4.7.1. Bescheidbeschwerde, von deren Ausgang die Höhe einer Abgabe unmittelbar oder mittelbar abhängt
Aus der Formulierung "unmittelbar oder mittelbar" im § 212a Abs. 1 BAO ergibt sich, dass nicht nur eine Bescheidbeschwerde, die gegen einen ein Leistungsgebot beinhaltenden Abgaben- oder Haftungsbescheid gerichtet ist, zu einer Aussetzung führen kann, sondern dass ein Rechtsanspruch auf Aussetzung gegebenenfalls auch dann begründet wird, wenn der Abgabepflichtige etwa den einem Abgabenbescheid vorgeschalteten Grundlagenbescheid, zB einen Feststellungsbescheid, anficht. Eine solche Beschwerde muss nicht vom Abgabepflichtigen selbst, sondern kann auch von einer gemäß § 81 BAO für eine Personenvereinigung (Personengemeinschaft) ohne eigene Rechtspersönlichkeit vertretungsbefugten Person namens dieser Personenvereinigung (Personengemeinschaft) eingebracht werden.Beispiel:
Die Abgabepflichtige beantragt die Aussetzung hinsichtlich eines Teiles der Einkommensteuer im Hinblick auf eine gegen den Bescheid betreffend die Feststellung von Einkünften (§ 188 BAO) gerichtete Beschwerde.
Beispiel:
Der Abgabepflichtige beantragt im Zusammenhang mit einer Bescheidbeschwerde die Aussetzung von Einkommensteuer, hinsichtlich derer die Verpflichtung zur Entrichtung eines Säumniszuschlages bereits verwirkt wurde. Im Fall einer Stattgabe der Beschwerde hat die Berechnung des Säumniszuschlages unter rückwirkender Berücksichtigung des Herabsetzungsbetrages zu erfolgen (§ 217 Abs. 8 BAO). Bezieht der Abgabepflichtige den Säumniszuschlag in den Aussetzungsantrag mit ein, so handelt es sich bei dieser Nebengebühr um eine Abgabe iSd § 212a Abs. 1 erster Satz BAO, deren Höhe mittelbar von der Erledigung einer Bescheidbeschwerde abhängt.
Randzahl 412: entfällt
Eine Aussetzung der Einhebung setzt voraus, dass eine Bescheidbeschwerde, von deren Ausgang die Höhe einer Abgabe abhängig ist, noch anhängig ist (VwGH 29.6.1995, 94/15/0220; VwGH 27.3.1996, 93/15/0235). Hingegen hat der VwGH bei gleichartigem Sachverhalt die Rechtsverletzungsmöglichkeit bejaht, weil der Antragsteller durch eine rechtswidrige Abweisung des Aussetzungsantrages nicht nur um den Zahlungsaufschub und dessen Wirkungen, sondern auch um die Erstreckung der Entrichtungsfrist gemäß § 212a Abs. 7 BAO und die damit verbundenen Wirkungen auf den Säumniszuschlag gebracht würde (VwGH 10.12.1991, 91/14/0164; VwGH 24.9.1993, 93/17/0055; VwGH 3.11.1994, 94/15/0027).4.7.2. Antrag auf Aussetzung der Einhebung
4.7.2.1. Zeitpunkt der Einbringung des Antrages
4.7.2.1.1. Beginn des maßgeblichen Zeitraumes
Die Aussetzung ist ein antragsgebundener Verwaltungsakt (VwGH 18.6.1993, 91/17/0041; VwGH 24.2.1993, 91/13/0200). Ein entsprechender Antrag ist somit Voraussetzung für die Bewilligung einer Aussetzung. Erlässt die Behörde einen antragsgebundenen Bescheid ohne Vorliegen eines derartigen Antrages, so hat sie eine Zuständigkeit in Anspruch genommen, die ihr nicht zukommt (VwGH 17.6.1992, 91/13/0243; VwGH 17.12.2002, 2002/17/0273).Aussetzungsanträge sind grundsätzlich frühestens gleichzeitig mit der Bescheidbeschwerde einzubringen (VwGH 11.2.1994, 92/17/0152).Anträge, die vor Einbringen einer Bescheidbeschwerde gestellt werden, sind, wenn kein Zurückweisungsgrund vorliegt, als unbegründet abzuweisen, wenn nicht bis zur Erledigung des Antrages die Beschwerde eingebracht wird.Wird die Beschwerdefrist erst durch die Bekanntgabe der fehlenden Begründung (§ 245 Abs. 1 BAO) in Lauf gesetzt oder wird wegen eines Begründungsmangels ein Antrag auf Mitteilung der dem Bescheid ganz oder teilweise fehlenden Begründung gemäß § 245 Abs. 2 BAO gestellt, so werden in diesen Fällen ein Rechtsmittel und folglich auch ein Aussetzungsantrag in aller Regel erst nach dem vom Zeitpunkt der Bekanntgabe (§ 97 BAO) des maßgeblichen Bescheides abhängigen Eintritt der Fälligkeit der Abgabe eingebracht werden. Zur Überbrückung kommt eine Stundung der Abgaben gemäß § 212 BAO grundsätzlich in Betracht, da davon ausgegangen werden kann, dass diesfalls die sofortige volle Entrichtung der Abgabe für den Abgabepflichtigen mit erheblichen Härten verbunden ist, zumal die Gründe, die den Abgabepflichtigen an der Einbringung einer Bescheidbeschwerde vor Fälligkeit der Abgabe und somit auch an einer Antragstellung gemäß § 212a BAO zunächst hindern, von der Abgabenbehörde zu vertreten sind. Dasselbe gilt, wenn die Frist für den Vorlageantrag (§ 264 BAO) erst durch die Bekanntgabe der fehlenden Begründung (§ 264 Abs. 4 iVm § 245 Abs. 1 zweiter Satz BAO) in Lauf gesetzt wird oder im Hinblick auf einen Antrag auf Mitteilung der der Beschwerdevorentscheidung ganz oder teilweise fehlenden Begründung gehemmt ist (§ 264 Abs. 4 iVm § 245 Abs. 2 BAO). Entsprechend ist vorzugehen, wenn durch eine Bescheiderteilung zwar nicht eine Fälligkeit, aber eine Frist gemäß § 210 Abs. 4 BAO ausgelöst wird.4.7.2.1.2. Ende des maßgeblichen Zeitraumes
Der Zeitraum, in dem ein Aussetzungsantrag gestellt werden kann, endet mit der Bekanntgabe der Entscheidung durch das Verwaltungsgericht (vgl. VwGH 10.4.1991, 91/15/0011), die bei schriftlichen Erledigungen durch Zustellung, bei mündlichen Erledigungen durch Verkündung erfolgt. Wird ein Erkenntnis oder Beschluss des Verwaltungsgerichtes verkündet, so ist der Zeitpunkt der Verkündung maßgeblich, ungeachtet des Umstandes, dass diesfalls auch immer eine schriftliche Ausfertigung der Entscheidung zugestellt werden muss (§ 277 Abs. 4 erster Satz BAO).Wurde eine Entscheidung des Verwaltungsgerichtes durch den VfGH oder den VwGH aufgehoben, so kann bis zum Ergehen der neuerlichen Entscheidung des Verwaltungsgerichtes im fortgesetzten Verfahren ein Aussetzungsantrag gestellt werden.4.7.2.2. Inhalt des Antrages
Aussetzungsanträge haben die Darstellung und somit auch die Berechnung des für die Aussetzung der Einhebung in Betracht kommenden Abgabenbetrages zu enthalten; im Übrigen siehe Rz 465 bis Rz 470.4.7.2.3. Person des Antragsberechtigten
Einen Aussetzungsantrag kann nur ein Abgabepflichtiger im Sinne des § 77 BAO stellen, der von der Abgabenbehörde mit Bescheid (insbesondere Abgaben- oder Haftungsbescheid), der eine Nachforderung zur Folge hat, in Anspruch genommen worden ist; ein noch nicht in Anspruch genommener Gesamtschuldner ist zu einem derartigen Antrag nicht legitimiert, da gemäß § 212a Abs. 5 BAO die Wirkung der Aussetzung in einem Zahlungsaufschub besteht und ein solcher nur nach wirksamer Bekanntgabe eines Leistungsgebotes in Betracht kommen kann.Unter Inanspruchnahme für eine Abgabe im Sinne des § 212a Abs. 1 letzter Satz BAO ist entweder die Heranziehung als Eigenschuldner (Gesamtschuldner oder Einzelschuldner) oder als abgabenrechtlich persönlich Haftungspflichtiger zu verstehen.4.7.2.4. Zuständigkeit für die Einbringung des Antrages
Aussetzungsanträge sind bei jener Abgabenbehörde einzubringen, der die Erhebung der den Gegenstand des Aussetzungsantrages bildende Abgabe obliegt. Dies gilt auch, wenn die Erledigung der Bescheidbeschwerde insbesondere zufolge eines Vorlageantrages dem Verwaltungsgericht obliegt.4.7.3. Der Bescheid muss eine Nachforderung zur Folge haben
Die Aussetzung kommt höchstens insoweit in Betracht, als der Bescheid eine Nachforderung zur Folge hat (VwGH 19.10.1999, 94/14/0082; VwGH 24.6.2003, 2003/14/0029).Führte etwa ein Einkommensteuerbescheid gegenüber den festgesetzten Vorauszahlungen zu keiner Nachforderung, so ist eine Aussetzung nicht zulässig.Der Begriff "Nachforderung" entspricht jenem des § 198 Abs. 2 BAO. Einer solchen Nachforderung muss somit nicht eine frühere Festsetzung oder die Buchung des Ergebnisses einer Selbstbemessung vorangehen; unter Nachforderung ist auch jede aus einer erstmaligen Abgabenfestsetzung sich ergebende Zahlungsverpflichtung eines Abgabepflichtigen zu verstehen (VwGH 11.2.1994, 92/17/0152; VwGH 17.10.2002, 2002/17/0238).Im Interesse der Effizienz des Rechtsschutzes ist als Nachforderung im Sinne des § 212a Abs. 1 BAO auch eine Zahlungsverpflichtung, die sich aus dem Widerruf einer Löschung oder Nachsicht gemäß § 235 Abs. 3 BAO oder § 236 Abs. 3 BAO ergibt, anzusehen (VwGH 10.12.1991, 91/14/0164).Im Übrigen kommt eine Aussetzung im Zusammenhang mit Bescheidbeschwerden gegen im Einhebungsverfahren erlassene Bescheide nicht in Betracht. Sie ist daher etwa bei Beschwerden gegen Bescheide betreffend Abweisung eines Nachsichtsantrages oder eines Antrages auf Entlassung aus der Gesamtschuld, gegen Vollstreckungsbescheide oder Sicherstellungsaufträge ausgeschlossen.Eine Bescheidbeschwerde gegen eine abweisende Erledigung in einem Zahlungserleichterungsverfahren rechtfertigt keine Aussetzung der Einhebung (VwGH 20.2.1996, 95/13/0247).Eine Bescheidbeschwerde gegen eine abweisende Erledigung in einem Aussetzungsverfahren rechtfertigt keine Aussetzung der Einhebung (VwGH 20.2.1996, 95/13/0248).Die (beantragte) Wiederaufnahme eines Nachsichtsverfahrens stellt keine taugliche Grundlage dar, die Einhebung aushaftender Abgabenschulden auszusetzen (VwGH 22.10.2002, 97/14/0090).4.7.4. Der Bescheid muss, wenn ihm ein Anbringen zugrunde liegt, von diesem abweichen
Falls dem angefochtenen Bescheid ein Anbringen zugrunde liegt, ist das Ausmaß der Aussetzung nicht nur durch die Höhe der Nachforderung (siehe 3. Beispiel), sondern auch durch die Auswirkungen eines Abweichens von diesem Anbringen begrenzt.Beispiele:
1. ESt-Vorauszahlungen | 18.000 Euro |
Einkommensteuer auf Grund der Erklärung | 12.000 Euro |
Einkommensteuer auf Grund des Bescheides | 15.000 Euro |
Eine Aussetzung ist unzulässig, da der Bescheid - obwohl er von einem Anbringen abweicht - gegenüber den Vorauszahlungen zu keiner Nachforderung führt.
2. ESt-Vorauszahlungen | 18.000 Euro |
Einkommensteuer auf Grund der Erklärung | 12.000 Euro |
Einkommensteuer auf Grund des Bescheides | 19.000 Euro |
Eine Aussetzung kommt im Umfang von 1.000 Euro in Betracht; der Bescheid weicht gegenüber der Erklärung zwar um 7.000 Euro ab, die Nachforderung gegenüber den Vorauszahlungen beträgt aber lediglich 1.000 Euro.
3. ESt-Vorauszahlungen | 12.000 Euro |
Einkommensteuer auf Grund der Erklärung | 15.000 Euro |
Einkommensteuer auf Grund des Bescheides | 19.000 Euro |
Eine Aussetzung kommt trotz einer Nachforderung von 7.000 Euro lediglich für 4.000 Euro in Betracht, da der Bescheid nur in diesem Umfang von der Erklärung abweicht.
Beispiel:
ESt-Vorauszahlungen | 18.000 Euro |
Einkommensteuer auf Grund des Erstbescheides | 10.000 Euro |
Einkommensteuer auf Grund des neuen Bescheides | 22.000 Euro |
Eine Aussetzung kommt - bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen - für einen Betrag von 12.000 Euro in Betracht, da der neue Bescheid in diesem Umfang eine Nachforderung gegenüber dem Erstbescheid zur Folge hat. Unrichtig wäre es, die Abgabe laut neuem Bescheid den Vorauszahlungen gegenüberzustellen.
Beispiel:
Aus dem ESt-Bescheid ergibt sich eine Abgabenschuld von 8.000 Euro, Vorauszahlungen waren nicht festgesetzt; die auf Grund der Erklärung sich ergebende Abgabe hätte 7.000 Euro betragen. In weiterer Folge ergeht ein gemäß § 295 Abs. 1 BAO geänderter ESt-Bescheid, aus dem sich eine Abgabenschuld von 10.000 Euro ergibt. Die Erhöhung gegenüber dem Erstbescheid von 2.000 Euro beruht im Umfang von 100 Euro auf der Anpassung an den vorgeschalteten Grundlagenbescheid und im Umfang von 1.900 Euro auf einer Änderung in anderen Bereichen.
Da bei der Beurteilung, ob ein Bescheid von einem Anbringen abweicht, stets auf das ursprüngliche Anbringen Bedacht zu nehmen ist, liegt ein Abweichen von einem Anbringen im Umfang von 3.000 Euro vor: es ist die Abgabenbelastung, die sich auf Grund der Erklärung ergeben hätte (7.000 Euro), der Abgabenbelastung laut Bescheid gemäß § 295 BAO (10.000 Euro) gegenüberzustellen. Würde dieser Bescheid hinsichtlich der gesamten Nachforderung angefochten, so wäre allerdings für 100 Euro eine Aussetzung schon deshalb unzulässig, weil die Bescheidbeschwerde diesbezüglich wegen § 252 BAO aussichtslos wäre (§ 212a Abs. 2 lit. a BAO).
Nur dann, wenn eine Bescheidbeschwerde auch gegen den dem ESt-Bescheid vorgeschalteten Feststellungsbescheid eingebracht wird, käme im Hinblick auf diese Beschwerde auch eine Aussetzung für den vorerwähnten Betrag von 100 Euro in Betracht.
4.7.4.1. Anbringen bei Gesamtschuldverhältnissen
Bei Personen, die Gesamtschuldner sind, weil sie nach Abgabenvorschriften dieselbe abgabenrechtliche Leistung schulden, entsteht das Gesamtschuldverhältnis durch Verwirklichung des Tatbestandes (§ 6 Abs. 1 BAO). In diesen Fällen trifft etwa im Bereich der Grunderwerbsteuer die Verpflichtung zur Einreichung der Abgabenerklärung die am Erwerbsvorgang beteiligten Personen (§ 9 Z 4 GrEStG 1987). Wurde einer der Gesamtschuldner, welcher der Abgabenbehörde keine Abgabenerklärung vorgelegt hat, mit Leistungsgebot in Anspruch genommen, so kommt im Fall einer Bescheidbeschwerde eine Aussetzung nur insoweit in Betracht, als der an den Beschwerdeführer gerichtete Abgabenbescheid vom Anbringen des anderen Gesamtschuldners abgewichen ist, außer der Abgabepflichtige ficht seine Inanspruchnahme dem Grunde nach an.Auch in Fällen, in denen mehrere Personen gemeinsam zu einer Abgabe heranzuziehen sind (§ 6 Abs. 2 BAO), entsteht das Gesamtschuldverhältnis durch Verwirklichung des Tatbestandes (zB Mitglieder der GesBR betreffend Umsatzsteuer der GesBR).4.7.4.2. Anbringen bei Geltendmachung von Haftungen
Wurde eine Haftung mit Haftungsbescheid geltend gemacht (§ 224 Abs. 1 BAO), so kann der Haftungspflichtige unbeschadet der Einbringung einer Bescheidbeschwerde gegen seine Heranziehung zur Haftung innerhalb der für die Einbringung der Beschwerde gegen den Haftungsbescheid offen stehenden Frist auch den Bescheid über den Abgabenanspruch mit Beschwerde anfechten (§ 248 BAO). Bekämpft der Haftungspflichtige den Haftungsbescheid mit der Begründung, dass seine Heranziehung zur Haftung zu Unrecht erfolgt sei, so kommt - unter der Voraussetzung, dass die Beschwerde nicht nur wenig Aussicht auf Erfolg hat - eine Aussetzung für die gesamte den Gegenstand des Haftungsbescheides bildende Abgabenschuld in Frage.Bringt der Haftungspflichtige nur eine Beschwerde gegen den Bescheid über den Abgabenanspruch ein und wurde an den Erstschuldner bereits ein Leistungsgebot gerichtet, dem ein Anbringen zugrunde lag, so kommt eine Aussetzung höchstens insoweit in Betracht, als der Bescheid über den Abgabenanspruch vom Anbringen des Erstschuldners abweicht und diese Abweichungen Gegenstand des Beschwerdebegehrens sind.4.7.4.3. Bescheid, dem kein Anbringen zugrunde liegt
Bei einem Bescheid, dem kein Anbringen zugrunde liegt, kommt eine Aussetzung gegebenenfalls in Betracht, unabhängig davon, ob ein solcher Bescheid immer von Amts wegen ergeht (zB Bescheid über die Festsetzung einer Zwangsstrafe oder eines Verspätungszuschlages, Haftungsbescheid) oder ob der Verpflichtung zur Einreichung eines Anbringens nicht entsprochen wurde (zB Schätzung der Bemessungsgrundlagen mangels Einreichung einer Abgabenerklärung).4.7.5. Der Bescheid muss, falls ihm ein Anbringen zugrunde liegt, in Punkten angefochten werden, die mit dem Abweichen vom Anbringen im Zusammenhang stehen
In Fällen, in denen einem Bescheid ein Anbringen zugrunde liegt, ist Voraussetzung für eine Aussetzung, dass der Bescheid in Punkten angefochten wird, die mit der Abweichung vom Anbringen im Zusammenhang stehen (§ 212a Abs. 2 lit. b BAO).Beispiel:
Hätte etwa das Finanzamt anlässlich der Veranlagung bestimmte vom Abgabepflichtigen als Betriebsausgaben geltend gemachte Aufwendungen nicht anerkannt, so wäre eine Aussetzung ausgeschlossen, wenn der Abgabepflichtige in der Bescheidbeschwerde ausschließlich erstmals die Berücksichtigung einer außergewöhnlichen Belastung beantragt.
4.7.6. Die Bescheidbeschwerde darf nicht nur wenig Erfolg versprechend sein
Die Aussetzung ist nicht zu bewilligen, soweit die Beschwerde nach Lage des Falles wenig Erfolg versprechend erscheint (§ 212a Abs. 2 lit. a BAO).Anlässlich der Entscheidung über einen Aussetzungsantrag ist somit von der Abgabenbehörde auf die Erfolgsaussichten der Beschwerde Bedacht zu nehmen, und zwar anhand des Beschwerdevorbringens (VwGH 16.5.2002, 2000/13/0100; VwGH 15.3.2012, 2011/17/0175). In der Beschwerde nicht dargelegte Fragen der rechtlichen Beurteilung, die zum Erfolg einer Beschwerde führen könnten, sind bei dieser Prüfung nicht auszuklammern (VwGH 17.4.2000, 99/17/0437). Der Abgabenschuldner soll nicht einseitig in Fällen belastet werden, in denen - trotz Bedachtnahme auf gesicherte Erfahrungstatsachen, eine längerwährend unbeanstandet geübte Verwaltungspraxis oder die Klärung von Rechtsfragen durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts - Tatsachen- oder Rechtsfragen echt strittig sind (VfGH 11.12.1986, G 119/86).Ist die den Gegenstand des Beschwerdebegehrens bildende Frage etwa durch Rechtsprechung der Höchstgerichte geklärt, so wird eine Bescheidbeschwerde, in der vom Abgabepflichtigen eine gegenteilige Meinung vertreten wird, oftmals wenig Erfolg versprechend sein; widersprüchliche Judikatur schließt jedoch eine Aussetzung der Einhebung nicht aus.Eine Bescheidbeschwerde ist ferner wenig Erfolg versprechend, wenn der eindeutige klare Wortlaut des Gesetzes den Standpunkt des Abgabepflichtigen widerlegt. Jedoch ist eine Beschwerde, welche die Verfassungswidrigkeit oder die Unionsrechtswidrigkeit einer Norm geltend macht, nicht von vornherein als wenig Erfolg versprechend zu bezeichnen.Die Bescheidbeschwerde ist zB nach Lage des Falles auch dann wenig Erfolg versprechend, wenn ein Abgabepflichtiger - entgegen den im § 252 Abs. 1 bis 3 BAO getroffenen Anordnungen - einen Bescheid, dem Entscheidungen zugrunde liegen, die in einem vorgeschalteten Grundlagenbescheid getroffen worden sind, mit der Begründung anficht, dass die im Grundlagenbescheid getroffenen Entscheidungen unzutreffend sind.Behauptet der Beschwerdeführer, dass eine im Abgabenverfahren angewendete Bestimmung im Konflikt mit dem Unionsrecht steht, so darf die Abgabenbehörde nicht die Bescheidbeschwerde von vornherein als wenig Erfolg versprechend ansehen, weil zu dieser Frage ein Vorabentscheidungsverfahren anhängig ist (VwGH 14.10.1999, 99/16/0266).Stützt ein Abgabepflichtiger eine Bescheidbeschwerde auf die Behauptung, ein angewendetes Gesetz sei verfassungswidrig oder eine Verordnung gesetzwidrig, so hat die Abgabenbehörde - ungeachtet der Bindung von Verwaltungsbehörden an ordnungsgemäß kundgemachte Gesetze und Verordnungen - kraft der ausdrücklichen Anordnung im § 212a Abs. 2 lit. a BAO im Aussetzungsverfahren diese Beschwerdebehauptung ebenso wie jede andere Beschwerdebehauptung im Hinblick auf ihre Erfolgsaussichten abzuschätzen.Hierbei ist zu beachten, dass über Beschwerden allenfalls auch in einem nach Ergehen einer verwaltungsgerichtlichen oder verfassungsgerichtlichen Entscheidung fortgesetzten Verfahren zu entscheiden ist (VfGH 27.6.1996, B 131/95).
Aus dem Wort "soweit" im § 212a Abs. 2 lit. a BAO ergibt sich, dass eine Aussetzung gegebenenfalls nur für einen Teil der vom Beschwerdebegehren berührten Abgabenschuld in Betracht kommen kann. Wird beispielsweise ein Einkommensteuerbescheid angefochten, weil einerseits Beiträge an eine gesetzlich anerkannte Religionsgesellschaft nur im gesetzlichen Höchstausmaß als Sonderausgaben berücksichtigt und andererseits geltend gemachte Betriebsausgaben nicht anerkannt wurden, so wäre eine Aussetzung zumindest für den durch die Sonderausgaben berührten Teil der Abgabenschuld ausgeschlossen.Aufgabe des Aussetzungsverfahrens gemäß § 212a BAO ist es nicht, die Entscheidung über die Bescheidbeschwerde vorwegzunehmen. Die Abgabenbehörden haben lediglich die Erfolgsaussichten der Bescheidbeschwerde anhand des Beschwerdevorbringens zu beurteilen (VwGH 19.11.1998, 97/15/0066; VwGH 16.5.2002, 2000/13/0100). Die Beurteilung der Erfolgsaussichten einer Beschwerde anlässlich der Entscheidung über einen Aussetzungsantrag ist daher keinesfalls für die Beschwerdeerledigung richtungweisend und somit nicht präjudiziell.Für eine auslegungsweise Einschränkung des Tatbestandes nach § 212a Abs. 2 lit. a BAO auf Fälle offenkundiger Erfolglosigkeit einer Bescheidbeschwerde bietet der Text der zitierten Bestimmung keinerlei Raum (VwGH 26.7.1995, 95/16/0018). Die Aussichtslosigkeit des Rechtsmittels muss für jede mit der Sache vertraut gemachte, urteilsfähige und objektiv urteilende Person erkennbar sein (VwGH 17.5.2001, 2000/16/0383).Es besteht keine gesetzliche Grundlage, die Aussetzung der Einhebung von Abgaben wegen einer bei den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechts anhängigen Beschwerde bzw. Revision über den Zeitpunkt der Erlassung der jeweiligen, das Beschwerdeverfahren abschließenden Erledigungen hinaus auszudehnen (VwGH 25.11.2002, 2002/14/0126; VwGH 3.8.2004, 99/13/0207).