OGH 2Ob156/20k

OGH2Ob156/20k21.10.2021

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Veith als Vorsitzenden und den Hofrat Dr. Musger, die Hofrätin Dr. Solé sowie die Hofräte Dr. Nowotny und Mag. Pertmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mag. J* H*, vertreten durch Rechtsanwälte Dr. Amhof & Dr. Damian GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei Mag. M* G*, vertreten durch Dr. Christoph Gratl, Rechtsanwalt in Wien, wegen Feststellung und Einwilligung in die bücherliche Einverleibung einer Dienstbarkeit, Entfernung sowie Unterlassung (Streitwert 56.000 EUR), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 1. Juli 2020, GZ 2 R 171/19i‑16, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichts Innsbruck vom 30. Juli 2019, GZ 20 Cg 90/19x-10, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:E133017

 

Spruch:

Der außerordentlichen Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Rechtssache wird zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens bilden weitere Verfahrenskosten.

 

Begründung:

[1] Die Streitteile sind Geschwister, sie haben noch einen weiteren Bruder. Ihr Vater war seit 1974 Alleineigentümer eines Grundstücks, auf dem im östlichen Teil ein Einfamilienhaus errichtet war. Davor hatte der Bruder des Vaters dieses Grundstück landwirtschaftlich genutzt. Im Jahr 1988 teilte der Vater das Grundstück in drei Teile, weil er es noch zu Lebzeiten möglichst gerecht auf seine Kinder aufteilen wollte. Mit Schenkungs- und Pflichtteilsverzichtsvertrag vom 27. 8. 1988 erhielt die Beklagte den mittleren Teil. Der Bruder der Streitteile erhielt den westlichen Teil, den er in der Folge bebaute. Im Jahr 1997 erhielt der Kläger den östlichen Teil samt dem Einfamilienhaus.

[2] Schon vor der Übertragung des mittleren Grundstücksteils an die Beklagte hatte der Vater seit 1977 auf einem Teil des Gesamtgrundstücks, der sich nunmehr nach der Teilung in der nordöstlichen Ecke des Grundstücks der Beklagten befindet, Holzbearbeitungen und Holzlagerungen zu Heizzwecken für das Wohnhaus durchgeführt. Nach der Übergabe an die Beklagte änderte sich daran zunächst nichts. Das Brennholz wurde mit Zustimmung der Beklagten bis zum Jahr 2016 weiterhin auf der mittlerweile ihr gehörenden Fläche bearbeitet und gelagert. Eine schon seit 1973 auf der mittlerweile der Beklagten gehörenden Fläche errichtete Bauhütte (im westlichen Teil) wurde nach 1994 wegen Baufälligkeit entfernt. Etwas später errichtete der Kläger im Zuge des Ausbaus des von ihm übernommenen Hauses mit Zustimmung der Beklagten, solange diese ihr Grundstück nicht benötigte, im nordöstlichen Teil einen Holzlagerschuppen. Die Beklagte duldete die Nutzung ihres Grundstücks, wies jedoch darauf hin, dass es sich lediglich um einen Gefallen handle, der jederzeit widerrufen werden könne.

[3] Aufgrund einer familiären Streitigkeit widerrief die Beklagte gegenüber dem Kläger am 23. 5. 2016 die Duldung der Nutzung ihres Grundstücks und forderte ihn auf, dieses zu räumen. Dem kam der Kläger noch im Mai 2016 nach. Er brach auch den Holzschuppen ab und benützte seitdem das Grundstück der Beklagten nicht mehr. Im September 2016 errichtete die Beklagte einen Zaun, sodass es dem Kläger auch faktisch nicht mehr möglich war, das Grundstück der Beklagten für Holzarbeiten oder -lagerung zu nutzen. Auf der Liegenschaft des Klägers ist südlich und östlich des Hauses viel Platz zum Lagern und Verarbeiten von Holz, welches nach dem Abladen westlich des Hauses auch dorthin verbracht werden kann.

[4] DerKläger begehrt die Feststellung und Zustimmung zur Einverleibung der Dienstbarkeit des Lagerns und Bearbeitens von Holz und des Holzschuppenrechts (Aufstellen, Erhalten, Betreiben und Nutzen des Holzschuppens) auf einer insgesamt ca 50 m² großen Fläche (laut Plan) des Grundstücks der Beklagten. Weiters begehrt der Kläger die Entfernung des von der Beklagten an der Grundstücksgrenze der Streitteile errichteten Holzzaunes und die Unterlassung der Errichtung eines solchen sowie weiterer vergleichbarer Handlungen und ähnlicher Störungen. Unter Berücksichtigung der Rechtsausübung durch den Vater ab dem Jahr 1977 habe der Kläger die Dienstbarkeit ersessen. Für die Beklagte sei es bei Übernahme des Grundstücks offensichtlich gewesen, dass und in welchem Umfang der Teil des ihr übertragenen Grundstücks dem beim Vater verbleibenden Teil gedient habe und weiterhin dienen habe sollen. Im Zusammenhang mit dem Abschluss des Schenkungsvertrags im Jahr 1988 sei weder über eine Lastenfreiheit der Liegenschaft noch über einen bestimmten Wert gesprochen worden. Eine Einschränkung der bestehenden Rechtsausübung sei nicht Parteiwille gewesen.

[5] Die Beklagte wendete ein, der Kläger habe gewusst, dass lediglich eine temporäre Nutzung aufgrund familiärer Verhältnisse erfolge. Die Ersitzungszeit sei noch nicht abgelaufen. Die Beklagte habe mit der Übergabe des Grundstücks einen Pflichtteilsverzicht akzeptiert. Damit sei allen klar gewesen, dass die übereigneten Grundstücke entsprechende Werte aufweisen mussten und nicht mit wertvernichtenden Lasten belastet sein durften. Eine offenkundige Dienstbarkeit liege nicht vor, weil auf dem (nunmehrigen) Grundstücksteil des Klägers genügend Platz zur Holzlagerung vorhanden sei.

[6] Das Erstgericht wies die Klage ab. Der Zeitraum von 1977 bis 1988 sei bei der Berechnung der Ersitzungszeit nicht mit einzurechnen, da das Grundstück damals im Eigentum des Vaters gestanden sei und damit die für die Ersitzung erforderliche Voraussetzung des Rechtsbesitzes an einer fremden Sache fehle. Die erforderliche Ersitzungszeit von 30 Jahren sei daher nicht abgelaufen. Eine offenkundige Dienstbarkeit liege nicht vor, da der Holzschuppen keine erkennbare Anlage für Zwecke des Klägers darstelle. Der Holzlagerplatz und der Holzschuppen seien für die Benützung der Liegenschaft des Klägers nicht notwendig, zumal der Kläger sein eigenes Grundstück ohne die begehrte Dienstbarkeit nutzen könne. Der Vater als früherer Alleineigentümer habe auch nie einen Teil seines Grundstücks mit einer solchen belasten wollen.

[7] Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil. Es bewertete den Entscheidungsgegenstand mit 30.000 EUR übersteigend und sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Das Berufungsgericht hielt die Mängel- und die Beweisrüge für unberechtigt und teilte die Rechtsansicht des Erstgerichts. Es fügte hinzu, die erfolgte prekaristische Ausübung einer Dienstbarkeit könne ohnehin nicht zu einer Ersitzung führen. Durch die Teilung der Liegenschaft sei die behauptete Dienstbarkeit schon deshalb nicht entstanden, weil sie für das „herrschende“ Grundstück nicht zwingend notwendig sei.

[8] Dagegen richtet sich die außerordentliche Revision des Klägers mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im klagsstattgebenden Sinn abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

[9] Die Beklagte beantragt in der ihr vom Obersten Gerichtshof freigestellten Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

[10] Die Revision ist zulässig, weil das Berufungsgericht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs abgewichen ist. Sie ist im Sinne des Aufhebungsantrags auch berechtigt.

[11] Der Kläger macht geltend, die Entscheidung 4 R 176/18x (richtig: 4 R 156/18x) des Landesgerichts Innsbruck hinsichtlich eines analogen Sachverhalts zu einer Versorgungsleitung sei für die Entscheidung des vorliegenden Verfahrens bindend. Das Berufungsgericht sei überdies von den Feststellungen abgewichen und habe durch die Annahme eines Prekariums den Unmittelbarkeitsgrundsatz verletzt. Die Ersitzungszeit des Vormannes (hier des Vaters) wäre richtigerweise anzurechnen gewesen. Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs werde eine offenkundige Servitut bei Auseinanderfallen des Eigentums an beiden Grundstücken sofort wirksam. Dazu reiche ein bestehender konkreter Nutzen. Eine unumgängliche Notwendigkeit der Servitut zur Nutzung der herrschenden Liegenschaft sei nicht nötig. Ein schlüssiger Verzicht des Klägers auf die Dienstbarkeit liege nicht vor. Der Kläger habe von seinem Vater auch die schuldrechtliche Berechtigung zur unentgeltlichen Nutzung der Liegenschaft der Beklagten übernommen.

[12] Hiezu wurde erwogen:

[13] 1. Der geltend gemachte Nichtigkeitsgrund liegt nicht vor:

[14] 1.1 Die Rechtskraftwirkung (auch Einmaligkeitswirkung) setzt Identität der Parteien, des geltend gemachten Anspruchs und des rechtserzeugenden Sachverhalts voraus (RS0108828). Derselbe Streitgegenstandliegt nur vor, wenn der in der neuen Klage geltend gemachte prozessuale Anspruch sowohl hinsichtlich des Begehrens als auch des rechtserzeugenden Sachverhalts, also des Klagegrundes, ident ist mit jenem des Vorprozesses (RS0039347; RS0041229).

[15] 1.2 Im Verfahren 13 C 97/18y des Bezirksgerichts Innsbruck begehrte die hier Beklagte als Klägerin die Entfernung der zum Haus des (hier) Klägers führenden unterirdischen Wasserleitung mit dem Argument, ihr tatsächlicher Verlauf weiche von der diesbezüglich verbücherten Dienstbarkeit ab. Mit Beschluss des Landesgerichts Innsbruck, 4 R 156/18x, wurde das abweisende Urteil aufgehoben und die Rechtssache an das Bezirksgericht Innsbruck zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung zurückverwiesen, weil wesentliche Feststellungen (auch) zur Beurteilung, ob durch die Teilung des Grundstücks im Jahr 1988 eine Dienstbarkeit entstanden sei, fehlten. Der zweite Rechtsgang ist noch nicht abgeschlossen. Mangels Vorliegens einer Sachentscheidung und mangels Identität des Streitgegenstands kann dieser Beschluss keine Bindungswirkung für dasgegenständlicheVerfahren entfalten.

[16] 2. Die bittweise Ausübung einer Dienstbarkeit wurde vom Berufungsgericht nicht festgestellt, sondern ist Ergebnis seiner rechtlichen Beurteilung. Das Berufungsgericht ist daher nicht von den Feststellungen des Erstgerichts abgewichen.

[17] 3. Eine Nutzung der Liegenschaft der Beklagten durch den Vater oder den Kläger auf bloß schuldrechtlicher Grundlage lässt sich dem Sachverhalt weder entnehmen noch wurde dazu in erster Instanz Vorbringen erstattet. Zutreffend hat das Berufungsgericht darauf hingewiesen, dass die Beklagte die Nutzung ihres Grundstücks nach der Übereignung an sie nur gegen jederzeitigen Widerruf, nicht aber vorbehaltlos gestattete.

[18] 4. Eine „Ersitzungszeit“ des Vaters ist nicht anzurechnen:

[19] 4.1 Solange Eigentümeridentität besteht, kommt die Begründung einer Dienstbarkeit (einer sogenannten „Eigentümerdienstbarkeit“) nicht in Betracht. Dem ABGB ist die Möglichkeit der Begründung einer Grunddienstbarkeit im Verhältnis zweier im Eigentum derselben Person stehenden Liegenschaften fremd (5 Ob 163/20m; 2 Ob 108/13s;RS0122304 [T2]).

[20] 4.2 Der Vater konnte somit an Teilen des eigenen (bis dahin noch ungeteilten) Grundstücks mangels Rechtsbesitzes an einer fremden Sache die Ersitzung einer Dienstbarkeit nicht beginnen, der Kläger daher eine solche auch nicht fortsetzen. Damit konnte die Ersitzung einer Dienstbarkeit frühestens mit der Übertragung des Grundstücksteils an die Beklagte im Jahre 1988 beginnen. Bis zur Beendigung der Ausübung eines allfälligen solchen Rechtsbesitzes im Jahre 2016 war die erforderliche Ersitzungszeit von 30 Jahren (§§ 1470, 1493 ABGB) jedenfalls noch nicht abgelaufen. Schon deshalb konnte der Kläger die behauptete Dienstbarkeit nicht erfolgreich ersitzen. Ob der der Beklagten übergebene Grundstücksteil nach der Übergabe 1988 lediglich prekaristisch genutzt wurde, ist in diesem Zusammenhang nicht mehr relevant.

[21] 5. Ob durch die Teilung des Grundstücks und Übertragung eines Grundstücksteils an die Beklagte eine Dienstbarkeit entstanden ist, kann noch nicht abschließend beurteilt werden:

[22] 5.1 In der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ist anerkannt, dass bei Übereignung einer von zwei Liegenschaften desselben Eigentümers, von denen eine offenkundig der anderen dient und weiterhin dienen soll, auch ohne spezifische Vereinbarung und Verbücherung unmittelbar durch den Übertragungsakt eine (außerbücherliche) Dienstbarkeit entsteht (RS0011618). Offenkundigkeit liegt vor, wenn im Zeitpunkt der Eigentumsübertragung die Inanspruchnahme der einen Liegenschaft zum Nutzen der anderen durch offenkundige Vorgänge oder ersichtliche Anlagen bzw Einrichtungen erkennbar ist (vgl RS0011547; RS0011633) oder der Erwerber davon positive Kenntnis hat (1 Ob 220/20i; 7 Ob 71/18v; 5 Ob 22/17x; RS0011618 [T10]). Es wird angenommen, dass der mittels des Übertragungsakts tatsächlich geschaffene Zustand der Natur einer Dienstbarkeit entspricht und die Dienstbarkeit somit unmittelbar durch den Übertragungsakt entsteht, weil im Zweifel anzunehmen ist, dass ein bestehender Zustand aufrecht bleiben und demnach die Eigentümerbefugnis als Grunddienstbarkeit fortbestehen soll (9 Ob 43/21w; 6 Ob 154/20w; 8 Ob 65/17t; RS0011618 [T13]). Dabei handelt es sich um eine Auslegungsregel (9 Ob 43/21w; 1 Ob 292/98t; 1 Ob 58/97d). Denn die Vertragsparteien können ausdrücklich oder schlüssig etwas anderes vereinbaren und so das Entstehen einer Grunddienstbarkeit vertraglich ausschließen (RS0011618 [T18]). Dies ist aber nicht die Regel (1 Ob 220/20i; vgl RS0011618 [T2]).

[23] Diese Grundsätze gelten auch für den – hier zu beurteilenden – Fall der Teilung eines bisher einheitlichen Grundstücks und Übertragung eines (dann herrschenden oder dienenden) Grundstücksteils an einen Dritten (1 Ob 220/20i; RS0011618 [T33]).

[24] 5.2 Zwar wurde in einigen Entscheidungen ausgeführt, dass offenkundige Vorgänge oder ersichtliche Anlagen bzw Einrichtungen den aktuellen Zweck des Dienens nur dann offenkundig machen, wenn sich aus diesen für den Erwerber ganz offenkundig ergibt, dass sie auch weiterhin bestehen bleiben sollen, weil sie für die Benützung des herrschenden Grundstücks notwendig sind (8 Ob 65/17t; 3 Ob 214/14p; vgl RS0011554). Dies stand aber im Zusammenhang damit, dass im dort maßgebenden Zeitpunkt kein aktueller Bedarf an der Nutzung des dienenden Grundstücks (mehr) gegeben war (8 Ob 65/17t [seit mehreren Jahren ungenutzter Weg]; 3 Ob 214/14p [allfällige Offenkundigkeit des weiteren Dienens des fraglichen Wegs]). Hingegen wurde es als ausreichend angesehen, wenn die Inanspruchnahme für die Benützung der herrschenden Liegenschaft nach Maßgabe einer seit vielen Jahren regelmäßig ausgeübten Nutzung weiter nützlich und bequem war (9 Ob 43/21w [auch anderer Zugangsweg vorhanden]; in diesem Sinne auch: 1 Ob 220/20i [Brunnenwasserbezug]; 2 Ob 74/16w [auch anderer Hauszugang vorhanden]; 1 Ob 218/15p [auch eigene Quelle vorhanden]; 4 Ob 192/13h [Dachtraufe]).

[25] Das Bestehen von durch Vorgänge oder ersichtliche Anlagen bzw Einrichtungen offenkundigen Verhältnissen ist überdies nur für die Beurteilung des Kennenmüssens des Erwerbers von Bedeutung (RS0011643 [T5]). Hatte der Erwerber dagegen ohnehin positive Kenntnis von der faktisch bestehenden Dienstbarkeit, sind diese Umstände nicht maßgeblich, weil der Erwerber eines solchen Hinweises nicht bedurfte (7 Ob 71/18v; 5 Ob 27/14b; 2 Ob 200/00a; RS0011618 [T10]). War dem Erwerber bekannt, dass die Inanspruchnahme weiterhin bestehen bleiben soll, setzt das Entstehen einer Grunddienstbarkeit daher jedenfalls nicht voraus, dass die weitere Inanspruchnahme für die Nutzung der herrschenden Liegenschaft „zwingend notwendig“ ist.

[26] 5.3 Im vorliegenden Fall ist davon auszugehen, dass die Beklagte im Zeitpunkt der Übertragung der Liegenschaft Kenntnis von der bestehenden Inanspruchnahme der Teilfläche zur Brennholzbearbeitung und ‑lagerung für das Wohnhaus des Vaters (ihr Elternhaus) hatte und auch davon, dass diese weiterhin bestehen bleiben sollte. Nach den erörterten Grundsätzen musste sie daher im Zweifel annehmen, dass der bestehende Zustand aufrecht bleiben und demnach die Eigentümerbefugnis als Grunddienstbarkeit fortbestehen soll. Tatsächlich änderte sich durch die Übereignung der abgetrennten Fläche an dieser faktischen Nutzung auch nichts. Die Begründung der Vorinstanzen, die Inanspruchnahme sei nicht „zwingend notwendig“ trägt die Abweisung der Klagebegehren daher nicht. Auch die einseitige nachträgliche Erklärung der Beklagten über das Vorliegen einer jederzeitigen Widerrufsmöglichkeit könnte an einer bereits entstandenen Dienstbarkeit nichts ändern.

[27] Einen schlüssigen Verzicht des Klägers auf die Dienstbarkeit durch Abbruch des Holzschuppens und Räumung der strittigen Flächen aufgrund der Aufforderung der Beklagten im Zuge der Streitigkeiten im Mai 2016 haben die Vorinstanzen ohnehin nicht angenommen. Bei der Beurteilung der Frage, ob ein konkludenter Verzicht vorliegt, ist Zurückhaltung und besondere Vorsicht geboten (RS0014190 [T1]; RS0014420 [T1]). Ein solcher darf immer nur dann angenommen werden, wenn besondere Umstände darauf hinweisen, dass er ernstlich gewollt ist (RS0014190 [T10]). Dafür genügte es nicht, dass sich der Kläger dem Verbot der Beklagten (vorläufig) fügte.

[28] 5.4 Allerdings hat die Beklagte im erstinstanzlichen Verfahren vorgebracht, allen sei klar gewesen, dass die übereigneten Grundstücke nicht mit wertvernichtenden Lasten belastet seien durften. Diesem Vorbringen, das überdies lediglich im Zusammenhang mit den Ersitzungsvoraussetzungen erstattet wurde, kann jedoch nicht mit hinreichender Deutlichkeit entnommen werden, ob sich die Beklagte auf eine (konkludente) anderslautende Vereinbarung mit dem Vater beruft (Punkt 5.1). Der Kläger hat behauptet, eine Einschränkung der bestehenden Rechtsausübung sei nicht Parteiwille gewesen. Auch die diesbezüglichen Ausführungen des Erstgerichts lassen keine abschließende Beurteilung zu, ob insoweit von einem „natürlichen Konsens“ der Vertragsparteien auszugehen wäre. Entgegen der vom Obersten Gerichtshof nicht geteilten Rechtsansicht der Vorinstanzen kommt diesen Umständen jedoch Bedeutung zu. Eine Erörterung mit den Parteien ist bisher nicht erfolgt. Im Hinblick darauf ist es daher erforderlich, den Parteien Gelegenheit zu geben, ihr Vorbringen zu präzisieren.

[29] 6. Dies führt zur Aufhebung der Entscheidungen der Vorinstanzen. Das Erstgericht wird mit den Parteien im fortgesetzten Verfahren die Sach- und Rechtslage zu erörtern und ihnen Gelegenheit zu geben haben, ergänzendes Vorbringen zu erstatten. Dabei ist von vorrangigem Interesse, ob die Beklagte und ihr Vater den Ausschluss der streitgegenständlichen Dienstbarkeiten ausdrücklich oder schlüssig vereinbarten oder ob bei der Grundstücksteilung zumindest ein natürlicher Konsens in diesem Sinn vorlag (also ein tatsächlich übereinstimmender Wille, der sich nicht unbedingt in den Vertragserklärungen niederschlagen musste; RS0014005, RS0017741).

[30] 7. Sofern das Bestehen einer Dienstbarkeit zugunsten des Klägers nicht schon wegen einer gegenteiligen Übereinkunft zwischen der Beklagten und ihrem Vater ausscheiden sollte, wird im fortgesetzten Verfahren Folgendes zu beachten sein:

[31] 7.1 Zur 1973 errichteten Bauhütte hat das Erstgericht festgestellt, dass diese zunächst – solange nicht Schweine darin gehalten wurden – von den Geschwistern und ihrem Vater zur Aufbewahrung von Gerümpel und anderer Sachen benützt wurde. An anderer Stelle ist den Feststellungen zu entnehmen, dass die Bauhütte „später“ als Holzlagerschuppen verwendet wurde. Es werden daher eindeutige Feststellungen dazu zu treffen sein, ob die Bauhütte bei Übergabe des Grundstücks an die Beklagte 1988 – wie vom Kläger behauptet – zur Brennholzlagerung für das Wohnhaus des Vaters verwendet wurde. Nur dann käme nach der erörterten Rechtslage auch insoweit das Entstehen der behaupteten Dienstbarkeit des „Holzschuppenrechts“ durch Teilung der Liegenschaft des Vaters in Betracht.

[32] 7.2 Nach den Feststellungen des Erstgerichts befand sich überdies die Bauhütte bei Übergabe des Grundstücks an die Beklagte an anderer Stelle als der nach ihrer Entfernung im Jahr 1994 vom Kläger errichtete Holzlagerschuppen, für dessen Aufstellen, Erhalten, Betreiben und Nutzung der Kläger das Bestehen einer Dienstbarkeit behauptet. Selbst wenn durch die Teilung der Liegenschaft ein „Holzschuppenrecht“ entstanden wäre, wäre der Kläger zu einer örtlichen Verlegung dieser Dienstbarkeit ohne Zustimmung der Beklagten als Eigentümerin des dienenden Grundstücks aber grundsätzlich nicht berechtigt (vgl RS0011695 [T8, T12]).

[33] Die Streitteile haben jedoch weder Vorbringen zur festgestellten „Verlegung“ der Bauhütte erstattet noch wurde dieser Umstand mit ihnen erörtert. Im fortgesetzten Verfahren wird daher das Erstgericht nach Erörterung gegebenenfalls dem Kläger Gelegenheit zu geben haben, sein Vorbringen zum geltend gemachten „Holzschuppenrecht“ zu ergänzen und zu präzisieren.

[34] 8. Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.

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