethnische Hazara, oftmals Opfer von terroristischen Angriffen u.a. der Taliban und des IS (HRW 2018; vgl. USCIRF 2017).

 

Unter den Parlamentsabgeordneten befinden sich vier Ismailiten. Einige Mitglieder der ismailitischen Gemeinschaft beanstanden die vermeintliche Vorenthaltung von politischen Posten (USDOS 15.08.2017).

 

Christentum und Konversionen zum Christentum:

 

Nichtmuslimische Gruppierungen wie Sikhs, Baha'i, Hindus und Christen machen ca. 0.3% der Bevölkerung aus. Genaue Angaben zur Größe der christlichen und Bahai-Gemeinschaften sind nicht vorhanden (USDOS 15.08.2017; vgl. USCIRF 2017). Die einzige im Land bekannte christliche Kirche hat ihren Sitz in der italienischen Botschaft (USCIRF 2017) und wird von der katholischen Mission betrieben (FT 27.10.2017; vgl. AIK o.D.). Die afghanischen Behörden erlaubten die Errichtung einer katholischen Kapelle unter den strengen Bedingungen, dass sie ausschließlich ausländischen Christen diene und jegliche Form des Proselytismus vermieden werde (vertrauliche Quelle 08.11.2017). Öffentlich zugängliche Kirchen existieren in Afghanistan nicht (USDOS 15.08.2017). Für christliche Afghanen gibt es keine Möglichkeit der Religionsausübung außerhalb des häuslichen Rahmens, da es in Afghanistan keine Kirchen gibt (abgesehen von einer katholischen Kapelle auf dem Gelände der italienischen Botschaft). Zu Gottesdiensten, die in Privathäusern von internationalen NGOs abgehalten werden, erscheinen sie meist nicht oder werden aus Sicherheitsgründen nicht eingeladen (AA 5 .2018). Ausländische Christen dürfen ihren Glauben diskret ausüben (FT 27.10.2017).

 

Berichten zufolge gibt es im Land weiterhin keine christlichen Schulen (USDOS 15.08.2017); ein christliches Krankenhaus ist in Kabul aktiv (NYP 24.04.2014; vgl. CNN 24.4.2014, CURE o.D.). Auch gibt es in Kabul den Verein "Pro Bambini di Kabul", der aus Mitgliedern verschiedener christlicher Orden besteht, und eine Schule für Kinder mit Behinderung betreibt (PBK o.D.; vgl. FT 27.10.2017). Des Weiteren sind je zwei jesuitische und evangelische Missionare in Afghanistan aktiv (FT 27.10.2017).

 

Neben der drohenden strafrechtlichen Verfolgung werden Konvertiten in der Gesellschaft ausgegrenzt und zum Teil angegriffen (AA 5 .2018). Christen berichteten von einer feindseligen Haltung gegenüber christlichen Konvertiten und der vermeintlichen christlichen Proselytenmacherei (USDOS 15.08.2017). Zu einer Strafverfolgungs- oder Strafzumessungspraxis, die speziell Christen diskriminiert, kommt es in Afghanistan in der Regel nur deshalb nicht, weil sich Christen nicht offen zu ihrem Glauben bekennen. In städtischen Gebieten sind Repressionen gegen Konvertiten aufgrund der größeren Anonymität weniger zu befürchten als in Dorfgemeinschaften (AA 9 .2016). Beobachtern zufolge hegen muslimische Ortsansässige den Verdacht, Entwicklungsprojekte würden das Christentum verbreiten und Proselytismus betreiben (USDOS 15.08.2017).

 

Afghanische Christen sind in den meisten Fällen vom Islam zum Christentum konvertiert (AA 5 .2018). Quellen zufolge müssen Christen ihren Glauben unbedingt geheim halten. Konvertiten werden oft als geisteskrank bezeichnet, da man davon ausgeht, dass sich niemand bei klarem Verstand vom Islam abwenden würde; im Falle einer Verweigerung, zu ihrem alten Glauben zurückzukehren, können Christen in psychiatrische Kliniken zwangseingewiesen, von Nachbarn oder Fremden angegriffen und ihr Eigentum oder Betrieb zerstört werden; es kann auch zu Tötungen innerhalb der Familie kommen. Andererseits wird auch von Fällen berichtet, wo die gesamte Familie den christlichen Glauben annahm; dies muss jedoch absolut geheim gehalten werden (OD 2018).

 

Mitglieder der christlichen Gemeinschaft, die oft während ihres Aufenthalts im Ausland konvertierten, üben aus Angst vor Diskriminierung und Verfolgung ihre Religion alleine oder in kleinen Kongregationen in Privathäusern aus (USDOS 15.08.2017). Zwischen 2014 und 2016 gab es keine Berichte zu staatlicher Verfolgung wegen Apostasie oder Blasphemie (USDOS 15.8.2017). Der Druck durch die Nachbarschaft oder der Einfluss des IS und der Taliban stellen Gefahren für Christen dar (OD 2018).

 

Die im Libanon geborene Rula Ghani, Ehefrau von Staatspräsident Ashraf Ghani, entstammt einer christlich-maronitischen Familie (NPR 19.02.2015; vgl. BBC 15.10.2014). Einige islamische Gelehrte behaupten, es gebe keine öffentlichen Aufzeichnungen ihrer Konvertierung zum Islam (CSR 13.12.2017).

 

Zum Glaubensabfall und zu den daraus sich ergebenden Konsequenzen bei einer Rückkehr nach Afghanistan:

 

Im Strafgesetzbuch gibt es keine Definition für Apostasie. Laut der sunnitisch-hanafitischen Rechtsprechung gilt Enthauptung als angemessene Strafe für Männer, für Frauen lebenslange Haft, sofern sie die Apostasie nicht bereuen. Ein Richter kann eine mindere Strafe verhängen, wenn Zweifel an der Apostasie bestehen. Zu Verfolgung von Apostasie und Blasphemie existieren keine Berichte - dennoch hatten Individuen, die vom Islam konvertierten, Angst vor Konsequenzen. Christen berichteten, dass sie aus Furcht vor Vergeltung, Situationen vermieden, in denen es gegenüber der Regierung so aussehe, als ob sie missionieren würden (USDOS 10.08.2016).

 

Der Ausdruck Apostasie bezeichnet in der Theologie die Abwendung von einer Religionszugehörigkeit (beispielsweise Kirchenaustritt oder Übertritt zu einem anderen Bekenntnis, Konversion).

 

Apostasie, im Islam Ridda oder Irtidad genannt, bezeichnet den "Abfall vom Islam". Der Abtrünnige selbst wird Murtadd genannt. Auf Grundlage von Hadithen und Idschma? ist die Apostasie islamrechtlich mit der Todesstrafe zu ahnden, obwohl der Koran selbst keine Strafe im Diesseits vorsieht (William Heffening: Murtadd. In: The Encyclopaedia of Islam. New Edition. Brill, Leiden. Bd. 7, S. 635). In Ländern, deren staatliche Rechtsordnung sich an der Scharia orientiert, die aber keine islamischen Gerichtshöfe mehr haben, kann der bekundete "Abfall vom islamischen Glauben" zivilrechtliche (Erbrecht, Eherecht) und strafrechtliche Konsequenzen haben.

 

In der Hadithliteratur ist der Befehl zur Tötung desjenigen, der seine Religion wechselt, in mehreren Überlieferungen verzeichnet (Frank Griffel: Apostasie und Toleranz Im Islam. Brill, 2000. S. 51-66). Nach der allgemein gültigen islamischen Rechtsauffassung wird der Abfall vom Islam mit dem Tode bestraft. Die älteste Rechtsquelle, die die Todesstrafe bei Apostasie legitimiert, ist, wie oben dargestellt, nicht im Koran, sondern in der zweitwichtigsten Quelle der Jurisprudenz, im Hadith und in dem damit verbundenen Konsens der Rechtsgelehrten nachweisbar. Der Prophetenspruch: "wer seine Religion wechselt, dem schlagt den Kopf ab" erscheint in der kodifizierten Rechtsliteratur erstmals im Muwa??a? des medinensischen Gelehrten Malik ibn Anas mit einem zunächst unvollständigem Isnad als Rechtsdirektive Mohammeds (al-Muwa??a?, Kitab al-Aq?iya, Kapitel 18. Band 2, S. 736 (Hrsg.

Mu?ammad Fu?ad ?Abd al-Baqi. Kairo, o. J.; Ignaz Goldziher:

Muhammedanische Studien, Band 2, S. 215-217).

 

Bei der Umsetzung der im islamischen Recht vorgeschriebenen Todesstrafe bei Religionswechsel eines Muslims hatte auch ein weiterer und in der Rechtslehre nicht unumstrittener Aspekt Bedeutung: die Frage der Reue und Umkehr des Apostaten, die schon im Koran, wie oben erwähnt, als Rettung vor Gottes Strafe im Jenseits betont wird. Beim Tatbestand der Apostasie gebietet die Rechtslehre zunächst die "Aufforderung zur Reue" (istitaba), die in der überlieferten Rechtspraxis allerdings unterschiedlich angewandt wurde. In der Entwicklung der innermuslimischen Jurisdiktion hat sich die Aufforderung des Apostaten zur Reue in allen Rechtsschulen in den Rechtskategorien zwischen pflichtmäßig und wünschenswert etabliert.

 

Jene Länder, deren Rechtsordnung dem islamischen Recht folgend die Todesstrafe für Apostasie vorsehen, sind der folgenden Ablichtung zu entnehmen. Darunter befindet sich auch Afghanistan:

 

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Selbst in Fällen, in denen der Abfall vom Islam keine strafrechtlichen Konsequenzen hat, drohen in einigen islamischen Ländern zivilrechtliche Folgen, die dort mit dem klassischen islamischen Recht begründet werden. Strafen können sein:

 

* die Ehe zwischen dem Apostaten und dem muslimischen Ehepartner wird aufgelöst

 

* die gemeinsamen Kinder bleiben Muslime und sind vom muslimischen Elternteil zu erziehen,

 

* erbrechtliche Ansprüche eines Apostaten/einer Apostatin sind islamrechtlich erloschen,

 

* das Vermögen des Apostaten wird vom Staat eingezogen.

 

Im Sudan, Jemen und Iran sowie in Saudi-Arabien, Katar, Pakistan, Afghanistan, Somalia und in Mauretanien kann Abfall vom Islam noch heute mit dem Tode bestraft werden, und es werden vereinzelt auch Hinrichtungen durchgeführt.

 

In Afghanistan drohte im Jahre 2006 Abdul Rahman wegen Konversion zum Christentum die Todesstrafe, nachdem sein Vater sein Bekenntnis zum Christentum der Polizei gemeldet hatte und eine Bibel bei ihm entdeckt worden war. Das Verfahren wurde nach internationaler Intervention - laut offiziellen Angaben wegen Verfahrensmängeln - vor der Prozesseröffnung eingestellt. Abdul Rahman wurde für geisteskrank erklärt und bekam in Italien Asyl.

 

Rückkehrer:

 

Als Rückkehrer/innen werden jene afghanische Staatsbürger/innen bezeichnet, die nach Afghanistan zurückgekehrt sind, nachdem sie mindestens sechs Monate im Ausland verbracht haben. Dazu zählen sowohl im Ausland registrierte Afghan/innen, die dann die freiwillige Rückkehr über UNHCR angetreten haben, als auch nicht-registrierte Personen, die nicht über UNHCR zurückgekehrt sind, sondern zwangsweise rückgeführt wurden. Insgesamt sind in den Jahren 2012-2017 1.821.011 Personen nach Afghanistan zurückgekehrt. Die Anzahl der Rückkehrer/innen hat sich zunächst im Jahr 2016 im Vergleich zum Zeitraum 2012-2015, um 24 % erhöht, und ist im Jahr 2017 um 52 % zurückgegangen. In allen drei Zeiträumen war Nangarhar jene Provinz, die die meisten Rückkehrer/innen zu verzeichnen hatte (499.194); zweimal so viel wie Kabul (256.145) (IOM/DTM 26.03.2018). Im Jahr 2017 kehrten IOM zufolge insgesamt 98.191 Personen aus Pakistan und 462.361 Personen aus Iran zurück (sowohl freiwillig, als auch zwangsweise) (IOM 2.2018). Im Jahr 2018 kehrten mit Stand 21.03. 1.052 Personen aus angrenzenden Ländern und nicht-angrenzenden Ländern zurück (759 davon kamen aus Pakistan). Bis Juli 2017 kehrten aus Europa und der Türkei 41.803 Personen nach Afghanistan zurück (IOM 7.7.2017). Im Rahmen des Tripartite Agreement (Drei-Parteien-Abkommen) unterstützt UNHCR die freiwillige Repatriierung von registrierten afghanischen Flüchtlingen aus Pakistan und Iran. Insgesamt erleichterte UNHCR im Jahr 2017 die freiwillige Rückkehr von 58.817 Personen (98 % aus Pakistan sowie 2 % aus Iran und anderen Ländern) (UNHCR 3.2018).

 

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Die afghanische Regierung kooperierte mit UNHCR, IOM und anderen humanitären Organisationen, um IDPs, Flüchtlingen, rückkehrenden Flüchtlingen und anderen betroffenen Personen Schutz und Unterstützung zu bieten. Die Fähigkeit der afghanischen Regierung vulnerable Personen zu unterstützen, einschließlich Rückkehrer/innen aus Pakistan und dem Iran, bleibt begrenzt und ist weiterhin auf die Hilfe der internationalen Gemeinschaft angewiesen (USDOS 20.04.2018). Nichtsdestotrotz versucht die afghanische Regierung die gebildete Jugend, die aus Pakistan zurückkehrt, aufzunehmen (BTI 2018). Von den 2,1 Millionen Personen, die in informellen Siedlungen leben, sind 44 % Rückkehrer/innen. In den informellen Siedlungen von Nangarhar lebt eine Million Menschen, wovon 69 % Rückkehrer/innen sind. Die Zustände in diesen Siedlungen sind unterdurchschnittlich und sind besonders wegen der Gesundheits- und Sicherheitsverhältnisse besorgniserregend. 81 % der Menschen in informellen Siedlungen sind Ernährungsunsicherheit ausgesetzt, 26 % haben keinen Zugang zu adäquatem Trinkwasser und 24 % leben in überfüllten Haushalten (UN OCHA 12.2017).

 

Auch wenn scheinbar kein koordinierter Mechanismus existiert, der garantiert, dass alle Rückkehrer/innen die Unterstützung erhalten, die sie benötigen, und dass eine umfassende Überprüfung stattfindet, können Personen, die freiwillig oder zwangsweise nach Afghanistan zurückgekehrt sind, dennoch verschiedene Unterstützungsformen in Anspruch nehmen. Eine Reihe unterschiedlicher Organisationen ist für Rückkehrer/innen und Binnenvertriebene (IDP) in Afghanistan zuständig. Außerdem erhalten Rückkehrer/innen Unterstützung von der afghanischen Regierung, den Ländern, aus denen sie zurückkehren, und internationalen Organisationen (z.B. IOM) sowie lokalen Nichtregierungsorganisationen (NGO) (z. B. IPSO und AMASO). Nichtsdestotrotz scheint das Sozialkapital die wichtigste Ressource zu sein, die Rückkehrer/innen zur Verfügung steht, da keine dezidiert staatlichen Unterbringungen für Rückkehrer existieren und familiäre Unterbringungsmöglichkeiten für Rückkehrer/innen daher als die zuverlässigste und sicherste Möglichkeit erachtet werden. So kehrt der Großteil der (freiwilligen bzw. zwangsweisen) Rückkehrer/innen direkt zu ihren Familien oder in ihre Gemeinschaften zurück. Für jene, die diese Möglichkeit nicht haben sollten, stellen die Regierung und IOM eine temporäre Unterkunft zur Verfügung. Hierfür stand bislang das Jangalak-Aufnahmezentrum zur Verfügung, das sich direkt in der Anlage des Ministeriums für Flüchtlinge und Repatriierung in Kabul befand und wo Rückkehrende für die Dauer von bis zu zwei Wochen untergebracht werden konnten. Im Jangalak Aufnahmezentrum befanden sich 24 Zimmer, mit jeweils 2-3 Betten. Jedes Zimmer war mit einem Kühlschrank, Fernseher, einer Klimaanlage und einem Kleiderschrank ausgestattet. Seit September 2017 nutzt IOM nicht mehr das Jangalak-Aufnahmezentrum, sondern das Spinzar Hotel in Kabul als temporäre Unterbringungsmöglichkeit. Auch hier können Rückkehrer/innen für maximal zwei Wochen untergebracht werden (BFA Staatendokumentation 4.2018).

 

Unterschiedliche Organisationen sind für Rückkehrer/innen unterstützend tätig:

 

IOM (internationale Organisation für Migration) bietet ein Programm zur unterstützten, freiwilligen Rückkehr und Reintegration in Afghanistan an (Assisted Voluntary Return and Reintegration - AVRR). In Österreich wird das Projekt Restart II seit 01.01.2017 vom österreichischen IOM-Landesbüro implementiert, welches vom österreichischen Bundesministerium für Inneres und AMIF (dem Asyl-, Migrations- und Integrationsfonds der EU) mitfinanziert wird. Im Zuge dieses Projektes können freiwillige Rückkehrer/innen nach Afghanistan und in den Iran, nachhaltig bei der Reintegration in ihr Herkunftsland unterstützt werden. Das Projekt läuft mit 31.12.2019 aus und sieht eine Teilnahme von 490 Personen vor. IOM setzt im Zuge von Restart II unterschiedliche Maßnahmen um, darunter Rückkehr - und Reintegrationsunterstützung. In Kooperation mit Partnerinstitutionen des European Reintegration Network (ERIN) wird im Rahmen des ERIN Specific Action Program, nachhaltige Rückkehr und Reintegration freiwillig bzw. zwangsweise rückgeführter Drittstaatangehöriger in ihr Herkunftsland implementiert.

 

Die IOM gewährt seit April 2019 keine temporäre Unterkunft für zwangsrückgeführte Afghanen mehr. Diese erhalten eine Barzuwendung von ca. 150 Euro sowie Informationen über mögliche Unterkunftsmöglichkeiten. Gemäß dem Europäischen Auswärtigen Amt (EAD) nutzten nur wenige Rückkehrer die Unterbringungsmöglichkeiten von IOM (BAMF 20.05.2019).

 

IRARA (International Returns & Reintegration Assistance) eine gemeinnützige Organisation bietet durch Reintegrationsdienste nachhaltige Rückkehr an. ACE (Afghanistan Centre for Excellence) ist eine afghanische Organisation, die Schulungen und Arbeitsplatzvermittlung anbietet. AKAH (Aga Khan Agency for Habitat) ist in mehreren Bereichen tätig, zu denen auch die Unterstützung von Rückkehrer/innen zählt. Sowohl ACE als auch AKAH sind Organisationen, die im Rahmen von ERIN Specific Action Program in Afghanistan tätig sind. AMASO (Afghanistan Migrants Advice & Support Organisation) bietet zwangsweise zurückgekehrten Personen aus Europa und Australien Beratung und Unterstützung an. Unter anderem betreibt AMASO ein Schutzhaus, welches von privaten Spendern finanziert wird (BFA Staatendokumentation 4.2018).

 

NRC (Norwegian Refugee Council) bietet Rückkehrer/innen aus Pakistan, Iran und anderen Ländern Unterkunft sowie Haushaltsgegenstände und Informationen zur Sicherheit an. Auch hilft NRC Rückkehrer/innen bei Grundstücksstreitigkeiten. Kinder von Binnenvertriebenen und speziell von Rückkehrer/innen aus Pakistan sollen auch die Möglichkeit haben die Schule zu besuchen. NRC arbeitet mit dem afghanischen Bildungsministerium zusammen, um Schulen mit Unterrichtsmaterialien zu unterstützen und die Kapazitäten in diesen Institutionen zu erweitern. IDPs werden im Rahmen von Notfallprogrammen von NRC mit Sachleistungen, Nahrungsmitteln und Unterkunft versorgt; nach etwa zwei Monaten soll eine permanente Lösung für IDPs gefunden sein. Auch wird IDPs finanzielle Unterstützung geboten: pro Familie werden zwischen 5.000 und 14.000 Afghani Förderung ausbezahlt. Das Internationale Komitee des Roten Kreuzes (ICRC) unterstützt Rückkehrer/innen dabei, ihre Familien zu finden (BFA Staatendokumentation 4.2018).

 

UNHCR ist bei der Ankunft von Rückkehrer/innen anwesend, begleitet die Ankunft und verweist Personen welche einen Rechtsbeistand benötigen an die AIHRC (Afghanistan Independent Human Rights Commission). UNHCR und die Weltbank haben im November 2017 ein Abkommen zur gemeinsamen Datennutzung unterzeichnet, um die Reintegration afghanischer Rückkehrer/innen zu stärken. UNHCR leitet Initiativen, um nachhaltige Lösungen in den Provinzen Herat und Nangarhar zu erzielen, indem mit nationalen Behörden/Ministerien und internationalen Organisationen (UNICEF, WHO, IOM, UNDP, UN Habitat, WFP und FAO) zusammengearbeitet wird. Diese Initiativen setzen nationale Pläne in gemeinsame Programme in jenen Regionen um, die eine hohe Anzahl an Rückkehrer/innen und Binnenvertriebenen vorzuweisen haben (BFA Staatendokumentation 4.2018).

 

Unterstützung von Rückkehrer/innen durch die afghanische Regierung:

 

Hilfeleistungen für Rückkehrer/innen durch die afghanische Regierung konzentrieren sich auf Rechtsbeistand, Arbeitsplatzvermittlung, Land und Unterkunft (wenngleich sich das Jangalak-Aufnahmezentrum bis September 2017 direkt in der Anlage des Ministeriums für Flüchtlinge und Repatriierung in Kabul befand, wurde dieses dennoch von IOM betrieben und finanziert).

 

Seit 2016 erhalten die Rückkehr/innen nur Hilfeleistungen in Form einer zweiwöchigen Unterkunft (siehe Jangalak-Aufnahmezentrum). Neue politische Rahmenbedingungen für Rückkehrer/innen und IDPs wurden von unterschiedlichen afghanischen Behörden, dem Ministerium für Flüchtlinge und Repatriierung (MoRR) und internationalen Organisationen geschaffen und sind im Dezember 2016 in Kraft getreten. Diese Rahmenbedingungen gelten sowohl für Rückkehrer/innen aus der Region (Iran und Pakistan), als auch für jene, die aus Europa zurückkommen oder IDPs sind. Soweit dies möglich ist, sieht dieser mehrdimensionale Ansatz der Integration unter anderem auch die individuelle finanzielle Unterstützung als einen Ansatz der "whole of community" vor. Demnach sollen Unterstützungen nicht nur Einzelnen zugutekommen, sondern auch den Gemeinschaften, in denen sie sich niederlassen. Die Rahmenbedingungen sehen die Grundstücksvergabe als entscheidend für den Erfolg anhaltender Lösungen. Hinsichtlich der Grundstücksvergabe wird es als besonders wichtig erachtet, das derzeitige Gesetz zu ändern, da es als anfällig für Korruption und Missmanagement gilt. Auch wenn nicht bekannt ist, wie viele Rückkehrer/innen aus Europa Grundstücke von der afghanischen Regierung erhalten haben - und zu welchen Bedingungen - sehen Experten dies als möglichen Anreiz für jene Menschen, die Afghanistan schon vor langer Zeit verlassen haben und deren Zukunftsplanung von der Entscheidung europäischer Staaten über ihre Abschiebungen abhängig ist (BFA Staatendokumentation 4.2018).

 

Die Rolle unterschiedlicher Netzwerke für Rückkehrer/innen:

 

Die Großfamilie ist die zentrale soziale Institution in Afghanistan und bildet das wichtigste soziale Sicherheitsnetz der Afghanen. Alle Familienmitglieder sind Teil des familiären Netzes. Die Großfamilie trägt zu Schutz, Betreuung und Versorgung ihrer Mitglieder bei. Sie bildet auch eine wirtschaftliche Einheit; die Männer der Familie sind verpflichtet, die Mitglieder der Großfamilie zu unterstützen und die Familie in der Öffentlichkeit zu repräsentieren. Auslandsafghanen pflegen zumeist enge Kontakte mit ihren Verwandten in Afghanistan. Quellen zufolge verlieren nur sehr wenige Afghanen in Europa den Kontakt zu ihrer Familie. Die Qualität des Kontakts mit der Familie hängt möglicherweise auch davon ab, wie lange die betreffende Person im Ausland war bzw. wie lange sie tatsächlich in Afghanistan lebte, bevor sie nach Europa migrierte. Der Faktor geographische Nähe verliert durch technologische Entwicklungen sogar an Wichtigkeit. Der Besitz von Mobiltelefonen ist mittlerweile "universell" geworden und digitale Kommunikation wird eine zunehmende Selbstverständlichkeit, vor allem in den Städten. Ein fehlendes familiäres Netzwerk stellt eine Herausforderung für die Reintegration von Migrant/innen in Afghanistan dar. Quellen zufolge haben aber alleinstehende afghanische Männer, egal ob sie sich kürzer oder länger außerhalb der Landesgrenzen aufhielten, sehr wahrscheinlich eine Familie in Afghanistan, zu der sie zurückkehren können. Eine Ausnahme stellen möglicherweise jene Fälle dar, deren familiäre Netze in den Nachbarstaaten Iran oder Pakistan liegen (BFA Staatendokumentation 4.2018).

 

Quellen zufolge halten Familien in Afghanistan in der Regel Kontakt zu ihrem nach Europa ausgewanderten Familienmitglied und wissen genau Bescheid, wo sich dieses aufhält und wie es ihm in Europa ergeht. Dieser Faktor wird in Asylinterviews meist heruntergespielt und viele Migranten, vor allem Minderjährige, sind instruiert zu behaupten, sie hätten keine lebenden Verwandten mehr oder jeglichen Kontakt zu diesen verloren (BFA Staatendokumentation 4.2018).

 

Neben der Familie als zentrale Stütze der afghanischen Gesellschaft, kommen noch weitere, wichtige Netzwerke zum Tragen, wie z. B. der Stamm, der Clan und die lokale Gemeinschaft. Diese basieren auf Zugehörigkeit zu einer Ethnie, Religion oder anderen "professionellen" Netzwerken (Kolleg/innen, Kommilitonen etc.) sowie politische Netzwerke usw. Die unterschiedlichen Netzwerke haben verschiedene Aufgaben und unterschiedliche Einflüsse - auch unterscheidet sich die Rolle der Netzwerke zwischen den ländlichen und städtischen Gebieten. Ein Netzwerk ist für das Überleben in Afghanistan wichtig. So sind einige Rückkehrer/innen auf soziale Netzwerke angewiesen, wenn es ihnen nicht möglich ist, auf das familiäre Netz zurückzugreifen. Ein Mangel an Netzwerken stellt eine der größten Herausforderungen für Rückkehrer/innen dar, was möglicherweise zu einem neuerlichen Verlassen des Landes führen könnte. Die Rolle sozialer Netzwerke - der Familie, der Freunde und der Bekannten - ist für junge Rückkehrer/innen besonders ausschlaggebend, um sich an das Leben in Afghanistan anzupassen. Sollten diese Netzwerke im Einzelfall schwach ausgeprägt sein, kann die Unterstützung verschiedener Organisationen und Institutionen in Afghanistan in Anspruch genommen werden (BFA Staatendokumentation 4.2018).

 

2. Beweiswürdigung:

 

2.1. Der oben angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unbedenklichen und unzweifelhaften Inhalt der dem BVwG vom BFA vorgelegten Unterlagen im gegenständlichen Beschwerdeverfahren.

 

2.2. Die Feststellungen zum Namen des Beschwerdeführers, zu seiner staatlichen Herkunft, zu seiner Volljährigkeit, zu seiner Volksgruppenzugehörigkeit, zu seiner Herkunft, zu seiner Schulbildung, zu seiner Arbeitserfahrung bzw. Arbeitsfähigkeit, zu seinem Gesundheitszustand und zu seinem Familienstand stützen sich auf dessen insoweit im Asylverfahren gleichbleibende Angaben.

 

2.3. Das BVwG konnte sich in den mündlichen Verhandlungen davon überzeugen, dass der Beschwerdeführer gesund ist und Dari, eine in Afghanistan weit verbreitete Sprache, spricht bzw. auch Farsi sinnerfassend lesen kann.

 

2.4. Dass nicht festgestellt werden konnte, ob und wo sich der BF in Afghanistan aufgehalten hat, ergibt sich aus seinen widersprüchlichen Angaben vor dem BFA, dem BVwG und den Angaben, die er im Zuge seiner psychiatrischen Begutachtung gemacht hat. Das erkennende Gericht geht aufgrund zahlreicher Widersprüche, einer Nichtnachvollziehbarkeit des zeitlichen Ablaufes der Ereignisse in seinem Leben und offensichtlichen Falschangaben insgesamt von einer über sehr weite Strecken erfundenen Fluchtgeschichte aus. So hat er beispielsweise einerseits angegeben, dass er keine Geschwister habe, und solche auch in seinen Erzählungen aus Afghanistan nicht erwähnt, während er nunmehr - nach eigenen Angaben - plötzlich einen älteren Bruder haben soll, der ihn in Salzburg nicht nur unterstützt, sondern ihn auch immer wieder berät, wie er einer Abschiebung entgehen könnte, bzw. maßgebliche Entscheidungen trifft, die den BF vor einem Vollzug einer bereits rechtskräftigen und unangefochten gebliebenen Abschiebeentscheidung bewahrt.

 

Der BF konnte mangels klar nachvollziehbarer Angaben, Dokumente oder sonstiger Beweismittel nicht glaubhaft machen, dass er einen Bruder in Österreich hat bzw. dass er in Afghanistan oder allenfalls auch im Iran keine Familienmitglieder, Freunde oder Bekannte hat, die ihn bei einer Rückkehr nach Afghanistan unterstützen könnten und auch unterstützen würden.

 

2.5. Für das erkennende Gericht hat der Beschwerdeführer nicht glaubhaft dargelegt, dass er bei einer Rückkehr nach Afghanistan mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zumindest einer drohenden Verfolgungsgefahr ausgesetzt wäre, weil er von keiner individuell gegen ihn gerichteten Gegebenheit berichten konnte bzw. berichtet hat, aus der man ableiten könnte, dass er selbst oder wegen seiner Zugehörigkeit zu einer besonderen Gruppe einer Verfolgungsgefahr ausgesetzt wäre.

 

Dass er mehrfach gelogen haben muss, wurde auch durch ein Altersfeststellungsverfahren nachhaltig nachgewiesen. Der BF hat offensichtlich mit dem Wissen ausgestattet, dass ein Minderjähriger bessere Chancen hat, in Österreich einen Aufenthaltstitel zu erlangen, bei seiner Erstbefragung und weiter im Asylverfahren ein falsches Geburtsdatum angegeben.

 

Gänzlich nicht nachvollziehbar und damit nicht glaubhaft ist, dass er als volljähriger, junger, gesunder und mit Arbeitserfahrung ausgestatteter Afghane ohne besondere Eigenschaften oder Auffälligkeiten, einer asylrelevanten Verfolgung ausgesetzt wäre, zumal ihn von zigtausenden Rückkehrern nichts Maßgebliches unterscheidet.

 

Er konnte das erkennende Gericht nicht davon überzeugen, noch existieren entsprechende Beweismittel oder Berichte, aus denen abgeleitet werden könnte, dass gerade der Beschwerdeführer überall in Afghanistan einer Verfolgung ausgesetzt wäre oder bei einer Rückkehr nach Afghanistan tatsächlich überall in eine existenzbedrohende Lage geraten würde.

 

2.6. Auch konnte der Beschwerdeführer insbesondere bei der zweiten mündlichen Verhandlung vor dem BVwG am 04.06.2019 nicht darlegen, dass er bei einer Rückkehr nach Afghanistan wegen eines allenfalls tatsächlich erfolgten Glaubenswechsels gefährdet wäre, wegen dieses Glaubenswechsels bzw. wegen seiner von ihm angegebenen Religionszugehörigkeit bzw. wegen eines Glaubensabfalls mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit aus religiösen Gründen verfolgt werden würde. Es steht dem erkennenden Gericht nicht zu, zu entscheiden, ob jemand, der seinen Glauben wechseln möchte, diesen bereits gewechselt hat. Ein Glaubenswechsel ist eine höchstindividuelle Angelegenheit, die nicht mit juristischen Beweismitteln überprüft werden kann.

 

Der Beschwerdeführer hat tatsächlich den Eindruck hinterlassen, dass er sich hinsichtlich seiner religiösen Überzeugung auf einer Reise befindet, wobei jedoch vom erkennenden Gericht nicht beurteilt werden kann, wohin ihn diese Reise führt. Es ist jedoch Aufgabe des erkennenden Gerichtes zu beurteilen, ob ein von einem Beschwerdeführer eingeschlagener religiöser Weg bei einer Rückkehr in sein Heimatland dazu führt, dass er wegen seiner religiösen Ausrichtung in eine ihn selbst gefährdende Situation gerät. Vom erkennenden Gericht wird diese zentrale Frage in der zum Zeitpunkt der Entscheidungsfindung angetroffenen Situation des Beschwerdeführers verneint. Der Beschwerdeführer selbst hat nämlich in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG am 04.06.2019 nicht glaubhaft gemacht, dass er bei einer Rückkehr nach Afghanistan seinen christlichen Glauben auch für die afghanische Gesellschaft klar erkennbar praktizieren würde und derart auch als Christ bzw. als Glaubensabfälliger erkannt werden würde. Der BF selbst hat dargelegt, dass er in Afghanistan "seinen christlichen Glauben" so wie in Österreich ausleben könnte und letztlich auch ausüben würde, sodass er in eine besorgniserregende Situation gelangen könnte. Er führte dazu aus, dass das gefährlich und unhöflich sei. Auf die Frage, wie er in Afghanistan seinen christlichen Glauben ausleben würde, hat er erst bei mehrmaliger Wiederholung dieser Frage, dargelegt, dass er mit anderen Menschen langsam über christliche Inhalte sprechen würde. Diese Aussage wird vom erkennenden Gericht jedoch als Schutzbehauptung qualifiziert, weil der offensichtlich intelligente BF eingesehen hat, dass er diesbezüglich Angaben machen muss. Das erkennende Gericht hatte zu keinem Zeitpunkt den Eindruck, dass der BF christliche Inhalte, die sich wesentlich von Glaubensinhalten der islamischen Glaubensgemeinschaft unterscheiden, verinnerlicht hat und diese bei einer Rückkehr nach Afghanistan auch in einer deutlichen nach außen hin erkennbaren Weise ausleben müsste, dass er deswegen in eine besorgniserregende Situation geraten würde und deswegen verfolgt werden würde.

 

Dass der BF über beachtliche Kenntnisse über Inhalte des christlichen Glaubens und der Bibel verfügt, hat er in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG am 04.06.2019 nachgewiesen. Auch die Taufe am 01.04.2018 in der Evangelisch-methodistischen Kirche in Salzburg hat er durch die Vorlage eines Taufscheines bewiesen. Zudem wurde die Taufe auch vom Zeugen XXXX , als Taufspender, bestätigt.

 

Wenn er als besonderen Auslöser für seine Konversion zum Christentum darauf hinweist, dass er erst kurz nach seiner Einvernahme vor dem BVwG am 14.12.2016 erfahren habe, dass sein Vater ebenfalls Christ gewesen sei und deswegen ermordet worden wäre, so handelt es sich diesbezüglich um eine unwiderlegbare Lüge, da er vom Christentum seines Vaters bereits am 26.03.2016 gewusst haben muss, weil XXXX in seinem Gutachten vom 26.03.2016 davon berichtet, dass ihm der BF im Zuge seiner Begutachtung des BF, davon erzählt habe.

 

Auffällig ist, dass der Beschwerdeführer sein Interesse für das Christentum erst dann entdeckt hat, nachdem er das negative Erkenntnis des BVwG vom 15.12.2016, GZ W123 2127670-1/6E, erhalten hat.

 

Der Umstand, dass der Beschwerdeführer in seiner christlichen Gemeinde bereits getauft wurde, ist in diesem Zusammenhang unbeachtlich, da die Taufe selbst nicht dazu führt, dass der BF bei einer Rückkehr nach Afghanistan einer zusätzlichen oder intensiveren Verfolgung bzw. Verfolgungsgefahr ausgesetzt ist.

 

2.7. Die Feststellungen zur Rückkehr des Beschwerdeführers nach Afghanistan ergeben sich aus den o.a. Länderfeststellungen unter Berücksichtigung des vom BF in seiner Beschwerde, in seinen Stellungnahmen zur Gefährdungslage in Afghanistan diesbezüglich angeführten Länderberichtsmaterials in Zusammenschau mit den vom BF dargelegten persönlichen Umständen.

 

2.8. Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer gesund und arbeitsfähig ist, ergibt sich aus seinen glaubhaften Angaben bei seinen Einvernahmen im gegenständlichen Beschwerdeverfahren und dem persönlichen Eindruck, den der BF bei den mündlichen Beschwerdeverhandlungen vor dem BVwG hinterlassen hat.

 

2.9. Entgegen den Ausführungen des Beschwerdeführers in seinen Stellungnahmen steht dem Beschwerdeführer auf der Grundlage der herangezogenen Informationen zu Afghanistan eine innerstaatliche Flucht- und Schutzalternative zumindest in Herat zur Verfügung.

 

Der Beschwerdeführer verfügt zwar in Herat über kein soziales Netzwerk; er ist jedoch jung, gesund und arbeitsfähig. Er hat Arbeitserfahrungen und ist in der Lage beachtliche Geldbeträge zu erwirtschaften. Er ist in der Lage, für sein eigenes Einkommen zu sorgen. Warum ausgerechnet ihm aufgrund seiner persönlichen Situation in der Relation zu den anderen dort lebenden Rückkehrern nach Afghanistan in Herat eine Neuansiedelung nicht möglich sein sollte, oder dass er dort nicht hinreichend sicher leben könnte, ist für das BVwG nicht erkennbar.

 

Die Stadt Herat ist die Hauptstadt der vergleichsweise gut entwickelten Provinz Herat im Westen des Landes. Herat wird als relativ friedliche Provinz gewertet, dennoch sind Aufständische in einigen Distrikten, nicht jedoch in der Stadt Herat, aktiv. Herat ist über einen Zivilflughafen auch mit dem Flugzeug erreichbar.

 

Das Ermittlungsverfahren ergab - trotz der Ausführungen in der Beschwerde, die über weite Strecken nur eine sehr weit zurückliegende Zeitspanne berücksichtigen - auch hinsichtlich Herat dafür, weswegen ausgerechnet der junge, gesunde und arbeitsfähige Beschwerdeführer aufgrund seiner persönlichen Situation in der Relation zu den anderen dort lebenden Menschen in einem der Stadteile von Herat nicht sicher leben könnte, keine berücksichtigungswürdigen Hinweise.

 

2.10. Der Beschwerdeführer hat jedoch - insbesondere unter Hinweis auf den Umstand, dass im zugrunde gelegten Länderbericht zu Afghanistan ausgeführt wird, dass Asylwerber angehalten wurden zu leugnen, dass sie im Herkunftsland Familienangehörige haben - nicht glaubhaft ausgeführt, dass er in Afghanistan oder zumindest im Iran darüber hinaus keine weiteren Verwandten oder Freunde hat, die ihn bei einer Rückkehr nach Afghanistan zusätzlich zu seinen eigenen Bemühungen bei einer Existenzgründung in Afghanistan unterstützen könnten. Dabei wurde auch der in Afghanistan weitgehend vorliegende Kinderreichtum berücksichtigt. Kinderreichtum herrscht in Afghanistan traditionell deswegen, weil Afghanen in sehr engen Familienbanden leben, keine staatliche Altersvorsorge besteht und mit vielen Kindern sichergestellt ist, dass Eltern im Alter gut versorgt sind.

 

Ausgehend davon, dass der BF in seinen Angaben selbst darauf hingewiesen hat, dass er für seine Schleppung einen Betrag in Höhe von ca. EUR 4.000.-- aufzubringen vermochte, gelangt das erkennende Gericht zur Auffassung, dass der Beschwerdeführer auch bei einer Rückkehr nach Afghanistan entweder selbst derartige Beträge verdienen und ansparen kann oder - falls dieses Geld zumindest teilweise von seiner Familie stammt - er mit einer Unterstützung durch diese rechnen kann.

 

2.11. Es ist zudem notorisch, dass der Beschwerdeführer bei einer freiwilligen Rückkehr nach negativem Verfahrensausgang Rückkehrhilfe in Anspruch nehmen kann, wodurch er Rückkehrhilfe bzw. zusätzlich die Aufnahme in ein Reintegrationsprojekt beantragen kann:

 

In Österreich stehen für afghanische Staatsangehörige zwei spezielle Reintegrationsprojekte zur Verfügung (ERIN oder RESTART II). Beide Angebote zielen effektiv auf die Wiedereingliederung im Heimatland ab und können erst nach Ankunft im Herkunftsland bezogen werden. Ziel ist es, den Rückkehrer vor allem durch Aus- und Fortbildungsmaßnahmen, sowie Start Ups den Neustart im Heimatland zu erleichtern. Die Sachleistung beträgt bei ERIN 3.000 EUR; in bar erhalten die Personen 500,- EUR; beim IOM-Projekt (RESTART II) besteht die Sachleistung aus 2.800,- EUR und der Barwert aus 500,-

EUR. Je nach Bedarf stellt hier IOM auch Leistungen, wie Family Assessment, temporäre Unterkunft nach der Ankunft und die Weiterreise zum Zielort, zur Verfügung (sämtliche Informationen dazu können auch jederzeit aktuell auf www.voluntaryreturn.at in diversen Sprachen abgerufen werden).

 

Bei einer zwangsweisen Außerlandesbringung stellt Österreich die sogenannte "Post Arrival Assistance" zur Verfügung. Die International Organization for Migration (IOM) führt dieses EU-finanzierte Unterstützungsprogramm im Auftrag der Europäischen Kommission (Directorate General for International Cooperation and Development) aus. Im Detail umfasst die Post-Arrival-Assistance die vorübergehende Unterkunftnahme, Hilfestellung beim weiteren Transport sowie ggf. medizinische und psychosoziale Betreuung. Der Fremde erhält im Rahmen des Kontaktgespräches im Zuge der Abschiebevorbereitung eine Information über die Möglichkeiten der "Post Arrival Assistance" und ein Informationsblatt mit den Kontaktdaten von IOM in Kabul. IOM Afghanistan wird vom BFA über die jeweiligen Ankünfte vorab informiert. Bei nicht vorhandenen Eigenmitteln erhält der zwangsweise Rückzuführende zusätzlich seitens des BFA EUR 50,00 als sogenanntes Zehrgeld zur Sicherung des Fortkommens in den ersten Tagen nach seiner Rückführung. Eine Betragserhöhung ist im Einzelfall möglich.

 

Die Möglichkeit der Inanspruchnahme (einer) dieser Unterstützungen stellt sicher, dass der Beschwerdeführer bei zusätzlichem Bedarf Hilfestellung bekommt.

 

2.12. Die Feststellungen zur Lebenssituation des Beschwerdeführers in Österreich beruhen auf seinen Angaben in der Beschwerdeverhandlung. In dieser Verhandlung präsentierte er auch seine vorhandenen Deutsch-Sprachkenntnisse.

 

Ein entsprechend intensives und damit schützenswertes Privat- bzw. Familienleben in Österreich lässt sich mangels Abhängigkeit sowie Erreichen der notwendigen Intensität, wie im Rahmen der rechtlichen Beurteilung ausführlich dargelegt, nicht ableiten.

 

2.13. Die Länderfeststellungen zu Afghanistan beziehen sich auf das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Stand 29.06.2018 mit weiteren Aktualisierungen, und den darin berücksichtigten Länderberichten angesehener staatlicher und nichtstaatlicher Einrichtungen. Angesichts der Seriosität der Quellen und der Plausibilität ihrer Aussagen besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln, sodass sie den Feststellungen zur Situation in Afghanistan zugrunde gelegt werden konnten.

 

3. Rechtliche Beurteilung:

 

Zu Spruchteil A)

 

3.1. Zur Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides:

 

3.1.1. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht wegen Drittstaatssicherheit oder Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, idF des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974 (Genfer Flüchtlingskonvention - GFK), droht.

 

Als Flüchtling im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK ist anzusehen, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

 

3.1.2. Zentrales Element des Flüchtlingsbegriffes ist nach ständiger Rechtsprechung des VwGH die "wohlbegründete Furcht vor Verfolgung" (vgl. VwGH 22.12.1999, Zl. 99/01/0334; 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131; 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011). Eine solche liegt dann vor, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde (VwGH 09.03.1999, Zl. 98/01/0370; 21.09.2000, Zl. 2000/20/0286).

 

Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende Sphäre des Einzelnen zu verstehen, welcher geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen (VwGH 24.11.1999, Zl. 99/01/0280). Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 19.12.1995, Zl. 94/20/0858; 23.09.1998, Zl. 98/01/0224; 09.03.1999, Zl. 98/01/0318;

09.03.1999, Zl. 98/01/0370; 06.10.1999, Zl. 99/01/0279 mwN;

19.10.2000, Zl. 98/20/0233; 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131;

25.01.2001, Zl. 2001/20/0011).

 

Die Verfolgungsgefahr muss aktuell sein, was bedeutet, dass sie zum Zeitpunkt der Entscheidung vorliegen muss (VwGH 09.03.1999, Zl. 98/01/0318; 19.10.2000, Zl. 98/20/0233). Bereits gesetzte vergangene Verfolgungshandlungen können im Beweisverfahren ein wesentliches Indiz für eine bestehende Verfolgungsgefahr darstellen, wobei hierfür dem Wesen nach eine Prognose zu erstellen ist (VwGH 05.11.1992, Zl. 92/01/0792; 09.03.1999, Zl. 98/01/0318). Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der GFK genannten Gründen haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 nennt, und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatstaates bzw. des Staates ihres vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein, wobei Zurechenbarkeit nicht nur ein Verursachen bedeutet, sondern eine Verantwortlichkeit in Bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr bezeichnet (VwGH 16.06.1994, Zl. 94/19/0183).

 

Von einer mangelnden Schutzfähigkeit des Staates kann nicht bereits dann gesprochen werden, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe seitens Dritter präventiv zu schützen. Es ist erforderlich, dass der Schutz generell infolge Fehlens einer nicht funktionierenden Staatsgewalt nicht gewährleistet wird (vgl. VwGH 01.06.1994, Zl. 94/18/0263; 01.02.1995, Zl. 94/18/0731). Die mangelnde Schutzfähigkeit hat jedoch nicht zur Voraussetzung, dass überhaupt keine Staatsgewalt besteht - diesfalls wäre fraglich, ob von der Existenz eines Staates gesprochen werden kann -, die ihren Bürgern Schutz bietet. Es kommt vielmehr darauf an, ob in dem relevanten Bereich des Schutzes der Staatsangehörigen vor Übergriffen durch Dritte aus den in der GFK genannten Gründen eine ausreichende Machtausübung durch den Staat möglich ist. Mithin kann eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewendet werden kann (VwGH 22.03.2000, Zl. 99/01/0256).

 

Verfolgungsgefahr kann nicht ausschließlich aus individuell gegenüber dem Einzelnen gesetzten Einzelverfolgungsmaßnahmen abgeleitet werden, vielmehr kann sie auch darin begründet sein, dass regelmäßig Maßnahmen zielgerichtet gegen Dritte gesetzt werden, und zwar wegen einer Eigenschaft, die der Betreffende mit diesen Personen teilt, sodass die begründete Annahme besteht, (auch) er könnte unabhängig von individuellen Momenten solchen Maßnahmen ausgesetzt sein (VwGH 09.03.1999, Zl. 98/01/0370; 22.10.2002, Zl. 2000/01/0322).

 

Die Voraussetzungen der GFK sind nur bei jenem Flüchtling gegeben, der im gesamten Staatsgebiet seines Heimatlandes keinen ausreichenden Schutz vor der konkreten Verfolgung findet (VwGH 08.10.1980, VwSlg. 10.255 A). Steht dem Asylwerber die Einreise in Landesteile seines Heimatstaates offen, in denen er frei von Furcht leben kann, und ist ihm dies zumutbar, so bedarf er des asylrechtlichen Schutzes nicht; in diesem Fall liegt eine sog. "inländische Fluchtalternative" vor. Der Begriff "inländische Fluchtalternative" trägt dem Umstand Rechnung, dass sich die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung iSd. Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK, wenn sie die Flüchtlingseigenschaft begründen soll, auf das gesamte Staatsgebiet des Heimatstaates des Asylwerbers beziehen muss (VwGH 08.09.1999, Zl. 98/01/0503 und Zl. 98/01/0648).

 

Grundlegende politische Veränderungen in dem Staat, aus dem der Asylwerber aus wohlbegründeter Furcht vor asylrelevanter Verfolgung geflüchtet zu sein behauptet, können die Annahme begründen, dass der Anlass für die Furcht vor Verfolgung nicht (mehr) länger bestehe. Allerdings reicht eine bloße - möglicherweise vorübergehende - Veränderung der Umstände, die für die Furcht des betreffenden Flüchtlings vor Verfolgung mitbestimmend waren, jedoch keine wesentliche Veränderung der Umstände iSd. Art. 1 Abschnitt C Z 5 GFK mit sich brachten, nicht aus, um diese zum Tragen zu bringen (VwGH 21.01.1999, Zl. 98/20/0399; 03.05.2000, Zl. 99/01/0359).

 

Nach § 11 Abs. 1 AsylG 2005 ist der Antrag auf internationalen Schutz von Asylwerbern, denen in einem Teil ihres Herkunftsstaates vom Staat oder sonstigen Akteuren, die den Herkunftsstaat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, Schutz gewährleistet werden kann und denen der Aufenthalt in diesem Teil des Staatsgebietes zugemutet werden kann, abzuweisen (Innerstaatliche Fluchtalternative). Schutz ist gewährleistet, wenn in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates keine wohlbegründete Furcht nach Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention vorliegen kann und die Voraussetzungen zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8 Abs. 1 AsylG 2005) in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates nicht gegeben sind.

 

3.1.3. Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhalts ergibt sich, dass die behauptete Furcht des Beschwerdeführers, in seinem Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit aus den in der GFK genannten Gründen landesweit verfolgt zu werden, nicht begründet ist.

 

Der Beschwerdeführer vermochte eine ihm - im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan - drohende Verfolgungsgefahr nicht glaubhaft zu machen. Der Beschwerdeführer vermochte nicht darzulegen, dass er bei einer Rückkehr nach Afghanistan überhaupt von einer Verfolgungsgefahr - unabhängig von allfälligen Gründen - betroffen wäre.

 

Die belangte Behörde begründete die Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten im Wesentlichen damit, dass der BF keine Verfolgung seiner Person oder eine wohlbegründete Furcht vor einer Verfolgung im Sinne der GFK glaubhaft vorgebracht hat. Es konnte daher in diesem Fall schon aus diesem Grund nicht zur Gewährung internationalen Schutzes kommen. Mit dieser Beurteilung ist die belangte Behörde aus folgenden Gründen im Recht:

 

3.1.4. Eine konkrete individuelle Verfolgung des Beschwerdeführers in Afghanistan auf Grund seiner Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Hazara, die zu einer asylrelevanten Bedrohungslage geführt hat, konnte von ihm nicht glaubhaft gemacht werden. Auch eine Verfolgung durch Taliban konnte vom Beschwerdeführer nicht glaubhaft dargelegt werden. Dazu wird insbesondere auf das nicht angefochtene Erkenntnis des BVwG vom 15.12.2016, GZ W123 2127670-1/6E, hingewiesen. Die Lage für Hazara hat sich in Afghanistan seit Erlassung dieses Erkenntnisses nicht wesentlich geändert, sodass die Ausführungen zu Hazara in diesem Erkenntnis nach wie vor Gültigkeit besitzen.

 

3.1.5. In Ermangelung von dem Beschwerdeführer individuell drohenden Verfolgungshandlungen bleibt daher im Lichte der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu prüfen, ob der Beschwerdeführer im Herkunftsland auf Grund generalisierender Merkmale - etwa wegen seiner Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Hazara bzw. seines schiitischen Glaubens - unabhängig von individuellen Aspekten einer über die allgemeinen Gefahren eines Bürgerkriegs hinausgehenden "Gruppenverfolgung" ausgesetzt wäre.

 

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist für das Vorliegen einer Gruppenverfolgung zwar nicht entscheidend, dass sich die Verfolgung gezielt gegen Angehörige nur einer bestimmten Gruppe und nicht auch gezielt gegen andere Gruppen richtet (vgl. VwGH 17.12.2015, Ra 2015/20/0048), jedoch ist für das Bundesverwaltungsgericht aus folgenden Gründen nicht ersichtlich, dass der Beschwerdeführer aus ethnischen oder religiösen Gründen als Angehöriger der Volksgruppe der Hazara bzw. seines ehemaligen schiitischen Glaubens im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit befürchten müsste, alleine wegen seiner Zugehörigkeit zu dieser ethnischen Gruppe einer Verfolgung iSd GFK ausgesetzt zu sein:

 

Auf Basis der Länderberichte ist dem Beschwerdevorbringen zunächst darin zu folgen, dass Schiiten, speziell jene, die den ethnischen Hazara angehören, (weiterhin) von Diskriminierung in Form von illegaler Besteuerung, Zwangsrekrutierung, Zwangsarbeit, physischer Gewalt und Inhaftierung betroffen sein können. Festzuhalten ist im Lichte der derzeitigen Sicherheitslage in Afghanistan auch, dass vereinzelte Angriffe, Entführungen oder Tötungen von Zivilpersonen sowie Terroranschläge in Afghanistan grundsätzlich jederzeit und überall möglich sind. Die Gründe für diese Gewalthandlungen sind dabei ebenso vielfältig wie die beteiligten Konfliktgruppen und die jeweiligen Opfer der Taten.

 

Aus den obigen Länderfeststellungen ergeben sich jedoch keine Hinweise auf eine Gruppenverfolgung der schiitischen Hazara, vielmehr hat sich deren Situation in Afghanistan seit dem Ende der Talibanherrschaft nachhaltig und wesentlich verbessert.

 

Die in Afghanistan immer wieder bestehende Diskriminierung der schiitischen Hazara und die beobachtete Zunahme von Übergriffen gegen Hazara erreichen gegenwärtig nicht ein Ausmaß, das die Annahme rechtfertigen würde, dass in Afghanistan lebende schiitische Hazara wegen ihrer Zugehörigkeit zu einer ethnischen und religiösen Minderheit mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine asylrelevante Verfolgung zu befürchten hätten, zumal die Gefährdung dieser Minderheit angesichts der in den Länderberichten dokumentierten allgemeinen Gefährdungslage in Afghanistan, die in vielen Regionen für alle Bevölkerungsgruppen ein erhebliches Gefahrenpotential mit sich bringt, (derzeit) nicht jenes zusätzliche Ausmaß erreicht, welches notwendig wäre, um eine spezifische Gruppenverfolgung der Hazara anzunehmen. Eine Gruppenverfolgung ist auch nicht daraus ableitbar, dass Hazara allenfalls Opfer krimineller Aktivitäten werden oder schwierigen Lebensbedingungen ausgesetzt sind. In zahlreichen Erkenntnissen des BVwG (teilweise auch nach Einholung länderkundlicher Sachverständigengutachten) wurde eine Verfolgung ausschließlich aufgrund der Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Hazara durchgehend verneint (z.B. BVwG 13.12.2017, W138 2141404-1/17E, BVwG 09.02.2018, W187 2159920-1/9E, BVwG 12.02.2018, W114 2174936-1/10E, oder BVwG 19.01.2018, W114 2174402-1/5E). Diese Rechtsauffassung wird auch vom VwGH geteilt (z.B. VwGH 03.04.2019, Ra 2019/18/0032, VwGH 28.03.2019, Ra 2018/14/0428, oder VwGH 28.03.2019, Ra 2018/14/0067)

 

Auch der EGMR sprach in seiner Entscheidung vom 05.07.2016, 29094/09, A.M./Niederlande, aus, dass weder die Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Hazara noch die allgemeine Sicherheitslage in Afghanistan als solche zu einem derart hohen Risiko führen würde, dass bei einer Rückkehr automatisch die Gefahr einer Verletzung von Art. 3 EMRK bestehe (vgl. dort insb. Seiten 26/27, Punkt 86., wonach die Angehörigeneigenschaft zur Minderheit Hazara nicht dazu führt, dass im Fall einer Rückkehr eine unmenschliche Behandlung drohen würde, unbeschadet der schlechten Situation dieser Minderheit:

 

"86. Although this argument has only been raised in the domestic proceedings but not in the present application, the Court has examined the question whether the applicant runs a risk of being subjected to ill-treatment on account of his Hazara origin. On this point, the materials before the Court contain no elements indicating that the applicant's personal position would be any worse than most other persons of Hazara origin who are currently living in Afghanistan. Although the Court accepts that the general situation in Afghanistan for this minority may be far from ideal, it cannot find that it must be regarded as being so harrowing that there would already be a real risk of treatment prohibited by Article 3 in the event that a person of Hazara origin were to be removed to Afghanistan."

 

Aus diesen Gründen ist das Vorliegen einer Gruppenverfolgung im Hinblick auf die Volksgruppe der Hazara in Afghanistan im Ergebnis zu verneinen.

 

3.1.6. Zum behaupteten Nachfluchtgrund eines Glaubenswechsels ist Folgendes auszuführen:

 

In Bezug auf die asylrechtliche Relevanz einer Konversion zum Christentum ist nicht entscheidend, ob diese bereits - durch die Taufe - erfolgte oder bloß beabsichtigt ist (vgl. VwGH 23.06.2015, Ra 2014/01/0210, mwN). Wesentlich ist vielmehr, ob der Fremde bei weiterer Ausübung seines (behaupteten) inneren Entschlusses, nach dem christlichen Glauben zu leben, im Falle seiner Rückkehr in seinen Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit damit rechnen müsste, aus diesem Grund mit der Intensität von Verfolgung erreichenden Sanktionen belegt zu werden. Die bloße Behauptung eines "Interesses am Christentum" reicht zur Geltendmachung einer asylrechtlich relevanten Konversion zum Christentum nicht aus (vgl. dazu VwGH 20.06.2017, Ra 2017/01/0076).

 

Sobald auf Grund äußerer Tatsachen ein Wechsel der Religion aus innerer Überzeugung nicht unwahrscheinlich ist, muss sich das Gericht auf Grund einer ausführlichen Beurteilung der Persönlichkeit und aller Umstände der persönlichen Glaubwürdigkeit sowie darauf aufbauend einer ins Einzelne gehenden Beweiswürdigung und allenfalls der Einvernahme von Personen, die Auskunft über den Glaubenswechsel und die diesem zugrunde liegenden Überzeugungen geben können, einen detaillierten Eindruck darüber verschaffen, inwieweit der Religionswechsel auf einer persönlichen Glaubensentscheidung beruht; dies selbst dann, wenn sich der Asylwerber zunächst auf unwahre Angaben betreffend seinen Fluchtgrund gestützt hat (VwGH 02.09.2015, Ra 2015/19/0091, mit Hinweis auf das Erkenntnis des VfGH 12.12.2013, U 2272/2012).

 

Nach dem Urteil des EuGH vom 05.09.2012 in den verbundenen Rechtssachen C-71/11 und C-9/11 , Bundesrepublik Deutschland gegen Y und Z, ist Artikel 2 Buchstabe c der Richtlinie 2004/83 dahin auszulegen, dass eine begründete Furcht des Antragstellers vor Verfolgung vorliegt, sobald nach Auffassung der zuständigen Behörden im Hinblick auf die persönlichen Umstände des Antragstellers vernünftigerweise anzunehmen ist, dass er nach Rückkehr in sein Herkunftsland religiöse Betätigungen vornehmen wird, die ihn der tatsächlichen Gefahr einer Verfolgung aussetzen. Bei der individuellen Prüfung eines Antrags auf Anerkennung als Flüchtling können die Behörden dem Antragsteller nicht zumuten, auf diese religiösen Betätigungen zu verzichten.

 

Bei der Beurteilung eines behaupteten Religionswechsels und der Prüfung einer Scheinkonversion kommt es auf die aktuell bestehende Glaubensüberzeugung an, die im Rahmen einer Gesamtbetrachtung anhand einer näheren Beurteilung von Zeugenaussagen und einer konkreten Befragung des Asylwerbers zu seinen religiösen Aktivitäten zu ermitteln ist (VwGH 23.06.2015, Ra 2014/01/0117 mwN).

 

Bei der vom erkennenden Gericht angestellten Gesamtbetrachtung gelangte das erkennende Gericht zum Ergebnis, dass der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr in sein Herkunftsland keine religiösen Betätigungen vornehmen würde, die ihn der tatsächlichen Gefahr einer Verfolgung aussetzen würden.

 

Nach seinen eigenen Angaben hat der Beschwerdeführer vor seiner Einreise nach Österreich weitgehend ohne Religionsausübung gelebt. Der Beschwerdeführer vermochte nicht nachvollziehbar glaubhaft machen, dass sich an dieser passiv ausgelebten Religionsausübung etwas ändern würde. Ein intensives Bemühen und ein Streben nach Erfüllung im christlichen Glauben bzw. einen inneren Zwang der Hinwendung an den christlichen Glauben vermag das erkennende Gericht beim Beschwerdeführer auch daraus nicht zu erkennen. Auch eine Missionierungstätigkeit seitens des Beschwerdeführers ist trotz diesbezüglichem Vorbringen auszuschließen. Das erkennende Gericht geht diesbezüglich von einer Schutzbehauptung aus.

 

3.1.7. Auch aus der allgemeinen Lage in Afghanistan lässt sich für den Beschwerdeführer eine Zuerkennung des Status des Asylberechtigten nicht herleiten: Eine allgemeine desolate wirtschaftliche und soziale Situation sowie der vorherrschende Bürgerkrieg stellen nach ständiger Judikatur des VwGH keinen hinreichenden Grund für eine Asylgewährung dar (vgl. etwa VwGH vom 17.06.1993, 92/01/1081; 14.03.1995, 94/20/0798). Wirtschaftliche Benachteiligungen können nur dann asylrelevant sein, wenn sie jegliche Existenzgrundlage entziehen (vgl. etwa VwGH 09.05.1996, 95/20/0161; 30.04.1997, 95/01/0529; 08.09.1999, 98/01/0614). Aber selbst für den Fall des Entzugs der Existenzgrundlage ist eine Asylrelevanz nur dann anzunehmen, wenn dieser Entzug mit einem in der GFK genannten Anknüpfungspunkt - nämlich der Rasse, der Religion, der Nationalität, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung - zusammenhängt, was im vorliegenden Fall zu verneinen ist (dies gilt gleichermaßen für die vom Beschwerdeführer angedeuteten Gefahren, die sich aus der allgemeinen Sicherheitslage in Afghanistan ergeben).

 

Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 war somit als unbegründet abzuweisen.

 

3.2. Zur Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides:

 

3.2.1. Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG ist einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn er in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird, oder dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist, wenn eine Zurückweisung oder Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

 

Gemäß § 8 Abs. 2 AsylG ist die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach § 7 zu verbinden.

 

Gemäß § 8 Abs. 3 AsylG sind Anträge auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative im Sinne des § 11 offen steht.

 

3.2.2. Ist ein Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht schon mangels einer Voraussetzung gemäß Abs. 1 oder aus den Gründen des Abs. 3 oder 6 abzuweisen, so hat gemäß § 8 Abs. 3a AsylG 2005 eine Abweisung auch dann zu erfolgen, wenn ein Aberkennungsgrund gemäß § 9 Abs. 2 AsylG 2005 vorliegt. Diesfalls ist die Abweisung mit der Feststellung zu verbinden, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat unzulässig ist, da dies eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Dies gilt sinngemäß auch für die Feststellung, dass der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuzuerkennen ist.

 

Das Bundesverwaltungsgericht hat somit vorerst zu klären, ob im Falle der Rückführung des Fremden in seinen Herkunftsstaat Art. 2 EMRK (Recht auf Leben), Art. 3 EMRK (Verbot der Folter), das Protokoll Nr. 6 zur EMRK über die Abschaffung der Todesstrafe oder das Protokoll Nr. 13 zur EMRK über die vollständige Abschaffung der Todesstrafe verletzt werden würde. Der Verwaltungsgerichtshof hat in ständiger, noch zum Refoulementschutz nach der vorigen Rechtslage ergangenen, aber weiterhin gültigen Rechtsprechung erkannt, dass der Antragsteller das Bestehen einer solchen Bedrohung glaubhaft zu machen hat, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffende, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerte Angaben darzutun ist (VwGH 23.02.1995, 95/18/0049; 05.04.1995, 95/18/0530; 04.04.1997, 95/18/1127; 26.06.1997, 95/18/1291; 02.08.2000, 98/21/0461). Diese Mitwirkungspflicht des Antragstellers bezieht sich zumindest auf jene Umstände, die in der Sphäre des Asylwerbers gelegen sind und deren Kenntnis sich die Behörde nicht von Amts wegen verschaffen kann (VwGH 30.09.1993, 93/18/0214).

 

Die Anforderungen an die Schutzwilligkeit und Schutzfähigkeit des Staates entsprechen jenen, wie sie bei der Frage des Asyls bestehen (VwGH 08.06.2000, 2000/20/0141). Ereignisse, die bereits längere Zeit zurückliegen, sind daher nicht geeignet, die Feststellung nach dieser Gesetzesstelle zu tragen, wenn nicht besondere Umstände hinzutreten, die ihnen einen aktuellen Stellenwert geben (vgl. VwGH 14.10.1998, 98/01/0122; 25.01.2001, 2001/20/0011).

 

Unter "realer Gefahr" ist eine ausreichend reale, nicht nur auf Spekulationen gegründete Gefahr möglicher Konsequenzen für den Betroffenen ("a sufficiently real risk") im Zielstaat zu verstehen (VwGH 19.02.2004, Zl. 99/20/0573; auch ErläutRV 952 BlgNR 22. GP zu § 8 AsylG 2005). Die reale Gefahr muss sich auf das gesamte Staatsgebiet beziehen und die drohende Maßnahme muss von einer bestimmten Intensität sein und ein Mindestmaß an Schwere erreichen, um in den Anwendungsbereich des Art. 3 EMRK zu gelangen (zB VwGH 26.06.1997, 95/21/0294; 25.01.2001, 2000/20/0438; 30.05.2001, 97/21/0560).

 

Herrscht im Herkunftsstaat eines Asylwerbers eine prekäre allgemeine Sicherheitslage, in der die Bevölkerung durch Akte willkürlicher Gewalt betroffen ist, so liegen stichhaltige Gründe für die Annahme eines realen Risikos bzw. für die ernsthafte Bedrohung von Leben oder Unversehrtheit eines Asylwerbers bei Rückführung in diesen Staat dann vor, wenn diese Gewalt ein solches Ausmaß erreicht hat, dass es nicht bloß möglich, sondern geradezu wahrscheinlich erscheint, dass auch der betreffende Asylwerber tatsächlich Opfer eines solchen Gewaltaktes sein wird. Davon kann in einer Situation allgemeiner Gewalt nur in sehr extremen Fällen ausgegangen werden, wenn schon die bloße Anwesenheit einer Person in der betroffenen Region Derartiges erwarten lässt. Davon abgesehen können nur besondere in der persönlichen Situation der oder des Betroffenen begründete Umstände (Gefährdungsmomente) dazu führen, dass gerade bei ihr oder ihm ein - im Vergleich zur Bevölkerung des Herkunftsstaats im Allgemeinen - höheres Risiko besteht, einer dem Art. 2 oder 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu sein bzw. eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit befürchten zu müssen (vgl. jüngst VwGH 21.02.2017; Ra 2016/18/0137, VwGH 10.08.2017, Ra 2016/20/0369-11 mwN sowie die Rechtsprechung des EGMR und EuGH).

 

Es bedarf einer ganzheitlichen Bewertung der möglichen Gefahren, die sich auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen hat. Die Außerlandesschaffung eines Fremden in den Herkunftsstaat kann auch dann eine Verletzung von Art. 3 EMRK bedeuten, wenn der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet, also die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz (bezogen auf den Einzelfall) nicht gedeckt werden können. Eine solche Situation ist nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen. Die bloße Möglichkeit einer durch die Lebensumstände bedingten Verletzung des Art. 3 EMRK ist nicht ausreichend. Vielmehr ist es zur Begründung einer drohenden Verletzung von Art. 3 EMRK notwendig, detailliert und konkret darzulegen, warum solche exzeptionellen Umstände vorliegen (vgl. VwGH 25.05.2016, Ra 2016/19/0036, mwN; 08.09.2016, Ra 2016/20/006; VwGH 25.04.2017, Ra 2017/01/0016; VwGH 10.08.2017, Ra 2016/20/0369-11). Unter "außergewöhnlichen Umständen" können auch lebensbedrohende Ereignisse (zB Fehlen einer unbedingt erforderlichen medizinischen Behandlung bei unmittelbar lebensbedrohlicher Erkrankung) ein Abschiebungshindernis im Sinne des Art. 3 EMRK in Verbindung mit § 8 Abs. 1 AsylG 2005 bzw. § 50 Abs. 1 FPG bilden, die von den Behörden des Herkunftsstaates nicht zu vertreten sind (EGMR 02.05.1997, D. vs. Vereinigtes Königreich;

vgl. VwGH 21.08.2001, 2000/01/0443; 13.11.2001, 2000/01/0453;

09.07.2002, 2001/01/0164; 16.07.2003, 2003/01/0059).

 

3.2.3. Nach Ansicht des VwGH ist am Maßstab der Entscheidungen des EGMR zu Art. 3 EMRK für die Beantwortung der Frage, ob die Abschiebung eines Fremden eine Verletzung des Art. 3 EMRK darstellt, unter anderem zu klären, welche Auswirkungen physischer und psychischer Art auf den Gesundheitszustand des Fremden als reale Gefahr ("real risk") - die bloße Möglichkeit genügt nicht - damit verbunden wären (VwGH 23.09.2004, 2001/21/0137).

 

In seinen ergangenen Erkenntnissen (VwGH 19.06.2017, Ra 2017/19/0095; VwGH 10.08.2017, Ra 2016/20/0369-11; 20.09.2017, Ra 2017/19/0190-11) hat der VwGH zur spezifischen Situation von Afghanistan erneut auf seine Vorjudikatur und die Rechtsprechung des EGMR in zuvor ergangenen Urteilen hingewiesen, wonach die allgemeine Situation in Afghanistan und die Berichtslage zu Kabul nicht so gelagert ist, dass die Ausweisung dorthin automatisch gegen Art. 3 EMRK verstößt.

 

Ebenso sprach der VwGH im zitierten Erkenntnis (19.06.2017, 2017/19/0095) aus, dass nicht verkannt werde, dass die Lage in Afghanistan sowohl hinsichtlich der Sicherheitslage in einzelnen Landesteilen als auch der wirtschaftlichen Situation angespannt sei. Davon zu unterscheiden ist nach der Judikatur des VwGH aber das Prüfungskalkül des Art. 3 EMRK, das für die Annahme einer solchen Menschenrechtsverletzung das Vorhandensein einer die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz bedrohenden Lebenssituation unter exzeptionellen Umständen fordert (19.06.2017, Ra 2017/19/0095 sowie 20.09.2017, Ra 2017/19/0190-11). Eine schwierige Lebenssituation für den Asylwerber im Fall seiner Rückführung in den Herkunftsstaat, vor allem in wirtschaftlicher Hinsicht, primär gestützt auf mangelnde tragfähige Beziehungen und/oder fehlende Ortskenntnisse in Großstädten, oder eine schwierige Situation bei der Wohnraum- oder Arbeitsplatzsuche, reicht nach der Judikatur des VwGH explizit nicht aus, um die Voraussetzungen zur Erlangung von subsidiärem Schutz glaubhaft zu machen (VwGH 25.04.2017, Ra 2017/01/0016; 19.06.2017, Ra 2017/19/0095; VwGH 10.08.2017, Ra 2016/20/0369-11; sowie 20.09.2017, Ra 2017/19/0190-11).

 

3.2.4. Der EGMR hat diese Rechtsprechung in ergangenen Urteilen im Hinblick auf die aktuelle Lage in Afghanistan ausdrücklich bestätigt (vgl. die Urteile jeweils vom 12.01.2016, jeweils gegen Niederlande:

S.D.M., Nr. 8161/07; A.G.R., Nr. 13442/08; A.W.Q. und D.H., Nr. 25077/06; S.S., Nr. 39575/06; M.R.A. ua., Nr. 46856/07).

 

3.2.5. Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Beschluss vom 23.02.2016, Ra 2015/01/0134, ausgeführt hat, reicht es für die Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf Afghanistan nicht aus, bloß auf die allgemeine schlechte Sicherheits- und Versorgungslage zu verweisen. Hinsichtlich der Sicherheitslage geht der Verwaltungsgerichtshof von einer kleinräumigen Betrachtungsweise aus, wobei er trotz der weiterhin als instabil bezeichneten Sicherheitslage eine Rückkehr nach Afghanistan, insbesondere nach Herat, im Hinblick auf die regional und sogar innerhalb der Provinzen von Distrikt zu Distrikt unterschiedliche Sicherheitslage als nicht grundsätzlich ausgeschlossen betrachtet (VwGH 23.02.2016, Ra 2015/01/0134; 25.05.2016, Ra 2016/19/0036; 08.08.2017, Ra 2017/19/0118-5; VwGH 10.08.2017, Ra 2016/20/0369-11).

 

3.2.6. Für die zur Prüfung der Notwendigkeit subsidiären Schutzes erforderliche Gefahrenprognose ist bei einem nicht landesweiten bewaffneten Konflikt auf den tatsächlichen Zielort des Beschwerdeführers bei einer Rückkehr abzustellen. Kommt die Herkunftsregion des Beschwerdeführers als Zielort wegen der ihm dort drohenden Gefahr nicht in Betracht, kann er nur unter Berücksichtigung der dortigen allgemeinen Gegebenheiten und seiner persönlichen Umstände auf eine andere Region des Landes verwiesen werden (VfGH 12.03.2013; U1674/12; 12.06.2013, U2087/2012; 13.09.2013, U370/2012).

 

Neben der Sicherheitslage im Herkunftsland können das Vorhandensein einer Unterkunft und die Möglichkeit der Versorgung im Zielstaat unter dem Gesichtspunkt des Art. 3 EMRK relevant sein. Dies insbesondere dann, wenn es sich um Antragsteller handelt, bei denen individuelle Gründe bestehen, die die Annahme einer besonderen Schutzbedürftigkeit rechtfertigen, wie z.B. Personen mit Erkrankungen, Familien mit Kleinkindern oder schwangeren Frauen (VfGH 14.12.2011, U2495/2010 mit Verweis auf VfGH 07.10.2010, U694/2010).

 

Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 vorliegend nicht gegeben sind.

 

Es kann im konkreten Fall davon ausgegangen werden, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr in den Herkunftsstaat nicht in eine derart ausweglose Lage geraten würde, die ihm jegliche Existenzgrundlage entzieht. Die Sicherheitslage in der Stadt Herat ist - wie den obigen Länderfeststellungen zu entnehmen ist - so, dass dort für den BF eine Ansiedelung möglich ist.

 

Laut den oben zitierten Richtlinien des UNHCR müssen auch die schlechten Lebensbedingungen sowie die prekäre Menschenrechtslage von intern vertriebenen afghanischen Staatsangehörigen bei der Prüfung der Zumutbarkeit berücksichtigt werden, wobei angesichts des Zusammenbruchs des traditionellen sozialen Gefüges der Gesellschaft auf Grund jahrzehntelang währender Kriege, massiver Flüchtlingsströme und interner Vertreibung hierfür jeweils eine Einzelfallprüfung notwendig ist (zur Indizwirkung von UNHCR-Richtlinien vgl. u.a. VwGH 10.12.2014, Ra 2014/18/0103).

 

Für die Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan reicht es nämlich nicht aus, sich bloß auf eine allgemein schlechte Sicherheits- und Versorgungslage in Afghanistan zu berufen, sondern es müssen vom Betroffenen auch individuelle Umstände glaubhaft gemacht werden, die im Fall der Rückkehr nach Afghanistan eine reale Gefahr der Verletzung von Art. 3 EMRK für maßgeblich wahrscheinlich erscheinen lassen. Solche Umstände vermochte der Beschwerdeführer im Verfahren jedoch nicht darzulegen:

 

Wie festgestellt handelt es sich beim Beschwerdeführer um einen ledigen leistungsfähigen Mann im berufsfähigen Alter, der in der Vergangenheit bereits nachdrücklich unter Beweis gestellt hat, dass er imstande ist, für seinen Lebensunterhalt zu sorgen. Selbst im Falle allfälliger (anfänglicher) wirtschaftlicher Schwierigkeiten kann ihm eine Niederlassung in Herat zweifelsfrei zugemutet werden (vgl. VwGH 08.01.2018, Ra 2017/01/0432, VwGH 12.01.2018, Ra 2018/20/0003, VwGH 23.01.2018, Ra 2017/18/0377, VwGH 30.01.2018, Ra 2017/20/0406). Er ist mit den kulturellen Gepflogenheiten seines Herkunftsstaates vertraut und stammt zudem aus einem Kulturkreis in dem das familiäre Netzwerk und das sich daraus ableitende Solidarsystem besonders stark ausgeprägt sind.

 

Außerdem kann der Beschwerdeführer durch die Inanspruchnahme von Rückkehrhilfe zumindest übergangsweise in Herat ein Auslangen finden. Aus den herkunftslandbezogenen Feststellungen ergibt sich, dass die Grundversorgung der afghanischen Bevölkerung zumindest grundlegend gesichert ist. In diesem Zusammenhang kommt hinzu, dass der Beschwerdeführer zu keinem Personenkreis gehört, von dem anzunehmen ist, dass er sich in Bezug auf die individuelle Versorgungslage qualifiziert schutzbedürftiger darstellt als die übrige Bevölkerung, die ebenfalls für ihre Existenzsicherung aufkommen kann.

 

Aus diesem Grund ist auch nicht zu befürchten, dass er bereits unmittelbar nach seiner Rückkehr und noch bevor er in der Lage wäre, selbst für seinen Unterhalt zu sorgen, in eine existenzbedrohende bzw. wirtschaftlich ausweglose Lage geraten könnte. Dem Beschwerdeführer ist es aufgrund der dargelegten Umstände daher möglich, sich in Herat eine Existenz aufzubauen und diese zu sichern sowie eine (einfache) Unterkunft zu finden. Dafür, dass der Beschwerdeführer in Ansehung existentieller Grundbedürfnisse (z.B. Nahrung, Unterkunft) einer lebensbedrohenden Situation ausgesetzt wäre, gibt es keine hinreichenden Anhaltspunkte. Der Beschwerdeführer hat auch nicht mit geeigneten Beweisen gewichtige Gründe für die Annahme eines Risikos dargelegt, dass gerade ihm im Falle einer Rückführungsmaßnahme eine Art 3 EMRK widersprechende Behandlung drohen würde (VwGH 19.06.2017, Ra 2017/19/0095).

 

In einer Gesamtschau der Angaben des Beschwerdeführers und unter Berücksichtigung der zur aktuellen Lage in Afghanistan herangezogenen Erkenntnisquellen und angesichts des Umstandes, dass es sich beim BF um einen jungen Erwachsenen handelt, haben sich daher keine konkreten Anhaltspunkte dahingehend ergeben, wonach die unmittelbar nach erfolgter Rückkehr allenfalls drohenden Gefahren nach Art, Ausmaß und Intensität von einem solchen Gewicht wären, dass sich daraus bei objektiver Gesamtbetrachtung für den Beschwerdeführer mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit das reale Risiko einer derart extremen Gefahrenlage ergeben würde, die im Lichte der oben angeführten Rechtsprechung einen außergewöhnlichen Umstand im Sinne des Art. 3 EMRK darstellen und somit einer Rückführung nach Afghanistan entgegenstehen würde. Die bloße Möglichkeit einer allenfalls drohenden extremen (allgemeinen) Gefahrenlage in Afghanistan reicht nicht aus, sondern es müssen vielmehr konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade der Betroffene einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde (VwGH 27.02.2001, 98/21/0427; 20.06.2002, 2002/18/0028; konkret zu Afghanistan: z.B. Urteil des deutschen Bundesverwaltungsgerichts vom 29.06.2010, BVerwG 10 C 10.09; weiters EGMR 20.07.2010, N. gg. Schweden, 23505/09, Rz 52ff; 13.10.2011, Husseini gg. Schweden, 10611/09, Rz 84; 20.12.2011, J.H. gg. Vereinigtes Königreich, 48839/09, Rz 55).

 

Durch eine Rückführung in den Herkunftsstaat würde der Beschwerdeführer somit nicht in Rechten nach Art. 2 und 3 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (Europäische Menschenrechtskonvention - EMRK), BGBl. Nr. 210/1958 idgF, oder ihren relevanten Zusatzprotokollen Nr. 6 über die Abschaffung der Todesstrafe, BGBl. Nr. 138/1985 idgF, und Nr. 13 über die vollständige Abschaffung der Todesstrafe, BGBl. III Nr. 22/2005 idgF, verletzt werden. Weder droht im Herkunftsstaat durch direkte Einwirkung noch durch Folgen einer substanziell schlechten oder nicht vorhandenen Infrastruktur ein reales Risiko einer Verletzung der oben genannten von der EMRK gewährleisteten Rechte. Dasselbe gilt für die reale Gefahr, der Todesstrafe unterworfen zu werden. Auch Anhaltspunkte dahingehend, dass eine Rückführung in den Herkunftsstaat für den Beschwerdeführer als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde, sind nicht hervorgekommen.

 

Im vorliegenden Fall haben sich die Angaben des Beschwerdeführers weitgehend auf allgemeine Ausführungen zur Sicherheitslage in Afghanistan und die konfliktbedingten Risiken, die sich auf die sozio-ökonomische Lage auswirken, beschränkt. Ein Vorbringen, wonach in der Person des Beschwerdeführers gelegene, konkret exzeptionelle Umstände im Hinblick auf eine drohende Verletzung von Art. 3 EMRK durch seine Rückführung in seinen Herkunftsstaat begründet würden, hat der Beschwerdeführer nicht erstattet.

 

In seinem Erkenntnis vom 25.04.2017, Ra 2017/01/0016-5 wies der Verwaltungsgerichtshof in Anknüpfung an seine bisherige Judikatur unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des EGMR darauf hin, dass es grundsätzlich der abschiebungsgefährdeten Person obliegt, mit geeigneten Beweisen gewichtige Gründe für die Annahme eines Risikos nachzuweisen, dass ihr im Falle der Durchführung einer Rückführungsmaßnahmen eine dem Art. 3 EMRK widersprechende Behandlung drohen würde. Der Verwaltungsgerichtshof betont in diesem Zusammenhang nochmals, dass es für den Antragsteller nicht ausreiche, sich bloß auf eine allgemein schlechte Sicherheits- und Versorgungslage in Afghanistan zu berufen (vgl. dazu VwGH 25.04.2017, Ra 2016/01/0307 mwN).

 

Das Vorbringen des Beschwerdeführers war daher insgesamt nicht geeignet, ein reales Risiko im Sinne einer potenzierten Gefahrenlage, dessen Eintritt mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit erwartet werden muss, zu begründen. Ausgehend von den getroffenen Feststellungen im Hinblick auf die vom Beschwerdeführer nicht glaubhaft nachgewiesene Bedrohungssituation, kann vom Bestehen einer realen Gefahr im Sinn des § 8 Abs. 1 AsylG 2005 nicht ausgegangen werden.

 

Ausgehend davon, ist mit Blick auf die persönliche Situation des Beschwerdeführers nicht zu erkennen, dass er im Fall seiner Abschiebung - bezogen auf das gesamte Staatsgebiet - in eine ausweglose Lebenssituation geraten und real Gefahr laufen würde, eine Verletzung seiner durch Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der durch die Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention geschützten Rechte zu erleiden (VwGH 08.09.2016, Ra 2016/20/0063; VwGH 10.08.2017, Ra 2016/20/0369).

 

Daher war die Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 als unbegründet abzuweisen.

 

3.3. Zur Beschwerde gegen die Spruchpunkte III. und IV. des angefochtenen Bescheides:

 

3.3.1. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des Fremdenpolizeigesetzes (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idF BGBl. I Nr. 84/2017, zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt wird sowie kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 AsylG 2005 vorliegt.

 

3.3.2. Gemäß § 57 Abs. 1 AsylG 2005 ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zu erteilen:

 

1. wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Abs. 1a FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht,

 

2. zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder

 

3. wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.

 

Der Beschwerdeführer befindet sich erst seit März 2015 im Bundesgebiet. Der Aufenthalt des Beschwerdeführers im österreichischen Bundesgebiet ist nicht geduldet. Er ist nicht Zeuge oder Opfer von strafbaren Handlungen und auch kein Opfer von Gewalt. Die Voraussetzungen für die amtswegige Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 liegen daher nicht vor, wobei dies weder im Verfahren noch in der Beschwerde auch nur behauptet wurde.

 

3.3.3. Gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen unter einem (§ 10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.

 

Der BF ist als Staatsangehöriger von Afghanistan kein begünstigter Drittstaatsangehöriger und es kommt ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zu, da mit der erfolgten Abweisung seines Antrags auf internationalen Schutz das Aufenthaltsrecht nach § 13 AsylG 2005 mit der Erlassung dieser Entscheidung endet.

 

3.3.4. § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG lautet:

 

"(1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

 

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

 

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

 

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

 

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

 

4. der Grad der Integration,

 

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

 

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

 

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

 

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

 

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

 

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre."

 

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist bei der Beurteilung, ob im Fall der Erlassung einer Rückkehrentscheidung in das durch Art. 8 EMRK geschützte Privat- und Familienleben des oder der Fremden eingegriffen wird, eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen in Form einer Gesamtbetrachtung vorzunehmen, die auf alle Umstände des Einzelfalls Bedacht nimmt. Maßgeblich sind dabei etwa die Aufenthaltsdauer, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens und dessen Intensität sowie die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, weiter der Grad der Integration des Fremden, der sich in intensiven Bindungen zu Verwandten und Freunden, der Selbsterhaltungsfähigkeit, der Schulausbildung, der Berufsausbildung, der Teilnahme am sozialen Leben, der Beschäftigung und ähnlichen Umständen manifestiert sowie die Bindungen zum Heimatstaat (vgl. VwGH 15.12.2015, Ra 2015/18/0265, mwN, sowie zuletzt den Beschluss vom 07.09.2016, Ra 2016/19/0168).

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat allerdings auch bereits wiederholt zum Ausdruck gebracht, dass einer Aufenthaltsdauer von weniger als fünf Jahren für sich betrachtet noch keine maßgebliche Bedeutung für die durchzuführende Interessenabwägung zukommt (s. etwa die Erkenntnisse vom 30.07.2015, Ra 2014/22/0055 bis 0058, vom 21.01.2016, Ra 2015/22/0119, und in diesem Sinn auch jenes vom 15.12.2015, Ra 2015/19/0247 mwN sowie den Beschluss vom 15.03.2016, Ra 2016/19/0031).

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat weiter ausgeführt, dass das persönliche Interesse des Fremden an einem weiteren Verbleib in Österreich grundsätzlich mit der Dauer des bisherigen Aufenthalts des Fremden zunimmt. Die bloße Aufenthaltsdauer ist freilich nicht allein maßgeblich, sondern es ist anhand der jeweiligen Umstände des Einzelfalles vor allem zu prüfen, inwieweit der Fremde die in Österreich verbrachte Zeit dazu genützt hat, sich sozial und beruflich zu integrieren. Bei der Einschätzung des persönlichen Interesses ist auch auf die Auswirkungen, die eine Ausweisung auf die familiären oder sonstigen Bindungen des Fremden hätte, Bedacht zu nehmen (vgl. VwGH 22.09.2011, 2007/18/0864 bis 0865 mwN). Im Falle einer bloß auf die Stellung eines Asylantrags gestützten Aufenthalts wurde in der Entscheidung des EGMR (N. gegen United Kingdom vom 27.05.2008, Nr. 26565/05) auch ein Aufenthalt in der Dauer von zehn Jahren nicht als allfälliger Hinderungsgrund gegen eine Ausweisung unter dem Aspekt einer Verletzung von Art. 8 EMRK thematisiert.

 

3.3.5. Der Begriff des "Familienlebens" in Art. 8 EMRK umfasst nicht nur die Kernfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern und Ehegatten, sondern auch entferntere verwandtschaftliche Beziehungen, sofern diese Beziehungen eine gewisse Intensität aufweisen, etwa ein gemeinsamer Haushalt vorliegt (vgl. dazu EKMR 19.7.1968, Nr. 3110/67, Yb 11, 494 (518); EKMR 28.2.1979, Nr. 7912/77, EuGRZ 1981/118; Frowein - Peukert, Europäische Menschenrechtskonvention, EMRK-Kommentar, 2. Auflage (1996) Rz 16 zu Art. 8; Baumgartner, Welche Formen des Zusammenlebens schützt die Verfassung? ÖJZ 1998, 761; vgl. auch Rosenmayer, Aufenthaltsverbot, Schubhaft und Abschiebung, ZfV 1988, 1).

 

In Österreich befindet sich keine Bezugsperson. Darüber hinaus befindet sich zumindest seine Kernfamilie nicht in Österreich, sondern im Iran. Vom Vorliegen eines Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK in Österreich ist daher nicht auszugehen.

 

3.3.6. Der BF hält sich im vorliegenden Fall erst seit seiner Antragstellung im März 2015 und somit etwas mehr als vier Jahre im Bundesgebiet auf, wo er nie über ein Aufenthaltsrecht außerhalb des bloß vorübergehenden Aufenthaltsrechts in seinem Asylverfahren verfügt hat. Der BF ist illegal nach Österreich eingereist und stellte in weiterer Folge seinen Antrag auf internationalen Schutz, der sich als unberechtigt erwies. Der BF hat zwar in Österreich Integrationsbestrebungen an den Tag gelegt.

 

3.3.7. Die Dauer des Verfahrens überstieg zudem nicht das Maß dessen, was für ein rechtsstaatlich geordnetes, den verfassungsrechtlichen Vorgaben an Sachverhalts-ermittlungen und Rechtschutzmöglichkeiten entsprechendes Asylverfahren angemessen ist. Es liegt somit kein Fall vor, in dem die öffentlichen Interessen an der Einhaltung der einreise- und fremdenrechtlichen Vorschriften sowie der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung angesichts der langen Verfahrensdauer oder der langjährigen Duldung des Aufenthaltes im Inland nicht mehr hinreichendes Gewicht haben, die Rückkehrentscheidung als "in einer demokratischen Gesellschaft notwendig" erscheinen zu lassen (vgl. VfSlg. 19.752/2013; EGMR 04.12.2012, Butt gegen Norwegen, Appl. 47.017/09, 85 f.). Daran vermag auch der Umstand nichts zu ändern, dass der BF in Österreich nicht straffällig geworden ist.

 

Das Interesse des BF an der Aufrechterhaltung privater Kontakte in Österreich ist noch zusätzlich dadurch geschwächt, dass er sich bei seinem Aufenthalt im Bundesgebiet stets seines unsicheren bzw. unrechtmäßigen Aufenthaltsstatus bewusst sein musste: Er durfte sich hier bisher nur auf Grund seines Antrages auf internationalen Schutz aufhalten, der als unbegründet abzuweisen war (vgl. zB. VwGH 20.02.2004, 2003/18/0347; 26.02.2004, 2004/21/0027; 27.04.2004, 2000/18/0257; vgl. auch EGMR 08.04.2008, Appl. 21.878/06, Nnyanzi gegen Vereinigtes Königreich, wonach ein vom Fremden in einem Zeitraum, in dem er sich bloß auf Grund eines Asylantrages im Aufnahmestaat aufhalten darf, begründetes Privatleben per se nicht geeignet ist, die Unverhältnismäßigkeit des Eingriffes zu begründen). Auch der Verfassungsgerichtshof misst in ständiger Rechtsprechung dem Umstand im Rahmen der Interessenabwägung nach Art. 8 Abs. 2 EMRK wesentliche Bedeutung bei, ob die Aufenthaltsverfestigung des Asylwerbers überwiegend auf vorläufiger Basis erfolgte, weil der Asylwerber über keine, über den Status eines Asylwerbers hinausgehende Aufenthaltsberechtigung verfügt hat; in diesem Fall muss sich der Asylwerber bei allen Integrationsschritten im Aufenthaltsstaat seines unsicheren Aufenthaltsstatus und damit auch der Vorläufigkeit seiner Integrationsschritte bewusst sein (VfSlg. 18.224/2007, 18.382/2008, 19.086/2010, 19.752/2013).

 

Schließlich ist festzuhalten, dass es dem BF bei Erfüllung der allgemeinen aufenthaltsrechtlichen Regelungen des FPG bzw. NAG auch nicht verwehrt ist, wieder in das Bundesgebiet zurückzukehren (so auch VfSlg. 19.086/2010 unter Hinweis auf Chvosta, Die Ausweisung von Asylwerbern und Art. 8 MRK, ÖJZ 2007, 861).

 

Den privaten Interessen des BF an einem weiteren Aufenthalt in Österreich stehen die öffentlichen Interessen an einem geordneten Fremdenwesen gegenüber. Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes kommt den Normen, die die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regeln, aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zu (zB VwGH 16.01.2001, 2000/18/0251).

 

Die öffentlichen Interessen an der Aufenthaltsbeendigung, die sich insbesondere im Interesse an der Einhaltung fremdenrechtlicher Vorschriften sowie darin manifestieren, dass das Asylrecht (und die mit der Einbringung eines Asylantrages verbundene vorläufige Aufenthaltsberechtigung) nicht zur Umgehung der allgemeinen Regelungen eines geordneten Zuwanderungswesens dienen darf, wiegen im vorliegenden Fall nach den oben dargelegten Erwägungen jedenfalls schwerer als die Interessen des BF am Verbleib in Österreich.

 

3.3.8. Nach Maßgabe einer Interessensabwägung iSd § 9 BFA-VG ist die belangte Behörde somit zu Recht davon ausgegangen, dass das öffentliche Interesse an der Beendigung des unrechtmäßigen Aufenthaltes des BF im Bundesgebiet sein persönliches Interesse am Verbleib im Bundesgebiet überwiegt und daher durch die angeordnete Rückkehrentscheidung eine Verletzung des Art. 8 EMRK nicht vorliegt. Auch sonst sind keine Anhaltspunkte hervorgekommen, wonach im gegenständlichen Fall eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig wäre.

 

3.3.9. Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG stellt sohin keine Verletzung des Rechts des BF auf Privat- und Familienleben gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG iVm Art. 8 EMRK dar. Die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005 ist daher nicht geboten.

 

Die Voraussetzungen des § 10 AsylG 2005 liegen vor: Da der Antrag des BF auf internationalen Schutz abgewiesen wurde, ist die Rückkehrentscheidung gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 leg. cit. zu erlassen. Es ist auch - wie bereits ausgeführt - kein Aufenthaltstitel nach § 57 leg. cit. von Amts wegen zu erteilen.

 

3.3.10. § 52 Abs. 2 Z 2 FPG setzt weiters voraus, dass kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 AsylG 2005 vorliegt und dem BF kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Zusammenhang gegeben.

 

3.3.11. Mit der Erlassung der Rückkehrentscheidung ist gemäß § 52 Abs. 9 FPG gleichzeitig festzustellen, ob die Abschiebung gemäß § 46 leg. cit. in einen bestimmten Staat zulässig ist.

 

Die Abschiebung in einen Staat ist gemäß § 50 Abs. 1 FPG unzulässig, wenn dadurch Art. 2 oder 3 EMRK oder das 6. oder 13. ZPEMRK verletzt würden oder für den Betroffenen als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes verbunden wäre. Dies entspricht dem Tatbestand des § 8 Abs. 1 AsylG 2005. Das Vorliegen eines dementsprechenden Sachverhaltes wird mit der vorliegenden Entscheidung verneint.

 

3.3.12. Die Abschiebung ist schließlich nach § 50 Abs. 3 FPG unzulässig, solange ihr die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht. Eine derartige Empfehlung besteht für Afghanistan nicht.

 

Gemäß § 55 Abs. 1 FPG wird mit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 leg. cit. zugleich eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt. Gemäß § 55 Abs. 2 leg. cit. beträgt diese Frist 14 Tage ab Rechtskraft des Bescheides, wenn nicht im Rahmen einer (vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl vorzunehmenden) Abwägung festgestellt worden ist, dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hat, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen. Gemäß § 55 Abs. 3 leg. cit. kann, wenn besondere Umstände überwiegen, die Frist für die freiwillige Ausreise einmalig mit einem längeren Zeitraum als den 14 Tagen festgesetzt werden; die besonderen Umstände hat der Drittstaatsangehörige nachzuweisen, zugleich hat er einen Termin für seine Ausreise bekanntzugeben.

 

Da derartige besondere Umstände vom BF nicht behauptet und auch im Ermittlungsverfahren nicht hervorgekommen sind, ist die Frist zu Recht mit zwei Wochen festgelegt worden.

 

Zu Spruchteil B)

 

Zur Unzulässigkeit der Revision:

 

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

 

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen Rechtsprechung. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Insoweit die in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu früheren Rechtslagen ergangen ist, ist diese nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

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