OGH 5Ob131/23k

OGH5Ob131/23k2.4.2024

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofräte Mag. Wurzer und Mag. Painsi, die Hofrätin Dr. Weixelbraun-Mohr und den Hofrat Dr. Steger als weitere Richter in der wohnrechtlichen Außerstreitsache des Antragstellers R* S*, vertreten durch Dr. Christoph Klauser, Rechtsanwalt in Deutschlandsberg, gegen die Antragsgegnerin T*, vertreten durch die Schaller Zabini Rechtsanwälte GmbH in Graz, wegen § 37 Abs 1 Z 6 MRG iVm § 9 MRG, über den Revisionsrekurs des Antragstellers gegen den Sachbeschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Rekursgericht vom 2. Jänner 2023, GZ 5 R 128/22p‑32, mit dem der Sachbeschluss des Bezirksgerichts Deutschlandsberg vom 25. August 2022, GZ 18 Msch 3/20z‑28, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0050OB00131.23K.0402.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Wohnungseigentumsrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Die Antragsgegnerin hat die Kosten ihrer Revisionsrekursbeantwortung selbst zu tragen.

 

Begründung:

[1] Der Antragsteller ist Eigentümer einer Liegenschaft. Die Antragsgegnerin, eine als Verein organisierte Theatergruppe, ist aufgrund eines zwischen den Parteien bestehenden Mietvertrags berechtigt, auf dieser Liegenschaft Freilichttheateraufführungen durchzuführen.

[2] Die Antragsgegnerin ließ im Sommer 2018 im Bereich eines Vorplatzes ein Dach errichten. In einem Vorverfahren beantragte die Antragsgegnerin, die vom Antragsteller verweigerte Zustimmung zur Errichtung dieses Dachs (bezeichnet als Erweiterung des Überbaus im Kassabereich) gerichtlich zu ersetzen. Das Erstgericht wies diesen Antrag mit der Begründung ab, dass die Neuerrichtung des Dachs nicht der Übung des Verkehrs entspreche, kein wichtiges Interesse an einem derartigen Dach bestehe und dieses schutzwürdige Interessen des Antragstellers beeinträchtige, weil es den Abtransport des Heus behindere und die Gefahr bestehe, mit dem Frontlader in das Dach oder die Steher hineinzufahren.

[3] Die Antragsgegnerin entfernte daraufhin das Vordach samt den Holzstehern, die dazugehörigen vier Schraubfundamente beließ sie hingegen im Boden. Bei diesen Fundamenten handelt es sich um Metallrohre, Beton wurde zur Befestigung dieser Schraubfundamente nicht verwendet. Allerdings sind die Schraubfundamente von einem Gemisch aus Erde, Steinen und Ziegelbruch umgeben. Auf diesen vier Fundamenten (und weiteren sechs Metallschuhen, welche mit einer Metallspitze in die Erde eingeschlagen wurden) sind derzeit Holzsäulen angebracht, die mit an Karabinern befestigten Seilen verbunden sind. Die dadurch geschaffenen „Bahnen“ dienen als Leitsystem für die Besucher.

[4] Der Antragsteller begehrte, die Antragsgegnerin zu verpflichten, die im Zug der Erweiterung des Überbaus im Kassabereich auf der Liegenschaft errichteten „vier Stützenschuhe samt darunter befindlichem Einzelfundament“ zu entfernen.

[5] Das Erstgericht wies den Antrag ab.

[6] Eine Wiederherstellungsverpflichtung lasse sich aus § 9 MRG nicht unmittelbar ableiten; § 9 Abs 3 MRG, der bestimme, dass der Vermieter seine Zustimmung in bestimmten Fällen von der Verpflichtung des Hauptmieters zur Wiederherstellung des früheren Zustands bei der Zurückstellung des Mietgegenstands abhängig machen könne, treffe hier nicht zu. Darüber hinaus wäre eine derartige Wiederherstellung nach dieser Bestimmung eben erst nach Beendigung des Bestandverhältnisses verpflichtend. In diese Richtung ziele auch § 1109 ABGB, wonach der Bestandnehmer nach geendigtem Bestandvertrage die Sache dem etwa errichteten Inventarium gemäß oder doch in dem Zustand, in welchem er sie übernommen habe, zurückstellen müsse. Diese Bestimmung sei hier anzuwenden, weil es sich nicht um Betonfundamente handle; die Antragsgegnerin könne vor Beendigung des Bestandverhältnisses nicht verpflichtet werden, diese verbliebenen Fundamente zu entfernen. Diese bewirkten keine Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen des Antragstellers. Daran ändere auch nichts, dass die Befestigung dieser Schraubfundamente mit Schotter und Ziegelbruch unterstützt worden sei, weil auch dies nach Beendigung des Bestandverhältnisses ohne Probleme entfernt werden könnte.

[7] Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Antragstellers nicht Folge.

[8] Unwesentliche Veränderungen seien stets – sowohl im Vollanwendungsbereich als auch im Nicht‑ oder Teilanwendungsbereich des MRG – auch ohne Zustimmung, ja sogar ohne Befassung des Vermieters zulässig. § 9 MRG finde auf solche Umgestaltungen des Mietgegenstands keine Anwendung.

[9] Unter unwesentlichen Änderungen seien geringfügige, unerhebliche und leicht wieder zu beseitigende Maßnahmen zu verstehen, die den schutzwürdigen Interessen des Vermieters nicht widersprechen sowie Bestand und Wert des Mietgegenstands nicht beeinträchtigen. Ob eine Maßnahme eine wesentliche oder unwesentliche Veränderung sei, ergebe sich aus der Verkehrsauffassung.

[10] Unter Berücksichtigung der kasuistischen Rechtsprechung zu diesen Grundsätzen seien Schraubfundamente, die ohne Verwendung von Beton in den Erdboden eingedreht worden seien, als unwesentliche Änderungen anzusehen. Dabei sei insbesondere zu berücksichtigen, dass diese das Befahren der Fläche mit einem Traktor nicht behinderten. Insofern der Antragsteller darauf verweise, dass diese Steher nicht bloß in Erdreich, sondern „in einem offenbar eigens dafür geschaffenen Schotter/Ziegelbruchbett“ verankert seien, fehle in erster Instanz jede Behauptung. Im Übrigen laute die Feststellung des Erstgerichts, dass die Schraubfundamente von einem Gemisch aus Erde, Steinen und Ziegelbruch umgeben seien.

[11] Entgegen der Behauptung des Antragstellers ergebe sich auch aus der Entscheidung im Vorverfahren nicht, dass diese Schraubfundamente zu entfernen seien. Im Spruch dieser Entscheidung werde zwar die „Beilage ./D“ angeführt, diese sei aber der Entscheidung nicht als integrierender Bestandteil angeschlossen, sodass eine Bindungswirkung hinsichtlich der Fundamente nicht anzunehmen sei.

[12] Das Rekursgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands insgesamt 10.000 EUR nicht übersteige. Den ordentlichen Revisionsrekurs ließ das Rekursgericht über Antrag des Antragstellers nachträglich zu. Zur Frage, ob ein Mieter nur verpflichtet sei, Änderungen am Bestandgegenstand, für die keine Zustimmung nach § 9 MRG vorliegt, insoweit zu beseitigen, dass nur mehr unwesentliche Änderungen verblieben, liege keine höchstgerichtliche Entscheidung vor.

Rechtliche Beurteilung

[13] Der von der Antragsgegnerin beantwortete Revisionsrekurs ist entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden – Ausspruch des Rekursgerichts mangels erheblicher Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG nicht zulässig.

[14] 1. In dem hier unstrittig maßgeblichen Vollanwendungsbereich des MRG ist die Veränderung (Verbesserung) des Mietgegenstands in § 9 MRG abschließend geregelt. Danach hat der Hauptmieter eine von ihm beabsichtigte wesentliche Veränderung (Verbesserung) dem Vermieter anzuzeigen. Lehnt der Vermieter nicht innerhalb von zwei Monaten nach Zugang der Anzeige die beabsichtigte Veränderung ab, so gilt seine Zustimmung als erteilt. Der Vermieter kann seine Zustimmung nicht verweigern, wenn die in § 9 Abs 1 Z 1 bis7 MRG normierten positiven und negativen Voraussetzungen für eine Duldungspflicht des Vermieters vorliegen (§ 9 Abs 1 MRG).

[15] Der Mieter, der sich über diese gesetzlichen Vorgaben für eine an sich zulässige Veränderung des Mietobjekts hinwegsetzt und sie eigenmächtig vornimmt, ist nicht schutzwürdig. Er hat daher grundsätzlich den früheren Zustand wiederherzustellen, wenn dies der Vermieter verlangt. Dieser aus dem Eigentumsrecht ableitbare Entfernungs‑ bzw Wiederherstellungsanspruch (§ 523 ABGB) besteht, solange die Eigenmacht andauert, also bei Maßgabe des § 9 Abs 1 MRG bis zum Vorliegen einer wenigstens zu fingierenden Zustimmung des Vermieters oder bis zur Feststellung, dass der Vermieter die Änderung zu dulden hat, weil die Voraussetzungen des § 9 Abs 1 Z 1 bis 7 MRG gegeben sind (5 Ob 179/00k; RS0113970).

[16] Die für Veränderungen (Verbesserungen) des Mietgegenstands nach § 9 MRG in § 37 Abs 1 Z 6 MRG normierte Verweisung ins Außerstreitverfahren gilt auch für Entfernungs- bzw Wiederherstellungsbegehren in Fällen, in denen der Mieter Veränderungen (Verbesserungen), die der Zustimmung des Vermieters bedürfen, ohne dessen Zustimmung vorgenommen hat (RS0069603). Begehrt der Vermieter die Beseitigung einer ihm nicht angezeigten und ohne seine Zustimmung vorgenommene Änderung, müssen Einwendungen zur Duldungspflicht des Vermieters geprüft werden (5 Ob 218/15t).

[17] 2. Der aus dem Eigentum ableitbare Entfernungs- bzw Wiederherstellungsanspruch des Vermieters setzt einen unberechtigten Eingriff in dessen Eigentumsrecht und damit eine unberechtigte Eigenmacht des Mieters voraus (vgl 5 Ob 97/20f; RS0012112 [T11]; RS0012040). Er besteht nicht, wenn die Eigenmacht fehlt, weil die beanstandete Veränderung keine Zustimmung des Vermieters braucht.

[18] Nach § 9 Abs 1 MRG hat der Mieter eine von ihm beabsichtigte Veränderung (Verbesserung) des Mietgegenstands dem Vermieter nur dann anzuzeigen, wenn diese wesentlich ist. Unwesentliche Veränderungensind nicht zustimmungsbedürftig und sogar ohne Befassung des Vermieters erlaubt (RS0069659 [T2]). Insoweit besteht also kein Entfernungs‑oder Wiederherstellungsbegehren des Vermieters. Unwesentlich sind (nur) solche Veränderungen des Bestandgegenstands, die so geringfügig, unerheblich und leicht zu beseitigen sind, dass schutzwürdige Interessen des Vermieters nicht berührt werden. Ob eine Veränderung iSd § 9 MRG wesentlich oder unwesentlich ist, konkretisiert die Verkehrsauffassung (5 Ob 223/17f; RS0069659).

[19] 3. Gegenstand der Prüfung einer Duldungspflicht des Vermieters ist immer die im konkreten Einzelfall beabsichtigte Änderung in ihrer geplanten Ausgestaltung (RS0113606 [T1]; RS0069695 [T6]). Das gilt insbesondere auch für die Beurteilung der Wesentlichkeit einer Änderung. Ob eine Maßnahme zustimmungsbedürftig oder ohne Befassung des Vermieters erlaubt ist, wirft daher (weil von den besonderen Umständen des Einzelfalls abhängig) in der Regel keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 62 Abs 1 AußStrGauf (5 Ob 223/17f; vgl auch RS0113606).

[20] Eine aus Gründen der Rechtssicherheit auch im Einzelfall aufzugreifende Fehlbeurteilung der Zustimmungsbedürftigkeit zeigt der Antragsteller in seinem Revisionsrekurs nicht auf. Er vertritt zunächst den Standpunkt, dass die Schraubfundamente Bestandteil des von der Antragsgegnerin ursprünglich eigenmächtig errichteten Vordachs gewesen seien. Ihre Verpflichtung zur vollständigen Entfernung dieses Vordachs schließe auch die Entfernung der Schraubfundamente (also der vier Stützenschuhe samt darunter befindlichem Einzelfundament) mit ein. Er wirft damit die Frage auf, ob der aus § 9 Abs 1 MRG aus der fehlenden Zustimmung zu einer genehmigungspflichtigen Maßnahme resultierende Entfernungs‑bzw Wiederherstellungsanspruch die gesamte vorgenommene Veränderung erfasst, oder ob in jenen Fällen, in denen die Veränderung teilbar ist, jene Teile, die isoliert betrachtet keine wesentliche Änderung iSd § 9 Abs 1 MRG bedeuten, vom Entfernungsanspruch ausgenommen sind.

[21] Aus den Feststellungen ist abzuleiten, dass zwischen den (als solche nicht genehmigungsbedürftigen) Schraubfundamenten und dem (nach den Ergebnissen des Vorverfahrens genehmigungsbedürftigen) Vordach samt Holzstehern kein untrennbarer Zusammenhang besteht, weil diese baulichen Maßnahmen aus objektiver Sicht faktisch voneinander getrennt werden können. Die gesonderte Beurteilung dieser einzelnen Änderungen ist daher nicht nur zulässig, sondern geboten. Das Vordach samt Holzstehern wurde bereits vor Einleitung dieses Verfahrens entfernt und die diesbezügliche Eigenmacht daher beendet. Nur die Schraubfundamente verblieben im Erdboden und nur auf diese bezieht sich der Antrag.

[22] In diesem Verfahren ist daher für die Beurteilung des eigenmächtigen Eingriffs in das Eigentumsrecht des Vermieters und die daraus abzuleitende Entfernungs- und Wiederherstellungspflicht iSd § 9 MRG nur auf die Wesentlichkeit der Schraubfundamente (den nicht entfernten Teil des von der Antragsgegnerin errichteten Vordachs) abzustellen. Der Antragsteller hat als Vermieter bei einer rechtswidrigen Inanspruchnahme seiner Rechtssphäre einen eigentumsrechtlichen Anspruch auf Entfernung der Störungsquelle (RS0112687 [T13]). Aus dem Umstand, dass der als eine wesentliche Veränderung mangels Zustimmung des Vermieters zu beseitigende Überbau unter Verwendung dieser Fundamente errichtet worden war, ist daher keine Verpflichtung zur Entfernung auch dieser Fundamente abzuleiten, wenn es für diese Veränderung nach § 9 Abs 1 MRG mangels Wesentlichkeit keiner Zustimmung bedarf.

[23] Das Rekursgericht vertritt die Ansicht, dass die Anbringung von Schraubfundamenten, die lediglich von einem Gemisch aus Erde, Stein und Ziegelbruch, nicht aber Beton umgeben sind, mangels fixer Verankerung im Boden keinewesentliche Veränderung des Bestandgegenstands ist. Diese Beurteilung liegt im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze. Wenn das Rekursgericht an solche Maßnahmender Gestaltung von zum Mietgegenstand gehörenden Flächen im Außenbereich einen großzügigeren Maßstab anlegt, verlässt es den ihm eröffneten Beurteilungsspielraum nicht.

[24] Die Einzelfallbeurteilung des Rekursgerichts ist daher nicht korrekturbedürftig. Allein der Umstand, dass ein gleichgelagerter (oder ähnlicher) Sachverhalt vom Obersten Gerichtshof noch nicht beurteilt worden sein mag, bedeutet noch nicht, dass eine Rechtsfrage von der im § 62 Abs 1 AußStrG umschriebenen Bedeutung vorliegt (RS0110702; RS0107773; RS0102181). Das gilt insbesondere, wenn – wie hier – der Streitfall bereits mit Hilfe vorhandener Grundsätze höchstgerichtlicher Rechtsprechung gelöst werden kann und vom Rekursgericht auch so gelöst wurde (RS0107773 [T3]; RS0042742 [T13]; RS0042656 [T48]).

[25] 4. Der Antragssteller stützt seine Argumentation auch auf das Ergebnis des Vorverfahrens. In diesem Verfahren wies das Erstgericht den Antrag der Antragsgegnerin, „die verweigerte Zustimmung des Antragsgegners zur Erweiterung des Überbaus im Kassenbereich auf der Liegenschaft [...], wie aus der Planunterlage [...] Beilage ./D ersichtlich, zu ersetzen“, ab.

[26] Auch Entscheidungen im Verfahren außer Streitsachen kommt materielle Rechtskraft zu (RS0007171); sie entfalten daher Einmaligkeitswirkung und Bindungswirkung (§ 43 AußStrG; RS0007171 [T13]). Als Teil der Bindungswirkung ist die Präklusionswirkung anerkannt. Dementsprechend wird durch die Rechtskraft der Vorentscheidung das Vorbringen aller Tatsachen ausgeschlossen, die zur Begründung oder Widerlegung des entschiedenen Anspruchs rechtlich erforderlich waren und schon bestanden haben. Das nachfolgend angerufene Gericht hat in einem solchen Fall von dem bereits rechtskräftig entschiedenen Anspruch auszugehen und ihn ohne weiteres seiner neuen Entscheidung zugrunde zu legen (1 Ob 159/23y; RS0041321 [T2, T8]; RS0106966).

[27] Eine Bindungswirkung der Vorentscheidung ist nur dann anzunehmen, wenn sowohl die Parteien als auch der rechtserzeugende Sachverhalt (verbunden mit notwendig gleicher rechtlicher Qualifikation) ident sind, aber anstelle der inhaltlichen und wörtlichen Identität der Begehren ein im Gesetz gegründeter Sachzusammenhang zwischen beiden Begehren besteht. Ein solcher ist anzunehmen, wenn die Entscheidung über den neuen Anspruch vom Inhalt der bereits rechtskräftig entschiedenen Streitsache abhängig ist (Präjudizialität der rechtskräftigen Entscheidung) oder wenn das Begehren das begriffliche Gegenteil des rechtskräftig entschiedenen Anspruchs ist (RS0041572). Die Bindungswirkung einer rechtskräftigen Entscheidung ist also dann gegeben, wenn der als Hauptfrage rechtskräftig entschiedene Anspruch eine Vorfrage für den Anspruch im zweiten Prozess bildet (RS0127052; RS0041251) oder das Begehren das begriffliche Gegenteil des bereits rechtskräftig entschiedenen Anspruchs ist (RS0041331 [T1]).

[28] Das Ausmaß der Bindungswirkung eines rechtskräftigen Urteils wird grundsätzlich durch den Spruch bestimmt. Die Entscheidungsgründe sind aber für die Auslegung und Individualisierung des rechtskräftig entschiedenen Anspruchs heranzuziehen. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Rechtskraftwirkung einer abweisenden Entscheidung festgestellt werden soll (RS0041331 [T3]; RS0043259; RS0041357; RS0000300).

[29] Die Auslegung eines Spruchs der Entscheidung im Einzelfall bildet – von im Interesse der Rechtssicherheit aufzugreifenden Fehlbeurteilungen abgesehen – keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG (vgl RS0000595 [T8]). Das gilt insbesondere für die Frage, worüber im Vorprozess als Hauptfrage entschieden wurde (vgl RS0127052 [T5]). Der Revisionsrekurs zeigt auch in diesem Zusammenhang keine im Interesse der Rechtssicherheit aufzugreifende Fehlbeurteilung auf.

[30] Gegenstand der spruchgemäßen Entscheidung im Vorverfahren warnach dem Verständnis des Rekursgerichts lediglich die Frage, ob der Antragsteller das ursprünglich errichtete Dach samt den Stehern zu dulden habe, nicht jedoch die Frage der Pflicht zur Duldung der Schraubfundamente. Die Planunterlage Beilage ./D enthält Skizzen des Vordachs, die auch die Schraubfundamente zeigen. Diese Urkunde fand aber nur im Antragsbegehren, dessen Formulierung das Erstgericht in seinem abweisenden Spruch wiedergab, Erwähnung. Weder wurde diese Urkunde zum Bestandteil der Entscheidung erklärt und dem Sachbeschluss angeschlossen noch beziehen sich die Entscheidungsgründe auf diese. In der Begründung wurde nur das Vordach und die dazugehörigen Steher, nicht aber die Fundamente thematisiert. Nur wenn eine Urkunde zum Gegenstand des Urteilsspruchs, also zu dessen Bestandteil erklärt wird, so ist in dem Urteil alles festgestellt, was sich aus dem Plan ergibt und Gegenstand des Verfahrens war (RS0119746).

[31] Zwischen dem Verfahren über die gerichtliche Ersetzung der Zustimmung des Vermieters nach § 9 MRG und dem Verfahren über die Wiederherstellungspflicht der Mieterin bei fehlender Zustimmung oder Abweisung eines Antrags auf Ersetzung derselben kann die für die Bindungswirkung erforderliche materiell‑rechtliche Nahebeziehung (Präjudizialität oder begriffliches Gegenteil) jedenfalls nur dann bestehen, wenn sich die EntscheidungsgegenständederVerfahren auf dieselbe Veränderung (Störungsquelle) beziehen. Ist dies jedoch – wie nach der nicht korrekturbedürftigen Beurteilung des Rekursgerichts hier – nicht der Fall, weil sich diese auf verschiedene selbständig zu beurteilende Maßnahmen beziehen, kommt eine Bindungswirkung nicht in Betracht.

[32] 5. Der Revisionsrekurs war daher mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückzuweisen.

[33] Die Kostenentscheidung beruht auf § 37 Abs 3 Z 17 MRG. Die Antragsgegnerin hat auf die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses nicht hingewiesen. Es entspricht daher der Billigkeit, dass sie die Kosten ihrer Rechtsmittelbeantwortung selbst zu tragen hat (§ 37 Abs 3 Z 17 MRG; RS0035962; RS0035979).

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