OGH 11Os79/24p

OGH11Os79/24p27.8.2024

Der Oberste Gerichtshof hat am 27. August 2024 durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek als Vorsitzende, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner‑Foregger und Mag. Fürnkranz sowie dieHofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl und Mag. Riffel in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Jetzinger als Schriftführer in der Strafsache gegen * M* und andere Angeklagte wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 2 Z 2, Abs 4 Z 3 SMG und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten * M* gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 19. März 2024, GZ 41 Hv 78/23y‑110, weiters über dessen Beschwerde gegen einen Beschluss nach § 494a StPO nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0110OS00079.24P.0827.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

Fachgebiet: Suchtgiftdelikte

 

Spruch:

 

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Aus deren Anlass wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Ausspruch über den Verfall (zur Gänze) aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht für Strafsachen Wien verwiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten * M* fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde – soweit im Rechtsmittelverfahren von Bedeutung – * M* des (richtig [siehe RIS‑Justiz RS0089903]:) Vergehens der Hehlerei nach §§ 164 Abs 1, Abs 3, 15 StGB (A/I/1/), des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 2 Z 2, Abs 4 Z 3 SMG (A/I/3/) sowie des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall, Abs 4 Z 2 SMG (A/I/4/b/) schuldig erkannt.

[2] Danach hat er in W*

A/I/1/ von Juli 2022 bis 31. Oktober 2022 * V* als Täter mit Strafe bedrohter Handlungen gegen fremdes Vermögen nach den Taten dabei unterstützt und zu unterstützen versucht, durch die Taten erlangte Sachen im Wert von mehr als 5.000 Euro zu verheimlichen oder zu verwerten, nämlich „hauptsächlich“ durch Diebstähle erlangte Fahrräder und E‑Scooter, indem er das Diebsgut an sich genommen, in seiner Wohnung gelagert und weiterverkauft hat, und zwar

a/ zwei gestohlene E‑Bikes des * Mi* im Gesamtwert von 10.000 Euro;

b/ ein gestohlenes Mountainbike eines unbekannten Verfügungsberechtigten im Wert von 700 Euro, wobei es nur deswegen bei einem Versuch blieb, weil „die vorgenommene Übergabe an den Angeklagten von der einschreitenden Polizei unterbrochen wurde“;

A/I/3/ gemeinsam mit * Ma*im Zeitraum zwischen August 2022 und 2. August 2023 als Mitglieder einer kriminellen Vereinigung „unter Mitwirkung (§ 12 StGB) anderer Mitglieder dieser Vereinigung“, nämlich * C* und * Ci*, in zahlreichen Angriffen vorschriftswidrig Suchtgift in einer das Fünfundzwanzigfache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge, nämlich „insgesamt jedenfalls mehr als 250 Gramm Crystal Meth Reinsubstanz“ an unbekannte sowie 17 im Urteil namentlich genannte Abnehmer durch gewinnbringenden Verkauf überlassen;

A/I/4/ vorschriftswidrig Suchtgift erworben und besessen, nämlich

[…]

b/ im Zeitraum zwischen 20. Jänner 2023 und 16. Februar 2023 280 Gramm Crystal Meth (beinhaltend den Wirkstoff Methamphetamin mit einem Reinheitsgehalt von 77,24 %, somit 216,2 Gramm) erworben (US 16 f: und besessen), wobei er die Straftat als Mitglied einer kriminellen Vereinigung „unter Mitwirkung (§ 12 StGB) anderer Mitglieder dieser Vereinigung“ beging, nämlich des gesondert verfolgten * K* und weiterer unbekannter Täter.

Rechtliche Beurteilung

 

[3] Gegen den Schuldspruch zu A/I/1/ und zu A/I/3/ richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 3, 5, 5a, 9 lit a und 10 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten * M*.

[4] Die Verfahrensrüge (Z 3) übersieht, dass § 159 Abs 3 iVm § 156 Abs 1 Z 1 StPO Nichtigkeit (nur) für den Fall unterbliebenen Verzichts auf ein Zeugnisbefreiungsrecht androht, die Ehefrau des Nichtigkeitswerbers in der Hauptverhandlung jedoch als Angeklagte vernommen wurde.

[5] Die Tatrichter haben sich im Rahmen der Beweiswürdigung zu A/I/3/ mit der Aussage der * Ma* vor der Kriminalpolizei und in der Hauptverhandlung ebenso auseinandergesetzt wie mit der „herunterspielend“ beurteilten (US 29) Verantwortung des * M* und auch dargelegt, weshalb sie den – die festgestellte Überlassung einer übergroßen (§ 28a Abs 4 Z 3 SMG) Suchtgiftmenge in Zusammenschau mit den weiters angeführten Ermittlungsergebnissen jedenfalls tragenden – Angaben der Angeklagten * Ma* gefolgt sind (US 28 f). Zu einer Erörterung sämtlicher Details der Aussagen bestand – entsprechend dem Gebot zur bestimmten, aber gedrängten Darstellung der Entscheidungsgründe und entgegen der (im Kern lediglich Beweiswürdigungskritik übenden) Beschwerde (Z 5 zweiter Fall) – keine Veranlassung (vgl RIS‑Justiz RS0106295, RS0098778).

[6] Zu einer Auseinandersetzung mit den Angaben des Angeklagten C*, wonach der Angeklagte M* „zum Teil“ auch Suchtgift selbst konsumiert habe, war das Erstgericht der Beschwerde (Z 5 zweiter Fall und [unter dem Aspekt eines Feststellungsmangels] Z 10) zuwider nicht verhalten, weil die ins Treffen geführte Aussage (schon mangels näherer Konkretisierung) der Feststellung zur überlassenen Suchtgiftmenge nicht entgegenstand (Z 5 zweiter Fall) und – weil die Privilegierung nach § 28a Abs 3 SMG bei Suchgifthandel in Bezug auf eine übergroße Menge (§ 28a Abs 4 Z 3 SMG) jedenfalls ausscheidet (vgl Schwaighofer in WK2 SMG § 28a Rz 37) – keine rechtlich erhebliche Tatsache betraf (Z 10; vgl RIS-Justiz RS0099689 [T9, T10]).

[7] Keine der in der Beschwerde angeführten Aussagen dort namentlich genannter Zeugen steht zu den getroffenen Feststellungen zur überlassenen Suchtgiftmenge (US 15 f) in erörterungsbedürftigem Widerspruch (Z 5 zweiter Fall).

[8] Die Ableitung der subjektiven Tatseite aus dem objektiven Tatgeschehen ist unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit – entgegen der Beschwerdekritik (Z 5 vierter Fall) – nicht zu beanstanden (vgl RIS-Justiz RS0116882).

[9] Der Einwand, der Beschwerdeführer sei von der Annahme eines Wirkstoffgehalts von 77,24 % beim Methamphetamin überrascht worden (Z 5 vierter Fall), trifft nicht zu (RIS-Justiz RS0119094 [insb T9]; vgl die – in der Hauptverhandlung vorgetragene [ON 95 S 3] – Anklageschrift [ON 63 S 3]).

[10] Die Feststellung, dass der Angeklagte M* und * Ma* durch den Suchtmittelhandel 2.200 Euro erlangten (US 26), betrifft der Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) zu A/I/3/ zuwider keinen für Schuld oder Subsumtion entscheidenden Umstand.

[11] Der – an sich zutreffende – Hinweis der Tatsachenrüge (Z 5a), dass der Angeklagte M* nach dem Akteninhalt (und auch nach den Urteilsfeststellungen [US 14]) ab 28. Februar 2023 inhaftiert war (ON 1.44 ff; siehe auch ON 15.5, ON 21), weckt keine erheblichen Bedenken gegen die Feststellungen zum Umfang der im Zeitraum zwischen August 2022 „bis 2. August 2023“ überlassenen Suchtgiftmenge (US 15), zumal die Weitergabe einer übergroßen Menge (§ 28a Abs 4 Z 3 SMG) auch bezogen auf den Zeitraum August 2022 (nur) bis zur Festnahme in den vom Erstgericht herangezogenen Angaben der Angeklagten * Ma* Deckung findet (vgl US 28 f) und der Tatzeitraum per se in der Regel (und auch hier) keine entscheidende Tatsache betrifft (RIS‑Justiz RS0098557 [insb T10, T11, T14]).

[12] Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) zu A/I/1/ erklärt nicht, weshalb von Vortätern gestohlene Fahrräder nicht von einem anderen durch mit Strafe bedrohte Handlungen gegen fremdes Vermögen erlangte Sachen und demnach kein taugliches Tatobjekt der Hehlerei sein sollten (vgl RIS-Justiz RS0116569).

[13] Die auf eine rechtliche Unterstellung unter § 27 Abs 1 Z 1 achter Fall, Abs 4 Z 2 SMG abzielende Subsumtionsrüge (Z 10) zu A/I/3/ legt nicht dar, weshalb das konstatierte (US 15) Überlassen einer (zwar) nicht mehr genau feststellbaren, jedenfalls aber mehr als 250 Gramm Methamphetamin umfassenden Suchtgiftmenge im Rahmen einer kriminellen Vereinigung (neben der Erfüllung des Grundtatbestands nach § 28a Abs 1 fünfter Fall SMG) nicht auch die Qualifikationen des § 28a Abs 2 Z 2 und Abs 4 Z 3 SMG (vgl Anhang zur SGV Punkt 3./) tragen sollte (vgl RIS‑Justiz RS0099810).

[14] Ein Feststellungsmangel wird geltend gemacht, indem unter Hinweis auf einen nicht durch Feststellungen geklärten, jedoch indizierten Sachverhalt eine vom Erstgericht nicht gezogene rechtliche Konsequenz angestrebt wird, weil dieses ein Tatbestandsmerkmal, einen Ausnahmesatz (§ 281 Abs 1 Z 9 lit a bis c StPO) oder eine andere rechtliche Unterstellung bei der rechtlichen Beurteilung nicht in Anschlag gebracht hat (RIS-Justiz RS0118580).

[15] Indem die Beschwerde (nominell Z 10) das konstatierte (US 15) Überlassen einer das Fünfundzwanzigfache der Grenzmenge übersteigenden Suchtgiftmenge durch den Beschwerdeführer mit dem Verweis auf (protokollierte) Äußerungen der Angeklagten * Ma* im Rahmen von überwachten Telefonaten (ON 97.15.3 S 2 ff) – unter Anstellung eigener beweiswürdigender Erwägungen – in Zweifel zu ziehen versucht, verfehlt sie den dargelegten Anfechtungsrahmen ebenso zur Gänze wie mit dem Hinweis auf – im Übrigen nur einen Teil des Tatzeitraums (vgl aber ON 51.2 S 10) betreffende – „Berechnungen“ in einem kriminalpolizeilichen Bericht (ON 51.2 S 9).

Zur amtswegigen Maßnahme in Ansehung des Verfallsausspruchs:

[16] Das Erstgericht sprach (undifferenziert) „gemäß § 20 Abs 1 und 3 StGB“ den Verfall der durch * M* und * Ma* erzielten Erlöse aus dem Suchtgifthandel in Höhe von 2.200 Euro aus (US 9).

[17] In den Entscheidungsgründen ist einerseits festgehalten, dass diese beiden Angeklagten durch den Suchtgifthandel einen Geldbetrag von zumindest 2.200 Euro erlangten (US 26). An anderer Stelle wird ausgeführt, dass * M* durch „seine“ Suchtgiftgeschäfte „zumindest 2.200 Euro eingenommen hat, weshalb dieser Betrag für verfallen zu erklären war“. Bei * M* sichergestellte 905 Euro würden aus Suchtmittel- oder Hehlergeschäften, bei * Ma* sichergestellte 1.170 Euro aus Suchtmittelgeschäften stammen (US 30).

[18] Vermögens- und Ersatzwerte (§ 20 Abs 1 und Abs 2 StGB) sowie der Wertersatz (§ 20 Abs 3 StGB) dürfen nur dem tatsächlichen Empfänger mittels Verfall abgenommen werden (RIS-Justiz RS0129964). Daraus ergibt sich das Erfordernis, einen Verfallsausspruch jeweils in Ansehung eines konkreten Vermögenswerts (oder betraglich bestimmten Wertersatzes) personenbezogen zuzuordnen. Aus den Urteilsgründen geht nicht eindeutig hervor, welche konkreten Vermögenswerte welcher der beiden Angeklagten durch die strafbaren Handlungen erlangt hat, sodass es an einer hinreichenden Entscheidungsbasis für den Verfallsausspruch mangelt (Z 11 erster Fall).

[19] Mangels Bekämpfung des Verfallsausspruchs durch * M* und * Ma* war insoweit mit Aufhebung und Zurückverweisung an das Erstgericht zu neuer Verhandlung und Entscheidung (§ 445 Abs 2 StPO; RIS-Justiz RS0117920) vorzugehen.

 

[20] Bleibt mit Blick auf § 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO weiters anzumerken, dass dem Schuldspruch wegen des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall, Abs 4 Z 2 SMG (A/I/4/b/) vom Angeklagten nicht geltend gemachte Nichtigkeit aus § 281 Abs 1 Z 10 StPO anhaftet. Denn das Urteil enthält zu konstitutiven Grundelementen der kriminellen Vereinigung, nämlich zum Zusammenschluss auf längere Zeit und zur kriminellen Zielsetzung (vgl Plöchl in WK2 StGB § 278 Rz 5, 8, 11), keine hinreichende Sachverhaltsbasis (vgl US 17), um die Annahme der Tatbegehung im Rahmen einer – nach den getroffenen Feststellungen (US 15, 17) mit der von A/I/3/ erfassten nicht identen – kriminellen Vereinigung zu tragen.

[21] Dieser Rechtsfehler mangels Feststellungen hat sich fallbezogen – weil ohne Einfluss auf den Strafrahmen – nicht zum Nachteil des Angeklagten ausgewirkt (RIS-Justiz RS0100259 [insb T2]). Das Berufungsgericht ist bei der Entscheidung über die Berufung an die insoweit verfehlte Subsumtion nicht gebunden (RIS-Justiz RS0118870).

[22] Dieses wird auch zu berücksichtigen haben (RIS‑Justiz RS0119220; 13 Os 85/23h), dass dem * betreffenden Strafausspruch (dem Angeklagten zum Nachteil gereichende) Nichtigkeit aus § 281 Abs 1 Z 11 erster Fall StPO anhaftet, weil nach den Urteilsannahmen (auch in Zusammenschau mit der Strafregisterauskunft ON 83 [US 12 f]) die Voraussetzungen des § 39 Abs 1 StGB nicht vorlagen und das Erstgericht daher verfehlt von einem erweiterten Strafrahmen ausgegangen ist (RIS‑Justiz RS0125294). Zwar wurde der Angeklagte zuletzt mit Urteil vom 22. September 2022 – wegen einer auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden strafbaren Handlung gegen fremdes Vermögen (vgl Jerabek/Ropper in WK2 StGB § 71 Rz 8) – zu einer zum Teil unbedingt verhängten Freiheitsstrafe verurteilt. Es wurde jedoch nicht festgestellt, dass er diese Strafe vor Begehung der nunmehrigen Anlasstat zumindest zum Teil verbüßte (vgl US 13). Eine solche Feststellung (die dem Berufungsgericht nach Maßgabe der Beweisergebnisse bei seinem iudicium novum in der Straffrage freistünde) wäre für die Bejahung der Strafschärfungsvoraussetzungen aber erforderlich, zumal hinsichtlich der weiteren einschlägigen Vorstrafe aus dem Jahr 2010 Rückfallsverjährung nach § 39 Abs 2 StGB eingetreten wäre.

s [23] Zur Gänze in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur war demnach wie aus dem Spruch ersichtlich zu entscheiden.

[24] Die Kostenentscheidung, welche die amtswegige Maßnahme nicht umfasst (RIS‑Justiz RS0101558), beruht auf § 390a Abs 1 StPO (Lendl, WK‑StPO § 390a Rz 12).

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