OGH 4Ob235/22w

OGH4Ob235/22w25.4.2023

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Univ.‑Prof. Dr. Kodek sowie die Hofräte Dr. Schwarzenbacher und MMag. Matzka sowie die Hofrätinnen Mag. Istjan, LL.M., und Mag. Fitz als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Bundeskammer für Arbeiter und Angestellte, Prinz-Eugen-Straße 20–22, 1041 Wien, vertreten durch Dr. Walter Reichholf, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei *gesellschaft m.b.H., *, vertreten durch die Bartlmä Madl Rechtsanwälte OG in Wien, wegen Unterlassung (30.500 EUR) und Urteilsveröffentlichung (4.400 EUR) über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 27. September 2022, GZ 33 R 49/22a‑19, mit dem das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 21. März 2022, GZ 11 Cg 84/21x‑14, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung, zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0040OB00235.22W.0425.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiete: Klauselentscheidungen, Konsumentenschutz und Produkthaftung

Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)

 

Spruch:

 

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 2.197,80 EUR (darin enthalten 366,30 EUR USt) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

[1] Die Beklagte ist ein in Wien tätiges Immobilienentwicklungs- und Bauträgerunternehmen. Sie verwendet im geschäftlichen Verkehr zum Verkaufvon Wohnungen an Verbraucher Allgemeine Geschäftsbedingungen/Vertragsformblätter, die unter anderem folgende Passage enthalten:

„Die Wohnhausanlage wird an das Fernwärmenetz der [hier nur namentlich genannten Primärenergieversorgerin] angeschlossen und erfolgt die Heizung und Warmwasseraufbereitung über die Wärme- und Wasserversorgungsanlagen der Wohnhausanlage. Für diese Wärmelieferung, für die Wartung, Instandhaltung und Instandsetzung der Wärme- und Wasserversorgungsanlagen, aber auch für die Verrechnung der gelieferten Wärme und des Kaltwasserverbrauchs der vertragsgegenständlichen Wohnhausanlage wurde von der Verkäuferin mit [einer hier nur namentlich angeführten Gesellschaft, die nach den Feststellungen dem Konzernverbund der Beklagten angehört, im Folgenden: Konzerngesellschaft] am * der dem Käufer in Kopie übergebene 'Grundsatzwerkvertrag über die Errichtung, den Betrieb, die Wartung einer Wärme- und Wasserversorgungsanlage sowie die Lieferung und Abrechnung von Wärme und Wasser aus dieser Anlage' abgeschlossen.Die Festlegung und Verrechenbarkeit einzelner Kostenkomponenten, deren Zuordnung, Trennung, Aufteilung, Tragung durch die einzelnen Wohnungseigentümer und Abrechnung wird gemäß den Bestimmungen des vorgenannten Grundsatzwerkvertrags samt den dem Käufer bekannten Bestimmungen des im Muster übergebenen 'Einzelwärmeliefervertrages' vereinbart. Der Käufer verpflichtet sich, einen entsprechenden 'Einzelwärmeliefervertrag' mit diesem bestellten Unternehmen abzuschließen, sodass die Abrechnung und Verrechnung der Kosten dieser Wärme- und Wasserversorgung zukünftig gemäß den Bestimmungen dieser Verträge direkt zwischen der [Konzerngesellschaft] und dem Käufer bzw. künftigen Wohnungseigentümer erfolgt. Wie im vorgenannten Grundsatzwerkvertrag vereinbart, wird ausdrücklich festgehalten, dass die Wohnungseigentümergemeinschaft die Wärme- und Wasserversorgungsanlagen der Wohnhausanlage kostenlos zur Verfügung stellt (Punkt VI. [7]).“

[2] Die Klägerin begehrte aufgrund ihrer Befugnis gemäß § 29 Abs 1 KSchG, der Beklagten zu verbieten, diese oder sinngleiche Klauseln im geschäftlichen Verkehr mit Verbrauchern zu verwenden und sich auf diese zu berufen; sowie Urteilsveröffentlichung.

[3] Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) stünden im Einklang mit dem Gesetz.

[4] Die Vorinstanzen gaben der Klage statt. Es liege eine einheitliche Regelung vor, weil die einzelnen Passagen aufeinander Bezug nähmen und isoliert unverständlich bleiben würden. Die Klausel sei gröblich benachteiligend iSd § 879 Abs 3 ABGB, weil sie künftige Wohnungseigentümer im Vergleich zur Regelung des § 38 Abs 1 WEG unbillig in ihren Nutzungs- und Verfügungsrechten beschränke. Diese könnten die Einzelwärmelieferungsverträge laut Grundsatzwerkvertrag nämlich nur kündigen, wenn die Eigentümergemeinschaft auch diesen auflöse. Die Klausel sei darüber hinaus intransparent iSd § 6 KSchG, weil dem Leser nicht klar werde, dass der Grundsatzwerkvertrag zwischen der Beklagten und der Konzerngesellschaft von der Eigentümergemeinschaft übernommen werden solle. Die Urteilsveröffentlichung im gesamten Bundesgebiet sei erforderlich, weil Wohnungen in Wien auch von Personen gekauft würden, die (noch) nicht in Wien leben würden.

[5] Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision zu.

[6] Mit ihrer Revision will die Beklagte die Klagsabweisung erreichen. Die Klägerin beantragt ihre Zurück- oder Abweisung.

Rechtliche Beurteilung

[7] Die Revision ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig, aber nicht berechtigt.

[8] 1. Im Verbandsprozess erfolgt die Prüfung von AGB und Formblättern anhand der folgenden Grundsätze der ständigen Rechtsprechung:

[9] 1.1. Nach § 879 Abs 3 ABGB ist eine in AGB oder Vertragsformblättern enthaltene Vertragsbestimmung, die nicht eine der beiderseitigen Hauptleistungen festlegt, nichtig, wenn sie unter Berücksichtigung aller Umstände des Falls einen Teil gröblich benachteiligt. Die Beurteilung, ob eine Klausel den Vertragspartner gröblich benachteiligt, orientiert sich am dispositiven Recht, das als Leitbild eines ausgewogenen und gerechten Interessenausgleichs für den Durchschnittsfall dient (RS0014676). Bei der Abweichung einer Klausel von dispositiven Rechtsvorschriften liegt gröbliche Benachteiligung eines Vertragspartners schon dann vor, wenn sie unangemessen ist (RS0016914; vgl auch RS0014676). Maßgeblich ist, ob es für die Abweichung eine sachliche Rechtfertigung gibt (vgl RS0016914 [T2, T3]). Eine gröbliche Benachteiligung ist jedenfalls stets dann anzunehmen, wenn die dem Vertragspartner zugedachte Rechtsposition in auffallendem Missverhältnis zur vergleichbaren Rechtsposition des anderen steht (RS0014676 [insb T21]; RS0016914 [T4]).

[10] 1.2. Nach § 6 Abs 3 KSchG ist eine in AGB oder Vertragsformblättern enthaltene Vertragsbestimmung unwirksam, wenn sie unklar oder unverständlich abgefasst ist. Das Transparenzgebot soll es dem Kunden ermöglichen, sich aus den AGB oder Vertragsbestandteilen zuverlässig über seine Rechte und Pflichten bei der Vertragsabwicklung zu informieren (RS0115217 [T41]). Das setzt die Verwendung von Begriffen voraus, deren Bedeutung dem typischen Verbraucher geläufig sind oder von ihm jedenfalls festgestellt werden können. Das können naturgemäß auch Fachbegriffe sein, nicht aber Begriffe, die so unbestimmt sind, dass sich ihr Inhalt jeder eindeutigen Festlegung entzieht. Der durch ihre Verwendung geschaffene weite Beurteilungsspielraum schließt es aus, dass der Verbraucher Klarheit über seine Rechte und Pflichten gewinnen kann (RS0115217 [T3]). Das Transparenzgebot begnügt sich nicht mit formeller Textverständlichkeit, sondern verlangt, dass Inhalt und Tragweite vorgefasster Vertragsklauseln für den Verbraucher „durchschaubar“ sind (RS0122169 [T2]). Mit dem Verbandsprozess soll nicht nur das Verbot von gesetzwidrigen Klauseln erreicht, sondern es sollen auch jene Klauseln beseitigt werden, die den Verbraucher – durch ein unzutreffendes oder auch nur unklares Bild seiner vertraglichen Position – von der Durchsetzung seiner Rechte abhalten können oder ihm unberechtigt Pflichten auferlegen. Daraus kann eine Pflicht zur Vollständigkeit folgen, wenn die Auswirkungen einer Klausel für den Kunden andernfalls unklar bleiben (RS0115219 [T1, T14, T21]; RS0115217 [T8]; RS0121951 [T4]).

[11] 1.3. Im Verbandsprozess nach § 28 KSchG hat die Auslegung der Klauseln im kundenfeindlichsten Sinn zu erfolgen; es ist von der für die Kunden der Beklagten nachteiligsten Auslegungsvariante auszugehen. Auf eine etwaige teilweise Zulässigkeit der beanstandeten Klausel kann nicht Rücksicht genommen werden, weil eine geltungserhaltende Reduktion nicht möglich ist (RS0038205 [insb T20]; 4 Ob 59/22p mwN).

[12] 2. Die Beklagte kritisiert in ihrer Revision, dass die Vorinstanzen die Unzulässigkeit der hier strittigen Klausel aus Verträgen Dritter abgeleitet hätten, etwa den Regeln der Konzerngesellschaft zur Kündigung des Gesamtwerkvertrags. Diese Texte seien der Beklagten aber nicht zuzurechnen. Sollten diese Passagen im Prozess gegen die Beklagte überhaupt von Relevanz sein, dürften sie zumindest nicht in der ungünstigsten Variante ausgelegt werden.

[13] 2.1. Grundsätzlich ist Verwender der AGB iSd § 28 Abs 1 KSchG (nur) derjenige, der Partei des Vertrags ist. Ist die Beklagte in einem Verbandsprozess jedoch maßgeblich in die Gestion von Verträgen zwischen verbundenen Unternehmen und Verbrauchern eingebunden, so ist nach der Rechtsprechung auch die Beklagte als Verwenderin von deren AGB iSd § 28 KSchG anzusehen und damit für die Erhebung einer Unterlassungsklage passivlegitimiert. Der Umstand, dass die AGB des verbundenen Unternehmens ebenfalls Gegenstand einer (gesonderten) Klage nach § 28 KSchG sein können, vermag daran nichts zu ändern (vgl RS0124305). So sah der Oberste Gerichtshof etwa ein Unternehmen als Verwender der AGB seiner Tochtergesellschaften an, weil ihm deren Verträge mit Verbrauchern die Rechte und Pflichten eines Leasinggebers – und damit eines Vertragspartners der Leasingnehmer – einräumten (8 Ob 110/08x).

[14] Koppelt die Beklagte ihre eigene Leistung an den Bezug von Leistungen Dritter und setzt für einen Vertragsabschluss mit ihr den Abschluss eines oder – wie hier – gar mehrerer wortwörtlich vorgegebener Verträge mit Dritten voraus, so ist die Beklagte auch Verwenderin der für diese Verträge mit den Dritten formulierten Vertragsformblätter oder AGB. Dies gilt umso mehr, als die Beklagte die Wohnungskäufer hier nicht nur verpflichtet, entsprechende Einzelwärmelieferverträge mit der Konzerngesellschaft abzuschließen, sondern auch noch ausdrücklich vorschreibt, dass die Abrechnung auch „zukünftig gemäß den Bestimmungen dieser Verträge zu erfolgen hat“ und damit – zumindest in der verbraucherfeindlichsten Auslegung – eine Neuverhandlung der Konditionen oder gar einen Wechsel des Energieabgebers verbietet.

[15] 2.2. Jedoch ist im vorliegenden Fall zu beachten, dass das Unterlassungsbegehren der Klägerin nicht auf Passagen aus dem Grundsatzwerkvertrag oder dem Einzelwärmeliefervertrag mit der Konzerngesellschaft Bezug nimmt. Dem Klagebehren in der vorliegenden Form kann deshalb nur dann zur Gänze stattgegeben werden, wenn sich die Intransparenz oder Sittenwidrigkeit bereits aus der zu untersagenden Passage selbst ergibt.

[16] Die Vorinstanzen begründeten ihre Entscheidung zwar unter anderem mit Elementen aus dem Grundsatzwerkvertrag, hielten die bekämpfte Klausel aber auch für sich genommen für intransparent und daher unwirksam. Auch im Folgenden wird unter Ausklammerung des Grundsatzwerkvertrags und Berücksichtigung der weiteren Argumente der Revision zu prüfen sein, ob die beanstandete Passage der Wohnungskaufverträge intransparent und/oder sittenwidrig ist.

[17] 3. Die Beklagte hält die angegriffene Textstelle weder für gröblich benachteiligend noch intransparent.

[18] 3.1. Nach ihrer Ansicht ist es unvermeidbar, dass ein Bauträger schon vor der Errichtung einer Wohnhausanlage entscheide, wie die Wärmeversorgung bewerkstelligt werde. Die Käufer der Wohnungen würden eine fertige und betriebsbereite Heizanlage mitkaufen. Wer frei entscheiden wolle, wie er seine Wohnräume beheize, müsse eben ein Einfamilienhaus errichten.

[19] Die Beklagte beschränkt sich im vorliegenden Fall aber gerade nicht darauf, die Wohnhausanlage mit einer betriebsbereiten Wärme- und Wasserversorgungsanlage ihrer Wahl auszustatten. Vielmehr schreibt sie den Wohnungskäufern Vertragspartner und konkrete Konditionen für den künftigen Betrieb der Anlage vor, obwohl sie – wie sie selbst in ihrer Revision betont – als Bauträgerin mit späterem Betrieb sowie der laufenden Abrechnung nichts zu tun hat.

[20] 3.2. Nach § 38 Abs 1 Z 2 WEG sind Vereinbarungen oder Vorbehalte rechtsunwirksam, die geeignet sind, die dem Wohnungseigentumsbewerber oder Wohnungseigentümer zustehenden Nutzungs- oder Verfügungsrechte aufzuheben oder unbillig zu beschränken, wie insbesondere Vereinbarungen oder Vorbehalte über die Vergabe oder Durchführung von künftigen Instandhaltungs- oder Verbesserungsarbeiten oder Vermittlungsaufträge jeder Art.

[21] Unzulässig sind daher nicht alle, sondern nur jene Vereinbarungen, die entweder eine unbillige Beschränkung oder eine Aufhebung der Nutzungs- oder Verfügungsrechte mit sich bringen (Vonkilch in Hausmann/Vonkilch, EG4 [2017] § 38 WEG Rz 7; vgl auch Gartner in Illedits, Wohnrecht4 [2022] § 38 WEG Rz 3). Das sind nach der Rechtsprechung solche, die eine einer vernünftigen Interessenabwägung widersprechende Beschränkung von Nutzungs- und Verfügungsrechten der Wohnungseigentümer bewirken (RS0083359 [T2]), die ein Wohnungseigentumsbewerber auch bei Gleichgewicht der Vertragslage nicht auf sich nehmen würde (RS0083371).

[22] Zulässig sind daher nach Meinungen im Schrifttum insbesondere Dispositionen des Bauträgers, die schon während des sukzessiven Verkaufs von neu errichteten Wohnungen die Wärme- und Warmwasserversorgung sicherstellen, bis die Eigentümergemeinschaft selbst einen Beschluss darüber fassen kann und auch fasst. Schauer argumentiert etwa, dass eine angemessene Wärmeversorgung zur selbstverständlichen Ausstattung von Wohnungen, insbesondere im Neubau gehöre. Der Anschluss an das Fernwärmesystem bilde daher eine notwendige Voraussetzung dafür, dass die zum Verkauf angebotene Wohnung überhaupt bezugsfertig gemacht werden könne. Der Wohnungseigentumsbewerber müsse sich aber keinen Vertrag mit gesetzwidrigen Bestimmungen gefallen lassen (Schauer, Zulässige Vertragsbindung bei Fernwärmelieferverträgen im Lichte des Verbraucherschutzrechts, wobl 2004, 133; so im Ergebnis auch Vonkilch, Die Kündbarkeit von Wärmelieferungs-Einzelverträgen aus wohnrechtlicher Sicht, wobl 2005, 1, der jedoch von einer grundsätzlichen wohnrechtlichen Verpflichtung aller Wohnungseigentümer ausgeht, [nur?] die Gemeinschaftsanlagen zur Wärme- und Warmwasserversorgung ihrer Wohnungen zu nutzen). Einem Bauträger werde daher auch ein Argumentationsspielraum zuzugestehen sein, weshalb das konkret vorgegebene Anlagen‑Contracting im konkreten Fall eine sachgerechte Lösung darstelle (vgl Vonkilch, Unbillige Beschränkungen der Wohnungseigentümer in einem Contracting-Vertrag, wobl 2015, 397 [399]; dies ausdrücklich ablehnend Schauer, Nochmals:Zur zulässigen Vertragsbindung bei Fernwärme- Einzelverträgen, wobl 2005, 45).

[23] 3.3. Die angefochtene Textpassage aus den AGB der Beklagten entspricht in folgenden Punkten nicht einer Regelung, die ein Wohnungseigentumsbewerber auch bei Gleichgewicht der Vertragslage auf sich nehmen würde:

[24] Erstens wird die gesamte Eigentümergemeinschaft im Wohnungskaufvertrag mit dem einzelnen Käufer verpflichtet, die Wärme- und Wasserversorgungsanlagen der Wohnhausanlage kostenlos zur Verfügung zu stellen. Dabei wird weder Dauer, Zweck oder auch nur die begünstigte Person konkret festgelegt. In der im Verbandsprozess gebotenen kundenfeindlichsten Leseart liegt daher nicht nur eine Beschränkung, sondern eine Aufhebung der Nutzungs- oder Verfügungsrechte der Wohnungskäufer an der Wärme- und Warmwasserversorgungsanlage vor.

[25] Zweitens schreibt die angefochtene Textpassage vor, dass die Abrechnung und Verrechnung der Kosten dieser Wärme- und Wasserversorgung zukünftig gemäß den Bestimmungen dieser Verträge erfolgt. Dies erweckt in der kundenfeindlichsten Auslegung den Eindruck, dass ein Wechsel des Energieabgebers oder auch nur eine Neuverhandlung der Konditionen auch zu einem späteren Zeitpunkt unzulässig sind.

[26] Schließlich fehlt auch ein Hinweis darauf, dass mit einer mit der Beklagten im Konzernverbund stehenden Gesellschaft kontrahiert wird. Wenn wirtschaftlich verflochtene Unternehmen künstlich in die Vertragskette hineindrängen, besteht nämlich die dem Wohnungskäufer hier nicht bewusste Gefahr, dass diese sachlich nicht zu rechtfertigende Zusatzentgelte lukrieren (vgl Vonkilch, Die Kündbarkeit von Wärmelieferungs-Einzelverträgen aus wohnrechtlicher Sicht, wobl 2005, 1).

[27] 3.4. Eine sachliche Rechtfertigung (vgl RS0016914 [T2, T3]; vgl auch OGH 23. 12. 2014, 1 Ob 220/14f, immolex 2015/35 [Prader]) für diese konkreten Vorgaben zur Nutzung der Versorgungsanlage ist aus dem Vorbringen der Beklagten nicht erkennbar.

[28] Die Beklagte betont in diesem Zusammenhang zwar, dass sie entgegen der Ansicht der Klägerin ihre Sicherungspflicht als Bauträgerin nach § 7 Abs 5 BTVG schon deshalb erfüllt habe, weil die Eigentümergemeinschaft Eigentümerin der Wärme- und Wasserversorgungsanlage werde. Diese Norm spielte jedoch bei der Klauselprüfung für die Vorinstanzen ohnedies keine Rolle.

[29] Die Beklagte meint außerdem, dass die im letzten Absatz statuierte Verpflichtung der Eigentümergemeinschaft, die Wärmeversorgungsanlage „kostenlos zur Verfügung“ zu stellen, nur den freien Zutritt des Contractors für Wartungsarbeiten sicherstellen solle. Dieses Textverständnis widerspricht jedoch der ständigen Rechtsprechung, dass Klauseln im Verbandsprozess im kundenfeindlichsten Sinn auszulegen sind (RS0038205 [insb T20]).

[30] 3.5. Die Beklagte führt für die Zulässigkeit der Klausel schließlich ins Treffen, dass – anders als im Fall 1 Ob 220/14f – im Grundsatzwerkvertrag keine Mindestbindungsdauer des Anlagen-Contractings vorgeschrieben sei.

[31] Der zitierten Entscheidung lag eine völlig andere Vertragskonstruktion zugrunde, nämlich ein sogenanntes Liefer-Contracting, bei dem der Contractor über die in seinem Eigentum stehende Beheizungsanlage Energie lieferte (vgl Rosifka/Berger, Wohnungseigentumserwerb und Contracting, VbR 2022/30, 59; vgl zur Zulässigkeit dieser Form des Contractings auch Prader, Zulässigkeit von Anlagencontracting im Bauträgervertrag, RdW 2014/149, 123; Foerster/Woschitz, Bauträgerverträge: Anlagen-Contracting zulässig?, ÖIZ 2015/6, 28; Vonkilch, Unbillige Beschränkungen der Wohnungseigentümer in einem Contracting-Vertrag, wobl 2015, 397 [398]; Foerster, Heizanlagen-Contracting ist nicht immer zulässig, Der Standard 2015/18/02). Der erste Senat billigte damals die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, dass die Verpflichtung, für die Vertragslaufzeit von 15 Jahren ausschließlich von einer bestimmten Energielieferantin Leistungen abzunehmen, die Wohnungseigentümer daran hindere, die erforderliche Nutzenergie von Dritten zu beziehen oder selbst zu erzeugen, worin eine unbillige und gemäß § 38 WEG unwirksame Beschränkung ihrer Nutzungs- und Verfügungsrechte liege (zust wobl 2015/167 [Vonkilch]).

[32] Aus dieser Entscheidung kann nicht im Umkehrschluss abgeleitet werden, dass alle Contracting‑Verträge ohne Mindestbindungsdauer jedenfalls zulässig wären.

[33] Daher vermag auch der Hinweis der Beklagten auf das gesetzliche Kündigungsrecht von Verbrauchern für Verträge über wiederkehrende Leistungen nach § 15 KSchG die Zulässigkeit der Klausel nicht zu belegen. Die hier beanstandete Klausel hat im Übrigen nicht (nur) die wiederholte Lieferung von Energie an Verbraucherzum Gegenstand. Es liegt nämlich ein Betriebsführungs‑Contracting, also ein anderer Vertragstyp vor, bei dem der Contractor eine Wärmeversorgungsanlage im Eigentum der Wohnungseigentümer managt (vgl Rosifka/Berger, Wohnungseigentumserwerb und Contracting, VbR 2022/30, 59).

[34] 3.6. Letztlich nicht überzeugend ist auch die Argumentation der Beklagten, dass ihre Klausel sogar die Transparenz für den Verbraucher erhöhe. Dieser müsse nämlich informiert werden, dass er jedenfalls mit der Konzerngesellschaft einen Einzelwärmelieferungsvertrag abzuschließen habe. Eine zentrale Wärmeversorgung im Mehrparteienhaus benötige schließlich einen Wärmeabgeber iSd § 2 Z 3 lit a HeizKG für die jährliche Abrechnung nach § 17 HeizKG. Eine solche Abrechnung überfordere die Eigentümergemeinschaft typischerweise, nicht immer sei eine professionelle Hausverwaltung vorhanden.

[35] Dabei ist schon die Prämisse der Beklagten nicht nachvollziehbar, wieso die Wohnungskäufer und/oder die Eigentümergemeinschaft Fernwärme nicht direkt beim Primärenergieversorger beziehen oder aber einen beliebigen Dritten statt der von der Beklagten vorgegebenen Konzerngesellschaft zwischenschalten oder zumindest mit der Konzerngesellschaft andere Konditionen vereinbaren können sollen.

[36] Darüber hinaus nimmt die von der Beklagten verwendete Textpassage den Wohnungseigentümern die Möglichkeit, dass nicht sie selbst, sondern die tatsächlichen Nutzer der Wohnung, wie etwa Mieter oder Prekaristen, direkt mit dem Energieabgeber kontrahieren (vgl 8 Ob 130/03f, wonach eine Klausel eines Energieversorgers sittenwidrig ist, nach der der Verbraucher bei Änderung der Besitz-, Eigentums- oder Miteigentumsverhältnisse dafür zu sorgen hat, dass der Nachfolger in die Rechte und Pflichten aus dem Energielieferungsvertrag mit der Beklagten eintritt; aA jedoch Unterweger, Muster für Energie- und Wärmelieferverträge [2020] 35, der ein „Ausscheren“ einzelner Wohnungseigentümer aus der gemeinsamen Wärmeversorgung für generell unzulässig hält, sodass die Aufkündigung des Einzelwärmelieferungsvertrags Schadenersatzpflichten auslösen würde).

[37] In diesem Zusammenhang sei auch darauf hingewiesen, dass bei Abschluss von Versorgungsverträgen zwischen den einzelnen Wohnungseigentümern mit einem Dritten sowohl die Abrechnung durch die Eigentümergemeinschaft anhand der Kriterien des HeizKG als auch die Möglichkeit einer Kontrolle derselben im Außerstreitverfahren entfällt (5 Ob 39/22d [Rz 29]), sodass der konkrete Vertragsinhalt und das gegenseitige Vertrauen die Rechtsposition der Wohnungseigentümer besonders stark beeinflussen.

[38] 3.5. Richtig zeigt dagegen die Revisionsbeantwortung auf, dass auch die Bedeutung des Gesamtwerkvertrags für den Käufer nicht transparent dargestellt wird. Denkbar ist etwa, dass er und/oder die Eigentümergemeinschaft diesem Vertrag neben der Beklagten beitreten soll; dass eine Vertragsübernahme geplant ist; oder dass nur einzelne Passagen daraus für ihn verbindlich werden sollen.

[39] 4. Schließlich argumentiert die Beklagte, dass die beanstandete Vertragspassage in mehrere Klauseln teilbar und zumindest der erste Satz jedenfalls zulässig sei. Dieser sei eine bloßeBeschreibung der Ausstattung der Wohnhausanlage.

[40] 4.1. Für die Qualifikation einer Klausel als eigenständig iSd § 6 KSchG ist nicht die Gliederung des Klauselwerks maßgeblich. Vielmehr können auch zwei unabhängige Regelungen in einem Punkt oder sogar in einem Satz der AGB enthalten sein. Es kommt darauf an, ob ein materiell eigenständiger Regelungsbereich vorliegt. Dies ist dann der Fall, wenn die Bestimmungen isoliert voneinander wahrgenommen werden können (RS0121187 [insb T1]; vgl 8 Ob 108/21x [Rz 20] mwN). Eine Teilbarkeit einer Klausel in zwei Regelungen setzt weiters voraus, dass jede der beiden für sich allein verständlich ist (3 Ob 216/21t [Rz 20 mwH]). Ergibt die Zusammenschau mehrerer Sätze die Intransparenz, so sind diese als Einheit zu beurteilen (8 Ob 108/21x [Rz 21 mwH]).

[41] 4.2. Der Einleitungssatz der Vertragspassage lautet: „Die Wohnhausanlage wird an das Fernwärmenetz der [Primärenergieversorgerin] angeschlossen und erfolgt die Heizung und Warmwasseraufbereitung über die Wärme- und Wasserversorgungsanlagen der Wohnhausanlage.

[42] Im Zusammenhang mit den übrigen Textteilen (Pflicht zum Abschluss von Einzelwärmelieferverträgen und Pflicht zur kostenlosen Überlassung der Anlage) kommt diesem Satz in der kundenfeindlichsten Leseart (vgl RS0016590) die Funktion zu, Pflichten des Käufers in Zusammenhang mit der Wärme- und Wasserversorgung der Wohnhausanlage zu begründen. Im vorliegenden Fall ist die Formulierung im Passiv ohne Agens entgegen der Argumentation der Beklagten nicht eindeutig als Beschreibung eines Ausstattungsmerkmals zu verstehen.

[43] 5. Die Revision stellt in den Raum, dass sekundäre Feststellungsmängel zur Funktionsweise der Wärme- und Wasserversorgungsanlage vorliegen. Sie lässt jedoch nicht erkennen, welche konkreten Feststellungen in diesem Zusammenhang hätten getroffen werden sollen, geschweige denn, wie diese die rechtliche Beurteilung zur Zulässigkeit der Vertragsklausel ins Gegenteil verkehren könnten.

[44] 6. Die Beklagte hält eine Urteilsveröffentlichung in bundesweiten Printmedien für überschießend, weil sie nur in Wien Wohnanlagen errichte.

[45] 6.1. Zweck der Urteilsveröffentlichung ist es, über die Rechtsverletzung aufzuklären und den beteiligten Verkehrskreisen Gelegenheit zu geben, sich entsprechend zu informieren, um vor Nachteilen geschützt zu sein (RS0121963 [T1]). Dies gilt insbesondere, aber nicht nur für jene Verbraucher, deren Verträgen noch die inkriminierten Klauseln zugrunde gelegt worden sind (RS0121963 [T6]).

[46] 6.2. Wie bereits die Vorinstanzen richtig aufzeigten, ist die Zielgruppe für den Verkauf von Eigentumswohnungen in Wien nicht auf jene Menschen beschränkt, die dort bereits ihren Lebensmittelpunkt haben. Vielmehr werden gerade auch Personen an Wohnungen in Wien Interesse haben, die erst dorthin ziehen. Außerdem können Eigentumswohnungen unabhängig vom Wohnsitz des Käufers auch als Vermögensanlageobjekt erworben werden, sodass die von den Vorinstanzen angeordnete Aufklärung im gesamten Bundesgebiet zweckmäßig und angemessen erscheint.

[47] 7. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte