European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0040OB00158.23Y.0319.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Fachgebiet: Klauselentscheidungen
Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)
Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 1.032,90 EUR (darin enthalten 172,15 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Entscheidungsgründe:
[1] Die Klägerin ist gemäß § 29 Abs 1 KSchG berechtigt, Unterlassungsansprüche nach § 28 KSchG geltend zu machen.
[2] Die Beklage errichtete als Bauträgerin auf einer ihrer beiden Liegenschaften eine Wohnanlage mit fünf Eigentumswohnungen, einem Eckreihenhaus sowie Abstellplätzen.
[3] Die Beklagte bewarb die Wohneinheiten nur im Internet, etwa auf ihrer eigenen Website und jener der Tiroler Tageszeitung. Es meldeten sich nur Interessenten aus Tirol.
[4] Sie schloss mit Verbrauchern als Erwerber Bauträgerverträge in Form von Vertragsformblättern, die die nun klagsgegenständlichen Klauseln enthalten. Auf diese finden die Bestimmungen des BTVG und des WEG 2002 Anwendung. Es kann nicht festgestellt werden, welche Beilagen den Erwerbern übergeben wurden.
[5] Fünf der Wohneinheiten sind schon verkauft, die sechste soll nicht verkauft, sondern von der Beklagten vermietet werden.
[6] Die Klägerin begehrt, der Beklagten im geschäftlichen Verkehr mit Verbrauchern die Verwendung von und Berufung auf 35 konkret genannte Klauseln aus ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen und sinngleiche Klauseln zu verbieten; sowie Urteilsveröffentlichung.
[7] Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Alle Klauseln seien zulässig. Außerdem sei die Beklagte eine Projektgesellschaft und habe alle Objekte ihres Bauprojekts auf ihrer einzigen Liegenschaft schon veräußert, sodass es keine Wiederholungsgefahr gebe.
[8] DasErstgerichtgab der Klage zur Gänze statt.
[9] Das Berufungsgerichtgab der Berufung der Beklagten gegen die Untersagung der Klauseln 4, 7, 8, 10, 11, 12, 16 und 24 nicht Folge, wohl aber der Berufung gegen die Veröffentlichung in einer österreichweiten Ausgabe der Kronen Zeitung. Stattdessen ermächtigte es die Klägerin nur zur Urteilsveröffentlichung in der Tiroler Tageszeitung. Es ließ die Revision zu, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zu den Klauseln fehle.
[10] Die Revision der Beklagten strebt die Abweisung des Unterlassungsbegehrens zu den Klauseln 4, 7, 10, 11, 12, 16 und 24 sowie des Urteilsveröffentlichungsbegehrens an.
[11] Die Klägerin beantragt, die Revision zurück- oder abzuweisen.
Rechtliche Beurteilung
[12] Die Revisionist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig, aber nicht berechtigt.
I. Auslegungsgrundsätze im Verbandsprozess
Für sämtliche Klauseln sind im Verbandsprozess folgende Grundsätze maßgeblich:
[13] 1. Die Geltungskontrolle nach § 864a ABGB bezieht sich auf nachteilige, überraschende und ungewöhnliche Klauseln. Objektiv ungewöhnlich ist eine Klausel, die von den Erwartungen des Vertragspartners deutlich abweicht, mit der er also nach den Umständen vernünftigerweise nicht zu rechnen braucht. Der Klausel muss ein Überrumpelungseffekt innewohnen (RS0014646). Entscheidend ist, ob die Klausel beim jeweiligen Geschäftstyp unüblich ist oder ob sie den redlichen Verkehrsgewohnheiten entspricht (RS0105643 [T3]; RS0014627 [T3]). Dabei kommt es nicht allein auf den Inhalt der Klausel an. Diesem kommt vielmehr im Zusammenhang mit der Stellung im Gesamtgefüge des Vertragstextes Bedeutung zu, weil sich das Ungewöhnliche einer Vertragsbestimmung insbesondere aus der Art ihrer Einordnung in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) ergibt (RS0014659 [T2]). Die Bestimmung darf im Text nicht derart versteckt sein, dass sie der Vertragspartner nicht dort vermutet, wo er sie findet, und dort nicht findet, wo er sie vermuten könnte (RS0105643 [T2]; RS0014646 [T14]). Erfasst sind alle dem Kunden nachteiligen Klauseln; eine grobe Benachteiligung nach § 879 Abs 3 ABGB wird nicht vorausgesetzt (RS0123234). Die Geltungskontrolle ist nicht allein auf Nebenabreden beschränkt, sondern umfasst auch Vertragsbestimmungen über die Begründung, Umgestaltung bzw Erweiterung der Hauptpflichten (RS0014603).
[14] 2. Nach § 879 Abs 3 ABGB ist eine in AGB oder Vertragsformblättern enthaltene Vertragsbestimmung, die nicht eine der beiderseitigen Hauptleistungen festlegt, nichtig, wenn sie unter Berücksichtigung aller Umstände des Falls einen Teil gröblich benachteiligt. Das dadurch geschaffene bewegliche System berücksichtigt einerseits die objektive Äquivalenzstörung und andererseits die „verdünnte Willensfreiheit“ (RS0016914). Die Ausnahme von der Inhaltskontrolle ist dabei möglichst eng zu verstehen (RS0016908, RS0128209). Ein Abweichen vom dispositiven Recht wird unter Umständen schon dann eine „gröbliche“ Benachteiligung des Vertragspartners sein können, wenn sich für die Abweichung keine sachliche Rechtfertigung ergibt. Dies ist jedenfalls dann anzunehmen, wenn die dem Vertragspartner zugedachte Rechtsposition in einem auffallenden Missverhältnis zur vergleichbaren Rechtsposition des anderen steht, wenn also keine sachlich berechtigte Abweichung von der für den Durchschnittsfall getroffenen Norm des nachgiebigen Rechts vorliegt (RS0016914 [T3, T4, T6]). Die Beurteilung, ob eine Klausel den Vertragspartner gröblich benachteiligt, orientiert sich somit am dispositiven Recht, das als Leitbild eines ausgewogenen und gerechten Interessenausgleichs für den Durchschnittsfall gilt (RS0014676 [T7, T13, T43]).
[15] 3. Nach § 6 Abs 3 KSchG ist eine in AGB oder Vertragsformblättern enthaltene Vertragsbestimmung unwirksam, wenn sie unklar oder unverständlich abgefasst ist. Das Transparenzgebot soll es dem Kunden ermöglichen, sich aus den AGB oder Vertragsbestandteilen zuverlässig über seine Rechte und Pflichten bei der Vertragsabwicklung zu informieren (RS0115217 [T41]). Das setzt die Verwendung von Begriffen voraus, deren Bedeutung dem typischen Verbraucher geläufig sind oder von ihm jedenfalls festgestellt werden können. Das können naturgemäß auch Fachbegriffe sein, nicht aber Begriffe, die so unbestimmt sind, dass sich ihr Inhalt jeder eindeutigen Festlegung entzieht. Der durch ihre Verwendung geschaffene weite Beurteilungsspielraum schließt es aus, dass der Verbraucher Klarheit über seine Rechte und Pflichten gewinnen kann (RS0115217 [T3]). Das Transparenzgebot begnügt sich nicht mit formeller Textverständlichkeit, sondern verlangt, dass Inhalt und Tragweite vorgefasster Vertragsklauseln für den Verbraucher „durchschaubar“ sind (RS0122169 [T2]). Mit dem Verbandsprozess soll nicht nur das Verbot von gesetzwidrigen Klauseln erreicht, sondern es sollen auch jene Klauseln beseitigt werden, die den Verbraucher – durch ein unzutreffendes oder auch nur unklares Bild seiner vertraglichen Position – von der Durchsetzung seiner Rechte abhalten können oder ihm unberechtigt Pflichten auferlegen. Daraus kann eine Pflicht zur Vollständigkeit folgen, wenn die Auswirkungen einer Klausel für den Kunden andernfalls unklar bleiben (RS0115219 [T1, T14, T21]; RS0115217 [T8]; RS0121951 [T4]).
[16] 4. Im Verbandsprozess nach § 28 KSchG hat die Auslegung der Klauseln im „kundenfeindlichsten“ Sinn zu erfolgen; es ist von der für die Kunden der Beklagten nachteiligsten Auslegungsvariante auszugehen. Auf eine etwaige teilweise Zulässigkeit der beanstandeten Klausel kann nicht Rücksicht genommen werden, weil eine geltungserhaltende Reduktion nicht möglich ist (RS0038205 [insbes T20]; 4 Ob 63/21z mwN).
II. Zu den einzelnen Klauseln
[17] Bestätigt der Oberste Gerichtshof das Urteil des Berufungsgerichts und erachtet er dessen Begründung für zutreffend, so reicht es nach § 510 Abs 3 Satz 2 ZPO aus, wenn er auf deren Richtigkeit hinweist. Die Ausführungen zu den einzelnen Klauseln beschränken sich daher in der Regel auf eine Replik auf die Argumente in der Revision.
1. Klausel 4 (Pkt 2.4 des Bauträgervertrags)
„Hinsichtlich der ob den Liegenschaftsanteilen der Verkäuferseite (allfällig) noch einzuverleibender [sic] Pfandrechte (bzw Verpfändungsrangordnungen) wird festgehalten, dass die Verkäuferseite eine unwiderrufliche Erklärung der Pfandgläubiger/in einholen wird (Beilage ./H), wonach diese jene Miteigentumsanteile, mit denen Wohnungseigentum am Kaufgegenstand (Pkt 3.) für die (jeweilige) Käuferseite einverleibt wird, vom Pfandrecht lastenfrei stellt, sofern die Käuferseite ihren Kaufpreiszahlungsverpflichtungen hinsichtlich der fällig gewordenen Raten und ihren Besicherungspflichten nachgekommen ist.“
[18] Kaufvertragsbeilage ./H trägt die Bezeichnung „Verpflichtungserklärung zur Lastenfreistellung gemäß § 9 Abs. 3 BTVG und Zessionsvereinbarung“ und lautet auszugsweise:
„Die Bauträger finanzierende Bank verpflichtet sich im Rahmen der Bestimmung des § 9 Abs. 3 BTVG hiermit unwiderruflich, im Falle der Leistung von Anzahlungen durch Erwerber in einer Höhe, die die Anwendbarkeit der Bestimmungen des BTVG auslöst, zur gänzlichen Lastenfreistellung der dem Erwerber gehörenden Liegenschaft bzw. seiner Miteigentumsanteile, und zwar zu nachstehenden Bedingungen:
• Die Lastenfreistellung erfolgt zu jenem Zeitpunkt, in dem der Erwerber den gesamten Preis mit Ausnahme eines noch nicht auszubezahlenden Haftrücklasses von 2 % des Preises entrichtet hat.
• Im Falle der endgültig unterbliebenen vollständigen Vertragserfüllung seitens des Bauträgers erfolgt die Lastenfreistellung auch gegen Bezahlung der bis dahin gemäß § 10 Abs. 2 BTVG fällig gewordenen Teile des Kaufpreises gemäß Ratenplan.
• Sämtliche darüber hinausgehenden Kaufpreisteil-Forderungen des Bauträgers gegen den Erwerber, insbesondere für tatsächlich erbrachte weitere Leistungen – abzüglich allfälliger Gegenforderungen des Erwerbers aus der nicht vollständigen Erfüllung des Bauträgervertrages –, sind hiermit zugunsten der (Bauträger finanzierende Bank) abgetreten. Die Zession erfolgt zahlungshalber zur Besicherung des dem Bauträger eingeräumten Kredites. Zahlungen derartiger Forderung sind mit schuldbefreiender Wirkung nur auf das Konto der (Bauträger finanzierende Bank) möglich.
Bei Erfüllung der eben genannten Bedingungen erfolgt die Lastenfreistellung jedenfalls und unabhängig davon, ob die (Bauträger finanzierende Bank) zu diesem Zeitpunkt noch offene Forderungen gegen den Bauträger, den Erwerber aufgrund vorstehender Zessionsvereinbarung oder andere Miteigentümer des gegenständlichen Bauvorhabens besitzt.“
[19] Die Klägerin hält die Klausel für unzulässig, weil laut Beilage ./H die Lastenfreistellung unterbleibe, wenn ein Erwerber von seinem Zurückbehaltungsrecht oder von einer Aufrechnungsmöglichkeit Gebrauch mache, ohne dass zugleich die Erfüllung endgültig unterbleibe. In der Berufungsbeantwortung argumentierte die Klägerin erstmals, dass sich die Unzulässigkeit der Klausel auch aus dem Zusammenhang mit der ebenfalls klagsgegenständlichen Klausel 7 ergebe. Nach dieser seien nur aufrechnungs- und bedingungsfreie Zahlungen schuldbefreiend, wodurch die Beklagte das Zurückbehaltungsrecht der Käufer vorab ausschließe. Der zweite Spiegelstrich von Beilage ./H sehe in kundenfeindlichster Auslegung außerdem vor, dass bereits einmal fällige Kaufpreisraten auch nach Wegfall ihrer Fälligkeit zu zahlen seien. Schließlich setze Klausel 4 nur eine unwiderrufliche Erklärung der Bank voraus, obwohl § 9 Abs 3 BTVG die Ratenfälligkeit an das Vorliegen einer grundbuchstauglichen Löschungsquittung knüpfe.
[20] Die Vorinstanzensahen in der Klausel einen Verstoß gegen § 6 Abs 1 Z 6 KSchG. Kaufvertragsbeilage ./H enthalte keine Einschränkung auf fällige Raten, sodass insgesamt ein Eingriff in das Zurückbehaltungsrecht der Verbraucher nach § 1052 ABGB vorliege. Die Beklagte müsse daher in kundenfeindlichster Auslegung die Lastenfreistellung selbst dann erst nach vollständiger Kaufpreiszahlung vornehmen, wennErwerber wegen Mängeln ein Zurückbehaltungsrecht am Kaufpreis hätten. Das Erstgerichtwies außerdem darauf hin, dass ein durchschnittlicher Erwerber in seinem Verständnis der Klausel 4 für die Ratenfälligkeit nur an den geforderten Baufortschritt denke, ohne mögliche Zurückbehaltungsrechte zu bedenken.
[21] Die Revision der Beklagten argumentiert, dass auch eine mangelhafte Leistung eine unvollständige Vertragserfüllung sei, sodass in diesem Anwendungsfall von § 1052 ABGB der zweite Spiegelstrich von Beilage ./H gelte.
[22] Die Revision ist zu Klausel 4 nicht berechtigt.
[23] 1.1. Die Formulierung der ersten beiden Spiegelstriche inKaufvertragsbeilage ./H entsprechen wörtlich der Muster-Lastenfreistellungsvereinbarung in der ÖNORM B 2120, die im Schrifttum allerdings als nicht § 9 Abs 3 BTVG entsprechend kritisiert wird (Prader in Schwimann/Kodek, ABGB4 [2015] § 9 BTVG Rz 9; Pittl, BTVG3 [2019] 115 f; Prader/Weber,Kritische Klauseln in der Bauträgervertragsnorm B 2120 und ihre Folgen, ImmoZak 2020, 38 [39]; Prader, WGG4.16 [1. 1. 2024] § 9 BTVG Anm 5; aA Gartner, Bauträgervertragsgesetz5 [2022] § 9 Rz 53).
[24] Jedoch ist zu beachten, dass das Unterlassungsbegehren der Klägerin gar nicht auf den Text derKaufvertragsbeilage ./H Bezug nimmt, sondern ausschließlich Klausel 4 untersagen will. Dazu kommt, dass nach den Feststellungen des Erstgerichts gar nicht klar ist, ob die Verbraucher zu dem verwendeten Vertragsformblatt zusätzliche Beilagen – wie insbesondere auch Kaufvertragsbeilage ./H – erhalten haben.
[25] Dem Klagebehren könnte deshalb nur dann stattgegeben werden, wenn sich die Unzulässigkeit von Klausel 4 bereits aus der laut Klagebegehren zu untersagenden Passage selbst ergibt (vgl 4 Ob 235/22w Rz 15).
[26] Bei dieser Prüfung können im Verbandsprozess in dritter Instanz auch rechtliche Argumente zur Unzulässigkeit einzelner Klauseln berücksichtigt werden, die im erstinstanzlichen Verfahren überhaupt nicht vorgetragen oder zwar vorgetragen wurden, denen das Erstgericht aber nicht gefolgt ist (vgl etwa 6 Ob 44/22x [Rz 19 mwN]; RS0127694 [T4]).
[27] 1.2. Der Bauträger hat den Erwerber gemäß § 7 Abs 1 iVm § 1 Abs 2 BTVG zwingend gegen den Verlust der von diesem aufgrund des Bauträgervertrags geleisteten Zahlungen mit Ausnahme seiner Zahlungen für Abgaben und Steuern sowie für die Kosten der Vertragserrichtung und-abwicklung zu sichern. Die Sicherung des Erwerbs kann entsprechend drei verschiedenen Modellen erfolgen: entweder durch schuldrechtliche Sicherung (§ 8), durch grundbücherliche Sicherstellung des Rechtserwerbs auf der zu bebauenden Liegenschaft in Verbindung mit der Zahlung nach Ratenplan (§§ 9 und 10) oder durch pfandrechtliche Sicherung (§ 11).
[28] Im vorliegenden Fall wählte die Beklagte die grundbücherliche Sicherstellung. Zwischen Hypothekargläubigern und der Beklagten muss deshalb gemäß § 9 Abs 3 BTVG zugunsten des Erwerbers vereinbart sein, dass die Liegenschaft oder der Anteil des Erwerbers freigestellt wird. Davon können nur jene Teile des Preises ausgenommen werden, die der Erwerber trotz Fälligkeit noch nicht entrichtet hat.
[29] 1.3. Klausel 4 enthält – zumindest in der kundenfeindlichsten Leseart – keine entsprechende Regelung. Durch die Aneinanderreihung des Hauptsatzes, des Relativsatzes: „wonach diese jene Miteigentumsanteile, mit denen Wohnungseigentum am Kaufgegenstand (Pkt 3.) für die (jeweilige) Käuferseite einverleibt wird, vom Pfandrecht lastenfrei stellt“ und des Konditionalsatzes: „sofern die Käuferseite ihren Kaufpreiszahlungsverpflichtungen hinsichtlich der fällig gewordenen Raten und ihren Besicherungspflichten nachgekommen ist“ ist nicht klar, ob sich der Konditionalsatz auf den Hauptsatz oder den Relativsatz bezieht. Dass der Erwerber alle fälligen Raten bezahlt hat, kann also gleichermaßen als Voraussetzung für die Lastenfreistellung durch den Hypothekargläubiger verstanden werden wie als Voraussetzung für die Einholung der Lastenfreistellungserklärung durch die Beklagte. In der zweiten, kundenfeindlichen Leseart wäre die Beklagte also erst nach Auszahlung der jeweils fälligen Rate (durch den Treuhänder) überhaupt verpflichtet, eine Lastenfreistellungserklärung des Hypothekargläubigers für den dieser Rate entsprechenden Anteil einzuholen („[…] die Verkäuferseite eine unwiderrufliche [Lastenfreistellungs-]Erklärung der Pfandgläubiger/in einholen wird [...], sofern die Käuferseite ihren Kaufpreiszahlungsverpflichtungen hinsichtlich der fällig gewordenen Raten und ihren Besicherungspflichten nachgekommen ist.“).
[30] Die Freistellungsvereinbarung muss jedoch schon vor der Weiterleitung der ersten Zahlung an den Bauträger bzw die Bank vorliegen (H. Böhm/Höllwerth in GeKo Wohnrecht III [2023] § 9 BTVG Rz 53 unter Verweis auf 5 Ob 193/10h; Würth in Rummel ABGB3 [2023] § 9 BTVG Rz 2).
[31] 1.4. An der Unzulässigkeit der Klausel kann auch der in der Revision erwähnte Punkt 5.5. des Bauträgervertrags nichts ändern, nach dem der Treuhänder vor Zahlung der ersten Kaufpreisrate die Lastenfreistellung durch Hinterlegung einer hinreichenden Löschungsquittung sicherzustellen hat. Punkt 5.5. bezieht sich nämlich nur auf eine konkret genannte, bereits bestehende Hypothek. Dagegen regelt Klausel 4 nur „(allfällig) noch einzuverleibender [sic] Pfandrechte (bzw Verpfändungsrangordnungen)“, also Lasten, die bei Abschluss des Bauträgervertrags noch nicht einverleibt sind. Auch diese künftigen Pfandrechte könnten aber einer Lastenfreistellung gegenüber den bei Abschluss des Bauträgervertrags noch nicht grundbücherlich eingetragenen Erwerbern bedürfen.
[32] 1.5. Die andere Leseart von Klausel 4 wäre, dass die von der Beklagten zu besorgende Erklärung des Hypothekargläubigers diesen nur insoweit zur Lastenfreistellung verpflichtet, soweit die Käuferseite ihren Kaufpreiszahlungsverpflichtungen hinsichtlich der fällig gewordenen Raten und ihren Besicherungspflichten nachgekommen ist.
[33] Jedoch ist auch eine Freistellungsverpflichtung unzureichend, die schon ihrem Wortlaut nach die nach Ratenplan noch nicht fälligen Beträge von der Freistellung ausnimmt (H. Böhm/Höllwerth in GeKo Wohnrecht III [2023] § 9 BTVG Rz 59).
2. Klausel 7 (Punkt 5.4. des Bauträgervertrags)
„Die Käuferseite hat mit schuldbefreiender Wirkung den Kaufpreis binnen 14 Tagen ab allseitiger Unterfertigung dieses Vertrages spesen-, abzugs-, aufrechnungs- und bedingungsfrei auf das für dieses Rechtsgeschäft eingerichtete Treuhandkonto des Treuhänders IBAN: *; BIC: *, lautend auf '*' zu überweisen und hat der Treuhänder – nach Erreichung der nachstehend bezeichneten Baufortschritte – die in nachstehender Tabelle ausgewiesenen Kaufpreisteile (Ratenplan B gemäß § 10 Abs 2 Z 2 BTVG) nach Maßgabe der weiteren Bestimmungen diese Vertrages an die Verkäuferseite weiterzuleiten.
Kaufpreis (gesamt): EUR _________
10 % bei Baubeginn aufgrund der rk. Baubewilligung EUR _________
30 % nach Fertigstellung des Rohbaus und des Daches EUR _________
20 % nach Fertigstellung der Rohinstallationen EUR _________
12 % nach Fertigstellung der Fassade, der Fenster und
deren Verglasung EUR _________
17 % nach Bezugsfertigstellung oder bei vereinbarter vorzeitiger
Übergabe des eigentlichen Vertragsgegenstandes EUR _________
9 % nach Fertigstellung der Gesamtanlage EUR _________
2 % nach Ablauf von drei Jahren ab Übergabe des eigentlichen
Vertragsgegenstandes EUR _________“
[34] Die Vorinstanzenuntersagten die Klausel. Durch die Formulierung „nach Maßgabe der weiteren Bestimmungen“ knüpfe sie die Weiterleitungspflicht des Treuhänders an die unzulässigen Klauseln 8 und 9, sodass auch sie selbst unzulässig sei.
[35] Die Revision der Beklagten bekämpft die Untersagung von Klausel 8 nicht und stellt die daraus abgeleitete Unzulässigkeit der Regelung zur Weiterleitungspflicht des Treuhänders nicht mehr in Frage. Jedoch wendet sie ein, dass die Klausel mit der Zahlung der Kaufpreisteilbeträge durch den Käufer einen zweiten, eigenständigen Regelungsbereich habe. Die Vorinstanzen seien zu Unrecht von einer Unteilbarkeit ausgegangen.
[36] Die Revision ist zu Klausel 7 nicht berechtigt.
[37] 2.1. Maßgeblich für die Qualifikation einer Klausel als eigenständig ist nicht die Gliederung des Klauselwerks; es können vielmehr auch zwei unabhängige Regelungen in einem Punkt oder sogar in einem Satz der AGB enthalten sein. Es kommt vielmehr darauf an, ob ein materiell eigenständiger Regelungsbereich vorliegt. Dies ist dann der Fall, wenn die Bestimmungen isoliert voneinander wahrgenommen werden können (RS0121187 [T1]). Dabei kommt auch der sprachlichen Unselbstständigkeit ein gewisses Gewicht zu (RS0121187 [T11]).
[38] Dem steht auch das Verbot der geltungserhaltenden Reduktion im Verbandsprozess nicht entgegen, weil damit die Aufgliederung einer (einzelnen) eigenständigen Klausel gemeint ist, die teils Verbotenes, teils Erlaubtes enthält (6 Ob 140/06s Pkt 1.1. der rechtlichen Beurteilung, wo eine isolierte Betrachtungsweise vorgenommen wurde = RS0038205 [T7]).
[39] 2.2. Grundsätzlich könnten eine Regelung über die Fälligkeit der Kaufpreiszahlung auf das Treuhandkonto einerseits und eine Regelung der Auszahlungsbedingungen für den Treuhänder andererseits zwei eigenständige Klauseln bilden, auch wenn sie in einem Satz erfolgen.
[40] Im vorliegenden Fall jedoch würde die Streichung der Auszahlungsbedingungen für den Treuhänder dazu führen, dass nur eine Pflicht des Käufers zur bedingungsfreien Zahlung des Kaufpreises auf das Treuhandkonto übrig bleibt – ohne Regelung, unter welchen Bedingungen der Treuhänder Auszahlungen vornehmen kann. Damit werden die Anforderungen des § 7 BTVG für die Sicherung des Erwerbers nicht erfüllt. Schon deshalb können die Textpassagen zur Zahlung der Kaufpreisteilbeträge durch den Käufer in Klausel 7 nicht als eigenständige Klausel Bestand haben.
3. Klausel 10 (Pkt 5.7. des Bauträgervertrags)
„Die Käuferseite nimmt zur Kenntnis, dass die vorstehenden Baufortschritte dem Ratenplan gemäß § 10 Abs 2 Z 2 BTVG (Ratenplan B) entsprechen, dass die einzelnen Baufortschritte aber nicht zwingend notwendig den chronologischen Ablauf der Bauleistungen darstellen und daher nicht obligat die Reihenfolge der Fälligkeit der Auszahlung spiegeln. Die Verkäuferseite ist berechtigt, die umschriebenen Baufortschritte in der zeitlichen Abfolge der Errichtung jeweils auszutauschen.“
[41] Die Vorinstanzen vertraten die Ansicht, dass § 10 BTVG eine bloße Änderung der Reihenfolge nicht grundsätzlich untersage. Klausel 10 gestatte jedoch auch eine Auszahlung der Haftrücklassrate nach lit g vor der Fertigstellung der Gesamtanlage nach lit f. Dies sei laut der Entscheidung 8 Ob 79/21g aber unzulässig, weil „der Rest“ erst nach Fälligkeit aller anderen Raten fällig werden könne (Rz 23). Außerdem könne die Beklagte laut Klausel 24 die Fälligkeit der Haftrücklassrate nach lit g jederzeit durch Stellung einer Garantie auslösen. Im Zusammenspiel von Klauseln 10 und 24 könnte die Beklagte sogar vor Baubeginn eine Haftrücklassgarantie beibringen und sofort 2 % des Kaufpreises inkassieren. Schließlich sei Klausel 10 so intransparent formuliert, dass für rechtsunkundige Erwerber unklar bleibe, ob der Austausch eines Bauabschnitts auch zur Neuzuordnung der diesem Abschnitt gesetzlich zugeordneten Rate führe.
[42] Die Revision der Beklagten betont, dass Klausel 10 den unveränderbaren Zusammenhang der Raten mit dem jeweiligen (die Ratenhöhe bestimmenden) Baufortschritt nicht in Frage stelle. Würden Baufortschritte in einer Reihenfolge vollendet, die nicht der Reihenfolge der Aufzählung in § 10 Abs 2 BTVG entspreche, werde die beim jeweiligen Leistungszuwachs genannte Rate früher fällig, nicht aber eine andere Rate. Da das konkrete Bauvorhaben der Beklagten schon begonnen worden sei, sei die von den Vorinstanzen befürchtete Fälligkeit der Rate nach lit g vor Baubeginn ausgeschlossen. Jedochhänge die Fälligkeit dieser Rate schon nach dem Gesetzestext nur von der Übergabe des eigentlichen Vertragsgegenstands ab, sodass es sich keineswegs um die letzte Rate handeln müsse, weil die Fälligkeit anderer Raten von Elementen der Gesamtanlage abhänge.
[43] Die Revision ist zu Klausel 10 nicht berechtigt.
[44] 3.1. Zweck der „Ratenplanmethode“ iSd § 10 BTVG ist es, eine Entsprechung zwischen den Zahlungen des Erwerbers und der Erhöhung des Werts der Liegenschaft bzw seines Liegenschaftsanteils durch die zwischenzeitig erbrachten Bauleistungen zu gewährleisten (RS0119703 [T3]). Die in § 10 Abs 2 BTVG definierten Ratenpläne sind deshalb nicht etwa als unverbindliche Vorschläge des Gesetzgebers zu verstehen, sondern zwingend, sodass die gesetzlich definierten Prozentwerte vertraglich nicht höher zugunsten des Bauträgers vereinbart werden können. Mit der Schaffung des BTVG wurde nämlich ein jedenfalls für Verbraucher zwingender Mindeststandard für die Gestaltung des Bauträgervertrags festgelegt (6 Ob 173/18m [Pkt 2.5.] = RS0119703 [T7]).
[45] Aus diesem Grund wäre es jedenfalls unzulässig, wenn die Beklagte sich durch ihre Vertragsformblätter das Recht vorbehielte, einem Baufortschritt einen höheren als den in § 10 Abs 2 BTVG genannten Prozentsatz zuzuordnen. Sie dürfte sich also nicht etwa für die Fertigstellung von Fassade und Fenstern 20 % (statt 12 %) des Kaufpreises auszahlen lassen, weil diese statt der in lit c genannten Fertigstellung der Rohinstallationen als dritter Meilenstein des Bauvorhabens erreicht wurde. Dadurch würde nämlich die vom Gesetzgeber vorgenommene Einschätzung des Wertzuwachses durch den jeweiligen Baufortschritt unterlaufen.
[46] Eine solche Befugnis für die Beklagte ist Klausel 10 aber bei kundenfeindlichster Leseart zu entnehmen.
[47] 3.2. § 10 Abs 2 Z 1 und Z 2 lit a BTVG knüpfen die Fälligkeit der ersten vom Erwerber zu erbringenden Zahlung an zwei Voraussetzungen: Zum einen muss eine rechtskräftige Baubewilligung vorliegen, zum anderen muss im Zeitpunkt der Weiterleitung der ersten Rate an den Bauträger bereits mit dem Bau begonnen worden sein.
[48] Gemäß Abs 3 legt cit ist eine Vereinbarung der Fälligkeit der ersten Rate vor Baubeginn (Abs 2 Z 1 lit a und Z 2 lit a) nur ausnahmsweise unter der Voraussetzung zulässig, dass aufgrund des hohen Wertes der zu bebauenden Liegenschaft die grundbücherliche Sicherstellung des Erwerbers bereits eine ausreichende Sicherheit bietet.
[49] Der Wortlaut von Abs 3 stellt damit klar, dass die Rate nach lit a zwingend die erste Rate sein muss (so auch H. Böhm/Höllwerth in GeKo Wohnrecht III [2023] § 10 BTVG Rz 7 unter Verweis auf ErläutRV 312 BlgNR 20. GP 22 [10], die insofern eindeutig von der „ersten“ Teilzahlung sprechen; M. Kathrein, Die Reihenfolge der Entrichtung von Raten beim Ratenplan iSd § 10 Abs 2 BTVG, ImmoZak 2022, 10; Gartner, Bauträgervertragsgesetz5 [2022] § 10 Rz 3 ff). Dies entspricht auch der Zielsetzung des Modells grundbücherlicher Sicherstellung, weil Baufortschritte nur dann einen Wertzuwachs für den grundbücherlich gesicherten Erwerber bewirken, wenn das Bauwerk nicht Gefahr läuft, aufgrund fehlender öffentlich-rechtlicher Genehmigung oder gar fehlender öffentlich-rechtlicher Genehmigungsfähigkeit wieder abgetragen werden zu müssen.
[50] Klausel 10 dagegen sieht eine beliebige Reihenfolge der Raten vor, sodass – zumindest nach kundenfeindlichster Leseart – die Raten nach lit b bis g, somit 85 % des Kaufpreises fällig werden könnten, bevor überhaupt eine rechtskräftige Baubewilligung vorliegt.
[51] 3.3. Ob der Gesetzgeber darüber hinaus eine verbindliche chronologische Reihenfolge aller oder zumindest einiger weiterer der in § 10 Abs 2 Z 1 bzw Z 2 lit a bis g BTVG genannten Bauabschnitte und dazugehörigen Ratenzahlungen vorgegeben hat, wird im Schrifttum unterschiedlich gesehen (zB für die Austauschbarkeit der Bauabschnitte lit b bis d und allenfalls g: M. Kathrein, Die Reihenfolge der Entrichtung von Raten beim Ratenplan iSd § 10 Abs 2 BTVG, ImmoZak 2022, 10; für die Austauschbarkeit nur der Raten nach lit b, c und d: H. Böhm/Höllwerth in GeKo Wohnrecht III [2023] § 10 BTVG Rz 7), kann hier aber dahinstehen.
4. Klausel 11 (Pkt 5.9. des Bauträgervertrags)
„Die auf dem Treuhand‑Anderkonto anreifenden Zinsen, soweit sie über die Kontoführungsspesen hinausgehen, gebühren zur Gänze der Verkäuferseite, auf deren Kosten und Rechnung das Treuhandkonto geführt wird.“
[52] Die Vorinstanzenuntersagten die Klausel 11 unter Bezugnahme auf § 879 Abs 1 und 3 ABGB sowie § 6 Abs 3 KSchG. Zwar sei entgegen der Ansicht Praders nicht jede Vereinbarung, die vor Fälligkeit der Rate entstehende Zinserträge des Treuhandkontos dem vorleistungspflichtigen Bauträger zuordne, sittenwidrig iSd § 879 Abs 3 ABGB (Schwimann/Kodek, ABGB4 [2015] § 9 BTVG Rz 17). Jedoch enthalte Klausel 11 keine klare Regelung, wann und unter welchen Voraussetzungen die Zinsen der Beklagten gebühren würden. Damit könne die Beklagte jederzeit und sogar vor Fälligkeit der jeweiligen Rate oder im Insolvenzfall die Auszahlung der Zinserträge fordern. Dies widerspreche §§ 7, 9 und 10 BTVG, sodass die Klausel als gesetzwidrig nach § 879 Abs 1 und 3 ABGB unzulässig sei.
[53] Die Revision der Beklagten argumentiert, dass zwischen der Zahlung des Erwerbers an den Treuhänder und der Weiterleitung des Treuhänders an den Bauträger zu unterscheiden sei. Diese könnten jeweils unterschiedliche Fälligkeitszeitpunkte aufweisen, wobei das BTVG in diesem Punkt die privatautonome Vereinbarung nicht einschränke. Immerhin dürfe der Bauträger beim schuldrechtlichen Sicherungsmodell nach § 8 BTVG den Kaufpreis sogleich inkassieren und damit auch allfällige Habenzinsen behalten. Auch in diesem Fall müsse der Erwerber die Zinsen mit seinen sonstigen berechtigten Rückzahlungsforderungen erst nachträglich geltend machen.
[54] 4. Klausel 11 enthält – wie bereits die Vorinstanzen richtig aufzeigten – keine Einschränkungen, unter welchen Voraussetzungen und zu welchem Zeitpunkt der Beklagten die Zinsen „gebühren“.
[55] Entgegen der Ansicht der Beklagten ist damit – zumindest bei kundenfeindlichster Auslegung – eine Rückforderung der Zinsen durch den Erwerber auch dann ausgeschlossen, wenn die Beklagte nie Anspruch auf Auszahlung des auf dem Treuhandkonto erliegenden Kapitals hätte. Sie könnte die Zinsen also auch dann behalten, wenn die auf dem Treuhandkonto erliegende Rate wegen endgültigen Scheiterns des Bauvorhabens nie fällig werden wird oder das Kapital dem Erwerber etwa wegen irrtümlicher Mehrleistung zurückzuerstatten ist.
[56] Für diese Abweichung von der dispositiven Rechtslage ist eine sachliche Rechtfertigung nicht erkennbar und wird auch in der Revision nicht behauptet.
[57] Klausel 11 verstößt daher gegen § 879 Abs 3 ABGB.
5. Klausel 12 (Pkt 5.12. des Bauträgervertrags)
„Bei einer Veränderung der 'Fläche des Kaufgegenstandes' von mehr als +/- 3 % (drei Prozent) vom Rohbaumaß kann von beiden Vertragsteilen die Anpassung der Höhe der Herstellungskosten verlangt werden, nicht jedoch für den Preis des Grundanteils. Die 'Fläche des Kaufgegenstandes' im Sinne dieser Bestimmung ergibt sich aus der Nutzfläche nach WEG zuzüglich 5 % der Fläche eines allfälligen Gartenanteils, 10 % einer allfälligen befestigten Fläche im Erdgeschoss, 20 % eines allfälligen Balkones oder hochgelegen Terrasse, 30 % eines allfälligen Kellers.“
[58] Die Vorinstanzen untersagten die Klausel wegen Verstoßes gegen § 879 Abs 3 ABGB, § 6 Abs 2 Z 3 und Abs 3 KSchG. Sie räume der Beklagten ein einseitiges Leistungsänderungsrecht ohne qualitative oder quantitative Beschränkung ein, was für die Erwerber auch zu einer Erhöhung des Kaufpreises führen könnte. Außerdem seien die genannten Kalkulationsgrundlagen („allfällige befestigte Flächen im Erdgeschoß“) nicht verständlich. Es sei auch nicht Aufgabe des Verbrauchers zu ermitteln, ob und in welcher Hinsicht die Beklagte bei der Bauführung überhaupt von den der Baubewilligung zugrunde liegenden Einreichplänen abweichen dürfte.
[59] DieRevision der Beklagtenwiederholt die Argumente aus der Berufung, dass sie laut Bauträgervertrag ohnedies nicht von der Baubewilligung abweichen dürfe. Deshalb beziehe sich die Klausel nur auf unumgängliche Toleranzen. Die Termini zu den Kalkulationsgrundlagen würden dem verwaltungsrechtlichen Baurecht entsprechen.
[60] Die Revision ist zu Klausel 12 nicht berechtigt.
[61] 5.1. Wie bereits das Berufungsgericht richtig aufgezeigt hat, ist auf Entgeltanpassungsklauseln in Bauträgerverträgen sowohl § 6 Abs 1 Z 5 KSchG als auch § 4 Abs 3 BTVG anzuwenden. Beide Normen haben eine vergleichbare Zielsetzung, nämlich die Preisgestaltung zum Schutz des Erwerbers vor der Willkür seines Vertragspartners offenzulegen. Der Unternehmer hat zumindest darzutun, nach welchen Kriterien er im Fall eines Preisvorbehalts den späteren Preis bestimmen will (7 Ob 93/15z [Pkt B.2.], wobei dort der behauptete Verstoß gegen § 6 Abs 1 Z 5 KSchG nicht mehr geprüft werden musste; auch 4 Ob 56/03v [fünfter Abs der reBeurt]; 1 Ob 101/03i).
[62] § 6 Abs 2 Z 3 KSchG will verhindern, dass sich der Unternehmer das Recht auf weitgehende, den Interessen des Verbrauchers widersprechende, einseitige Leistungsänderungen vorbehält. Umfassende und vage Änderungsklauseln indizieren daher Unzumutbarkeit der Leistungsänderung. Die Vorbehalte müssen, damit sie rechtswirksam bleiben, möglichst genau umschrieben und konkretisiert sein (RS0111807). Der Unzumutbarkeit einer Änderungsklausel iSd § 6 Abs 2 Z 3 KSchG kann nicht dadurch abgeholfen werden, dass die Preisanpassungskriterien für eine umfassende und vage Änderung in Einklang mit § 6 Abs 1 Z 5 KSchG festgelegt werden.
[63] Die hier zu prüfende Klausel 12 enthält entgegen der Argumentation der Beklagten keine Einschränkung auf unvermeidbare Toleranzen. Dass die Regelung nur bei Abweichungen von mehr als 3 % greift, spricht – wie die Vorinstanzen richtig erkannten – ganz im Gegenteil für ein weitreichendes Leistungsänderungsrecht.
[64] 5.2. Auch diein der Revision erwähnten Vorgaben durch dieBaubewilligung schließen die zivilrechtliche Vereinbarung eines Leistungsänderungsrechts nicht aus, zumal öffentlich-rechtliche Mechanismen bestehen, nachträgliche Anpassungen der Baubewilligung vorzunehmen. So können abweichende Bauausführungen gemäß § 45 Abs 4 TirBauO entweder gleich in der Benützungsbewilligung oder durch eine nachträgliche Baubewilligung für die Änderung des Gebäudes genehmigt werden.
6. Klausel 16 (Pkt 9.3. des Bauträgervertrags)
„Als spätester Termin der Übergabe des Kaufgegenstandes nach § 4 Abs 1 Z 5 BTVG wird vorbehaltlich der Auswirkungen durch Krieg, Katastrophen und höhere Gewalt zum 31.12.2022, 23:59 Uhr vereinbart.“
[65] Die Vorinstanzen verboten die Klausel wegen eines Verstoßes gegen § 879 Abs 1 ABGB, § 6 Abs 3 KSchG und § 4 Abs 1 Z 5 BTVG. Die Klausel sei so formuliert, dass die Leistung der Beklagten bei Auswirkungen durch Krieg, Katastrophen und höhere Gewalt unabhängig von Dauer und Intensität überhaupt nicht mehr fällig werde. Jedoch sei der späteste Übergabezeitpunkt gemäß § 4 Abs 1 Z 5 BTVG zwingender Vertragsbestandteil; Verzugsfolgen für den Bauträger dürften nach Abs 2 ausschließlich im Sonderfall einer abwendbaren langen Dauer des baubehördlichen Verfahrens abbedungen werden. Außerdem verschiebe die Klausel die Beweislast für Bauzeitverzögerungen in Fällen höherer Gewalt auf den Erwerber.
[66] Die Revision der Beklagtenmoniert, dass Klausel 16 den Übergabetermin im Umfang der Auswirkungen eines Ereignisses höherer Gewalt unmissverständlich nur im notwendigen Umfang verändere.
[67] Die Revision ist zu Klausel 16 nicht berechtigt.
[68] 6.1. Entgegen der Rechtsansicht der Beklagten enthält Klausel 16 keine Einschränkung, dass sich der Übergabetermin nur im notwendigen Umfang verändern soll. Vielmehr folgt – zumindest in kundenfeindlichster Leseart – nur, dass im Fall von Auswirkungen durch Krieg, Katastrophen und höhere Gewalt der angeführte Übergabetermin nicht gilt. Der Verbraucher hat damit zumindest ein unklares Bild von seinen Rechten in diesem Fall. Bei kundenfeindlichster Leseart ist überhaupt von einem Entfall des Leistungstermins auszugehen.
[69] Dies verstößt gegen § 879 Abs 1 ABGB iVm § 4 Abs 1 Z 5 BTVG und gegen § 879 Abs 3 ABGB.
[70] 6.2. Dazu kommt, dass weder ein Mindestmaß der Auswirkung noch ihre Behebbarkeit eine Rolle spielen. Damit könnte jede noch so geringe Abweichung von den Annahmen der Beklagten bei der Planung des Bauvorhabens als Auswirkung iSd Klausel 16 angesehen werden, etwa geringfügige Preisanstiege wegen eines Krieges in einem Herstellungsland irgendeines Baustoffs oder die Verletzung eines Bauarbeiters bei einer Naturkatastrophe auf einer Urlaubsreise.
[71] Für den Verbraucher ist nicht klar, ob die Beklagte auch in diesen Fällen berechtigt wäre, einfach das (möglicherweise nie eintretende) Ende dieser Auswirkungen abzuwarten, bevor sie das Bauvorhaben zu übergeben hat. Dies widerspricht dem Transparenzgebot von § 6 Abs 3 KSchG.
7. Klausel 24 (Pkt 11.5. des Bauträgervertrags)
„Die Verkäuferseite ist berechtigt, die letzte Kaufpreisrate in Höhe von 2 % durch eine abstrakte Zahlungsgarantie zu Gunsten der Käuferseite jederzeit abzulösen. Diese Garantie berechtigt die Käuferseite, anstelle der Kaufpreisrate die Garantiesumme zur Befriedigung der Gewährleistungs- und/oder Schadenersatzansprüche von der Bank abzurufen und entsprechend zu verwenden. Die Käuferseite darf von dieser Garantie Gebrauch machen, sofern den Gewährleistungs- und/oder Schadenersatzverpflichtungen seitens der Verkäuferseite trotz schriftlicher Aufforderung der Käuferseite unter angemessener Fristsetzung von zumindest 30 Tagen nicht behoben wird. Die Inanspruchnahme der Garantie ist mit jenem Betrag begrenzt, der zur Befriedigung der gerechtfertigten Gewährleistungs- und Schadenersatz‑ansprüche der Käuferseite notwendig ist. Sollte die Käuferseite die Garantie in einem seine Gewährleistungs- bzw Schadenersatzansprüche übersteigenden Ausmaß in Anspruch nehmen, ist die Käuferseite zur Rückzahlung des übersteigenden Betrages an die Verkäuferseite Zug um Zug gegen Ausstellung einer dieser Höhe entsprechenden weiteren abstrakten Zahlungsgarantie verpflichtet. Die Kosten dieser weiteren Zahlungsgarantie hat die Käuferseite zu tragen.“
[72] DasErstgericht sah Verstöße gegen § 6 Abs 1 Z 6 und Abs 3 KSchG sowie §§ 7 Abs 4 und 10 Abs 2 Z 2 lit g BTVG. Die Beklagte könne mangels zeitlicher Einschränkung die Auszahlung der 2%igen Haftrücklassrate jederzeit, also auch vor Beginn der Bautätigkeit erreichen, wenn sie nur eine Garantie anbiete. Außerdem seien Beschränkungen der Haftrücklassgarantie auf „den für die Mängelbehebung notwendigen Betrag“ oä nach höchstgerichtlicher Rechtsprechung unwirksam.
[73] Das Berufungsgericht ergänzte, dass eine geltungserhaltende Reduktion auf die ersten beiden Sätze im Verbandsprozess nicht stattzufinden habe. Die vom Erstgericht attestierte Unzulässigkeit der gesamten Klausel werde in der Berufung nicht in Frage gestellt.
[74] Die Revision der Beklagten argumentiert, dass die Klausel teilbar sei, weil sie drei völlig von einander unabhängige Regelungsinhalte aufweise (erster Satz, zweiter Satz, Rest). Die Gerichte dürften der Beklagten auch nicht die ihr gesetzlich vorgesehene Möglichkeit der Ablöse der letzten Rate durch eine Zahlungsgarantie nehmen.
[75] Die Revision ist zu Klausel 24 nicht berechtigt.
[76] 7.1. Die Revision enthält kein Argument, wieso die angeblich selbständigen Teile der Klausel zulässig seien. Insbesondere tritt sie der Beurteilung nicht entgegen, dass ein Recht auf „jederzeitige“ Auszahlung laut Satz 1 unzulässig sei.
[77] Darüber hinaus könnte Satz 2 schon deshalb nicht selbständig bestehen, weil die Verwendung des Demonstrativpronomens „diese“ einen vorhergehenden Passus erfordert, auf den verwiesen werden kann. Andernfalls bleibt unklar, von welcher Garantie überhaupt die Rede ist.
[78] 7.2. Ob der Beklagten wegen der Verwendung missbräuchlicher Klauseln ihren einzelnen Vertragspartnern gegenüber auch die Berufung auf § 4 Abs 4 BTVG als dispositives Recht versagt ist (vgl EuGH C‑625/21 , Gupfinger; vgl auch Prader/Pittl, Gesetzwidrige Fälligkeitsvereinbarungen beim grundbücherlichen Sicherungsmodell und ihre Folgen, Zak 2022/720), ist nicht Gegenstand dieses Verbandsprozesses.
III. Zum Urteilsveröffentlichungsbegehren
[79] 1. Das Erstgerichtsprach die von der Klägerin begehrte Urteilsveröffentlichung in einer Samstagsausgabe der Kronen Zeitung zu.
[80] Das Berufungsgericht hielt eine Veröffentlichung in der Tiroler Tageszeitung für ausreichend.
[81] 2. Die Beklagte argumentiert in ihrer Revision, dass sie bereits alle Objekte verkauft habe und keine Verträge mit den beanstandeten Klauseln mehr abschließen werde. Ihre Vertragsformblätter seien niemandem außer den Erwerbern der fünf Objekte bekannt geworden, sodass eine Aufklärung der Verkehrskreise hier nicht erforderlich sei. Außerdem würden sich Interessenten für Immobilien nicht über Tageszeitungen, sondern primär über Online‑Medien informieren, was weit geringere Kosten für die Beklagte nach sich ziehe. Selbst eine Beilage zur Printausgabe würde nur ein Zehntel der Kosten der angeordneten Veröffentlichung verursachen.
[82] 3. Die Beklagte bekämpfte das Urteilsveröffentlichungsbegehren in erster Instanz nur mit der Behauptung, dass sie das sechste Objekt nicht verkaufen wolle und keine weiteren Bauvorhaben plane. Deshalb bestehe keine Wiederholungsgefahr.
[83] Das erstmals in der Revision erstattete Tatsachenvorbringen, dass niemand außer den Erwerbern ihre Vertragsbedingungen kenne, dass Immobilienkäufer nicht über Printmedien erreichbar seien, sowie zu den Kosten einer Beilage im Vergleich zu einer Veröffentlichung im redaktionellen Teil der Tiroler Tageszeitung, verstößt gegen das Neuerungsverbot. Eine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung der Vorinstanzen zum Umfang des Urteilsveröffentlichungsbegehrens kann so nicht aufgezeigt werden.
[84] 4. Die Revision ist daher auch zum Veröffentlichungsbegehren nicht berechtigt.
IV. Kostenentscheidung
[85] Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.
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