AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs1a
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs1a
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3
European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2015:W159.1415651.2.00
Spruch:
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Clemens KUZMINSKI als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX, StA Russische Föderation, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 20.05.2014, Zl. 13-502322805-14077984, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 03.03.2015 zu Recht erkannt:
A)
I. Die Beschwerde wird hinsichtlich der Spruchpunkte I. und II. des angefochtenen Bescheides gemäß §§ 3 Abs. 1 und 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 idgF als unbegründet abgewiesen.
II. Die Beschwerde gegen Spruchpunkte III. wird mit der Maßgabe abgewiesen, dass dieser wie folgt zu lauten hat:
Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wird Ihnen gemäß §§ 57 und 55 AsylG nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012 (BFA-VG) idgF, wird gegen Sie eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. Nr. 100/2005 (FPG) idgF, erlassen. Es wird gemäß § 52 Absatz 9 FPG festgestellt, dass Ihre Abschiebung gemäß § 46 FPG in die Russische Föderation zulässig ist.
Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wird die Frist für Ihre freiwillige Ausreise ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung mit 30.09.2015 festgelegt.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Verfahren:
Der Beschwerdeführer, ein Staatsbürger der Russischen Föderation und Angehöriger der tschetschenischen Volksgruppe, gelangte gemeinsam mit seiner Frau XXXXXXXX XXXX geb. und seiner ältesten Tochter XXXX geb., am 18.10.2009 unter Umgehung der Grenzkontrolle nach Österreich und stellten noch am gleichen Tag einen Antrag auf internationalen Schutz im Familienverfahren iSd. § 34 AsylG 2005.
Bei der ersten Einvernahme vor der Polizeiinspektion XXXX am 19.10.2009 gab der Beschwerdeführer zu seinem Fluchtgrund befragt an, dass am 01.09.2009 Freiheitskämpfer in sein Haus gekommen seien, Lebensmittel geplündert und Kleidungsstücke mitgenommen hätten. Am selben Tag und drei weitere Tage später seien Regierungstruppen gekommen und hätten dem Beschwerdeführer Fotos gezeigt, weil sie vermutet hätten, dass sich Freiheitskämpfer bei ihm aufhalten würden. Sie hätten den Beschwerdeführer und seine Familie geschlagen und dem Beschwerdeführer und seiner Familie mit dem Umbringen gedroht, wenn sie ihnen den Aufenthaltsort "der Leute" nicht sagen würden. Die Ehefrau habe den Regierungstruppen versprochen sich zu erkundigen und ihnen Informationen über den Aufenthaltsort der Freiheitskämpfer zu liefern. Weil die Ehefrau dies versprochen habe, seien sie in Ruhe gelassen worden und hätten fliehen können. Bis zu ihrer Ausreise hätten sich der Beschwerdeführer und seine Familie bei der Schwester seiner Ehefrau versteckt gehalten. Befragt, was er im Falle einer Rückkehr befürchte, gab der Beschwerdeführer an, dass er nicht zurückkehren werde. Zwei seiner Brüder seien von Russen getötet worden und werde vermutlich auch er selbst getötet.
Am XXXX wurde die Tochter XXXX in Österreich geboren und wurde für diese am 11.03.2010 ein Antrag auf internationalen Schutz im Familienverfahren gestellt.
Am 29.03.2010 erfolgte eine ausgiebige Einvernahme des Beschwerdeführers durch das Bundesasylamt. Er bejahte auf Nachfrage, sich psychisch und physisch in der Lage zu fühlen, die Einvernahme durchzuführen.
Auf Nachfrage erklärte der Beschwerdeführer, in seinen bisherigen Einvernahmen die Wahrheit gesagt zu haben.
Zu seinem Reiseweg befragt, meinte er, seine Heimat illegal verlassen zu haben. Er legte seinen Inlandspass vor. Er habe auch einen Auslandsreisepass und einen Führerschein besessen. Diese Dokumente habe er dem Schlepper übergeben und nicht zurückerhalten. Der Beschwerdeführer habe im Herkunftsstaat eine Landwirtschaft besessen. Für die Ausreise habe er einen Teil davon verkauft. Im Übrigen habe eine Schwägerin finanzielle Unterstützung für die Ausreise geleistet.
Er habe im Herkunftsstaat als Landwirt Kühe und Stiere gezüchtet. Er habe Fleisch verkauft und Geflügel für den eigenen Gebrauch genutzt. Sein Haus sei während dem Krieg zerstört worden. Er habe ein neues Haus gebaut, das unverändert existiere und sich im Besitz des Beschwerdeführers befinde, da er es nicht verkauft habe. In diesem Haus wohne derzeit seine Mutter.
Der Beschwerdeführer erklärte schließlich, dass er sich im Jahr 2002 einen Auslandsreisepass ausstellen habe lassen, der im Jahr 2008 abgelaufen sei.
Zum Reiseweg befragt, gab er an, mit seiner Frau und seiner minderjährigen Tochter über Grosny mit einem PKW aus dem Herkunftsstaat ausgereist zu sein. Sie seien ca. zwei Tage mit diesem PKW gefahren. An einem ihm unbekannten Ort seien sie in der Früh des dritten Tages in einen anderen PKW gestiegen und zwei bis drei Stunden weitergefahren, um wieder in einen anderen PKW umzusteigen. Mit diesem hätten sie eine Grenzkontrollstelle passiert, jedoch wisse er nicht, wo dies gewesen sei. Mit diesem PKW seien sie bis nach Österreich gefahren.
Auf Aufforderung seinen Ausreisegrund zu schildern, gab der Beschwerdeführer an, dass sich sein Haus nicht weit vom Wald entfernt befunden habe. Einmal, es sei am Abend gewesen, seien fünf bis sechs oder sieben Rebellen zu ihm nach Hause gekommen und hätten etwas zu Essen haben wollen. Seine Ehefrau und seine Mutter hätten diesen etwas zu Essen gegeben. Vom Beschwerdeführer hätten sie ein Handy und eine Jacke bekommen. Als er am nächsten Tag - am 01.09.2009 - die Stiere versorgt habe, seien Militärangehörige mit zwei Bussen gekommen. Es habe sich um Russen und Kadyrov-Leute gehandelt. Einige Personen seien maskiert gewesen. Wahrscheinlich sei er von jemandem angezeigt oder aber verraten worden, dass er am Tag davor die Widerstandskämpfer versorgt habe. Er sei von den Personen angegriffen und auf den Boden gedrückt worden. Ihm sei eine Maschinenpistole angehalten worden und habe er erzählen müssen, wohin die Widerstandskämpfer gegangen seien. Außerdem habe er angeben sollen, wie viele Personen es gewesen seien. Er habe gesagt, dass er die Personen nicht gekannt habe und nicht wisse, wohin diese gegangen seien. Er sei auch gefragt worden, ob sich unter den Widerstandkämpfern seine Brüder XXXX und XXXX befunden hätten. Diese würden sich jedoch schon in Europa aufhalten. Sie hätten den Beschwerdeführer mit dem Bus mitnehmen worden. Jedoch seien Personen aus der Nachbarschaft gekommen und habe auch seine Mutter sehr laut geschrien. Es sei auch der Iman aus dem Dorf gekommen. Alle hätten sich für den Beschwerdeführer eingesetzt. Die Personen, welche ihm geholfen hätten, hätten gesagt, dass sie sich erkundigen würden, wer die Widerstandskämpfer gewesen seien. Deshalb hätten sich die Militärpersonen beruhigt. Er habe jedoch gewusst, dass die Personen am Abend wiederkommen würden. Er sei durch den Garten, mit Hilfe eines Nachbarn, nach XXXX geflüchtet.
Er führte noch aus, dass es bekannt sei, dass diese Personen unschuldige Menschen mitnehmen und verschwinden lassen würden. Dies sei der Grund für das Verlassen der Russischen Föderation gewesen. Einen weiteren Vorfall habe es nicht gegeben.
In der Nacht vom 01.09.2009 seien die Personen noch einmal zu ihnen nachhause gekommen. Der Beschwerdeführer habe sich zu diesem Zeitpunkt bereits in XXXX aufgehalten. Er werde von den Personen noch immer gesucht, was er von der Schwester seiner Ehefrau wisse, die ihm dies erzählt habe, während er sich in XXXX aufgehalten habe. Die Personen hätten sich am 01.09.2009 in der Nacht noch einmal nach ihm erkundigt und bis zur Auseise noch einmal ca. zehn Tage danach.
Seinen Aufenthalt in XXXX habe er mit seinem eigenen Geld finanziert, das er mitgenommen habe. Es sei ihm unangenehm gewesen, sich bei den Verwandten der Frau zu verstecken. Er sei aber die ganze Zeit im Haus der Schwägerin versteckt gewesen und sei auch seine Ehefrau bei ihm gewesen. Der Beschwerdeführer sei am Tag und seine Frau in der Nacht zur Schwägerin gebracht worden. Er wisse nicht konkret, von wem seine Frau dorthin gebracht worden sei. Sie sei dort am Abend zwischen 16.00 oder 17.00 Uhr hingebracht worden. Seine Ehefrau sei auch nicht mehr zuhause aufhältig gewesen, als sich die Personen in der Nacht nach ihm erkundigt hätten.
Er habe nie mit den heimatstaatlichen Behörden Probleme gehabt.
Befragt, woher er gewusst habe, dass es sich um Russen bzw. um Kadyrov-Leute gehandelt habe, obwohl diese maskiert gewesen seien, meinte er, dass nur einige Personen maskiert gewesen seien. Sie seien aufgrund der Uniform zu erkennen gewesen. Einige hätten eine vierfarbige Uniform an und die anderen hätten eine schwarze Uniform getragen. Sie hätten Russisch und Tschetschenisch gesprochen. Die Widerstandskämpfer seien am Abend des 31.08.2009 ca. um 17.30 oder 18.00 Uhr gekommen. Sie hätten die Widerstandskämpfer freiwillig versorgt.
Nach Aufforderung, den Vorfall, als er von den Russen bzw. den Kadyrov-Leuten aufgesucht worden sei, genauer zu schildern, gab er an, hinter dem Haus gewesen zu sein. Er habe gerade die Stiere füttern wollen. Als er gerade vom Stall in den Hof unterwegs gewesen sei, sei er von den Personen angegriffen worden. Er sei gepackt und auf den Boden geschmissen worden. Seine Mutter und seine Ehefrau hätten sich wahrscheinlich im Haus aufgehalten. Nachdem seine Mutter laut geschrien habe, seien die Nachbarn dazugekommen. Er sei nach den Widerstandkämpfern befragt worden. Die Dorfbevölkerung habe verhindert, dass er mitgenommen werde. Was seine Ehefrau während dem Vorfall gemacht habe, wisse er nicht. Er habe seine Ehefrau nicht gesehen, da er mit dem Gesicht auf den Boden gedrückt worden sei. Seine Ehefrau sei bei dem Vorfall nicht geschlagen worden
Letztlich sei ihm von der Dorfbevölkerung bzw. dem Iman (Dorfvorsteher) des Dorfes geholfen worden. Wenn sie ihn mitnehmen hätten wollen, hätten sie alle schlagen müssen, was sie jedoch nicht wollen hätten, da sie sich sonst bei einer höheren Stelle rechtfertigen hätten müssen. Vielleicht seien sich die Personen auch sicher gewesen, ihn am Abend leichter mitnehmen zu können.
Er sei zur Schwägerin geflüchtet, weil er gewusst habe, dass er dort in Sicherheit sei.
In einen anderen Landesteil hätte er nicht fliehen können, um seinen Problemen zu entgehen, da die Personen sonst erfahren hätten, dass er sich dort aufhalte und wiederum Probleme bekommen hätte. Zumal viele Personen in seinem Dorf bei ihnen arbeiten würden, wäre sicher herausgekommen, dass er sich bei der Schwägerin versteckt halte. Seinem Nachbarn, der ihn zur Schwägerin gebracht habe, habe er vertraut.
Befragt, weshalb er seine Heimat nicht schon früher verlassen habe, meinte er, dass ihm erst seine Schwägerin geraten habe, Tschetschenien zu verlassen. Diese habe auch die Flucht organisiert. Die Organisation der Flucht habe letztlich bis zum 14.10.2009 gedauert. Er sei zunächst nach Grosny gefahren, da er dort vom Schlepper abgeholt worden sei. Gemeinsam mit seiner Ehefrau und seinem Kind sei er dorthin von seinem Schwager gebracht worden. Von Grosny seien sie auch gleich - ohne Aufenthalt - weitergefahren.
Der Beschwerdeführer habe niemals Probleme mit der Polizei oder einem Gericht gehabt, auch Probleme aufgrund seiner Religionszugehörigkeit, aufgrund einer politischen Tätigkeit, seiner Rasse oder seiner Nationalität verneinte er.
Für den Fall einer Rückkehr in den Herkunftsstaat befürchte er, zumindest gefoltert zu werden. Er würde wahrscheinlich eine Haftstrafe im Ausmaß von zehn oder 15 Jahren erhalten. Alle Personen, welche Widerstandskämpfer versorgen, würden derart bestraft.
Er habe viele junge Männer gesehen, die misshandelt und gefoltert worden seien. Dies sei deshalb gewesen, da diese Männer die Widerstandskämpfer versorgt hätten.
Zu seinen Lebensverhältnissen und seiner Integration in Österreich befragt, gab er an, sich mit seiner Ehefrau und seinen Kindern in Österreich aufzuhalten. Weiters würden in Österreich eine Halbschwester und ein Bruder als anerkannte Flüchtlinge leben.
Er lebe weder mit seiner Halbschwester noch mit seinem Bruder in einem gemeinsamen Haushalt. Er sei von diesen auch nicht finanziell abhängig. Er sei von seinem Bruder mit Lebensmittel versorgt worden.
Seinen Bruder habe er bisher zwei Mal besucht und sei er auch von seinem Bruder drei Mal besucht worden. Ca. einmal in der Woche hätten sie auch telefonischen Kontakt, jedoch sei dieser nicht regelmäßig. Zu seiner Halbschwester bestehe überhaupt kein Kontakt. In Österreich lebe er von der Grundversorgung. Er besuche in Österreich weder eine Schule noch einen Kurs, auch keinen Deutschkurs. Er gehe in Österreich keiner Beschäftigung nach, sein kein Mitglied in einem politischen, kulturellen oder religiösen Verein und besuche auch sonst keine Veranstaltungen. In Österreich halte er sich in seiner Unterkunft auf, wo es sehr langweilig sei. Manchmal gehe er in den Park spazieren.
Im Herkunftsstaat würden sich seine Mutter, vier Brüder und seine sechs Schwestern aufhalten. Er habe bisher einmal mit seiner Schwester in XXXX und auch mit mehreren Schwägerinnen telefonischen Kontakt gehabt. Meisten telefoniere seine Ehefrau aber mit diesen.
Dem Beschwerdeführer wurden Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat zur Kenntnis gebracht.
Er wolle in Österreich ein ruhiges Leben führen und wünsche sich für seine Kinder eine normale Zukunft.
Auf Vorhalt seines Vorbringens in der Erstbefragung, wonach er am 01.09.2009 von Freiheitskämpfern aufgesucht worden sei, meinte er, dies nicht gesagt zu haben. Vielleicht habe er sich geirrt. Befragt, weshalb er dies bei der Rückübersetzung nicht korrigiert habe, meinte er, Russisch nicht richtig verstanden zu haben.
Auf weiteren Vorhalt, dass er in der Erstbefragung vorgebracht habe, dass die Lebensmitte und Kleidungsstücke von den Widerstandkämpfern geplündert worden seien, meinte er, dies nicht so erzählt zu haben.
Auf weiteren Vorhalt, wonach er in der Erstbefragung angegeben habe, dass am selben Tag und drei weitere Tage später die Regierungstruppen gekommen seien, meinte er, nicht zu wissen, weshalb es so geschrieben worden sei.
Schließlich wurde ihm sein Vorbringen in der Erstbefragung vorgehalten, wo er gemeint habe, dass er und seine Familie geschlagen worden sei, woraufhin er meinte, sicher falsch verstanden worden zu sein und derartige Angaben in der Erstbefragung nicht getätigt zu haben.
Er verneinte auf Vorhalt auch, in der Erstbefragung gesagt zu haben, dass sich seine Ehefrau nach den Widerstandskämpfern erkundigen werde. Er habe damals sicher gesagt, dass sich die Frauen darüber erkundigen würden.
Er meinte auch, nicht so gut russisch zu sprechen und sicher falsch verstanden worden zu sein.
Der Beschwerdeführer legte im Rahmen seiner Einvernahme seinen russischen Inlandsreisepass, ausgestellt am 14.02.2002, Sterbebestätigungen seiner Brüder im Original, seine Heiratsurkunde im Original, ausgestellt am 20.02.2008 sowie jeweils einen Befund des Psychosozialen Dienstes Burgenland vom 11.01.2010 und 11.03.2010 mit der Diagnose einer Posttraumatischen Belastungsstörung, dem Bundesasylamt vor.
Mit Bescheid des Bundesasylamtes, Außenstelle Eisenstadt vom 17.09.2010, XXXX, wurde der Antrag auf internationalen Schutz vom 18.10.2009 bezüglich der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.), weiters gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 der Antrag bezüglich der Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Russische Föderation abgewiesen (Spruchpunkt II.) und der Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Russische Föderation ausgewiesen.
Das Bundesasylamt traf umfassende Länderfeststellungen zur Lage in der Russischen Föderation unter besonderer Berücksichtigung der Lage in Tschetschenien und gelangte in Bezug auf das individuelle Vorbringen des Beschwerdeführers und seiner Ehefrau zu dem Schluss, dass die vorgebrachte Fluchtgeschichte nicht glaubhaft sei.
Gegen diesen Bescheid wurde Beschwerde erhoben, und dieser wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Mangelhaftigkeit des Verfahrens angefochten.
Vorgebracht wurde, dass die Beweiswürdigung des Bundesasylamtes und die aufgezeigten Widersprüche nicht geeignet seien, die Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers nachhaltig zu beeinträchtigen. Die Widersprüche würden nur scheinbar existieren und seien nur das Resultat dessen, dass der Beschwerdeführer und seine Ehefrau die Ereignisse jeweils aus ihrer eigenen Perspektive und nach ihrem eigenen Wissenstand geschildert hätten.
Der Beschwerdeführer wolle die Widersprüche aufklären:
Als er das erste Mal einvernommen worden sei, sei die Übersetzung in russischer Sprache erfolgt, was für den Beschwerdeführer ein Problem darstelle, da er diese Sprache nicht ausreichend beherrsche. Ein weiteres Problem sei die aufgrund der Reise bedingte Müdigkeit gewesen, welche dem Beschwerdeführer die notwendige Konzentration erschwert habe. Bei der darauffolgenden Einvernahme habe er einen Dolmetsch für die tschetschenische Sprache bekommen, was ihm ermöglicht habe, seinen Fluchtgrund detailliert und wahrheitsgemäß darzustellen und habe er dies bestimmt nicht nur erfunden, warum hätte er flüchten sollen, wenn er nicht bedroht gewesen sei. Er hätte seine Familie nicht der Fluchtsituation ausgesetzt, wenn er nicht eine reale Angst um sein Leben gehabt hätte.
Da er sogar nach seiner Ankunft in Österreich davon gehört habe, dass er nach wie vor von den Behörden gesucht werde, sei er sich sicher, dass sein Leben und die Sicherheit seiner Familie im Falle einer Rückkehr bedroht seien.
In Anbetracht der aktuellen Länderberichte des Asylgerichtshofes (Stand Februar 2010), die auch dem Bundesasylamt bekannt sein sollten, sei das Vorbringen nachvollziehbar und mit diesen in Einklang stehend.
Aus diesen Gründen wolle er seinen Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung bekräftigen.
In der Beschwerde wird auszugsweise auf aktuelle Länderberichte des Asylgerichtshofes verwiesen, welche die Plausibilität des Vorbringens untermauern sollen.
Der Beschwerdeführer sei aufgrund der unterstellten Unterstützung der Kämpfer, also einer unterstellten politischen Einstellung, die sich durch die Unterstützung der Kämpfer äußere, die der Beschwerdeführer in Ermangelung eines funktionierenden Rechtsstaates wohl nicht habe widerlegen können, von den tschetschenischen Behörden verfolgt. Weitere ebensolche Verfolgungshandlungen, also Mitnahmen, Misshandlungen, bis hin zu einer Verurteilung in Folge eines durch Folter erpressten Geständnisses seien im Fall einer Rückkehr mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit anzunehmen.
Die Tochter XXXX wurde am XXXX in Österreich nachgeboren und wurde für diese am 08.03.2012 ein Antrag auf internationalen Schutz gestellt.
Am 06.07.2012 langten zum Nachweis der Integration des Beschwerdeführers und seiner Familie Unterschriftenlisten beim Asylgerichtshof ein, mit welchen der Antrag auf "Asylzuerkennung" des Beschwerdeführers und seiner Familie befürwortet werde und die Unterzeichnenden sich gegen eine Abschiebung einsetzen würden. Weiters wurde ein Schreiben des XXXX-Flüchtlingsdienstes vom 16.04.2012 übermittelt, in welchem ausgeführt wird, dass der Beschwerdeführer und seine Familie sich gut in die Dorfgemeinschaft integriert hätten. Der Beschwerdeführer und seine Ehefrau würden in Kürze die Deutschprüfung auf dem Niveau A2 absolvieren. Die älteste Tochter besuche den Kindergarten und spreche sehr gut Deutsch. Die Betreuerin der XXXX kenne den Beschwerdeführer und seine Familie seit Jahren persönlich und hoffe sehr, dass die Familie endlich einen legalen Aufenthaltstitel in Österreich bekomme.
Dem Beschwerdeführer wurde schriftliches Parteiengehör zur aktuellen Situation im Herkunftsstaat und zur Staatsangehörigkeit sowie zur Frage der familiären und persönlichen Bindungen zu Österreich und zur Russischen Föderation gewährt.
Die diesbezügliche Stellungnahme wurde mit Schreiben vom 09.10.2012 erstattet. In Österreich liege in erster Linie ein Bezug zur Kernfamilie, bestehend aus dem Beschwerdeführer, seiner Ehefrau und seinen drei minderjährigen Kindern vor. Mit weiteren Familienangehörigen bestehe kein gemeinsamer Haushalt, jedoch würden enge verwandtschaftliche Beziehungen bestehen. Vor allem zum Neffen des Beschwerdeführers bestehe eine außergewöhnlich enge Bindung, da dieser aufgrund seines Familienstandes - er sei noch nicht verheiratet - ein gemeinsames Familienleben mit der Kernfamilie des Beschwerdeführers führe. So nehme er nicht nur eine wichtige Rolle bei etwa familiären Festen oder Problemlösungen ein, sondern sei ein auch sonst nicht wegzudenkendes Element der Familie. Dieser Neffe habe bereits in der Heimat sehr nahe der Familie des Beschwerdeführers gelebt und wolle diese Tradition wenn möglich in Österreich weiterführen. Seine Freizeit verbringe er in erster Linie mit der Familie. Zur Kontaktpflege und Unterstützung bei der Erziehung der Kinder besuche er die Familie häufig und regelmäßig. In Österreich würden noch weitere Verwandte der Familie als anerkannte Flüchtlinge leben: der Bruder und die Halbschwester des Beschwerdeführers und deren Familien, zu welchen auch eine sehr enge familiäre Bindung bestehe.
Zu den Schwestern in der Heimat bestehe kein sonderlich enger Kontakt und lebe ein weiterer Bruder des Beschwerdeführers in Norwegen. Die Mutter des Beschwerdeführers lebe ebenfalls in Österreich.
Zu den Familienangehörigen in Tschetschenien bestehe zwar unregelmäßiger Kontakt, doch aufgrund der großen Distanz und der Tatsache, dass sich der Lebensmittelpunkt der Familie schon seit drei Jahren in Österreich befinde, wo auch die beiden jüngeren Töchter geboren worden seien, habe der Kontakt zur ehemaligen Heimat an Intensität und Regelmäßigkeit verloren. Das älteste Kind sei zum Zeitpunkt der Flucht aus Tschetschenien ein Jahr alt gewesen. Die Familie lebe aus den Leistungen der Grundversorgung. Eine legale Beschäftigung habe zu keinem Zeitpunkt des Aufenthaltes bestanden und bestehe auch derzeit nicht. Bei Erhalt einer Arbeitsgenehmigung würden sich der Beschwerdeführer und seine Ehefrau darauf freuen, wieder ins Arbeitsleben zurückzukehren. Der Beschwerdeführer habe in Tschetschenien viel auf Baustellen gearbeitet und würde dies auch gerne in Österreich wieder tun. Die Ehefrau sei Buchhalterin, habe in Tschetschenien auch ein Buchhalter-Diplom erlangt und würde diese Kompetenzen gerne wieder einsetzen und sich am Arbeitsmarkt integrieren. Die Tatsache, dass sowohl der Beschwerdeführer als auch seine Ehefrau die deutsche Sprache beherrschen und auch momentan zur Perfektion ihrer Deutschkenntnisse wieder einen Deutschkurs besuchen würden, sei ein großer Vorteil, sich am Arbeitsplatz zu positionieren. Die beiden älteren Töchter würden den Kindergarten besuchen, dementsprechend sehr gut Deutsch sprechen und hätten viele österreichische Freunde, welche sie gerne nachmittags besuchen bzw. welche gerne zum Beschwerdeführer und seiner Familie zu Besuch kommen würden. Die jüngste Tochter sei erst sieben Monate alt und werde von den Eltern zu Hause betreut. Die beiden jüngsten Kinder seien in Österreich geboren. Im Hinblick auf die Aufenthaltsdauer würde bei Kindern häufig schon eine kürzere Zeit als bei Erwachsenen ausreichen, um eine Verwurzelung im Gastland festzustellen. Insbesondere bei den Kindern seien durch den langen Aufenthalt im deutschsprachigen Raum eine Entfremdung zum russischen bzw. tschetschenischen Raum und ein Hineinwachsen in die österreichische bzw. europäische Gesellschaft erfolgt. Die Kinder würden allesamt nicht Russisch sprechen. Der Beschwerdeführer und seine Familie hätten sich sehr gut sowohl sprachlich als auch kulturell in die österreichische Gesellschaft eingegliedert und sich einen weitreichenden Freundes- und Bekanntenkreis aufgebaut. Abgesehen von den bereits im Akt befindlichen Befunden würden keine Erkrankungen bestehen.
Zur allgemeinen und individuellen Lage im Falle einer Rückkehr in die Russische Föderation wird vorgebracht, dass den Länderberichten im Wesentlichen zugestimmt werde, zusätzlich werde auf in Folge zitierte Berichte verwiesen, die auf eine für den Beschwerdeführer und seine Familie als Großfamilie auf eine besondere Gefahr hindeuten würden. Vor allem die schlechte Stellung der Frauen würde die Ehefrau sowie ihre weiblichen Kinder in besonderem Ausmaß treffen und ein menschenwürdiges Leben verhindern. In der Stellungnahme wird auf einen Zeitungsartikel aus XXXX von XXXX vom 30.06.2012, einen Bericht aus Oktober 2011 des Danish Immigration Service "Chechens in the Russian Federation", den Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe aus September 2011 "Nordkaukasus:
Sicherheits- und Menschenrechtslage" und einen Zeitungsartikel aus "Der Standard", verwiesen. Der Stellungnahme beigelegt ist weiters eine Kursbestätigung des XXXX-Flüchtlingsdienstes vom 05.10.2012, wonach der Beschwerdeführer und seine Ehefrau seit Oktober 2012 einen Deutschkurs für Anfänger besuchen würden.
Mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 25.10.2012, XXXX, wurde die Beschwerde hinsichtlich Spruchpunkt I. und II. gemäß § §§ 3 Abs. 1 und 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 abgewiesen und der Beschwerdeführer in Spruchpunkt III. gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Russische Föderation ausgewiesen.
Der Asylgerichtshof stellte im Fall des Beschwerdeführers weder das Vorliegen einer asylrelevanten Verfolgung noch von Umständen fest, die einer Rückkehr des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat entgegenstehen würden. Das Fluchtvorbringen sei nicht glaubwürdig.
Zum besseren Verständnis gegenständlicher Entscheidung werden die beweiswürdigenden Überlegungen wiedergegeben, wobei der Beschwerdeführer darin als Erstbeschwerdeführer und seine Ehefrau als Zweitbeschwerdeführerin bezeichnet sind:
"Die vorstehenden Feststellungen zu den Personen der Beschwerdeführer sowie zu den von ihnen vorgebrachten Gründen für das Verlassen des Herkunftsstaates gründen sich auf folgende Beweiswürdigung:
Die Feststellungen zur Identität, zur Staatsangehörigkeit, zur Familienzusammengehörigkeit und zur tschetschenischen Volksgruppenzugehörigkeit der Beschwerdeführer gründen sich auf das eigene, diesbezüglich glaubwürdige Vorbringen des Erstbeschwerdeführers und der Zweitbeschwerdeführerin selbst. Zudem legten der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin jeweils ihre russischen Inlandsreisepässe, welche am 14.02.2002 bzw. am 06.06.2002 ausgestellt wurden und jeweils mit Meldevermerken, einem Eheschließungseintrag sowie einer Bestätigung über die Ausstellung eines Auslandsreisepasses versehen sind, dem Bundesasylamt vor. Es bestehen nach derzeitigem Kenntnisstand daher keine ausreichend konkreten Anhaltspunkt dafür, die diesbezüglichen Angaben der Beschwerdeführer substantiiert in Zweifel zu ziehen.
Die Feststellung hingegen, dass die Beschwerdeführer in der Russischen Föderation, konkret in Tschetschenien, keiner aktuellen konkret und gezielt gegen ihre Personen gerichteten Verfolgung maßgeblicher Intensität ausgesetzt sind, gründet sich auf den Umstand, dass dem individuellen Vorbringen des Erstbeschwerdeführers zu den von ihm behaupteten Fluchtgründen keine Glaubwürdigkeit zukommt; die Zweitbeschwerdeführerin brachte für sich und ihre minderjährigen Kinder vor, wegen der Probleme ihres Ehemannes ihr Heimatland verlassen zu haben; für die minderjährigen Dritt- bis Fünftbeschwerdeführer wurden keine eigenen Fluchtgründe vorgebracht.
In Anbetracht des von der belangten Behörde durchgeführten Ermittlungsverfahrens sowie angesichts der diesbezüglichen Beweiswürdigung hat der Asylgerichtshof - unter Bedachtnahme auf die Beschwerdeausführungen - keine Bedenken gegen die im vorliegenden Bescheid des Erstbeschwerdeführers getroffenen individuellen Feststellungen zum Sachverhalt hinsichtlich der geltend gemachten Ausreisegründe; es kann nicht festgestellt werden, dass der Erstbeschwerdeführer einer wie immer gearteten Verfolgung oder Gefährdung in seiner Heimat ausgesetzt war bzw. im Falle einer Rückkehr ausgesetzt wäre, dies aufgrund folgender Erwägungen:
Der Erstbeschwerdeführer begründete die gegenständliche Antragstellung im Rahmen seiner Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes vom 19.10.2009 damit, dass er am 01.09.2009 zunächst von Freiheitskämpfern aufgesucht und ausgeplündert worden sei. Am selben Tag sowie auch drei Tage später seien Regierungstruppen zu ihm gekommen und hätten seine Familie und ihn geschlagen und sie mit dem Umbringen bedroht, wenn sie den Aufenthaltsort der Freiheitskämpfer nicht verraten würden. Die Zweitbeschwerdeführerin habe den Regierungsleuten versprochen sich zu erkundigen und die Informationen zu liefern, weshalb die Beschwerdeführer in Ruhe gelassen worden seien und zu fliehen vermochten.
Im Rahmen seiner niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 29.03.2010 gab der Erstbeschwerdeführer an, dass am 31.08.2009 "fünf bis sechs oder sieben" Rebellen zum Erstbeschwerdeführer gekommen seien und etwas zum Essen gewollt hätten. Am nächsten Tag, am 01.09.2009, seien Militärangehörige - es habe sich um Russen und Kadyrow-Leute gehandelt - mit zwei Bussen zu ihm gekommen, einige davon seien maskiert gewesen. Der Erstbeschwerdeführer vermute, dass ihn jemand angezeigt habe, weil er am Tag davor Widerstandskämpfer versorgt habe. Der Erstbeschwerdeführer sei angegriffen und auf den Boden gedrückt worden, auch sei ihm eine Maschinenpistole angehalten worden und habe er erzählen müssen, wohin die Widerstandskämpfer gegangen und wie viele es gewesen seien. Der Erstbeschwerdeführer sei auch gefragt worden, ob sich unter den Widerstandskämpfern seine Brüder XXXX und XXXX, welche sich schon in Europa aufgehalten hätten, befunden hätten. Personen aus der Nachbarschaft hätten die Militärpersonen beruhigt, der Erstbeschwerdeführer habe jedoch gewusst, dass diese am Abend wiederkommen würden, weshalb der Erstbeschwerdeführer geflüchtet sei. Einen weiteren Vorfall habe es nicht gegeben, der Erstbeschwerdeführer wolle aber angeben, dass in der Nacht vom 01.09.2009 die Personen nochmals in das Haus des Erstbeschwerdeführers gekommen seien, der Erstbeschwerdeführer sich aber zu diesem Zeitpunkt im Dorf XXXX befunden habe. Der Erstbeschwerdeführer wisse, dass er von diesen Personen immer noch gesucht werde, weil die Schwester der Zweitbeschwerdeführerin dies dieser erzählt habe, während sich der Erstbeschwerdeführer in XXXX aufgehalten habe. Nach ca. zehn Tagen sei nochmals nach dem Erstbeschwerdeführer gesucht worden.
Im Zusammenhang mit dem Fluchtvorbringen des Erstbeschwerdeführers tätigte bereits das Bundesasylamt im angefochtenen Bescheid folgende beweiswürdigende Ausführungen, deren Inhalt sich der Asylgerichtshof im Ergebnis anschließt:
"Sie gaben an, die Russische Föderation deshalb am 14.10.2009 verlassen zu haben, weil Sie in Ihrem Haus am 31.08.2009 von Widerstandskämpfer aufgesucht worden wären, um diese mit Nahrungsmitteln und Kleidung zu versorgen. Am 01.09.2009 wären Militärangehörige - russische Soldaten und Leute von Kadyrow - teils maskiert, zu Ihnen nach Hause gekommen und hätten Informationen über die tags zuvor von Ihnen versorgten Widerstandskämpfer erhalten wollen. Sie hätten gerade die Stiere versorgt, als die Regierungstruppen erschienen seien, Sie zu Boden gedrückt und mit einer Maschinenpistole bedroht hätten. Sie hätten jedoch keine Ahnung gehabt, wer die Rebellen gewesen seien und wohin diese sich begeben hätten. Auch nach Ihren Brüdern XXXX und XXXX hätten sie sich erkundigt. Ihre Entführung durch die Soldaten sei dank dem Erscheinen Ihrer Nachbarn und deren Engagement, verhindert worden, zumal diese das Versprechen abgegeben hätten, dass sie sich um die Identitäten und den Verbleib der Freiheitskämpfer erkundigen würden. Sie hätten noch am selben Tag die Flucht ergriffen und seien zur Schwester Ihrer Ehegattin nach XXXX geflohen. Sie hätten sich mit Ihrer Familie bis zum 14.10.2009 bei Ihrer Schwägerin versteckt gehalten und seien dort bis zu Ihrer Flucht in Sicherheit gewesen. Vor dem 01.09.2010 seien Sie keinen wie immer gearteten, geschweige denn staatlichen Verfolgungen ausgesetzt gewesen und hätten sich auch weder in Haft befunden, noch wären Sie festgenommen worden. Sie wären in Tschetschenien bzw. in der Russischen Föderation weder politisch tätig, noch Mitglied einer politischen Partei und/oder sonstigen Bewegung gewesen.
Von der erkennenden Behörde wird der von Ihnen vorgebrachte/behauptete Sachverhalt in Zweifel gezogen. Ihre Behauptungen haben Sie nur allgemein in den Raum gestellt, ohne diese belegen oder durch konkrete Anhaltspunkte glaubhaft machen zu können.
Es erscheint der erkennenden Behörde, Bundesasylamt, Außenstelle Eisenstadt, sehr eigentümlich, dass Sie bei dem Zeitpunkt des Erscheinens der Widerstandskämpfer in Ihrem Haus bei den stattgefundenen Befragungen jeweils verschiedene Daten anführten. Bei der Erstbefragung am 19.10.2009 vor der Polizeiinspektion XXXX behaupteten, dass die Freiheitskämpfer am 01.09.2009 bei Ihnen ins Haus eingedrungen seien. Diese hätten Ihr Haus geplündert, sie seien auf der Suche nach Essen und Kleidung gewesen. Am selben Tag seien Sie bereits von den Regierungstruppen aufgesucht und befragt worden. Bei der Einvernahme am 29.03.2010 vor der erkennenden Behörde, Bundesasylamt, Außenstelle Eisenstadt, behaupteten Sie und ihre Gattin plötzlich, dass Sie die Freiheitskämpfer am 31.08.2009 freiwillig mit Essen, einer Jacke und einem Handy versorgt hätten. Weiters führten Sie bei der Einvernahme vor der erkennenden Behörde widersprüchlich an, dass Sie von den Militärangehörigen zu Hause einen Tag später - nämlich am 01.09.2009 - im Hof zu Boden gedrückt und mit einer Maschinenpistole bedroht worden seien. Sie hätten über den Verbleib der Rebellen und Ihrer Brüder - XXXX und XXXX - Auskunft geben müssen. Hätte es sich um ein tatsächlich erlebtes Ereignis gehandelt, hätten nicht diese massiven und essentiellen Widersprüche auftauchen dürfen, da es sich dabei um ein einschneidendes Ereignis für Sie gehandelt hat. Außerdem wurden Sie lediglich dieses eine Mal sowohl von Freiheitskämpfern als auch von den russischen Soldaten und Kadyrow-Leuten aufgesucht, wodurch es auch zu keinen zeitlichen Verwechslungen bezüglich des Datums kommen konnte. Es konnte daher Ihrem Fluchtvorbringen bereits in der essentiellsten Aussage kein Glauben geschenkt werden.
Ihr Vorbringen erfuhr im Rahmen der Einvernahme vor der erkennenden Behörde eine weitere Änderung als Sie behaupteten, dass Personen aus der Nachbarschaft durch das laute Schreien Ihrer Mutter aufmerksam wurden und zu Ihnen nach Hause gekommen seien. Aufgrund des Engagements des Imam, bei der Suche nach dem Verbleib der Widerstandskämpfer behilflich zu sein, hätten sich die Soldaten beruhigt und seien schlussendlich ohne Ihnen etwas anzutun gegangen. Es erscheint der erkennenden Behörde sehr sonderbar, dass Sie bei der Erstbefragung anführten, lediglich Ihre Ehefrau sei bei der Visite durch die Soldaten anwesend gewesen, um dann widersprüchlich vor der erkennenden Behörde anzugeben, dass plötzlich viele Nachbarn und Ihre Mutter mitansehen mussten, wie Sie von den Soldaten bedroht worden seien. Auch diesen Widerspruch waren Sie nicht imstande, nachvollziehbar zu entkräften.
Auch sei Ihre Ehegattin nicht - wie noch am 19.10.2009 in XXXX behauptet - von den Soldaten geschlagen worden. Auch jene Version im Zuge der Einvernahme am 19.10.2009 in XXXX, dass Ihre Frau gegenüber den Soldaten zugesichert hätte, die geforderten Informationen zu liefern, änderten Sie vor der erkennenden Behörde in der Art und Weise ab, als dass Sie nur noch behaupteten, lediglich die Nachbarn hätten den Soldaten zugesagt, Informationen zu liefern, von Ihrer Frau war keine Rede mehr. Nach Ansicht der erkennenden Behörde sind auch Ihre diesbezüglichen Ausführungen als - eindeutiges - Indiz zu werten, dass es sich bei Ihrem Vorbringen lediglich um ein reines Konstrukt - um eine fiktive Fluchtgeschichte - handelt.
Weiters führten Sie bei der Einvernahme am 19.10.2009 in XXXX aus, dass Sie anhand von Fotos die Freiheitskämpfer identifizieren und Angaben zu den Rebellen machen hätten sollen. Am selben Tag und drei weitere Tage später seien Sie dann von Regierungstruppen aufgesucht worden und unter Gewaltanwendung nach dem Verbleib der Widerstandskämpfer befragt worden. Sie und Ihre Familie seien nicht nur geschlagen sondern auch mit dem Umbringen bedroht worden, falls Sie keine Informationen über den Aufenthaltsort liefern würden. Aufgrund dessen hätte Ihre Frau das Versprechen gegeben, Auskunft einzuholen. Ihre Ehegattin schilderte am 19.10.2009 vor der Polizeiinspektion XXXX den Vorfall ähnlich. Diese behauptete jedoch, dass die Soldaten über den Verbleib Ihrer Brüder aufgeklärt hätten werden wollen. Ihrer Frau sei gedroht worden, die Tochter und Sie mitzunehmen, wenn diese nicht innerhalb einer Woche den Aufenthalt Ihrer Brüder bekannt geben würde. Im Gegensatz zu Ihrer Ehegattin erwähnten Sie mit keinem Wort bei der Erstbefragung in XXXX, dass die Soldaten über den Aufenthalt Ihrer Brüder in Kenntnis gesetzt werden wollten, ganz im Gegenteil, Sie meinten wörtlich: "Sie drohten uns mit dem Umbringen, wenn wir Ihnen nicht sagen, wo sich die Leute aufhalten." Hätten die Regierungstruppen tatsächlich nach Ihren Brüdern gesucht, dann hätten auch Sie bereits zum Zeitpunkt der Erstbefragung Ihre Brüder erwähnt. Auch führte Ihre Gattin an, eine Frist für die Lieferung der Daten gesetzt bekommen zu haben, von einer solchen haben Sie jedoch zu keinem Zeitpunkt gesprochen. Bei der Erstbefragung am 19.10.2009 in XXXX behaupteten Sie, dass Ihre Gattin ebenso wie Sie von den Soldaten misshandelt worden sei, um bei der Einvernahme vor der erkennenden Behörde am 29.03.2010 ganz klar das Gegenteil zu behaupten. Sie meinten plötzlich, dass Ihre Ehegattin bei dem Vorfall nicht geschlagen worden sei. Auch Ihre Gattin schloss dezidiert eine Misshandlung durch die Soldaten aus. Auch diese eklatanten Widersprüche weisen - augenscheinlich - darauf hin, dass es sich bei dem erstatteten Vorbringen lediglich bzw. ausschließlich um einen konstruierten und nicht um einen tatsächlich selbst erlebten Sachverhalt handelt.
Es ist noch kurz darauf einzugehen und zu berücksichtigen, dass Sie sich mit Ihrer Familie 6 Wochen bei Ihrer Schwägerin versteckt halten konnten, ohne dass Sie gefunden worden wären. Sie sagten selbst, dass Sie gewusst hätten, dort in Sicherheit zu sein. Laut Ihren Aussagen befindet sich das Versteck 60 km von Ihrem Heimatort entfernt. Sie seien nicht gefunden worden, obwohl Sie weiterhin von den Soldaten gesucht worden seien. Aus den Länderfeststellungen geht hervor, dass aktuelle Unterstützer von Freiheitskämpfern gesucht werden, ebenso wie deren Familien. Ihre Mutter hat höchst wahrscheinlich durch das laute Schreien die Aufmerksamkeit der Soldaten erweckt, daher ist es absolut unglaubwürdig, dass dieser trotz mehrmaligem Wiederaufsuchens der Soldaten nichts zugestoßen ist. Ebenso lebt Ihre Schwägerin weiterhin ohne Probleme an der von Ihnen genannten Adresse, welche Ihnen als Versteck diente. Sie haben in keiner Weise Angaben gemacht, dass Ihre Schwägerin und Mutter seit Ihrer Ausreise verfolgt oder bedroht worden seien. Es ist daher nicht glaubwürdig, dass Sie die Flucht ergreifen mussten und der restlichen Familie ein Leben in Tschetschenien möglich ist. Daraus lässt sich nur jener Schluss ziehen, dass Sie das von Ihnen vorgebrachte Fluchtvorbringen gar nicht wirklich erlebt haben, da die Länderfeststellungen und Ihre unaufgeklärten Widersprüche und Ungereimtheiten eindeutig eine andere Wahrheit sprechen.
Die aufgezeigten Diskrepanzen sowie die mangelnde Aufklärung durch Sie nach Konfrontation damit verstärkten bei der erkennenden Behörde die Zweifel an der Glaubwürdigkeit Ihrer Angaben. Sie waren nicht einmal imstande, die Vorhalte der Behörde plausibel und logisch zu entkräften. Sie versuchten Sich damit rechtzufertigen, dass für jeden Widerspruch die Behörde in XXXX verantwortlich sei, jedoch nicht Sie. Dies ist auf jeden Fall nicht der geeignete Weg, Ungereimtheiten aufzuklären, indem Sie lediglich argumentieren, dass das Protokoll falsch niedergeschrieben wurde. Dagegen ist jedoch einzuwenden, dass dieses nach erfolgter Rückübersetzung von Ihnen unterschrieben worden ist, und Sie die Möglichkeit hatten, Änderungen durchzuführen und nicht im Nachhinein behaupten, dass Ihre Aussagen falsch niedergeschrieben worden seien.
Erwähnenswert ist weiters, dass Sie anführten, die Summe von US-$ 5.000,-- für die Reise nach Europa bezahlt zu haben. Diesen Betrag hätten Sie aus dem Verkauf eines Teiles Ihrer Landwirtschaft lukriert und US-$ 1.000,-- hätte Ihnen Ihre Schwägerin überlassen. Vergleicht man nun Ihre Angaben mit jenen Ihrer Frau, so sind diese nicht in Einklang zu bringen, da Ihre Frau zuerst behauptete, dass deren Schwester, Ihre Schwägerin die Kosten für die Flucht übernommen hätte. Nach Vorhalt, änderte Ihre Gattin die Angaben dahingehend, dass ihre Schwester das Geld dem Schlepper bloß übergeben hätte. Von der erkennenden Behörde wird bezweifelt, dass diese Angaben der Wahrheit entsprechen, da Ihrer Ehegattin erst nach Aufmerksammachen der Behörde die Aussage mit der Ihrigen konform war.
Wenn der vorgebrachte Sachverhalt den Tatsachen entsprechen würde bzw. wenn Sie und Ihre Gattin über einen tatsächlich selbst erlebten Sachverhalt berichtet hätten, müsste wohl auch davon auszugehen sein, dass diesfalls Ihre Ausführungen gleich lautend bzw. gleich bleibend gewesen wären und es nicht zu diesen aufgezeigten gravierenden Widersprüchen, Ungereimtheiten und Steigerungen, die sich durch das gesamte Vorbringen ziehen und denen auch nicht plausibel entgegenzutreten vermocht wurde, gekommen wäre (kommen hätte dürfen). Hinzuweisen ist, dass Ihre und die Angaben Ihrer Frau zwar in den Eckpunkten der "Rahmengeschichte" - z.B: Datum des Eindringens der Widerstandskämpfer; Datum der Visitation der russischen Soldaten - widerspruchsfrei und gleichlautend waren, sich aber in den näheren Details bzw. bei einer näheren Hinterfragung des Vorgebrachtem, zahlreiche und auch gravierende Widersprüche und Ungereimtheiten offenbarten, zu denen es - sicher - nicht gekommen wäre bzw. nicht kommen hätte dürfen, wenn Sie und Ihre Gattin über einen tatsächlich selbst erlebten - über einen wahren - Sachverhalt berichtet hätten.
Aufgrund obiger Ausführungen vermochten Sie auch mit Ihrer Behauptung bzw. Erklärung, dass Sie im Falle einer Rückkehr mit weiteren Verfolgungen zu rechnen hätten, nicht dem vom Gesetz geforderten Glaubhaftigkeitsanspruch gerecht zu werden. Ihre diesbezüglichen Befürchtungen stützen sich lediglich auf vage Vermutungen bzw. auf Behauptungen Ihrerseits. Konkrete Anhaltspunkte oder Hinweise, für das Vorliegen der von Ihnen behaupteten Verfolgungsgefahr, konnten jedoch - wie oben aufgezeigt - dem Vorbringen nicht entnommen werden. Dem Bundesasylamt liegen auch keine Informationen über eine gezielte Verfolgung von abgewiesenen Asylwerbern in der Russischen Föderation vor.
Zusammenfassend - gemeint in Gesamtschau und nicht nur punktuell bezogen gesehen - war bezüglich des Vorbringens somit zu befinden, dass besondere Umstände, aus denen glaubhaft hervorgehen würde, dass Sie in der Russischen Föderation unmittelbaren und/oder mittelbaren, persönlichen staatlichen Verfolgungen im Sinne der GFK ausgesetzt gewesen beziehungsweise gegenwärtig - im Falle einer Rückkehr - wären, nicht festgestellt werden konnten."
Diese beweiswürdigenden Ausführungen des Bundesasylamtes werden in der Beschwerde vom 04.10.2010 nicht substantiiert bestritten und die vom Bundesasylamt aufgezeigten Widersprüche nicht aufgeklärt; der Erstbeschwerdeführer führt lediglich aus, dass er keinen Grund habe zu lügen und er Tschetschenien nicht verlassen hätte, wenn er dort nicht bedroht gewesen wäre. Dieses Vorbringen ist jedoch nicht ausreichend, um die Ausführungen des Bundesasylamtes zur Unglaubwürdigkeit des Fluchtvorbringens des Erstbeschwerdeführers zu entkräften und ist in Bekräftigung der diesbezüglichen Ausführungen des Bundesasylamtes auch seitens des Asylgerichtshofes festzuhalten, dass schon aufgrund der massiven Widersprüche des Erstbeschwerdeführers zwischen seinen Angaben unmittelbar nach der Antragstellung vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes und seinen etwa sechs Monate danach erfolgten Angaben vor dem Bundesasylamt, sein Fluchtvorbringen nicht für glaubwürdig erkannt werden kann.
Insoweit sich der Erstbeschwerdeführer im Rahmen seiner niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesasylamt hinsichtlich der aufgetretenen Widersprüche zwischen seiner Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes und der Einvernahme vor dem Bundesasylamt damit verantwortete, dass er die vorgehaltenen Angaben im Rahmen der Erstbefragung nicht angegeben habe, er die russische Sprache nicht ausreichend beherrsche und es Dolmetscherprobleme gegeben habe, ist in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen, dass gemäß § 15 AVG - soweit nicht Einwendungen erhoben wurden - eine gemäß § 14 leg.cit. aufgenommene Niederschrift über den Verlauf und den Gegenstand der betreffenden Amtshandlung vollen Beweis liefert, wobei der Gegenbeweis der Unrichtigkeit des bezeugten Vorganges zulässig bleibt. Ungeachtet des Umstandes, dass Protokollrügen bei Rückübersetzung der Niederschrift grundsätzlich im Rahmen derselben Amtshandlung vorzubringen sind (§ 14 Abs. 3 und 4 AVG), vermochte der Erstbeschwerdeführer mit seinem unglaubwürdigen Vorbringen im Rahmen seiner Einvernahmen der Beweiskraft der - von ihm Seite für Seite unterfertigten - Niederschriften vor der Polizeiinspektion XXXX und dem Bundesasylamt nichts Entscheidendes entgegen zu setzen bzw. keinen erfolgreichen Gegenbeweis zu geben. Sofern der Erstbeschwerdeführer weiters einwendet, die Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sei in russischer Sprache durchgeführt worden, welche der Erstbeschwerdeführer nicht ausreichend beherrsche, ist festzuhalten, dass der Erstbeschwerdeführer zu Beginn der Erstbefragung angab, sowohl Russisch als auch Tschetschenisch "gut" zu beherrschen und der Erstbeschwerdeführer eingangs explizit angab, der Einvernahme problemlos folgen zu können und auch die Einvernahme im Beisein eines Dolmetschers für die russische Sprache nicht beanstandet wurde.
Was das Vorbringen der Zweitbeschwerdeführerin betrifft, ist in Bekräftigung der Ausführungen des Bundesasylamtes festzuhalten, dass dieses dermaßen allgemein und unkonkret gehalten ist, dass es schon aufgrund seiner Unkonkretheit und Allgemeinheit nicht geeignet sein kann, das Vorbringen des Erstbeschwerdeführers glaubwürdig zu untermauern (diesbezüglicher Auszug aus dem Einvernahmeprotokoll der Zweitbeschwerdeführerin: A: Ich habe aufgrund der Probleme meines Ehegatten die Heimat verlassen. F: War dies der Grund, warum Sie die Russische Föderation verließen? A: Ja. F: Waren Sie persönlich auch einer Bedrohung in der Heimat ausgesetzt? A: Nein. F: Wann ist der Vorfall, welchen Ihr Ehegatte geschildert hat, passiert? A: Es war am 01. September 2009. Mein Mann wurde angegriffen und wurde versucht, dass dieser mitgenommen wird. Meine Schwiegermutter hat geschrien und sind die Nachbarn gekommen und haben uns geholfen. Wir wurden nach den Widerstandkämpfern befragt, welche einen Tag davor bei uns zu Hause waren. Wir haben den Personen versprochen, dass wir ihnen sagen werden wer die Widerstandskämpfer waren. F: Gab es aufgrund dieses Vorfalles noch weiter Probleme? A: An diesem Tag haben wir das Haus verlassen. Frage wird wiederholt A: Auch nachher haben sich die Personen im Dorf nach meinem Mann erkundigt. Wir haben gehört, dass nach meinem Mann gesucht wird. F: Von wem haben Sie davon erfahren? A: Meine Schwester hat mir dies erzählt und gesagt, dass wir die Heimat verlassen sollen.).
Im Rahmen einer Gesamtbetrachtung ist dem Bundesasylamt daher im Ergebnis zuzustimmen, dass das Vorbringen des Erstbeschwerdeführers zu den behaupteten Fluchtgründen - auf welches sich auch die Zweitbeschwerdeführerin und die minderjährigen Dritt- bis Fünftbeschwerdeführer stützen - nicht den Tatsachen entspricht und dass es den Beschwerdeführern daher nicht gelungen ist, eine konkret und gezielt gegen ihre Personen gerichtete Verfolgung maßgeblicher Intensität glaubhaft darzutun. Die im Wesentlichen bereits vom Bundesasylamt aufgezeigten Widersprüche und Unplausibilitäten im Vorbringen des Erst- und der Zweitbeschwerdeführerin werden auch in der Beschwerde nicht in überzeugender und ausreichend substantiierter Weise aufgeklärt.
Was das Vorbringen des Erstbeschwerdeführers betrifft, dass drei seiner Brüder in den Jahren 1995, 2000 und 2003 von russischen Sicherheitskräften getötet worden seien, ist festzuhalten, dass seitens des Asylgerichtsgerichtshofes dieses Vorbringen des Erstbeschwerdeführers nicht angezweifelt wird. Zum einen legte der Erstbeschwerdeführer die Sterbeurkunden seiner verstorbenen Brüder vor, zum anderen wurde die Ermordung der Brüder des Erstbeschwerdeführers im Rahmen der Tschetschenienkriege im Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 10.01.2008, Zl. XXXX, betreffend den Bruder des Erstbeschwerdeführers, XXXX INDERBIEV, für glaubwürdig erkannt und diesem seitens des Unabhängigen Bundesasylsenates Asyl gewährt, da er aufgrund der Widerstandtätigkeit eines Bruders in das Blickfeld der russischen Sicherheitskräfte geraten sei.
Festzuhalten ist jedoch, dass den Feststellungen des Unabhängigen Bundesasylsenates zu Folge, der Bruder des Erstbeschwerdeführers, XXXX INDERBIEV, Widerstandskämpfer bei sich übernachten ließ, sie mit Medikamenten verpflegte und zu Treffpunkten führte sowie dieser inhaftiert, gefoltert und erpresst wurde. Der Bruder des Erstbeschwerdeführers verließ Tschetschenien im Dezember 2004.
Der Erstbeschwerdeführer selbst brachte im Rahmen seiner niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesasylamt hingegen keinerlei mit dem Tod seiner Brüder bzw. deren Widerstandstätigkeit bzw. unterstellter Widerstandstätigkeit in Zusammenhang stehendes konkretes Vorbringen vor, aus welchem eine aktuelle Gefährdung des Erstbeschwerdeführers, welcher Tschetschenien etwa fünf Jahre nach seinem Bruder XXXX verließ, aufgrund der Widerstandstätigkeit seiner Brüder abgeleitet werden könnte; der Erstbeschwerdeführer brachte lediglich vor, dass er im Rahmen seines Aufsuchens durch russische Regierungstruppen gefragt worden sei, ob sich unter den Widerstandkämpfern, die ihn aufgesucht hätten, auch seine Brüder XXXX und XXXX befunden hätten. Das Vorbringen des Erstbeschwerdeführers, dass er von Widerstandkämpfern aufgesucht worden sei und diese den Erstbeschwerdeführer - wie er zunächst im Rahmen der Erstbefragung vorbrachte - ausgeplündert hätten bzw. dass der Erstbeschwerdeführer die Widerstandkämpfer - wie er dann vor dem Bundesasylamt angab - freiwillig mit Essen und Kleidung und einem Handy versorgt hätte, kann vor dem Hintergrund obiger Ausführungen nicht für glaubwürdig erkannt werden. Der Erstbeschwerdeführer legte im Verfahren auch lediglich die Sterbeurkunden seiner Brüder vor, ohne in seinem Vorbringen annährend einen Bezug auf diese zu nehmen.
Was daher den vorgebrachten Umstand betrifft, dass dem Bruder des Erstbeschwerdeführers XXXX INDERBIEV mit Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 15.01.2008 Asyl und seiner Halbschwester XXXX mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 03.06.2009 der Status der Asylberechtigten gewährt wurde, ist festzuhalten, dass der Erstbeschwerdeführer im Rahmen seiner Einvernahmen durch das Bundesasylamt - bis auf die erwähnte Behauptung vor dem Bundesasylamt, dass der Erstbeschwerdeführer gefragt worden sei, ob sich unter den Widerstandkämpfern, die ihn aufgesucht, auch seine Brüder XXXX und XXXX befunden hätten - keinerlei auf seinen Bruder bzw. seine Halbschwester konkret bezogenes oder mit diesen im Zusammenhang stehendes Vorbringen erstattet hat. Der Erstbeschwerdeführer gab auch selbst an, vor dem behaupteten Vorfall am 31.08.2009 bzw. am 01.09.2009 keinerlei Verfolgungshandlungen ausgesetzt gewesen zu sein und keine Probleme mit russischen Behörden gehabt zu haben.
Ganz abgesehen davon ist aus dem Umstand, dass einem volljährigen Familienangehörigen wegen einer ihm drohenden Verfolgung oder aber im Wege des Familienverfahrens der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, allein noch nicht gleichsam automatisch der Schluss abzuleiten, dass damit auch dem Erstbeschwerdeführer selbst die Flüchtlingseigenschaft zukommt; vielmehr bedarf es auch diesbezüglich einer individuellen, konkret und gezielt gegen die Person des Erstbeschwerdeführers gerichteten aktuellen Verfolgung maßgeblicher Intensität. Eine solche individuelle Verfolgung vermochte der Erstbeschwerdeführer aber - wie oben ausgeführt wurde - nicht glaubhaft zu machen. Dies gilt im Übrigen insbesondere auch in Bezug auf den in den getroffenen Länderfeststellungen des Asylgerichtshofes angeführten Umstand, dass Angehörige von - allerdings in der Regel noch aktiven, wovon im gegenständlichen Fall nicht ausgegangen werden kann - Widerstandskämpfern in Tschetschenien einer Bedrohung ausgesetzt sein können; auch diesbezüglich bedarf es einer individuellen, konkreten Verfolgungsgefahr, an deren Glaubhaftmachung es im gegenständlichen Fall aber mangelt.
Dass den Beschwerdeführern in Tschetschenien eine Verfolgung aufgrund des Verwandtschaftsverhältnisses des Erstbeschwerdeführers zu seinem in Österreich asylberechtigen Bruder, welchem ein Naheverhältnis zu tschetschenischen Separatisten unterstellt wurde, und seiner Halbschwester, deren Sohn und Neffe ins Visier russischen Sicherheitsbehörden geraten sind, droht, kann insbesondere auch vor dem Hintergrund, dass sowohl dem Erstbeschwerdeführer als auch der Zweitbeschwerdeführerin ihrem eigenen Vorbringen und den diesbezüglichen Stempeln in ihren Inlandsreisepässen zu Folge jeweils im Jahr 2008 - also zu einem Zeitpunkt als der Bruder und die Halbschwester des Erstbeschwerdeführers bereits in Österreich aufhälig waren - ein Auslandsreisepass ausgestellt wurde und anzunehmen ist, dass eine Auslandsreisepassausstellung an die Erst- und Zweitbeschwerdeführer nicht erfolgt wäre, wenn tschetschenische Behörden tatsächlich ein maßgebliches Interesse an ihren Personen, welches eine asylrelevante Verfolgung begründen könnte, gehabt hätten bzw. dem Erstbeschwerdeführer aufgrund der Verwandtschaftsverhältnisse die Nähe zu Widerstandskämpfern unterstellt worden wäre, nicht erkannt werden.
Letztlich spricht auch der Umstand, dass sich vier weitere Brüder und andere Verwandte des Erstbeschwerdeführers offenbar unbehelligt in Tschetschenien aufhalten gegen eine aktuelle Verfolgung des Erstbeschwerdeführers; was in diesem Zusammenhang den Umstand betrifft, dass nunmehr am 15.07.2012 auch die Mutter des Erstbeschwerdeführers illegal nach Österreich einreiste und einen Antrag auf internationalen Schutz stellte, ist festzuhalten, dass diese in ihrem Asylverfahren angab, keine Probleme mit Behörden gehabt zu haben und lediglich ausgereist zu sein, weil sie beim Erstbeschwerdeführer und seine Familie leben wolle.
Eine individuelle, im Zusammenhang mit seinen in Österreich asylberechtigten Verwandten und dem bestehenden Verwandtschaftsverhältnis des Erstbeschwerdeführers zu diesen stehende Verfolgung des Erstbeschwerdeführers kann daher ebenfalls nicht erkannt werden.
Die Feststellung, dass den Beschwerdeführern im Falle einer Rückkehr in die Russische Föderation, konkret nach Tschetschenien, die notdürftigste Lebensgrundlage nicht entzogen wäre, gründet sich auf das eigene Vorbringen des Erstbeschwerdeführers und der Zweitbeschwerdeführerin. Der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin brachten übereinstimmend vor, dass ihnen das wirtschaftliche Auskommen vor ihrer Ausreise aufgrund der Tätigkeit in der familieneigenen Landwirtschaft problemlos möglich gewesen sei. Der Erstbeschwerdeführer gab weiteres an, dass er sein Haus, welches im ersten Tschetschenienkrieg zerstört worden sei, wiederaufgebaut habe und dieses seiner Familie nach wie vor zur Verfügung stehe. In der Stellungnahme der Beschwerdeführer vom 09.10.2012 wird weiters ausgeführt, dass der Erstbeschwerdeführer vor seiner Ausreise auch viel auf Baustellen gearbeitet habe und die Zweitbeschwerdeführerin eine Ausbildung als Buchhalterin verfüge. Auch halten sich noch vier Brüder und sechs Schwestern des Erstbeschwerdeführers sowie zwei Brüder und drei Schwestern der Zweitbeschwerdeführerin in Tschetschenien auf. Der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin - welche ihrem Vorbringen zu Folge sowohl die russische als auch die tschetschenische Sprache gut beherrschen - waren daher vor ihrer Ausreise aus der Russischen Föderation jedenfalls in der Lage, die notdürftigste Lebensgrundlage ihrer Familie zu decken und ist - auch vor dem Hintergrund, dass das individuelle Vorbringen des Erstbeschwerdeführers zu seinen Fluchtgründen als nicht glaubwürdig anzusehen ist - nicht ersichtlich und haben die Beschwerdeführer auch nicht dargetan, weshalb ihnen dies nicht auch künftig möglich sein sollte, zumal die Beschwerdeführer nach wie vor über familiäre Anknüpfungspunkte in Tschetschenien verfügen und vor dem Hintergrund des im Herkunftsstaat der Beschwerdeführer üblichen familiären Zusammenhaltes auch von dieser Seite eine allenfalls notwendige Unterstützung im Falle einer Rückkehr erfahren könnten. Auch aus den getroffenen Länderfeststellungen lässt sich nicht der Schluss ableiten, dass den Beschwerdeführern im Falle einer Rückkehr nach Tschetschenien die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen wäre.
Die Feststellung, dass die Beschwerdeführer an keinen dermaßen schwerwiegenden, akut lebensbedrohlichen und in der Russischen Föderation (Tschetschenien) nicht behandelbaren Erkrankungen leiden, welche allenfalls im Falle einer Rückkehr nach Tschetschenien zu einer Überschreitung der hohen Eingriffschwelle des Art. 3 EMRK führen könnten, gründet sich auf den Umstand, dass von den Beschwerdeführern keine dermaßen schweren Erkrankungen vorgebracht wurden, welche einen derart außergewöhnlichen Umstand darstellen würden, der geeignet wäre, die hohe Eingriffschwelle des Art. 3 EMRK zu überschreiten.
Was die gesundheitliche Situation des Erstbeschwerdeführers betrifft, ist festzuhalten, dass in dem jüngsten Befund des XXXX vom 11.03.2010 beim Erstbeschwerdeführer eine Posttraumatische Belastungsstörung diagnostiziert wurde und ihm eine medikamentöse Therapie vorgeschlagen wird. Aktuelle Befunde, die auf eine nach wie vor bestehende Notwendigkeit einer medizinischen Behandlung des Erstbeschwerdeführers hinweisen würden, wurden im Verfahren nicht vorgelegt. Ein solcher Bedarf wird auch in der Stellungnahme vom 09.10.2012 zum Parteiengehörsschreiben des Asylgerichtshofes trotz diesbezüglich explizit eingeräumter Stellungnahmemöglichkeit nicht vorgebracht und lediglich ausgeführt, dass abgesehen von den, in den bereits vorgelegten Befunden erwähnten gesundheitlichen Beeinträchtigungen, keine weiteren Erkrankungen der Beschwerdeführer vorliegen würden."
Rechtlich begründend zu Spruchteil I. wurde insbesondere ausgeführt, dass der vorgebrachte Sachverhalt in seiner Gesamtheit nicht als glaubhaft zu beurteilen gewesen und daher es auch nicht glaubhaft sei, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung drohe. Vor dem Hintergrund der Feststellungen zur Lage in der Russischen Föderation bzw. in Tschetschenien sowie der Unglaubwürdigkeit des Vorbringens aufgrund der im Verfahren aufgetretenen Unplausibilitäten bzw. Widersprüche könne daher nicht erkannt werden, dass dem Beschwerdeführer im Herkunftsstaat eine asylrelevante Verfolgung drohe.
Zu Spruchteil II. wurde insbesondere dargelegt, dass er auch mit den Rückkehrbefürchtungen nicht glaubhaft darlegen habe können, dass er im Falle seiner Rückkehr in die Russische Föderation einer Bedrohung oder drohenden Gefahr ausgesetzt wäre. Er verfüge in der Russischen Föderation offenbar über eine Existenzgrundlage. Schließlich habe er weder eine lebensbedrohende Erkrankung noch einen sonstigen auf seine Person bezogenen "außergewöhnlichen Umstand" behauptet oder bescheinigt. Sohin ergebe sich gegenwärtig kein Abschiebungshindernis in der Russischen Föderation, weil eine landesweite allgemeine extreme Gefährdungslage, in der jeder Rückkehrer im Falle seiner Abschiebung dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert werden würde, nicht gegeben sei. Eine Abschiebung in die Russische Föderation sei daher im vorliegenden Fall zulässig.
Zu Spruchteil III. wurde zunächst festgehalten, dass im vorliegenden Fall kein schützenswertes Familienleben iSd. Art. 8 EMRK vorliege. Der Beschwerdeführer und seine Kernfamilie seien allesamt von aufenthaltsbeendenden Ausweisungsentscheidungen betroffen, sodass diesbezüglich kein Eingriff in das bestehende Familienleben des Beschwerdeführers vorliege. Mit seinen in Österreich aufhältigen Verwandten lebe er weder zusammen, noch bestehe eine finanzielle oder besondere Abhängigkeit.
Der Beschwerdeführer lebe mit seiner Familie von der Grundversorgung, gehe keiner legalen Beschäftigung nach und es hätten sich auch sonst keine Integrationsschritte, die auf eine fortgeschrittene Integration hindeuten würden, ergeben. Ein schützenswertes Privatleben in Österreich sei verneint worden. Vielmehr sei die Ausweisung dringend zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele geboten.
Dieses Erkenntnis erwuchs mit seiner Zustellung am 14.11.2012 in Rechtskraft.
Die Behandlung einer dagegen erhobenen Beschwerde wurde mittels Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 06.06.2013, Zl. XXXX, abgelehnt.
Der Beschwerdeführer brachte am 19.07.2013 eine Erklärung zur freiwilligen Rückkehr in den Herkunftsstaat ein, die von ihm am 05.09.2013 widerrufen wurde.
2. Verfahren:
Am 04.02.2014 wurden der Beschwerdeführer und seine Familienangehörigen von XXXX, wo sie Asylanträge gestellt haben, nach Österreich rücküberstellt.
Der Beschwerdeführer stellte noch am selben Tag einen Folgeantrag auf internationalen Schutz, zu dem er am 05.02.2014 vor dem XXXX befragt wurde. Er erklärte, nach negativem Ausgang seines Asylverfahrens mit seiner Familie nach XXXX gereist zu sein. Er habe in XXXX einen Asylantrag gestellt und sei von dort mit seiner Familie wieder nach Österreich rücküberstellt worden.
Nach neuen Gründen befragt, gab er an, dass seine Mutter seiner Ehefrau telefonisch mitgeteilt habe, dass er in seiner Heimat gesucht werde. Seine Mutter habe seiner Ehefrau gesagt, dass sie alle zwei Monate Ladungen zugestellt bekomme. Weiters würde sein Elternhaus rund um die Uhr bewacht werden. Seine Mutter habe seiner Ehefrau weiters mitgeteilt, dass der Beschwerdeführer für den Fall einer Rückkehr gefoltert und getötet werden würde. Er fürchte bei einer Rückkehr in den Herkunftsstaat um sein Leben. Die Ladungen würden sich zum Teil bei Verwandten in XXXX befinden.
Die Änderung seiner Situation sei ihm seit drei Monaten bekannt. Er habe erst jetzt einen neuen Antrag gestellt, da er erst gestern von XXXX nach Österreich rücküberstellt worden sei.
Am 21.02.2014 wurde er vor der Erstaufnahmestelle Ost niederschriftlich einvernommen.
Der Beschwerdeführer erklärte, sich körperlich und geistig in der Lage zu fühlen, die Einvernahme durchzuführen. Er sei aktuell weder in medizinischer Behandlung, noch nehme er Medikamente oder seien medizinische Behandlungen geplant.
Der Beschwerdeführer sei erstmals im Jahr 2009 in Österreich eingereist. Er sei seit diesem Zeitpunkt nicht mehr im Herkunftsstaat gewesen. Glaublich im Oktober 2013 hätten er und seine Familie Österreich verlassen. Sie seien ca. drei Monate lang in XXXX aufhältig gewesen.
In Österreich würden unverändert seine Halbschwester und seine Brüder mit deren Familien leben. In Norwegen habe der Beschwerdeführer einen weiteren Halbbruder.
Seit der Beschwerdeführer aus XXXX zurück sei, habe er seine Halbschwester nicht mehr gesehen. Zuvor habe ihn diese zwei bis drei Mal in den vier Jahren seines Aufenthaltes in Österreich besucht. Sein Bruder habe ihn bislang einmal nach seiner Rückkehr besucht.
Der Beschwerdeführer gehe keiner Beschäftigung nach. Er habe einen Deutschkurs besucht. Er wohne zurzeit in der Erstaufnahmestelle. Er sei kein Mitglied in einem Verein oder einer sonstigen Organisation.
Darüber aufgeklärt, dass er bereits einen Antrag gestellt habe, der rechtskräftig negativ entschieden worden sei, meinte er, dass er von seiner Mutter erfahren habe, dass immer wieder irgendwelche Männer nach ihm suchen würden.
An die Adresse seiner Mutter seien mehrere Ladungen geschickt worden, wobei er eine Ladung hier habe. In Tschetschenien würde es noch viele derartige Ladungen geben.
Seine Mutter habe sich nicht getraut, alle Ladungen aufzuheben, sondern habe mehrere Ladungen vernichtet.
Befragt, um welche Ladungen es sich handle, erklärte er, nicht zu wissen, wer diese gebracht habe. Er sei schon vier Jahre nicht mehr dort gewesen. Die Männer seien immer wieder zu seiner Mutter gekommen. Sie würden am Tag und in der Nacht kommen. Dies wisse er von seiner Mutter. Diese habe davon seiner Ehefrau am Telefon erzählt. Sie würden zuhause nach ihm suchen.
Für den Fall einer Rückkehr habe er Angst, gefoltert zu werden. Er könnte sogar getötet werden. Er sei ein unschuldiger Mensch, man würde ihn aber trotzdem foltern und töten.
Der Beschwerdeführer wurde am Ende der Einvernahme über die Zulässigkeit seines Asylverfahrens informiert.
Er legte eine Deutschkursbesuchsbestätigung vom 11.02.2013 vor.
Am 09.04.2014 fand eine niederschriftliche Einvernahme vor dem BFA, Regionaldirektion Steiermark, statt.
Nach gesundheitlichen Problemen befragt, erklärte er, an den Bandscheiben operiert worden zu sein und verschiedene Medikamente wie XXXX gegen Anspannung und Stress einzunehmen. Seine gesundheitlichen Probleme würden seit ca. eineinhalb Jahren bestehen.
Er habe im Bundesgebiet keine Ausbildung absolviert oder einen Beruf erlernt.
Seine Mutter wohne im Bezirk XXXX in XXXX, seine Schwestern seien verheiratet. Seine Schwestern würden arbeiten, seine Mutter bekomme eine Rente. Das Verhältnis zu seinen Angehörigen sei sehr gut gewesen und sei nach wie vor gut.
Wirtschaftliche Gründe, seine Heimat zu verlassen, habe er nicht gehabt.
Wenn er keine Probleme hätte, könnte er bei seiner Rückkehr auch wieder an seiner Wohnadresse bzw. bei Verwandten wohnen.
Der Beschwerdeführer sei weder im Herkunftsstaat noch in Österreich strafrechtlich in Erscheinung getreten.
Zuletzt habe seine Ehefrau die Familie im Herkunftsstaat angerufen.
Bis zur Ausreise habe er seinen Lebensunterhalt durch das Betreiben seiner eigenen Landwirtschaft bestritten. In Österreich würden er und seine Familie staatliche Unterstützung erhalten. Der Beschwerdeführer sei auch arbeitswillig und arbeitsfähig.
Zu seinen im Bundesgebiet aufhältigen Verwandten befragt, meinte er, seine Schwester noch überhaupt nicht und seinen Bruder vor ca. einem Monat nach seiner neuerlichen Einreise in das Bundesgebiet gesehen zu haben. Mit seinen Geschwistern habe er im Herkunftsstaat als Kind im gemeinsamen Haushalt gelebt. Seine Geschwister hätten den Herkunftsstaat glaublich im Jahr 2001 verlassen. Er lebe im Bundesgebiet ausschließlich mit seiner Ehefrau und seinen minderjährigen Kindern im gemeinsamen Haushalt.
Ein finanzielles oder sonstiges Abhängigkeitsverhältnis bestehe im Bundesgebiet zu niemandem.
In Österreich besuche der Beschwerdeführer einen Deutschkurs. Nach einer Selbsteinschätzung befragt, meinte der Beschwerdeführer, nicht viel Deutsch sprechen zu können. Er sei in keinem Verein oder Organisation Mitglied und auch keines in der Vergangenheit gewesen. Er habe hier auch keine Freizeigt gehabt. Er sei vier Mal in XXXX gewesen. Nach Gründen, die für seine Integration in Österreich sprechen, befragt, meinte er, dass er hier leben wolle.
Auf Aufforderung, seine Probleme im Herkunftsstaat und den fluchtauslösenden Vorfall genau darzustellen, gab er an, Probleme zuhause gehabt zu haben. Manche Leute hätten sein Leben kaputt gemacht. Sie hätten Kleidung und Essen genommen. Er habe ihnen außerdem sein Telefon geben müssen. Es habe sich um bewaffnete Männer gehandelt. Nachdem diese weggegangen seien, hätten die Probleme begonnen, da danach die Föderalen gekommen seien. Wenn er damals mitgenommen worden wäre, hätten sie ihn zu 100 % umgebracht. Die ersten Leute seien am 31.08.2009 zu ihm gekommen. Sie hätten Camouflage-Uniformen getragen. Manche hätten einen Bart gehabt. Wahrscheinlich sei er verraten worden, denn am nächsten Tag seien die Föderalen gekommen. Die Männer in Camouflage-Uniformen seien nur ein einziges Mal gekommen. Die Föderalen seien in der Früh gekommen. Sie hätten die ganze Straße umstellt, wobei er die Autos nicht gesehen habe. Es seien viele bewaffnete Föderale gekommen, die er gesehen habe, weil er gerade die Stiere gefüttert habe. Sie hätten ihn aber nicht gesehen. Seine Ehefrau habe es ihm angedeutet und er sei dann weg. Auf Nachfrage meinte er, dass sie seinen Namen gerufen hätten. Seine Ehefrau sei zuhause gewesen. Er glaube, sie sei im Haus gewesen. Vielleicht sei sie rausgegangen.
Befragt, wie er entkommen habe können, wenn die gesamte Straße umstellt werde, meinte er, dass der vordere Teil umstellt worden sei. Er sei aber über einen kleinen Gehweg zwischen seinem und dem Grundstück des Nachbarn entkommen Er sei zum ersten und dann weiter zum nächsten Nachbarn - also über die Nachbarhäuser - geflüchtet. Im vierten Haus sei er dann bis zum Abend geblieben. Dann sei er weg aus dem Dorf. Er habe sich in XXXX auf der Datscha der Schwester seiner Frau versteckt. Er habe sich dort bis 14. Oktober aufgehalten, könne sich jedoch an die Daten nicht genau erinnern.
Befragt, was mit seiner Frau in der Zwischenzeit gewesen sei, meinte er, dass sie zusammen im Dorf gewesen sei. Auf Nachfrage meinte er, dass diese einmal dort und einmal da gewesen seien.
Befragt, was in der Zwischenzeit mit seinem Zuhause passiert sei, meinte er, dass nach wie vor Leute kommen würden. Seine Tiere seien von seiner Schwester und seiner Mutter zum halben Preis verkauft worden, um die Ausreise des Beschwerdeführers und seiner Familie zu finanzieren.
Befragt, ob die Föderalen in sein Haus gekommen seien, meinte er, dass viele im Haus gewesen seien. Manche seien draußen geblieben. Er wisse dies, da es eine Tür gebe, durch die er zum Nachbarn gelangt sei. Er habe sie nicht genau angeschaut, jedoch viele bewaffnete Menschen gesehen. Befragt, ob ihm seine Ehefrau noch etwas über den Vorfall erzählt habe, meinte er, sich an die Details nicht erinnern zu können, da er damals Angst gehabt habe. Seine Mutter wohne nach wie vor im Herkunftsstaat.
Befragt, ob sich seit der negativen rechtskräftigen Entscheidung des Asylgerichtshofes im ersten Verfahren etwas Neues Asylrelevantes ergeben habe, meinte er, dass es keinen Weg zurückgebe. Sein Haus werde unverändert bewacht.
Er erklärte, dass die "Polizei-Kriminal" ihn immer wieder "rufe". Dies wisse er von seiner Ehefrau, die mit der Mutter des Beschwerdeführers telefoniere. Seine Mutter sage, dass sie nicht zurückkehren sollten, da nach dem Beschwerdeführer gesucht werde.
Nach der Existenz von Schriftstücken befragt, dass er gesucht werde, wurde darauf verwiesen, dass Berge von Papieren geschickt werden würden. Auch werde das Haus durchsucht. Er wisse nicht, was auf diesen Papieren stehe. Er meinte schließlich, dass es das Papier vielleicht in seinen Unterlagen gebe. Der Beschwerdeführer legte einen handschriftlich ausgefüllten Ladungsvordruck vor und meinte auf Nachfrage, ob er versucht habe, mehrere Papiere davon zu erlangen, dass es seine Mutter schicken werde, wenn etwas kommen sollte.
Befragt, wann das letzte Mal etwas gekommen sei, meinte er, dass sie das letzte Mal drei bis vier Papiere geschickt hätten. Die Föderalen hätten viele Papiere geschickt. In letzter Zeit seien es vielleicht zwei bis drei Papiere gewesen.
Er wisse dies, da seine Ehefrau seine Mutter angerufen habe, als sie auf die Abschiebung gewartet hätten. Die Mutter habe gemeint, dass Papiere kommen würden und Föderale immer wieder das Haus aufsuchen würden. Er habe nicht schon damals einen Asylantrag gestellt, da sie keine Zeit gehabt hätten. Er meinte damit, dass sie mit einer Frau bei der XXXX gesprochen hätten. Diese hätte gemeint, dass sie Beweismittel brauchen würden. Niemand habe das Papier hierher schicken wollen. Sie seien dann nach XXXX gefahren. Befragt, warum er sich die Papiere nicht nach XXXX nachschicken habe lassen, meinte er, dass seine Frau mit der Mutter gesprochen habe. Sie hätten nicht einmal gewusst, dass seine Mutter ein Papier nach Österreich geschickt habe.
Befragt, wie er zu diesem Papier gekommen sei, meinte er, dass es sein Bruder nach XXXX gebrachte habe. Wahrscheinlich sei es auf den Namen der Frau seines Bruders geschickt worden.
Eine Rückkehr in den Herkunftsstaat wäre für ihn gefährlich.
Dem Beschwerdeführer wurden aktuelle Länderinformationen des BFA zur Kenntnis gebracht und ihm die Möglichkeit gegeben, hiezu schriftlich Stellung zu nehmen. Er meinte, dass er sich dort besser auskenne, da er dort geboren worden sei.
Befragt, ob es für ihn möglich wäre, woanders in der Heimat zu leben, meinte er, dass sein ältester Bruder nach Russland gezogen und dort getötet worden sei. Die Bestätigung habe er im ersten Verfahren abgegeben. Er könne nicht in Inguschetien, Dagestan oder sonst wo leben.
Er erklärte auf Nachfrage, alles gut verstanden zu haben. Er habe keine Verständigungsprobleme gehabt.
Der vorgelegte handschriftlich ausgefüllte Ladungsvordruck ist auf den Namen des Beschwerdeführers ausgestellt. Darin wird sein Erscheinen vor dem Innenministerium in GROSNY am 17.07.2013 bei sonstiger Zwangsvorführung verlangt.
Mit dem im Spruch angeführten Bescheid des BFA, Regionaldirektion Steiermark, vom 20.05.2014 wurde unter Spruchteil I. der Antrag auf internationalen Schutz vom 04.02.2014 bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 abgewiesen und unter Spruchteil II. gemäß § 8 Abs. 1 leg.cit. dieser Antrag auch bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Russische Föderation abgewiesen.
In Spruchpunkt III. wurde dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 57 und 55 AsylG 2005 nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm. § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen. Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers in die Russische Föderation gemäß § 46 FPG zulässig ist und gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt.
In der Begründung des Bescheides wurde zunächst der bisherige Verfahrensgang einschließlich der oben bereits im wesentlichen Inhalt wiedergegebenen Einvernahmen dargestellt und anschließend Feststellungen zur Person des Asylwerbers und zur Russischen Föderation sowie zur Republik Tschetschenien getroffen. Festgestellt wurde, dass das erste Asylverfahren des Beschwerdeführers rechtskräftig negativ entschieden worden sei. Sein Vorbringen, wonach er von den tschetschenischen Sicherheitskräften angehalten und misshandelt worden sei, wurde als unglaubwürdig beurteilt. Es würden auch keine stichhaltigen Gründe für die Annahme bestehen, dass er im Herkunftsstaat einer asylrelevanten Verfolgung ausgesetzt gewesen sei, noch dass ihm eine solche in Zukunft drohen würde. Es hätten sich auch keine stichhaltigen Gründe für die Annahme ergeben, dass er im Fall einer Rückkehr in die Russische Föderation einer Gefahr iSd. § 8 AsylG ausgesetzt wäre. Er verfüge im Herkunftsstaat über familiäre Anknüpfungspunkte und sei für den Fall einer Rückkehr von der erfolgreichen Abdeckung seiner lebensnotwendigen Bedürfnisse auszugehen.
Beweiswürdigend wurde insbesondere dargelegt, dass sein Vorbringen bereits in seinem ersten rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren einer Beurteilung unterzogen und als nicht glaubwürdig beurteilt worden sei. Ebenso hätten sich auch nach den Angaben des Beschwerdeführers und seiner Ehefrau im zweiten Verfahren widersprüchliche Angaben zum fluchtauslösenden Ereignis ergeben. Bei der Schilderung des fluchtauslösenden Ereignisses habe er eher zurückhaltende Schilderungen getätigt und nur vage Angaben gemacht.
Zur vorgelegten Ladung in russischer Sprache wurde ausgeführt, dass es sich um eine allgemeine Ladung handle, aus welcher weder hervorgehe, in welcher Eigenschaft er vorgeladen worden sei noch um welche Strafsache es sich handle. Bei Nichterscheinen sei auch lediglich eine Geldstrafe bzw. die zwangsweise Vorführung angedroht worden. Es mangle dieser Ladung auf jeden Fall an der für die Asylgewährung nötigen Eingriffsintensität.
Rechtlich begründend wurde zu Spruchpunkt I. insbesondere ausgeführt, dass die Angaben des Beschwerdeführers als unwahr erachtet worden seien. Das BFA gelangte zur Ansicht, dass dem Beschwerdeführer im Herkunftsstaat keine Verfolgung aus in der GFK genannten Gründen drohe. Es sei auch keinem anderen Familienmitglied der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden, sodass auch für ihn eine solche Zuerkennung im Familienverfahren nicht in Frage komme.
Zu Spruchteil II. wurde insbesondere ausgeführt, dass sich die Angaben zum Fluchtgrund als nicht glaubhaft erwiesen hätten. Damit sei auch nicht glaubhaft, dass er im Herkunftsstaat in irgendeiner Form der Verfolgung ausgesetzt sein könnte. Es sei auch nicht hervorgekommen, dass in der Russischen Föderation eine derartige Gefährdungssituation herrsche, die eine Gefährdung im Sinne des § 8 AsylG 2005 für den Beschwerdeführer bedeuten würde. Auch aus seiner persönlichen individuellen Situation lasse sich eine derartige Gefährdung nicht ableiten. Es sei im Verfahren auch nicht hervorgekommen, dass der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr in eine ausweglose und die Existenz bedrohende Lage geraten würde.
Auch sei keinem Familienangehörigen der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt worden, sodass dies auch für den Beschwerdeführer aus Gründen des Familienverfahrens nicht in Betracht komme. Somit sei der Antrag auf internationalen Schutz auch bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen gewesen.
Zu Spruchteil III. wurde eingangs dargelegt, dass sich Anhaltspunkte für die Erteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht ergeben hätten.
Das Vorliegen eines schützenswerten Familienlebens - auch zu seinem Bruder und seiner Schwester, die im Bundesgebiet dauernd aufenthaltsberechtigt seien - im Sinne des Art. 8 EMRK habe nicht festgestellt werden können.
Der Beschwerdeführer sei im Oktober 2009 illegal in Österreich eingereist, zwei Kinder des Beschwerdeführers seien im Bundesgebiet geboren worden.
Zweifellos handle es sich beim Bundesamt um eine öffentliche Behörde iSd. Art. 8 Abs. 2 EMRK.
Dem Beschwerdeführer hätte sein unsicherer Aufenthalt im Bundesgebiet bewusst sein müssen. Er lebe von der Grundversorgung, gehe keiner legalen Beschäftigung nach, und es seien abgesehen von einem Besuch eines Deutschkurses keine Integrationsschritte hervorgekommen. Er habe insgesamt keine fortgeschrittene Integration darlegen können.
In Tschetschenien sei er geboren und habe dort den überwiegenden Teil seines Lebens verbracht. Er habe dort auch nach wie vor familiäre Anknüpfungspunkte und sei ihm eine Eingliederung in die tschetschenische Gesellschaft zumutbar, was im Übrigen auch auf seine minderjährigen Kinder zutreffe, die sich in einem anpassungsfähigen Alter befinden würden. Die Kinder würden auch noch nicht die Schule besuchen. Im Vergleich zu Österreich würden in den Herkunftsstaat wesentlich stärkere Bindungen bestehen.
Ein allfälliger Eingriff in sein Recht auf Achtung des Familien- und Privatlebens sei im gegenständlichen Fall durch den Eingriffsvorbehalt des Art. 8 EMRK gedeckt.
Mangels Erteilung eines Aufenthaltstitels wurde die Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung verbunden und festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers in die Russische Föderation zulässig sei, zumal dem Beschwerdeführer dort keine Gefährdung drohe, was bereits in Spruchpunkt II. ausführlich geprüft und verneint worden sei.
Mangels besonderer Umstände wurde die Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 Tagen festgelegt.
Gegen diesen Bescheid wurde fristgerecht Beschwerde erhoben, und dieser seinem gesamten Umfang nach wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens sowie inhaltlicher Rechtswidrigkeit angefochten. Auch wurde darauf hingewiesen, dass mit der Beschwerde im Familienverfahren sämtliche die anderen Familienmitglieder betreffenden negativen Bescheide angefochten werden würden.
Mit der Beschwerde wurde eine Vollmacht der XXXX zur Vertretung im Beschwerdeverfahren vorgelegt.
Nach Wiedergabe des Sachverhaltes wurde moniert, dass die belangte Behörde den Grundsatz der amtswegigen Ermittlungspflicht verletzt habe. Das Fluchtvorbringen sei nicht mit der gebotenen Tiefe ermittelt worden und hätte bei Unstimmigkeiten entsprechend aufgeklärt werden müssen.
Es seien im Übrigen mangelhafte Länderfeststellungen der Entscheidung zugrunde gelegt worden. Die vorgelegten Länderberichte seien insbesondere veraltet. In der Folge wurden Länderberichte zum Herkunftsstaat zitiert, bei deren Berücksichtigung die belangte Behörde zum Ergebnis hätte kommen müssen, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers in den Länderfeststellungen Deckung finde. Ebenso hätte die Behörde die Feststellung treffen müssen, dass eine Rückkehr des Beschwerdeführers und seiner Familie in den Herkunftsstaat jedenfalls eine Verletzung von Art. 3 EMRK implizieren würde.
Die belangte Behörde habe auch unrichtige Feststellungen aufgrund mangelhafter Beweiswürdigung getätigt. Insbesondere hätten die Ausführungen der Ehefrau keine entsprechende Berücksichtigung in der Beurteilung des Vorbringens gefunden. So sei auch nicht berücksichtigt worden, dass die Ehefrau erklärte, dass das Haus überwacht werde und regelmäßig Hausdurchsuchungen stattfinden würden. Auch sei die Schwiegermutter aus Angst vor Verfolgung nach Österreich geflüchtet.
Auch die aufgezählten Widersprüche zwischen dem Vorbringen des Beschwerdeführers und seiner Ehefrau würden tatsächlich nicht vorliegen.
Schließlich sei die vorgelegte Ladung ein eindeutiges Beweismittel für die Richtigkeit des Vorbringens sowie für das Vorliegen einer asylrelevanten Verfolgung im Heimatland. Die belangte Behörde vermeinte, dass die Ladung keine ausreichende Eingriffsintensität aufweise. Nicht die Ladung stelle den ungerechtfertigten Eingriff in die zu schützende persönliche Sphäre des Beschwerdeführers dar, sondern die dahinterstehende Furcht vor Folterung bzw. Verfolgung durch die tschetschenischen Sicherheitsbehörden.
Die Länderfeststellungen der belangten Behörde sowie die in der Beschwerde zitierten Berichte würden ein klares Bild der Sicherheitslage und der menschenrechtlichen Situation im Herkunftsstaat aufzeigen. Im Lichte dieser Länderberichte sei eine Verfolgung des Beschwerdeführers aufgrund der ihm angelasteten Daten überaus glaubhaft.
Das Vorbringen des Beschwerdeführers erfülle jedenfalls die Anforderungen, um ein Vorbringen als glaubhaft zu beurteilen. Die von der belangten Behörde angeführten Widersprüche hätten sich leicht aufklären lassen.
Der Beschwerdeführer wäre für den Fall einer Rückkehr im Übrigen dem realen Risiko einer Verletzung von Art. 3 EMRK ausgesetzt. Er würde bei einer Rückkehr mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit inhaftiert und misshandelt werden. Eine dementsprechende Rückkehrgefährdung lasse sich zweifelsfrei aus den oben angeführten Länderberichten ableiten.
Zur Spruchpunkt III. wurde dargelegt, dass der Beschwerdeführer und seine Ehefrau erfolgreich Deutsch lernen würden und versuchen würden, sich so gut wie möglich zu integrieren. Sie seien strafrechtlich unbescholten und hätten nicht gegen die öffentliche Ordnung verstoßen.
Der Beschwerdeführer und seine Familie würden sich mit kurzer Unterbrechung seit dem 18.10.2009 in Österreich befinden. In Österreich seien zwei Kinder geboren worden. Insbesondere die Kinder würden in Österreich über keinerlei Anknüpfungspunkte zum Heimatland verfügen. Die gesamte bisherige Integration habe in Österreich stattgefunden.
Der Beschwerdeführer und seine Familie würden auch nicht die öffentliche Ordnung gefährden. In der Folge wurde in diesem Zusammenhang höchstgerichtliche Judikatur zitiert, wonach insbesondere dem öffentlichen Interesse an der Aufenthaltsbeendigung kein absoluter Charakter zukomme und eine Abwägung sämtlicher Kriterien zu erfolgen habe. Im Übrigen wurde insbesondere auf die Charta der Grundrechte der Europäischen Union und insbesondere auf das Kindeswohl hingewiesen.
Es wurde die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt.
Am 30.09.2014 langte ein weiterer handschriftlich ausgefüllter Ladungsvordruck in Kopie ein.
Das Bundesverwaltungsgericht beraumte eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung für den 03.03.2015 an (hinsichtlich des Beschwerdeführers und seiner Ehefrau). Neben dem Beschwerdeführer und seiner Ehefrau nahm an der Verhandlung auch die Vertreterin teil. Das ebenfalls geladene BFA ließ sich für die Nichtteilnahme entschuldigen.
Der Beschwerdeführer und seine Ehefrau erklärten, dass es ihnen gut gehe und sie psychisch und physisch in der Lage seien, der Einvernahme zu folgen.
Durch den anwesenden Dolmetscher wurden die beiden handschriftlich ausgefüllten Ladungsvordrucke, die im Verfahren vorgelegt wurden, übersetzt:
"Ladung (ON 4):
Dem BF1, Adresse: Bezirk XXXX, Dorf: XXXX 41. "Sie haben am 04.08 (Jahr undeutlich) zum Innenministerium der Tschetschenischen Republik in Grosny, Rabotschaja Str 17, Zimmer 17 zu Kovalov Sergej Ivanovitsch zu kommen. Im Fall des Nichterscheinens werden Sie zwangsmäßig vorgeführt werden.
Ladung (AS 105):
Dem BF1, Adresse: Bezirk XXXX, Dorf: XXXX 41. "Sie haben am 17.07.2013, 10.00 Uhr zum Innenministerium der Tschetschenischen Republik in Grosny, Rabotschaja Str 17, Zimmer 8 zu Soldatov zu kommen. Im Fall des Nichterscheinens werden Sie zwangsmäßig vorgeführt werden."
Die Vertreterin erklärte, dass keine weiteren Dokumente vorgelegt werden könnten.
Eingangs danach befragt, ob er sein bisheriges Vorbringen aufrecht halten wolle, meinte der Beschwerdeführer, dass es wahrscheinlich Sachen gebe, wo er sich geirrt habe. Er habe auch noch etwas zu ergänzen. Auf Nachfrage präzisierte er, dass er hier im Land bleiben und nicht mehr in seine Heimat zurückkehren wolle. Er habe sonst nichts Neues zu ergänzen.
Es habe unter der bereits angegebenen Adresse in XXXX gewohnt und zwar von seiner Geburt bis zur Ausreise.
In XXXX sei er drei Monate lang aufhältig gewesen. Er habe sich über den Aufenthalt in XXXX nicht so viele Gedanken gemacht. Wann es genau gewesen sei, könne er nicht mehr genau sagen.
Abgesehen von vier Klassen Grundschule habe er keine weitere Schulausbildung erhalten. Er habe in Tschetschenien als Jüngster bei den Eltern gewohnt. Es habe Einkünfte aus der Viehhaltung gegeben. Es habe genügend Vieh gegeben. Im Jahr seiner Ausreise seien es zwanzig Maststiere gewesen. Die Tiere seien verkauft worden. Das Gebäude bestehe noch.
Der Beschwerdeführer habe in keinem der beiden Tschetschenienkriege selbst gekämpft. Sein Bruder sei im Krieg gefallen. Einer habe am Krieg teilgenommen, ein anderer Bruder sei währen einer Säuberungsaktion getötet worden. Ob sein Bruder Kämpfer oder Kommandant gewesen sei, könne er nicht sagen, zumal dies im Jahr 1994 zu Beginn des ersten Krieges gewesen sei.
Befragt, ob er selbst die Kämpfer in sonstiger Weise unterstützt habe, meinte er, dass er ihnen etwas zu Essen gegeben habe, als sie zu ihm gekommen seien. Wenn er das nicht freiwillig gemacht hätte, wäre er dazu gezwungen worden. Es sei am 31.10.2009 gewesen. Er korrigierte schließlich, dass es am 31.08.2009 gewesen sei. Es sei nur dieses eine Mal gewesen. Danach sei er dort nicht mehr wohnhaft gewesen.
Auf Vorhalt, wonach er bei der Ersteinvernahme zu seinem ersten Asylantrag angegeben habe, dass er gezwungen worden sei, die Kämpfer zu unterstützen, am 29.03.2010 hingegen beim BAT, dass er die Kämpfer freiwillig versorgt habe und beim BFA am 09.04.2014 (2. Asylantrag) angegeben habe, dass ihm die Kämpfer Kleidung, Essen und ein Handy weggenommen hätten, meinte er, dass sie, als sie zu ihm nachhause gekommen seien, gesagt hätten, dass sie Essen und Kleidung brauchen würden und er ihnen das gegeben habe. Ihm sei klar gewesen, dass er dazu gezwungen worden wäre, hätte er es nicht freiwillig gemacht. Er habe ihnen auch Kleidungsstücke und auch ein Handy gegeben.
Auf Vorhalt, dass alle Vorgänge, die sich vor dem Erkenntnis des Asylgerichtshofes am 25.10.2012 ereignet hätten, von der Rechtskraft dieser Entscheidung erfasst seien und auf Nachfrage, was nach diesem Datum geschehen sei, das für seine Asylgründe von Bedeutung sein könnte, gab er an, dass er auf jeden Fall soweit Probleme habe, dass er nicht nach Tschetschenien zurückkehren könne. Seit diesem Datum habe es einige Kämpfe in Tschetschenien gegeben, zum Beispiel in Grosny. Es habe auch Fälle gegeben, dass junge Männer aus seinem Dorf entführt worden seien. Sie seien auch zum Haus des Beschwerdeführers gekommen. Die Familien, die am Krieg teilgenommen hätten, würden immer noch unter Beobachtung gehalten.
Auf die beiden Ladungen angesprochen, meinte der Beschwerdeführer, dass er, nachdem das negative Erkenntnis gekommen sei, mit seiner Mutter Kontakt aufgenommen habe. Diese meinte, dass er nicht zurück nach Hause könne, weil immer wieder Ladungen kommen würden. Als er ein Gespräch mit einer Mitarbeiterin der XXXX geführt habe, meinte diese, dass diese Ladung für ein neues Asylverfahren sehr wichtig wäre. Er habe dann seiner Mutter gesagt, einige Ladungen zu schicken. Sie habe sie auch per Brief geschickt, aber diese hätten sie nicht bekommen. Sein Bruder, der sich in Norwegen aufhalte, habe eine mit einem Paket bekommen. Die zweite Ladung sei dann in einem Paket mit Kleidung für die Kinder nach Österreich geschickt worden.
Diese Ladungen seien in Tschetschenien seiner Mutter zugestellt worden, die noch immer an der ehemaligen Wohnadresse des Beschwerdeführers lebe. Die Mutter habe die Ladungen in Empfang genommen. Sie würden nach Hause kommen und die Ladungen jemandem geben, der gerade zuhause sei. Seine Mutter sei meistens zuhause.
Auf Vorhalt, dass es ziemlich unplausibel sei, dass er nach vier Jahren Ladungen erhalte, wo er nicht gekämpft und die Kämpfer nur einmal im Jahr 2009 geringfügig unterstützt habe, meinte er, dass seine Mutter einige Ladungen sogar verbrannt haben soll. Sie habe eigentlich nicht gewusst, dass der Beschwerdeführer diese brauchen würde. Fünf bis sieben seien nicht verbrannt worden. Zwei Ladungen seien unterwegs verloren gegangen. Vor seiner Ausreise nach XXXX habe sein Anwalt gesagt, er solle die Ladungen als Beweis vorlegen. Er habe sie jedoch nicht bekommen. Dies sei auch der Grund gewesen, wieso er nach XXXX gefahren sei. Erst nach seiner Rückkehr nach Österreich habe er dann Ladungen erhalten. Während seines Aufenthaltes in XXXX sei er von seiner Schwägerin kontaktiert worden und habe ihm diese mitgeteilt, dass sie Ladungen betreffend den Beschwerdeführer bekommen habe.
Zu den Verwandten in Tschetschenien habe er keinen besonderen Kontakt. Manchmal kontaktiere er seine Schwester, wenn diese bei seiner Mutter sei, beide. Seine Ehefrau telefoniere öfters mit ihnen, als er selbst. Seine Mutter kontaktiere er im Schnitt alle drei bis vier Monate.
Seine Schwester sei verheiratet. Zuhause habe er nur seine Mutter, um die er sich eigentlich als jüngster Sohn kümmern sollte. Er habe aufgrund seiner Probleme jedoch wegfahren müssen.
Zuletzt habe er von seinen Verwandten nach seiner Abschiebung aus XXXX gehört, dass bei ihm zuhause die Behörden gewesen seien und nach seinen Brüdern und ihm gefragt hätten, ob sie in der Zwischenzeit nach Tschetschenien gekommen seien. Es sei so in Tschetschenien, dass, wenn einer im Krieg gefallen sei, die Verwandten immer noch verdächtigt werden würden.
Seine Brüder würden in Österreich und Norwegen wohnen. Wo sich die anderen Brüder aufhalten würden, wisse er nicht. Er habe keine Informationen zu seinen beiden weiteren Brüdern.
Auf Vorhalt, wonach er vor dem BFA angegeben habe (AS 95, 97), dass lediglich seine Frau mit seiner Mutter telefoniert habe und er jetzt davon spreche, dass er auch mit der Mutter telefoniert habe, erklärte er, in der letzten Zeit mit seiner Mutter telefoniert zu haben. Er habe früher nicht telefoniert.
Auf Frage der Vertreterin, ob er ausschließen könne, dass die beiden Brüder, deren Aufenthalt er nicht kenne, kämpfen würden, meinte er, dies nicht sagen zu können. Von der Vertreterin danach befragt, seit wann er keinen Kontakt mehr mit den beiden Brüdern habe, meinte er, dass wegen dem Bruder, der im Krieg gefallen sei, seine Familie nicht nur in Tschetschenien, sondern auch in Russland Probleme gehabt habe. Mit diesen beiden Brüdern habe er sowohl vor als auch nach der Ausreise keinen Kontakt gehabt.
Von der Vertreterin nach dem letzten Kontakt zu diesen beiden Brüdern befragt, meinte er, vor der Ausreise einen der beiden gesehen zu haben. Sie seien zu ihnen für kurze Zeit nachhause gekommen und hätten gemeint, dass sie Probleme in Tschetschenien, aber auch in Russland haben würden. Ein Bruder, der nach Tomsk gezogen sei, sei dort umgebracht worden. Die Todesurkunde von ihm in Österreich habe er schon vorgelegt.
Befragt, ob er von seinen Verwandten gehört habe, dass die Behörden den Verdacht gehegt hätten, dass zwei seiner Brüder sich den Kämpfern angeschlossen hätten, meinte er, dies nicht gehört zu haben. In Tschetschenien herrsche eine große Gesetzlosigkeit.
Nach aktuellen gesundheitlichen oder psychischen Problemen befragt, gab er an, sich viele Sorgen über seine Zukunft zu machen. Die Unsicherheit, ob er in Österreich bleiben könne, wirke sich psychisch negativ aus.
In Österreich gehe er spazieren und bringe er seine Kinder zur Schule. So verlaufe der Tag.
Nach Kursen oder Ausbildungen in Österreich befragt, meinte er, keine Kurse vom Staat bekommen zu haben. Seine Frau sei bei einem Kurs gewesen. Sie hätten selbständig Deutsch für den Alltag gelernt.
Er habe in Österreich auch nicht gearbeitet. Ab und zu habe er dem Chef der Flüchtlingspension geholfen.
In Österreich würden sich sein Bruder und viele Freunde und Bekannte - darunter auch Österreicher - aufhalten. Er lebe mit seinem Bruder nicht im gemeinsamen Haushalt. Sie würden sich gegenseitig besuchen, habe jedoch er seinen Bruder und auch umgekehrt sein Bruder ihn nicht um Hilfe gebeten. Sein Bruder und seine Schwester würden ihn ca. einmal in vier bis sechs Monaten besuchen.
Er sei auch in keinem Verein oder sonstigen Institutionen Mitglied. Er sei so gut wie immer im XXXX.
Für den Fall einer Rückkehr sei er nicht sicher, ob er überhaupt nachhause kommen würde. Er glaube, er würde direkt vom Flughafen aus verschwinden. Derartige Fälle habe es schon gegeben. Eine Abschiebung wäre für ihn lebensgefährlich.
Auf Befragung der Vertreterin, wie er seine österreichischen Freunde kennengelernt habe, meinte er, diese während seines vierjährigen Aufenthaltes in XXXX kennengelernt zu haben. Es handle sich um Einheimische. Die Frauen hätten kleine Geschenke für die Kinder gebracht, dadurch hätten sie auch die Männer kennen gelernt. Wenn jemand Hilfe gebraucht habe, habe er geholfen.
Seine Ehefrau erklärte auf Nachfrage, ob sie ihr bisheriges Vorbringen aufrechterhalte, dass sie nichts Besonderes zu ändern oder zu ergänzen habe. Sie sei im fünften Monat schwanger.
Nach schulischer oder sonstiger Ausbildung befragt, erklärte die Ehefrau, in Tschetschenien elf Jahre lang die Mittelschule besucht zu haben. Sie habe dann Buchhaltungskurse gemacht und sei in einer Personalabteilung tätig gewesen. Sie habe von 2005 bis 2008 gearbeitet.
Bis zu ihrer Heirat habe sie in XXXX dann in XXXX gelebt.
Sie habe die Kämpfer in keiner Weise unterstützt.
Befragt, ob nahe Verwandte aktive Kämpfer gewesen seien, meinte sie, dass ihr Bruder in XXXX getötet worden sei, als die meiste Bevölkerung das Dorf verlassen habe, habe dieser das Dorf im zweiten Krieg nicht verlassen können. Die ganze Familie sei eigentlich in XXXX geblieben. Das Dorf sei drei Tage lang von den Russen beschossen worden. Ihr Bruder sei durch einen Raketensplitter getötet worden.
Auf Vorhalt, dass alle Vorgänge, die sich vor dem Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 25.10.2012 ereignet hätten, von der Rechtskraft dieser Entscheidung umfasst seien und auf Nachfrage, was nach diesem Datum geschehen sei, das für ihre Asylgründe von Bedeutung sein könnte, meinte die Ehefrau, dass sie mit ihrer Schwiegermutter telefoniert habe. Nachdem sie dieser gesagt habe, dass sie aus Österreich abgeschoben werden könnten, sagte diese, dass es für den Beschwerdeführer gefährlich wäre und sie alles tun sollten, um in Österreich bleiben zu können. Deswegen seien sie dann auch nach XXXX gefahren. Die Schwiegermutter habe auch gesagt, dass für den Beschwerdeführer Ladungen gekommen seien. Sie hätten Angst gehabt, dass der Beschwerdeführer sogar schon am Flughafen in XXXX verschwinden könnte. Sie könne sich nicht vorstellen, mit drei Kindern alleine zu bleiben.
Das Gespräch mit der Schwiegermutter habe glaublich im September 2013 stattgefunden, bevor sie nach XXXX gegangen seien. Die Schwiegermutter habe während dem Gespräch geweint. Diese habe vorher nichts erzählt, damit sie sich keine Sorgen machen würden. Nach der Abschiebung von XXXX nach XXXX, habe die Ehefrau wieder mit der Schwiegermutter telefoniert. Damals habe die Schwiegermutter gesagt, dass sie im Februar 2014 wieder bei ihnen gewesen seien. Auch nach dem Vorfall in Grosny im Dezember habe ihre Schwiegermutter erzählt, dass Behördenvertreter bei ihnen zuhause gewesen seien.
Sie habe drei Schwestern zuhause. Ihre Eltern seien verstorben. Den Verwandten gehe es normal. Diese seien verheiratet.
Befragt, ob es richtig sei, dass sie die Informationen über allfällige Suchmaßnahmen nach ihrem Ehemann ausschließlich über ihre Schwiegermutter erhalten habe, meinte sie, dass diese die Einzige sei, die sich immer noch in diesem Haus aufhalte. Mit anderen Leuten versuche sie über dieses Thema nicht zu sprechen, von der Schwiegermutter erhalte sie die Informationen.
Nach gesundheitlichen oder psychischen Problemen befragt, meinte sie, dass es ihnen wahrscheinlich wegen der unsicheren Situation psychisch nicht so gut gehe. Auch der Ehemann sei bei einem Psychiater gewesen und habe Tabletten nehmen müssen. Die Beschwerdeführerin sei bei einem Neurologen gewesen, der ihr Tabletten verschrieben habe.
Die Töchter seien nicht krank.
Befragt, was sie in Österreich machen würden, meinte sie, dass sie die meiste Zeit in der Pension mit ihren Kindern verbringe. Sie bringe diese in die Schule oder in den Kindergarten.
Nach Kursen oder Ausbildungen befragt, meinte sie, dass Mitarbeiter der XXXX gemeint hätten, dass es schwierig für Asylwerber sei, einen Deutschkurs zu bekommen. Sie habe in XXXX einen Deutschkurs bekommen, habe diesen jedoch abbrechen müssen, da sie nach XXXX gefahren seien. Sie habe auch in XXXX einen Deutschkurs in der Nachbar-Pension besucht.
Befragt, ob sie in Österreich in irgendeiner Form gearbeitet habe, meinte sie, dass sie in einem Altenheim unentgeltlich gearbeitet habe. Als sie dort begonnen habe zu helfen, habe sie jedoch das negative Erkenntnis bekommen. Es sei ihre Idee gewesen, dort zu helfen.
Abgesehen von ihren Familienangehörigen habe sie keine weiteren Angehörigen im Bundesgebiet.
Zu ihren Kindern befragt, erklärte sie, dass ihre Tochter XXXX in die 1. Klasse gehe. XXXX besuche den Kindergarten und XXXX sei noch zuhause und besuche ab September auch den Kindergarten.
Für den Fall einer Rückkehr in den Herkunftsstaat befürchte sie, dass der Beschwerdeführer mitgenommen werden würde. Sie könne sich nicht vorstellen, dass sie dort alleine mit drei Kindern leben könnte.
Ihre Kinder seien in Österreich zur Welt gekommen und seien hier schon eingelebt. Sie würden sich alle wie zuhause fühle. Bei einer Rückkehr hätte sie Angst um den Beschwerdeführer.
Die Vertreterin brachte vor, dass alle Kinder Mädchen seien. Die Situation von Frauen und Mädchen in Tschetschenien sei problematisch, aus den Länderfeststellungen gehe hervor, dass Frauen und Mädchen in vielen Bereichen diskriminiert seien.
Zuletzt wurde den Verfahrensparteien gem. § 45 Abs. 3 AVG das Länderinformationsblatt der der Staatendokumentation vom 16.09.2014, ergänzt am 17.10.2014, und eine Frist zur Abgabe einer Stellungnahme von zwei Wochen eingeräumt.
In der Stellungnahme vom 17.03.2015 wurde insbesondere darauf hingewiesen, dass der Beschwerdeführer und seine Ehefrau erfahren hätten, dass mehrfach Ladungen der tschetschenischen Behörden gekommen seien, die auch beispielhaft vorgelegt worden seien.
Sowohl nach dem Beschwerdeführer als auch nach seinen Brüdern werde gesucht. Ein Bruder sei im ersten Tschetschenienkrieg getötet worden, der zweite Bruder sei während einer Säuberung im zweiten Tschetschenienkrieg getötet worden, ein dritter Bruder sei in der Russischen Föderation ermordet worden, zwei Brüder würden in Österreich und Norwegen leben und zwei Brüder seien unbekannten Aufenthaltes.
Die Länderinformationen würden das Vorbringen des Beschwerdeführers bestätigen. Der Beschwerdeführer werde aufgrund verschiedener gefahrenerhöhender Umstände gesucht. Seinen Brüdern sei im "Westen" Asyl gewährt worden, er selbst sei geflohen und halte sich nunmehr langjährig außerhalb von Tschetschenien auf. Es gebe auch Berichte, wonach Rückkehrer Verfolgung ausgesetzt seien.
Der Beschwerdeführer fürchte, im Fall einer Rückkehr in sein Herkunftsland aufgrund der ihm unterstellten politischen Gesinnung bzw. der Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe einer Familie, der eine regimefeindliche Gesinnung unterstellt werde, verfolgt zu werden. Unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Herkunftsland des Beschwerdeführers sei dies auch für einen Dritten nachvollziehbar und damit wohlbegründet.
Beim Beschwerdeführer und seiner Familie handle es sich schließlich um eine Familie mit drei minderjährigen Mädchen, die entweder in Österreich geboren worden seien bzw. im Kleinkindalter in das Bundesgebiet eingereist seien. Die minderjährigen Mädchen besuchen teils den Kindergarten, teils die Volksschule. Die älteste Tochter beherrsche mündlich die tschetschenische Sprache und die deutsche Sprache sowohl schriftlich als auch mündlich. Im Herkunftsland des Beschwerdeführers und seiner Familie werde außerhalb der Familie - im öffentlichen Bereich - die russische Sprache verwendet. Die Töchter seien der russischen Sprache nicht mächtig.
Weiters wurde die problematische Stellung von Frauen in Tschetschenien thematisiert.
Frauen und Mädchen seien in Tschetschenien in vielen Bereichen diskriminiert, zum Beispiel hinsichtlich des Zugangs zur Bildung und Arbeit. Sie seien auch häufig häuslicher Gewalt ausgesetzt. Für viele Mädchen sei die erste sexuelle Erfahrung eine Vergewaltigung.
Die Töchter des Beschwerdeführers würden bei einer Rückkehr nach Tschetschenien in einer Umgebung aufwachsen, in der die Bewohner durch zwei brutale Kriege, Gewalt und Verschleppungen vielfach traumatisiert seien und die Menschen weiterhin unter Angst und Gewalt durch ein repressives, autoritäres Regime leiden würden.
Schließlich wurde erneut auf die Bedeutung des Kindeswohles hingewiesen.
Die Tochter XXXX habe sich trotz schwieriger Lebensumstände gut in Österreich integriert und erbringe sehr gute Leistungen in der Schule. Auch Der Beschwerdeführer, seine Ehefrau und XXXX seien um eine gute Integration in Österreich bemüht und hätten gute Kontakte mit österreichischen Familien. Bei der Interessenabwägung sollte vorrangig das Kindeswohl berücksichtigt werden. Auch sollten die (kindergerechten) Lebensbedingungen in Österreich zur Situation in Tschetschenien, der Diskriminierung und Gewalt, der Mädchen und Frauen in Tschetschenien ausgesetzt seien, der persönlichen Entwicklungsmöglichkeiten des Beschwerdeführers und seiner Familie im Vergleich zu Tschetschenien jeweils von einem Überwiegen der privaten Interessen des Beschwerdeführers und seiner Familie an einem Verbleib in Österreich gegenüber den öffentlichen Interessen an einer Aufenthaltsbeendigung ausgegangen werden.
Vorgelegt wurden ein Bericht von RadioFreeEurope, Radio Liberty vom 08.03.2015 in dem von der Ermordung eines heimgekehrten Tschetschenen berichtet wird.
Weiters wurde ein Schreiben der Klassenlehrerin von XXXX über Lernfortschritte in der ersten Klasse Volksschule, eine Schulbesuchsbestätigung der Volksschule XXXX vom 06.03.2015, eine undatierte Bestätigung des Kindergartens der Marktgemeinde XXXX über ausreichende Deutschkenntnisse von XXXX sowie ein Mutter-Kind-Pass über die Geburt eines weiteren Kindes voraussichtlich am 22.07.2015 übermittelt.
Zuletzt wurde eine E-Mail vom 20.03.2015 einer Familie aus XXXX übermittelt, die den Beschwerdeführer und seine Familie in XXXX besucht hätten.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellung (Sachverhalt):
Zur Person des Beschwerdeführers wird Folgendes festgestellt:
Er ist Staatsbürger der Russischen Föderation, Angehöriger der tschetschenischen Volksgruppe und Moslem und wurde er am XXXX in XXXX geboren, wo er aufgewachsen ist, bis zur Ausreise gelebt hat und eine Landwirtschaft betrieben hat.
Er hat sich in Tschetschenien nicht politisch betätigt und auch in keinem der beiden Tschetschenienkriege aktiv gekämpft.
Über die Ausreisegründe können mangels glaubhafter Angaben keine Feststellungen getroffen werden.
Er ist mit seiner Frau XXXX und seiner ältesten Tochter XXXX am 18.10.2009 illegal eingereist und wurden noch am selben Tag Anträge auf internationalen Schutz gestellt.
Im Bundesgebiet wurden die Töchter XXXX und XXXX geboren und auch für diese Anträge auf internationalen Schutz gestellt.
Sämtliche Anträge wurden durch das Bundesasylamt jeweils betreffend Asyl und subsidiären Schutz negativ entschieden und jeweils eine Ausweisung aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Russische Föderation verfügt. Gegen diese Bescheide erhobene Beschwerden wurden mit Erkenntnissen des Asylgerichtshofes vom 25.10.2012 abgewiesen und jeweils die Ausweisung aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Russische Föderation ausgesprochen. Die Erkenntnisse erwuchsen mit ihrer Zustellung am 14.11.2012 in Rechtskraft. Die Behandlung einer dagegen erhobenen Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof wurde mit Beschluss vom 06.06.2013 abgelehnt.
Der Beschwerdeführer und seine Familienangehörigen verließen danach für ca. drei Monate das Bundesgebiet, stellten in XXXX Anträge auf internationalen Schutz, wurden am 04.02.2013 nach Dublin-Konsultationen von Österreich rückübernommen, wo sie noch am selben Tag die gegenständlichen Anträge auf internationalen Schutz gestellt haben.
Eine schwerwiegende bzw. lebensbedrohliche gesundheitliche Beeinträchtigung des Beschwerdeführers liegt nicht vor.
Er lebt derzeit von der Grundversorgung, hat Deutschkurse besucht, geht keiner Beschäftigung nach, hat im Bundesgebiet keine Aus-, Fort- oder Weiterbildung absolviert, ist nicht Mitglied in einem Verein oder einer karitativen Einrichtung und konnte zusammengefasst keine fortgeschrittene Integration im Bundesgebiet nachweisen.
Dasselbe gilt für seine Ehefrau. Seine drei minderjährigen Töchter im Alter von drei bis sechs Jahren besuchen teils die erste Klasse Volksschule, teils den Kindergarten.
Sein Bruder sowie seine Schwester, mit denen er gelegentlich Kontakt hat, leben in Österreich. Seine Mutter lebt nach wie vor am Wohnsitz des Beschwerdeführers vor seiner Ausreise in Tschetschenien.
Zu Tschetschenien und einer allfälligen inländischen Fluchtalternative von Tschetschenen in der Russischen Föderation wird Folgendes festgestellt:
1. Neueste Ereignisse - Integrierte Kurzinformationen
Anlässlich des EASO Country of Origin Information Report Chechnya:
Women, Marriage, Divorce and Child Custody vom September 2014 werden in dieser Kurzinformation Informationen zu folgenden Punkten weitergegeben: Verhältnis von Adat, Scharia und russisches Recht; Vergewaltigung; muslimische Eheschließung; Waisenhäuser.
Das Verhältnis von Adat, Scharia und Russischem Recht
Russisches Recht gilt in der gesamten Russischen Föderation, inklusive Tschetschenien. Zusätzlich spielen in Tschetschenien jedoch auch das Traditionsrecht Adat und die Scharia eine wichtige Rolle. Republiksoberhaupt Ramsan Kadyrow betont die Wichtigkeit des Russischen Rechts, während er ebenso auf die Bedeutung des Islam und der tschetschenischen Traditionen hinweist. Das tschetschenische Traditionsrecht Adat regelt das Zusammenleben der tschetschenischen Gesellschaft in fast allen sozialen Situationen und Beziehungen. Es ist jedem/jeder tschetschenischen Bürger/in bekannt, egal welchem Clan eine Person angehört. Über die Jahrhunderte wurden diese alltäglichen Regeln mündlich von Generation zu Generation weitergegeben. Die Entstehung des Adat rührt vom Fehlen einer zentralen Regierungsbehörde bzw. einer funktionierenden Gesetzgebung her. Adat ist so etwas wie ein Grundgerüst der Gesellschaft. Auch die Scharia ist in Tschetschenien wichtig. Die Mehrheit der Tschetschenen sind Sunniten und gehören dem sufistischen Zweig des sunnitischen Islams an [für Informationen bezüglich Sufismus vgl.:
ÖIF Monographien (2013): Glaubensrichtungen im Islam]. Nur eine kleine Minderheit gehört der salafistischen Ausrichtung des Islam an (EASO S. 9f).
Formell hat Russisches Recht Vorrang vor Adat und Scharia, in der Praxis sind aber sowohl Adat und Scharia gleich wichtig wie die russische Gesetzgebung. Eine Quelle des Berichtes weist darauf hin, dass die tschetschenische Republik in der Theorie zwar unter die russische Gerichtsbarkeit fällt, in der Realität aber außerhalb davon steht. Dies legt nahe, dass sowohl Adat, als auch Scharia verwendet werden und es unterschiedliche Sichtweisen gibt, welches von den beiden einen größeren Einfluss auf die Gesellschaft hat. Weitere Quellen geben an, dass sich die Entstehung des Rechtssystems und der Rechtsstaatlichkeit seit dem Kollaps der Sowjetunion umgekehrt hat. Unter sowjetischer Herrschaft waren tschetschenische Frauen durch die russische Gesetzgebung geschützt. Polygamie, Brautentführungen und Ehrenmorde wurden bestraft. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion löste sich der Schutz durch russisches Recht für Frauen allmählich auf und gleichzeitig kam es zu einem stärkeren Einfluss von Adat und Scharia. Unter Kadyrow ist die tschetschenische Gesellschaft traditioneller geworden. Swetlana Gannuschkina (Vorsitzende der Flüchtlingshilfsorganisation "Zivile Unterstützung" (auch "Bürgerbeteiligung") und Leiterin des "Netzwerks juristischer Beratungsstellen für Flüchtlinge und Vertriebene") ist der Meinung, dass die Behandlung von Frauen, wie sie heute existiert, nie eine Tradition in Tschetschenien war. Ein tschetschenischer Anwalt berichtet, dass Frauen sowohl unter islamischen Recht, als auch Adat hoch geschätzt sind. Allerdings ist die Realität in Tschetschenien, dass Gewalt gegen Frauen weit verbreitet und die Situation im Allgemeinen für Frauen schwierig ist. Andere Quellen berichten auch, dass die Religion ein Rückschlag für die Frauen ist und sie in eine den Männern untergeordnete Position stellt. Diese Entwicklungen erfolgten in den letzten Jahren (EASO S. 9f).
Für die Quellen des EASO Berichtes ist nicht klar, ob Scharia oder Adat wichtiger für die tschetschenische Gesellschaft ist. Jedoch könne nur das Russische Recht Frauen effektiv beschützen. Es wird auch berichtet, dass die Scharia immer wichtiger wird und auch Kadyrow selbst - obwohl er sowohl Adat, als auch Scharia betont - sich in letzter Zeit eher auf die Scharia bezieht. Adat dürfte aber besonders bei Hochzeitstraditionen eine dominante Rolle spielen (EASO S. 9f).
Vergewaltigung:
Vergewaltigung ist laut Artikel 131 des russischen Strafgesetzbuches ein Straftatbestand. Das Ausmaß von Vergewaltigungen in Tschetschenien und anderen Teilen der Region ist unklar, da es im Allgemeinen so gut wie keine Anzeigen gibt. Vergewaltigung in der Ehe wird nicht einmal als Vergewaltigung angesehen. Laut Swetlana Gannuschkina ist Vergewaltigung in Tschetschenien und im gesamten Nordkaukasus weit verbreitet. Vergewaltigungen würden auch in Polizeistationen passieren. Vergewaltigung ist ein Tabuthema in Tschetschenien. Einer vergewaltigten Frau haftet ein Stigma an und sie wird an den Rand der Gesellschaft gedrängt, wenn die Vergewaltigung publik wird. Auch die Familie würde isoliert und stigmatisiert werden und es ist nicht unüblich, dass die Familie eine vergewaltigte Frau verstößt. Die vorherrschende Einstellung ist, dass eine Frau selbst schuld an einer Vergewaltigung sei. Bei Vergewaltigung von Minderjährigen gestaltet sich die Situation etwas anders. Hier wird die Minderjährige eher nicht als schuldig an der Vergewaltigung gesehen, wie es einer erwachsenen Frau passieren würde. Insofern ist die Schande für die Familie auch nicht so groß (EASO S. 21).
Muslimische Hochzeit:
Es ist in Tschetschenien üblich, auf muslimische Art - durch einen Imam - die Ehe zu schließen. Solch eine Hochzeit ist jedoch nach russischem Recht nicht legal, da sie weder vor einem Staatsbeamten geschlossen, noch registriert ist (EASO S. 25). Nach russischem Recht wird sie erst nach der Registrierung bei der Behörde ZAGS legal, die nicht nur Eheschließungen registriert, sondern auch Geburten, Todesfälle, Adoptionen usw. (EASO S. 24). Da die Registrierung mühsam ist und auch eine Scheidung verkompliziert, sind viele Ehen im Nordkaukasus nicht registriert. Eine Registrierung wird oft nur aus praktischen Gründen vorgenommen, beispielsweise in Verbindung mit dem ersten Kind (EASO S. 25).
Der Imam kann eine muslimische Hochzeit auch ohne Anwesenheit des Bräutigams schließen, jedoch ist laut Scharia die Anwesenheit der Frau nötig (EASO S. 25).
Waisenhäuser:
Üblicherweise werden Kinder, deren Eltern verstorben sind, von der Familie des Vaters versorgt. Können diese die Obsorge nicht übernehmen, würde die Familie der Mutter die Obsorge übernehmen. Gibt es jedoch auf beiden Seiten keine Familie mehr, würden die Kinder in ein Waisenhaus kommen. In Tschetschenien, wie auch im Rest des Nordkaukasus, unternehmen Familien große Anstrengungen, um zu vermeiden, dass Kinder in Waisenhäuser müssen, da dies einfach nicht üblich ist. Kinder in Waisenhäuser haben normalerweise ihre komplette Familie verloren. Wie viele Waisenhäuser es in Tschetschenien gibt, ist nicht ganz klar. Quellen geben zwischen zwei und sechs an (EASO S. 30).
Quellen:
EASO - European Asylum Support Office (9.2014): Chechnya: Women, Marriage, Divorce and Child Custody, http://www.ecoi.net/file_upload/90_1412929576_2014-10-10-easo-coi-report-chechnya.pdf , Zugriff 14.10.2014
2. Politische Lage
Die Russische Föderation hat knapp 143 Millionen Einwohner (CIA 20.6.2014).
Sie ist eine föderale Republik mit präsidialem Regierungssystem. Das russische Parlament besteht aus zwei Kammern, der Staatsduma (Volksvertretung) und dem Föderationsrat (Vertretung der 83 Föderationssubjekte). Der Staatspräsident der Russischen Föderation verfügt über weitreichende exekutive Vollmachten, insbesondere in der Außen- und Sicherheitspolitik. Seine Amtszeit beträgt sechs Jahre. Russischer Präsident ist seit dem 7. Mai 2012 Wladimir Wladimirowitsch Putin. Er wurde am 4. März 2012 (mit offiziell 63,6% der Stimmen) gewählt. Es handelt sich um seine dritte Amtszeit als Staatspräsident; zuvor war er auch 1999-2000 und 2008-2012 Ministerpräsident. Dmitri Anatoljewitsch Medwedew, seinerseits Staatspräsident 2008-2012, übernahm am 8. Mai 2012 erneut das Amt des Ministerpräsidenten. Bei der letzten Dumawahl im Dezember 2011 hat die auf Putin ausgerichtete Partei "Einiges Russland" ihre bisherige Zweidrittelmehrheit in der Staatsduma verloren, konnte jedoch eine absolute Mehrheit bewahren. Die drei weiteren in der Duma vertretenen Parteien (Kommunistische Partei, "Gerechtes Russland" und Liberal-Demokratische Partei Russlands) konnten ihre Stimmenanteile ausbauen. Wahlfälschungsvorwürfe bei den Dumawahlen waren ein wesentlicher Auslöser für Massenproteste im Dezember 2011 und Anfang 2012 (AA 6.2014).
Gegen Ende 2012 gab es weniger öffentliche Proteste, Meinungsumfragen zufolge nahm jedoch auch die Zustimmung der Bevölkerung zur politischen Führung ab (AI 23.5.2013).
Unter dem Eindruck der Ukrainekrise haben in Russland die meisten Regionen am 14.9.2014 neue Gouverneure und Kommunalparlamente gewählt. Auch die Halbinsel Krim war zum ersten Mal nach ihrer Annexion im März dabei. Die Ukraine sieht die Krim weiter als ihr Territorium an und verurteilt die Abstimmung deshalb als illegal. Auf der Krim gingen 70,47 Prozent der Stimmen an die Regierungspartei "Einiges Russland" (Standard 15.9.2014).
Die liberale russische Opposition beklagte am Sonntag Fälle von Wahlfälschung etwa in St. Petersburg, der Heimatstadt von Präsident Wladimir Putin. Die unabhängige Wahlbeobachterorganisation Golos listete Dutzende Verstöße auf. Die zentrale Wahlleitung in XXXX sprach dagegen von "unbedeutenden Vorfällen".
Insgesamt waren nach jüngsten Angaben rund 75 Millionen Menschen in weiten Teilen Russlands zur Abstimmung aufgerufen. Dabei wurden unter anderem 30 Gouverneure gewählt - allerdings gab es keinen einzigen Machtwechsel, wie Medien berichteten. Auf ganz Russland gesehen habe die Wahlbeteiligung bei durchschnittlich 46,25 Prozent gelegen (Zeit Online 15.9.2014, Kleine Zeitung 14.9.2014).
Nach einigen politischen Reformen in Reaktion auf die Proteste wird seit Mai 2012 eine stete Zunahme autoritärer Tendenzen beklagt. So wurden im Sommer 2012 das Versammlungsrecht und die Gesetzgebung über Nichtregierungsorganisationen erheblich verschärft, 2013 ein föderales Gesetz gegen "Propaganda von nicht traditionellen sexuellen Beziehungen" erlassen. Im Februar 2014 wurde die Extremismus-Gesetzgebung verschärft sowie Hürden für die Wahlteilnahme von Parteien und Kandidaten beschlossen, welche die Wahlchancen oppositioneller Kräfte verschlechtern (AA 6.2014).
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt (6.2014): Russische Föderation - Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/sid_167537BE2E4C25B1A754139A317E2F27/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/RussischeFoederation/Innenpolitik_node.html , Zugriff 3.9.2014
AI - Amnesty International (23.5.2013): Amnesty International Report 2013 - Zur weltweiten Lage der Menschenrechte - Russische Föderation, http://www.ecoi.net/local_link/248036/374230_de.html , Zugriff 3.9.2014
CIA - Central Intelligence Agency (20.6.2014): The World Factbook, https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/rs.html , Zugriff 3.9.2014
Kleine Zeitung (14.9.2014): Russland wählte unter Eindruck der Ukraine-Krise,
http://www.kleinezeitung.at/nachrichten/politik/3739378/regionalwahlen-russland-begonnen.story , Zugriff 16.9.2014
Standard (15.9.2014): "Geeintes Russland" festigt Position bei Regionalwahlen,
http://derstandard.at/2000005575660/Kremlpartei-Geeintes-Russland-festigt-Position-bei-Regionalwahlen , Zugriff 16.9.2014
Zeit Online (15.9.2014): Kremlpartei gewinnt Kommunalwahl auf der Krim,
http://www.zeit.de/politik/ausland/2014-09/russland-kommunalwahlen-krim-moskau , Zugriff 16.9.2014
2.1. Tschetschenien
Die Tschetschenische Republik ist eine der 21 Republiken der Russischen Föderation. Die Kennzahlen betreffend Fläche und Einwohnerzahl - 15.647 km2 und fast 1,3 Millionen Einwohner/innen (2010) - ist Tschetschenien mit der Steiermark vergleichbar. Etwa die Hälfte des tschetschenischen Territoriums besteht aus Ebenen im Norden und Zentrum der Republik. Gemäß der letzten offiziellen Volkszählung 2010 hat Tschetschenien 1,27 Millionen Einwohner/innen.
Heutzutage ist die Republik eine nahezu monoethnische: 95,3% der Bewohner/innen Tschetscheniens gaben 2010 an, ethnische Tschetschen/innen zu sein. Der Anteil ethnischer Russ/innen an der Gesamtbevölkerung liegt bei 1,9%. Rund 1% sind ethnische Kumyk/innen, des Weiteren leben einige Awar/innen, Nogaier/innen, Tabasar/innen, Türk/innen, Inguschet/innen und Tatar/innen in der Republik (ÖIF/Rüdisser 11.2012).
Den Föderationssubjekten stehen Gouverneure vor. Gouverneur von Tschetschenien ist Ramsam Kadyrow. Er gilt als willkürlich herrschend. Russlands Präsident Putin lässt ihn aber walten, da er Tschetschenien "ruhig" hält. Tschetschenien wird überwiegend von Geldern der Zentralregierung finanziert. So erfolgte der Wiederaufbau von Tschetscheniens Hauptstadt Grosny vor allem mit Geldern aus XXXX (BAMF 10.2013).
Sowohl bei den gesamtrussischen Duma-Wahlen im Dezember 2011, als auch bei den Wahlen zum russischen Präsidenten im März 2012 lag die Wahlbeteiligung in Tschetschenien bei über 99%. Die Zustimmung für die Regierungspartei "Einiges Russland" und für Präsidentschaftskandidat Wladimir Putin lag in der Republik ebenfalls bei jeweils über 99%. Bei beiden Wahlen war es zu Wahlfälschungsvorwürfen gekommen (Welt 5.3.2012, Ria Novosti 5.12.2012, vgl. auch ICG 6.9.2013).
Quellen:
BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (10.2013): Protokoll zum Workshop Russische Föderation/Tschetschenien am 21.-22.10.2013 in Nürnberg
ICG - International Crisis Group (6.9.2013): The North Caucasus: The Challenges of Integration (III), Governance, Elections, Rule of Law, http://www.ecoi.net/file_upload/1002_1379094096_the-north-caucasus-the-challenges-of-integration-iii-226-the-north-caucasus-the-challenges-of-integration-iii-governance-elections-rule-of-law.pdf , Zugriff 2.9.2014
ÖB XXXX (9.2013): Asylländerbericht Russische Föderation
Ria Novosti (5.12.2012): United Russia gets over 99 percent of votes in Chechnya, http://en.rian.ru/society/20111205/169358392.html , Zugriff 2.9.2014
ÖIF/Rüdisser, V. (2012): Russische Föderation/Tschetschenische Republik. In: Länderinformation n°15, Österreichischer Integrationsfonds,
http://www.integrationsfonds.at/laenderinformation/laenderinformation_russiche_foederationtschetschenische_republik/ , Zugriff 2.9.2014
Die Welt (5.3.2012): In Tschetschenien stimmen 99,76 Prozent für Putin,
http://www.welt.de/politik/ausland/article13903750/In-Tschetschenien-stimmen-99-76-Prozent-fuer-Putin.html , Zugriff 2.9.2014
3. Sicherheitslage
Wie verschiedene Anschläge gezeigt haben, kann es in Russland auch außerhalb der Kaukasus-Region jederzeit zu Attentaten kommen. Zuletzt forderten Terroranschläge in Wolgograd (am 21.10.2013 und 30.12.2013 in Linienbussen, am 29.12.2013 im Eingangsbereich des Hauptbahnhofs) zahlreiche Todesopfer und Verletzte. Ein Terroranschlag auf dem Moskauer Flughafen Domodedowo forderte am 24. Januar 2011 Dutzende Menschenleben, über 100 wurden verletzt. Am 29. März 2010 ereigneten sich in der Moskauer Metro zwei Sprengstoffexplosionen, dabei wurden Dutzende Menschen getötet (AA 15.9.2014).
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt (15.9.2014): Russische Föderation - Reise- und Sicherheitshinweise,
http://www.auswaertiges-amt.de/sid_93DF338D07240C852A755BB27CDFE343/DE/Laenderinformationen/00-SiHi/Nodes/RussischeFoederationSicherheit_node.html , Zugriff 15.9.2014
3.1. Nordkaukasus
In den Regionen des Nordkaukasus (Inguschetien, Tschetschenien, Dagestan, Nordossetien und Kabardino-Balkarien) besteht aufgrund von Anschlägen, bewaffneten Auseinandersetzungen, Entführungsfällen und Gewaltkriminalität ein hohes Sicherheitsrisiko (AA 8.9.2014).
Seit einigen Jahren schon breitet sich die Gewalt über die Grenzen der russischen Teilrepublik Tschetschenien aus und infiziert den gesamten Nordkaukasus. Betroffen ist vor allem der östliche Teil des Nordkaukasus - neben Tschetschenien besonders Dagestan und Inguschetien. Dabei konzentriert sich die Gewalt hauptsächlich auf Dagestan, die größte russische Teilrepublik im Nordkaukasus. Mit der Begründung, die verfassungsmäßige Ordnung in Tschetschenien wiederherzustellen und den islamistischen Terrorismus zu bekämpfen, wurde eine Politik legitimiert, die darauf zielte, die Rebellen physisch zu vernichten. Zwischen unbeteiligter Bevölkerung und nichtstaatlichen Gewaltakteuren wurde nicht unterschieden, Rechtsbrüche nicht geahndet. All dies schürte eine Atmosphäre der Willkür und Rechtlosigkeit, die die Bevölkerung in Ohnmacht und Wut versetzte. Angesichts der Rücksichtslosigkeit der russischen Sicherheitsorgane im "Kampf gegen den Terrorismus" wächst innerhalb der Bevölkerung des Nordkaukasus die Sympathie für gewaltsame Formen des Widerstands. Wegen der allgemeinen Perspektivlosigkeit erhöht sich, insbesondere unter jungen Menschen, die Bereitschaft, sich den islamistischen Gruppen anzuschließen. Die Strategie Moskaus ist offenkundig kontraproduktiv; sie erreicht das Gegenteil dessen, was sie beabsichtigt. Eine weitere Ursache für die Gewalt sind die zunehmenden Spannungen und Scharmützel zwischen den verschiedenen islamistischen Fraktionen in der Region (BpB 6.1.2014, vgl. ÖB 9.2013).
Im Sicherheitsbereich ist ein Trend zu beobachten, der auf eine Stabilisierung Tschetscheniens bei gleichzeitiger Verschlechterung der Lage in Dagestan hinausläuft. In manchen Regionen konstatieren Beobachter auch ein Übergreifen der Gewalt auf bisher ruhige Gebiete. Mit der Schaffung des "Nord-Kaukasus Distrikts", der Annahme eines umfangreichen Programmes für die sozioökonomische Entwicklung und der Betrauung von Wirtschaftsfachleuten mit hohen politischen Funktionen in der Region verfolgte XXXX seit Anfang 2010 einen neuen, umfassenderen Ansatz zur Stabilisierung der nordkaukasischen Republiken (ÖB Moskau 9.2013). Mittlerweile ist Alexander Khloponin, der von Putin als Repräsentant des Nord-Kaukasus-Distrikts eingesetzt war, zurückgetreten und wird von Sergei Melikov, seines Zeichens Kommandeur der Truppen des russischen Innenministeriums im Nordkaukasus, ersetzt. Er ist dadurch für alle Anti-terroristischen Operationen im Nordkaukasus verantwortlich. Dies kann als Zeichen dafür gesehen werden, dass der früheren Strategie, die Gewalt im Nordkaukasus mittels einer sozio-ökonomischen Entwicklung einzudämmen, der Nachrang gegenüber einer erneuten Offensive im Sicherheitsbereich gegeben wird. Da Melikovs Karriere hauptsächlich auf seine Erfahrung im Kampf gegen die militanten Aufständischen im Nordkaukasus fußt, liegt die Vermutung nahe, dass seine einzige Aufgabe als Gesandter des russischen Präsidenten im Nordkaukasus der Kampf gegen die bewaffneten Untergrundbewegungen ist (Jamestown 23.5.2014).
Als Konkurrenzzone vieler politischer Kräfte, die ihre Positionen im Bereich des Schwarzen und Kaspischen Meeres zu festigen suchen, ist der Nord-Kaukasus eine für Russland wichtige Region. Seit einiger Zeit gibt es im Nord-Kaukasus positive Entwicklungen:
die Einsicht über die Notwendigkeit einer Strategie zur Lösung vieler örtlicher Probleme
die Abnahme der Zahl zwischenethnischer Konflikte
die Stabilisierung sozio-ökonomischer Bedingungen (IOM 6.2014)
Dennoch bleibt die Situation im Nordkaukasus in bestimmten Gebieten angespannt. Dies ist auf eine Kombination unterschiedlicher Faktoren zurückzuführen: niedriger Grad wirtschaftlicher Entwicklung, verlorenes Vertrauen in die Politik Moskaus sowie ethnische Rivalitäten. Hinzu kommen noch regional spezifische Strukturen und Probleme. Im Nordkaukasus herrscht ein kompliziertes Beziehungsgeflecht zwischen russischen Truppen, kremltreuen lokalen Einheiten, islamistischen Rebellen und kriminellen Banden. Russische Menschenrechtler beklagen, dass die Staatsmacht im Nordkaukasus schwach ist und alle möglichen Gruppierungen in dieses Vakuum vorstoßen (ÖB Moskau 9.2013).
Laut der monatlichen Statistik zu Opfern des Konflikts im Nordkaukasus wurden im ersten Halbjahr 2014 insgesamt 271 Opfer gezählt, davon 179 Todesopfer und 92 Verwundete (Caucasian Knot 2014a,b,c,d,e,f).
Russlands Staatsfeind Nummer Eins, Doku Umarow (Kampfname Dokku Abu Usman), der selbsternannte "Emir" des "Kaukasus Emirats", ist tot. Zu dessen Nachfolger wurde Scheich Ali Abu Muhammad (auch Ali Abu Muhammad al Dagestani) ernannt. Zum Zeitpunkt und den genauen Umständen von Umarows Tods wurden keine Angaben gemacht (Standard 18.3.2014, Kurier 18.3.2014, Kavkaz Center 18.3.2014).
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt (8.9.2014): Russische Föderation - Reise- und Sicherheitshinweise,
http://www.auswaertiges-amt.de/sid_93DF338D07240C852A755BB27CDFE343/DE/Laenderinformationen/00-SiHi/Nodes/RussischeFoederationSicherheit_node.html , Zugriff 8.9.2014
Bundeszentrale für politische Bildung (6.1.2014): Nordkaukasus, http://www.bpb.de/internationales/weltweit/innerstaatliche-konflikte/54672/nordkaukasus , Zugriff 8.9.2014
Caucasian Knot (28.2.2014a): Infographics. Statistics of victims in Northern Caucasus in January 2014 under the data of the Caucasian Knot, http://eng.kavkaz-uzel.ru/articles/27405/ , Zugriff 8.9.2014
Caucasian Knot (22.3.2014b): Infographics. Statistics of victims in Northern Caucasus in February 2014 under the data of the Caucasian Knot, http://eng.kavkaz-uzel.ru/articles/27624/ , Zugriff 8.9.2014
Caucasian Knot (23.4.2014c): Infographics. Statistics of victims in Northern Caucasus in March 2014 under the data of the Caucasian Knot, http://eng.kavkaz-uzel.ru/articles/27919/ , Zugriff 8.9.2014
Caucasian Knot (14.5.2014d): Infographics. Statistics of victims in Northern Caucasus in April 2014 under the data of the Caucasian Knot, http://eng.kavkaz-uzel.ru/articles/28124/ , Zugriff 8.9.2014
Caucasian Knot (30.6.2014e): Infographics. Statistics of victims in Northern Caucasus in May 2014 under the data of the Caucasian Knot, http://eng.kavkaz-uzel.ru/articles/28567/ , Zugriff 8.9.2014
Caucasian Knot (21.7.2014f): Infographics. Statistics of victims in Northern Caucasus in June 2014 under the data of the Caucasian Knot, http://eng.kavkaz-uzel.ru/articles/28769/ , Zugriff 8.9.2014
IOM - International Organisation of Migration (6.2014):
Länderinformationsblatt Russische Föderation
Jamestown Foundation (23.5.2014): Appointment of General Melikov to Replace Khloponin Points to Kremlin Bid to Subdue Dagestani Insurgency, North Caucasus Weekly Volume 15, Issue 10, http://www.jamestown.org/programs/nc/single/?tx_ttnews [tt_news]=42376&tx_ttnews[backPid]=759&no_cache=1, Zugriff 5.9.2014
Kavkaz Center (18.3.2014): Caucasus Emirate's Emir Dokku Abu Usman martyred, Insha'Allah. Obituary, http://www.kavkazcenter.com/eng/content/2014/03/18/19017.shtml , Zugriff 5.9.2014
Kurier (18.3.2014): Kreml-Todfeind Doku Umarow ist tot, http://kurier.at/politik/ausland/kreml-todfeind-doku-umarow-ist-tot/56.547.370 , Zugriff 5.9.2014
Long War Journal (18.3.2014): Ali Abu Muhammad al Dagestani, the new emir of the Islamic Caucasus Emirate, in: Threat Matrix - A Blog of the Long War Journal,
http://www.longwarjournal.org/threat-matrix/archives/2014/03/ali_abu_muhammad_al_dagestani.php , Zugriff 5.9.2014
ÖB Moskau (9.2013): Asylländerbericht Russische Föderation
Standard (18.3.2014): Islamistenführer Umarow angeblich tot, http://derstandard.at/1395056962017/Islamistenfuehrer-Umarow-angeblich-tot , Zugriff 5.9.2014
4. Rechtsschutz/Justizwesen
Das Gesetz sieht die Unabhängigkeit der Justiz vor. Jedoch sind Richter dem Einfluss von Exekutive, Militär und anderen Sicherheitskräften ausgesetzt, vor allem in politisch sensiblen Fällen oder solchen mit großer Öffentlichkeitswirkung. Gesetzlich ist für Haftbefehle, Durchsuchungen, Beschlagnahmen und Festnahmen ein richterlicher Beschluss nötig. Dies wird meistens eingehalten, wenngleich dieser Vorgang gelegentlich von Bestechung oder politischer Druckausübung unterminiert wird. Der Ombudsmann für Menschenrechte gibt an, dass 57% der bei ihm einlangenden Beschwerden in Zusammenhang mit Grund-/Persönlichkeitsrechten stehen, hiervon standen 67% in Zusammenhang mit der Verletzung des Rechts auf ein faires Verfahren. Verfahren werden üblicherweise vor einem Richter ohne Jury geführt. Für einige Verbrechen sind an höheren regionalen Gerichten auch Geschworenengerichte vorgesehen. Es gilt die Unschuldsvermutung. Bestimmte Verbrechen (u.a. Terrorismus, Spionage und Geiselnahme) müssen von drei Richtern verhandelt werden. Nur ein kleiner Anteil aller Strafrechtsfälle wird vor Jurys verhandelt (600-700 pro Jahr). Während Richter weniger als 1% der Angeklagten freisprechen, ist der Prozentsatz bei Verhandlungen mit einer Jury 20%. Das Gesetz erlaubt Staatsanwälten Freisprüche zu beeinspruchen, was sie meistens auch machen. Berufungsgerichte heben etwa 30% der Freisprüche auf und ordnen ein neues Verfahren an. Viele dieser Fälle enden in erneuten Freisprüchen (USDOS 27.2.2014, vgl. FH 23.1.2014, ÖB Moskau 9.2013). Da russische Staatsbürger die heimischen Gerichte oft nicht als fair betrachten, wenden sie sich zunehmend an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (FH 23.1.2014).
Beobachter beklagen, dass immer wieder Strafverfahren benutzt werden, um gegen politische Gegner vorzugehen. Der frühere Präsident und nunmehrige Premierminister Medwedjew hat die Defizite im Justizsystem öffentlich kritisiert und verstärkte Bemühungen zur Reform des Justizwesens initiiert. Am 7. April 2010 hat Medwedjew eine Gesetzesnovelle bestätigt, die bei Wirtschaftsdelikten anstelle von Untersuchungshaft die Möglichkeit einer Kautionsleistung vorsieht. Damit reagierte er auf die Kritik, dass das Mittel der Untersuchungshaft besonders oft angewandt wird, wobei die Untersuchungshäftlinge öfters härteren Haftbedingungen als Strafgefangene ausgesetzt sind. Am 7. März 2011 setzte Medwedjew ein Gesetz in Kraft, welches es Richtern ermöglicht bei 68 Delikten (darunter Diebstahl sowie Fälle von Wirtschaftskriminalität) von Freiheitsstrafen abzusehen und stattdessen Geldstrafen oder alternative Strafformen zu verhängen. Dennoch konstatieren Beobachter, dass in der Praxis alternative Strafformen nach wie vor kaum angewandt werden. Anfang Juli 2013 wurde auf Initiative des russischen Unternehmens-Ombudsmanns eine Amnestie für Personen verfügt, die wegen bestimmten Wirtschaftsdelikten inhaftiert sind. Die Amnestie soll für jene gelten, die zum ersten Mal wegen Wirtschaftsdelikten verurteilt wurden und entweder den Schaden bereits gut gemacht haben oder dazu bereit sind (ÖB Moskau 9.2013).
Häufig wird der Vorwurf erhoben, Absprachen zwischen Richtern, Staatsanwälten, Ermittlungsbeamten und anderen Vertretern der Ordnungskräfte würden zu unfairen Strafurteilen bzw. zu unangemessenen Sanktionen für Ordnungswidrigkeiten führen. Im ganzen Land klagen Rechtsanwälte über Verfahrensmängel, die das Recht ihrer Mandanten auf ein faires Verfahren beeinträchtigen. Die Anwälte beschweren sich u.a. darüber, dass ihnen der Zugang zu ihren Mandanten verweigert wird, dass mutmaßliche Straftäter in Gewahrsam genommen werden, ohne umgehend ihre Rechtsbeistände und Angehörigen zu informieren, und dass staatlich besoldete Pflichtverteidiger benannt?werden, die dafür bekannt sind, Verfahrensfehler und Misshandlungen nicht zu beanstanden (AI 23.5.2013).
Von einer Amnestie im Dezember 2013 konnten mehrere tausend Personen profitieren (u.a. die Aktivistinnen von "Pussy Riot"), zudem begnadigte Staatspräsident Putin den seit fast zehn Jahren inhaftierten Michail Chodorkowskij. der Druck auf andere Regimekritiker bzw. Teilnehmer von Protestaktionen nimmt zu, oft mit strafrechtlichen Konsequenzen (AA 6.2014).
Im November 2013 ist in Russland ein neues Gesetz verabschiedet worden, mit denen man die Bestrafung von Familien und Verwandten von Terrorverdächtigen erreichen wolle und die darauf abzielen würden, die "harte Form" des Kampfes gegen den Aufstand, die bereits in mehreren Republiken im Nordkaukasus praktiziert wird, zu legalisieren. Die neue Gesetzgebung erlaubt es den Behörden, die Vermögenswerte der Familien von Terrorverdächtigen zu beschlagnahmen und die Familien dazu zu verpflichten, für Schäden aufzukommen, die durch Handlungen der Terrorverdächtigen entstanden sind. Die neue Gesetzgebung ist bereits in Kraft getreten, in der Praxis allerdings noch nicht angewendet worden. Die durch sie erlaubten Kollektivbestrafungen werden von den Behörden im Nordkaukasus jedoch bereits angewendet (CACI 11.12.2013, vgl. US DOS 27.2.2014).
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt (6.2014): Russische Föderation - Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/sid_167537BE2E4C25B1A754139A317E2F27/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/RussischeFoederation/Innenpolitik_node.html , Zugriff 8.9.2014
AI - Amnesty International (23.5.2013): Amnesty International Report 2013 - Zur weltweiten Lage der Menschenrechte - Russische Föderation, http://www.ecoi.net/local_link/248036/374230_de.html , Zugriff 8.9.2014
CACI Analyst - Central Asia-Caucasus Institute (11.12.2013): New Anti-Terrorism Law to Target Families of North Caucasus Insurgents, http://www.cacianalyst.org/publications/analytical-articles/item/12876-new-anti-terrorism-law-to-target-families-of-north-caucasus-insurgents.html , Zugriff 8.9.2014
FH - Freedom House (23.1.2014): Freedom in the World 2014 - Russia, http://www.ecoi.net/local_link/268011/395592_de.html , Zugriff 1.9.2014
ÖB Moskau (9.2013): Asylländerbericht Russische Föderation
U.S. Department of State (27.2.2014): Country Report on Human Rights Practices for 2013 - Russia,
http://www.ecoi.net/local_link/270638/399498_de.html , Zugriff 8.9.2014
4.1. Tschetschenien
Straffreiheit für Menschenrechtsverletzungen wird weiterhin gewährt, trotz der rund 200 diesbezüglichen Entscheidungen des EGMR. Diese Verletzungen beziehen sich auf ungerechtfertigte Gewaltanwendung, rechtswidrige Inhaftierungen, Verschwindenlassen, Folter und Misshandlungen, die Unterlassung effektiver Untersuchungen dieser Verbrechen und das Fehlen eines effektiven Rechtmittels, Versagen in der Zusammenarbeit mit dem Gerichtshof und unrechtmäßige Durchsuchungen, Festnahmen und Zerstörung von Eigentum (CoE 12.11.2013). Russland zahlt den Opfern zwar die vorgeschriebene finanzielle Kompensation, versäumt es aber, effektivere Untersuchungen durchzuführen und die Täter zur Verantwortung zu ziehen (HRW 21.1.2014).
Die strafrechtliche Verfolgung der Menschenrechtsverletzungen ist in Tschetschenien völlig unzureichend. Tendenzen zur Einführung von Scharia-Recht sowie die Diskriminierung von Frauen haben in den letzten Jahren zugenommen (AA 10.6.2013).
Grundsätzlich können Personen, die den Widerstand in Tschetschenien unterstützen - sei es mit Lebensmitteln, Kleidung oder Unterschlupf für Rebellen oder sei es durch Waffen - in der Russischen Föderation strafrechtlich verfolgt werden. Es kommt regelmäßig zu Verhaftungen aufgrund von Hilfeleistung an die Rebellen. Ob Personen, die unter diesem Vorwurf vor Gericht gestellt werden mit einem fairen Verfahren rechnen können, ist aufgrund der im Justizbereich verbreiteten Korruption und der bekannten Einflussnahme der Exekutive auf richterliche Entscheidungen fraglich. Das Strafmaß beträgt 8 bis 20 Jahre Freiheitsentzug (BAA/Staatendokumentation 20.4.2011).
Quellen:
Auswärtiges Amt (10.6.2013): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation
BAA/Staatendokumentation (20.4.2011): Analyse der Staatendokumentation - Russische Föderation - Unterstützer und Familienmitglieder (mutmaßlicher) Widerstandskämpfer in Tschetschenien
CoE-Commissioner for Human Rights (12.11.2013): Report by Nils Muižnieks Commissioner for Human Rights of the Council of Europe Following his visit to the Russian Federation from 3 to 12 April 2013,
http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1384353253_com-instranetrf.pdf ; Zugriff 8.9.2014
HRW - Human Rights Watch (21.1.2014): World Report 2014 - Russia, http://www.ecoi.net/local_link/267714/395074_de.html , Zugriff 8.9.2014
4.2. Änderung Staatsbürgerschaftsgesetz
Mit dem Föderalen Gesetz Nr. 182 vom 12. November 2012 wurde das Gesetz "Über die Staatsbürgerschaft der RF" geändert, wobei die wichtigsten Änderungen in einem neuen Kapitel des Gesetzes "Über die Staatsbürgerschaft der RF" (i.e. Kapitel VIII.1, Artikel 41) enthalten sind. Diese Änderungen bringen vor allem für staatenlose ehemalige Sowjetbürger Erleichterungen bei Erwerb der russischen Staatsangehörigkeit (Konsularabteilung ÖB Moskau 29.5.2013).
Konkret sind Personen, die am 5. September 1991 Staatsbürger der UdSSR waren und sich vor dem 1. November 2002 in der Russischen Föderation niedergelassen haben, die russische Staatsangehörigkeit bislang nicht erworben haben und unter der Voraussetzung, dass sie nicht die Staatsangehörigkeit eines anderen Staates besitzen oder eine Niederlassungsbewilligung in einem anderen Staat besitzen, beim Erwerb der russischen Staatsangehörigkeit nunmehr von bestimmten allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen ausgenommen. Nicht erforderlich sind in diesem Fall 5 Jahre dauerhafte Niederlassung in der RF, der Nachweis einer Aufenthalts- oder Niederlassungsbewilligung, der Nachweis eines legalen Einkommens und der Nachweis der Kenntnis der russischen Sprache (Konsularabteilung ÖB Moskau 29.5.2013).
Personen, die keine Ausweisdokumente besitzen, wird ein temporäres Ausweisdokument ausgestellt, das für die Dauer der Bearbeitung des Staatsbürgerschaftsantrages gültig ist. Das Gesetz verbessert damit die Situation von staatenlosen Personen, die kein Ausweisdokument und keinen Nachweis einer legalen Niederlassung haben, was in der Vergangenheit zu Problemen beim Erwerb der russischen Staatsangehörigkeit geführt hatte.
Die Bestimmungen von Kapitel VIII.1 des Gesetzes "über die Staatsbürgerschaft der RF" sollen bis 1. Jänner 2017 angewendet werden (Konsularabteilung ÖB Moskau 29.5.2013).
Quellen:
Konsularabteilung der ÖB Moskau (29.5.2013): per Email am 29.5.2013
5. Sicherheitsbehörden
Das Innenministerium, der Föderale Sicherheitsdienst FSB und die Generalstaatsanwaltschaft sind auf allen Regierungsebenen für den Gesetzesvollzug zuständig. Der FSB ist mit Fragen der Sicherheit, Gegenspionage und des Antiterrorismus betraut, aber auch mit Verbrechens- und Korruptionsbekämpfung. Die nationale Polizei untersteht dem Innenministerium und ist in föderale, regionale und lokale Einheiten geteilt.
Nach dem Gesetz können Personen bis zu 48 Stunden ohne gerichtliche Zustimmung inhaftiert werden, wenn sie am Schauplatz eines Verbrechens verhaftet werden, vorausgesetzt es gibt Beweise oder Zeugen. Ansonsten ist ein Haftbefehl notwendig. Verhaftete müssen von der Polizei über ihre Rechte aufgeklärt werden und die Polizei muss die Gründe für die Festnahme dokumentieren. Der Verhaftete muss innerhalb von 24 Stunden einvernommen werden, davor hat er das Recht, für zwei Stunden einen Anwalt zu treffen. Im Allgemeinen werden die rechtlichen Einschränkungen betreffend Inhaftierungen eingehalten, mit Ausnahme des Nordkaukasus (USDOS 27.2.2014).
Die russische Polizei genießt in der Bevölkerung wenig Ansehen und steht im Ruf, oft selbst in Kriminalität und Korruption verwickelt zu sein. Vielfach wird von Misshandlungen von Personen in Polizeigewahrsam berichtet, meist um Geständnisse zu erzwingen, die häufig die Hauptgrundlage für russische Gerichtsurteile darstellen. Im März 2011 trat ein neues russ. Polizeigesetz in Kraft. Neben der Namensänderung ("Polizei" statt wie bisher "Miliz") sollen damit die Bürgerrechte gestärkt werden: vorgesehen ist etwa, dass Festgenommene über ihre Rechte informiert werden müssen und einen Telefonanruf machen dürfen. Für die Reform des Innenministeriums hat die russ. Regierung in den Jahren 2012 und 2013 insgesamt 7,9 Mrd. Euro zusätzlich im Budget eingeplant. In dieser Summe sind auch höhere Gehälter enthalten, die Polizisten korruptionsresistenter machen sollen. Im selben Zeitraum soll die Zahl der Beamten um ca. ein Drittel reduziert werden.
Ein großer Teil der beim EGMR eingehenden Beschwerden gegen die Russische Föderation betreffen das Exekutiv- und Strafvollzugssystem (ÖB Moskau 9.2013).
Quellen:
ÖB Moskau (9.2013): Asylländerbericht Russische Föderation
U.S. Department of State (27.2.2014): Country Report on Human Rights Practices for 2013 - Russia,
http://www.ecoi.net/local_link/270638/399498_de.html , Zugriff 8.9.2014
5.1. Nordkaukasus
Die im Nordkaukasus agierenden Sicherheitskräfte sind in der Regel maskiert (BAMF 10.2013). Das Vorgehen der Sicherheitskräfte führt nach wie vor häufig zu Menschenrechtsverletzungen. Bewaffnete Gruppen überfielen erneut Angehörige der Sicherheitskräfte, örtliche Staatsbedienstete und Zivilpersonen. Angriffe bewaffneter Gruppen wurden aus dem gesamten Nordkaukasus gemeldet.
Im gesamten Nordkaukasus gibt es weiterhin regelmäßig Sicherheitseinsätze der Polizeikräfte. Dabei kommt es Berichten zufolge häufig zu Menschenrechtsverletzungen wie Verschwindenlassen, rechtswidriger Inhaftierung, Folter und anderen Misshandlungen sowie außergerichtlichen Hinrichtungen.
Die Behörden verstießen systematisch gegen ihre Verpflichtung, bei Menschenrechtsverletzungen durch Polizeikräfte umgehend unparteiische und wirksame Ermittlungen einzuleiten, die Verantwortlichen zu identifizieren und sie vor Gericht zu stellen. In einigen Fällen wurden zwar Strafverfolgungsmaßnahmen ergriffen, meistens konnte im Zuge der Ermittlungen jedoch entweder kein Täter identifiziert werden oder es fanden sich keine Beweise für die Beteiligung von Staatsbediensteten oder man kam zu dem Schluss, es habe sich um keinen Verstoß seitens der Polizeikräfte gehandelt. Nur in Ausnahmefällen werden Strafverfolgungsmaßnahmen gegen Polizeibeamte wegen Amtsmissbrauchs im Zusammenhang mit Folter- und Misshandlungsvorwürfen ergriffen. Kein einziger Fall von Verschwindenlassen oder außergerichtlicher Hinrichtung wurde aufgeklärt und kein mutmaßlicher Täter aus den Reihen der Ordnungskräfte vor Gericht gestellt (AI 23.5.2013).
Die Regierung verabsäumte es angemessene Schritte zu setzen um die meisten Behördenvertreter welche Missbräuche begingen, zu verfolgen oder zu bestrafen, wodurch ein Klima der Straffreiheit entstand. Die Rechtsstaatlichkeit ist besonders im Nordkaukasus mangelhaft, wo der Konflikt zwischen Regierungstruppen, Aufständischen, islamischen Militanten und Kriminellen zu zahlreichen Menschenrechtsverletzungen führt, einschließlich Morde, Folter, körperliche Misshandlung und politisch motivierte Entführungen. (USDOS 27.2.2014)
Quellen:
AI - Amnesty International (23.5.2013): Amnesty International Report 2013 - Zur weltweiten Lage der Menschenrechte - Russian Federation, http://www.ecoi.net/local_link/248036/374230_de.html , Zugriff 8.9.2014
BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (10.2013): Protokoll zum Workshop Russische Föderation/Tschetschenien am 21.-22.10.2013 in Nürnberg
U.S. Department of State (27.2.2014): Country Report on Human Rights Practices for 2013 - Russia,
http://www.ecoi.net/local_link/270638/399498_de.html , Zugriff 8.9.2014
6. Folter und unmenschliche Behandlung
Die Verfassung verbietet Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe. Es gibt jedoch zahlreiche glaubwürdige Berichte, dass Exekutivbeamte in Fälle von Folter, Misshandlung und Gewaltanwendung zum Erzwingen von Geständnissen verwickelt sind, und es gab Vorwürfe, dass die Regierung Beschuldigte nicht konsequent zur Verantwortung zieht. Folter ist nicht gesetzlich definiert, daher können verdächtigte Polizisten von der Staatsanwaltschaft nur aufgrund von Machtmissbrauch oder einfacher Körperverletzung angeklagt werden. In den Nordkaukasuskonflikt involvierte Regierungsbeamte foltern und misshandeln Berichten zufolge Zivilisten und Konfliktteilnehmer. Physische Misshandlung von Verdächtigen durch Polizisten geschieht für gewöhnlich in den ersten Stunden oder Tagen nach der Inhaftierung. Streitkräfte und Polizeieinheiten misshandeln sowohl Rebellen als auch Zivilisten in Anhaltezentren.
Menschenrechtsgruppen weisen darauf hin, dass die körperliche Misshandlung von Frauen in der Region Nordkaukasus zunimmt. Das Niederbrennen von Häusern mutmaßlicher Rebellen wird Berichten zufolge fortgesetzt. Im Nordkaukasus wird von Folterungen sowohl durch lokale Sicherheitsorganisationen als auch durch Föderale Sicherheitsdienste berichtet (USDOS 27.2.2014; vgl. AA 10.6.2013).
Ein Drittel der beim Ombudsmann für Menschenrechte eingehenden Beschwerden bezieht sich dennoch auf polizeiliche Gewalt bzw. Willkür gegenüber Verdächtigen. Exekutivpersonal greift manchmal auf Misshandlungs- und Folterpraktiken zurück, um Geständnisse zu erzwingen. Der Umstand, dass russische Gerichte ihre Verurteilungen oft nur auf Geständnissen der Beschuldigten aufbauen, scheint in vielen Fällen Grund für Misshandlungen in Untersuchungsgefängnissen zu sein. Foltervorwürfe gegen Exekutivbeamte werden oft nicht untersucht. Besonders oft wird Folter offenbar im Nordkaukasus angewendet (ÖB Moskau 9.2013).
Es gab 2012 weiterhin zahlreiche Berichte über Folter und andere Misshandlungen; wirksame Untersuchungen der Vorwürfe waren jedoch selten. Dem Vernehmen nach umgehen die Ordnungskräfte die bestehenden Vorkehrungen zum Schutz vor Folter häufig mit diversen Mitteln. Dazu zählen der Einsatz von Gewalt unter dem Vorwand, die Häftlinge müssten ruhig gestellt werden, und die Nutzung geheimer Hafteinrichtungen, insbesondere im Nordkaukasus. Außerdem verweigert man den Häftlingen oft den Zugang zu Rechtsbeiständen ihrer Wahl und ernennt stattdessen Pflichtverteidiger, bei denen man davon ausgehen kann, dass sie Spuren von Folter ignorieren. Der Leiter der Ermittlungsbehörde griff die Idee einer NGO auf und ließ spezielle Abteilungen einrichten, um Straftaten zu untersuchen, die von Ordnungskräften begangen wurden. Die Initiative wird jedoch dadurch untergraben, dass diese Abteilungen nicht mit genügend Personal ausgestattet sind (AI 23.5.2013).
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt (10.6.2013): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation
AI - Amnesty International (23.5.2013): Amnesty International Report 2013 - Zur weltweiten Lage der Menschenrechte - Russische Föderation, http://www.ecoi.net/local_link/248036/374230_de.html , Zugriff 2.9.2014
ÖB Moskau (9.2013): Asylländerbericht Russische Föderation
U.S. Department of State (27.2.2014): Country Report on Human Rights Practices for 2013 - Russia,
http://www.ecoi.net/local_link/270638/399498_de.html , Zugriff 2.9.2014
7. Korruption
Korruption ist sowohl im öffentlichen Leben als auch in der Geschäftswelt weit verbreitet. Aufgrund der zunehmend mangelhaften Übernahme von Verantwortung in der Regierung können Bürokraten mit Straffreiheit rechnen. Die Führungsriege kündigt regelmäßig Antikorruptionskampagnen an, aber der Hauptzweck ist die Loyalität der Elite sicherzustellen und die Opposition von der Fokussierung auf dieses Thema abzuhalten. Im April 2013 unterschrieb Putin ein Dekret, das Staatsbeamte dazu zwingt, Vermögenswerte im Ausland aufzugeben. Somit sind sie noch mehr von der Gnade des Kremls abhängig, aber auch weniger von internationalen menschenrechtlichen Sanktionen bedroht. Im Dezember 2013 errichtete Putin eine neue Abteilung zur Korruptionsbekämpfung, jedoch sind nur wenige Beobachter der Meinung, dass diese Abteilung Resultate produzieren wird. Laut Transparency International glauben nur 5% der Bevölkerung, dass die Anti-Korruptionsmaßnahmen der Regierung effektiv sind (FH 23.1.2014).
Das Gesetz sieht Strafen für behördliche Korruption vor, diese bleibt dennoch ein weitreichendes Problem. Die Regierung bestätigte, dass das Gesetz nicht effektiv umgesetzt wird, und viele Beamte sind in korrupte Praktiken involviert. Korruption ist sowohl in der Exekutive, als auch in der Legislative und Judikative und auf allen hierarchischen Ebenen weit verbreitet. Zu den Formen der Korruption zählen die Bestechung von Beamten, missbräuchliche Verwendung von Finanzmitteln, Diebstahl von öffentlichem Eigentum, Schmiergeldzahlungen im Beschaffungswesen, Erpressung, und die missbräuchliche Verwendung der offiziellen Position, um an persönliche Begünstigungen zu kommen. Obwohl es strafrechtliche Verfolgungen von Bestechung gibt, ist der Vollzug im Allgemeinen weiterhin mangelhaft. Behördliche Korruption ist zudem auch in anderen Bereichen weiterhin verbreitet: im Bildungswesen, beim Militärdienst, in der Medizin, im Handel, beim Wohnungswesen, bei Pensionen und Sozialhilfe, im Gesetzesvollzug und im Justizwesen (USDOS 27.2.2014).
Korruption ist auch im Nordkaukasus ein alltägliches Problem (IAR 31.3.2014, AI 9.2013). Die auf Clans basierte Korruption hält die regionalen Regierungen zusammen und die Zuschüsse haben den Zweck, die Loyalität der lokalen Elite zu kaufen. Putins System der zentralisierten Kontrolle bevorzugt Loyalität und lässt Bestechung und Gesetzlosigkeit gedeihen (IAR 31.3.2014).
Quellen:
AI - Amnesty International (9.2013): Amnesty Journal Oktober 2013, Hinter den Bergen,
http://www.amnesty.de/journal/2013/oktober/hinter-den-bergen , Zugriff 8.9.2014
FH - Freedom House (23.1.2014): Freedom in the World 2014 - Russia, http://www.ecoi.net/local_link/268011/395592_de.html , Zugriff 1.9.2014
IAR - International Affairs Review (31.3.2014): The Post-Sochi North Caucasus Remains Mired in Corruption, http://www.iar-gwu.org/content/post-sochi-north-caucasus-remains-mired-corruption , Zugriff 8.9.2014
U.S. Department of State (27.2.2014): Country Report on Human Rights Practices for 2013 - Russia,
http://www.ecoi.net/local_link/270638/399498_de.html , Zugriff 8.9.2014
8. Nichtregierungsorganisationen (NGOs)
Seit Sommer 2012 gilt in Russland ein Gesetz, das Nichtregierungsorganisationen (NGOs), die mit ausländischen Geldern finanziert werden und denen eine politische Tätigkeit unterstellt wird, zu einer Registrierung als "ausländische Agenten" beim Justizministerium verpflichtet. Im Februar 2013 begann die russische Generalstaatsanwaltschaft mit einer ersten umfassenden Überprüfung dieser NGOs (RBTH 15.5.2014, vgl. ÖB Moskau 9.2013, HRW 21.1.2014). Nun startete die zweite Phase der Überprüfung. Die Kontrollen betrafen bisher sechs Menschenrechtsorganisationen in Tatarstan, Sankt Petersburg und Nischni Nowgorod, denen eine politische Tätigkeit vorgeworfen wird. In Sankt Petersburg durchsuchten die Staatsanwälte die Büros der Organisation "Soldatenmütter Sankt Petersburg", des "Instituts Razvitija Pressy" (Institut für Presseförderung) und des Vereins "Deutsch-Russischer Austausch". Letzterer befasst sich mit dem Austausch innovativer Ideen zwischen sozialverantwortlichen Unternehmen und dem staatlichen Sektor in Russland und Europa. Vertreter der drei Organisationen berichteten, dass die Staatsanwälte unangemeldet erschienen seien. Sie händigten einen Bescheid über den Beginn einer umfassenden Kontrolle der Rechtskonformität der NGO-Tätigkeiten aus. Darin fordert die Aufsichtsbehörde die Organisationen auf, ihre letzten Satzungsänderungen, ihre Finanzierungsquellen sowie die von ihren Mitarbeitern zwischen 2012 und 2014 durchgeführten Aktionen offenzulegen. Nach der Einführung des NGO-Gesetzes im Sommer 2012 stellten die meisten NGOs den Behörden bereits freiwillig genaue Informationen zu ihrer Tätigkeit zur Verfügung. Daraufhin veranlasste das Justizministerium die Auflösung von "Golos" ("Stimme"), einer Vereinigung, die sich mit der Aufdeckung von Wahlmanipulationen beschäftigte. Unklar ist noch die exakte Definition des Begriffs "politische Betätigung". Das Verfassungsgericht, bei dem die NGOs Beschwerde eingelegt hatten, erklärte das NGO-Gesetz im April diese Jahres als verfassungskonform, machte aber deutlich, dass Kritik an den Staatsorganen nicht generell als Grundlage für die Aufnahme von NGOs in das "Register für ausländische Agenten" angesehen werden darf. Einige Staatsanwälte hatten gefordert, dass grundsätzlich all diejenigen NGOs als "ausländische Agenten" anzusehen sind, die sich mit den Rechten von Armeeangehörigen sowie ökologischen Themen beschäftigen. Nach Angaben der Aufsichtsbehörde wurden in Russland bis heute mehr als 200 NGOs ermittelt, die unter die Kategorie "ausländischer Agent" fallen könnten. Gegen mehr als 20 davon sind aktuell Klagen bei russischen Gerichten anhängig. Im "Register ausländischer Agenten" ist bisher lediglich eine Organisation mit dem Namen "Förderung der Konkurrenzfähigkeit in den Ländern der GUS" verzeichnet (RBTH 15.5.2014, vgl. FH 23.1.2014, FH 12.6.2014, US DOS 27.2.2014).
Quellen:
FH - Freedom House (23.1.2014): Freedom in the World 2014 - Russia, http://www.ecoi.net/local_link/268011/395592_de.html , Zugriff 1.9.2014
FH - Freedom House (12.6.2014): Nations in Transit 2014 - Russia, http://www.ecoi.net/local_link/277855/407201_de.html , Zugriff 8.9.2014
HRW - Human Rights Watch (21.1.2014): World Report 2014 - Russia, http://www.ecoi.net/local_link/267714/395074_de.html , Zugriff 8.9.2014
ÖB Moskau (9.2013): Asylländerbericht Russische Föderation
RBTH - Russia beyond the Headlines (15.5.2014): Neue Ermittlungswelle gegen NGOs in Russland, http://de.rbth.com/politik/2014/05/15/neue_ermittlungswelle_gegen_ngos_in_russland_29461.html , Zugriff 8.9.2014
U.S. Department of State (27.2.2014): Country Report on Human Rights Practices for 2013 - Russia,
http://www.ecoi.net/local_link/270638/399498_de.html , Zugriff 8.9.2014
8.1. Tschetschenien
NGO-Aktivitäten und internationale humanitäre Hilfe bleiben im Nordkaukasus stark beschränkt (US DOS 27.2.2014). Öffentliche Wohltätigkeitsorganisationen betreiben humanitäre Tätigkeiten, die verschiedene Formen von Hilfsleistung umfassen können: so z.B. juristische, soziale, psychologische und medizinische Hilfe oder Hilfe für junge Fachleute bei der Arbeitssuche. Hauptsächlich jedoch sind die Hilfsleistungen für Menschen gedacht, die einer benachteiligten und besonders schutzbedürftigen Personengruppe zugerechnet werden können (Flüchtlinge, Binnenvertriebene, Jugendliche, Kampfgeschädigte, usw.) (IOM 6.2014).
Die Nichtregierungsorganisation Vesta bietet kostenlose qualifizierte Rechtsberatung in den folgenden Bereichen:
Rechtsberatung bezüglich ziviler und juristischer Angelegenheiten, Vorbereitung von Anträgen und Anfragen, Ausstellung von Urkunden und Petitionen für die Gerichtshilfe, Einlegung von Berufung bei Verwaltungs- und Strafverfolgungsinstitutionen (BAMF/IOM 16.5.2012). Laut Swetlana Gannuschkina, Vorsitzende der Flüchtlingshilfsorganisation "Zivile Unterstützung" und Leiterin des "Netzwerks juristischer Beratungsstellen für Flüchtlinge und Vertriebene bei Memorial, ist Vesta eine Organisation, die von UNHCR gegründet wurde, sich aber völlig in das Kadyrowsche System eingefügt hat (ACCORD 4.7.2012).
Die Menschenrechtsorganisation Memorial bietet Rechtshilfe und befasst sich mit Wohnraumproblemen von Rückkehrern und Zwangsumgesiedelten in Grosny (BAMF/IOM 16.5.2012).
Der deutsche eingetragene Verein AMICA betätigt sich unter anderem auch in Tschetschenien. Hierzu gibt es zwei Projektpartner vor Ort namens Zhenshchiny za razvitie und Sintem in Grosny. Der Verein AMICA befähigt Frauenorganisationen in Nachkriegs- und Krisenregionen dazu, nachhaltige Strukturen zur Unterstützung von Frauen, die Opfer von Gewalt wurden, aufzubauen. Dazu gehört:
psychosoziale Arbeit mit Traumatisierten
medizinische Versorgung
Rechtsberatung
Begegnungen zwischen ethnischen Gruppen
berufliche Qualifizierung
Maßnahmen zur Existenzsicherung
Aufklärungsprogramme für Mädchen
Öffentlichkeitsarbeit und Lobbying zu Frauenrechten und der Situation von Frauen in Kriegs- und Krisenregionen
Stärkung der Rolle von Frauen in Nachkriegsregionen
Teilhabe an politischen Entscheidungsprozessen (AMICA o.D.a,b)
Quellen:
ACCORD (4.7.2012): Frauen in Tschetschenien, Bericht zum COI-Workshop vom 17. Februar 2012 in XXXX mit Vorträgen von Uwe Halbach und Swetlana Gannuschkina, http://www.refworld.org/pdfid/4ff533d62.pdf , Zugriff 8.9.2014
AMICA e.V. (o.D.a): Wir über uns, http://www.amica-ev.org/de/ueber-amica-e.v ; Zugriff 8.9.2014
AMICA e.V. (o.D.b): Chronik von AMICA e.V., http://www.amica-ev.org/de/ueber-amica-e.v/chronik-von-amica-e.v ; Zugriff 8.9.2014
BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge und IOM - International Organisation of Migration (16.5.2012): IOM Individualanfrage ZC96
IOM - International Organisation of Migration (6.2014):
Länderinformationsblatt Russische Föderation
U.S. Department of State (27.2.2014): Country Report on Human Rights Practices for 2013 - Russia,
http://www.ecoi.net/local_link/270638/399498_de.html , Zugriff 8.9.2014
9. Ombudsmann
Der Menschenrechtsbeauftragte der Russischen Föderation, Wladimir Lukin, der durch den russischen Präsidenten ernannt wird, äußert sich durchaus kritisch (AA 10.6.2013). Er kommentiert zahlreiche Menschenrechtsprobleme, wie Polizeigewalt, Haftbedingungen, die Behandlung von Kindern, Schikanen beim Militär und Religionsfreiheit. Er kritisiert auch die Intoleranz und das Anwachsen von ethnischem und religiösem Hass. Lukins Büro nutzt seinen Einfluss, um die Aufmerksamkeit auf Menschenrechtsprobleme in den Gefängnissen zu lenken. Viele Führungspersönlichkeiten von Menschenrechtsorganisationen geben weiterhin an, dass Lukin als behördlicher Vertreter im Allgemeinen effektiv sei, trotz der Einschränkungen der Befugnisse seiner Stelle. Das Büro des Ombudsmannes umfasst mehrere spezialisierte Abteilungen, die für die Untersuchung von Beschwerden zuständig sind. Alle bis auf sechs der 83 Regionen haben regionale Menschenrechtsbeauftragte, deren Verantwortungsbereich jenem Lukins ähnlich ist. Ihre Effektivität variiert erheblich (USDOS 27.2.2014).
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt (10.6.2013): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation
U.S. Department of State (27.2.2014): Country Report on Human Rights Practices for 2013 - Russia,
http://www.ecoi.net/local_link/270638/399498_de.html , Zugriff 8.9.2014
10. Allgemeine Menschenrechtslage
Formal garantiert Russland in der Verfassung von 1993 alle Menschenrechte und bürgerlichen Freiheiten.
Menschenrechtsverteidiger beklagen jedoch zum Teil erhebliche Defizite bei der Umsetzung der in der Verfassung verankerten Rechte. Beklagt werden die mangelhafte Unabhängigkeit von Justiz und Gerichten, die weiterhin verbreitete Korruption sowie der gestiegene Druck auf die kritische Zivilgesellschaft und Opposition. Besonders schwere Menschenrechtsverletzungen werden aus dem Nordkaukasus gemeldet (AA 6.2014).
In einigen Bereichen gibt die Menschenrechtslage in Russland weiterhin Anlass zu Kritik. Grundlegende Rechte wie Pressefreiheit und Versammlungsfreiheit werden nicht immer in vollem Umfang gewährt; Journalisten und Menschenrechtsverteidiger haben mit Behinderungen bei ihrer Arbeit zu kämpfen und sind in manchen Fällen sogar Bedrohungen an Leib und Leben ausgesetzt (ÖB Moskau 9.2013).
Es gibt Berichte über die Schikanierung von Menschenrechtsverteidigern im Nordkaukasus und in anderen Regionen. Engagierte Bürger, Journalisten und Rechtsanwälte, die Opfer von Menschenrechtsverletzungen vertreten, müssen mit tätlichen Angriffen u. a. durch Polizeibeamte rechnen. Staatliche Funktionäre versuchen immer wieder, einzelne Menschenrechtsverteidiger, bestimmte NGOs und generell die Arbeit von Menschenrechtsorganisationen in Misskredit zu bringen (AI 23.5.2013).
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt (6.2014): Russische Föderation - Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/sid_167537BE2E4C25B1A754139A317E2F27/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/RussischeFoederation/Innenpolitik_node.html , Zugriff 2.9.2014
AI - Amnesty International (23.5.2013): Amnesty International Report 2013 - Zur weltweiten Lage der Menschenrechte - Russische Föderation, http://www.ecoi.net/local_link/248036/374230_de.html , Zugriff 1.9.2014
ÖB Moskau (9.2013): Asylländerbericht Russische Föderation
10.1. Nordkaukasus
Im gesamten Nordkaukasus gibt es weiterhin regelmäßig Sicherheitseinsätze der Polizeikräfte. Dabei kommt es Berichten zufolge häufig zu Menschenrechtsverletzungen wie Verschwindenlassen, rechtswidriger Inhaftierung, Folter und anderen Misshandlungen sowie außergerichtlichen Hinrichtungen. Die Behörden verstoßen im Nordkaukasus systematisch gegen ihre Verpflichtung, bei Menschenrechtsverletzungen durch Polizeikräfte umgehend unparteiische und wirksame Ermittlungen einzuleiten, die Verantwortlichen zu identifizieren und sie vor Gericht zu stellen. In einigen Fällen werden zwar Strafverfolgungsmaßnahmen ergriffen, meistens konnte im Zuge der Ermittlungen jedoch entweder kein Täter identifiziert werden oder es fanden sich keine Beweise für die Beteiligung von Staatsbediensteten oder man kam zu dem Schluss, es habe sich um keinen Verstoß seitens der Polizeikräfte gehandelt. Nur in Ausnahmefällen werden Strafverfolgungsmaßnahmen gegen Polizeibeamte wegen Amtsmissbrauchs im Zusammenhang mit Folter- und Misshandlungsvorwürfen ergriffen. Kein einziger Fall von Verschwindenlassen oder außergerichtlicher Hinrichtung wurde aufgeklärt und kein mutmaßlicher Täter aus den Reihen der Ordnungskräfte vor Gericht gestellt (AI 23.5.2013).
In Teilen des Nordkaukasus kommt es weiterhin zu Entführungen, illegalen Festnahmen und Folter von Verdächtigen.
Menschenrechtsverletzungen werden in den seltensten Fällen strafrechtlich verfolgt. Mehrere Opponenten und Kritiker des Oberhauptes Tschetscheniens, Ramsan Kadyrow, wurden in Tschetschenien und anderen Gebieten der Russischen Föderation, aber auch im Ausland, durch Auftragsmörder getötet (darunter Umar Israilow in XXXX im Jänner 2009). Keiner dieser Mordfälle konnte bislang vollständig aufgeklärt werden. Seit 2002 sind in Tschetschenien über 2.000 Personen entführt worden, von denen über die Hälfte bis zum heutigen Tage verschwunden bleibt. Auch heute noch wird von Fällen illegaler Festnahmen und Folter von Verdächtigen berichtet. Menschenrechtsverletzungen durch föderale oder tschetschenische Sicherheitskräfte werden in den seltensten Fällen strafrechtlich verfolgt. Im Nordkaukasus herrscht ein kompliziertes Beziehungsgeflecht zwischen russischen Truppen, kremltreuen lokalen Einheiten, islamistischen Rebellen und kriminellen Banden. Russische Menschenrechtler beklagen, dass die Staatsmacht im Nordkaukasus schwach ist und alle möglichen Gruppierungen in dieses Vakuum vorstoßen. Insbesondere Menschenrechtsaktivisten und Journalisten sind potentiell gefährdet. Vor allem im besonders unruhigen Dagestan kommt es seit einiger Zeit immer wieder zur gezielten Ermordung moderater muslimischer Geistlicher. Sicherheitskräfte und Experten führen dies auf das in der Region verstärkte Auftreten radikaler Islamisten (insbes. Salafisten) zurück. (ÖB Moskau 9.2013).
Im Nordkaukasus verüben bewaffneten Gruppen Anschläge auf Sicherheitsbeamte, Regierungsmitglieder, prominente Personen oder beliebige Menschen aus der Bevölkerung. Anwälte im Nordkaukasus, die Opfer von Folter und unfairen Gerichtsverfahren verteidigen, geraten oft selbst in die Schusslinie. Die Behörden haben die Verpflichtung für die Sicherheit der Bevölkerung zu sorgen. Bei ihren Untersuchungen schrecken sie vor Folter und Misshandlungen nicht zurück und verstoßen so gegen die Menschenrechte und die Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit. Auch gibt es Hinweise auf Verschleppungen und außergerichtliche Hinrichtungen. Offizielle Untersuchungen bleiben aus, dies schürt die Spirale der Gewalt (AI 20.3.2013).
Das am weitesten verbreitete Verbrechen in Tschetschenien ist die Entführung oder Verschleppung: Unbekannte, meist maskierte und bewaffnete Männer dringen in die Wohnung des Opfers ein und zerren den Betroffenen mit sich. In den ersten Tagen nach der Tat verweigern die Behörden die Auskunft über diese Fälle. Menschen werden aber auch auf offener Straße verschleppt. Sie werden in illegale Gefängnisse gebracht und systematisch gefoltert. Einige werden ermordet. In manchen Fällen wird dann ein Verfahren eingeleitet. Die Ermittlungen, so ist die Menschenrechtsorganisation Memorial überzeugt, sind aber nur "Scheinermittlungen", da es keinen politischen Willen gibt, die Hintermänner der Taten - in den allermeisten Fällen Angehörige der Sicherheitsstrukturen - zu verhaften. Das Schicksal von Tausenden Menschen ist ungeklärt (GfbV o. D.).
Quellen:
AI - Amnesty International (23.5.2013): Amnesty International Report 2013 - Zur weltweiten Lage der Menschenrechte - Russische Föderation, http://www.ecoi.net/local_link/248036/374230_de.html , Zugriff 1.9.2014
AI - Amnesty International (20.3.2013): Anwalt im Nordkaukasus:
Beruf mit Todesfolgen,
http://www.amnesty.at/de/menu13/artikel48/?highlight=true&unique=1409566747 , Zugriff 1.9.2014
GfbV - Gesellschaft für bedrohte Völker (o.D.): Tschetschenien unter Despot Kadyrow: Alltag in Angst, http://www.gfbv.de/inhaltsDok.php?id=2319 , Zugriff 2.9.2014
ÖB Moskau (9.2013): Asylländerbericht Russische Föderation
11. Rebellentätigkeit / Unterstützung von Rebellen
In Tschetschenien ist es seit Jahresbeginn 2010 zu einem spürbaren Rückgang von Rebellen-Aktivitäten gekommen. Diese werden durch Anti-Terror Operationen in den Gebirgsregionen massiv unter Druck gesetzt (teilweise bewirkte dies ein Ausweichen der Kämpfer in die Nachbarrepubliken Dagestan und Inguschetien). Als besonders unruhig gilt die an die Nachbarrepublik Dagestan angrenzende Region. Die Macht von Ramsan Kadyrow, der seit Anfang September 2010 die neue Amtsbezeichnung "Oberhaupt" Tschetscheniens führt, ist in Tschetschenien unumstritten. Kadyrow versucht durch Förderung einer moderaten islamischen Identität einen gemeinsamen Nenner für die fragmentierte, tribalistische Bevölkerung zu schaffen. Politische Beobachter meinen, Ersatz für Kadyrow zu finden wäre sehr schwierig da er alle potentiellen Rivalen ausgeschalten habe und über privilegierte Beziehungen zum Kreml und zu Präsident Putin verfüge. Seit 2002 sind in Tschetschenien über 2000 Personen entführt worden, von denen über die Hälfte bis zum heutigen Tage verschwunden bleibt. Auch heute noch wird von Fällen illegaler Festnahmen und Folter von Verdächtigen berichtet Menschenrechtsverletzungen durch föderale oder tschetschenische Sicherheitskräfte werden in den seltensten Fällen strafrechtlich verfolgt. In einigen Fällen wurden Opponenten und Kritiker Kadyrows in Tschetschenien und anderen Gebieten der Russischen Föderation, aber auch im Ausland durch Auftragsmörder getötet (darunter Mord an Umar Israilow in Wien im Jänner 2009). Keiner dieser Mordfälle konnte bislang vollständig aufgeklärt werden. Beobachter bezeichnen die Situation in Dagestan als besonders volatil. Seit 2009 kam es zu einem Anstieg von Entführungen, Anschlägen und Tötungen. Menschenrechtsaktivisten und Journalisten sind manchmal repressiven Maßnahmen der Behörden ausgesetzt. Die dagestanische Regierung ist in Folge der ethnischen Zersplitterung der Republik generell sehr schwach. Bei der Besetzung von Ämtern wird nach einem "ethnischen Proporz" vorgegangen. Die einzelnen Ethnien sind ihrerseits wiederum in Clans strukturiert, was die Situation zusätzlich verkompliziert. Experten konstatieren, dass weite Gebiete staatlicher Kontrolle entzogen sind und die Rebellen dynamisch rekrutieren. Entgegen Erfolgsmeldungen offizieller Stellen zeigen die fast täglich verübten Überfälle und Anschläge auf Polizeiposten oder Militärstreifen die fortbestehende Fähigkeit des bewaffneten Untergrunds zu koordinierten Aktionen. Begünstigt wird die Rebellen- und Sabotagetätigkeit dadurch, dass das schwer kontrollierbare Gebirgsmassiv bis an die dagestanische Hauptstadt Machatschkala reicht. Dies erleichtert die Durchführung von Überraschungsangriffen. Die Terroranschläge auf den zwischen XXXX und St. Petersburg verkehrenden Newski Express Ende November 2009 (28 Todesopfer), die beiden Anschläge in der XXXXer U-Bahn am 29. März 2010 (40 Todesopfer) sowie der Anschlag auf den Moskauer Flughafen Domodedowo am 24. Jänner 2011 (37 Todesopfer darunter zwei österreichische Staatsbürger) scheinen von Tätern aus dem Nordkaukasus verübt worden zu sein, um somit zu zeigen, dass die Unruhe im Nord-Kaukasus auch auf das russische Kernland ausstrahlt (ÖB Moskau 9.2013).
Es kann von niemandem mit Sicherheit gesagt werden, wie viele Rebellen heutzutage in Tschetschenien [bzw. im Nordkaukasus] aktiv sind. Rekrutierung findet konstant statt. Rebellen und jene, die aktive Rebellen unterstützen sind Hauptziel der tschetschenischen Behörden, während ehemalige tschetschenische Rebellen für die Behörden von geringerem Interesse sein dürften. Aktive Rebellen werden für gewöhnlich während Sonderoperationen getötet, während Unterstützer festgenommen werden. Bei der Befragung von Personen, die der Zusammenarbeit mit Rebellen bezichtigt werden, soll es zu Folter kommen. In einer Reihe von Fällen wurden Personen für verschiedenartige Unterstützung der Rebellen zu Haftstrafen verurteilt (Landinfo 26.10.2012).
Der bewaffnete Untergrund verübt weiter Terrorakte besonders gegen Kadyrow-treue Polizisten und Sicherheitsbeamte, aber auch gegen Zivilisten. Die Kämpfer setzen die Bevölkerung unter Druck, sich ihren Reihen anzuschließen oder sie durch Nahrungsmittel und ähnliches zu unterstützen (GfbV o.D.).
Die Verfolgung von Familienmitgliedern und Unterstützern von Widerstandskämpfern ist in der Russischen Föderation eine der Maßnahmen im Kampf gegen den Terrorismus im Nordkaukasus. In deutsch- und englischsprachigen Medien und Berichten von russischen und anderen Menschenrechts- und Nichtregierungsorganisationen finden sich keine Hinweise, dass in den letzten Jahren oder derzeitig, Personen, die den Widerstand in den Jahren vor der letzten offiziellen Amnestie 2006 unterstützt oder selbst gekämpft und eine Amnestie in Anspruch genommen haben, oder die mit einer solchen Person verwandt sind, nunmehr allein deshalb verfolgt würden. Betroffen sind hauptsächlich Unterstützer und Familienmitglieder gegenwärtig aktiver Widerstandskämpfer. Um unbehelligt leben zu können müssen sich amnestierte Kämpfer und Unterstützer und deren Familien Ramsan Kadyrow gegenüber sicherlich weiterhin loyal zeigen. Ein Austritt aus den lokalen Sicherheitskräften, in denen viele der Amnestierten nunmehr arbeiten (müssen) wird nur bedingt möglich sein.
Obwohl eine strafrechtliche Verfolgung von Unterstützern des Widerstandskampfes möglich ist, greifen die tschetschenischen Sicherheitskräfte in ihrem Kampf gegen den Terrorismus weiterhin auf Mittel ohne rechtliche Grundlage zurück. Einerseits gibt es vereinzelte Berichte, dass Unterstützer ohne jegliches Verfahren für ihre vermeintliche Hilfeleistung "bestraft" werden. Andererseits finden sich zahlreiche Berichte über Formen der Kollektivbestrafung von Familienmitgliedern (mutmaßlicher) Widerstandskämpfer. Betroffen sind vorwiegend der engere Familienkreis, also Eltern, Onkel, Cousins und Ehefrauen. Die tschetschenischen Behörden gehen aufgrund der traditionell sehr engen Familienbande davon aus, dass Familien ihre im Wald lebenden Angehörigen unterstützen, vor allem aber davon, dass diese Familien im Stande sind ihre Angehörigen zu einer Rückkehr aus dem Wald zu bewegen. Die Verfolgung beginnt mit dem Einsatz von Druckmitteln wie der Streichung von Sozialbeihilfen, und führt bis zum Niederbrennen der Wohnhäuser der betroffenen Familien. Offizielle Beschwerden oder Anzeigen hiergegen sind kaum möglich (BAA Staatendokumentation 20.4.2011).
Quellen:
BAA Staatendokumentation (20.4.2011): Analyse der Staatendokumentation - Russische Föderation - Unterstützer und Familienmitglieder (mutmaßlicher) Widerstandskämpfer in Tschetschenien
GfbV - Gesellschaft für bedrohte Völker (o.D.): Tschetschenien unter Despot Kadyrow: Alltag in Angst, http://www.gfbv.de/inhaltsDok.php?id=2319 , Zugriff 2.9.2014
Landinfo (26.10.2012): Tsjetsjenia: Tsjetsjenske myndigheters reaksjoner mot opprørere og personer som bistår opprørere, http://www.landinfo.no/asset/2200/1/2200_1.pdf ; Zugriff 1.9.2014
ÖB Moskau (9.2013): Asylländerbericht Russische Föderation
12. Meinungs- und Pressefreiheit
Die nationalen Fernsehkanäle, die für den Großteil der Bevölkerung die Hauptinformationsquelle darstellen, werden vom Staat kontrolliert. Persönliche Kritik am Präsidenten, einschließlich Berichterstattung über den privaten Bereich, sind nicht erwünscht. Als heikel gelten Berichte, die als Herabsetzung der nationalen oder religiösen Würde interpretiert werden könnten. Unabhängig-kritisch berichtet der Internet-Sender Doschd, der allerdings unter starkem Druck steht.
Die Printmedien bieten den Lesern nach wie vor ein breites Meinungsspektrum, bleiben jedoch politischer Einflussnahme ausgesetzt. Zudem ist die Finanzlage z.T. schwierig. Die Verbreitung größerer und auch kritischer Tageszeitungen, wie z.B. Wedomosti, Nezawissimaja Gazeta, Nowaja Gazeta ist auf die urbanen Zentren begrenzt.
Es besteht weiterhin Publikationsfreiheit für die Internetmedien, die beträchtliche Wachstumsraten aufweisen. Der Einfluss der sozialen Netzwerke und der Blogger-Szene als Ventil für unabhängige und kritische Meinungsäußerungen wächst. Es gibt jedoch zunehmende Tendenzen zu einer stärkeren staatlichen Kontrolle des Internets (AA 6.2014, vgl. FH 23.1.2014, BBC 20.12.2013).
Während es unabhängige Radiosender, Printmedien, Online-Portale und Buchverlage gibt, übt der Staat besonders auf das am weitesten verbreitete Medium Fernsehen beträchtlichen Einfluss aus. Zudem haben staatliche Stellen in der Vergangenheit wiederholt Gesetze gegen Extremismus, zur Regulierung von NGOs und allgemeine Steuergesetze angewendet, um Druck auf unabhängige Medien auszuüben. Insbesondere die unscharfe Definition von Extremismus im russischen Anti-Extremismus-Gesetz schafft die Möglichkeit, Journalisten wegen Verbreitung angeblicher extremistischer Inhalte zu belangen. Im Juli 2012 traten neue Regeln für das Internet in Kraft, aufgrund derer die Regierung u.a. das Recht erhält, bestimmte Internetseiten ohne eine vorangehende gerichtliche Entscheidung zu sperren.
Die Parlamentarische Versammlung des Europarates drückte im Februar 2012 in einer Resolution "tiefe Besorgnis" über die missbräuchliche Anwendung des Extremismusgesetzes gegen die Zeugen Jehovas und Falun Gong aus. Verhängte Sanktionen bestehen zumeist in (niedrigen) Geldstrafen, alternativen Strafformen (soziale Arbeit) oder Bewährungsstrafen (ÖB Moskau 9.2013).
In der Rangliste der Pressefreiheit 2014 durch "Reporter ohne Grenzen" befand sich Russland auf Rang 148 (von 180) (ROG 12.2.2014). Nach allgemeiner Einschätzung bleibt Russland ein gefährliches Pflaster für Journalisten. Es gab Fälle, in denen Journalisten bedroht bzw. tätlich angegriffen wurden. Der Großteil dieser Fälle bleibt ungeklärt.
Während das Internet weitgehend frei ist und auch eine Anzahl unabhängiger Radiosender und Printmedien existiert, kontrolliert die Regierung doch einen großen Teil der Medien und v.a. das am weitesten verbreitete Medium Fernsehen fast völlig (ÖB Moskau 9.2013, vgl. BBC 20.12.2013).
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt (6.2014): Russische Föderation - Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/sid_167537BE2E4C25B1A754139A317E2F27/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/RussischeFoederation/Innenpolitik_node.html , Zugriff 1.9.2014
BBC (20.12.2013): Russia profile - Media, http://news.bbc.co.uk/1/hi/world/europe/country_profiles/1102275.stm , Zugriff 1.9.2014
FH - Freedom House (23.1.2014): Freedom in the World 2014 - Russia, http://www.ecoi.net/local_link/268011/395592_de.html , Zugriff 1.9.2014
ÖB Moskau (9.2013): Asylländerbericht Russische Föderation
ROG - Reporter ohne Grenzen (12.2.2014): Rangliste der Pressefreiheit 2014,
https://www.reporter-ohne-grenzen.de/fileadmin/Redaktion/Presse/Downloads/Ranglisten/Rangliste_2014/140211_Rangliste_Deutsch_Tabelle.pdf , Zugriff 1.9.2014
13. Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit / Opposition
Die Verfassung garantiert das Recht auf Versammlungsfreiheit, doch in der Praxis ist dieses teilweise eingeschränkt. Regionale Behörden haben wiederholt Demonstrationen oppositioneller Gruppen verboten oder durch administrative Maßnahmen verhindert. Anfang Juni 2012 wurde eine Gesetzesnovelle zur deutlichen Verschärfung des russischen Versammlungsrechts angenommen (ÖB Moskau 9.2013, vgl. FH 23.1.2014, AA 10.6.2013). Die neuen Bestimmungen sehen u.a. eine drastische Erhöhung der Geldstrafen für Organisation und Teilnahme an nicht genehmigten Kundgebungen vor (bis zu 7.500 Euro für Privatpersonen und bis zu 25.000 Euro für juristische Personen) und enthalten ein Vermummungsverbot sowie andere Einschränkungen. Im Frühjahr 2013 wurden Teile des Gesetzes vom russischen Verfassungsgericht aufgehoben und vom Gesetzgeber Nachbesserungen verlangt.
Für Aufregung sorgte auch die Erweiterung des strafrechtlichen Begriffes "Hochverrat", der nunmehr jede finanzielle, materielle oder beratende Unterstützung für einen anderen Staat oder internationale Organisation beinhaltet, wenn diese Tätigkeit eine Gefahr für die Sicherheit Russlands darstellt. Kontakte mit zivilen ausländischen Organisationen können als Straftat gewertet werden, wenn nachgewiesen wird, dass diese Organisationen gegen Russland agieren.
Vor dem Sommer 2012 wurde zudem "Verleumdung" erneut als Tatbestand in das russ. Strafgesetzbuch aufgenommen, nachdem dies erst im Vorjahr auf Initiative des damaligen Präsidenten Medwedjews gestrichen worden war. Der Strafrahmen wurde von früher umgerechnet 75 auf bis zu 125.000 Euro erhöht. Kritiker befürchten, dass Oppositionelle mit dem verschärften Gesetz mundtot gemacht und insbesondere kritische Journalisten eingeschüchtert werden sollen.
Das in Russland geltende Anti-Extremismusgesetz sollte ursprünglich insbesondere helfen, rassistische Straftaten im Land einzudämmen. Es sind jedoch auch schon mehrere Fälle einer fragwürdigen Anwendung bekannt. Auch gegen religiöse Gruppen wie die Zeugen Jehovas, Scientology oder Falun Gong wird mit Hilfe des Anti-Extremismus-Gesetzes vorgegangen (Hausdurchsuchungen, Beschlagnahmungen, teilweise auch vorübergehende Festnahmen) (ÖB Moskau 9.2013, vgl. AA 10.6.2013).
In ganz Russland löst die Polizei friedliche Proteste immer wieder auf, häufig unter Anwendung exzessiver Gewalt. Dies gilt selbst für Kundgebungen, an denen nur wenige Personen beteiligt waren und bei denen von einer Störung der öffentlichen Ordnung oder Bedrohung der öffentlichen Sicherheit keine Rede sein konnte. Die Behörden tendieren dazu, jede Art von Kundgebung, wie friedlich und unbedeutend sie auch sein mag, als rechtswidrig zu betrachten, wenn sie nicht ausdrücklich genehmigt ist. Versammlungen von Anhängern der Regierung oder der orthodoxen Kirche können hingegen häufig auch ohne Genehmigung stattfinden. Zahlreiche Berichte schildern ein brutales Vorgehen der Polizei gegen friedliche Protestierende und Journalisten, doch werden keine wirksamen Ermittlungen durchgeführt (AI 24.5.2013).
Der Menschenrechtsbeauftragte der Russischen Föderation, Wladimir Lukin, der durch den russischen Präsidenten ernannt wird und sich durchaus kritisch äußert, hat die Behörden in seinem im Frühjahr 2012 veröffentlichten Jahresbericht für 2011 aufgefordert, Missstände bei der Gewährung von Versammlungsfreiheit zu beheben und entsprechende Bürgerrechte zu garantieren (AA 10.6.2013).
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt (10.6.2013): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation
AI - Amnesty International (23.5.2013): Amnesty International Report 2013 - Zur weltweiten Lage der Menschenrechte - Russische Föderation, http://www.ecoi.net/local_link/248036/374230_de.html , Zugriff 1.9.2014
FH - Freedom House (23.1.2014): Freedom in the World 2014 - Russia, http://www.ecoi.net/local_link/268011/395592_de.html , Zugriff 1.9.2014
ÖB Moskau (9.2013): Asylländerbericht Russische Föderation
14. Haftbedingungen
Die Bedingungen in den Haftanstalten haben sich seit Ende der 1990er Jahre langsam aber kontinuierlich verbessert. Die Regierung hat in die Renovierung der oft arg heruntergekommenen Gefängnisse investiert und durch Amnestien die Zahl der Insassen der bislang meist total überfüllten Gefängnisse reduziert (im Juni 2012 befanden sich offiziellen Daten zu Folge in Russland 731.000 Personen in Haft). Allerdings entsprechen die Haftbedingungen im Hinblick auf Verpflegung und medizinische Versorgung der Häftlinge sowie hygienische Einrichtungen nicht immer allgemein anerkannten Mindeststandards. In Jugendhaftanstalten und in Untersuchungsgefängnissen sind die Haftbedingungen besonders harsch. Weder während noch nach der Haft gibt es Rehabilitierungsprogramme, so dass die Rückfallquote von Straftätern im internationalen Vergleich hoch ist. NGOs kritisieren, dass Besuche internationaler Beobachter nur in ausgewählten Gefängnissen zugelassen werden, die insgesamt nicht repräsentativ seien. Offiziellen Angaben zu Folge kamen 2012 in russ. Gefängnissen insgesamt 4121 Gefangene ums Leben. Gelegentlich werden Vorfälle bekannt, in denen Häftlinge angesichts schlechter Haftbedingungen revoltieren (so im November 2012 in einer Haftanstalt in der Nähe von Tscheljabinsk; im Juni 2013 kam es im Rahmen eines Protestes zur kollektiven Selbstverletzung von ca. 40 Häftlingen in einer Strafkolonie in Irkutsk) (ÖB Moskau 9.2013).
Die Situation im Strafvollzug ist unbefriedigend. Die Regierung ist bestrebt, die Zahl der Gefängnisinsassen weiter zu verringern. So gibt es Ansätze, vermehrt alternative Sanktionen (wie beispielsweise im Bereich der Drogendelikte ein Gesetzentwurf zu freiwilliger Entziehungstherapie oder Arbeitseinsatz statt Freiheitsstrafe) zu verhängen, um die Anzahl der Strafgefangenen zu verringern. Die Lage in den Strafkolonien (in Russland Oberbegriff für Haftanstalten, in denen eine gerichtlich verhängte Freiheitsstrafe verbüßt wird) und die Bedingungen des Strafvollzugs bleiben sehr schwierig. Die meisten Strafanstalten und Untersuchungsgefängnisse sind veraltet und überbelegt. Bausubstanz und sanitäre Bedingungen in den russischen Haftanstalten entsprechen nicht westeuropäischen Standards. Die Unterbringung der Häftlinge erfolgt oft in Schlafsälen von über 40 Personen und ist häufig sehr schlecht. Duschen ist vielfach nur gelegentlich möglich. Die Ernährung ist einseitig und vitaminarm. Die medizinische Versorgung ist ebenfalls unbefriedigend. Ein Großteil der Häftlinge bedarf medizinischer Versorgung. Sowohl von TBC- als auch HIV-Infektionen in bemerkenswertem Umfang wird berichtet. Problematisch ist ebenso die Zahl der drogenabhängigen oder psychisch kranken Inhaftierten. Besonders schlecht ist die Lage der Untersuchungshäftlinge. Im Vergleich zu den Strafkolonien berichten Insassen von deutlich schlechteren Haftbedingungen und viel geringerem Rechtsschutz gegenüber ungerechten Behandlungen. Auch wird Untersuchungshaft in Einzelfällen wiederholt verlängert und kann Jahre dauern. Die vom damaligen Präsidenten Medwedew angestoßene Liberalisierung des Strafrechts für Wirtschaftsvergehen (u.a. teilweise Abschaffung der Untersuchungshaft) wird in vielen Fällen von Gerichten und Strafvollzugsbehörden nicht umgesetzt und dient manchmal korrupten Ermittlern als Mittel zur Erpressung von Geldzahlungen durch Unternehmer. Nach offiziellen Angaben ist die Zahl der Untersuchungshäftlinge jedoch rückläufig (AA 10.6.2013).
Russland muss nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte wegen unwürdiger Haftbedingungen zwei Russen insgesamt 6000 Euro Entschädigung zahlen. Die beiden Männer wurden 2004 verurteilt. Die 44 Jahre alten Männer gaben an, dass sie wegen Überfüllung ihrer Zellen nur abwechselnd am Boden schlafen konnten. Es habe kaum Waschgelegenheit gegeben, als Toilette habe ein Eimer gedient, und es habe auch nicht genug zu essen gegeben. Beide Männer waren 2004 wegen Raubes zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt worden.
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) befand, dass derartige Haftbedingungen gegen das Verbot menschenunwürdiger und erniedrigender Behandlung der Europäischen Menschenrechtskonvention verstießen. Gegen das Urteil kann Berufung beantragt werden. Russland steht immer wieder im Visier der Grundrechts-Richter. 2013 stand Russland mit 129 Urteilen an der Spitze der EGMR-Statistik für die 47 Europaratsländer (Focus 20.2.2014).
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt (10.6.2013): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation
Focus (20.2.20214): Russland muss Schadensersatz zahlen, http://www.focus.de/politik/ausland/unwuerdige-haftbedingungen-russland-muss-schadensersatz-zahlen_id_3629677.html , Zugriff 1.9.2014
ÖB Moskau (9.2013): Asylländerbericht Russische Föderation
15. Todesstrafe
Am 18. Februar 2010 hat Russland das 14. Zusatzprotokoll der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) ratifiziert - dieses trat am 1. Juni 2010 in Kraft. Das 6. Zusatzprotokoll über die Abschaffung der Todesstrafe ist noch nicht ratifiziert. Das russische Verfassungsgericht hat jedoch das Moratorium über die Todesstrafe am 19. November 2009 bis zur Ratifikation des Protokolls verlängert, so dass die Todesstrafe de facto abgeschafft ist. Auch das Rom-Statut des Internationalen Strafgerichtshofs wurde von Russland noch nicht ratifiziert (ÖB Moskau 9.2013).
Quellen:
ÖB Moskau (9.2013): Asylländerbericht Russische Föderation
16. Religionsfreiheit
Das Religionsgesetz von 1997 regelt die Beziehungen zwischen Staat und Kirche. Es definiert vier traditionelle Religionen - Orthodoxie, Islam, Judentum und Buddhismus. Andere Religionsgemeinschaften können in Russland auch legal bestehen, müssen sich aber registrieren lassen. Die Russische Orthodoxe Kirche (ROK) ist heute die mit Abstand größte und einflussreichste Religionsgemeinschaft in Russland. Seit der Unabhängigkeit der Russischen Föderation ist sie zu einer äußerst gewichtigen gesellschaftlichen Einrichtung geworden. Über die Zahl der Angehörigen der ROK gibt es nur Schätzungen, die zwischen 50 und 135 Millionen Gläubigen schwanken. Wer heute in Russland seine Zugehörigkeit zur orthodoxen Kirche herausstellt, macht damit deutlich, dass er zur russischen Tradition steht. Das Wiedererwachen des religiösen Lebens in Russland gibt regelmäßig Anlass zu Diskussionen um die Rolle der Russisch-Orthodoxen Kirche in der Gesellschaft und ihr Verhältnis zum Staat. Bei den traditionell religiös orientierten ethnischen Minderheiten Russlands findet man Anhänger des Islam und des Buddhismus, des Schamanismus und Judaismus, des protestantischen und katholischen Glaubens. Der Islam ist die zweitgrößte Glaubensgemeinschaft in Russland. Die Muslime sind in der Regel Baschkiren, Tataren, Tschuwaschen, Tschetschenen und Angehörige anderer Kaukasusvölker. Sie werden durch die Geistliche Verwaltung der Muslime (Muftirat) des Europäischen Teils Russlands und Sibiriens sowie die Geistliche Verwaltung der Muslime (Muftirat) des Nordkaukasus vertreten. Die Zahl der russischen Muslime wird offiziell mit 14,5 Millionen angegeben. Die Vertreter der islamischen Gemeinde sprechen von mehr als 20 Millionen. Alle anderen Religionen, wie Buddhismus (ca. 600.000 Gläubige) - zu dem sich Burjaten, Kalmyken, Tuwa und andere Bevölkerungsgruppen in den Gebieten Irkutsk und Tschita bekennen - und Judentum (ca. 200.000 Gläubige), haben nur geringe Bedeutung. Von den christlichen Kirchen sind die katholische Kirche, die evangelisch-lutherische Kirche sowie eine Reihe von Freikirchen (vor allem Baptisten) in Russland vertreten. Sie sind im europäischen Russland und in Sibirien präsent (GIZ 8.2014, vgl. SWP 4.2013; BAA 19.5.2011).
Nicht als traditionelle Religionen anerkannte Glaubensrichtungen, wie insbesondere die Zeugen Jehovas oder islamische Strömungen im Nordkaukasus und im Wolgagebiet, denen der Vorwurf gemacht wird, in Bezug zu Terrorgruppen zu stehen, stoßen auf Schwierigkeiten mit staatlichen Behörden. Gegen solche Religionsgemeinschaften erheben die Behörden häufig nicht plausibel belegte Extremismus Vorwürfe und leiten auf dieser Grundlage auch Strafverfahren ein (AA 10.6.2013).
Die Verfassung sieht die Religionsfreiheit vor, jedoch schränken andere Gesetze und Richtlinien diese ein. In der Praxis respektierte die Regierung die Religionsfreiheit im Allgemeinen, aber einige Minderheitengruppen hatten weiterhin Schwierigkeiten mit den Behörden. Die bedeutendsten Einschränkungen der Religionsfreiheit sind die Nutzung von Anklagen aufgrund von Extremismus um auf Minderheitenreligionen abzuzielen, Einschränkung des Versammlungsrechts, Bemühungen diverse Registrierungen zu verweigern und religiösen Besuchern Visa zu verweigern. Es gibt Berichte über gesellschaftliche Schikanen und Diskriminierung aufgrund der religiösen Zugehörigkeit, des Glaubens und der Ausübung der Religion. Mitglieder von religiösen Minderheitengruppen erfahren weiterhin Belästigungen und manchmal auch physische Attacken. Der gewalttätige Extremismus im Nordkaukasus und der Zustrom von Migranten aus Zentralasien führen in vielen Regionen zu einer negativen Einstellung gegenüber traditionellen muslimischen Gruppierungen. Da Ethnizität und Religion oft untrennbar miteinander verbunden sind, ist es bei vielen Vorfällen schwer zu beurteilen, ob deren Grund in ethnischer oder religiöser Intoleranz liegt (USDOS 28.7.2014).
Quellen:
Auswärtiges Amt (10.6.2013): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation
BAA Staatendokumentation (19.5.2011): Analyse der Staatendokumentation - Russische Föderation. Religion in der Republik Tschetschenien: Sufismus
GIZ Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (8.2014): Russland, Gesellschaft, http://liportal.giz.de/russland/gesellschaft/ , Zugriff 2.9.2014
SWP - Stiftung Wissenschaft und Politik (4.2013): Muslime in der Russischen Föderation,
http://www.swp-berlin.org/fileadmin/contents/products/aktuell/2013A24_hlb.pdf , Zugriff 2.9.2014
USDOS - U.S. Department of State (28.7.2014): 2013 International Religious Freedom Report - Russia, http://www.ecoi.net/local_link/281983/412342_de.html , Zugriff 2.9.2014
16.1. Tschetschenien
Die Bevölkerung gehört der sunnitischen Glaubensrichtung des Islam an, wobei traditionell eine mystische Form des Islam, der Sufismus, vorherrschend ist (BAMF 10.2013). Beim Sufismus handelt es sich um eine weit verbreitete und zudem äußerst facettenreiche Glaubenspraxis innerhalb des Islam. Heutzutage sind Sufis sowohl innerhalb des Schiitentums als auch unter Sunniten verbreitet (Glaubensrichtungen 2013). Gegenwärtig ist eine Zunahme der Anhänger des Salafismus/Wahabismus, eine strenge, radikale Form des Islam, zu verzeichnen (BAMF 10.2013).
Kadyrow billigt oder leitet Massenverstöße gegen die Menschenrechte, darunter gegen die Religionsfreiheit. Er verfälschte tschetschenische Sufi-Traditionen, errichtete auf Grundlage seiner religiösen Ansichten einen repressiven Staat und zwingt Frauen, islamische Kopftücher zu tragen (USCIRF 30.4.2014).
Kadyrow nutzt den traditionellen Sufismus politisch und als Instrument seines Antiterrorkampfes, um mit dem "guten" sufistischen Islam dem von weiten Teilen der heute in der Republik aktiven Rebellen propagierten "schlechten" fundamentalistischen Islam, dem oft auch Wahhabismus genannten Salafismus, entgegenzuwirken. Diese Strategie hatte bereits sein Vater unter Maschadow - relativ erfolglos - anzuwenden versucht. Diese politische Nutzung der Religion führt aus mehreren Gründen zu heftiger Kritik: Durch die kadyrowsche Islamisierung werden zunehmend Menschenrechte, insbesondere Frauenrechte, beschnitten. Innerhalb der tschetschenischen Bevölkerung empfinden viele die von Kadyrow angeordneten Verhaltensnormen als nicht gerechtfertigten (und schon gar nicht durch tschetschenische Tradition rechtzufertigenden) Eingriff in ihr Privatleben. Einige der aufgrund der (Re‑)Islamisierung erfolgten Erlässe und Aussagen des Republikoberhauptes, wie etwa die Kopftuchpflicht für Frauen in öffentlichen Gebäuden oder seine Aussprache für Polygamie, widersprechen zudem russischem Recht. Beobachter der Lage sind sich gemeinhin einig, dass all dies von föderaler Seite geduldet wird, weil und solange es Kadyrow gelingt, die relativ stabile Sicherheitslage zu erhalten (BAA Staatendokumentation 19.5.2011).
Im Jänner 2014 berichtete Caucasian Knot, dass durch Sicherheitskräfte in Tschetschenien junge Menschen auf der Straße angehalten und einvernommen wurden. Die Sicherheitskräfte sollen hier auf Männer mit Bärten und Frauen in Hidschab abgezielt haben, da diese als dem radikalen Islam zugehörig angesehen werden. Die Sicherheitskräfte sagten, dass dies als präventive Maßnahme zu sehen sei. Nicht nur in Grosny, auch in anderen Städten Tschetscheniens unternahmen Sicherheitskräfte "Anti-Wahabismus Razzien" und kontrollierten Handys von jungen Männern und Frauen. Menschenrechtsorganisationen haben keine Beschwerden über gesetzwidrige Handlungen in diesem Zusammenhang erhalten (Caucasian Knot 16.1.2014, vgl. ACCORD 1.7.2014).
Als Salafiten werden unterschiedliche religiöse und politische Bewegungen bezeichnet, die sich etwa seit Beginn des letzten Jahrhunderts an einem idealisierten Bild der Frühzeit des Islam (arab. "Salaf" steht für "Ahnen", "Vorfahren") orientieren. Der Begriff Salafismus dagegen steht heute für eine Strömung des Islamismus. Ihre Anhänger werden als Salafisten bezeichnet. Sie behaupten, besonders eng dem Wortlaut des Koran und den Überlieferungen über das Leben des Propheten (sunna) zu folgen. Das gilt insbesondere auch für Äußerlichkeiten wie Bekleidungsvorschriften. Viele Salafisten tragen deshalb lange Bärte, weite Gewänder und Kopfbedeckungen. Frauen, die kein Kopftuch tragen, begehen nach Überzeugung von Salafisten eine schwere Sünde (GfbV o.D.). Das Tragen eines Bartes ohne Schnurrbart oder hochgekrempelte Hosen, würden einen Grund für die Festnahme oder Kontrolle einer Person darstellen (Kaliszewska 2010). Der stellvertretende Innenminister von Tschetschenien Apti Alaudinow drohte im Dezember 2013, illegale Methoden anzuwenden, darunter summarische Tötungen und das Unterschieben falscher Beweise, um islamische Fundamentalisten aus einer ehemaligen Rebellenhochburg zu entfernen. Er, Alaudinow, habe von Ramsan Kadyrow unbegrenzte Befugnisse übertragen bekommen und könne Personen verhaften und sogar töten, wenn diese nur wie islamistische Fundamentalisten aussehen würden (RFE/RL 12.12.2013).
Unterschiedliche Personengruppen können Opfer von Verschwindenlassen werden: Männer, die verdächtigt werden, dem bewaffneten Untergrund anzugehören oder ihn zu unterstützen, bzw. Salafisten zu sein. Auch Rückkehrer nach Tschetschenien, die von den Behörden verdächtigt werden, zurückgekehrt zu sein, um den bewaffneten Untergrund zu unterstützen, können entführt werden (GfbV o.D.). Entführungen werden heute hauptsächlich von regierungsnahen Personen verübt und treffen vor allem Personen, die als Salafisten angesehen werden. Dies führt jedoch dazu, dass die Salafisten noch anti-russischer werden und die Behörden selbst die Anzahl der Anhänger der radikalen Bewegungen in der Region und unter Muslimen in der ganzen Russischen Föderation erhöhen (Jamestown 19.6.2014).
Quellen:
ACCORD - Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation (1.7.2014): Anfragebeantwortung zur Russischen Föderation: Tschetschenien: Situation von Personen, die Anhänger eines strengen sunnitischen Islams (keine Sufis) sind [a-8725-1], http://www.ecoi.net/local_link/280443/397328_en.html , Zugriff 2.9.2014
BAA Staatendokumentation (19.5.2011): Analyse zu Russland: Religion in der Republik Tschetschenien: Sufismus
BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (10.2013): Protokoll zum Workshop Russische Föderation/Tschetschenien am 21.-22.10.2013 in Nürnberg
Caucasian Knot (16.1.2014): In Chechnya, law enforcers detain young people because of their appearance, local residents report, http://eng.kavkaz-uzel.ru/articles/26983/ , Zugriff 8.9.2014
GfbV - Gesellschaft für bedrohte Völker (o.D.): Tschetschenien unter Despot Kadyrow: Alltag in Angst, http://www.gfbv.de/inhaltsDok.php?id=2319 , Zugriff 2.9.2014
Jamestown Foundation (19.6.2014): Virtually All Abductions in North Caucasus Carried out by Authorities, Eurasia Daily Monitor Volume 11, Issue 111,
http://www.jamestown.org/programs/edm/single/?tx_ttnews [tt_news]=42525&tx_ttnews[backPid]=756&no_cache=1, Zugriff 2.9.2014
Kaliszewska, Iwona: Everyday Life In North Caucasus, 2010, http://www.udsc.gov.pl/files/WIKP/info_pdf/Binder1_Kaukaz_ang.pdf , in ACCORD (1.7.2014): Anfragebeantwortung zur Russischen Föderation:
Tschetschenien: Situation von Personen, die Anhänger eines strengen sunnitischen Islams (keine Sufis) sind [a-8725-1], http://www.ecoi.net/local_link/280443/397328_en.html , Zugriff 2.9.2014
ÖIF Monographien (2013): Glaubensrichtungen im Islam, S. 111-113
RFE/RL - Radio Free Europe/Radio Liberty (13.12.2013): Chechen Deputy Minister Threatens Executions For Militant Suspects, http://www.rferl.org/content/chechnya-official-kill-frame-militants/25200041.html , Zugriff 2.9.2014
USCIRF - U.S. Commission on International Religious Freedom (30.4.2014): Annual Report of the United States Commission on International Religious Freedom, http://www.uscirf.gov/sites/default/files/Russia 2014.pdf, Zugriff 8.9.2014
17. Frauen/Kinder
Gemäß Art. 19 Abs. 3 der Verfassung haben "Mann und Frau die gleichen Rechte und Freiheiten und die gleichen Möglichkeiten zu deren Realisierung". Die Anzahl von Frauen in Führungspositionen entspricht ungefähr dem europäischen Durchschnitt (AA 10.6.2013).
Durch die Transformationsprozesse und den Übergang zur Marktwirtschaft sind die Frauen in besonderer Weise betroffen. Davon zeugt der erhebliche Rückgang der Geburtenrate.
Die Veränderungen in den Lebensverhältnissen von Frauen betreffen auch den Arbeitsmarkt, denn das Risiko von Ausfallzeiten durch Schwangerschaft, Erziehungsurlaub und Pflege von Angehörigen führt oft dazu, dass Frauen trotz besserer Ausbildung seltener als Männer eingestellt werden. Das im Durchschnitt deutlich geringere Einkommen von Frauen bedeutet niedrigere Pensionen für ältere Frauen, die damit ein hohes Risiko der Altersarmut tragen. Die politische Sphäre in Russland ist von Männern dominiert (GIZ 8.2014).
Von einer gesellschaftlichen Diskriminierung alleinstehender Frauen und Mütter kann zumindest in Kernrussland nicht ausgegangen werden. Ein ernstes Problem in Russland stellt jedoch häusliche Gewalt dar. Dieses wird von Polizei und Sozialbehörden oft als interne Familienangelegenheit abgetan. Es gibt in der Russischen Föderation keine föderale Gesetzgebung zu häuslicher Gewalt. Die Handlungsmöglichkeiten der Polizei sind begrenzt. Eine Bestrafung der Aggressoren ist bei Körperverletzung, Rowdytum oder sonstigen gewalttätigen Übergriffen möglich. Obgleich die Zahl der Frauenhäuser in der Russischen Föderation zunimmt, ist deren Zahl noch gering (derzeit ca. 25 mit insgesamt 200 Betten). Nachdem die gesetzlichen Regelungen den Opfern von häuslicher Gewalt nur teilweise Schutz bieten, fliehen Opfer von häuslicher Gewalt meist zu Freunden oder Bekannten, oder finden sich mit der Situation ab. Ein weit verbreitetes Problem, für das es ebenfalls keine gesetzliche Regelung gibt, ist sexuelle Belästigung (ÖB Moskau 9.2013, vgl. US DOS 27.2.2014).
Menschenrechtsorganisationen gehen davon aus, dass jährlich etwa 14.000 Frauen von ihren Partnern oder einem Angehörigen getötet werden. Als Hauptursachen hierfür gelten Alkoholismus, ein traditionell geprägtes Rollenverständnis und beengte Wohnverhältnisse (AA 10.6.2013). Die Polizei bleibt oft passiv und geht z.B. Anzeigen nicht mit genügendem Nachdruck oder zuweilen offenbar auch gar nicht nach. Schutzmöglichkeiten für Frauen gibt es in Russland nur wenige. Beim Menschenhandel gehören russische Frauen zu den Hauptopfergruppen. Durch internationale Zusammenarbeit wird versucht, die Rotlicht-Kriminalität wirksam zu bekämpfen. Trotz der Verankerung des Straftatbestandes Menschenhandel im russischen Strafgesetzbuch bleiben die Strafverfolgungszahlen niedrig. Russland gilt zugleich als Ursprungs-, Transit- und Empfangsland im Menschenhandel (AA 10.6.2013, vgl. FH 23.1.2014).
Vergewaltigung ist illegal und das Gesetz sieht dieselbe Strafe für einen Täter vor, egal ob er aus der Familie stammt oder nicht. Während medizinische Angestellte Opfer von Übergriffen unterstützen und gelegentlich helfen, Fälle von Körperverletzung oder Vergewaltigung zu identifizieren, sind Ärzte oft nachlässig, als Zeugen vor Gericht aufzutreten. Laut NGOs würden Exekutivbeamte und Staatsanwälte Vergewaltigung keine Priorität einräumen. NGOs berichten außerdem, dass lokale Polizisten sich weigern würden, auf Anrufe in Bezug auf Vergewaltigung und häusliche Gewalt zu reagieren, solange das Opfer nicht unter Lebensbedrohung steht. Weiters würden viele Frauen Vergewaltigungen und andere Gewaltvorfälle aufgrund der sozialen Stigmata und der mangelhaften staatlichen Unterstützung nicht melden. Das Strafmaß für Vergewaltigung sind drei bis sechs Jahre Haft für einen Einzeltäter und vier bis zehn Jahre bei einer Gruppenvergewaltigung. Wenn das Opfer zwischen 14 und 18 Jahre alt ist bekommt der Täter eine Strafe zwischen acht und 15 Jahre und zwölf bis 20 Jahre, wenn das Opfer verstorben ist oder unter 14 Jahre alt ist (US DOS 27.2.2014).
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt (10.6.2013): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation
FH - Freedom House (23.1.2014): Freedom in the World 2014 - Russia, http://www.ecoi.net/local_link/268011/395592_de.html , Zugriff 3.9.2014
GIZ Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (8.2014): Russland, Gesellschaft, http://liportal.giz.de/russland/gesellschaft/ , Zugriff 2.9.2014
ÖB Moskau (9.2013): Asylländerbericht Russische Föderation
U.S. Department of State (27.2.2014): Country Report on Human Rights Practices for 2013 - Russia,
http://www.ecoi.net/local_link/270638/399498_de.html , Zugriff 2.9.2014
17.1. Nordkaukasus/Tschetschenien
Die Situation im Nordkaukasus unterscheidet sich maßgeblich von der in anderen Teilen Russland. Die menschenrechtliche Situation von Frauen im Nordkaukasus ist nach wie vor problematisch. Berichte von Ehrenmorden, Brautentführungen, "Sittenwächtern" und häuslicher Gewalt im Nordkaukasus sind besorgniserregend. In den meisten Fällen werden diese Verbrechen nicht zur Anzeige gebracht, bzw. keine Strafverfolgung eingeleitet. Eine Quantifizierung des Problems ist schwierig, NGOs in Tschetschenien berichten jedoch von zumindest einem neuen Fall pro Monat. Problematisch scheint auch die Situation von Frauen im Fall einer Scheidung oder bei Tod des Ehemannes. In der Frage der Obsorge für die gemeinsamen Kinder, sowie in der Frage der Aufteilung des gemeinsamen Besitzes spielen traditionelle Vorstellungen eine wichtige Rolle. Oft haben Frauen es deshalb schwer, die ihnen nach russischem Gesetz zustehenden Rechte auch in der Realität durchzusetzen. In Tschetschenien gibt es keine Frauenhäuser (ÖB Moskau 9.2013).
Der tschetschenische Staat in Person von Ramzan Kadyrow bestimmt auch über die Kleidung der Frauen, über ihre Rolle in Familie und Gesellschaft und bricht so klar die russische Verfassung, nach der Männer und Frauen gleichgestellt sind (GfbV o.D, vgl. AA 10.6.2013). Kadyrow verlangt von den Frauen, sich zu verschleiern, d.h. Kopf und Haare, Arme und Beine zu bedecken, obwohl das in Tschetschenien nicht Tradition ist (GfbV o.D. vgl. HRW 21.1.2014). Hier wurde früher lediglich ein Dreieckstuch getragen oder ein Haarband. Frauen müssen sich an ihrem Arbeitsplatz verschleiern, aber auch auf öffentlichen Plätzen. Frauen, die sich nicht daran halten, laufen Gefahr auf offener Straße angesprochen oder angepöbelt zu werden. Während des Ramadan 2009 gab es Berichte darüber, dass Frauen, die sich nicht nach dem vorgegebenen Kleidungskodex anzogen, mit Farbpistolen beschossen und auf der Straße gedemütigt wurden. Kadyrow hatte diese Paintball-Attacken damals gerechtfertigt und gut geheißen. Frauen berichten darüber, dass unbekannte Männer sie an ihrem Arbeitsplatz aufsuchen, um zu überprüfen, ob sie "anständig" gekleidet sind.
Frauen sind vor Entführungen nicht sicher, wenn ein Mann, besonders aus der Umgebung Kadyrows, ein Auge auf sie geworfen hat. Es gibt Berichte darüber, dass Familien es ihren Töchtern aus Angst vor Verschleppungen verbieten, aus dem Haus zu gehen (GfbV o.D.).
Ramsan Kadyrow hat sich öffentlich für Ehrenmorde ausgesprochen. In einigen Teilen des Nordkaukasus sind Frauen mit Brautentführung, Polygamie und erzwungenem Beachten islamischer Kleidungsvorschriften konfrontiert. In einigen Teilen des Nordkaukasus gab es Fälle, in denen Männer vorgaben in alter Tradition Bräute zu entführen, junge Frauen aber entführten und vergewaltigten und in einigen Fällen zu einer Heirat zwangen. In anderen Fällen waren Frauen für immer "befleckt", da sie keine Jungfrauen mehr waren und somit nicht in eine legitime Ehe eintreten konnten (US DOS 27.2.2014).
Laut lokalen NGOs sind Ehrenmorde in Tschetschenien und im gesamten Nordkaukasus am Steigen (HRW 21.1.2014, vgl. US DOS 27.2.2014).
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt (10.6.2013): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation
GfbV - Gesellschaft für bedrohte Völker (o.D.): Tschetschenien unter Despot Kadyrow: Alltag in Angst, http://www.gfbv.de/inhaltsDok.php?id=2319 , Zugriff 3.9.2014
HRW - Human Rights Watch (21.1.2014): World Report 2014 - Russia, http://www.ecoi.net/local_link/267714/395074_de.html , Zugriff 3.9.2014
ÖB Moskau (9.2013): Asylländerbericht Russische Föderation
U.S. Department of State (27.2.2014): Country Report on Human Rights Practices for 2013 - Russia,
http://www.ecoi.net/local_link/270638/399498_de.html , Zugriff 3.9.2014
17.2. Mutterschaftskapital und Kindergeld
Laut einem am 1. Januar 2007 erlassenen Gesetz erhalten russische Frauen, die zwei oder mehr Kinder haben, vom Staat eine Einmalzahlung (in 2014 liegt diese bei RUB 429,408.50 (USD 12.520)), die bei einer Bank hinterlegt werden. Das zweite oder weitere Kind muss nach dem 1. Januar 2007 geboren worden sein. Dieses Geld nennt sich "Mutterschafts-Kapital" und wird auf einem speziellen Bankkonto hinterlegt, für das den Frauen ein Zertifikat ausgehändigt wird, das ihren Anspruch auf das Kapital bestätigt. Auf dieses Geld, das grundsätzlich nicht bar ausgezahlt wird, kann erst zugegriffen werden, wenn das Kind 3 Jahre alt ist (d.h. Frauen, die das Kapital im Januar 2007 erhalten, haben erst im Januar 2010 Zugriff darauf). Der hinterlegte Betrag darf nicht in bar ausgezahlt werden, sondern nur zu Investitionszwecken dienen, z.B. der Verbesserung der familiären Wohnverhältnisse, der Ausbildung der Kinder oder der Rente der Mutter. Diese Beihilfe erhält die Frau nur einmalig, auch wenn sie mehrere Kinder hat. Zurzeit läuft das Projekt bis 2016.
Seit dem 1. Januar 2009 kann dieses Mutterschaftsgeld, unabhängig vom Alter des Kindes, auch zur Hypothekentilgung herangezogen werden (IOM 6.2014; vgl. Pension Fund o.D., MDZ 17.8.2013).
Mutter, Vater oder ein anderer Erziehungsberechtigter kann monatliches Kindergeld erhalten. Kindergeld berechnet sich aus 40% des durchschnittlichen Elterngehaltes, sollte aber nicht unter dem festgesetzten Mindestwert liegen. Seit Januar 2014 beträgt das monatliche Kindergeld (für Kinder jünger als 1,5 Jahre) während des Mutterschaftsurlaubs beim ersten Kind mindestens 2576 RUB (ca. USD 75) und 5153 RUB (ca. USD 150) für weitere Kinder. Für arbeitslose Eltern beträgt das monatliche Kindergeld das festgesetzte Minimum.
Im September 2013 ist ein neues Bildungsgesetz in Kraft getreten. Laut dem neuen Gesetz ist die Regelung außer Kraft getreten, dass die Kindergartengebühren nicht 20% der laufenden Kosten pro Kind überschreiten dürfen. Dies führte zu einem Anstieg der Kindergartengebühren. In unterschiedlichen Regionen kosten städtische oder staatliche Kindergärten zwischen 3500 RUB und 9000 RUB (ca. 102-262 USD). Familien mit einem Kind erhalten mindestens 20% Ausgleich, Familien mit zwei Kindern erhalten eine 50%ige Rückerstattung, Familien mit drei und mehr Kindern eine Kompensation in Höhe von mindestens 70%. Dieses Geld wird auf das Konto eines Elternteils überwiesen. Familien, in denen ein Kind eine Verhaltensstörung aufweist, zahlen keine Gebühren für den Besuch eines staatlichen oder städtischen Kindergartens (IOM 6.2014).
Quellen:
IOM - International Organisation of Migration (6.2014):
Länderinformationsblatt Russische Föderation
MDZ - Moskauer Deutsche Zeitung (17.8.2013): Kritische Tage in der Duma, http://www.mdz-moskau.eu/kritische-tage-der-duma/ , Zugriff 3.9.2014
Pension Fund of the Russian Federation (o.D.): Maternity (family) capital, http://www.pfrf.ru/ot_en/mother/ , Zugriff 3.9.2014
18. Bewegungsfreiheit
Bewegungsfreiheit im Land, Auslandsreisen, Emigration und Repatriierung sind gesetzlich gewährleistet und gelten für alle Staatsbürger der Russischen Föderation einschließlich, Tschetschenen, Dagestaner, Inguschen etc. Alle erwachsenen Staatsbürger müssen bei Inlandsreisen behördlich ausgestellte "Inlandspässe" mit sich führen und müssen sich nach ihrer Ankunft bei den lokalen Behörden registrieren. Personen ohne Inlandspass oder ohne ordentliche Registrierung werden von Behörden oft staatliche Dienste verwehrt. Viele regionale Regierungen schränken das Recht durch Regelungen für die Registrierung des Wohnsitzes, die an Sowjetzeiten erinnerten, ein. Personen mit dunklerer Hautfarbe aus dem Kaukasus oder afrikanischer oder asiatischer Herkunft werden oft zur Überprüfung ihrer Dokumente herausgegriffen. Es gab glaubhafte Berichte, dass die Polizei nicht registrierte Personen willkürlich und über das gesetzlich vorgesehene Maß hinaus strafte oder Bestechungsgelder verlangte (US DOS 27.2.2014, vgl. AA Bericht 10.6.2013, FH 23.1.2014).
Bei der Einreise werden die international üblichen Pass- und Zollkontrollen durchgeführt. Personen ohne reguläre Ausweisdokumente wird in aller Regel die Einreise verweigert. Russische Staatsangehörige können grundsätzlich nicht ohne Vorlage eines russischen Reisepasses wieder in die Russische Föderation einreisen. Russische Staatsangehörige, die kein gültiges Personaldokument vorweisen können, müssen eine Geldstrafe zahlen, erhalten ein vorläufiges Personaldokument und müssen bei dem für sie zuständigen Meldeamt die Ausstellung eines neuen Inlandspasses beantragen. Der Inlandspass ermöglicht die Abholung der Pension vom Postamt, die Arbeitsaufnahme, die Eröffnung eines Bankkontos, aber auch den Kauf von Bahn- und Flugtickets (AA 10.6.2013).
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt (10.6.2013): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation
FH - Freedom House (23.1.2014): Freedom in the World 2014 - Russia, http://www.ecoi.net/local_link/268011/395592_de.html , Zugriff 2.9.2014
U.S. Department of State (27.2.2014): Country Report on Human Rights Practices for 2013 - Russia,
http://www.ecoi.net/local_link/270638/399498_de.html , Zugriff 2.9.2014
19. Meldewesen
Eine dauerhafte Registrierung wird durch einen Stempel im Inlandspass vermerkt, eine temporäre Registrierung durch einen in den Inlandspass eingelegten Zettel. Für einen Aufenthalt bis zu 90 Tage ist keine Registrierung verpflichtend, jedoch kann es notwendig werden bei einer Dokumentenkontrolle nachzuweisen, dass man sich noch nicht länger als 90 Tage in dem Gebiet aufhält, beispielsweise durch Vorweisen der Busfahrkarte. Wenn jemand ausreist um im Ausland zu leben, so wird dies registriert und in seinem Reisepass vermerkt. Umgangssprachlich wird die Registrierung nach wie vor so genannt, wie das Meldesystem zu Sowjetzeiten: "Propiska" (Russisch:
?????¿???). Voraussetzung für eine Registrierung ist die Vorlage des Inlandspasses und ein nachweisbarer Wohnraum (ggf. Bescheinigung des Vermieters). Eine Arbeitsstelle oder Einkommen müssen nicht nachgewiesen werden. Die Registrierung und damit einhergehende Aufgaben fallen in den Zuständigkeitsbereich des Föderalen Migrationsdienstes (FMS), seiner territorialen Behörden (UFMS) und weiterer Behörden für innere Angelegenheiten.
2010 kam es zu einer Vereinfachung des Registrierungsprozesses, insbesondere für temporäre Registrierungen. Für eine solche muss man nunmehr lediglich einen Brief an die lokale Stelle des FMS, also den jeweiligen UFMS, schicken, in dem die vorübergehende Adresse angegeben wird. Man muss nicht mehr persönlich beim UFMS erscheinen. Eine Registrierung ist wie ausgeführt für einen legalen Aufenthalt in der Russischen Föderation unabdingbar. Diese ermöglicht außerdem den Zugang zu Sozialhilfe und staatlich geförderten Wohnungen, zum kostenlosen Gesundheitssystem, sowie zum legalen Arbeitsmarkt.
Beim FMS in Moskau wurde bestätigt, dass alle Staatsbürger der Russischen Föderation, auch Rückkehrer, am Aufenthaltsort registriert werden. Gesetzlich ist vorgesehen, dass die Registrierung ab Einlangen der Unterlagen bei der zuständigen Behörde drei Tage dauert. Staatsbürger können bei Verwandten unterkommen oder selbstständig einen Wohnraum organisieren. Die föderal-gesetzlichen Regeln für die Registrierung gelten in der gesamten Russischen Föderation einheitlich, werden jedoch regional unterschiedlich angewendet. Korruption soll auch im Bereich der Registrierung in nicht unbeträchtlichem Ausmaß vorkommen, insbesondere in der Hauptstadt Moskau (BAA 12.2011; vgl. AA 10.6.2013).
Laut einer westlichen Botschaft ist eine Registrierung für alle Personen in Moskau und St. Petersburg im Vergleich zu anderen russischen Städten am schwierigsten zu erlangen. Auch die Korruptionszahlungen sind in Moskau höher. Ebenso ist es in Moskau schwieriger, eine Wohnung zu mieten, die Mieten sind zudem hoch. Auch UNHCR geht davon aus, dass die Registrierung in Moskau für jeden schwierig ist, nicht nur für Tschetschenen. In Mietanzeigen werden Zimmer oft nur für Slawen angeboten.
Gemäß einer Vertreterin des House of Peace and Non-Violence ist es für Tschetschenen leichter, in kleineren Orten als Moskau und St. Petersburg zu leben, jedoch ist es in großen Städten leichter, unterzutauchen. Personen, die Kadyrow fürchten, würden ihren Aufenthalt nicht registrieren lassen. Auch in St. Petersburg werden in Mietanzeigen Wohnungen oft nur für Russen angeboten. Tschetschenen nutzen aber ihre Netzwerke, um Wohnungen zu finden.
Einer internationalen Organisation zufolge ist es für jemanden, der einen Machtmissbrauch von lokalen Behörden in einem Föderationssubjekt fürchtet schwierig, einen sicheren Ort in einer anderen Region in Russland zu finden. Ist die Person registriert, ist es für die Behörden leichter, sie zu finden.
Laut einem Vertreter des Committee Against Torture sind tschetschenische Familien, die in andere Regionen Russlands kommen, nicht automatisch schweren Rechtsverletzungen ausgesetzt. Öffentlich Bedienstete haben kein Recht, einem Tschetschenen die Registrierung zu verweigern, weshalb im Endeffekt jeder registriert wird. Tschetschenen könnten Diskriminierung durch die Behörden ausgesetzt sein, nicht aber Gewalt. Laut einer Vertreterin des House of Peace and Non-Violence und einer westlichen Botschaft zufolge könnten aber temporäre Registrierungen nur für drei Monate anstatt für ein Jahr ausgestellt werden, weshalb dann die betroffene Person öfter zum Amt kommen muss.
Memorial geht davon aus, dass der FMS die Polizei über die Registrierung eines Tschetschenen informieren muss. Zudem verheimlichen Tschetschenen oft ihre Volksgruppenzugehörigkeit, da Annoncen Zimmer oft nur für Russen und Slawen anbieten.
Mehrere Quellen gaben an, dass im Zuge der Registrierung vermutlich Bestechungsgeld zu zahlen ist. Es kann vorkommen, dass Personen aus dem Nordkaukasus eine höhere Summe zu zahlen angehalten werden (DIS 8.2012).
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt (10.6.2013): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation
BAA Staatendokumentation (12.2011): Forschungsaufenthalt der Staatendokumentation. Bericht zum Forschungsaufenthalt Russische Föderation - Republik Tschetschenien
DIS - Danish Immigration Service (8.2012): Chechens in the Russian Federation - residence registration, racially motivated violence and fabricated criminal cases,
http://www.nyidanmark.dk/NR/rdonlyres/01750EB0-C5B1-425C-90A7-3CE3B580EEAA/0/chechens_in_the_russian_federation.pdf ; Zugriff 2.9.2014
20. Lage von Tschetschenen in der Russischen Föderation außerhalb der Republik Tschetschenien
Ethnische Tschetschenen und Angehörige anderer nordkaukasischer Nationalitäten können in der Russischen Föderation (Kernrussland) von Diskriminierung am Arbeitsmarkt, bei der Wohnungssuche sowie vor Gericht betroffen sein. Was die Sicherheit von Tschetschenen in anderen Teilen der Russischen Föderation betrifft, so kann eine Beurteilung der Gefährdung nur im Einzelfall erfolgen. Dabei ist zu unterscheiden zwischen Tschetschenen, die in Tschetschenien keine Probleme hatten und etwa nur zur Arbeitssuche in einen anderen Teil der Russischen Föderation kommen (diese haben möglicherweise mit Diskriminierung und Anfeindungen aufgrund der weit verbreiteten Fremdenfeindlichkeit in Russland zu kämpfen) und Tschetschenen, die in Tschetschenien tatsächlich verfolgt werden (diese sind gegebenenfalls auch in anderen Teilen der Russischen Föderation nicht sicher) (ÖB Moskau 9.2013).
Sk-Strategy (Center for strategic studies and development of civil society in the North Caucasus) gab im Juni 2011 an, dass es unter Tschetschenen verbreitet sei, in andere Teile der Russischen Föderation zu ziehen, die Mehrheit tue dies aus wirtschaftlichen Gründen. Jene, die es sich leisten könnten, würden sich in Moskau oder St. Petersburg niederlassen, aber der durchschnittliche Tschetschene könne sich dies aufgrund der dortigen hohen Lebenshaltungskosten nicht leisten. Die meisten durchschnittlichen Tschetschenen ließen sich typischerweise in Städten mit weniger Einwohnern nieder und bevorzugten hier Hafenstädte, wie Murmansk, Arkhangelsk und Städte in der Region Leningrad. In kleineren Städten gibt es weniger Wettbewerb um Arbeitsplätze und tschetschenische Migranten fänden daher leichter Arbeit. Hafenstädte haben öfter eine heterogene Bevölkerung, das heißt eine Migrantengemeinde. Von einem solchen kosmopolitischen Klima können tschetschenische Migranten profitieren. Eine westliche Botschaft gab an, dass es in Moskau und St. Petersburg, aber auch in anderen Städten in ganz Russland eine große tschetschenische Bevölkerung gibt. Ein Vertreter der Chechen Social and Cultural Assosiation gab an, dass sein Verein in 60 Regionen in Russland Zweigstellen hat. Jede Zweigstelle erfasst 10.000 bis 20.000 Tschetschenen. Die meisten tschetschenischen Einwohner gibt es in Moskau und St. Petersburg, und in vielen der umgebenden Regionen. Beträchtliche tschetschenische Gemeinschaften gibt es auch in den Städten und Regionen im südlichen Russland, darunter in Volgograd, Saratov, Samara und Astrachan. Von den rund 100.000 Tschetschenen, die 1996 nach Moskau flohen, halten sich heutzutage noch rund 25.000 in der Region Moskau auf. Diese haben dort eine dauerhafte Registrierung. Zusätzlich lebt eine große Gruppe von Tschetschenen in Moskau und der Region Moskau, die nicht registriert ist, oder nur vorübergehend registriert ist. Ein großer Anteil der außerhalb Tschetscheniens lebenden Tschetschenen hätte keine Registrierung und arbeitet im Handel, auf Märkten und in Cafes. Gemäß einer Vertreterin des House of Peace and Non-Violence umfasst die tschetschenische Gemeinde in der Region St. Petersburg 20.000 bis 30.000 Personen. Viele würden auch zu Besuchen oder um Schulen oder Universitäten zu besuchen nach St. Petersburg kommen. Obwohl Rassismus gegenüber Kaukasiern in St. Petersburg vorkomme, ist dieser "nicht unerträglich". Ein ethnischer Tschetschene in St. Petersburg schätzte die Anzahl der Tschetschenen in St. Petersburg selbst auf 13.000. Ein anderer Tschetschene in Moskau gab an, dass die sozioökonomische Lage in Moskau zwar besser sei als in Tschetschenien, aber dass viele Tschetschenen es dennoch schwer hätten, Arbeit zu finden. Einem Vertreter einer NGO zufolge könnte es für einen Tschetschenen schwer sein, in einen anderen Teil der Russischen Föderation zu ziehen, wenn man dort keinerlei Verwandte hat. Jedoch gibt es Tschetschenen in fast allen Regionen Russlands. Das Bestehen einer tschetschenischen Gemeinschaft in einer Region kann Neuankömmlingen zur Unterstützung oder zum Schutz gereichen, es sei denn, es handelt sich um einen Clan-Konflikt. Laut SOVA leben viele Tschetschenen in der Region Stavropol, es gibt viele tschetschenische Studenten an der Universität der Stadt Stavropol. Dies führte bereits zu kleineren Spannungen im Süden der Region. Betreffend rassistisch motivierter Gewalt gibt es keine allein Tschetschenen betreffenden Daten, Tschetschenen gehören hier zur Gruppe der Kaukasier. Es gibt keine Hinweise, dass Tschetschenen mehr als andere ethnische Gruppen aus dem Kaukasus Hassverbrechen zum Opfer fallen. Untererfassung von Hassverbrechen ist gemäß SOVA ein Thema und dürfte im Steigen begriffen sein. Im Verlauf der letzten 10 Jahre konzentrierten sich ultranationalistische Banden bei rassistisch motivierter Gewalt immer mehr auf Zentralasiaten, nicht zuletzt weil sich Kaukasier dieser Gewalt zunehmend widersetzten. IOM bestätigte, dass die Grenze zwischen Tschetschenien und dem restliche Russland völlig offen ist. Zudem gab IOM an, dass es in Russland einen politischen Willen zur Bekämpfung von Hassverbrechen, Diskriminierung und Korruption zu geben scheint. Einer westlichen Botschaft zufolge schenken Strafgerichte heutzutage Hassverbrechen mehr Aufmerksamkeit. Swetlana Gannuschkina und Oleg Orlov (Memorial) gehen davon aus, dass Tschetschenen in andere Regionen Russlands ziehen können, und einige tun dies auch. Ist eine Person nicht offenkundig kritisch gegenüber Kadyrow, so kann diese überall in der Russischen Föderation leben, ohne Angst haben zu müssen getötet oder in die Republik Tschetschenien zurückgeschickt zu werden. Wird eine Person aber tatsächlich von Kadyrow gesucht, so könnte jener die Person überall in der Welt, auch in Kopenhagen, XXXX, Dubai oder Moskau finden. Laut einem Anwalt von Memorial könnten Personen in Verbindung mit Oppositionsführern mit hohem Bekanntheitsgrad, aktive Rebellenkämpfer oder bekannte und tatverdächtige Terroristen der Bedrohung einer Entführung oder Tötung durch tschetschenische Behörden ausgesetzt sein. Ein Vertreter der Chechen Social and Cultural Association betrachtet es als unmöglich für die tschetschenischen Behörden, einen low-profile-Unterstützer der Rebellen in anderen Teilen der Russischen Föderation außerhalb Tschetscheniens zu finden (DIS 11.10.2011).
Im Mai/Juni 2012 schätzte eine westliche Botschaft die Anzahl der Tschetschenen in Moskau auf Hunderttausende. Außerhalb Tschetscheniens leben die meisten Tschetschenen in Moskau und der Region Stawropol, eine größere Anzahl an Tschetschenen kann in St. Petersburg, Jaroslawl, Wolgograd und Astrachan gefunden werden. SK-Strategy schätzt die Zahl der in Moskau lebenden Tschetschenen auf 100.000 bis 200.000, rund 70.000 Tschetschenen seien in Moskau registriert, rund 50.000 in Jaroslawl. Die NGO Vainakh Congress schätzt die Zahl der Tschetschenen in der Region St. Petersburg auf 20.000 bis 30.000. SOVA gab an, dass die Haltung gegenüber Personen aus dem Nordkaukasus negativer wird. Russen haben verschiedene Gründe, warum ihnen Personen aus dem Nordkaukasus unbehaglich seien:
Diese werden als anders oder als gewalttätig betrachtet, oder man hat Angst vor terroristischen Aktivitäten. In großen Städten werden sie zudem als Konkurrenten auf dem Arbeitsmarkt betrachtet. Gemäß SOVA gab es seit 2008 einen Rückgang rassistisch motivierter Übergriffe. 2008 fielen 116 Personen rassistisch motivierten Morden zum Opfer, 2011 waren es 23. 2007 hatte es 623 Berichte über rassistisch motivierte Übergriffe gegeben, 2011 waren es 183. Die meisten Opfer stammten aus Zentralasien, Personen aus dem Kaukasus lagen bei den Opferzahlen an zweiter Stelle. Wenngleich die Berichterstattung über solche Verbrechen lückenhaft ist, kann dennoch aufgrund der von der Organisation gesammelten Information von einem tatsächlichen Rückgang von Hassverbrechen ausgegangen werden. Der Rückgang der Zahlen liegt gemäß SOVA daran, dass der Druck der Behörden auf Neonazi-Gruppen erhöht wurde und dass diese Gruppen nunmehr eher auf politischer Ebene partizipieren. 2011 wurden 189 Personen für gewalttätige Hassverbrechen verurteilt (2010: 297, 2009: 130). Gemäß der Chechen Social and Cultural Association ist die negative Stimmung nicht nur gegen Tschetschenen, sondern gegen Personen aus dem Kaukasus insgesamt gerichtet. Eine zunehmende Anzahl von jungen Kaukasiern studiert an Universitäten in Moskau, diese würden ihre ethnische Zugehörigkeit und Kultur offen zur Schau stellen; gelegentlich käme es zu (auch physischen) Auseinandersetzungen. Einer internationalen Organisation zufolge sind Moskau und St. Petersburg nicht mit anderen Städten Russlands vergleichbar, da dort die Menschen mehr Vorurteile gegenüber Migranten haben. Nicht nur Tschetschenen sind in den großen Städten Diskriminierung ausgesetzt. Die internationale Organisation geht jedoch nicht davon aus, dass im Allgemeinen diese Diskriminierung eine Verfolgung darstellt. Laut einem Vertreter des Committee Against Torture ist Diskriminierung von Tschetschenen durch Behörden (etwa Polizisten) nicht auf einen Erlass oder Befehl der Regierung zurückzuführen, sondern auf persönliche Vorurteile und das Misstrauen einzelner. Mehrere Quellen gaben an, dass Tschetschenen heutzutage weniger oft für Personenkontrollen herausgegriffen werden, als etwa Zentralasiaten. Zumindest gelegentlich kommt es nach Aussage mehrerer Quellen vor, dass Tschetschenen Drogen oder Waffen untergeschoben werden, um einen Strafrechtsfall zu fabrizieren. Jedoch kommen solche Fälle falscher Anschuldigungen weniger oft vor als vor einigen Jahren und sind nicht systematisch; betroffen von solchen Praktiken sind nicht nur Tschetschenen. Mehreren Quellen zufolge finden nur sehr wenige Tschetschenen außerhalb Tschetscheniens einen Arbeitsplatz im öffentlichen Dienst und bei der Polizei (DIS 8.2012).
Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass die tschetschenischen Behörden Unterstützer und Familienmitglieder einzelner Kämpfer auf dem gesamten Territorium der Russischen Föderation suchen und/oder finden würden, was aber bei einzelnen bekannten oder hochrangigen Kämpfern sehr wohl der Fall sein kann (BAA Staatendokumentation 20.4.2011).
Quellen:
BAA Staatendokumentation (20.4.2011): Analyse der Staatendokumentation - Russische Föderation - Unterstützer und Familienmitglieder (mutmaßlicher) Widerstandskämpfer in Tschetschenien
DIS - Danish Immigration Service (11.10.2011): Chechens in the Russian Federation, Report from Danish Immigration Service's fact finding mission to Moscow and St. Petersburg, the Russian Federation, 12 to 29 June 2011, http://www.nyidanmark.dk/NR/rdonlyres/6EC0730B-9F8E-436F-B44F-A21BE67BDF2B/0/ChechensintheRussianFederationFINAL.pdf ; Zugriff 3.9.2014
Danish Immigration Service (8.2012): Chechens in the Russian Federation - residence registration, racially motivated violence and fabricated criminal cases,
http://www.nyidanmark.dk/NR/rdonlyres/01750EB0-C5B1-425C-90A7-3CE3B580EEAA/0/chechens_in_the_russian_federation.pdf ; Zugriff 3.9.2014
ÖB Moskau (9.2013): Asylländerbericht Russische Föderation
21. Grundversorgung/Wirtschaft
Der Anteil der wirtschaftlich aktiven Bevölkerung entsprach zuletzt 75,7 Millionen Menschen bzw. etwa 53% der Gesamtbevölkerung des Landes. Der vorwiegende Teil der arbeitenden Bevölkerung ist in großen und mittelständischen Unternehmen beschäftigt, die nicht dem Kleinunternehmertum zugerechnet werden. Das höchste monatliche Durchschnittseinkommen wird in Moskau (RUB 58.400 / USD 1702) und in den erdöl-und erdgasfördernden autonomen Gebieten registriert: in Nenetz und Jamalo-Nenetz (RUB 64.600 / USD 1884), Autonomes Gebiet Chanty-Mansijskij (RUB 55.400 / USD 1615), die Republik Sacha (Jakutien) (RUB 45600 / USD 1330), die autonome Region der Tschuktschen (RUB 50.800 / USD 1481, Sankt Petersburg (40.500 RUB / USD 1180) und die Region Moskau (35.700 RUB / 1040 USD). Die niedrigsten Durchschnittseinkommen werden in den südlichen Bundes-Distrikten (einschließlich Adygea, Dagestan, Inguschetien, Kabardino-Balkarien, Karachaevo-Tscherkessien, Nord-Ossetien-Alania, Tschetschenien und Stavropol Krai etc.) verzeichnet (17.900 / USD 522) (IOM 6.2014).
Die Arbeitslosigkeit blieb im Vergleich zum entsprechenden Zeitraum des Vorjahres gleich und lag bei 5,5% (berechnet nach der ILO-Methodik). Allerdings bestehen erhebliche regionale Unterschiede. Der Durchschnittslohn im III. Quartal 2013 betrug rund
29.100 Rubel (ca. 696 €). Die Durchschnittsrente betrug 2013 9.794 Rubel (ca. 241 €). Das Rentenalter liegt für Männer bei 60, für Frauen bei 55 Jahren (AA 6.2014).
Während 2012 für Russland insgesamt also zufriedenstellend verlief, war 2013 wegen der Konjunkturschwäche im Euro-Raum und der weltweit gesunkenen Rohstoffpreise schwach. Nach einem Plus von 3,4% im Jahr 2012, kam es für 2013 nur noch zu einem leichten Wachstum von 1,3%. Das Land ist in eine Phase anhaltender wirtschaftlicher Stagnation getreten. Gleichzeitig stieg Russland im Ranking von "Doing Business" von Platz 112 auf Platz 92. Die Staatsverschuldung in Russland ist mit rund 10% des BIP weiterhin vergleichsweise moderat. Sowohl hohe Gold- und Währungsreserven als auch die beiden durch Rohstoffeinnahmen gespeisten staatlichen Reservefonds stellen eine Absicherung des Landes dar. Strukturdefizite, Finanzierungsprobleme und Handelseinschränkungen durch Sanktionen seitens der USA, Kanadas, Japans und der EU bremsen das Wirtschaftswachstum 2014. Insbesondere die rückläufigen Investitionen und die Fokussierung staatlicher Finanzhilfen auf prioritäre Bereiche verstärken diesen Trend. Das komplizierte geopolitische Umfeld und die Neuausrichtung der Industrieförderung führen dazu, dass Projekte vorerst verschoben werden. Wirtschaftlich nähert sich Russland der VR China an (GIZ 8.2014).
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt (6.2014): Russische Föderation - Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/sid_167537BE2E4C25B1A754139A317E2F27/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/RussischeFoederation/Innenpolitik_node.html , Zugriff 14.7.2014
GIZ Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (8.2014): Russland, Wirtschaft und Entwicklung, http://liportal.giz.de/russland/wirtschaft-entwicklung/ , Zugriff 2.9.2014
IOM - International Organisation of Migration (6.2014):
Länderinformationsblatt Russische Föderation
21.1. Nordkaukasus
Die Region leidet seit langem unter Armut, Korruption und Vetternwirtschaft. Der Lebensstandard im Nordkaukasus ist weitaus niedriger als im restlichen Russland. Die Einkommen liegen deutlich unter dem russlandweiten Durchschnitt. Mehr als die Hälfte der Bevölkerung lebt in Armut. Die von Moskau eingesetzten Regierungen sind mit korrupten und kriminellen Netzwerke verquickt und an einer Verbesserung der Lage nicht wirklich interessiert. Insbesondere im Osten des Nordkaukasus verstärken religiöse Spannungen zwischen gemäßigtem und radikalem Islam die Gewalt. Anders als in den westlichen Teilrepubliken hat der Islam im Osten größeren identitätsbildenden Einfluss, radikale Positionen finden hier mehr Anklang. Umgekehrt wachsen innerhalb der Christen in der Region sowie im russischen Kernland selbst die Ressentiments gegen die Völker des Kaukasus. Dies prägt den Umgang mit dem bewaffneten Widerstand und Extremismus und wirkt sich letztlich konfliktverschärfend aus (BpB 6.1.2014, vgl. ÖB Moskau 9.2013).
Die nordkaukasischen Republiken ragen unter den Föderationssubjekten Russlands durch einen überdurchschnittlichen Grad der Verarmung und der Abhängigkeit vom föderalen Haushalt hervor. Die Haushalte Dagestans, Inguschetiens und Tschetscheniens werden zu über 80% von Moskau finanziert (GIZ 8.2014).
Die Arbeitslosigkeit in der Nord-Kaukasus-Region ist die höchste in Russland und betrug 2013 13% der wirtschaftlich aktiven Bevölkerung. Die höchste Arbeitslosenquote findet man hierbei in Inguschetien - 43,7%, Tschetschenien - 26,9% und Dagestan - 11,6% (IOM 6.2014).
Quellen:
Bundeszentrale für politische Bildung (6.1.2014): Nordkaukasus, http://www.bpb.de/internationales/weltweit/innerstaatliche-konflikte/54672/nordkaukasus ; Zugriff 2.9.2014
GIZ Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (8.2014): Russland, Geschichte, Staat und Politik, http://liportal.giz.de/russland/geschichte-staat/ , Zugriff 2.9.2014
IOM - International Organisation of Migration (6.2014):
Länderinformationsblatt Russische Föderation
ÖB Moskau (9.2013): Asylländerbericht Russische Föderation
21.2. Tschetschenien
Die materiellen Lebensumstände für die Mehrheit der tschetschenischen Bevölkerung haben sich dank großer Zuschüsse aus dem russischen Föderalen Budget nach Angaben von internationalen Hilfsorganisationen seit 2007 deutlich verbessert - ausgehend von sehr niedrigem Niveau. Die Durchschnittslöhne in Tschetschenien liegen spürbar über denen in den Nachbarrepubliken. Die Staatsausgaben in Tschetschenien sind pro Einwohner doppelt so hoch wie im Durchschnitt des südlichen Föderalen Bezirks. Die ehemals zerstörte Hauptstadt Tschetscheniens Grosny ist inzwischen dank föderaler Gelder fast vollständig wieder aufgebaut. Gleichwohl bleibt Arbeitslosigkeit und daraus resultierende Armut der Bevölkerung das größte soziale Problem (AA Bericht 10.6.2013).
Die Gesamtbevölkerung der Republik beträgt 1,3 Millionen Menschen. 34,1% leben in Städten und 65,19% auf dem Land. Urbane Bevölkerung in den Städten Tschetscheniens: Grosnij (271573 Einwohner), Gudermes (45631 Einwohner), Argun (29525 Einwohner), Schali (47708 Einwohner) und Urus-Martan (49070 Einwohner). Die wichtigsten Wirtschaftszweige der Republik Tschetschenien sind: Erdöl- und Erdgasförderung, die petrochemische Industrie, Landwirtschaft, Maschinenbau, Leichtindustrie und Forstwirtschaft (IOM 6.2014).
Die auf dem Land lebenden Tschetschenen leben nicht schlecht. Sie nutzen das fruchtbare Land zum Gartenanbau und halten sich ein bis zwei Nutztiere. Die Großfamilien wohnen in "Mehrgenerationenhäusern", d.h. auf einem Areal hinter hohen Mauern mit mehreren Häusern und Anbauten. Innerhalb der Großfamilie stehen alle füreinander ein. Der enge Zusammenhalt gewährleistet die Versorgung mit Nahrungsmittel. Nächstgrößere Familienstrukturen sind die "Tejps" (Clans). Einer der bekanntesten ist der Benoi-Tejp, dem auch Ramsam Kadyrow angehört (BAMF 10.2013).
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt (10.6.2013): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation
BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (10.2013): Protokoll zum Workshop Russische Föderation/Tschetschenien am 21.-22.10.2013 in Nürnberg
IOM - International Organisation of Migration (6.2014):
Länderinformationsblatt Russische Föderation
22. Sozialbeihilfen
Das soziale Sicherungssystem wird von vier Institutionen getragen:
dem Rentenfonds, dem Sozialversicherungsfonds, dem Fonds für obligatorische Krankenversicherung und dem Staatlichen Beschäftigungsfonds. Aus dem 1992 gegründeten Rentenfonds werden Arbeitsunfähigkeits- und Altersrenten gezahlt. Das Rentenalter wird mit 60 Jahren bei Männern und bei 55 Jahren bei Frauen erreicht. Die Rentenreform sieht die Gründung der nichtstaatlichen Rentenfonds vor, die neben der Grundversicherung einen zusätzlichen privaten Teil der Rente ermöglichen. Der Sozialversicherungsfonds finanziert das Mutterschaftsgeld (bis zu 18 Wochen), Kinder- und Krankengeld. Das Krankenversicherungssystem umfasst eine garantierte staatliche Minimalversorgung, eine Pflichtversicherung und eine freiwillige Zusatzversicherung. Vom staatlichen Beschäftigungsfonds wird das Arbeitslosengeld (maximal ein Jahr lang) ausgezahlt. Alle Sozialleistungen liegen auf einem niedrigen Niveau. Renten- und Krankenversicherungsbeiträge wurden 2011 angehoben (GIZ 8.2014).
Das Ministerium für Gesundheit und Soziales setzt die staatliche Unterstützung für sozial bedürftige Gruppen in der Praxis um. Vor allem die soziale Fürsorge für Familien, alte Menschen, Invaliden und Waisen soll gefördert werden. Personen, die soziale Unterstützung erhalten können:
Invaliden und Veteranen des Großen Vaterländischen Krieges;
Invaliden und Veteranen militärischer Operationen
Invaliden mit Behinderung I., II. und III. Grades
Ehemalige minderjährige Insassen von Konzentrationslagern
Kinder mit Behinderung
Arbeitsveteranen
Arbeiter der Heimatfront (Großer Vaterländischer Krieg)
Invaliden als Folge der Tschernobyl-Katastrophe
Menschen, die unter gesundheitlichen Folgen von Verstrahlung leiden
Menschen die aus der Evakuierungszone der Tschernobyl-Katastrophe evakuiert wurden
Kinder deren Eltern unter der Verstrahlung der Tschernobyl-Katastrophe leiden
Beteiligte der Tschernobyl-Unfallfolgenbeseitigung
Opfer politischer Repressionen
Personen, die sich um das Land verdient gemacht haben ("Helden der Sowjetunion und Russland" etc.) (IOM 6.2014)
Es gibt weitere Kategorien, die auf verschiedenen Rechtsgrundlagen oder unter bestimmten Programmen, die von regionalen Behörden geleitet werden, anspruchsberechtigt sind. Personen der o.g. Kategorien erhalten eine monatliche Zahlung und soziale Beihilfe, einschließlich:
ärztlich verschriebene Medikamente
Sanatoriumsaufenthalt
Ausgaben im Nahverkehr (kostenfreie Fahrten im Nahverkehr am Wohnort (nicht in allen Regionen); Schienenverkehr in Vororte, Langstreckenreisen zu und von der Behandlungsstätte) (IOM 6.2014)
Invaliden zahlen nur die Hälfte der öffentlichen Nebenkosten und haben die Möglichkeit, in besonderen Ausbildungseinrichtungen zu lernen. Um die oben aufgeführten Leistungen erhalten zu können, müssen Personen, die den genannten Kategorien angehören, Dokumente vorlegen, die die Zugehörigkeit zur entsprechenden Gruppe offiziell bestätigen (IOM 6.2014).
Renten
In der Russischen Föderation leben 37,8 Millionen Rentner (28% der Gesamtbevölkerung). Ihr hauptsächliches Einkommen besteht in einer Altersrente. Alle russischen Staatsbürger, die in Besitz einer Rentenversicherung sind, haben einen staatlich garantierten Anspruch auf den Erhalt einer Rente. Es gibt verschiedene Rentenformen:
die Altersrente
die Ruhestandsrente für die Dauer der Dienstzeit (für ehemalige Polizei- und Militärbedienstete)
die Sozialrente
die Hinterbliebenenrente
Invalidenrente (IOM 6.2014)
Die derzeitige Rente besteht aus einem Basisanteil von 3.910,34 RUB/Monat (ca. 115 USD). Für Rentner, die älter als 80 Jahre sind, in den nördlichen Regionen Russlands gearbeitet haben und einige andere Kategorien gibt es einen etwas erhöhten Basisanteil. Zusätzlich gibt es auch einen Versicherungsanteil und einen Akkumulationsanteil. In manchen Regionen, die über ausreichende Finanzmittel verfügen, gibt es zusätzliche Unterstützung, so z.B. in Moskau. Manche Regionen bieten in Form von Dienstleistungen zusätzliche Hilfe an (z.B. kostenfreie Benutzung des öffentlichen Nahverkehrs am Wohnort, Steuervergünstigungen, Vergünstigungen auf Medikamente sowie medizinische und orthopädische Dienstleistungen und anderes). Im Regelfall entrichten die Arbeitgeber den Beitrag an die Rentenversicherung für den jeweiligen Arbeitnehmer. Die Höhe des o. g. Basisanteils und des Versicherungsanteils wird staatlich festgelegt; der Akkumulationsanteil obliegt der Kontrolle durch den Rentenversicherten. Der Akkumulationsanteil wurde im Jahr 2002 eingeführt und spielt lediglich für Staatsbürger eine Rolle, die 1967 oder später geboren wurden. Am 1. April 2014 betrug die durchschnittliche Altersrente 11.600 RUB (ca. 388 USD) in ganz Russland. Eine Altersrente kann gewährt werden, wenn die betreffende Person mindestens 5 Jahre durchgehend versicherungspflichtig gearbeitet hat (IOM 6.2014).
Wohnungswesen
Die Wohnsituation in der Russischen Föderation ist im Allgemeinen als schwierig zu bezeichnen. Die durchschnittliche Wohnfläche in einem Haus oder einer Wohnung liegt bei 19-20 m² pro Person (2-3mal weniger als in entwickelten europäischen Ländern). Diese Art der Unterkunft steht Statistiken zufolge jedoch weniger als 50% der Bevölkerung zur Verfügung. 2,5 Millionen Familien warten gegenwärtig auf eine staatliche Unterbringung in neuen größeren Unterkünften. Es wird darauf hingewiesen, dass die Wartezeiten bis zum Erhalt einer Unterkunft im Rahmen eines Sozialprogramms bei 15-20 Jahren liegen können. Anspruchsberechtigt sind Personen mit bestimmten Erkrankungen, Personen, die auf weniger als 10m² leben (die Größe kann von Region zu Region variieren), Familien mit 4 und mehr Kindern etc. (IOM 6.2014).
In der Russischen Föderation wird die Idee des Sozialwohnungswesens verfolgt:
Es gibt ein System der sogenannten "Sozialrente", d.h. Personen, die auf die Verbesserung ihrer Wohnsituation warten - zumeist Personen mit niedrigem Einkommen - erhalten eine staatliche oder städtische Unterkunft. Der Wohnstandard in diesen Fällen beträgt 12m² pro Person. Nach einer entsprechenden Entscheidung durch die zuständige Behörde wird die Unterkunft kostenlos gewährt.
Es gibt Programme, die junge Familien mit Kindern unterstützen, in denen die Eltern jünger als 35 sind. Das bedeutet, dass die Familien eine spezielle Subvention erhalten oder der Staat Teile der Wohnkosten übernimmt bzw. ein Kredit zu Vorzugsbedingungen gewährt wird.
Kinder aus Waisenhäusern haben mit 18 Jahren ein Anrecht auf eine Sozialwohnung vom Staat.
Flüchtlinge und Vertriebene können temporär auf speziellen staatseigenen Grundstücken kostenlos untergebracht werden, sofern ihr Flüchtlingsstatus staatlich anerkannt worden ist.
Es gibt ein System von staatlichen Institutionen für ältere Menschen, behinderte Erwachsene und Kinder. Sie können dort kostenlos untergebracht werden und erhalten Zugang zur medizinischen Versorgung.
Es gibt staatliche Krisenzentren und Unterkünfte für Erwachsene und Kinder, die vom Ministerium für Gesundheit und soziale Entwicklung geführt werden, sowie ein Netzwerk von sozialen Einrichtungen, die auf die Unterstützung von Kindern und Familien ausgerichtet sind.
Viele nicht-staatliche Unterkünfte werden von NGOs geführt. Staatliche Unterstützung für diese Einrichtungen ist ungewöhnlich und die meisten dieser Unterkünfte werden von internationalen und ausländischen Organisationen finanziert. Aufgrund mangelnder Finanzierung ist die Verfügbarkeit begrenzt und es ist nicht möglich, alle Hilfsbedürftigen zu versorgen (IOM 6.2014).
Aufgrund schnell steigender Wohnraumpreise hat die breite Öffentlichkeit Schwierigkeiten, die Kosten mit dem durchschnittlichen Einkommen zu decken. Je nach Region variieren die Wohnraumpreise erheblich. Die teuerste Region ist die Stadt Moskau, gefolgt von St. Petersburg, Jekaterinburg, Sotschi und weiteren Städten mit gutem Wirtschaftsklima und guten Arbeitsmöglichkeiten (IOM 6.2014).
Arbeitslosigkeit
Jeder Arbeitslose (außer Schülern, Studenten und Rentnern) kann einen Antrag auf Arbeitslosenhilfe stellen. Um die Arbeitslosenhilfe zu erhalten, müssen russische Staatsbürger bei den Beschäftigungszentren des Bundesarbeits- und Beschäftigtendienstes ("Rostrud") an ihrem Wohnort (entsprechend dem Meldestempel im Pass) gemeldet sein. Die Arbeitsagentur wird dem Arbeitsuchenden innerhalb von 10 Tagen nach der Übermittlung seiner Dokumente entsprechende Stellen anbieten. Nimmt der Arbeitsuchende keine der angebotenen Stellen an, erhält er den Arbeitslosen-Status und die Arbeitslosenhilfe wird für ihn berechnet. Die Beihilfe wird auf Basis des Durchschnitts-Einkommens berechnet, das die Person während der letzten Beschäftigung bezogen hat; die Beihilfe ist jedoch begrenzt durch ein Minimum und ein Maximum, das durch die Russische Gesetzgebung festgelegt wurde. Seit 2009 liegt die minimale Beihilfe bei RUB 850 (25 USD) im Monat und das Maximum bei RUB 4.900 (143 USD). Die Beihilfe wird monatlich gezahlt, vom ersten Tag der offiziellen Anerkennung der Arbeitslosigkeit (IOM 6.2014).
Quellen:
GIZ Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (8.2014): Russland, Gesellschaft, http://liportal.giz.de/russland/gesellschaft/ , Zugriff 2.9.2014
IOM - International Organisation of Migration (6.2014):
Länderinformationsblatt Russische Föderation
22.1. Krankenversicherung
Seit dem 1. Januar 2011 gibt es ein neues Gesetz über die Krankenpflichtversicherung. Vor dem 1. Mai 2011 gab es in den verschiedenen Regionen unterschiedliche Krankenversicherungen, danach traten neue Regeln für den Abschluss einer universellen Krankenversicherung in Kraft. Die Änderung der Krankenversicherungen tritt nach und nach in den einzelnen Regionen in Kraft. Die versicherten Personen sollen medizinische Versorgung in Gesundheitszentren kostenfrei erhalten mit sowohl den alten als auch den neuen Krankenversicherungen. Die alten Krankenversicherungen bleiben so lange in Kraft, bis sie durch die neue Versicherung ersetzt werden, egal welche Gültigkeitsdauer auf der alten Krankenversicherung angegeben ist. Es gibt keine Richtlinie, die die Dauer des Austausches der Krankenversicherungen festlegt. Wenn jetzt ein Versicherungsnehmer seinen Job wechselt oder verlässt, bleibt die Versicherung gültig und es ist nicht notwendig, eine neue Versicherung abzuschließen. Im Rahmen der Krankenpflichtversicherung (OMS) können russische Staatsbürger eine kostenlose medizinische Grundversorgung in Anspruch nehmen, die durch staatliche Finanzmittel, Versicherungsbeiträge und andere Quellen finanziert wird (IOM 6.2014).
Die kostenlose Versorgung soll folgende Bereiche abdecken:
Notfallhilfe
- ambulante Versorgung und Vorsorgemedikamente, Diagnose und Behandlung von Krankheiten zuhause und in Polikliniken
- Behandlung im Krankenhaus (IOM 6.2014).
Jede OMS-registrierte Person hat eine Krankenversicherung mit einer individuellen Nummer, wodurch ihnen der Zugang zur kostenfreien medizinischen Versorgung auf dem Gebiet der Russischen Föderation garantiert wird; unabhängig von ihrem Wohnort. Bei der Anmeldung in einer Klinik muss zunächst die Versicherungsbescheinigung vorgelegt werden, es sei denn, es handelt sich um einen Notfall. Die Notfallbehandlung kann von allen russischen Staatsbürgern kostenlos in Anspruch genommen werden, unabhängig davon ob sie krankenversichert sind oder nicht. Um eine Krankenversicherung zu erhalten, müssen die Bürger an eine der Krankenversicherungen einen Antrag stellen und die folgenden Dokumente vorlegen: Antrag, Identifikationsdokument (für Erwachsene über 14 Jahre ein Reisepass oder vorläufiger Ausweis, für Kinder die Geburtsurkunde und den Pass bzw. vorläufigen Ausweis des Erziehungsberechtigten) und u.U. die Versicherungspolice der Rentenpflichtversicherung. Die Aufnahme in die Krankenversicherung sowie die Erneuerung sind kostenfrei. Für Kinder bis einschließlich 14 Jahren existiert ein gesondertes System der kostenlosen medizinischen Versorgung, sofern eine Registrierung in der Krankenpflichtversicherung (OMS) vorliegt. Kinder, die älter als 14 sind werden in der Regel in medizinischen Einrichtungen für Erwachsene behandelt. Einige Kliniken (staatliche und private) bieten kostenlose medizinische Konsultationen über das Internet an. Ausländische Staatsbürger haben in Russland nur Zugang zur medizinischen Grundversorgung, d.h. zur notfallmedizinischen Behandlung. Darüber hinausgehende Behandlungen werden in Rechnung gestellt und sind entweder durch direkte Zahlung an die jeweilige Klinik oder gegebenenfalls über die Krankenversicherung des Ausländers zu begleichen. Medizinische Versorgung gegen Bezahlung wird von privaten Gesundheitseinrichtungen unabhängig von der jeweiligen Staatsangehörigkeit angeboten. Umfragen zufolge haben 35% der Bevölkerung eine medizinische Serviceleistung gegen Bezahlung bereits in Anspruch genommen. Aufgrund der hohen Kosten kann der Großteil der Bevölkerung von dieser Möglichkeit jedoch keinen Gebrauch machen. Neben der geschilderten Krankenpflichtversicherung können sowohl russische Staatsbürger als auch Ausländer gegen Bezahlung eine Freiwillige Krankenversicherung (DMS) abschließen, die immer weiter verbreitet ist. Ein Netz von Versicherungsgesellschaften bietet die entsprechenden Dienstleistungen an, wobei die Kosten für eine Versicherung - je nach Ruf der Versicherung und des gebotenen Servicepakets - zwischen 400 und mehreren tausend USD liegen können. Die meisten Versicherungsgesellschaften bevorzugen die Zusammenarbeit mit juristischen Personen. In den vergangenen zehn Jahren sind jedoch zunehmend Versicherungsprogramme für Privatpersonen aufgelegt worden (IOM 6.2014).
Quellen:
IOM - International Organisation of Migration (6.2014):
Länderinformationsblatt Russische Föderation
23. Medizinische Versorgung
Das Recht auf kostenlose medizinische Grundversorgung für alle Bürger ist in der Verfassung verankert. Russland weist zwar im internationalen Vergleich eine vergleichsweise hohe Anzahl der Ärzte und der Krankenhäuser pro Kopf der Bevölkerung auf, das noch aus der Sowjetzeit stammende Gesundheitssystem bleibt aber ineffektiv. Das Gesundheitswesen wurde vom wirtschaftlichen Niedergang der 1990er Jahre in Russland stark getroffen. Schlechter Zustand der medizinischen Einrichtungen, Medikamentenmangel und ungenügende Finanzierung bilden die Hauptprobleme des Gesundheitswesens. Trotz der schrittweisen Anhebung der Honorare sind die Einkommen der Ärzte und des medizinischen Personals noch immer niedrig. Dies hat zu einem System der faktischen Zuzahlung durch die Patienten geführt, obwohl ärztliche Behandlung eigentlich kostenfrei ist (GIZ 8.2014, vgl. AA 6.2014a).
Infektionskrankheiten, wie Tuberkulose und insbesondere HIV/AIDS, breiten sich weiter aus. In die Modernisierung des Gesundheitswesens Russlands werden erhebliche Geldmittel investiert. Ziel ist es, die staatliche Gesundheitsversorgung technisch und verwaltungsmäßig so effizient zu machen, dass sie ab 2015 weitgehend durch die Einnahmen der gesetzlichen Krankenversicherung finanziert werden kann (AA 6.2014a). Die Apotheken in den großen Städten der Russischen Föderation haben ein gutes Sortiment, wichtige Standardmedikamente sind vorhanden. Medikamentenfälschungen mit unsicherem Inhalt kommen allerdings vor (AA 2.9.2014b).
Das Gesundheitswesen wird im Rahmen der "Nationalen Projekte", die aus Rohstoffeinnahmen finanziert werden, modernisiert. So wurden landesweit 7 föderale Zentren mit medizinischer Spitzentechnologie und 12 Perinatalzentren errichtet, Transport und Versorgung von Unfallopfern verbessert sowie Präventions- und Unterstützungsprogramme für Mütter und Kinder entwickelt. Schrittweise werden die Gehälter für das medizinische Personal angehoben sowie staatliche Mittel in die Modernisierung bestehender Kliniken investiert (GIZ 8.2014).
Die medizinische Versorgung in Russland ist auf einfachem Niveau, aber grundsätzlich ausreichend. Zumindest in den Großstädten, wie Moskau und St. Petersburg, sind auch das Wissen und die technischen Möglichkeiten für anspruchsvollere Behandlungen vorhanden. Nach Einschätzung westlicher NGOs ist das Hauptproblem weniger die fehlende technische oder finanzielle Ausstattung, sondern ein gravierender Ärztemangel. Hinzu kommt, dass die Gesundheitsversorgung zu stark auf klinische Behandlung ausgerichtet ist und gleichzeitig Allgemeinmediziner fehlen. Außerdem ist das Gesundheitssystem strukturell unterfinanziert. Russische Bürger haben ein Recht auf kostenfreie medizinische Grundversorgung, doch in der Praxis werden nahezu alle Gesundheitsdienstleistungen erst nach verdeckter privater Zuzahlung geleistet. Nach Angaben des Zentrums für soziale Politik der Russischen Wissenschaftsakademie erhält rund die Hälfte der erwerbstätigen Bevölkerung keine medizinische Versorgung, da diese Menschen keine Zeit für Warteschlangen in den formell kostenlosen medizinischen Einrichtungen haben. Die Notfallversorgung über die "Schnelle Hilfe" (Telefonnummer 03) ist gewährleistet. Die sogenannten Notfall-Krankenhäuser bieten einen medizinischen Grundstandard (AA 10.6.2013; vgl. ÖB Moskau 9.2013).
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt (6.2014a): Russische Föderation - Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/sid_167537BE2E4C25B1A754139A317E2F27/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/RussischeFoederation/Innenpolitik_node.html , Zugriff 2.9.2014
AA - Auswärtiges Amt (2.9.2014b): Russische Föderation - Reise- und Sicherheitshinweise,
http://www.auswaertiges-amt.de/sid_93DF338D07240C852A755BB27CDFE343/DE/Laenderinformationen/00-SiHi/Nodes/RussischeFoederationSicherheit_node.html , Zugriff 2.9.2014
GIZ Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (8.2014): Russland, Gesellschaft, http://liportal.giz.de/russland/gesellschaft/ , Zugriff 2.9.2014
23.1. Tschetschenien
Angaben liegen nur für die tschetschenische Hauptstadt vor: Im Rahmen der Durchführung des vorrangigen nationalen Projekts "Gesundheitswesen" finden in fast allen medizinischen Einrichtungen der im Krieg zerstörten Stadt Grosnij Wiederaufbauarbeiten statt. Bereits 27 medizinische Einrichtungen sind wieder an die Wasserversorgung angeschlossen. Renovierungs- und Bauarbeiten werden in den städtischen Krankenhäusern Nr.1 und Nr.5, in dem Kinderheim Nr.1, in dem Kinderkrankenhaus Nr.2, im Geburtskrankenhaus Nr.2 und den Kinderpolykliniken Nr.1 und Nr. 5 durchgeführt. Aus Mitteln des republikanischen Haushalts werden die Wiederaufbaumaßnahmen im Klinischen Krankenhaus Nr.3 und in den Polykliniken Nr.1, 3, 4 und 5 finanziert (IOM 6.2014).
Falls z.B. innerhalb der Familie nicht genügend Geld für eine teure Operation vorhanden ist, kann man sich an eine in der Clanstruktur höher stehende Person wenden. Aufgrund bestehender Clanstrukturen sind die Familien in Tschetschenien finanziell besser abgesichert als in anderen Teilen Russlands (BAMF 10.2013).
Aufgrund der Bewegungsfreiheit im Land, ist es - wie für alle Bürger der Russischen Föderation - auch für Tschetschenen möglich, bei Krankheiten, die in Tschetschenien nicht behandelbar sind, zur Behandlung in andere Teile der Russischen Föderation zu reisen (vorübergehende Registrierung) (vgl. dazu Kapitel 21. Bewegungsfreiheit/Meldewesen und folgende Quellen: AA Bericht 10.6.2013, US DOS 27.2.2014, FH 23.1.2014, DIS 11.10.2011)
Quellen:
Auswärtiges Amt (10.6.2013): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation
BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (10.2013): Protokoll zum Workshop Russische Föderation/Tschetschenien am 21.-22.10.2013 in Nürnberg
DIS - Danish Immigration Service (11.10.2011): Chechens in the Russian Federation, Report from Danish Immigration Service's fact finding mission to Moscow and St. Petersburg, the Russian Federation, 12 to 29 June 2011, http://www.nyidanmark.dk/NR/rdonlyres/6EC0730B-9F8E-436F-B44F-A21BE67BDF2B/0/ChechensintheRussianFederationFINAL.pdf ; Zugriff 1.9.2014
FH - Freedom House (23.1.2014): Freedom in the World 2014 - Russia, http://www.ecoi.net/local_link/268011/395592_de.html , Zugriff 1.9.2014
IOM - International Organisation of Migration (6.2014):
Länderinformationsblatt Russische Föderation
U.S. Department of State (27.2.2014): Country Report on Human Rights Practices for 2013 - Russia,
http://www.ecoi.net/local_link/270638/399498_de.html , Zugriff 1.9.2014
23.2. Behandlungsmöglichkeiten PTBS/Drogenmissbrauch
Posttraumatische Belastungsstörung ist in der Russischen Föderation mittels unterschiedlicher Therapien eines Psychiaters/Psychologen und diversen Medikamenten behandelbar (SOS International 20.2.2013, 27.5.2014).
Die Behandlung von gewöhnlichen psychiatrischen Krankheiten und Drogenmissbrauch sind in der Russischen Föderation möglich. Die Behandlung nehmen Spitäler in den Distrikten vor. Nach den akuten Symptomen der Krankheiten wird der Patient ambulant in einer psychoneurologischen Abteilung oder einer Abteilung für Drogenmissbrauch weiterbehandelt. Für russische Staatsbürger mit einer Krankenversicherung ist die Behandlung kostenlos, für alle anderen können die Kosten je nach Kosten der Medikamente, der Region etc. variieren (IOM 5.6.2012).
Quellen:
SOS International via MedCOI (20.2.2013): BMA-4634
SOS International via MedCOI (27.5.2014): BMA-5411
IOM via MedCOI (5.6.2012): Information on the availability of medication for the treatment of PTSD and epilepsy
23.3. Medikamente
Die Versorgung mit Medikamenten erfolgt:
a) In ambulanten Kliniken, städtischen und Gebietskrankenhäusern sowie im Falle einer Behandlung zu Hause, auf Kosten des Patienten; ausgenommen sind Personen, die einer der Kategorien angehören, die einen Anspruch auf staatlich finanzierte Medikamente haben.
b) In 24-Stunden-Krankenhäusern und Tageskliniken werden die Ausgaben von der staatlichen Krankenversicherung (OMS) und den lokalen Budgets gedeckt. Dies bedeutet, dass Medikamente kostenlos an entsprechend pflichtversicherte Patienten herausgegeben werden.
c) im Rahmen einer Notfallversorgung sind die benötigten Medikamente kostenlos; nicht nur innerhalb einer Klinik, sondern auch außerhalb (IOM 6.2014).
Im Allgemeinen gilt, dass alle russischen Staatsbürger - sowohl im Rahmen einer Krankenpflichtversicherung als auch anderweitig versicherte - für etwaige Medikamentenkosten selbst aufkommen. Ausnahmen von dieser Regelung gelten nur für besondere Personengruppen, die an bestimmten Erkrankungen leiden und denen staatliche Unterstützung zuerkannt worden ist (einschließlich kostenloser Medikation, Sanatoriumsbehandlung und Transport (Nahverkehr und regionale Züge). Die Behandlung und die Medikamente für einige Krankheiten werden auch aus regionalen Budgets bestritten. Die Liste von Erkrankungen, die Patienten berechtigen, Medikamente kostenlos zu erhalten, wird vom Ministerium für Gesundheit erstellt. Sie umfasst: Makrogenitosomie, multiple Sklerose, Myasthenie, Myopathie, zerebrale Ataxie, Parkinson, Glaukom, geistige Erkrankungen, adrenokortikale Insuffizienz, AIDS/HIV, Schizophrenie und Epilepsie, systemisch chronische Hauterkrankungen, Bronchialasthma, Rheumatismus, rheumatische Gicht, Lupus Erythematosus, Morbus Bechterew, Diabetes, Hypophysen-Syndrom, zerebral-spastische Kinderlähmung, fortschreitende zerebrale Pseudosklerose, Phenylketonurie, intermittierende Porphyrie, hämatologische Erkrankungen, Strahlenkrankheit, Lepra, Tuberkulose, akute Brucellose, chronisch-urologische Erkrankungen, Syphillis, Herzinfarktnachsorge (6 Monate nach dem Infarkt), Aorten- und Mitralklappenersatz, Organtransplantationen, Mukoviszidose bei Kindern, Kinder unter 3 Jahren, Kinder unter 6 Jahren aus sehr kinderreichen Familien, im Falle bettlägeriger Patienten erhält ein Angehöriger oder Sozialarbeiter die Medikamente gegen Verschreibung (IOM 6.2014).
Die Medikamentenpreise sind von Region zu Region und, teilweise auch in Abhängigkeit von der Lage einer Apotheke unterschiedlich, da es in der Russischen Föderation keine Fixpreise für Medikamente gibt. Die Preise für Aspirin-Tabletten in Moskauer Apotheken liegen beispielsweise zwischen 40 (ca. 1,28 USD) und 180 RUB (ca. 5,80 USD) (IOM 6.2014).
Quellen:
IOM - International Organisation of Migration (6.2014):
Länderinformationsblatt Russische Föderation
24. Behandlung nach Rückkehr
Die Abschiebung von russischen Staatsangehörigen aus Österreich nach Russland erfolgt in der Regel im Rahmen des Abkommens zwischen der Europäischen Gemeinschaft und der Russischen Föderation über die Rückübernahme (im Folgenden: Rückübernahmeabkommen). Der Abschiebung geht, wenn die betroffene Person in Österreich über kein gültiges Reisedokument verfügt, ein Identifizierungsverfahren durch die russischen Behörden voraus. Wird dem Rückübernahmeersuchen stattgegeben, wird für diese Personen von der Russischen Botschaft in XXXX ein Heimreisezertifikat ausgestellt. Gemäß Rückübernahmeabkommen muss die Rückstellung 10 Tage vor Ankunft in der Russischen Föderation den russischen Behörden mitgeteilt werden. Wenn die rückzuübernehmende Person im Besitz eines gültigen Reisedokuments ist, muss kein Rückübernahmeersuchen gestellt werden. Bei Ankunft in der Russischen Föderation wird den Abgeschobenen von einem Mitarbeiter des Föderalen Migrationsdiensts der Russischen Föderation ein Fragebogen ausgehändigt. Das Ausfüllen dieses Fragebogens beruht auf Freiwilligkeit. Darin werden u.a. Fragen zum beabsichtigten Wohnsitz in Russland gestellt, zum Grund des Verlusts des Reisedokuments und ob man in dem Land, aus dem man abgeschoben wurden, ordentlich behandelt wurde. Dieser Fragebogen dient laut Auskunft der russischen Seite dazu, die lokalen Stellen des Föderalen Migrationsdienstes am Ort des beabsichtigten Wohnsitzes zu informieren, dass eine Überprüfung der Identität und der Staatsangehörigkeit bereits im Zuge der Rückübernahme stattgefunden hat und somit nicht nochmals erforderlich ist. Bei der Rückübernahme eines russischen Staatsangehörigen, nach dem in der Russischen Föderation eine Fahndung läuft, wird die ausschreibende Stelle über die Abschiebung informiert wird und, falls ein Haftbefehl aufrecht ist, kann diese Person in Untersuchungshaft genommen werden. Zur allgemeinen Situation von Rückkehrern (freiwilligen Rückkehrern und Abgeschobenen) wird darauf hingewiesen, dass die der Botschaft vorliegenden Informationen sich in erster Linie auf Rückkehrer nach Tschetschenien beziehen. Laut einem Bericht des Menschenrechtszentrums Memorial Komitee Bürgerbeteiligung sind "in Tschetschenien alle gefährdet, die nach einer langen Abwesenheit nach Tschetschenien zurückkehren". Von anderer Seite wurde berichtet, dass Rückkehrer nach Tschetschenien mit verschiedenen Problemen konfrontiert sein können. Einerseits stehen Rückkehrer, ebenso wie die restliche Bevölkerung vor den alltäglichen Problemen der Region. Dies betrifft in erster Linie die hohe Arbeitslosigkeit, die Wohnungsfrage und die Beschaffung von Dokumenten sowie die Registrierung. Viele Häuser wurden für den Neubau von Grosny abgerissen und der Kauf einer Wohnung sei für viele unerschwinglich, die Arbeitslosigkeit sei um einiges höher als in den offiziellen Statistiken angegeben und bei der Beschaffung von Dokumenten würden oft Schmiergeldzahlungen erwartet. Darüber hinaus stellen Rückkehrer eine besonders verwundbare Gruppe dar, da sie ein leichtes Opfer im Antiterrorkampf darstellen. Um die Statistiken zur Verbrechensbekämpfung aufzubessern, würden zum Teil Strafverfahren fabriziert und ehemaligen Flüchtlingen angelastet. Andererseits können Rückkehrer auch ins Visier staatlicher Behörden kommen, weil vermutet wird, dass sie tatsächlich einen Grund zur Flucht aus Tschetschenien hatten, d.h. Widerstandskämpfer waren oder welche kennen. Manchmal würden Rückkehrer gezwungen, für staatliche Behörden zu spionieren. Eine allgemein gültige Aussage über die Gefährdung von Personen nach ihrer Rückkehr nach Tschetschenien könne nicht getroffen werden, da dies stark vom Einzelfall und von der individuellen Situation des Rückkehrers abhängt. Von einer NGO in Tschetschenien, die freiwillige Rückkehrer betreut, wurde mitgeteilt, dass freiwillige Rückkehrer bei Behördenkontakten in der Regel nicht mit besonderen Problemen konfrontiert seien. Es sei weder ein besonders Prozedere für Rückkehrer noch Befragungen vorgesehen. Rückkehrer müssten auch bei der Neuausstellung von Dokumenten keine besonderen Fragen beantworten, viele seien ohnehin noch im Besitz ihres russischen Inlandspasses. Sogar wenn ein Heimreisezertifikat vorgelegt werde, würde dies nicht zu Problemen führen, da den Behörden die Situation in diesem Fall ohnehin klar wäre. Nichtsdestotrotz wurde mitgeteilt, dass es Einzelfälle gab, wo freiwillige Rückkehrer mit Heimreisezertifikaten bei Ankunft am Flughafen Moskau für einige Stunden angehalten wurden. Es sei ein Fall bekannt, wo ein freiwilliger Rückkehrer angeblich als ehemaliger Widerstandskämpfer "mitgenommen worden sei". Zur Wohnungssituation wurde mitgeteilt, dass Rückkehrer in der Regel bei Verwandten unterkommen (ÖB Moskau 9.2013).
Dem Auswärtigen Amt sind keine Fälle bekannt, in denen russische Staatsangehörige bei ihrer Rückkehr nach Russland allein deshalb staatlich verfolgt wurden, weil sie zuvor im Ausland einen Asylantrag gestellt hatten.
Mit dem Föderationsgesetz von 1993 wurde ein Registrierungssystem geschaffen, nach dem Bürger den örtlichen Stellen des Innenministeriums ihren gegenwärtigen Aufenthaltsort und ihren Wohnsitz melden müssen. Voraussetzung für eine Registrierung ist die Vorlage des Inlandspasses und nachweisbarer Wohnraum. Nur wer eine Bescheinigung seines Vermieters vorweist, kann sich registrieren lassen. Kaukasier haben jedoch größere Probleme als Neuankömmlinge anderer Nationalität, überhaupt einen Vermieter zu finden (AA 10.6.2013).
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt (10.6.2013): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation
ÖB Moskau (9.2013): Asylländerbericht Russische Föderation
Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in den Asylakt des Beschwerdeführers zum ersten Asylverfahren und insbesondere in das Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 25.10.2012, durch Einsichtnahme in die Einvernahme des Beschwerdeführers durch das XXXX am 05.02.2014, durch die Erstaufnahmestelle Ost am 21.02.2014 sowie durch das BFA, Regionaldirektion Steiermark, am 09.04.2014 sowie durch Befragung im Rahmen der öffentlichen mündlichen Beschwerdeverhandlung des Bundesverwaltungsgerichtes vom 03.03.2015, weiters durch Vorlage von zwei handschriftlich ausgefüllten Ladungsvordrucken in Russischer Sprache (ON 4 und AS 105), einer Bestätigung der Schule samt Schreiben der Klassenlehrerin für XXXX, eine Kindergartenbestätigung für XXXX, einen Mutter-Kind-Pass betreffend seine Ehefrau, einer Deutschkursbestätigung vom 11.02.2013 sowie einen Länderbericht von RadioFreeEurope RadioLiberty vom 08.03.2015, durch Vorhalt des Länderinformationsblattes der Staatendokumentation, Russische Föderation, vom 16.09.2014 (letzte Kurzinformation eingefügt am 17.10.2014) sowie durch Einsicht in die Asylakten seiner Ehefrau
XXXX.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen zu Tschetschenien sind einer Zusammenstellung der Staatendokumentation entnommen, in der sämtliche Originalquellen zitiert wurden, wobei es sich um eine ausgewogene Sammlung aktueller staatlicher und nichtstaatlicher seriöser Quellen handelt.
Diese Feststellungen wurden dem Parteiengehör unterzogen und es machte von der Möglichkeit zur Abgabe einer Stellungnahme lediglich der vertretene Beschwerdeführer Gebrauch.
Der Beschwerdeführer zitierte einen Bericht von Radio Free Europe/Radio Liberty vom 08.03.2015, wonach im Zusammenhang mit einer Explosion mehrere Bewohner des Heimatdorfes zweier der getöteten Personen verhaftet worden seien. Darunter sei ein Mann gewesen, dessen Leiche kurze Zeit später der Familie mit Folterspuren übergeben worden sei. Dieser Mann sei drei Monate zuvor aus Schweden nach Tschetschenien zurückgekehrt, nachdem in Schweden sein Asylantrag abgewiesen worden sei.
Sofern der Beschwerdeführer unter Hinweis auf dieses Einzelschicksal, dessen näheren Hintergründe überhaupt nicht bekannt sind, nunmehr befürchtet, bei einer Rückkehr "aufgrund der unterstellten politischen Gesinnung bzw. der Zugehörigkeit der sozialen Gruppe einer Familie, der eine regimefeindliche Gesinnung unterstellt wird" verfolgt zu werden, kann dem nicht gefolgt werden.
Die weiteren Ausführungen, wonach das Risiko einer Reflexverfolgung erhöht sei, wenn ein Familienmitglied im Westen Asyl bekommen habe und der Umstand, dass es im Nordkaukasus zu Menschenrechtsverletzungen komme, werden dem Grunde nach nicht bestritten. Für die maßgebliche Wahrscheinlichkeit einer Verfolgung reicht dies jedoch nicht aus.
Aus dem Länderinformationsblatt ergibt sich aber und entspricht dies der hg. amtsbekannten allgemeinen Lage in Tschetschenien der mit der Russischen Föderation befassten Richter, dass sich Anhaltspunkte für eine individuelle Verfolgung insbesondere aus einem konkret dargelegter Zusammenhang mit dem Tschetschenienkonflikt, der sich in den letzten Jahren auch auf die Nachbarrepubliken Inguschetien und Dagestan ausgeweitet hat, ergeben. Im Blickfeld der Behörden stehen insbesondere Rebellen und deren Angehörige bzw. Gegner des bestehenden politischen Systems, wobei hiebei wiederum auf eine gewisse Ausprägung der Involvierung abzustellen ist.
Wie noch in der Beweiswürdigung aufgezeigt wird, konnte der Beschwerdeführer individuelle Fluchtgründe, wie unter der Beweiswürdigung aufgezeigt, nicht glaubhaft machen, was im Übrigen bereits im rechtskräftigen Erkenntnis vom 25.10.2012 ausführlich, schlüssig und nachvollziehbar begründet wurde. Dort wurde auch dargelegt, dass sich im Zusammenhang mit dem asylberechtigten Bruder keine Gefährdung für den Beschwerdeführer für den Fall einer Rückkehr mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit ergibt. Es wird auf die im Verfahrensgang wiedergegebene ausführliche Beweiswürdigung verwiesen, wobei insbesondere der Umstand hervorzuheben ist, dass der Beschwerdeführer im Herkunftsstaat nach der Ausreise des Bruders jahrelang unbehelligt gelebt hat und demnach überhaupt kein Zusammenhang zwischen dem Aufenthalt des Bruders in Österreich als anerkannter Flüchtling und einer Verfolgung des Beschwerdeführers erkennbar ist. Auch weitere Angehörige des Beschwerdeführers - insbesondere die nach Antragstellung in Österreich zurückgekehrte Mutter - leben unverändert im Herkunftsstaat, ohne in diesem Zusammenhang verfolgt zu werden.
Die allgemeine Situation in Tschetschenien ist so, dass dem unpolitischen Beschwerdeführer eine gefahrlose Rückkehr mit seinen Familienangehörigen zumutbar sein wird. Wäre eine Situation einer systematischen Verfolgung weiter Bevölkerungsschichten derzeit gegeben, wäre jedenfalls anzunehmen, das vor Ort tätige Organisationen, wie jene der Vereinten Nationen, diesbezügliche Informationen an die Öffentlichkeit gegeben hätten. Eine allgemeine Gefährdung von allen Rückkehrern wegen des Faktums ihrer Rückkehr lässt sich aus den Quellen ebenso wenig folgern.
In diesem Zusammenhang muss besonders hervorgehoben werden, dass die Mutter des Beschwerdeführers vorübergehend im Bundesgebiet aufhältig gewesen ist, hier einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, jedoch wieder in den Herkunftsstaat zurückgekehrt ist, und sie dort offenbar leben kann.
Soweit im gegenständlichen Verfahren die Situation von Frauen in Tschetschenien als derart kritisch beschrieben wird, dass eine Rückkehr der Ehefrau und der drei minderjährigen Töchter dorthin nicht möglich sei, deckt sich dies nicht mit den Länderinformation, die keine Gefährdung für zurückehrende Familien darlegen. Verheiratete Frauen und deren minderjährigen Kinder sind bei einer Rückkehr in den Herkunftsstaat mit ihrem Ehemann bzw. Vater keiner wie immer gearteten Verfolgung oder Gefährdung aufgrund des Umstandes Frau bzw. Mädchen zu sein ausgesetzt.
Auch hier muss wiederum auf die Mutter des Beschwerdeführers verwiesen werden, die sogar alleinstehend ist und im Herkunftsstaat lebt. Im Übrigen ergibt sich aus den Ausführungen der Ehefrau, dass ihre weiblichen Angehörigen im Herkunftsstaat problemlos leben können. So erklärte sie, im Herkunftsstaat drei Schwestern zu haben, die dort verheiratet seien, wobei zwei von diesen arbeiten würden (AS 133 im Akt der Ehefrau).
Allein aufgrund der allgemeinen Lage im Herkunftsstaat ergibt sich demnach weder für den Beschwerdeführer noch für seine Ehefrau und seine drei minderjährigen Töchter für den Fall einer Rückkehr eine asylrelevante Verfolgung bzw. eine sonstige Gefährdung.
Das individuelle Vorbringen des Beschwerdeführers wird wie folgt gewürdigt:
Das Vorbringen eines Asylwerbers ist dann glaubhaft, wenn es vier Grunderfordernisse erfüllt (diesbezüglich ist auf die Materialien zum Asylgesetz 1991 [RV 270 BlgNR 18. GP ; AB 328 BlgNR 18. GP ] zu verweisen, die wiederum der VwGH-Judikatur entnommen wurden).
1. Das Vorbringen des Asylwerbers ist genügend substantiiert. Dieses Erfordernis ist insbesondere dann nicht erfüllt, wenn der Asylwerber den Sachverhalt sehr vage schildert oder sich auf Gemeinplätze beschränkt, nicht aber in der Lage ist, konkrete und detaillierte Angaben über seine Erlebnisse zu machen.
2. Das Vorbringen muss, um als glaubhaft zu gelten, in sich schlüssig sein. Der Asylwerber darf sich nicht in wesentlichen Aussagen widersprechen.
3. Das Vorbringen muss plausibel sein, d.h. mit den Tatsachen oder der allgemeinen Erfahrung übereinstimmen. Diese Voraussetzung ist u. a. dann nicht erfüllt, wenn die Darlegungen mit den allgemeinen Verhältnissen im Heimatland nicht zu vereinbaren sind oder sonst unmöglich erscheinen und
4. der Asylwerber muss persönlich glaubwürdig sein. Das wird dann nicht der Fall sein, wenn sein Vorbringen auf gefälschte oder verfälschte Beweismittel abgestützt ist, aber auch dann, wenn er wichtige Tatsachen verheimlicht oder bewusst falsch darstellt, im Laufe des Verfahrens das Vorbringen auswechselt oder unbegründet einsilbig und verspätet erstattet oder mangelndes Interesse am Verfahrensablauf zeigt und die nötige Mitwirkung verweigert.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in zahlreichen Erkenntnissen betont, wie wichtig der persönliche Eindruck, den das zur Entscheidung berufene Mitglied der Berufungsbehörde im Rahmen der Berufungsverhandlung von dem Berufungswerber gewinnt, ist (siehe zB VwGH vom 24.06.1999, 98/20/0435, VwGH vom 20.05.1999, 98/20/0505, u. v.a.m.).
Vorausgeschickt wird, dass im Asylverfahren das Vorbringen des Asylwerbers als zentrales Entscheidungskriterium herangezogen werden muss (so schon VwGH vom 16.01.1987, Zl. 87/01/0230, VwGH vom 15.03.1989, Zl. 88/01/0339, UBAS vom 12.05.1998, Zahl:
203.037-0/IV/29/98 uva.m.)
Das Vorbringen des Beschwerdeführers erfüllt die soeben genannten Kriterien, um ein Vorbringen als glaubwürdig zu beurteilen, nicht, was bereits im rechtskräftigen Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 25.10.2012 ausführlich festgehalten wurde. Auf die ausführlichen, schlüssigen und nachvollziehbaren beweiswürdigenden Überlegungen, die im Verfahrensgang wiedergegeben sind, wird verwiesen. In besagtem Erkenntnis wurde die Unglaubwürdigkeit der Verfolgungsbehauptung ebenso festgestellt wie der Umstand, dass der Beschwerdeführer in Zusammenhang mit seinen verstorbenen bzw. seinen im Ausland aufhältigen asylberechtigten Brüdern über Jahre hindurch niemals Probleme zu gewärtigen gehabt hat. Auch im gegenwärtigen Verfahren und auch in der Beschwerdeverhandlung konnte der Beschwerdeführer keine erhellenden bzw. seinen bisherigen Ausführungen mehr Glaubwürdigkeit verleihenden Aussagen tätigen. Soweit die Vertreterin in der Beschwerdeverhandlung versucht hat, eine Gefährdung im Zusammenhang mit seinen beiden Brüdern im Herkunftsstaat zu konstruieren, war festzuhalten, dass der Beschwerdeführer zu diesen beiden Brüdern keinerlei Auskünfte erteilen konnte oder wollte.
Dem Beschwerdeführer wurde schließlich vorgehalten, dass alle Vorgänge, die sich vor dem Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 25.10.2012 ereignet haben, von der Rechtskraft dieser Entscheidung umfasst sind.
Soweit er und seine Ehefrau sich unter Übermittlung von zwei handschriftlich ausgefüllten Ladungsvordrucken darauf berufen, dass die staatlichen Behörden unvermindert nach dem Beschwerdeführer suchen würden, waren diese Behauptung bzw. die beiden übermittelten handschriftlich ausgefüllten Ladungsvordrucke einer Beurteilung zu unterziehen.
Zumal eine Überprüfung auf ihre Echtheit und Richtigkeit mangels Vergleichsmaterials nicht möglich ist, waren die handschriftlich ausgefüllten Ladungsvordrucke einer Würdigung zu unterziehen. Im Lichte der bislang dargelegten Umstände für die Unglaubwürdigkeit war nicht davon auszugehen, dass die vorgelegten handschriftlich ausgefüllten Ladungsvordrucke richtig und echt sind und haben sich für dieses Ergebnis noch zahlreiche weitere Anhaltspunkte ergeben.
Der Beschwerdeführer reiste im Jahr 2009 aus dem Herkunftsstaat aus. Sein im Bundesgebiet aufhältiger Bruder, der anerkannter Flüchtling ist, hält sich bereits seit dem Jahr 2005 im Bundesgebiet auf. Der Beschwerdeführer wurde bereits im ersten Asylverfahren auf die Bedeutung der Vorlage von Beweismitteln verwiesen, was ihm auch im Lichte des Umstandes bewusst sein musste, dass sein Bruder ein Asylverfahren in Österreich durchlaufen hat. Auch seine Mutter hat zwischenzeitig in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt und musste auch dieser die Bedeutung von Beweismitteln im Asylverfahren bewusst sein.
Zwischen dem Beschwerdeführer, seiner Ehefrau, dem Bruder und der Familie im Herkunftsstaat hat stets Kontakt bestanden, weshalb es jeder Lebenserfahrung widerspricht, dass seine Ehefrau erst im Jahr 2013 von der Mutter darüber informiert worden sein soll, dass der Beschwerdeführer seit seiner Ausreise behördlich gesucht worden sein soll, es zu Hausdurchsuchungen gekommen sein soll und über die Suche nach dem Beschwerdeführer zahlreiche behördliche Unterlage existieren sollen.
Weshalb die Mutter derartige Unterlagen nicht bereits in ihrem eigenen Verfahren vorgelegt hat bzw. im Lichte dieser behördlichen Suche freiwillig in den Herkunftsstaat zurückgekehrt ist, ist vollkommen unnachvollziehbar und lebensfremd. Laut Ehefrau hätten die Ladungen bereits kurz nach der Ausreise begonnen (AS 143 im Akt der Ehefrau).
Die Mutter wusste auch über die unsichere aufenthaltsrechtlich Stellung des Beschwerdeführers und seiner Familie Bescheid, erklärte die Ehefrau doch, dass die Mutter wieder in den Herkunftsstaat zurückgekehrt sei, weil sie negative Bescheide bekommen hätten und sie Angst bekommen habe. Auch soll die Mutter vorher so große Angst gehabt haben, dass sie selber nach Österreich gereist sei. (AS 109 im Akt der Ehefrau)
Hätte die tatsächlich beschriebene Verfolgung im Herkunftsstaat bestanden, wäre die Mutter wohl nicht freiwillig in den Herkunftsstaat zurückgekehrt und könnte wohl nicht unverändert am Familienwohnsitz leben. Auch ein weiteres unbehelligtes Leben der Schwester des Beschwerdeführers im Herkunftsstaat erscheint beim vorgetragenen Sachverhalt auch im Lichte der zuvor zitierten Länderinformationen unter Fokus auf Verfolgung von Angehörigen, die in Verdacht stehen, in den Widerstand involviert zu sein, bei Zutreffen des Vorbringens nicht nachvollziehbar.
Es erscheint demnach vollkommen konstruiert, dass die Mutter im Jahr 2013, nachdem der Verfassungsgerichtshof die Behandlung einer Beschwerde gegen die negativen Entscheidungen des Asylgerichtshofes betreffend den Beschwerdeführer abgelehnt hat, erstmals davon berichtet, dass Unterlagen existieren würden, wonach seit dessen Ausreise nach dem Beschwerdeführer behördlich gesucht werde.
Anstatt im Lichte dieser Information einen Antrag auf internationalen Schutz zu stellen, haben der Beschwerdeführer und seine Familie das Bundesgebiet in einen anderen EU-Staat verlassen. Auch dieses Vorgehen ist nicht nachvollziehbar und vollkommen kontraproduktiv, zumal der Beschwerdeführer vor der Ausreise sich darüber noch mit seiner Vertretung beraten haben will.
Der Beschwerdeführer und seine Familie sind letztlich nach Österreich rücküberstellt worden.
Dort schilderte der Beschwerdeführer von der Existenz zahlreichreicher Ladungen. Alle zwei Monate würden Ladungen zugestellt werden. Außerdem würde das Elternhaus rund um die Uhr überwacht (AS 7). Am 21.02.2014 meinte er, dass mehrere Ladungen an seine Mutter zugestellt worden seien. Es gebe in Tschetschenien noch viele Ladungen. (AS 65) Am 09.04.2014 ergänzte er, dass "Berge" von Papieren geschickt werden würden und das Haus durchsucht werde (AS 94).
Hier muss erneut eingewendet werden, dass die Mutter, bei tatsächlichem Zutreffen dieses Vorbringens, davon wohl berichtet hätte.
Im Lichte des Umstandes, dass zahlreiche Dokumente existieren sollen, erscheint es auch vollkommen unnachvollziehbar, weshalb gerade einmal zwei handschriftlich ausgefüllte Ladungsvordrucke vorgelegt werden konnten.
Auch mutet vollkommen lebensfremd an, weshalb die Mutter derartige Beweismittel vernichtet haben soll. Zumal diese Unterlagen von den staatlichen Behörden stammen sollen, von denen die Verfolgung ausgehen soll, besteht für die Mutter im Herkunftsstaat keine Bedrohung aufgrund des Besitzes dieser Unterlagen.
Der Beschwerdeführer und seine Ehefrau konnten im Übrigen weder nachvollziehbar noch widerspruchsfrei angeben, wie sie von der Existenz der Ladungen erfahren haben wollen.
So erklärte der Beschwerdeführer während des ersten Verfahrens ausdrücklich und wiederholt, dass seine Ehefrau bei der Mutter angerufen habe und die Information betreffend die unverminderte Suche nach dem Beschwerdeführer sowie die Existenz von Ladungen erhalten habe (AS 7, AS 67 und AS 95). In der Beschwerdeverhandlung meinte er nunmehr eindeutig, dass er nach dem Erhalt der negativen Entscheidung mit seiner Mutter Kontakt aufgenommen habe. "VR: Sie haben 2 Ladungen vorgelegt. Wie sind Sie zu den beiden Ladungen gelangt? BF1: Nachdem wir das negative Erkenntnis bekommen haben, habe ich mit meiner Mutter Kontakt aufgenommen. Sie meinte, dass ich nicht zurück nach Hause kann, weil immer wieder Ladungen kommen. Als ich ein Gespräch mit einem Mitarbeiter der XXXX geführt habe, meinte sie, dass diese Ladung für ein neues Asylverfahren sehr wichtig wäre. Ich sagte dann meiner Mutter, dass sie einige Ladungen schicken soll. Sie soll sie auch per Brief geschickt haben, aber diese haben wir nicht bekommen. Mein Bruder, der sich in Norwegen aufhält, hat eine mit einem Paket bekommen. Die 2. Ladung ist dann nach Österreich geschickt worden in einem Paket. Es wurde Kleidung in einem Paket für die Kinder geschickt. Dabei war die Ladung."
Auf Vorhalt konnte er diesen Widerspruch nicht aufklären, sondern meinte, in letzter Zeit mit seiner Mutter telefoniert zu haben. Früher habe er nicht mit ihr telefoniert.
Zum Erhalt der ersten Ladung erklärte er vor dem BFA im Widerspruch zu seinen Ausführungen in der Beschwerdeverhandlung noch, dass sein Bruder nach XXXX gekommen sei und etwas zu Essen gebracht habe. Er habe auch dieses Papier gebracht, wahrscheinlich sei es auf den Namen seiner Frau geschickt worden. (AS 97) Auch seine Ehefrau schilderte dies - offensichtlich in Absprache mit dem Beschwerdeführer - vor dem BFA so (AS 145 im Akt der Ehefrau).
Die handschriftlich ausgefüllten Ladungsvordrucke selbst, haben zum Inhalt, dass der Beschwerdeführer sich am 17.07.2013 und am 08.04. bei einer näher genannten Behörde einfinden soll, in welcher Eigenschaft wird nichterwähnt. Es handelt sich um einen kopierten und auf Postkartenformat zerrissenen handschriftlich ausgefüllten Zettel ohne Kopf des Ausstellers.
Hier muss noch einmal festgehalten werden, dass es nicht plausibel ist, weshalb der Beschwerdeführer seit seiner Ausreise im Jahr 2009 unverändert vor die staatlichen Behörden geladen werden soll, wo diesen doch bereits seit Jahren bewusst ist, dass sich der Beschwerdeführer nicht mehr an seiner Wohnadresse aufhält, zumal sein Wohnsitz laut seines Ausführungen ständig überwacht werden soll. Diese Vorgehensweise der staatlichen Behörden entbehrt jeglicher Logik.
Betrachtet man die vorgetragenen Indizien, die gegen die Glaubwürdigkeit des Vorbringens betreffend die behauptete Verfolgung im Herkunftsstaat sprechen in ihrer Gesamtheit in Verbindung mit dem persönlichen Eindruck, den der entscheidende Richter in der Beschwerdeverhandlung am 03.03.2015 vom Beschwerdeführer gewonnen hat, mit den beweiswürdigenden Überlegungen zum Vorbringen im Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 25.10.2012 besteht kein Zweifel, dass das Vorbringen vollkommen unglaubwürdig ist und es sich bei den vorgelegten handschriftlich ausgefüllten Ladungsvordrucken um Fälschungen bzw. Gefälligkeitsleistungen handelt. Diesen Eindruck hat der erkennende Richter bei Einvernahme des Beschwerdeführers am 03.03.2015 gewonnen.
Zusammenfassend ist daher festzuhalten, dass dem Vorbringen des Beschwerdeführers nur insoferne Glaubwürdigkeit zuzubilligen war, als dieses in den obigen personenbezogenen Feststellungen eingeflossen ist.
Abschließend wird angemerkt, dass der Beschwerdeführer im aktuellen Verfahren keinerlei medizinische Unterlagen zu Behandlungen in Österreich vorgelegt hat. Er meinte lediglich, aufgrund der unsicheren Situation, ob er in Österreich bleiben könne, psychisch belastet zu sein.
3. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß Art. 151 Abs. 51 Z 7 B-VG wird der Asylgerichtshof mit 01.01.2014 zum Verwaltungsgericht des Bundes und hat daher das vorliegende Beschwerdeverfahren zu führen.
Gemäß § 73 Abs. 1 AsylG 2005 ist das Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 idF BGBl. I Nr. 144/2013,am 01.01.2006 in Kraft getreten; es ist gemäß § 75 Abs. 1 AsylG auf alle Verfahren anzuwenden, die am 31.12.2005 noch nicht anhängig waren.
Gemäß § 75 Abs. 19 Asylgesetz 2005 sind alle mit Ablauf des 31.12.2013 beim Asylgerichtshof anhängigen Beschwerdeverfahren ab 01.01.2014 vom Bundesverwaltungsgericht nach Maßgabe des Abs. 20 zu Ende zu führen.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 33/2013 idF BGBl. I 122/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Eine derartige Regelung wird in den einschlägigen Normen (VwGVG, BFA-VG, AsylG) nicht getroffen.
A)
Zu I.:
Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit der Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder wegen Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. 55/1955 (Genfer Flüchtlingskonvention, in der Folge: GFK) droht (vgl. auch die Verfolgungsdefinition in § 2 Abs. 1 Z 11 AsylG 2005, die auf Art. 9 der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes [Statusrichtlinie] verweist). Gemäß § 3 Abs. 3 AsylG 2005 ist der Asylantrag bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005) offen steht oder wenn er einen Asylausschlussgrund (§ 6 AsylG 2005) gesetzt hat.
Flüchtling iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK (idF des Art. 1 Abs. 2 des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. 78/1974) - deren Bestimmungen gemäß § 74 AsylG 2005 unberührt bleiben - ist, wer sich "aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren."
Zentraler Aspekt dieses Flüchtlingsbegriffs der GFK ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Wohlbegründet kann eine Furcht nur dann sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers und unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist (vgl. zB VwGH 22.12.1999, 99/01/0334; 21.12.2000, 2000/01/0131; 25.1.2001, 2001/20/0011). Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation (aus Konventionsgründen) fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Eine Verfolgungsgefahr ist dann an-zunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 21.12.2000, 2000/01/0131; 25.1.2001, 2001/20/0011). Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in einem der Gründe haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK nennt (VwGH 9.9.1993, 93/01/0284; 15.3.2001, 99/20/0128; 23.11.2006, 2005/20/0551); sie muss Ursache dafür sein, dass sich der Asyl-werber außerhalb seines Heimatlandes bzw. des Landes seines vorigen Aufenthaltes befindet.
Die vom Asylwerber vorgebrachten Eingriffe in seine vom Staat zu schützende Sphäre müssen in einem erkennbaren zeitlichen Zusammenhang zur Ausreise aus seinem Heimatland liegen. Die fluchtauslösende Verfolgungsgefahr bzw. Verfolgung muss daher aktuell sein (VwGH 26.06.1996, Zl. 96/20/0414). Die Verfolgungsgefahr muss nicht nur aktuell sein, sie muss auch im Zeitpunkt der Bescheiderlassung vorliegen (VwGH 05.06.1996, Zl. 95/20/0194).
Der Verwaltungsgerichtshof hat in ständiger Rechtsprechung ausgeführt, dass als Fluchtgründe unter dem Gesichtspunkt der Schwere des Eingriffes nur solche Maßnahmen in Betracht kommen, die einen weiteren Verbleib im Heimatland aus objektiver Sicht unerträglich erscheinen lassen (VwGH vom 16.09.1992, 92/01/0544, VwGH vom 07.10.2003, 92/01/1015, 93/01/0929, u.a.).
Zunächst ist festzuhalten, dass nach ständiger Rechtsprechung des Unabhängigen Bundesasylsenates, aber auch des Verwaltungsgerichtshofes nicht von einer Gruppenverfolgung (generelle asylrelevante Verfolgung nur allein wegen der Zugehörigkeit zur tschetschenischen Ethnie) gesprochen werden kann (z.B. UBAS vom 24.01.2007, Zl. 254.119/0-VIII/22/04, UBAS vom 27.01.2007, Zl. 256.753/5E-VIII/22/05, u.v.a.m.; VwGH vom 19.12.2007, Zl. 2006/20/0771, VwGH vom 26.06.2008, Zl. 2006/20/0685, u. a.).
Es sei weiters betont, dass die Glaubwürdigkeit des Vorbringens die zentrale Rolle für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und Asylgewährung einnimmt (VwGH vom 20.06.1990, 90/01/0041).
Wie in der obigen Beweiswürdigung ausführlich dargelegt, fehlt es dem vom Beschwerdeführer angegebenen Verfolgungsgründen an der Glaubwürdigkeit und haben die im aktuellen Verfahren vorgelegten handschriftlichen Ladungsvordrucke dieses Ergebnis - wie beweiswürdigenden umfassend dargelegt - bestätigt.
Dem Beschwerdeführer droht demnach bei einer Rückkehr nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in seine zu schützende persönliche Sphäre und war daher die Flüchtlingseigenschaft zu verneinen.
Da eine Verfolgungsgefahr bereits hinsichtlich der Heimatrepublik Tschetschenien zu verneinen war, war auf die Frage einer allfälligen inländischen Fluchtalternative (für die es im vorliegenden Fall keine besonderen individuellen Argumente gibt) nicht weiter einzugehen.
Die Beschwerde zu Spruchteil I. war daher abzuweisen.
Wird ein Antrag auf internationalen Schutz "in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten" abgewiesen, ist dem Asylwerber gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, "wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde". Die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 ist mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 zu verbinden (Abs. 2 leg. cit.).
§ 8 AsylG 2005 beschränkt den Prüfungsrahmen auf den "Herkunftsstaat" des Asylwerbers. Dies ist dahin gehend zu verstehen, dass damit derjenige Staat zu bezeichnen ist, hinsichtlich dessen auch die Flüchtlingseigenschaft des Asylwerbers auf Grund seines Antrages zu prüfen ist (VwGH 22.4.1999, 98/20/0561; 20.5.1999, 98/20/0300).
Nach der (zur Auslegung der Bestimmungen zum subsidiären Schutz anwendbaren) Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 8 AsylG 1997 iVm § 57 FremdenG 1997 ist Voraussetzung einer positiven Entscheidung nach dieser Bestimmung, dass eine konkrete, den Asylwerber betreffende, aktuelle, durch staatliche Stellen zumindest gebilligte oder (infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt) von diesen nicht abwendbare Gefährdung bzw. Bedrohung vorliege. Die Anforderungen an die Schutzwilligkeit und Schutzfähigkeit des Staates entsprechen jenen, wie sie bei der Frage des Asyls bestehen (VwGH 8.6.2000, 2000/20/0141). Ereignisse, die bereits längere Zeit zurückliegen, sind daher nicht geeignet, eine positive Entscheidung nach dieser Gesetzesstelle zu tragen, wenn nicht besondere Umstände hinzutreten, die ihnen einen aktuellen Stellenwert geben (vgl. VwGH 14.10.1998, 98/01/0122; 25.1.2001, 2001/20/0011).
Gemäß § 8 Abs. 3 und § 11 Abs. 1 AsylG 2005 ist der Antrag auf internationalen Schutz auch in Bezug auf den subsidiären Schutz abzuweisen, wenn dem Asylwerber in einem Teil seines Herkunftsstaates vom Staat oder von sonstigen Akteuren, die den Herkunftsstaat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, Schutz gewährleistet werden und ihm der Aufenthalt in diesem Teil des Staatsgebietes zugemutet werden kann ("innerstaatliche Fluchtalternative"). Schutz ist gewährleistet, wenn die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates nicht gegeben sind (nach der Rechtslage nach dem AsylG 1997 musste sich die Gefahr auf das gesamte Staatsgebiet beziehen; zB VwGH 26.6.1997, 95/21/0294; 25.1.2001, 2000/20/0438; 30.5.2001, 97/21/0560).
Herrscht in einem Staat eine extreme Gefahrenlage, durch die praktisch jeder, der in diesen Staat abgeschoben wird - auch ohne einer bestimmten Bevölkerungsgruppe oder Bürgerkriegspartei anzugehören -, der konkreten Gefahr einer Verletzung der durch Art. 3 EMRK gewährleisteten (oder anderer in § 8 Abs. 1 AsylG 2005 erwähnter) Rechte ausgesetzt wäre, so kann dies der Abschiebung eines Fremden in diesen Staat entgegenstehen (VwSlg. 15.437 A/2000;
VwGH 25.11.1999, 99/20/0465; 8.6.2000, 99/20/0203; 8.6.2000, 99/20/0586; 21.9.2000, 99/20/0373; 25.1.2001, 2000/20/0367;
25.1.2001, 2000/20/0438; 25.1.2001, 2000/20/0480; 16.4.2002, 2000/20/0131). Diese in der Rechtsprechung zum AsylG 1997 erwähnten Fälle sind nun zT durch andere in § 8 Abs. 1 AsylG 2005 erwähnte Fallgestaltungen ausdrücklich abgedeckt. Die bloße Möglichkeit einer dem Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben wird, genügt nicht, um seine Abschiebung in diesen Staat (unter dem Gesichtspunkt des § 57 FremdenG, dies ist nun auf § 8 Abs. 1 AsylG 2005 zu übertragen) als unzulässig erscheinen zu lassen; vielmehr müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade der Betroffene einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde (VwGH 27.2.2001, 98/21/0427; 20.6.2002, 2002/18/0028).
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 57 FremdenG hat der Fremde glaubhaft zu machen, dass er aktuell bedroht sei, dass die Bedrohung also im Falle, dass er abgeschoben würde, in dem von seinem Antrag erfassten Staat gegeben wäre und durch staatliche Stellen zumindest gebilligt wird oder durch sie nicht abgewandt werden kann. Gesichtspunkte der Zurechnung der Bedrohung im Zielstaat zu einem bestimmten "Verfolgersubjekt" sind nicht von Bedeutung; auf die Quelle der Gefahr im Zielstaat kommt es nicht an (VwGH 21.8.2001, 2000/01/0443; 26.2.2002, 99/20/0509; 22.8.2006, 2005/01/0718). Diese aktuelle Bedrohungssituation ist mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender Angaben darzutun, die durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauert werden (VwGH 2.8.2000, 98/21/0461). Dies ist auch im Rahmen des § 8 AsylG 1997 (nunmehr: § 8 Abs. 1 AsylG 2005) zu beachten (VwGH 25.1.2001, 2001/20/0011). Diese Mitwirkungspflicht des Antragstellers bezieht sich zumindest auf jene Umstände, die in seiner Sphäre gelegen sind und deren Kenntnis sich die Behörde nicht von Amts wegen verschaffen kann (VwGH 30.9.1993, 93/18/0214).
Im gegenständlichen Fall liegt die vorgebrachte Bedrohung iSd. § 8 Abs. 1 AsylG 2005 schon deshalb nicht vor, weil der Beschwerdeführer eine asylrelevante Verfolgung nicht glaubhaft machen konnte. Im Hinblick auf die gegebenen Umstände kann ein "reales Risiko" einer gegen Art. 2 oder 3 EMRK verstoßenden Behandlung bzw. der Todesstrafe im gegenwärtigen Zeitpunkt nicht erkannt werden.
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes war die im Lichte des § 8 zu beurteilende Bedrohungssituation nach § 57 Fremdengesetz (nunmehr § 50 FPG) durch ein konkretes, personenbezogenes, glaubwürdiges und mit allfälligen Bescheinigungsmitteln untermauertes Vorbringen darzutun.
Auf die Frage vom 03.03.2015, was mit ihm geschehen würde, wenn er in die Russische Föderation zurückgehen würde, gab er an, dass er sich nicht sicher sei, ob er überhaupt zu ihm nachhause komme. Er glaube, er würde direkt vom Flughafen aus verschwinde. Es habe solche Fälle gegeben, dass Zurückkehrende schon am Flughafen verschwunden seien. Damit macht der Beschwerdeführer (wiederum) ein äußerst vages Vorbringen geltend, dem in Anbetracht der obigen Beweiswürdigung und der Gefährdungsanalyse - wo bei einer Zusammenschau der Länderinformationen zu Rückkehrern und der individuellen Situation des Beschwerdeführer, der Schluss gezogen wurde, dass nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit von einer Gefährdung auszugehen sei - nicht gefolgt werden kann. Ein konkretes personenbezogenes, glaubwürdiges und mit allfälligen Bescheinigungsmitteln untermauertes Vorbringen hinsichtlich des Vorliegens einer aktuellen Bedrohungssituation im Sinne des § 50 FPG konnte vom Beschwerdeführer damit nicht erstattet werden.
Der Beschwerdeführer gibt zu seinem Gesundheitszustand an (ohne irgendwelche Befunde oder Behandlungsbestätigungen vorzulegen!), dass er aufgrund des unsicheren Aufenthaltes in Österreich psychisch belastet sei, zudem erklärte er vor dem BFA am 09.04.2014 handelsübliche Psychopharmaka gegen Anspannung und Stress zu nehmen. Auch sei er an den Bandscheiben operiert worden, was er in der Beschwerdeverhandlung nicht mehr erwähnte. Der einzige Anhaltspunkt für psychische Probleme stammt aus dem Jahr 2010. Der Psychosoziale Dienst Burgenland diagnostizierte im Befund vom 11.03.2010 beim Beschwerdeführer eine Posttraumatische Belastungsstörung. Aktuelle Befunde, die auf eine nach wie vor bestehende Notwendigkeit einer medizinischen Behandlung des Erstbeschwerdeführers hinweisen würden, wurden - wie dargelegt - im Verfahren nicht vorgelegt.
Beim Beschwerdeführer bestehen demnach keine derart schweren Erkrankungen, die die hohe Schwelle des Art. 3 EMRK, wie sie von der Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte festgesetzt wird, erreichen (vgl. etwa EGMR 2.5.1997, 30.240/96, Fall D. v. Vereinigtes Königreich, wo die Abschiebung eines an AIDS im Endstadium erkrankten Staatsangehörigen von St. Kitts nicht bloß wegen dessen Krankheit, sondern aufgrund des Risikos eines Todes unter äußerst schlimmen Umständen als Verletzung von Art. 3 EMRK qualifiziert wurde; in anderen Fällen hatte der EGMR keine derart außergewöhnliche Situation angenommen: vgl. EGMR 29.6.2004, 7702/04, Fall Salkic ua v. Schweden [psychische Beeinträchtigungen bzw. Erkrankungen]; 31.5.2005, 1383/04, Fall Ovdienko v. Finnland [Erkrankung an schwerer Depression mit Suizidgefahr]; 27.9.2005, 17416/05, Fall Hukic v. Schweden [Erkrankung an Down-Syndrom];
22.6.2004, 17.868/03, Fall Ndangoya v. Schweden [HIV-Infektion];
zuletzt auch zurückhaltend EGMR 27.5.2008, 26.565/05, Fall N. v. Vereinigtes Königreich [AIDS-Erkrankung]).
Ein Abschiebehindernis aufgrund gesundheitlicher Probleme liegt demnach nicht vor. Im Übrigen ist zu bemerken, dass gemäß den Länderberichten und dem Amtswissen des Bundesverwaltungsgerichtes in der Russischen Föderation und insbesondere auch in Tschetschenien eine medizinische Grundversorgung gewährleistet ist und im Übrigen fast alle Erkrankungen und insbesondere psychische Erkrankungen behandelt werden können.
Der erkennende Einzelrichter des Bundesverwaltungsgerichtes übersieht nicht, dass das russische bzw. tschetschenische Gesundheitssystem österreichischen Standards nicht entsprechen mag. Nach der Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte und jener des Verfassungsgerichtshofes hat jedoch - aus dem Blickwinkel des Art. 3 EMRK - im Allgemeinen kein Fremder ein Recht, in einem fremden Aufenthaltsstaat zu verbleiben, bloß um dort medizinisch behandelt zu werden; dies selbst dann nicht, wenn er an einer schweren Krankheit leidet. Dass die Behandlung im Zielland nicht gleichwertig, schwerer zugänglich und kostenintensiver ist, ist unerheblich, solange es grundsätzlich Behandlungsmöglichkeiten im Zielstaat bzw. in einem bestimmten Teil des Zielstaates gäbe (siehe VfGH 6.3.2008, B 2400/07).
Der Unabhängige Bundesasylsenat hat mehrfach ausgesprochen, dass das Fehlen der Voraussetzungen für eine eigenverantwortliche Lebensgestaltung und das Fehlen der Sicherstellung des überlebensnotwendigen Existenzminimums (siehe UBAS vom 15.12.1999, 208.320/0-IX/25/99; UBAS vom 17.07.2000, 212.800/0-VIII/22/99; UBAS vom 12.06.2002, 216.594/0-VIII/22/02, UBAS vom 22.10.2004, 227.507/0-VIII/22/02, u.a.) für ein Refoulementverbot spricht. Unter diesem Gesichtspunkt kann auch eine die physische Existenz nur unzureichend sichernde Versorgungssituation im Zielstaat einer Abschiebung im Einzelfall entgegenstehen (vgl. VwGH 16.07.2003, 2003/01/0059; 09.07.2002, 2001/01/40164; 13.11.2001 2000/01/0453).
Der Beschwerdeführer hat seinen eigenen Angaben zufolge in Tschetschenien stets das finanzielle Auslangen gefunden. Sowohl der Beschwerdeführer als auch seine Ehefrau haben angegeben, vor der Ausreise mit der gemeinsamen Tochter unter normalen wirtschaftlichen Verhältnissen im eigenen Haus gelebt zu haben und den Lebensunterhalt aus der Tätigkeit in der familieneigenen Landwirtschaft bestritten zu haben. Vor dem Hintergrund aber, dass sich noch zahlreiche Verwandte des Beschwerdeführers und seiner Ehefrau in Tschetschenien aufhalten und sie nicht vorgebracht haben, weshalb ihnen nunmehr im Falle einer Rückkehr eine Unterstützung von dieser Seite nicht zukommen sollte und vor dem Hintergrund, dass der Beschwerdeführer im Herkunftsstaat über ein eigenes Haus verfügt, in dem aktuell seine Mutter lebt, ist davon auszugehen, dass dem Beschwerdeführer und seiner Familie im Falle einer Rückkehr nach Tschetschenien eine ausreichende Unterkunftsmöglichkeit zur Verfügung steht und sie in keine ausweglose Situation geraten würden.
Hier war noch folgender Umstand besonders hervorzuheben: Es ist geradezu notorisch, dass in Tschetschenien die Angehörigen eines Tejps zur gegenseitigen Unterstützung verpflichtet sind. Die Mitglieder eines Tejps funktionieren wie ein Staat im Staat und zeichnen sich durch solidarisches Verhalten und einem Unterstützungsnetzwerk aus. Der Tejp funktioniert wie eine Familie, in der alle Mitglieder die notwendige Unterstützung erhalten.
Auch heute noch kennen so gut wie alle Tschetschenen ihre Wurzeln und den Ort an dem ihr Tejp ursprünglich entstanden ist. Besonderer Respekt und Unterstützung wird den alten Tejp-Mitgliedern gezollt. Im Übrigen versuchen die Kinder, für ihre Eltern die besten Lebensbedingungen zu schaffen. Insbesondere treffen Kinder Vorsorge, wenn ihre Eltern älter werden. In den Länderinformationen wird auch dargelegt, dass es in den letzten Jahren zu einer starken Rückbesinnung auf tschetschenische Traditionen gekommen ist. (Aufsatz von Martin Malek "Understandig chechen culture" vom 20.02.2009)
Diese Ausführungen runden das Bild ab, wonach der Beschwerdeführer im Herkunftsstaat über ein soziales Netzwerk verfügt und in keine ausweglose Situation geraten würde (siehe auch BVwG vom 12.03.2014, W189 1410743-2/14E).
Es ist daher auf Grund der persönlichen Umstände und des bisherigen Lebenslaufes des Beschwerdeführers nicht zu erwarten, dass er bei einer Rückkehr in die Russische Föderation in eine derartige existenzbedrohende Notlage geraten würde, die in den Anwendungsbereich des Art. 3 EMRK fallen würde.
Es war daher auch die Beschwerde zu Spruchteil II. des angefochtenen Bescheides abzuweisen.
Es wurde auch keinem Mitglied der Kernfamilie der Status eines Asylberechtigten oder eines subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt, sodass die Verleihung dieses Status auch nicht im Wege des Familienverfahrens gemäß § 34 AsylG 2005 in Frage kommt.
Zu II.:
Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt wird sowie kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 AsylG 2005 vorliegt.
Der Antrag auf internationalen Schutz wird mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom heutigen Tag sowohl hinsichtlich des Status des Asylberechtigten als auch des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen.
Gemäß § 57 Abs. 1 AsylG 2005 ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zu erteilen:
1. wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Abs. 1a FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht,
2. zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder
3. wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.
Der Beschwerdeführer befindet sich seit seiner Antragstellung im Oktober 2009 - mit einer Unterbrechung von ca. drei Monaten, in denen er in XXXX aufhältig gewesen ist - im Bundesgebiet. Sein Aufenthalt ist jedoch nicht im Sinne der soeben dargelegten Bestimmung geduldet. Es ist auch nicht Zeuge oder Opfer von strafbaren Handlungen und auch kein Opfer von Gewalt geworden. Die Voraussetzungen für die amtswegige Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 liegen daher nicht vor, wobei dies weder im Verfahren noch in der Beschwerde auch nur behauptet wurde.
Im vorliegenden Verfahren erfolgte die Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz im Hinblick auf den Status des subsidiär Schutzberechtigten auch nicht gemäß § 8 Abs. 3a AsylG 2005 und ist auch keine Aberkennung gemäß § 9 Abs. 2 AsylG 2005 ergangen, wie aus dem Verfahrensgang ersichtlich ist.
Gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen unter einem (§ 10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird, kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 AsylG 2005 vorliegt und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.
Der Beschwerdeführer ist als Staatsangehöriger der Russischen Föderation kein begünstigter Drittstaatsangehöriger und es kommt ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zu, da mit der erfolgten Abweisung des Antrags auf internationalen Schutz das Aufenthaltsrecht nach § 13 AsylG 2005 mit der Erlassung dieser Entscheidung endet.
Gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005 ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung plus" zu erteilen, wenn
1. dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist und
2. der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 14a NAG erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG), BGBl. I Nr. 189/1955) erreicht wird.
Nach § 55 Abs. 2 AsylG 2005, ist eine "Aufenthaltsberechtigung" zu erteilen, wenn nur die Voraussetzung des Abs. 1 Z 1 vorliegt.
§ 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG lautet:
"(1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.
(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:
1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,
2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,
3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,
4. der Grad der Integration,
5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,
6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,
7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,
8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,
9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.
(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre."
Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.
Zu den in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) zu Art. 8 EMRK entwickelten Grundsätzen zählt unter anderem auch, dass das durch Art. 8 EMRK gewährleistete Recht auf Achtung des Familienlebens, das Vorhandensein einer "Familie" voraussetzt.
Der Begriff des "Familienlebens" in Art. 8 EMRK umfasst nicht nur die Kleinfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern und Ehegatten, sondern auch entferntere verwandtschaftliche Beziehungen, sofern diese Beziehungen eine gewisse Intensität erreichen. Als Kriterien hierfür kommen etwa das Vorliegen eines gemeinsamen Haushaltes oder die Gewährung von Unterhaltsleistungen in Betracht. In der bisherigen Spruchpraxis der Straßburger Instanzen wurden als unter dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK zu schützende Beziehungen bereits solche zwischen Enkel und Großeltern (EGMR 13.06.1979, Marckx, EuGRZ 1979, 458; s. auch EKMR 07.12.1981, B 9071/80, X-Schweiz, EuGRZ 1983, 19), zwischen Geschwistern (EKMR 14.03.1980, B 8986/80, EuGRZ 1982, 311) und zwischen Onkel bzw. Tante und Neffen bzw. Nichten (EKMR 19.07.1968, 3110/67, Yb 11, 494 (518); EKMR 28.02.1979, 7912/77, EuGRZ 1981/118; EKMR 05.07.1979, B 8353/78, EuGRZ 1981, 120) anerkannt, sofern eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt (vgl. Baumgartner, ÖJZ 1998, 761; Rosenmayer, ZfV 1988, 1). Das Kriterium einer gewissen Beziehungsintensität wurde von der Kommission auch für die Beziehung zwischen Eltern und erwachsenen Kindern gefordert (EKMR 06.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215).
Unter Volljährigen reicht das rechtliche Band der Blutsverwandtschaft allein nicht, um ein Familienleben iSd. Art 8 MRK zu begründen. Hier wird auf das tatsächliche Bestehen eines effektiven Familienlebens abgestellt, darüber hinaus müssen zusätzliche Merkmale einer Abhängigkeit gegeben sein, die über die sonst üblichen Beziehungen hinausgehen. Vgl. ua. EGMR 30.11.1999 (Baghli gegen Frankreich) Ziff 35; EGMR Ezzouhdi (FN 9) Ziff 34; EGMR 10.07.2003 (Benhebba gegen Frankreich); EGMR 17.01.2006 (Aoulmi gegen Frankreich).
Ist von einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme die gesamte Familie betroffen, greift sie lediglich in das Privatleben der Familienmitglieder und nicht auch in ihr Familienleben ein; auch dann, wenn sich einige Familienmitglieder der Abschiebung durch Untertauchen entziehen (EGMR in Cruz Varas).
Der Beschwerdeführer, seine Ehefrau und seine drei minderjährigen Töchter sind allesamt Asylwerber und deren Asylverfahren sind allesamt negativ entschieden worden. Sie führen unzweifelhaft ein Familienleben, sind jedoch allesamt im selben Umfang von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen betroffen, weswegen im Falle einer gemeinsamen Rückkehr in den Herkunftsstaat diesbezüglich kein Eingriff in das Familienleben vorliegt.
Betreffend den im Bundesgebiet zum dauernden Aufenthalt berechtigten Angehörigen - Bruder, Schwester - wurde keine besondere Nahebeziehung behauptet. Mit diesen lebt der Beschwerdeführer nicht im gemeinsamen Haushalt und wird er von diesen auch nicht finanziell unterstützt und besteht auch kein besonderes Abhängigkeitsverhältnis.
Derartiges ergibt sich weder aus dem Akteninhalt und wurde auch nicht in der Beschwerdeverhandlung behauptet. Zu seinem Bruder und seiner Schwester im Bundesgebiet gab er an, dass sein Bruder in XXXX und er in XXXX wohnen würden. Er und sein Bruder würden einander besuchen. Er habe seinen Bruder nicht um Hilfe gebeten und sein Bruder ihn auch nicht. Sein Bruder und seine Schwester, die in XXXXer Neustadt lebe, würden ihn ca. einmal in vier bis sechs Monaten besuchen.
Ein schützenswertes Familienleben, wie es in Art. 8 EMRK definiert wird, liegt demnach zu den Angehörigen im Bundesgebiet nicht vor.
Ist im gegenständlichen Fall ein Eingriff in das Familienleben iSd. Art. 8 EMRK zu verneinen, bleibt noch zu prüfen, ob mit der Rückkehrentscheidung in das Privatleben des Beschwerdeführers eingriffen wird und ob ein derartiger Eingriff gerechtfertigt ist.
Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig und in diesem Sinne auch verhältnismäßig ist.
Zweifellos handelt es sich sowohl beim BFA als auch beim ho. Gericht um öffentliche Behörden im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK und ist der Eingriff aufgrund der bereits zitierten gesetzlichen Bestimmungen gesetzlich vorgesehen.
Es ist in weiterer Folge zu prüfen, ob ein Eingriff in das Recht auf Achtung des Privatlebens des Beschwerdeführers im gegenständlichen Fall durch den Eingriffsvorbehalt des Art. 8 EMRK gedeckt ist und ein in einer demokratischen Gesellschaft legitimes Ziel, nämlich die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung iSv. Art. 8 Abs. 2 EMRK, in verhältnismäßiger Weise verfolgt.
Ob eine Verletzung des Rechts auf Schutz des Privat- und Familienlebens iSd. Art. 8 EMRK vorliegt, hängt nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte sowie des Verfassungs- und Verwaltungsgerichtshofes jeweils von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab. Die Regelung erfordert eine Prüfung der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit des staatlichen Eingriffes; letztere verlangt eine Abwägung der betroffenen Rechtsgüter und öffentlichen Interessen. In diesem Sinn wird eine Ausweisung nicht erlassen werden dürfen, wenn ihre Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden (und seiner Familie) schwerer wiegen würden als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung.
Unter "Privatleben" sind nach der Rechtsprechung des EGMR persönliche, soziale und wirtschaftliche Beziehungen, die für das Privatleben eines jeden Menschen konstitutiv sind, zu verstehen (vgl. Sisojeva ua gg Lettland, EuGRZ 2006, 554). In diesem Zusammenhang komme dem Grad der sozialen Integration des Betroffenen eine wichtige Bedeutung zu.
Für den Aspekt des Privatlebens spielt zunächst die zeitliche Komponente im Aufenthaltsstaat eine zentrale Rolle, wobei die bisherige Rechtsprechung keine Jahresgrenze festlegt, sondern eine Interessenabwägung im speziellen Einzelfall vornimmt (vgl. dazu Peter Chvosta, Die Ausweisung von Asylwerbern und Art. 8 EMRK, in ÖJZ 2007, 852 ff).
Allerdings ist nach der bisherigen Rechtsprechung auch auf die Besonderheiten der aufenthaltsrechtlichen Stellung von Asylwerbern Bedacht zu nehmen, zumal das Gewicht einer aus dem langjährigen Aufenthalt in Österreich abzuleitenden Integration dann gemindert ist, wenn dieser Aufenthalt lediglich auf unberechtigte Asylanträge zurückzuführen ist (vgl. VwGH vom 17.12.2007, 2006/01/0126, mit weiterem Nachweis).
Der Beschwerdeführer ist mittlerweile über fünfeinhalb Jahre - mit einer Unterbrechung von drei Monaten aufgrund eines Aufenthaltes in XXXX - in Österreich aufhältig. Dabei ist aber zu beachten, dass er diesen mehrjährigen Aufenthalt durch die zweimalige Asylantragstellung selbst verursacht hat, weswegen ihm die Dauer des Verfahrens auch anzulasten ist.
Das Gewicht des Aufenthalts des Beschwerdeführers in Österreich wird auch dadurch erheblich gemindert, weil jener lediglich auf - wie sich im Verfahren zeigte - zwei unberechtigte Asylanträge zurückzuführen ist (VwGH 26.6.2007, 2007/01/0479 mwN).
Trotz des mehrjährigen Aufenthaltes im Bundesgebiet konnte der Beschwerdeführer keine fortgeschrittene Integration nachweisen. Insbesondere konnten keine Deutschkenntnisse auf dem Niveau A2 dargelegt werden.
Seine Ausführungen in der Beschwerdeverhandlung lassen keine Zweifel offen, dass eine fortgeschrittene Integration des Beschwerdeführers im Bundesgebiet nicht stattgefunden hat.
Danach befragt, was er in Österreich derzeit mache, meinte er, spazieren zu gehen und seine Kinder zur Schule zu bringen. Nach Kursen und Ausbildungen befragt, meinte er, keine Kurse vom Staat bekommen zu haben. Kurse würden Geld kosten. Seine Frau sei bei einem Kurs gewesen. Sie hätten selbständig Deutsch für den Alltag gelernt. Er habe in Österreich nicht gearbeitet. Ab und zu habe er dem Chef der Flüchtlingspension geholfen. Er verneinte auch, in irgendwelchen Vereinen oder Institutionen Mitglied zu sein. Es halte sich hauptsächlich in XXXX auf.
Der Beschwerdeführer lebt mit seiner Familie demnach unvermindert von der Grundversorgung, geht keiner legalen Beschäftigung nach, hat sich im Bundesgebiet nicht aus-, fort- oder weitergebildet und wurde auch keine ehrenamtliche bzw. Vereinstätigkeit dargelegt.
Abgesehen von einem allgemeinen Empfehlungsschreiben einer Familie vom letzten Aufenthalt des Beschwerdeführers, konnte er auch keine intensiven Beziehungen oder enge freundschaftliche Beziehungen zu Österreichern darlegen. Im Übrigen hat niemand für ihn eine Verpflichtungserklärung abgegeben.
Im Ergebnis waren im Fall des Beschwerdeführers intensive Bindungen zu Österreich nicht feststellbar, dies auch vor dem Hintergrund, dass der Beschwerdeführer gemeinsam mit seiner Familie im Jahr 2013 Österreich verließ und in XXXX einen weiteren Aufenthalt zu begründen versuchte.
Es war schließlich noch darauf zu verweisen, dass der Beschwerdeführer im Gegensatz zum Bundesgebiet stärkere Anknüpfungspunkte im Herkunftsstaat hat. Dort halten sich seine Familie und die Familie seiner Ehefrau auf. Zu den Angehörigen im Herkunftsstaat besteht auch Kontakt. Sein Haus im Herkunftsstaat samt der von ihm vor der Ausreise betriebenen Landwirtschaft ist noch immer vorhanden und lebt dort aktuell seine Mutter.
Der Beschwerdeführer hat auch den Großteil seines Lebens im Herkunftsstaat verbracht und verfügt dort im Gegensatz zum Bundesgebiet auch über entsprechende Sprachkenntnisse. Aufgrund dieser nach wie vor bestehenden Anknüpfungspunkte im Herkunftsstaat kann trotz der relativ langen Ortsabwesenheit von fünfeinhalb Jahren nicht gesagt werden, dass der Beschwerdeführer seinem Kulturkreis völlig entrückt wäre und sich in seiner Heimat überhaupt nicht mehr zu Recht finden würde.
Im Übrigen sind nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch Schwierigkeiten beim Wiederaufbau einer Existenz im Herkunftsstaat letztlich auch als Folge des Verlassens des Heimatlandes ohne ausreichenden (die Asylgewährung oder Einräumung von subsidiären Schutz rechtfertigenden) Grund für eine Flucht nach Österreich - im öffentlichen Interesse an einem geordneten Fremdenwesen hinzunehmen (vgl. VwGH 29.4.2010, 2009/21/0055).
Die Unbescholtenheit des Beschwerdeführers fällt bei der vorzunehmenden Abwägung nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nicht ins Gewicht. Laut Judikatur bewirkt die strafrechtliche Unbescholtenheit weder eine Stärkung der persönlichen Interessen noch eine Schwächung der öffentlichen Interessen. (VwGH 21.1.1999, Zahl 98/18/0420). Der VwGH geht wohl davon aus, dass es von einem Fremden, welcher sich im Bundesgebiet aufhält als selbstverständlich anzunehmen ist, dass er die geltenden Rechtsvorschriften einhält. Zu Lasten eines Fremden ins Gewicht fallen jedoch sehr wohl rechtskräftige Verurteilungen durch ein inländisches Gericht (vgl. Erk. d. VwGH vom 27.2.2007, 2006/21/0164, mwN, wo dieser zum wiederholten Male klarstellt, dass das Vorliegen einer rechtskräftigen Verurteilung den öffentlichen Interessen im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK eine besondere Gewichtung zukommen lässt).
Im Übrigen ist der Beschwerdeführer illegal eingereist und hat mittlerweile zwei unbegründete Anträge auf internationalen Schutz gestellt, womit ein massiver Verstoß gegen die den Aufenthalt von Fremden regelnden Bestimmungen vorliegt.
Bei einer Zusammenschau all dieser Umstände überwiegen im vorliegenden Fall jene Umstände, die für eine Rückkehr des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat sprechen.
Den privaten Interessen des Beschwerdeführers an einem weiteren Aufenthalt in Österreich stehen die öffentlichen Interessen an einem geordneten Fremdenwesen gegenüber. Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes kommt den Normen, die die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regeln, aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Artikel 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zu (VwGH v. 16.01.2001, Zl. 2000/18/0251, u. v.a.).
Nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes überwiegen daher derzeit die öffentlichen Interessen an der Aufenthaltsbeendigung, insbesondere das Interesse an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und des Schutzes des österreichischen Arbeitsmarktes die privaten Interessen des Beschwerdeführers am Verbleib im Bundesgebiet (vgl. dazu VfSlg. 17.516/2005 sowie ferner VwGH 26.6.2007, 2007/01/0479).
Die öffentlichen Interessen an der Aufenthaltsbeendigung, die sich insbesondere im Interesse an der Einhaltung fremdenrechtlicher Vorschriften sowie darin manifestieren, dass das Asylrecht (und die mit der Einbringung eines Asylantrags verbundene vorläufige Aufenthaltsberechtigung) nicht zur Umgehung der allgemeinen Regelungen eines geordneten Zuwanderungswesens dienen darf (vgl. dazu im Allgemeinen und zur Gewichtung der maßgeblichen Kriterien VfGH 29.9.2007, B 1150/07), wiegen im vorliegenden Fall schwerer als die Interessen des Beschwerdeführers am Verbleib in Österreich.
Zum Überwiegen der öffentlichen Interessen des Staates an einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme und der Zulässigkeit des Eingriffes in das Privatleben siehe insbesondere VwGH 28.2.2008, 2007/18/0264 (öffentliches Interesse an der Wahrung eines geordneten Fremdenwesens), VwGH 14.6.2007, 2007/18/0278 (öffentliches Interesse an der Einhaltung fremdenrechtlicher Vorschriften), VwGH 22.11.2007, 2007/21/0317; 25.9.2007, 2007/18/0673 (illegale Einreise und unrechtmäßiger Aufenthalt), VwGH 29.1.2008, 2007/18/0400; 22.11.2007, 2007/21/0406 (wirtschaftliches Wohl - mittellose Personen) sowie EGMR 18.2.1991, Moustaquim, 12.313/86 (Ausweisung straffälliger Fremder).
Zur Zulässigkeit einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme trotz langjährigem Aufenthalt in Österreich und mangelnder Integration in Österreich ist insbesondere auf folgende höchstgerichtliche Rechtsprechung hinzuweisen: VwGH 17.11.2005, 2005/21/0370 (7-jähriger Aufenthalt mit "nicht stark ausgeprägter Integration" - Ausweisung zulässig), VwGH 25.9.2007, 2007/18/0348 (5-jähriger Aufenthalt - Ausweisung zulässig), VwGH 3.7.2007, 2007/18/0361(5-jähriger Aufenthalt - Ausweisung zulässig), VwGH 26.9.2007, 2006/21/0288 (7-jähriger Aufenthalt - Ausweisung zulässig), VwGH 8.11.2006, 2006/18/0316 (8-jähriger Aufenthalt - Ausweisung zulässig), VwGH 25.9.2007, 2007/18/0416 (4-jähriger Aufenthalt - "kein individuelles Bleiberecht" - Ausweisung zulässig), VwGH 28.2.2008, 2008/18/0087 (eineinhalbjähriger Aufenthalt - Ausweisung zulässig), VwGH 18.5.2007, 2007/18/0136 (11-jähriger unrechtmäßiger Aufenthalt (von insgesamt 15 Jahren) - Ausweisung zulässig), VwGH 8.11.2006, 2006/18/0316 (4-jähriger unrechtmäßiger Aufenthalt nach 4-jährigem Asylverfahren - Ausweisung zulässig), VfGH 29.9.2007, B 1150/07, EuGRZ 2007, 728 (11-jähriger Aufenthalt, zwei Scheinehen, zwei Asylanträge - Ausweisung zulässig).
Im Besonderen ist hier noch auf die folgenden aktuellen Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofs zu verweisen, die jeweils auf einem ähnlich gelagerten Sachverhalt - wie jenen des Beschwerdeführers - beruhen. Trotz langjährigem Aufenthalt wurde auch hier seitens des Höchstgerichts die Zulässigkeit einer aufenthaltsbeenden Maßnahme bejaht: VwGH 18.03.2010, 2010/22/0023 (sechsjähriger Aufenthalt; enge Beziehung zu Geschwistern in Österreich; gute Deutschkenntnisse; Unbescholtenheit; Einstellungszusage; großer Freundes- und Bekanntenkreis; mit Rechtsstellung eines anerkannten Flüchtlings gerechnet; keinerlei Unterstützung im Herkunftsstaat zu erwarten), VwGH 25.02.2010, 2008/18/0411 (etwa siebenjähriger Aufenthalt; Berufstätigkeit; ein Jahr lang eheliche Gemeinschaft mit österreichischer Staatsbürgerin;
Unbescholtenheit; Unterkunft; Krankenversicherungsschutz; enge Freundschaften zu Arbeitskollegen und ehemaligen Wohnungskollegen;
andere in Österreich lebende Familienangehörige), VwGH 25.02.2010, 2009/21/0070 (rund achtjähriger Aufenthalt; Berufstätigkeit;
Erlernen der deutschen Sprache; Freundes- und Bekanntenkreis;
Verwandte in Österreich; Unbescholtenheit; kaum bzw. keinen Kontakt zu seinen im Libanon verbliebenen Angehörigen), VwGH 23.03.2010, 2010/18/0038 (siebenjähriger Aufenthalt; gute Deutschkenntnisse;
Unbescholtenheit; beruflich integriert; Zeitungsausträger), VwGH 25.03.2010, 2009/21/0216 (rund siebenjähriger Aufenthalt;
selbständige Berufstätigkeit bzw. Schulbesuch; Aufbau eines Freundes- und Bekanntenkreises; Deutschkenntnisse;
Unbescholtenheit), VwGH 25.02.2010, 2010/18/0031 (fast achtjähriger Aufenthalt; familiäre Bindung zu Onkel, der BF unterstützt;
Deutschkenntnisse; Unbescholtenheit), VwGH 25.02.2010, 2010/18/0029 (mehr als siebenjähriger Aufenthalt; beabsichtigte Eheschließung mit öst. Staatsbürgerin; Sohn in Ö geboren; perfekte Deutschkenntnisse;
Unbescholtenheit; nahezu durchgehende Beschäftigung; sozial vielfältig vernetzt und integriert), VwGH 25.02.2010, 2010/18/0026 (siebenjähriger Aufenthalt; Mangel an familiären Bindungen;
Unbescholtenheit; Deutschkenntnisse; fehlende Bindungen zum Heimatstaat; arbeitsrechtlicher Vorvertrag), VwGH 25.02.2010, 2009/21/0187 (mehr als siebenjähriger Aufenthalt; Sohn besitzt österreichische Staatsbürgerschaft; Deutschkenntnisse; Freundes- und Bekanntenkreis; Unbescholtenheit; wirtschaftlicher Neubeginn; keine berufliche Integration), VwGH 13.04.2010, 2010/18/0078 (siebenjähriger Aufenthalt; jahrelange Erwerbstätigkeit;
Lebensunterhalt finanziert; Freundes- und Bekanntenkreis; gute Deutschkenntnisse; im Heimatland keine Existenzgrundlage;
eingeschränkte Bindungen zum Heimatland; sozial integriert).
Zusammengefasst ist daher davon auszugehen, dass die Interessen des Beschwerdeführers an einem Verbleib im Bundesgebiet nur geringes Gewicht haben und gegenüber dem öffentlichen Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Bestimmungen aus der Sicht des Schutzes der öffentlichen Ordnung, dem nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ein hoher Stellenwert zukommt, jedenfalls in den Hintergrund treten.
Würde sich ein Fremder nunmehr generell in einer solchen Situation wie der Beschwerdeführer erfolgreich auf das Privat- und Familienleben berufen können, so würde dies dem Ziel eines geordneten Fremdenwesens und dem geordneten Zuzug von Fremden zuwiderlaufen.
Die Verhältnismäßigkeit der Maßnahme der Verhängung seitens der belangten Behörde getroffenen fremdenpolizeilichen Maßnahme ergibt sich aus dem Umstand, dass es sich hierbei um das gelindeste femdenpolizeiliche Mittel handelt, welches zur Erreichung des angestrebten Zwecks geeignet erschien.
Aufgrund der oa. Ausführungen ist der belangten Behörde letztlich im Rahmen einer Gesamtschau jedenfalls beizupflichten, dass kein Sachverhalt hervorkam, welcher bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen den Schluss zuließe dass der angefochtene Bescheid einen Eingriff in das durch Art. 8 EMRK geschützte Privat- und Familienleben darstellt.
Die Verfügung der Rückkehrentscheidung war daher im vorliegenden Fall dringend geboten und erscheint auch nicht unverhältnismäßig. Daher sind auch die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung nach § 55 AsylG 2005 nicht gegeben.
Gemäß § 52 Abs. 9 FPG hat das Bundesamt mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, dass eine Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist, es sei denn, dass dies aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist.
Nach § 50 Abs. 1 FPG ist die Abschiebung Fremder in einen Staat unzulässig, wenn dadurch Art. 2 oder 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde oder für sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts verbunden wäre.
Nach § 50 Abs. 2 FPG ist Abschiebung in einen Staat unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, ihrer Religion, ihrer Nationalität, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Ansichten bedroht wäre (Art. 33 Z 1 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974), es sei denn, es bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005).
Nach § 50 Abs. 3 FPG ist Abschiebung in einen Staat unzulässig, solange der Abschiebung die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht.
Umstände, welche das Nichtvorliegen der Voraussetzungen für die Erlassung einer Rückkehrentscheidung begründen würden, kamen nicht hervor. Ebenso ergibt sich aus den Ausführungen zu Spruchpunkt I., dass keine Umstände vorliegen, welche gegen eine Abschiebung in die Russische Föderation sprechen.
Gemäß § 55 Abs. 1 FPG wird mit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 zugleich eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt. Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt nach § 55 Abs. 2 FPG 14 Tage ab Rechtskraft des Bescheides, sofern nicht im Rahmen einer vom Bundesamt vorzunehmenden Abwägung festgestellt wurde, dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hat, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen.
Derartige besondere Umstände sind im Beschwerdeverfahren vorgetragen worden. Die Ehefrau des Beschwerdeführers erwartet ein Kind, der errechnete Geburtstermin ist laut Mutter-Kind-Pass der 22.07.2015. Im Lichte des bevorstehenden Geburtstermins im Juli 2015 war die Frist für die freiwillige Ausreise ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung mit 30.09.2015 festzulegen. Zumal eine Ausreise des Beschwerdeführers, seiner Ehefrau und seiner Töchter im Lichte des Art. 8 EMRK nur gemeinsam zulässig ist, war die Frist für die freiwillige Ausreise für sie alle gleichermaßen festzulegen.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung, weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu
A) wiedergegeben. Zur Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung ist die
zur asylrechtlichen Ausweisung ergangene zitierte Rechtsprechung der Höchstgerichte übertragbar. Die fehlenden Voraussetzungen für die amtswegige Erteilung des Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG 2005 ergeben sich aus der Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung, jene für den Aufenthaltstitel nach § 57 AsylG 2005 aus durch den klaren Wortlaut der Bestimmung eindeutig umschriebene Sachverhaltselemente, deren Vorliegen im Fall des Beschwerdeführers nicht einmal behauptet wurde. Die Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat knüpft an die zitierte Rechtsprechung zu den Spruchpunkten I. und II. des angefochtenen Bescheids an.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
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