Normen
BAO §212a Abs2 litc;
BAO §212a Abs2 litc;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.089,68 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Anlässlich einer bei der Beschwerdeführerin durchgeführten abgabenbehördlichen Prüfung wurde folgender Sachverhalt festgestellt:
Im Mai 1993 seien zwei Verträge betreffend die "Rückvergütung von Abgaben lt. § 45 Zollgesetz" abgeschlossen worden. Vertragspartner des ersten Vertrages seien die G. GmbH und die U. GmbH gewesen. Vertragspartner des zweiten Vertrages seien die U. GmbH und die Beschwerdeführerin gewesen. Vertragsinhalt sei im Wesentlichen gewesen, dass einerseits die G. GmbH der U. GmbH und diese der Beschwerdeführerin "Know-How" zur einfach handhabbaren Durchführung einer Rückerstattung von Außenhandelsförderungsbeiträgen zur Verfügung stellen und andererseits die Beschwerdeführerin - welche die erwähnten Rückerstattungen für von ihr akquirierte Kunden gegen ein Honorar zwischen 10 bis 50 % der rückerstatteten Beträge betreiben sollte -
der U. GmbH Provisionen im Ausmaß von 80 % der von ihr vereinnahmten Nettoerlöse und die U. GmbH ebensolche Provisionen (80 % der von ihr vereinnahmten Provisionen) an die G. GmbH zahlen sollte.
Vor dem Hintergrund näher dargestellten Spezialwissens des Geschäftsführers der Beschwerdeführerin, Mag. Michael L., im "Zollsoftwarebereich", auf Grund dessen die Hilfe Fremder bei der Erstellung entsprechender Software und Beratungsleistungen im Zusammenhang mit den "AF Rückvergütungen" gar nicht nötig gewesen seien, gelangte der Prüfer zur Ansicht, dass den Verträgen kein Leistungsaustausch zu Grunde gelegen sei, zumal die in den Verträgen vereinbarten Provisionszahlungen zwar an die U. GmbH (in den Jahren 1994 bis 1996 im Ausmaß von insgesamt S 57,194.011,--) gezahlt, in weiterer Folge aber nicht an die G. GmbH, sondern auf Umwegen auf Konten geflossen seien, die dem Geschäftsführer der Beschwerdeführerin zuzurechnen gewesen seien. Nutznießer sei Mag. Michael L. gewesen, welcher sich dadurch bereichert habe, indem er "Scheinaufwendungen in" der Beschwerdeführerin konstruiert habe und diese Aufwendungen mit 20 %igem Abschlag auf ihm zuzurechnende bzw. von ihm innegehabte Konten "schleuste". In den Bestimmungen des GesmbH-Gesetzes werde eindeutig normiert, dass es dem Geschäftsführer nicht gestattet sei, Geschäftschancen der Gesellschaft an sich zu ziehen. Ebenso wenig dürfe der Geschäftsführer sich an die geschäftliche Tätigkeit der Gesellschaft "anhängen", um daraus mittelbar Vorteile für sich abzuleiten. Es sei ihm daher verboten, sich beim Abschluss von Rechtsgeschäften zwischen der Gesellschaft und einem Dritten Provisionen versprechen zu lassen, Schmiergelder entgegenzunehmen oder andere Vorteile für sich auszuhandeln. Es könne dabei von der allgemeinen Erfahrung des täglichen Lebens ausgegangen werden, dass Zuwendungen an den Geschäftsführer zu Lasten der Gesellschaft gingen. Der Prüfer vertrat in der Folge die Ansicht, dass daraus folgende steuerliche Konsequenzen zu ziehen seien: 1. Die geltend gemachten Vorsteuern seien (im Ausmaß von insgesamt S 9,532.335,--) zu kürzen, 2. die Aufwendungen im Ausmaß von insgesamt S 47,661.676,-- seien nicht anzuerkennen und 3. seien verdeckte ("Gewinn"-)Ausschüttungen im Ausmaß von insgesamt S 57,194.011,-- zu erfassen.
Das Finanzamt folgte der Ansicht des Prüfers und forderte als Ergebnis u.a. dieser Feststellungen Umsatz-, Körperschaft- und Kapitalertragsteuern für die Jahre 1994 bis 1996 im Gesamtausmaß von rd. S 38 Mio. nach.
In dagegen erhobenen Berufungen brachte die Beschwerdeführerin mit umfangreicher Begründung vor, dass der in den Verträgen vereinbarte Leistungsaustausch entgegen der Ansicht des Prüfers doch stattgefunden habe. Es lägen daher weder Scheingeschäfte noch verdeckte Ausschüttungen vor. Es sei zwar richtig, dass Mag. Michael L. so genannte "Kick-Back-Zahlungen" in einer Größenordnung von ca. 19,7 Mio. erhalten habe, dies aber auf Grund einer näher dargestellten Vereinbarung (über eine "private Sonderprovision" für zusätzliche Beratungsleistungen) mit dem ab 27. April 1995 als Geschäftsführer der G. GmbH fungierenden Roman B.; diese Einnahmen seien auch in den persönlichen Steuererklärungen des Mag. Michael L. der Jahre 1995 und 1996 sowohl der Einkommensteuer als auch der Umsatzsteuer unterworfen worden. Weitere Zuflüsse (im Ausmaß von ca. S 18,3 Mio.) seien auf Sparbücher und Konten erfolgt, welche Mag. Michael L. treuhändig für Roman B. eröffnet habe.
Zeitgleich mit den Berufungen wurde der Antrag gestellt, die Einhebung der mit Berufung bekämpften Abgaben an Umsatz-, Körperschaft- und Kapitalertragsteuer auszusetzen.
Mit Bescheid vom 8. Juli 1999 bewilligte das Finanzamt die Aussetzung der Einhebung.
Mit dem angefochtenen Bescheid hob die belangte Behörde diesen Bescheid gemäß § 299 Abs. 2 BAO auf. Begründend führte die belangte Behörde nach ausführlicher Wiedergabe der Feststellungen der abgabenbehördlichen Prüfung aus, dass das Finanzamt bei der Prüfung der Voraussetzungen für die Bewilligung der Aussetzung der Einhebung den Umstand nicht beachtet habe, dass ein Verhalten, das für die Abgabenfestsetzung von Bedeutung und daher Gegenstand des Berufungsverfahrens sei, gleichzeitig auch als ein die Abgabeneinhebung gefährdendes Verhalten im Sinne des § 212a Abs. 2 lit. c BAO angesehen werden könne. Verlagere ein Abgabepflichtiger den wirtschaftlichen Erfolg seiner Aktivitäten durch fingierte Betriebsaufwendungen an andere Personen bzw. in weiterer Folge ins Ausland und habe diese Vorgangsweise zur Folge, dass die für die Entrichtung der tatsächlich geschuldeten Abgaben erforderlichen finanziellen Mittel durch Zahlungsfluss an andere Personen bzw. in weiterer Folge ins Ausland dem Zugriff der Finanzverwaltung entzogen werden, sei ein solches Verhalten gleichermaßen für die Ermittlung der Abgabenbemessungsgrundlagen wie auch für die Abgabeneinhebung von Relevanz. Es könne daher durchaus den Tatbestand des § 212a Abs. 2 lit. c BAO erfüllen, vorausgesetzt, dass es zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag auf Aussetzung der Einhebung als Verhalten oder als dessen Wirkung noch anhalte. Da die Beschwerdeführerin wiederholt beteuert habe, die von der Betriebsprüfung festgestellten Scheinausgaben seien tatsächlich bezahlt worden, in die Verfügungsmacht eines (dritten) Provisionsempfängers gelangt und weder direkt noch indirekt an sie zurückgeflossen, sei das von der Betriebsprüfung der Beschwerdeführerin vorgeworfene Verhalten durchaus geeignet, ihr zuzurechnende finanzielle Mittel dem Zugriff der Finanzverwaltung zu entziehen und damit die Einbringung von Abgaben zu gefährden. Die im freien Ermessen erfolgte Ausübung des dienstaufsichtsbehördlichen Behebungsrechtes sei insbesondere im Hinblick auf den Vorrang des Prinzipes der Rechtsrichtigkeit vor dem der Rechtssicherheit erfolgt. Da im gegenständlichen Fall die den aufgehobenen Bescheid belastende Rechtswidrigkeit weit reichende Folgen nach sich ziehe und das Interesse an der Einbringung von Abgabenschuldigkeiten beim Festhalten an der fehlerhaften Erledigung ernstlich gefährdet werde, sei dem Interesse des Abgabepflichtigen am Bestand des rechtswidrigen Bescheides nur eine untergeordnete Bedeutung beizumessen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die dagegen erhobene Beschwerde erwogen:
Die belangte Behörde begründete die Aufhebung des Bescheides über die Aussetzung der Einhebung von Abgaben im Beschwerdefall nahezu wörtlich mit den Argumenten, mit welchem der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 15. September 1999, 94/13/0063, die Beschwerde einer KG gegen die Verweigerung der Bewilligung der Aussetzung der Einhebung von Abgaben abgewiesen hat. Die belangte Behörde übersieht jedoch, dass der dem zitierten Erkenntnis zu Grunde gelegene Sachverhalt entscheidend anders gelagert war als im Beschwerdefall. Im damaligen Beschwerdefall ist die Behörde davon ausgegangen, dass durch das Verhalten der handelnden Entscheidungsträger der (damaligen) beschwerdeführenden KG große Geldbeträge ins Ausland geflossen sind, deren Verbleib nicht hätte geklärt werden können. Im Beschwerdefall ist die Behörde demgegenüber davon ausgegangen, dass die von der Beschwerdeführerin auf Grund der abgeschlossenen Verträge bezahlten Beträge - soweit sie nicht von der (inländischen) U. GmbH vereinnahmt wurden und bei ihr verblieben - auf inländische Bankkonten und Sparbücher geflossen seien, welche dem sich ebenfalls im Inland aufhaltenden Gesellschafter-Geschäftsführer der Beschwerdeführerin zuzurechnen seien. Ein weiterer Punkt, in welchem der dem zitierten Erkenntnis von dem im Beschwerdefall zu Grunde liegenden Sachverhalt entscheidend abweicht, ist darin zu sehen, dass es sich bei der Beschwerdeführerin um eine GmbH handelt. Dieser Umstand rechtfertigt in Verbindung mit dem als erwiesen angenommenen Zufließen der entsprechenden Geldbeträge an den Gesellschafter-Geschäftsführer Mag. L. grundsätzlich die Beurteilung des Sachverhaltes als verdeckte Ausschüttung. Tatsächlich war in den der im Beschwerdefall ursprünglich bewilligten und nunmehr mit dem angefochtenen Bescheid erfolgten Aufhebung der Aussetzung der Einhebung von Abgaben zu Grunde liegenden Berufungsverfahren in erster Linie die Frage strittig, ob die Beschwerdeführerin unter Vortäuschung eines geschäftlichen Rechtsgrundes einem ihrer Gesellschafter Vermögensvorteile zugewendet hat, welche sie ihr fremd gegenüber stehenden Personen nicht zugewandt hätte und insofern verdeckte Ausschüttungen vorliegen. Allfällige verdeckte Ausschüttungen einer GmbH an einen Gesellschafter stellen jedoch allein noch kein auf die Gefährdung der Einbringlichkeit von Abgaben gerichtetes, der Aussetzung der Einhebung von Abgaben entgegenstehendes Verhalten dar. Diese Beurteilung ist schon deshalb geboten, weil andernfalls in allen Berufungsfällen, in welchen die Frage verdeckter Ausschüttungen von Kapitalgesellschaften strittig ist, eine Bewilligung der Aussetzung der Einhebung von Abgaben im Hinblick auf § 212a Abs. 2 lit. c BAO nicht in Betracht käme.
Besondere Konstellationen, welche die verdeckten Ausschüttungen in den dem Beschwerdefall vorgelagerten Abgabenverfahren auch als ein der Aussetzung der Einhebung von Abgaben entgegenstehendes Verhalten rechtfertigten, zeigt die belangte Behörde im Beschwerdefall nicht auf. Soweit sie im Beschwerdefall von einer Verlagerung des wirtschaftlichen Erfolges durch fingierte Betriebsaufwendungen "an andere Personen bzw. in weiterer Folge ins Ausland" ausgeht, ist darauf hinzuweisen, dass eine Verlagerung von allenfalls als verdeckte Ausschüttungen einem Gesellschafter zugeflossenen Geldbeträgen ins Ausland (durch diesen) für sich allein kein der Aussetzung der Einhebung von Abgaben entgegenstehendes Verhalten des von den Abgaben betroffenen Abgabepflichtigen (der GmbH) darstellt. Es kann daher im Beschwerdefall dahingestellt bleiben, ob Mag. Michael L. nach allfälligem Zufluss verdeckter Ausschüttungen an ihn Geldverlagerungen ins Ausland durchgeführt hat oder, wie dies in der Beschwerde vorgebracht wird, bestimmte Geldbeträge noch während der Durchführung der abgabenbehördlichen Prüfung aus dem Ausland zurückgeholt und in Österreich veranlagt wurden.
Der angefochtene Bescheid erweist sich daher als inhaltlich rechtswidrig, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001. Die Umrechnung der entrichteten Stempelgebühren gründet sich auf § 3 Abs. 2 Eurogesetz, BGBl. I Nr. 72/2000.
Wien, am 24. Juni 2003
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