VwGH 96/20/0414

VwGH96/20/041426.6.1996

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Baur, Dr. Bachler und Dr. Nowakowski als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Hemetsberger, über die Beschwerde des C in W, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 30. November 1995, Zl. 4.331.690/9-III/13/95, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 1991 §1 Z1;
AsylG 1991 §1 Z1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Aufgrund der Beschwerde und der mit dieser vorgelegten Ausfertigung des angefochtenen Bescheides ist von folgendem Sachverhalt auszugehen:

Der Beschwerdeführer, ein chinesischer Staatsangehöriger, ist am 10. Februar 1992 in das Bundesgebiet eingereist und hat am 14. Februar 1992 den Asylantrag gestellt. Anläßlich seiner niederschriftlichen Einvernahme vor der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich am 18. Februar 1992 gab er zu seinen Fluchtgründen an, er werde in seiner Heimat politisch verfolgt, er habe an den Studentenbewegungen vom Juni 1989 teilgenommen. Aufgrund der Teilnahme an dieser Demonstration sei er gemeinsam mit seinem Bruder (Beschwerdeführer zur hg. Zl. 96/20/385) von der Polizei festgenommen worden. Von August 1989 bis September 1990 sei er in einer Fabrik zu Zwangsarbeiten verurteilt worden, während derer er von den für die Firma zuständigen Arbeitern ständig mißhandelt und geschlagen worden sei. Nach der Entlassung aus der Zwangsarbeit habe er sich zu seinem Wohnort zurückbegeben, sei dort jedoch von der zuständigen Polizei verhört worden, die von ihm in Erfahrung hätten bringen wollen, wie es bei den Arbeiten in der Fabrik zugegangen sei. Für den Fall einer weiteren Teilnahme an einer Demonstration sei ihm Haft angedroht worden. Gegenüber anderen Personen habe er davon nichts erzählen dürfen. Er sei von der Polizei seiner Stadt ständig beobachtet und verfolgt worden. Diesen Druck habe er nicht mehr länger aushalten können und habe sich entschlossen, gemeinsam mit seinem Bruder China zu verlassen. Bei der Demonstration (die Grund für seine Verurteilung gewesen war) habe er Flugblätter verteilt.

Mit Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 6. März 1992 wurde festgestellt, daß der Beschwerdeführer die Voraussetzungen für die Zuerkennung seiner Flüchtlingseigenschaft nicht erfülle.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Berufung, in der er im wesentlichen ausgeführt habe, er sei von der Polizei der Stadt K in der Provinz L verhaftet und in das Zwangsarbeitslager M verschickt worden, wo er jeden Tag habe schwer arbeiten müssen und bis 11.00 Uhr nachts einer politischen "Umerziehung" ausgesetzt gewesen sei. Er habe wöchentlich einen Bericht über den Fortschritt dieser politischen Erziehung abgeben müssen. Wenn der Bericht den Erwartungen der Aufsichtshabenden nicht entsprochen habe, sei Einzelhaft, Verweigerung von Mahlzeiten, sowie das Schlagen mit elektrischen Schlagstöcken angewandt worden. Nach dreizehn Monaten Lagerhaft sei er mit der Auflage entlassen worden, sich wöchentlich bei der Polizei zu melden und jede Teilnahme an Aktionen der Bevölkerung zu unterlassen.

Mit Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 31. März 1994 wurde diese Berufung gemäß § 66 Abs. 4 abgewiesen. Infolge der dagegen gerichteten Beschwerde hob der Verwaltungsgerichtshof mit hg. Erkenntnis vom 14. März 1995, Zl. 94/20/0038, den bekämpften Bescheid auf, wodurch das Berufungsverfahren bei der belangten Behörde wiederum anhängig wurde.

Mit dem nunmehr angefochtenen (Ersatz-)Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers (neuerlich) gemäß § 66 Abs. 4 AVG ab. Sie begründete ihre Entscheidung im wesentlichen damit, der Beschwerdeführer habe im Rahmen des Asylverfahrens nicht glaubhaft machen können, aufgrund der Rasse, Religion, Nationalität oder politischer Gesinnung oder der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe verfolgt zu werden. Die bloß ablehnende Haltung eines Asylwerbers gegenüber dem in seinem Heimatland herrschenden innen- und außenpolitischen System für sich allein bilde noch keinen Grund, ihn als Flüchtling anzuerkennen. Der Begriff der Verfolgung verlange individuell gegen die Person des Asylwerbers gerichtete Handlungen, die dem Heimatstaat zurechenbar seien und aus einem der im § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 genannten Gründen erfolgten. Auch sei einem Asylwerber wohlbegründete Furcht allein deswegen noch nicht zuzubilligen, weil er in seiner Heimat Flugblätter verteilt habe. Zu seinen Angaben, daß er aufgrund der Teilnahme an der Demonstration von der Polizei verhaftet und in der Zeit von August 1989 bis September 1990 in ein Zwangsarbeitslager geschickt worden sei, wo er auch mißhandelt und geschlagen worden sei, sei auszuführen, daß der Beschwerdeführer dies lediglich behauptet habe, ohne durch Zusätzliches die Glaubwürdigkeit erhöhen zu können. Würde "das Behaupten von aus subjektiver Sicht bestehenden asylrelevanten Umständen genügen, so könnte von Glaubhaftmachung bzw. Beweiswürdigung nicht gesprochen werden".

Darüber hinaus sei in diesem Zusammenhang festzuhalten, daß dieses Ereignis schon längere Zeit zurückliege und daher nicht mehr beachtlich sei. Die wohlbegründete Furcht müsse vielmehr bis zur Ausreise andauern. Tatsächlich könne dem Vorbringen des Beschwerdeführers jedoch nicht entnommen werden, daß er bis zu seiner Ausreise weiteren Repressionen ausgesetzt gewesen sei, zumal seine allgemeinen Angaben, er sei von der Polizei ständig beobachtet und verfolgt worden, für die erkennende Behörde nicht geeignet sei, staatliche Maßnahmen von erheblicher Intensität in Verfolgungsabsicht glaubhaft zu machen.

Im übrigen sprach die belangte Behörde aufgrund im einzelnen dargelegter Erwägungen dem Beschwerdeführer die Glaubwürdigkeit ab. Auch die im Rahmen der Berufungsergänzung vorgelegten Zeitungsartikel seien nicht geeignet gewesen, eine individuell ihn selbst betreffende Verfolgung aus einem der im § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 genannten Gründe bzw. wohlbegründeter Furcht davor glaubhaft zu machen, da diese Zeitungsartikel lediglich die aktuelle politische Situation in seinem Heimatland schilderten, ohne konkret gegen ihn selbst gerichtete Verfolgungshandlungen zu veranschaulichen. Im übrigen habe der Beschwerdeführer offensichtlich keine Bedenken gehabt, sich unter Verwendung des echten und auf sein Nationale ausgestellten Reisedokumentes im Rahmen der Ausreise der staatlichen Grenzkontrolle zu stellen. Dies sei jedenfalls als Indiz dafür anzusehen, daß er zumindest zu diesem Zeitpunkt kein subjektiv asylrechtlich relevantes Schutzbedürfnis gehabt habe.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Zunächst ist klarzustellen, daß die belangte Behörde ihren Bescheid vom 31. März 1994, der vom Verwaltungsgerichtshof wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben wurde, lediglich mit der - durch entsprechende Sachverhaltsfeststellungen nicht untermauerten - Annahme der Verfolgungssicherheit des Beschwerdeführers gemäß § 2 Abs. 2 Z. 3 Asylgesetz 1991 in Rumänien begründet hatte. Mit dem nunmehr vorliegenden (Ersatz-)Bescheid wurde die Frage der Verfolgungssicherheit von der belangten Behörde nicht neuerlich aufgegriffen, sondern lediglich über die Flüchtlingseigenschaft des Beschwerdeführers im Sinne des § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 (negativ) entschieden, sodaß eine Rechtsverletzung des Beschwerdeführers durch Unterlassung eines lediglich den genannten Ausschließungsgrund betreffenden ergänzenden Ermittlungsverfahrens nicht vorliegen kann.

Dem Beschwerdeführer ist aber zuzugeben, daß die von der belangten Behörde zunächst herangezogenen Detailbegründungen einer Überprüfung nicht standzuhalten vermögen, insbesondere wo sie ausführt, daß "die bloß ablehnende Haltung eines Asylwerbers gegenüber dem in seinem Heimatland innen- und außenpolitischen System für sich allein noch keinen Grund" bilde, ihn als Flüchtling anzuerkennen. Es kann der belangten Behörde auch im Rahmen ihrer beweiswürdigenden Erwägungen nicht gefolgt werden, wenn sie meint, den Schilderungen des Beschwerdeführers fehle "Zusätzliches", um Überzeugungskraft zu gewinnen. Insbesondere scheint nicht klar, wie ausführlich der Beschwerdeführer noch hätte schildern sollen bzw. können, welche Folgen seine (aktive) Teilnahme an einer der Studentendemonstrationen in seinem Heimatland für ihn gehabt hat. Der Verwaltungsgerichtshof vermag daher nicht zu erkennen, weshalb die Behörde seiner Darstellung zu seinen Fluchtgründen die Glaubwürdigkeit abgesprochen hat. Insoweit erweisen sich diese Erwägungen daher als nicht schlüssig. Dadurch allein ist jedoch für den Beschwerdeführer nichts gewonnen.

Unter Zugrundelegung seiner eigenen Darstellung zu seinen Fluchtgründen erweist sich nämlich letztlich die von der belangten Behörde herangezogene Begründung als tragend, die vom Beschwerdeführer geschilderten erheblichen Eingriffe in seine Integrität, insbesondere die Verurteilung zu Zwangsarbeit und die in deren Zuge erlittenen Mißhandlungen, lägen im Verhältnis zum Zeitpunkt seiner Ausreise aus seinem Heimatland (geschweige denn der Einreise in das Bundesgebiet) so weit zurück, daß sie in keinen erkennbaren zeitlichen Zusammenhang mehr zueinander gesetzt werden könnten. Damit befindet sich die belangte Behörde auf dem Boden der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, wonach die fluchtauslösende Verfolgungsgefahr auch aktuell sein müsse. Der sich daran anschließenden Überwachung des Beschwerdeführers durch wöchentliche Kontrollen und Meldungen hat die belangte Behörde aber zutreffend die für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft im Sinn des § 1 Z. 1 AsylG 1991 iVm der Genfer Konvention geforderte Intensität abgesprochen.

Daran vermögen auch allgemeine Informationen über die Situation im Heimatland des Beschwerdeführers nichts zu ändern, weil es - wie der Verwaltungsgerichtshof ebenfalls bereits wiederholt ausgeprochen hat - auch vor dem Hintergrund der allgemeinen Verhältnisse immer auf die konkrete Situation des einzelnen Asylwerbers ankommt. Deshalb liegen die in der Beschwerde gerügten Verfahrensverletzungen auch nicht vor. Die Ausführungen zur Frage einer befristeten Aufenthaltsberechtigung § 8 Asylgesetz 1991 konnten gänzlich dahingestellt bleiben, weil ein derartiger Ausspruch im angefochtenen Bescheid nicht enthalten war und daher auch nicht Gegenstand der Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof sein kann, abgesehen davon, daß nach ständiger hg. Judikatur ein Rechtsanspruch auf einen diesbezüglichen Ausspruch nicht besteht (zuletzt hg. Erkenntnis vom 4. Juni 1996, 95/20/0117).

Da bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen ließ, daß die behaupteten Rechtsverletzungen nicht vorliegen, war sie gemäß § 35 Abs. 1 VwGG in nichtöffentlicher Sitzung ohne weiteres Verfahren abzuweisen. Bei diesem Ergebnis erübrigt sich auch eine Entscheidung des Berichters über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

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