OGH 1Ob227/20v

OGH1Ob227/20v21.12.2020

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Univ.‑Prof. Dr. Bydlinski als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätin Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Dr. J***** und 2. G*****, beide *****, vertreten durch Mag. Michael Wirrer, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei R***** GmbH & Co KG, *****, vertreten durch Dr. Norbert Nowak, Rechtsanwalt in Wien, wegen 57.428,90 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Parteien gegen das Endurteil des Oberlandesgerichts Wien vom 30. Oktober 2020, GZ 4 R 85/20d‑29, mit dem das Zwischenurteil des Handelsgerichtes Wien vom 29. April 2020, GZ 41 Cg 86/18g‑23, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:0010OB00227.20V.1221.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Die Kläger begehren von der beklagten Immobilienmaklerin Schadenersatz wegen Verletzung von Aufklärungspflichten anlässlich der Vermittlung der von ihnen erworbenen Eigentumswohnung.

[2] Das Erstgericht bejahte das Bestehen einer Pflichtverletzung und sprach mit Zwischenurteil aus, dass der Anspruch dem Grunde nach zu Recht bestehe. Es führte in seiner Begründung zwar aus, es sei (nur) der Vertrauensschaden, nicht aber das positive Vertragsinteresse zu ersetzen, befasste sich aber trotz des Einwands der Beklagten, der geltend gemachte „Minderungsbetrag“ für 20 m² weniger Wohnfläche stelle keinen Vertrauensschaden dar, nicht mit der Schlüssigkeit der Klage im Hinblick darauf, den Ersatz welchen Schadens die Kläger mit ihrer Klage verfolgten.

[3] Das Berufungsgericht griff den Einwand der Beklagten auf und wies die Klage wegen Unschlüssigkeit ab. Der behauptete Beratungsfehler möge zwar geeignet sein, einen gewissen anderen Schaden zu verursachen, aber keineswegs jenen, den die Kläger geltend machen. Der Geschädigte habe bei einer Aufklärungspflichtverletzung Anspruch darauf, so gestellt zu werden, wie er stünde, wenn die Pflichtverletzung nicht begangen worden wäre. Die Kläger hätten vorgebracht (und sei dies auch so festgestellt), dass sie [die Wohnung] bei korrekter Information gar nicht gekauft hätten. Sie wären also so zu stellen, wie sie stünden, wenn der Kauf unterblieben wäre. Dem entspräche etwa die Naturalrestitution im Wege des Ersatzes sämtlicher geleisteter Zahlungen Zug um Zug gegen Herausgabe des Kaufgegenstands oder ein Vergleich zwischen ihrem nunmehrigen tatsächlichen Vermögensstand mit jenem hypothetischen Vermögensstand, der bei Unterbleiben des seinerzeitigen Erwerbs bestünde. Die Kläger hätten allerdings etwas grundlegend anderes begehrt. Sie strebten an, so gestellt zu werden, wie sie stünden, wenn sie sehr wohl gekauft hätten, und zwar zu einem damals anteilig verringerten Kaufpreis. Einen solchen Schaden habe die Beklagte aber schon nach dem eigenen Vorbringen der Kläger gar nicht verursacht, zumal vorgebracht und auch festgestellt sei, dass sie gar nicht gekauft hätten, was das Erzielen einer Preisreduktion nach den damaligen Verhältnissen logisch ausschließe.

[4] Die gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts erhobene außerordentliche Revision spricht keine Fragen von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO an:

Rechtliche Beurteilung

[5] 1. Die behauptete Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens wurde geprüft; sie liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO). Schon das Berufungsgericht hat darauf verwiesen, dass auch § 182 ZPO nichts daran geändert hat, dass es keiner richterlichen Anleitung zu einem Vorbringen bedarf, gegen das der Prozessgegner bereits Einwendungen erhoben hat; die andere Partei hat ihren Prozessstandpunkt dann selbst zu überprüfen und die erforderlichen Konsequenzen zu ziehen (RIS‑Justiz RS0122365 [T4]; RS0037300 [T41]).

[6] Die Behauptung, die Beklagte hätte diesen Einwand ausdrücklich nur zur Höhe des Anspruchs erhoben, nicht aber zum Grund des Anspruchs, und sie hätten darauf nicht reagieren müssen oder können (womit die Kläger nunmehr behaupten, sie hätten die Einwendung der Beklagten auch nur so verstanden), ist angesichts ihrer Reaktion darauf nicht verständlich. Sie haben dem Vorhalt der Beklagten(„… stünde … im Falle der Verletzung von Informations- und Aufklärungspflichten der Vertrauensschaden zu. Der Minderbetrag für 20 m² 'weniger Wohnfläche' ist aber kein Vertrauensschaden“) erwidert, es sei rechtlich unrichtig, zu versuchen, den „Schaden der Kläger nicht als Vertrauensschaden zu argumentieren“ und auf die (auch tatsächlich einschlägige und sich mit der Schlüssigkeit befassende) Entscheidung zu 5 Ob 93/16m verwiesen.

[7] Fragen der Bestimmtheit des Klagebegehrens haben sich entgegen ihrer Auffassung nicht gestellt.

[8] 2. Tatsächlich haben die Kläger aber (wegen des Kaufs einer Wohnung mit „48,32 m² an tatsächlicher Wohnfläche“ anstelle von angepriesenen 65,54 m² [unter Einrechnung eines Schlafraums, dem nach den Bauvorschriften die Widmung als Wohnraum fehle]) einen Betrag gefordert, den sie so „errechneten“, dass sie aufgrund des Kaufpreises (unter Zugrundelegung des zugesagten [Wohn‑]Flächenausmaßes) einen aliquoten (vereinbarten) Quadratmeterpreis ermittelten und diesen dann mit der Fläche von nur 48,32 m² multiplizierten. Der Klagebetrag ist der sich daraus ergebende Differenzbetrag zum Kaufpreis zuzüglich der damit hypothetisch einhergehenden Minderung der Nebenkosten.

[9] Ihr in der Revision unternommener Versuch der Deutung ihres Vorbringens dahin, sie hätten damit (schon im Verfahren erster Instanz: s RS0037516 [T7]) die Differenz zwischen ihrem (wie aber erst jetzt behauptet) nunmehrigen Vermögensstand und ihrem hypothetischen Vermögensstand begehrt (wie dies dem Ersatz des Vertrauensschadens als Differenz zwischen dem hypothetischen heutigen Vermögensstand des Geschädigten ohne das schädigende Ereignis und dem heutigen tatsächlichen Vermögenswert [also dem Marktwert der Wohnung, nicht aber dem geminderten Wert auf Basis des vereinbarten Preises] entspräche, RS0030153) scheitert. Sie bezogen sich zur Berechnung des von ihnen begehrten Schadens – im Gegenteil – ausdrücklich darauf, dass sie im Besitz einer Wohnung seien, die „zum Verkaufszeitpunkt“ (womit ersichtlich der Tag des Erwerbs gemeint war) den der Schadensermittlung zugrundegelegten tatsächlich geringeren Wert „aufwies“. Damit haben sie, wie das Berufungsgericht ohne Korrekturbedarf erkannte, eine der Geltendmachung von Preisminderung entsprechende Rechtsposition und damit den Ersatz des positiven Erfüllungsinteresses gefordert, und zwar auf Basis jenes Vertrags, der nach ihren Behauptungen gar nicht zustande gekommen wäre. Bei dem weiters begehrten Ersatz „überhöhter“ Nebenkosten übersehen sie, dass diese in der selben Höhe angefallen wären, wenn sie um den gleichen Preis – entsprechend ihrer Behauptung – eine andere Wohnung gekauft hätten; ein Vertrauensschaden ist auch insoweit nicht zu erkennen.

[10] 3. Ihre Auffassung, es liege ein Verfahrensfehler des Berufungsgerichts darin, dass es die Unschlüssigkeit „von Amts wegen“ aufgegriffen habe, ist unzutreffend. Dass die Schlüssigkeit des Klagebegehrens weder vom Erstgericht geprüft, noch von der Beklagten in ihrer Berufung thematisiert wurde, hinderte entgegen den Revisionsausführungen das Berufungsgericht nicht, auf diesen Aspekt Bedacht zu nehmen. Die mangelnde Schlüssigkeit des Klagevorbringens ist bei erhobener Rechtsrüge im Rahmen der gebotenen allseitigen rechtlichen Prüfung des Sachverhalts wahrzunehmen (RS0037854; 2 Ob 139/18g mwN). Das Berufungsgericht hat auch die Entscheidung zu 5 Ob 93/16m nicht „verkannt“, zumal zwar die Behauptung der Kläger, sie hätten die Wohnung bei ordnungsgemäßer Aufklärung nicht gekauft, festgestellt wurde, zu ihrem weiteren Vorbringen, sie hätten „in eine anderweitige 3‑Zimmerwohnung investiert“, aber auf einen Vertrauensschaden Bezug nehmende Angaben – einerseits zum Marktwert, also zum objektiven Wert der tatsächlich gekauften Wohnung im jetzigen Zeitpunkt, aber auch zum fiktiven Wert einer solchen ansonsten gekauften Wohnung – fehlten. Die Kläger haben vielmehr einen Betrag gefordert, wie er sich unter Heranziehung der relativen Berechnungsmethode bei Störung der subjektiven Äquivalenz von (vereinbarter) Leistung und (mangelhafter) Gegenleistung (hier wegen des behaupteten Fehlens eines für Wohnzwecke nutzbaren „Schlafzimmers“) ihrer Ansicht nach ergibt.

[11] 4. Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

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