European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0070OB00120.24H.0923.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien die mit 1.839,42 EUR (darin enthalten 306,85 EUR an USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
[1] Die Klägerin ist grundbücherliche Alleineigentümerin des Grundstücks Nr 1852/2 der EZ *, in der KG *, das sie am 19. Februar 2021 von H* P* (in Folge Rechtsvorgängerin) erwarb. Die Rechtsvorgängerin war und ist Miteigentümerin im Ausmaß eines ideellen Drittels an der EZ * in der KG *, bestehend aus den Grundstücken Nr 178 und 179, dies gemeinsam mit E* L* und J* H*. Zwischen den Grundstücken Nr 178 und Nr 1852/2 befindet sich eine Mauer samt Holzzaun (Jägerzaun), wobei sich am rechten Ende des Grundstücks Nr 1852/2 in Richtung des Grundstücks Nr 178 gesehen ein Gatter befindet. Die Beklagten errichteten im September 2022 diesem vorgelagert einen fest verbauten Holzzaun entlang des Gatters (Jägerzauns) zum Grundstück Nr 1852/2.
[2] Mit ihrem noch allein gegenständlichen Eventualklagebegehren begehrt die Klägerin die Beklagten zu verpflichten, den Teil des von ihnen errichten Zauns, der dem auf Grundstück Nr 1852/2 dahinter befindlichen Gatter vorgelagert ist und damit den Zugang auf Grundstück Nr 1852/2 verunmöglicht, zu entfernen und den ursprünglichen Zustand wieder herzustellen. Die Beklagten hätten durch die Errichtung des Zauns in das zugunsten ihrer Liegenschaft bestehende Geh‑ und Fahrtrecht eingegriffen.
Rechtliche Beurteilung
[3] Die Revision ist – ungeachtet des den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) – Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig. Die Begründung kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 ZPO).
[4] 1. Das Fehlen einer ausdrücklichen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu einer konkreten Fallgestaltung begründet für sich genommen noch keine erhebliche Rechtsfrage (vgl RS0102181). Lässt sich – wie im vorliegenden Fall – die für erheblich erachtete Rechtsfrage durch Anwendung der bestehenden Rechtsprechung klären, ist die Revision zurückzuweisen (vgl RS0118640).
[5] 2. Die Klägerin vertritt hier einerseits die von ihr behauptete Dienstbarkeit des Geh‑ und Fahrtrechts sei dadurch entstanden, dass die – ihr das potentiell herrschende Grundstück Nr 1852/2 übereignende – Rechtsvorgängerin auch Miteigentümerin der potentiell dienenden Liegenschaft (gewesen) sei und daher durch die Aufhebung der Eigentümeridentität entstanden sei.
[6] 2.1 Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, dass solange Eigentümeridentität besteht, die Begründung einer Dienstbarkeit (eine sogenannte „Eigentümerdienstbarkeit“) nicht in Betracht kommt. Dem österreichischen Sachenrecht ist die Möglichkeit der Begründung einer Grunddienstbarkeit im Verhältnis zweier im Eigentum derselben Person stehenden Liegenschaften fremd; eine solche kann daher nicht ins Grundbuch eingetragen werden (RS0122304 [T2]; 2 Ob 108/13s mwN; 5 Ob 163/20m).
[7] 2.2 In der Rechtsprechung ist aber anerkannt, dass bei Übereignung einer von zwei Liegenschaften desselben Eigentümers, von denen eine offenkundig, der anderen dient und weiterhin dienen soll, auch ohne spezifische Vereinbarung und Verbücherung unmittelbar durch den Übertragungsakt eine (außerbücherliche) Dienstbarkeit entsteht (RS0011618; RS0131628). Offenkundigkeit ist anzunehmen, wenn im Zeitpunkt der Eigentumsübertragung eine Inanspruchnahme der einen Liegenschaft zum Nutzen der anderen durch offenkundige Vorgänge oder ersichtliche Anlagen bzw Einrichtungen erkennbar ist (RS0011547; RS0011633) oder der Erwerber davon positiv Kenntnis hat (RS0011618 [T10]). Es wird angenommen, dass der mittels des Übertragungsaktes tatsächlich geschaffene Zustand der Natur einer Dienstbarkeit entspricht und die Dienstbarkeit somit unmittelbar durch den Übertragungsakt entsteht, weil im Zweifel anzunehmen ist, dass ein bestehender Zustand aufrecht bleibt und demnach die Eigentümerbefugnis als Grunddienstbarkeit fortbestehen soll (RS0011618 [T13]). Dabei handelt es sich um eine Auslegungsregel (2 Ob 156/20k mwN). Denn die Vertragsparteien können ausdrücklich oder schlüssig etwas anderes vereinbaren und so das Entstehen einer Grunddienstbarkeit vertraglich ausschließen (RS0011618 [T18]; RS0011643 [T4]). Dies ist aber nicht die Regel (vgl RS0011618 [T2]).
[8] 2.3.1 Keiner weiteren Begründung bedarf, dass keine Identität des Eigentümers beider Liegenschaften vorliegt, wenn der Alleineigentümer der – wie hier – (potentiell) herrschenden Liegenschaft bloß Minderheitseigentümer der potentiell dienenden Liegenschaft ist. Das (Allein-)Eigentum vermittelt nach § 354 ABGB im Allgemeinen die Befugnis, mit der Substanz und den Nutzungen einer Sache nach Willkür zu schalten, und jeden Andern davon auszuschließen. Wenn eine noch ungeteilte Sache mehreren Personen zugleich zugehört, so entsteht gemäß § 361 ABGB ein gemeinschaftliches Eigentum. In Beziehung auf das Ganze werden die Miteigentümer für eine einzige Person angesehen (vgl 5 Ob 162/15g).
[9] 2.3.2.1 Die oben dargestellte Rechtsprechung zur Entstehung einer Servitut bei Übereignung einer von zwei Liegenschaften desselben Eigentümers beruht auch auf Zweckmäßigkeitserwägungen (5 Ob 118/07z) und beruft sich auf § 526 ABGB, der das „Ruhen“ der Dienstbarkeit während der Dauer der Vereinigung des herrschenden und dienenden Grundstücks in einer Hand anordnet (3 Ob 29/14g, zur weiteren Begründung vgl auch 2 Ob 108/13s).
[10] 2.3.2.2 Bereits aus der dargestellten Rechtsprechung lässt sich eindeutig ableiten, dass sich für eine „Übertragung“ dieser Rechtsprechung auf den vorliegenden Fall weder Zweckmäßigkeitserwägungen noch die Bestimmung des § 526 ABGB ins Treffen führen lassen. Während bei Eigentümeridentität die Begründung einer Dienstbarkeit von vornherein ausscheidet, gilt dies für den Fall, dass an einer Liegenschaft lediglich Miteigentum besteht, gerade nicht. Dienstbarkeiten eines Miteigentümers an der gemeinschaftlichen Sache sind nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (RS0011528) hingegen möglich; dafür ist jedoch Voraussetzung, dass alle Miteigentümer zustimmen (6 Ob 120/20w mwN). So kann etwa der Alleineigentümer des herrschenden Grundstücks auch Miteigentümer der dienenden Grundstücke sein (vgl 5 Ob 162/15g). Hätte der durch den Übertragungsakt tatsächlich geschaffene Zustand in dieser Konstellation schon zuvor die Natur einer Dienstbarkeit, wäre es dem Veräußerer freigestanden, diese einverleiben zu lassen. Ebenso kann sich der Erwerber auf eine durch den Veräußerer ersessene Dienstbarkeit berufen.
[11] 2.4 Die von der Klägerin dagegen ins Treffen geführte Rechtsprechung, dass eine gemeinschaftlich gehörige Liegenschaft nicht von einem Miteigentümer zu einem ideellen Teil mit einer Dienstbarkeit belastet werden könne (RS0013190), bezieht sich auf die Belastung nur des ideellen Miteigentumsanteils an einer Dienstbarkeit.
[12] 3. Die Klägerin gründet das Bestehen der von ihr behaupteten Dienstbarkeit auch auf eine Ersitzung durch ihre Rechtsvorgängerin.
[13] 3.1 Miteigentümer können Dienstbarkeiten an einem im Miteigentum stehenden Grundstück auch ersitzen (9 Ob 92/06d mwN). Für die Ersitzung einer Dienstbarkeit ist grundsätzlich eine für den Eigentümer des belasteten Guts erkennbare Rechtsausübung nötig, die ihrem Inhalt nach dem zu erwerbenden Recht entspricht. Erforderlich ist, dass die Ausübung des Rechtsinhalts (erkennbar) als Recht in Anspruch genommen wird. Die Inanspruchnahme des Gemeingebrauchs oder einer jedermann unter bestimmten Voraussetzungen möglichen örtlichen Übung stellt keine Besitzausübung dar (vgl 9 Ob 92/06d; 1 Ob 163/13x). Der zur Ersitzung erforderliche Rechtsbesitz wird also dadurch erworben, dass ein – wirkliches oder angebliches – Recht gegen jemanden gebraucht wird und dieser sich fügt (RS0108666).
[14] 3.2 Dies gilt auch für den Fall des Miteigentums. Entscheidend ist dabei, dass der ersitzende Miteigentümer eine Tätigkeit entfalten muss, die sich nicht bloß als Ausübung seines Miteigentumsrechts darstellt, sondern gegenüber dem anderen Miteigentümer die Absicht kundtut, mit dieser Tätigkeit ein Alleinrecht auszuüben (vgl 9 Ob 92/06d). Ob der Belastete erkennen kann, dass Rechtshandlungen in Ausübung eines Rechts erfolgen, hängt nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung ebenso von den Umständen des Einzelfalls ab (RS0033021) wie die Beurteilung, ob im Hinblick auf den Inhalt der Prozessbehauptungen eine bestimmte Tatsache als vorgebracht anzusehen ist (RS0042828).
[15] 3.3 Vor diesem Hintergrund erweist sich die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, dass esan ausreichendem Vorbringen der Klägerin mangle, wonach ihre Rechtsvorgängerin den Zugang nicht als Miteigentümerin, sondern in Ausübung eines anderen Rechts nutzte, als jedenfalls vertretbar. Tatsächlich wurden von der Klägerin in erster Instanz keine Behauptungen und Beweise dahin vorgebracht, dass ihre Rechtsvorgängerin im Zusammenhang mit der Benützung des fraglichen Zugangs über das in ihrem Miteigentum stehenden Grundstück gegenüber den anderen Miteigentümern die Absicht kundgetan habe, damit ein Allein- und nicht nur ihr Miteigentumsrecht auszuüben.
[16] 3.4 Die Beklagten haben sowohl in ihrer Klagebeantwortung als auch in ihrem vorbereitenden Schriftsatz ausdrücklich darauf hingewiesen, dass das Zugangsgatter für die Rechtsvorgängerin der Klägerin eingerichtet gewesen sei, damit diese als Miteigentümerin zu ihrer Gartenliegenschaft, die die Klägerin inzwischen gekauft habe, zugehen konnte. Nach ständiger Rechtsprechung bedarf es keiner gerichtlichen Anleitung zu einem Vorbringen, gegen das der Prozessgegner bereits Einwendungen erhoben hat. Angesichts solcher Einwendungen hat die Partei ihren Prozessstandpunkt selbst zu überprüfen und die erforderlichen Konsequenzen zu ziehen. Auch die Pflicht nach § 182a ZPO kann nicht bezwecken, das Gericht zur Erörterung eines Vorbringens zu zwingen, dessen Schwächen bereits der Prozessgegner aufzeigte (RS0120056 [T4]; RS0122365).
[17] 4. Da das Klagebegehren bereits an der fehlenden Darlegung eines Eingriffs in das behauptete Servitutsrecht scheitert, muss auf die geltend gemachte Mangelhaftigkeit und Aktenwidrigkeit mangels Relevanz ebenso wenig eingegangen werden, wie auf die Frage der Passivlegitimation der Beklagten als bloß unmittelbare Störer.
[18] 5. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).
[19] 6. Die Kostenentscheidung gründet auf die §§ 41, 50 ZPO; gemäß § 23a RATG gebührt nur ein ERV‑Zuschlag von 2,60 EUR. Die Beklagten haben auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels hingewiesen.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)