VwGH 94/14/0088

VwGH94/14/008821.12.1999

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss sowie die Hofräte Dr. Karger, Mag. Heinzl, Dr. Zorn und Dr. Robl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Doralt, über die Beschwerde der A D in A, vertreten durch Dr. Wolfgang Moringer, Rechtsanwalt in 4040 Linz, Rudolfstraße 14, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich vom 27. Mai 1994, 37/9-10/F-1994, betreffend Widerruf der Aussetzung der Einhebung von Abgabenschulden, zu Recht erkannt:

Normen

BAO §20;
BAO §212a Abs2 litc;
BAO §212a Abs5;
BAO §294;
BAO §93 Abs2;
B-VG Art130 Abs2;
BAO §20;
BAO §212a Abs2 litc;
BAO §212a Abs5;
BAO §294;
BAO §93 Abs2;
B-VG Art130 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen von 4.565 S binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführerin, die bis zum 23. Juli 1993 den Handel und die Aufstellung von Geldspielautomaten betrieben hatte, bewilligte das Finanzamt mit Bescheiden vom 17. Februar und vom 6. April 1993 die Aussetzung der Einhebung von Umsatzsteuer für den Zeitraum Jänner 1982 bis Juli 1992 samt den zugehörigen Säumniszuschlägen von rund 82 Mio S (idF: Aussetzung der Einhebung).

Am 26. August 1993 teilte die Beschwerdeführerin dem Finanzamt mit, sie habe eine Liegenschaft verkauft und ihren Betrieb eingestellt. Gleichzeitig habe sie alle im Betriebsvermögen befindlichen Wirtschaftsgüter (idF: Wirtschaftsgüter) an die D (Name der Beschwerdeführerin) GmbH verkauft.

Mit Bescheid vom 19. Jänner 1994 widerrief das Finanzamt die mit Bescheiden vom 17. Februar und vom 6. April 1993 bewilligte Aussetzung der Einhebung mit der Begründung, das Verhalten der Beschwerdeführerin (Verkauf der Liegenschaft, Einstellung des Betriebes, Verkauf aller Wirtschaftsgüter) sei auf eine Gefährdung der Einbringlichkeit der Abgabenschulden gerichtet, weswegen der Widerruf der Aussetzung der Einhebung gerechtfertigt erscheine.

Mit Berufung wandte die Beschwerdeführerin ein, der Verkauf der Liegenschaft sowie die Einstellung des Betriebes unter gleichzeitigem Verkauf aller Wirtschaftsgüter sei wirtschaftlich notwendig gewesen. Mit den erzielten Erlösen sollten Verbindlichkeiten abgedeckt werden, um so ihre hohe Zinsenbelastung zu verringern. Die gesetzten Maßnahmen hätten somit ausschließlich dazu gedient, weitere betriebliche Verluste zu vermeiden. Überdies sei die Liegenschaft mit einem Belastungs- und Veräußerungsverbot sowie einem Pfandrecht zu Gunsten einer Bank belastet. Der Abgabenbehörde wäre es daher niemals möglich gewesen, ein Pfandrecht auf der Liegenschaft zu begründen, um in der Folge einen Veräußerungserlös zur Tilgung der Abgabenschulden zu erzielen.

Auf Vorhalt der belangten Behörde gab die Beschwerdeführerin bekannt, das negative Kapitalkonto ihres Betriebes habe nach dem Verkauf aller Wirtschaftsgüter rund 101 Mio S betragen. Die Liegenschaft samt Zubehör sei an die TE-GmbH verkauft worden. Die Wirtschaftsgüter seien an die D GmbH, die TAB GmbH und die GS GmbH verkauft worden. Aus allen Verkäufen seien Erlöse von rund 19 Mio S erzielt worden. Es sei jedoch zu keinen Zahlungen, sondern nur zum (teilweisen) Ausgleich von Verrechnungskonten gekommen. Ihre Verbindlichkeiten an eine Bank, Lieferanten, die D GmbH, die TAB GmbH, die GS GmbH, die CPC GmbH und die US GmbH betrügen noch rund 13 Mio S. Diese Verbindlichkeiten seien weder besichert, noch bestünden konkrete Vereinbarungen über deren Abstattung.

Aus den von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsakten ist ersichtlich, dass die Beschwerdeführerin und ihr Ehemann zu je 50 % am Stammkapital der D GmbH beteiligt sind, wobei beide als Geschäftsführer fungieren. An der TAB GmbH sind die Beschwerdeführerin, ihr Ehemann sowie ihre Kinder zu je 25 % am Stammkapital beteiligt, wobei ihr Ehemann als alleiniger Geschäftsführer fungiert. An der US GmbH sind die Beschwerdeführerin zu 25 % und ihr Ehemann zu 75 % beteiligt, wobei beide als Geschäftsführer fungieren. Die von der Beschwerdeführerin verkaufte Liegenschaft ist mit keinem Belastungs- und Veräußerungsverbot belastet.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung unter Hinweis auf § 294 Abs 1 lit a sowie § 212a Abs 2 lit c BAO ab, wobei sie zur Begründung im Wesentlichen ausführte, in der Vermögensverschiebung an Gesellschaften, zu denen ein Naheverhältnis bestehe, sei ein Verhalten zu erblicken, das auf eine Gefährdung der Einbringlichkeit der Abgabenschulden gerichtet sei. Die Beschwerdeführerin habe die Erlöse aus dem Verkauf der Liegenschaft und aller Wirtschaftsgüter ausschließlich ihr nahe stehenden Gesellschaften überlassen, um so deren wirtschaftliche Existenz zu sichern. Andere Gläubiger seien hingegen überhaupt nicht befriedigt worden. Durch diese Maßnahmen sei andrängenden Gläubigern, darunter auch dem Bund als Abgabengläubiger, der Zugriff auf Vermögenswerte verwehrt worden. Es bestehe daher durch die von der Beschwerdeführerin gesetzten Maßnahmen die Gefahr der Uneinbringlichkeit der Abgabenschulden. Hätte die Abgabenbehörde bereits vor Bewilligung der Aussetzung der Einhebung von den im Nachhinein von der Beschwerdeführerin gesetzten Maßnahmen Kenntnis gehabt, wäre diese Bewilligung nicht erteilt worden. Es liege daher eine Änderung der Verhältnisse vor, weswegen die Aussetzung der Einhebung zu widerrufen sei. Daran vermögen die Ausführungen der Beschwerdeführerin über die Verringerung ihrer hohen Zinsenbelastung nichts zu ändern. Denn die erzielten Erlöse seien ausschließlich den nahe stehenden Gesellschaften, die der Beschwerdeführerin keine bzw nur geringe Zinsen angelastet hätten, zugekommen, nicht jedoch dazu verwendet worden, insbesondere Bankschulden der Beschwerdeführerin mit hoher Zinsenbelastung abzudecken. Die Behauptung, die verkaufte Liegenschaft sei mit einem Belastungs- und Veräußerungsverbot belastet, widerspreche dem Grundbuchstand, weswegen es der Abgabenbehörde im Gegensatz zu den Ausführungen der Beschwerdeführerin sehr wohl möglich gewesen wäre, ein Pfandrecht auf der Liegenschaft zu begründen, um so die Einbringlichkeit der Abgabenschulden zu sichern. Bei dem bei einer Erledigung nach § 294 Abs 1 BAO auszuübenden Ermessen sei dem Interesse der Beschwerdeführerin an der (weiteren) Aussetzung der Einhebung das Interesse des Bundes am regelmäßigen Zufluss von Abgaben gegenüber zu stellen. Im gegenständlichen Fall sei zu beachten, dass nur durch den Widerruf der Aussetzung der Einhebung die Abgabenbehörde in die Lage versetzt werde, die die Einbringlichkeit der Abgabenschulden gefährdenden Maßnahmen der Beschwerdeführerin durch Anfechtungsklagen rückgängig zu machen. Andernfalls bestünde die Gefahr der Uneinbringlichkeit der Abgabenschulden. Demnach sei im gegenständlichen Fall den Zweckmäßigkeitsgründen Vorrang gegenüber dem Interesse der Beschwerdeführerin an der (weiteren) Aussetzung der Einhebung einzuräumen, zumal nur so die künftige Einbringlichkeit der Abgabenschulden gewahrt und ein bereits entstandener Abgabenausfall in Grenzen gehalten werden könne.

Über die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Wie der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 25. Jänner 1994, 94/14/0096, Slg Nr 6934/F, ausgeführt hat, steht die Gefährdung der Einbringlichkeit der Abgabenschulden an sich der Aussetzung der Einhebung nicht entgegen. Lediglich ein Verhalten des Abgabepflichtigen, das auf eine Gefährdung der Einbringlichkeit der Abgabenschulden gerichtet ist, stellt gemäß § 212a Abs 2 lit c BAO ein Hindernis für die Bewilligung der Aussetzung der Einhebung dar. Ein solches Verhalten liegt zB vor, wenn der Abgabepflichtige sein Vermögen an nahe Angehörige überträgt.

Die Beschwerdeführerin hat nach Bewilligung der Aussetzung der Einhebung eine Liegenschaft sowie Wirtschaftsgüter verkauft und die Erlöse ausschließlich ihr nahe stehenden Gesellschaften überlassen. Diese Maßnahmen stellen iSd Ausführungen im zitierten Erkenntnis ein Verhalten dar, das auf eine Gefährdung der Einbringlichkeit der Abgabenschulden gerichtet ist. Im Zeitpunkt der Bewilligung der Aussetzung der Einhebung ist ein Sachverhalt, der diese Bewilligung verhindert hätte, nicht vorgelegen. Dieses Hindernis ist erst im Nachhinein durch Maßnahmen der Beschwerdeführerin herbeigeführt worden. Der belangten Behörde kann daher nicht entgegen getreten werden, wenn sie in Ausübung des ihr eingeräumten Ermessens unter Berücksichtigung des Interesses des Bundes am regelmäßigen Zufluss von Abgaben die Bewilligung der Aussetzung der Einhebung unter Anwendung des § 294 Abs 1 lit a BAO widerrufen hat, um so die Möglichkeit zu schaffen, die Abgabenschulden einzubringen.

Daran vermag das umfangreiche Beschwerdevorbringen, das auch im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof unbeachtliche Neuerungen enthält, nichts zu ändern. Wie die belangte Behörde bereits zu Recht ausgeführt hat, hat die Beschwerdeführerin die erzielten Erlöse ausschließlich ihr nahe stehenden Gesellschaften überlassen, nicht jedoch dazu verwendet, insbesondere ihre Bankschulden abzudecken, um so ihre Zinsenbelastung zu verringern. Dass mit dem Verkauf der Liegenschaft sowie aller Wirtschaftsgüter, wobei die daraus erzielten Erlöse ausschließlich nahe stehenden Gesellschaften überlassen worden sind, um so deren wirtschaftliche Existenz zu sichern, dem Bund als Abgabengläubiger der Zugriff auf Vermögenswerte mangels möglicher Anfechtung der von der Beschwerdeführerin gesetzten Maßnahmen verwehrt worden ist, bedarf keiner weiteren Ausführungen. Die Behauptung, die verkauften Wirtschaftsgüter hätten nur für die Gesellschaften einen Wert besessen, stellt eine im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof unbeachtliche Neuerung dar. Welche Erlöse den einzelnen Gesellschaften im Endeffekt tatsächlich zugekommen sind, und ob einzelne Wirtschaftsgüter trotz bestehender Pfandrechte verkauft worden sind, ändert nichts an der Tatsache, dass die Beschwerdeführerin mit dem Verkauf aller Wirtschaftsgüter die Einbringlichkeit der Abgabenschulden gefährdet hat.

In Ausführung der behaupteten Verletzung von Verfahrensvorschriften trägt die Beschwerdeführerin zunächst vor, die belangte Behörde habe die Berufung abgewiesen, ohne im Spruch des angefochtenen Bescheides eine taugliche Norm für den Widerruf der Aussetzung der Einhebung zu nennen. Das Finanzamt habe sich beim Widerruf der Aussetzung der Einhebung nur auf § 212a BAO gestützt, obwohl in diesem kein Widerruf vorgesehen sei.

Mit diesen Ausführungen zeigt die Beschwerdeführerin keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf. Der BAO kann kein Hinweis entnommen werden, dass im Spruch eines Abgabenbescheides jene Normen zu nennen sind, die der Entscheidung zugrunde liegen (vgl das hg Erkenntnis vom 27. Mai 1998, 93/13/0052, mwA). Unter Berücksichtigung, dass die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides eindeutig zum Ausdruck gebracht hat, § 294 Abs 1 lit a sowie § 212a Abs 2 lit c BAO anzuwenden, und auch die Beschwerdeführerin nicht in Abrede stellt, eine einmal bewilligte Aussetzung der Einhebung gemäß § 294 Abs 1 lit a BAO dürfe widerrufen werden, wenn sich die tatsächlichen Verhältnisse geändert hätten, liegt die behauptete Verletzung von Verfahrensvorschriften nicht vor.

Mit dem Hinweis, § 294 Abs 1 BAO räume der Abgabenbehörde kein Ermessen ein, zeigt die Beschwerdeführerin ebenfalls keine Rechtswidrigkeit auf. Wie der Verwaltungsgerichtshof im bereits zitierten Erkenntnis 94/14/0096 ausgeführt hat, räumt das Gesetz der Abgabenbehörde in § 294 iVm § 212a Abs 5 BAO die Möglichkeit eines Widerrufes ein. Ob die Abgabenbehörde von dieser Möglichkeit Gebrauch macht, liegt in ihrem Ermessen.

Mit den weiters geltend gemachten Verletzungen von Verfahrensvorschriften zeigt die Beschwerdeführerin schon deswegen keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf, weil die belangte Behörde zu Recht davon ausgehen durfte, dass die Beschwerdeführerin nach Bewilligung der Aussetzung der Einhebung Maßnahmen gesetzt hat, die zu einer Gefährdung der Einbringlichkeit der Abgabenschulden geführt haben. Hiebei ist es unerheblich, aus welchen Motiven diese Maßnahmen gesetzt worden ist. Entscheidend ist die objektive Gefährdungseignung der gesetzten Maßnahmen (vgl nochmals das bereits mehrfach zitierte hg Erkenntnis 94/14/0096).

Die Beschwerde erweist sich somit insgesamt als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs 1 VwGG abzuweisen.

Von der von der Beschwerdeführerin beantragten Verhandlung konnte aus den in § 39 Abs 2 Z 6 VwGG genannten Gründen abgesehen werden.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl Nr 416/1994.

Wien, am 21. Dezember 1999

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