European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:E131237
Spruch:
Der Revision wird teilweise Folge gegeben.
Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass das Urteil einschließlich einer bereits in Rechtskraft erwachsenen Teilabweisung insgesamt lautet:
„1. Die beklagte Partei ist schuldig, den klagenden Parteien 15.971,96 EUR samt 4 % Zinsen p.a. seit 12. 11. 2018 binnen 14 Tagen zu bezahlen.
2. Das Mehrbegehren von 44.329,97 EUR samt 4 % Zinsen p.a. seit 12. 11. 2018 wird abgewiesen.
3. Die klagenden Parteien sind schuldig, der beklagten Partei 6.471,79 EUR an Verfahrenskosten aller drei Instanzen binnen 14 Tagen zu ersetzen.“
Entscheidungsgründe:
[1] Die Kläger kauften im Jahr 2014 mit vollstreckbarem Notariatsakt eine Liegenschaft. Da sie die zweite Kaufpreistranche von 235.000 EUR nicht zahlten, führte der Verkäufer gegen sie Exekution zur Hereinbringung durch Zwangsversteigerung der Liegenschaft sowie Fahrnis‑ und Forderungsexekution. Die Kläger versuchten daraufhin, sich dagegen mit einer Oppositionsklage zur Wehr zu setzen. Als Oppositionsgrund nannten sie vom Verkäufer arglistig verschwiegene versteckte und erst sukzessive hervorgetretene, Mängel. Sie brachten vor, die Mängel rechtfertigten eine Preisminderung in Höhe von 235.000 EUR, weswegen der (restliche betriebene) Anspruch des Verkäufers aus dem Notariatsakt erloschen sei. Unter einem begehrten sie die (ihnen auch gewährte) Aufschiebung der Exekution und beantragten zum Nachweis der behaupteten Mängel die Beweisaufnahme durch Urkunden, Lichtbilder, ihre Parteieneinvernahme und die Einholung eines Gutachtens eines Sachverständigen aus dem Bauwesen.
[2] Vor dem für die Oppositionsklage zuständigen Bezirksgericht wurde (im Anlassverfahren) ein Beweisverfahren zum Bestehen von Mängeln auch durch Beiziehung eines Sachverständigen durchgeführt. Nach einer Dauer von mehr als zwei Jahren wurde in der letzten Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung der Beitritt zweier bei Gewerken des verkauften Hauses tätig gewesener Professionisten als Nebenintervenienten mit Beschluss zugelassen und die Kläger kurz zum Notariatsakt und dem darin enthaltenen Gewährleistungsverzicht vernommen. Im Anschluss an ergänzendes Vorbringen wies der Erstrichter erstmals darauf hin, dass ein Preisminderungsrecht keinen tauglichen Oppositionsgrund darstellen könne und gestand ein, dass (auch) er dies nicht gewusst und erst im Rahmen eines kürzlich besuchten Seminars erfahren habe. Er erörterte die Rechtslage darüber hinaus nicht weiter und schloss – für die Parteien überraschend – nach Abweisung der noch unerledigten Beweisanträge die Verhandlung.
[3] Das klageabweisende Urteil, mit dem den Klägern der Ersatz der Kosten des Beklagten und der beiden Nebenintervenienten auferlegt worden war, erwuchs in Rechtskraft, weil die Kläger eine Berufung dagegen für aussichtslos erachteten.
[4] Seit der am 8. 8. 1997 zu RIS‑Justiz RS0108542 in das Rechtsinformationssystem des Bundes aufgenommenen Entscheidung zu 3 Ob 20/97f (= ecolex 1997, 919 [krit Wilhelm]) judiziert der Oberste Gerichtshof, dass bei der Oppositionsklage der Umstand, auf den der Kläger seine Einwendungen stützt, wie bei jeder Klage, spätestens bei Schluss der Verhandlung erster Instanz eingetreten sein muss, was nicht der Fall ist, wenn (erst) im Oppositionsprozess Anfechtung wegen List oder Irrtums oder Preisminderung geltend gemacht wird, da die angestrebte Gestaltungswirkung erst mit Rechtskraft des Urteils eintritt. Die ständige Rechtsprechung erachtet diese Gestaltungsrechte demnach (weil sie gerichtlich geltend gemacht werden müssen und die Rechtsgestaltung daher zu spät käme) in keinem Fall – und somit auch nicht, wenn Exekutionstitel ein vollstreckbarer Notariatsakt ist – als taugliche Oppositionsklagegründe.
[5] Die Kläger begehren Schadenersatz nach dem Amtshaftungsgesetz für die Verfahrenskosten, die sie aufgrund des verlorenen Oppositionsprozesses endgültig tragen mussten. Sie brachten vor, der Erstrichter sei seiner Anleitungspflicht nach § 182a ZPO nicht nachgekommen. Er habe mit ihnen – obwohl sie die Oppositionsklage auf einen von vornherein untauglichen Oppositionsgrund gestützt hätten und die Eventualmaxime einer Änderung des „Klagebegehrens“ entgegengestanden sei – die Irrelevanz der behaupteten Mängel nicht erörtert, sondern diese im Gegenteil durch mehrere (aufwändige und kostenintensive) Gutachten objektiviert. Nach einem mehr als zwei Jahre dauernden (unnotwendigen) Beweisverfahren sei das Klagebegehren mit der zutreffenden Begründung abgewiesen worden, dass Gewährleistungsansprüche keinesfalls einen tauglichen Oppositionsgrund darstellten. Abgesehen davon, dass damit eine Überraschungsentscheidung gefällt worden sei, habe ihnen der Richter des Anlassverfahrens durch seine „rechtswidrige Verfahrensführung“ ab der vorbereitenden Tagsatzung schuldhaft einen Schaden zugefügt. Gegen die Rettungspflicht hätten sie nicht verstoßen, weil ihre auf ein Preisminderungsrecht gestützte Oppositionsklage vor dem Hintergrund der dazu bestehenden Judikatur unter keinen Umständen zum Erfolg hätte führen können und daher eine Berufung gegen das Urteil im Anlassverfahren jedenfalls erfolglos gewesen wäre. Ein aussichtsloses Rechtsmittel zu ergreifen und den Schaden dadurch noch zu vergrößern, könne ihnen auch mit Blick auf § 2 Abs 2 AHG nicht zugemutet werden.
[6] Die Beklagte bestritt das Klagebegehren und beantragte dessen Abweisung. Zum Grund des Anspruchs wandte sie zusammengefasst ein, dass eine anwaltlich vertretene Partei nur dann nach § 182a ZPO anzuleiten sei, wenn sie (auf tatsächlicher Ebene) etwas übersehen oder für unerheblich gehalten habe und das Klagebegehren deswegen unbestimmt, unschlüssig oder widersprüchlich sei. Die Anleitungspflicht beziehe sich insgesamt nur auf das (Tatsachen‑)Vorbringen und gehe nicht so weit, dass das Gericht die rechtliche Unzulässigkeit eines Begehrens mit den Parteien zu erörtern oder eine Klageänderung anzuregen habe. Es bestehe auch keine Verpflichtung des Gerichts, anwaltlich vertretene Parteien über die mit ihren Handlungen und Unterlassungen verbundenen Rechtsfolgen oder darüber zu belehren, dass sie einen vermeintlich falschen Rechtsbehelf gewählt hätten. Im Licht dieser Grundsätze habe der Richter des Anlassverfahrens die Kläger daher weder darüber aufklären müssen, dass die Oppositionsklage kein tauglicher Rechtsbehelf sei, noch dass mit der Einholung der von ihnen beantragten Gutachten Kosten verbunden sein werden. Ungeachtet dessen hätten die Kläger gegen die Rettungspflicht verstoßen, weil sie das Urteil des Anlassverfahrens unbekämpft gelassen hätten.
[7] Das Erstgericht kam nach umfangreichen (weiteren) Feststellungen über die einzelnen Verfahrensschritte und die damit verbundenen Kosten zum Ergebnis, dass dem Gericht im Anlassverfahren ein Pflichtverstoß vorzuwerfen sei. Der Erstrichter hätte darüber belehren bzw die Kläger darauf hinweisen müssen, dass sie ihre Oppositionsklage auf einen untauglichen Oppositionsgrund gestützt hatten und im Hinblick auf die im Oppositionsverfahren geltende Eventualmaxime eine Umstellung des Klagebegehrens nicht mehr möglich wäre. Hätten die Kläger nach einer solchen Rechtsbelehrung ihre Klage nicht zurückgezogen, wäre das Verfahren in der ersten Verhandlung zu schließen und (wie es dann etwa zweieinhalb Jahre später nach Einholung von mehreren Sachverständigengutachten erfolgt ist) die Klage abzuweisen gewesen. Gerade wegen der im Oppositionsverfahren geltenden Eventualmaxime, wäre der zuständige Richter trotz der anwaltlichen Vertretung verpflichtet gewesen, die „anspruchsbegründenden“ Behauptungen in der Oppositionsklage einer besonders sorgfältigen Prüfung zu unterziehen. Die Kläger müssten sich aber das schuldhafte Verhalten ihres Rechtsvertreters als ihr Mitverschulden anrechnen lassen. Verschulden liege vor, weil eine Meinung, die von einer eindeutigen, wiederholt veröffentlichten Spruchpraxis des Höchstgerichts abweiche, unvertretbar sei. Ausgehend von gleichteiligem Verschulden sprach das Erstgericht den Klägern die Hälfte des als zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung ab der ersten Verhandlungstagsatzung dienlich beurteilten eigenen Kostenaufwands zuzüglich des (auf die unabwendbare Höhe reduzierten) auferlegten Kostenersatzes (insgesamt 50.370,70 EUR) zu. Dementsprechend gab es der Klage im Umfang von 25.150,35 EUR sA statt und wies das Mehrbegehren von 35.151,58 EUR sA ab.
[8] Das Berufungsgericht gab der Berufung der Kläger, die sich gegen die Verschuldensteilung 1:1 wendeten, nicht Folge, hielt aber jene der Beklagten für berechtigt.
[9] Es sei zwar richtig, dass aufgrund der (seit der Entscheidung zu 3 Ob 20/97f) klaren Rechtslage „das Anlassverfahren“ vom Erstrichter schon in der vorbereitenden Tagsatzung hätte „beendet“ werden können. Dies besage indes noch nichts über den für eine Haftung notwendigen Rechtswidrigkeitszusammenhang zwischen seinem Vorgehen und den dadurch verursachten Kosten. Nicht jeder Schutz, den eine (Verhaltens‑)Norm tatsächlich bewirkt, sei nämlich auch von deren Schutzzweck erfasst.
[10] Es bestehe zwischen dem Beschleunigungsgebot des § 180 Abs 3 ZPO, wonach unter anderem die Verhandlung nicht durch Weitläufigkeit und unerhebliche Nebenverhandlungen ausgedehnt werden solle und der umfassenden Beurteilung der Sache ein Spannungsverhältnis. Der Oberste Gerichtshof judiziere, dass sowohl § 180 Abs 3 ZPO als auch § 49 Abs 1 Geo Schutzgesetze zugunsten der rechtsschutzsuchenden Parteien darstellten und eine rasche fristgerechte Erledigung der übertragenen Geschäfte bezweckten. Ein Amtshaftungsanspruch könne daher grundsätzlich möglich sein, wenn aufgrund einer unvertretbaren Auslegung des materiellen oder formellen Rechts unnötige Verfahrensschritte unternommen oder veranlasst würden. Ein Verstoß gegen § 180 Abs 3 ZPO und § 49 Abs 1 Geo führe aber nicht in jedem Fall zur Haftung. In seiner „Leitentscheidung“ zu 1 Ob 101/13d (= SZ 2013/77) habe der Oberste Gerichtshof zur Amtshaftungsklage einer im Vorverfahren unterlegenen Beklagten ausgeführt, dass die Weigerung eines Amtshaftungsklägers (als beklagte Partei im Vorverfahren) eine berechtigte Forderung ihrer früheren Vermieterin und Vertragspartnerin zu begleichen, ausschlaggebend für die Begründung ihrer Verpflichtung, Verzugszinsen zu zahlen, gewesen sei und dem Gesetzgeber nicht unterstellt werden könne, mit Bestimmungen über eine rasche Erledigung die Interessen eines vertragsbrüchigen Schuldners zu schützen, der seine Zahlungspflicht zu Unrecht bestreite und sich auf einen Prozess einlasse. Diese Klägerin hätte den Eintritt ihres Schadens durch rechtzeitige Zahlung der letztlich im Prozess rechtskräftig zugesprochenen Forderung ihrer Prozessgegnerin verhindern können.
[11] Wenn damals vom Obersten Gerichtshof der Rechtswidrigkeitszusammenhang verneint worden sei, habe er damit klargestellt, dass die Bestimmungen, die eine rasche und effiziente Verfahrensführung sicherstellen sollten, nur obsiegende Parteien schützten, die berechtigte Ansprüche verfolgen oder unberechtigte Ansprüche abwehren, wohingegen Parteien, die zu Unrecht klagen oder bestreiten, von deren Schutzbereich nicht erfasst seien.
[12] In concreto hätten die Kläger zur Anleitungspflicht gar nicht behauptet, dass sie mit einer Klagsrückziehung reagiert hätten. Im Gegenteil, würden sie in der Berufung den Standpunkt vertreten, es hätte durchaus Argumente für die Zulässigkeit der Oppositionsklage gegeben; ihr damaliger Rechtsvertreter sei deswegen verpflichtet gewesen, unabhängig von einer höchstgerichtlichen Rechtsprechung zu versuchen, eine für sie positive Lösung zu erreichen.
[13] Das Berufungsgericht sehe sich zur Prozessleitungspflicht (auch) anhand der (teilweise kritischen) Argumente zur Entscheidung 1 Ob 101/13d (Wilhelm, ecolex 2014/10 [Glosse]; Fidler, Amtshaftung für prozessverzögerndes Verhalten des Richters, Zak 2014/81; Freudenthaler/Wiesinger, JBl 2014, 535 f [Entscheidungsanmerkung]) nicht veranlasst, von den Grundsätzen der bisherigen – gleichwohl nur Ansprüche des im Vorverfahren unterlegenen Beklagten betreffenden – Judikatur abzugehen, sei doch die Reichweite des Rechtswidrigkeitszusammenhangs jeweils „im Einzelfall“ zu ermitteln. Die Kläger hätten einen Prozess angestrengt, der von Anfang an den Grundsätzen der langjährigen höchstgerichtlichen Judikatur zur Geltendmachung von Gestaltungsrechten im Wege des § 35 EO widersprochen habe. Natürlich sei es ihnen freigestanden, auch unberechtigte Ansprüche gerichtlich zu verfolgen; über diese sei selbstverständlich auch zu verhandeln und zu entscheiden gewesen, es falle aber – wenn sie damit nicht durchdringen und deshalb mit Prozesskosten belastet werden – allein in ihren Risikobereich, ob ihre Klage nach einem kurzen oder nach einem aufwändigen Verfahren mit umfangreichen Beweisaufnahmen abgewiesen wird. Zweifellos sei eine zielstrebige Verfahrensführung anzustreben und auch geeignet, unnötige Kosten zu verhindern. Die Kosten jener Partei gering zu halten, die unberechtigt klagt oder bestreitet, sei aber nicht das primäre Ziel der Prozessleitungspflicht, sondern nur eine für diese günstige Reflexwirkung. Gerade in der vorliegenden Konstellation bestehe auch kein Anlass zu der von den Klägern geforderten großzügigen Betrachtung. Denn diese berge die Gefahr in sich, dass das Kostenrisiko unter Umständen sogar mutwillig auf den Bund überwälzt werde, indem eine von vornherein aussichtslose Klage im Bewusstsein erhoben werde, dass die Kosten ohnehin (zumindest teilweise) vom Bund getragen werden, wenn diese nicht bei erster Gelegenheit abgewiesen wird. Das könne dem Gesetzgeber nicht unterstellt werden. Der Amtshaftungsanspruch scheitere somit schon am Fehlen des Rechtswidrigkeitszusammenhangs.
[14] Abgesehen davon sei den Klägern im Umfang des Honorars ihres (vormaligen) Anwalts kein ersatzfähiger Schaden entstanden, weil die Klageführung im Anlassverfahren von vornherein aussichtslos und dessen Leistungen damit wertlos gewesen seien; insoweit käme ihnen ein entsprechender Schadenersatzanspruch gegen ihren vormaligen Vertreter zu.
[15] Die ordentliche Revision erklärte das Berufungsgericht für zulässig, weil der Oberste Gerichtshof bislang nur zur „umgekehrten Konstellation“, nicht aber zu der hier zu beantwortenden Frage, ob aus unnötigen Verfahrensschritten resultierende Kosten des Klägers des Anlassverfahrens vom Schutzbereich insbesondere des § 180 Abs 3 ZPO erfasst seien, Stellung genommen habe.
[16] Die Kläger wiederholen in ihrer gegen diese Entscheidung erhobenen Revision ihren Standpunkt, der Schutzzweck der § 180 Abs 3 ZPO und § 49 Abs 1 Geo bestehe darin, einer Rechtsschutz suchenden Partei unnötige und kostenintensive Verfahrensschritte zu ersparen. Sie hätten mit der Oppositionsklage ein „fehlerhaftes“ Klagebegehren gestellt, das auch nicht durch amtswegige Modifikation hätte korrigiert werden können, worüber die Kläger vom Richter zu belehren gewesen wären. Dieser hätte das Klagebegehren schon in der ersten Verhandlung abweisen müssen. Es könne nicht zu ihren Lasten unterstellt werden, es sei „kein Schutzbereich“ vorhanden, weil sie zu Unrecht geklagt hätten. Damit würde der Zugang des Bürgers zum Recht erheblich erschwert. Mit der ZVN 2002 hätte der Rechtsschutz der Parteien aber erhöht und nicht eingeschränkt werden sollen. Die vom Erstgericht angenommene Verschuldensteilung sei falsch. Es liege im alleinigen Verschulden des Richters, dass er das Verfahren jahrelang fortgesetzt habe.
[17] Die Beklagte pocht in der Revisionsbeantwortung unter Verweis auf die Entscheidungen zu 1 Ob 86/11w und 1 Ob 101/13d – wie schon zuvor – darauf, dass nur Parteien geschützt seien, die berechtigte Interessen verfolgen oder unberechtigte Ansprüche abwehren, was im vorliegenden Fall auf die Kläger nicht zugetroffen habe.
Rechtliche Beurteilung
[18] Die Revision ist zulässig und teilweise berechtigt.
[19] 1. Zum Rechtswidrigkeitszusammenhang:
[20] 1.1. Gemäß § 1 Abs 1 AHG haften die dort genannten Rechtsträger für den Schaden, den die als ihre Organe handelnden Personen „wem immer“ schuldhaft zugefügt haben (zur einschränkenden Auslegung dieses Begriffs siehe RS0022416 [T1]). Auch für den Bereich des Amtshaftungsrechts gilt der allgemeine Grundsatz, dass die verletzte Vorschrift gerade auch den Zweck haben muss, den Geschädigten vor den schließlich eingetretenen (Vermögens‑)Nachteilen zu schützen (RS0050038 [T1]). Es muss daher geprüft werden, ob Pflichten der Rechtsträger nur im Interesse der Allgemeinheit oder auch im Interesse einzelner Betroffener normiert (RS0050038 [T27]) und welche dieser Interessen erfasst sind. Bei der maßgeblichen teleologischen Betrachtungsweise ist bei jeder einzelnen Norm der Normzweck zu erfragen, der sich aus der wertenden Beurteilung des Sinns der Vorschrift ergibt.
[21] Der bei dieser Prüfung zu hinterfragende Schutzzweck der verletzten Norm (Rechtswidrigkeitszusammenhang) stellt ein selbstständiges Abgrenzungskriterium der Schadenersatzhaftung neben der Rechtswidrigkeit und der Kausalität dar. Sowohl der Geschädigte als auch die Art des Schadens und die „Form“ seiner Entstehung müssen vom Schutzzweck erfasst sein (RS0027553 [T18]). Ohne die eingrenzende Wirkung des Schutzzwecks drohte die (unerwünschte) Uferlosigkeit der Haftpflicht. Aufgrund eines rechtswidrigen Verhaltens ist daher nur für jene verursachten Schäden zu haften, die insoweit vom Schutzzweck erfasst werden, als die Norm zumindest auch derartige Schäden verhindern wollte. Die Fragestellung der Normzweckprüfung ist teleologisch ausgerichtet und stellt darauf ab, welcher Zweck mit der (in ihrem primären Normgehalt festgehaltenen) Anordnung zumindest (mit‑)verfolgt wird; nicht jeder Schutz, den die Verhaltensnorm tatsächlich bewirkt, ist – wie das Berufungsgericht bereits erläutert hat – auch von deren Schutzzweck erfasst (RS0027553 [T14]; RS0031143 [T22]).
[22] 1.2. Die primäre Aufgabe der Zivilprozessordnung liegt in der Vorgabe eines Verfahrensablaufs zur Erwirkung einer richtigen Entscheidung. Dieses Richtigkeitsgebot ergibt sich deutlich (auch) aus den in der ZPO normierten Rechtsmittelgründen. Der Prozess soll zu einer gründlichen Beurteilung der Streitsache (vgl § 496 Abs 1 Z 2, § 503 Z 2, § 504 Abs 2 ZPO) führen. Für die „Richtigkeit“ einer Entscheidung sind „Prüftiefe“ und „Prüfumfang“ von wesentlicher Bedeutung. Oberflächliche und lückenhafte Verfahren/Prüfungen werden in der Regel nicht geeignet sein, die Grundlage für ein darauf aufbauendes richtiges Urteil zu schaffen. Wenn das Verfahren mangelhaft geführt wurde (also zB die Ergebnisse des Beweisverfahrens die Gefahr der Unvollständigkeit und damit der Unrichtigkeit in sich bergen), kann eine Partei daher auch im Wege eines Rechtsmittels die notwendige Ergänzung des Verfahrens erzwingen. In einem – schon vom Berufungsgericht aufgezeigten – Spannungsverhältnis dazu steht die ebenfalls aus verschiedenen Vorschriften hervorleuchtende Anforderung, das Verfahren in angemessener Dauer durch eine (Sach‑)Entscheidung abzuschließen.
[23] Unter dem Gesichtspunkt der Verfahrensdauer hat der Oberste Gerichtshof bereits ausgesprochen, dass die Bestimmungen über eine rasche und fristgerechte Erledigung in einem Zivilprozess nicht nur den Interessen der Öffentlichkeit, sondern auch jenen der Rechtsschutz suchenden Parteien dienen (RS0129052; vgl auch RS0106350). Häufig geht eine überlange Verfahrensdauer auch mit nicht notwendigen und Mehrkosten verursachenden Verfahrensschritten einher. Gerade im vorliegenden Zusammenhang geht es weniger um das zeitliche Element der Verfahrensdauer im Sinne von „Schnelligkeit“, also um die Frage eines Schadens, der dadurch entsteht, dass die(selbe) Entscheidung bei bloß rascher gesetzten, ansonsten aber gleichen Verfahrensschritten nicht schon zeitlich früher gefällt wurde (vgl zu einem dadurch verursachten „Verzögerungs‑“ oder „Verspätungsschaden“ etwa 1 Ob 10/96; 1 Ob 101/13d; 1 Ob 222/13y [Pkte 4.1, 10.]), sondern darum, ob das(selbe) Urteil pflichtgemäß deswegen „früher“ zu erlassen gewesen wäre, weil der Großteil des Verfahrens (ganz gleich, ob dieses „zügig“ geführt wurde) sowie die dabei aufgenommenen Beweise (von vornherein erkennbar) ohne Bedeutung für die Entscheidung, also irrelevant, waren.
[24] 1.3. Das in § 180 Abs 3 ZPO normierte Gebot an den Vorsitzenden, dafür Sorge zu tragen, „dass die Sache erschöpfende Erörterung finde, die Verhandlung aber auch nicht durch Weitläufigkeit und unerhebliche Nebenverhandlungen ausgedehnt und, soweit thunlich, ohne Unterbrechung zu Ende geführt werde“, war bereits in der Stammfassung der ZPO (RGBl 1895/113) enthalten. Die Gesetzesmaterialien dazu erläutern, dass die Prozessleitung für die rasche Durchführung der Verhandlung, für deren Übersichtlichkeit, für eine zweckmäßige Disposition des Verhandlungsstoffs, damit sogleich für die tunliche Vereinfachung der Verhandlung und für die Verminderung der Prozesskosten [Hervorhebung durch den erkennenden Senat] zu sorgen hat (688 der Beilagen zu den stenographischen Protokollen des Abgeordnetenhauses – XI. Session 1893, 240 f). Zielt die Anordnung, „Weitläufigkeit und unerhebliche Nebenverhandlungen“ zu unterlassen, nun aber auch darauf ab, die Prozesskosten gering zu halten, ist ein den Parteien durch unnötige Verfahrensschritte (mit eindeutig vorhersehbar irrelevanten Beweisergebnissen) entstandener (eigener) Kostenaufwand und der deswegen dem Gegner in höherem Maß zu erstattende Prozesskostenersatz (die Kostenersatzpflicht des Unterlegenen – und auch das „Armenrecht“ – waren ebenfalls bereits Teil der Stammfassung), ein Schaden, der sich als Verwirklichung derjenigen Gefahr darstellt, derentwegen der Gesetzgeber ein bestimmtes Verhalten forderte bzw untersagte (vgl RS0050038 [T2]), also vom Schutzzweck der Norm umfasst. Schon zu 1 Ob 237/02p (= RS0117021) wurde ausgesprochen, dass eine schuldhafte Verfahrensverzögerung zur Amtshaftung führen kann, wenn in unvertretbarer Auslegung von Vorschriften des materiellen bzw formellen Rechts unnötige, Kosten verursachende Verfahrensschritte unternommen oder veranlasst werden.
[25] Auch Schragel (AHG³ Rz 152 unter Verweis auf Rz 153 und 173) bejaht bei Verletzung von Verfahrensvorschriften die Möglichkeit eines Ersatzanspruchs für unnötig erwachsene Kosten aus einem „eventuell auf ungenügende Vorbereitung zurückzuführenden“, vermeidbar gewesenen zusätzlichen Verfahrensaufwand (wenn „überflüssige Beweise aufgenommen werden“) (ebenso Meier [Prozesskosten und Amtshaftung,JBl 1979, 617 ff] und Ziehensack [AHG § 1 Rz 1004]; soweit Letzterer zu Rz 1005 den Standpunkt einnimmt, ein Ersatzanspruch sei überhaupt nur dann möglich, wenn die Verfahrensdauer „einzig“ auf ein Verschulden des Gerichts zurückgehe, bleibt dies ohne Begründung und zudem offen, ob an dieser Stelle nicht nur an den Fall der bloß [und allein] aus der [zeitlichen] Verzögerung resultierenden Schäden gedacht wurde). Rassi führt (in Fasching/Konecny 3 § 180 ZPO Rz 90) zur Prozessleitungspflicht aus, für ein Verhalten, für das ein Anwalt seiner Partei gegenüber schadenersatzrechtlich einstehen müsste, müsse auch Amtshaftung eintreten können.
[26] Die Überlegung des Berufungsgerichts, die in den Entscheidungsgründen zu 1 Ob 101/13d angestellten Erwägungen ließen sich auf den vorliegenden Fall übertragen, teilt der erkennende Senat nicht. Ein wesentlicher Unterschied zum damals entschiedenen Fall besteht darin, dass es in jenem um den aus der (erst spät urteilsmäßig ausgesprochenen) Verpflichtung zur Zahlung des strittigen Betrags resultierenden „Zinsschaden“ ging. Dieser Nachteil entstand (primär der damaligen Klägerin) – worauf in der Entscheidung ausdrücklich Bezug genommen wurde – dadurch, dass die spätere Ersatzwerberin (als Beklagte) ihre Zahlungspflicht (von Beginn an) zu Unrecht bestritten und die ihr nach den Bestimmungen des Mietvertrags auferlegte Rückstellung des Bestandobjekts in einem bestimmten Zustand vertragswidrig unterlassen hatte. Die Verurteilung zur Zahlung des dadurch bewirkten Verzugsschadens erfolgte damit auf Basis des – allein in ihre Sphäre fallenden – (im Anlassverfahren festgestellten und außerhalb des Prozesses liegenden) vertragswidrigen Verhaltens. War aber ihre Weigerung, als Schädigerin eine berechtigte Forderung ihrer früheren Vermieterin und Vertragspartnerin zu erfüllen, ausschlaggebend für die Zinszahlungspflicht, käme es ansonsten zu einer Überwälzung der von ihr selbst verursachten Verbindlichkeit auf den Bund, was in der Entscheidung abgelehnt wurde. Auch ohne Prozess wäre ihr wegen der verspäteten Erfüllung derselbe Nachteil entstanden.
[27] In der von der Beklagten weiters herangezogenen Entscheidung zu 1 Ob 86/11w verneinte der Fachsenat primär den Vorwurf rechtswidrigen Vorgehens des Anlassgerichts, weil die vom dortigen Amtshaftungskläger angesprochene Zurückweisung a limine entgegen seiner Auffassung nach den Bestimmungen der EuGVVO gar nicht zulässig gewesen wäre. Die Erörterung der Zuständigkeitsfrage in einer Tagsatzung, in der auch der Kläger weiteres Vorbringen zur Zuständigkeit erstattete, sei gut vertretbar gewesen. Soweit darin überdies obiter die Frage des Rechtswidrigkeitszusammenhangs angesprochen wurde, wurde darauf hingewiesen, dass Zuständigkeitsnormen in erster Linie die Sachentscheidung durch ein zur Entscheidung eines bestimmten Rechtsfalls berufenes Gericht gewährleisten sollen, wobei häufig im besonderen Maße die Interessen des Beklagten beachtet würden, und daher die (kostengünstigere) möglichst frühe Zurückweisung der Klage eine bloße Reflexwirkung darstelle, ohne dass dieses Kosteninteresse des Klägers aber durch die einschlägigen Verfahrensvorschriften besonders geschützt wäre.
[28] 1.4. An der bereits in 1 Ob 237/02p (= RS0117021) enthaltenen Aussage, dass grundsätzlich ein Amtshaftungsanspruch nach § 1 Abs 1 AHG besteht, wenn eine übermäßige Verfahrensdauer zugleich auch zu vermeidbaren Mehrkosten auf Seiten einer Partei geführt hat, weil in unvertretbarer Auslegung von Vorschriften des materiellen oder formellen Rechts unnötige, Kosten verursachende Verfahrensschritte unternommen oder veranlasst wurden, ist damit festzuhalten.
[29] Das bedeutet nicht, dass es dem Richter verwehrt wäre, Zeugen oder Parteien umfassend und zuweilen über das konkret entscheidungsrelevante Beweisthema hinaus einzuvernehmen. Solche Fragen dienen in vielen Fällen der Schaffung einer Grundlage für die Beurteilung der Glaubwürdigkeit. Auch wird sich häufig aus einer Sicht ex ante noch nicht beurteilen lassen, welche Schritte – etwa nach der erst nach Ende der Beweisaufnahme in umfassender Weise möglichen Beweiswürdigung – letztlich unterbleiben hätte können. Entstehen einer Partei aber durch (schon ex ante betrachtet) evident unnötige Verfahrensschritte des Gerichts Mehrkosten, handelt es sich (bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen) um einen nach § 1 Abs 1 AHG ersatzfähigen Schaden.
[30] Entgegen der Auffassung der Revisionsgegnerin ist nicht zu erkennen, warum jene Partei, die sich mit ihrem Standpunkt im Verfahren nicht durchsetzen konnte, von diesem Schutz ausgenommen sein sollte. Gerade diese ist es, die in aller Regel (teils direkt, teils im Wege des Kostenersatzes) mit den Kosten unnötigen Verfahrensaufwands belastet wird und damit das überwiegende Interesse an deren Vermeidung hat. Berücksichtigt man, dass die Kostenersatzpflicht der unterliegenden Partei schon in der Stammfassung der ZPO verankert war, soll mit dem in den Gesetzesmaterialien zu § 180 ZPO genannten Zweck der Verminderung der Prozesskosten ebenso sie geschützt werden. Ist im Einzelfall auch ihr – als Sorglosigkeit in eigenen Angelegenheiten – anzulasten, einen aussichtslosen Prozess geführt (oder sonst erkennbar irrelevanten Verfahrensaufwand verursacht) zu haben, stellt sich die Frage der Schadensteilung nach § 1304 ABGB.
[31] 2. Zum Verschulden/Mitverschulden:
[32] 2.1. Im hier zu beurteilenden Anlassverfahren lag – seitens der Kläger (bzw des ihre prozessualen Handlungspflichten [und ‑lasten] als Parteien erfüllenden und daher ihnen zuzurechenden Rechtsvertreters) und seitens des Erstrichters – eine unvertretbare Unkenntnis der maßgeblichen Judikatur vor, die dazu führte, dass allseits die nicht mehr durch weiteres Vorbringen behebbare Unschlüssigkeit der Klage und die damit einhergehende Irrelevanz aller beantragten (und dann aufgenommenen) Beweise lange nicht erkannt wurde.
[33] Ob in einer Oppositionsklage eine nach §§ 35 ff EO taugliche Einwendung gegen den Anspruch erhoben wurde, stellt eine rechtliche Beurteilung dar (vgl RS0001342 [T1]; 3 Ob 94/19y). Diese Prüfung ist Teil der im Zivilprozess allgemein und nicht nur im Verfahren erster Instanz gebotenen amtswegigen Prüfung der Schlüssigkeit der Klage (vgl RS0037854; zuletzt 1 Ob 227/20v mwN). Wegen der im Oppositionsverfahren (gleichfalls) von Amts wegen (s allg RS0041951) zu berücksichtigenden Eventualmaxime (RS0001295) ist darauf bei der Oppositionsklage besonderes Augenmerk zu legen. Nach § 35 Abs 3 EO müssen alle Einwendungen, die die verpflichtete Partei zur Zeit der Geltendmachung bei Gericht (oder zur Zeit des Einschreitens bei einer der in Abs 2 leg cit bezeichneten Behörden) vorzubringen imstande war, bei sonstigem Ausschluss (vom Oppositionskläger) gleichzeitig geltend gemacht werden. Auf später erhobene und nach dieser Bestimmung ausgeschlossene Einwendungen ist nicht Rücksicht zu nehmen (RS0001295; vgl auch RS0001369 zu in der Oppositionsklage vorgebrachten, aber untauglichen Umständen). Damit ist der Schlüssigkeit der Klage im Oppositionsverfahren schon zu Verfahrensbeginn ganz besondere Aufmerksamkeit zu widmen, kann doch abseits von geringen Präzisierungen oder Modifikationen eines ursprünglich grundsätzlich tauglichen Oppositionsgrundes ein späteres „Schlüssigstellen“ der Klage durch das „Nachtragen“ von weiteren Tatsachen nicht mehr erreicht werden. Zusammenfassend sind also nicht nur an die Behauptungspflicht (und Beweispflicht) des Klägers im Oppositionsverfahren hohe Anforderungen zu stellen (RS0048064), sondern auch an die Schlüssigkeitsprüfung durch den Richter schon zu Beginn des Verfahrens.
[34] Ausgehend von der eingangs dargestellten und im Jahr 1997 veröffentlichten Rechtsprechung des Höchstgerichts (RS0108542) lag in der sowohl von den Klägern, als auch vom Erstrichter ganz offenkundig ungeprüften Einschätzung, die Klage könne auf Basis des behaupteten – tatsächlich aber untauglichen – Oppositionsgrundes zum Erfolg führen (an die sich dann die Antragstellung durch die Kläger und die Aufnahme unnötiger Beweise durch das Gericht anschloss) eine unvertretbare Rechtsansicht (RS0049969; RS0049912). Beim Erstgericht ergibt sich dies – abseits der hier ohnedies festgestellten Unkenntnis des Erstrichters – aus dem Fehlen von jedweden Umständen, die sorgfältige Überlegungen zur Zweckdienlichkeit der – entgegen der ständigen Rechtsprechung als notwendig angesehenen – Aufnahme der (dann später im Urteil aber nicht verwerteten) Beweise, erkennen ließe; bei den Klägern aus dem Inhalt ihrer Klage samt dem dazu gestellten Begehren und dem Umstand, dass sie gegen das klageabweisende Urteil keine Berufung erhoben haben. Hätten sie (in der Revision im Übrigen bloß als denkbar in den Raum gestellte) Erwägungen, die ihre Klage zumindest vertretbar erscheinen ließen (vgl RS0049969 [T2]), bei Einbringung der Klage (oder später im Verlauf des Verfahrens) tatsächlich angestellt, wäre deren gänzliche Verschweigung (in Kenntnis der Judikatur des Obersten Gerichtshofs) während des gesamten Verfahrens und der Vorhalt der fehlenden Erörterung durch das Gericht nicht nachvollziehbar. Sie ließen vielmehr „gute Gründe“ für ihr Begehren und die Aufnahme der von ihnen beantragten Beweise vermissen.
[35] 2.2. Dass es – wie die Kläger postulieren – im alleinigen Verschulden des Richters läge, dass das Verfahren jahrelang fortgesetzt wurde, ist nicht nachvollziehbar. Abgesehen davon steht hier sogar – wenn auch disloziert in der Beweiswürdigung – auf Tatsachenebene fest, dass der Richter bei früherer Kenntnis der Rechtsprechung (also auch, wenn ihm diese etwa von den Klägern nahegebracht worden wäre) keine Beweise aufgenommen und die Verhandlung sogleich geschlossen hätte. Der Haftungsmaßstab für die Unkenntnis der Gesetze sowie der Rechtsprechung ist für die juristischen Fachleute des belangten Rechtsträgers grundsätzlich der gleiche wie für andere juristische Fachleute, etwa Rechtsanwälte oder Notare (vgl 1 Ob 38/87 = SZ 60/217; RS0049912 [bes T2]). Die Bewertung der Vorwerfbarkeit durch das Erstgericht als gleichwertig ist daher richtig.
[36] 3. Zum zuzusprechenden Ersatzbetrag:
[37] 3.1. Zum Ersatz der Kosten des eigenen Anwalts:
[38] Die Forderung der Kläger nach der (vom Gericht verabsäumten) Belehrung und Erörterung der Irrelevanz der von ihnen beantragten Beweise setzt denklogisch voraus, dass ihnen die ständige Rechtsprechung zur Untauglichkeit der Anfechtung wegen List oder Irrtums oder Preisminderung im Oppositionsprozess trotz anwaltlicher Vertretung unbekannt war. Spätestens mit dem Ersturteil, der ja auch keine Berufung folgte, war für die Kläger offenbar geworden, dass durch ihren Rechtsvertreter eine aussichtslose Klage eingebracht und aufgrund der von ihnen darin beantragten Beweise vom Gericht ein unnotwendiges Beweisverfahren durchgeführt worden war. Der Begründung des Berufungsgerichts, der vormalige Rechtsvertreter sei nicht berechtigt gewesen, ein Honorar zu begehren, setzen die Kläger in der Revision nur die Überlegung entgegen, die Anforderungen an die Sorgfaltspflichten eines Rechtsanwalts nach § 1299 ABGB dürften nicht überspannt werden. Auch wenn ein Rechtsanwalt aufgrund des Bevollmächtigungsvertrags in der Regel nicht für den Erfolg seiner Tätigkeit haftet, ist er doch jedenfalls zur sachgemäßen Vertretung seines Klienten verpflichtet (RS0038695). Unterlässt er die Aufklärung darüber, dass nach der einhelligen herrschenden Rechtsübung eine Prozessführung aussichtslos erscheint, bestehen nicht nur Schadenersatzansprüche, sondern es ist seine Tätigkeit wertlos und er ist nicht berechtigt, dafür ein Honorar zu verlangen (RS0038663; vgl auch RS0038710). Insoweit besteht daher schon mangels Schadens kein Ersatzanspruch gegenüber der Beklagten, der auch nicht zugerechnet werden kann, dass ein Anwalt unberechtigt Honorar begehrt; bei bereits erfolgter Zahlung wären die Kläger – unabhängig von etwaigen Schadenersatzansprüchen gegen ihren damaligen Anwalt – zur Rückforderung berechtigt (vgl dazu nur 1 Ob 632/90).
[39] 3.2. Die vom Erstgericht unbeanstandet herangezogene Gesamtsumme der nach der ersten Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung „formell“ aufgelaufenen Gesamtkosten der Kläger von 50.300,70 EUR ist daher um die darin enthaltenen Kosten ihrer anwaltlichen Vertretung in Höhe von 18.356,79 EUR zu reduzieren und ihnen die Hälfte des verbliebenen Betrags von 31.943,91 EUR, also 15.971,96 EUR, zuzusprechen.
[40] 4. Die Kostenentscheidung beruht für das Verfahren erster und dritter Instanz, sowie für das Verfahren über die Berufung der Beklagten auf § 43 Abs 1 ZPO (für das Rechtsmittelverfahren iVm § 50 Abs 1 ZPO).
[41] Im Verfahren erster Instanz obsiegten die Kläger mit rund einem Viertel, im Revisionsverfahren mit rund einem Drittel. Der Beklagten steht daher der Ersatz der Hälfte ihrer im Verfahren erster Instanz (3.692,87 EUR) und eines Drittels der im Revisionsverfahren aufgelaufenen Kosten (682,97 EUR) zu. Da beide Seiten Kostenersatz beansprucht haben und sich die Erfolgsquoten damit aus der Kostenentscheidung ergeben, hat ein Ausspruch gemäß § 70 Satz 2 ZPO nicht zu erfolgen (vgl nur M. Bydlinski in Fasching/Konecny³ II/1 § 70 ZPO Rz 3, 6; 1 Ob 6/18s).
[42] Im Verfahren über die Berufung der Beklagten haben die Kläger (die zu zwei Drittel obsiegten) keine Berufungsbeantwortung erstattet. Bei der Beklagten fielen keine Barauslagen an.
[43] Für das Verfahren über die Berufung der Kläger beruht die Kostenentscheidung auf § 41 Abs 1 ZPO iVm § 50 Abs 1 ZPO. Sie unterlagen gänzlich und müssen der Beklagten die Kosten der Berufungsbeantwortung (2.095,95 EUR) ersetzen.
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