European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0070OB00025.21H.0126.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
I.1. Der Revision der klagenden Partei wird nicht Folge gegeben.Die Teilurteile der Vorinstanzen werden mit der Maßgabe bestätigt, dass im gegenüber der erstbeklagten Partei ansonsten unberührt bleibenden Pkt 2. des Ersturteils das Klagebegehren von 23.856,60 EUR samt 4 % Zinsen seit Klagsbehändigung zurückgewiesen wird.
Die klagende Partei ist schuldig, der erstbeklagten Partei die mit 1.782,96 EUR (darin 297,16 EUR USt) bestimmten Kosten ihrer Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
I.2. Die Beantwortung der Revision der klagenden Partei durch die zweitbeklagte Partei wird zurückgewiesen; diese hat die Kosten ihres Rechtsmittelschriftsatzes selbst zu tragen.
II. Der Revision der zweitbeklagten Partei wird nicht Folge gegeben.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens bleibt insofern dem Endurteil vorbehalten.
Entscheidungsgründe:
[1] Im Jahr 2010 wurde nach dem Bekanntwerden erster großer Missbrauchsfälle von der katholischen Kirche, konkret von der Bischofskonferenz, der Superiorenkonferenz und der Vereinigung der Frauenorden Österreichs, die kirchliche Stiftung Opferschutz gegründet. Diese österreichweit eingerichtete Stiftung hat eigene Rechtspersönlichkeit, sie ist organisatorisch von den sonst in der katholischen Kirche bestehenden Rechtspersönlichkeiten, insbesondere auch den Diözesen und den Pfarren unabhängig und auch nicht weisungsgebunden. Hintergrund der Errichtung dieser Stiftung war, dass eine Möglichkeit geschaffen werden sollte, möglichen Opfern von Gewalt, psychischem oder sexuellem Missbrauch durch Repräsentanten der katholischen Kirche auf möglichst unbürokratischem Weg Hilfe und Entschädigungsleistungen zu verschaffen, und zwar unabhängig davon, welcher Rechtsträger innerhalb der katholischen Kirche juristisch gesehen allenfalls verantwortlich gemacht werden könnte, und ob die Ansprüche juristisch überhaupt durchsetzbar wären. Für die Opfer sollte die Möglichkeit einer zentralen Anlaufstelle geschaffen werden, von der sie Hilfeleistungen zuerkannt bekommen konnten, ohne sich mit Fragen der juristischen Durchsetzbarkeit ihrer Ansprüche auseinandersetzen zu müssen.
[2] Parallel zur Stiftung Opferschutz wurde eine Opferschutzkommission (aus den Medien bekannt als „Klasnic-Kommission“) ins Leben gerufen. Diese ist eine von der katholischen Kirche unabhängige Kommission, für die es keine kirchliche Rechtsgrundlage gibt. Die „Klasnic-Kommission“ ist eine Personengruppe, die sich ehrenamtlich zur Verfügung stellt, um ihr übermittelte Anzeigen von Missbrauchsopfern zu bearbeiten und die erhobenen Vorwürfe auf ihre mögliche Richtigkeit zu prüfen. Sie besteht aus Psychiatern und Psychotherapeuten, die mit den Opfern einen sogenannten Clearing-Prozess durchführen, nach dessen Beendigung die „Klasnic-Kommission“ dann eine Empfehlung abgibt, ob und in welchem Ausmaß jeweils Betroffenen einerseits Therapiestunden bezahlt werden sollen und andererseits Geldersatz zuerkannt werden soll. Von der „Klasnic-Kommission“ werden im Normalfall, so erhobene Vorwürfe für wahr gehalten werden, je nach Schwere des Falles Ersatzbeträge in Höhe von 5.000 EUR, 15.000 EUR oder 25.000 EUR zuerkannt. Dass ein Clearing bei der „Klasnic-Kommission“ absolviert wird, ist Voraussetzung dafür, dass Ersatzleistungen zuerkannt werden. Die Entscheidungen der „Klasnic-Kommission“ werden aufgrund der von der Bischofskonferenz, der Superiorenkonferenz und der Vereinigung der Frauenorden Österreichs beschlossenen Rahmenordnung der Stiftung freiwillig akzeptiert, ohne dass die Richtigkeit der erhobenen Vorwürfe oder die juristische Durchsetzbarkeit der zuerkannten Leistungen überprüft wird.
[3] Die kirchliche Stiftung Opferschutz wurde zu dem Zweck eingerichtet, als Zahlstelle für die von der „Klasnic-Kommission“ zuerkannten Leistungen zu fungieren, dh diese Leistungen an die Betroffenen auszuzahlen. Dabei werden Geldleistungen an die Opfer entweder in bar ausbezahlt oder überwiesen und zuerkannte Therapiestunden nach Vorlage von Rechnungen an die jeweiligen Therapeuten bezahlt. Um die Zahlungen zu ermöglichen, wurden der Stiftung Opferschutz ursprünglich von der Bischofskonferenz, der Superiorenkonferenz und der Vereinigung der Frauenorden Österreichs Geldmittel zur Verfügung gestellt. Von der Stiftung Opferschutz ausbezahlte Gelder werden von dieser dann im Regressweg bei den für den jeweils genannten Täter zuständigen kirchlichen Rechtsträgern eingebracht. Auch diese Regresszahlungen erfolgen in der Regel, ohne dass Verschuldensfragen geprüft werden, was in vielen Fällen, im Hinblick darauf, dass die behaupteten Täter nicht mehr am Leben sind, auch gar nicht möglich wäre. Die Stiftung Opferschutz vertritt keine anderen Rechtspersonen innerhalb der katholischen Kirche und ist dazu auch nicht befugt. Sie ist insbesondere auch nicht befugt, irgendwelche Erklärungen namens anderer Rechtspersonen der katholischen Kirche abzugeben und tut dies auch nicht.
[4] Im Jahr 2010 lief das Ersatzverfahren so ab, dass sich die Opfer an die Ombudsstellen der jeweiligen Diözesen wenden mussten, die den Fall aufnahmen und direkt an die „Klasnic-Kommission“ weiterleiteten. Wenn das Opfer dann den Clearing-Prozess bei der „Klasnic-Kommission“ absolvierte, gab diese eine Empfehlung ab, die sie der Stiftung Opferschutz übermittelte. Von der Stiftung wurde dann das Opfer kontaktiert und die Auszahlung der empfohlenen Beträge veranlasst. Etwa eineinhalb Jahre nach Aufnahme der Tätigkeit der „Klasnic-Kommission“ und der Stiftung Opferschutz wurde das Verfahren insofern etwas geändert, als der Erstkontakt mit dem Opfer und die Erstuntersuchung von der Ombudsstelle der jeweiligen Diözese übernommen wurde. Ansonsten ist das Prozedere aber gleich geblieben.
[5] Der am * 1970 geborene Kläger war von 1977 bis 1988 Opfer sexueller Missbrauchshandlungen, die ein mittlerweile verstorbener Priester, Pater T*, an ihm verübte. Die Missbrauchshandlungen fanden im Pfarrhaus der Erstbeklagten statt; der Pater war lediglich im Zeitraum 1980 bis 1982 Pfarrer der Erstbeklagten, bis 1979 und ab 1983 war er Pfarrer anderer Pfarren in *.
[6] Der Kläger leidet seit geraumer Zeit unter massiven psychischen Beschwerden, insbesondere einer posttraumatischen Belastungsstörung mit soziophobischer und agoraphobischer Symptomatik, Panikattacken, Somatisierungsneigung und Zwangssymptomen sowie Migräne und Stottern. Diese Beschwerden sind (zumindest teilweise) auf die sexuellen Missbrauchshandlungen in seiner Kindheit und Jugend zurückzuführen. Er befand sich wegen seiner psychischen Probleme seit vielen Jahren laufend in psychiatrischer bzw psychotherapeutischer Behandlung, er wusste aber zunächst nicht, dass die sexuellen Missbrauchshandlungen zumindest Mitursache für diese Beschwerden gewesen sein könnten. Vielmehr führte er die Beschwerden auf andere Ursachen wie Arbeitsstress (Burn‑Out) zurück.
[7] Ab 9. 11. 2009 war der Kläger in Betreuung bei den psychosozialen Diensten der Stadt * und besuchte das multiprofessionelle sozialpsychologische Ambulatorium *, wo den Patienten Sozialarbeiter, Psychologen und auch Psychiater zur Verfügung stehen, die für die dort betreuten Patienten eine gemeinsame Patientenakte führen. Der Kläger hatte dort Kontakt mit einer Psychiaterin und einer Psychotherapeutin. Im Rahmen der Gespräche ergab sich der Verdacht, dass sexuelle Missbrauchshandlungen vorliegen könnten. Der Kläger wurde schließlich sowohl von Psychiaterin und Psychotherapeutin ermutigt, die Ursache für seine psychischen Probleme in der Kindheit zu suchen.
[8] Nachdem der Kläger auch erwähnt hatte, „dass es hier einen seltsamen Pfarrer gegeben habe“, gelang es der Psychotherapeutin schließlich, den Kläger so weit auf die möglichen Ursachen seiner Probleme hinzuweisen und zu ermutigen, dass er begann, den möglichen Kausalzusammenhang zwischen den Missbrauchshandlungen und seinen psychischen Problemen zu erkennen, und er sich schließlich an die Ombudsstelle der zweitbeklagten Erzdiözese für Opfer sexuellen Missbrauchs der Kirchen wandte.
[9] Dort führte der Kläger am 9. 4. 2010 ein einstündiges Erstgespräch mit M*, die ausgebildete Psychotherapeutin und Fachmitglied der Ombudsstelle der Zweitbeklagten für Opfer sexuellen Missbrauchs in der Kirche ist. Die wesentlichen Inhalte dieses Gesprächs wurden von ihr in einem Protokoll festgehalten und am 28. 4. 2010 durch Einfügung der Ergebnisse zwischenzeitig durchgeführter eigener Recherchen ergänzt.
[10] Spätestens zum Zeitpunkt dieses Erstgesprächs am 9. 4. 2010 war dem Kläger jedenfalls bekannt, dass ein kausaler Zusammenhang zwischen den an ihm von Pater T* begangenen Missbrauchshandlungen und seinen psychischen Problemen bestand. Der Kläger wollte, da ihm nicht bekannt war, dass Pater T* bereits verstorben war, zum einen, dass dieser aus dem Verkehr gezogen werden sollte, und zum anderen Ersatz für die ihm zugefügten Schäden.
[11] Über Wunsch des Klägers verfasste M* eine Anzeige an die Staatsanwaltschaft * gegen einen anderen Pater als Mitwisser, von dem der Kläger angab, dass er sich ihm wegen des Missbrauchs anvertraut, von ihm aber keine Hilfe erhalten hätte, sowie ein Schreiben an die Opferschutzkommission („Klasnic-Kommission“) mit der Bitte um Zuerkennung einer Entschädigung. Diese Schreiben vom 28. 4. 2010 wurden vom Kläger unterzeichnet und von M* versandt.
[12] In der Folge absolvierte der Kläger den Clearing-Prozess bei der „Klasnic-Kommission“. Die damit befasste Psychotherapeutin verfasste am 25. 9. 2012 nach Abschluss des – im Fall des Klägers aufwändigen und zeitintensiven – Clearings einen Bericht, auf dessen Basis die „Klasnic-Kommission“ eine Entschädigungszahlung von 35.000 EUR sowie 150 Therapiestunden für den Kläger festsetzte und ihren Beschluss an die Stiftung Opferschutz übermittelte.
[13] Die Stiftung sandte daraufhin am 20. 12. 2012 ein Schreiben an den Kläger, das von Vertretern der Österreichischen Bischofskonferenz, der Vereinigung der Frauenorden Österreichs und der Superiorenkonferenz unterfertigt wurde; es lautete auszugsweise:
„Die Unabhängige Opferschutzanwaltschaft hat dem Vorstand der Stiftung Opferschutz der Katholischen Kirche in Österreich ihren Beschluss vom 21.11.2012 übermittelt, dass an Sie als anerkanntes Opfer folgende Leistungen zu erbringen sind:
1. Finanzielle Hilfe im Betrag von € 35.000,00
2. Therapie im Ausmaß von 150 Stunden
[…] bezüglich der zugesagten Therapiestunden bitten wir, die entsprechenden Honorarnoten des Therapeuten an die Stiftung zu übermitteln.
Das Kuratorium und der Vorstand der Stiftung Opferschutz der Katholischen Kirche in Österreich bedauern zutiefst, dass Sie zum Opfer von Mitarbeitern der Katholischen Kirche geworden sind. Namens der Katholischen Kirche wollen wir nochmals um Entschuldigung bitten, wissend, dass für das Ihnen zugefügte Leid Worte der Entschuldigung niemals ausreichend sein können.“
[14] Der Kläger erhielt die zugesprochene Entschädigung ausbezahlt und die Therapiekosten erstattet. Persönliche Gespräche mit dem Kläger über den Inhalt dieses Schreibens fanden nicht statt. Dass der Kläger darauf vertraut hätte, dass die Stiftung Opferschutz von den Beklagten bevollmächtigt war, kann nicht festgestellt werden.
[15] Im April 2013 wandte sich der Kläger an den nunmehrigen Klagevertreter, da er der Ansicht war, dass die zuerkannte Entschädigung seinen Schaden bei weitem nicht abdecke. Der Klagevertreter richtete am 5. 6. 2013 ein Schreiben direkt an die Zweitbeklagte, in dem er Schadenersatzansprüche des Klägers in Höhe von 622.000 EUR geltend machte.
[16] Dieses Schreiben wurde von der Zweitbeklagten an ihren ständigen Rechtsvertreter Rechtsanwalt Dr. E* weitergeleitet. Dieser stellte vorerst Recherchen an und organisierte in der Folge am 28. 1. 2014 ein Treffen, an dem er, der Kläger, sein Anwalt, und ein eigens für Missbrauchsfälle geschulter Dechant der Zweitbeklagten teilnahmen, Letzterer um den Kläger vom ihm vom Täter seinerzeit auferlegten Schweigegelübde zu entbinden. Da bereits im Vorfeld dieses Treffens mitgeteilt worden war, dass der Kläger Probleme habe, seine Therapiekosten zu bezahlen, sagte Dr. E* dem Kläger zu, dass die Zweitbeklagte bereit sei, seine Therapiekosten weiter zu bezahlen und er sich darum keine Sorgen machen müsse. Es war im Jahr 2014 bereits durchaus gängige Praxis der Zweitbeklagten, Kosten von Therapien für Opfer von Missbrauchshandlungen zu übernehmen. Therapiekosten des Klägers werden von der Zweitbeklagten nach wie vor bezahlt. Dr. E* thematisierte beim Gespräch aber, dass es notwendig sei, die Anspruchsgrundlagen zu prüfen. Über Vorschlag von Dr. E* einigte man sich daher entweder im Zuge dieses Gesprächs oder in der nachfolgenden Anwaltskorrespondenz darauf, noch einmal ein Gutachten eines unabhängigen Psychiaters einzuholen, um vorweg die Kausalität abzuklären.
[17] In der Folge wurde ein Psychiater mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt; dieser kam am 19. 8. 2014 zum Ergebnis, dass die psychischen Schäden des Klägers auf die Missbrauchshandlungen zurückzuführen waren. Aus den im Gutachten ermittelten Schmerzperioden errechnete Dr. E* aus seiner Sicht noch nicht verjährte Schmerzengeldansprüche des Klägers überschlagsmäßig mit etwa 53.000 EUR und versuchte in der Folge „auszuloten, ob von Seiten der Opferschutzanwaltschaft eine Bereitschaft bestand, den Fall des Klägers neuerlich zu prüfen und allenfalls eine weitere Zahlung zuzuerkennen“. Über Drängen des Rechtsvertreters des Klägers, dem an der Abgabe eines Verjährungsverzichts gelegen war, gab Dr. E* namens der Zweitbeklagten am 28.1.2015 einen Verjährungsverzicht für jene Ansprüche ab, die zum Zeitpunkt der Verfassung dieses Schreibens noch nicht verjährt waren. Ein Verjährungsverzicht namens der Erstbeklagten wurde nie abgegeben, zumal Dr. E* zum einen die wirtschaftlich schwächere Pfarre nicht belasten wollte und zum anderen „pfarrintern erst eine Beschlussfassung (Pfarrgemeinderat) hätte ergehen müssen, durch die Dr. E* zu einem entsprechenden Handeln ermächtigt gewesen wäre“.
[18] Gegen Ende des Jahres 2015 erfuhr Dr. E* von der Opferschutzanwaltschaft, dass keine Bereitschaft bestand, den Fall des Klägers neuerlich zu prüfen. Dies teilte er dem Anwalt des Klägers nicht mehr mit, da dieser bereits am 4. 12. 2015 die vorliegende Klage eingebracht hatte.
[19] Der Kläger begehrt von beiden Beklagten zur ungeteilten Hand
– 323.856,60 EUR (darin 300.000 EUR Schmerzengeld und 23.856,60 EUR an vorprozessualen Kosten [als Klagspunktum wegen culpa in contrahendo der Zweitbeklagten]);
– 2.000 EUR monatliche (Verdienstentgangs-) Rente von Jänner 2001 bis Dezember 2015 (= 360.000 EUR) und von 3.000 EUR ab 1. 1. 2016;
– die Feststellung, dass „der für das Jahr 2016 zu leistende Rentenbetrag von 3.000 EUR entsprechend der durchschnittlichen Anpassung der Gehälter nach dem Kollektivvertrag für Angestellte der Banken und Bankiers jährlich anzupassen“ sei;
– die Feststellung, dass die Beklagten dem Kläger die auf die Verdienstentgangsrente entfallenden Steuerbeträge vorzuschießen und/oder zu ersetzen hätten, „sobald diese Steuerbeträge von der Finanzbehörde festgesetzt sind und bei der Festlegung der Höhe der Ersatzbeträge noch nicht vollständig berücksichtigt wurden“; sowie
– die Feststellung, dass ihm die Beklagten für sämtliche zukünftigen Nachteile hafteten, welche aus den vom Kläger „im Zeitraum von 1977 bis 1988 durch zahllose Missbrauchshandlungen seitens des Priesters und Pfarrers der Erstbeklagten Pater T* erlittenen Körperverletzungen (insbesondere schwere posttraumatische Belastungsstörung und andauernde Persönlichkeitsänderung nach Extrembelastung) resultieren“ würden.
[20] Der Kläger sei als Mitglied der katholischen Kirche Träger der im CIC 1983 normierten Pflichten und Rechte eines Gläubigen. Die Kirche und alle ihr zuzuordnenden Rechtspersönlichkeiten hätten die Pflicht, seine Intimsphäre zu wahren (Can 208 – 223 CIC 1983). Das Verhältnis zwischen Kläger und kirchlichen Rechtspersönlichkeiten sei als beiderseitiges Schuldverhältnis gleich einer Vereinsmitgliedschaft anzusehen. Kirchliche Rechtspersonen hätten für Verschulden ihrer Erfüllungsgehilfen nach § 1313a ABGB einzustehen. Beide Beklagten besäßen nach kanonischem Recht und zufolge des Konkordats 1934 auch für den staatlichen Bereich Rechtspersönlichkeit.
[21] Die Taten seien im Pfarrhaus der Erstbeklagten durch den zu ihrem Pfarrer bestellten Ordenspriester unter Missbrauch seiner kirchlichen Amtsstellung und der Gnadengaben der Kirche begangen worden. Der Täter sei als Pfarrer der Erfüllungsgehilfe der Erstbeklagten gewesen, die dafür nach § 1313a ABGB einzustehen habe. Der Pfarrer vertrete nach Can 532 CIC die Pfarrei bei allen Rechtsgeschäften; der Täter sei daher nicht Erfüllungsgehilfe der Erstbeklagten gewesen, sondern deren Repräsentant, weshalb er seine Schandtaten nicht als Privatperson begangen habe. Zudem habe ihm die Erstbeklagte vorsätzlich die Räumlichkeiten zur Verfügung gestellt, in denen er einen Großteil seiner Taten verübt habe; sie habe dadurch vorsätzlich einen Beitrag zu seinen Taten geleistet.
[22] Der Täter sei funktionell für die Zweitbeklagte tätig gewesen, da er in deren Verantwortungsbereich fallende Agenden besorgt habe, nämlich als Pfarrer tätig gewesen sei. Der Erzbischof als Leiter der zweitbeklagten Erzdiözese sei alleine zur Pfarrerernennung in seiner Diözese berufen. Die Haftung der Zweitbeklagten werde auf zwei Umstände gestützt. Einerseits habe sie ihre Aufsichtspflicht vorsätzlich vernachlässigt, was schon aufgrund des Umstands anzunehmen sei, dass ein Mann wie Dr. H* an die Spitze der Zweitbeklagten habe gelangen können. Sie habe bis 1988 keinerlei Vorkehrungen getroffen, um die Begehung von Taten wie hier zu verhindern oder abzustellen. Andererseits habe die Zweitbeklagte die Schädigung des Klägers vorsätzlich ermöglicht, indem sie einen auffälligen Umgang mit Knaben übenden ausländischen Orden, dem der Täter angehört habe, nach Österreich gerufen und mit der Leitung der erstbeklagten Pfarre betraut habe, die in einem Teil von * liege, dessen als „Hoffnungsgebiet für Päderasten anzusehendes Unterschichtmilieu für solche Missbrauchshandlungen sehr günstig“ gewesen sei. Der Orden sei nach Österreich gebracht worden, obwohl der damalige Leiter der Zweitbeklagten gewusst habe, dass Mitglieder dieses Ordens dazu neigten bzw beabsichtigten, unter Ausnützung der ihnen einzuräumenden kirchlichen Amtsstellung strafbare Handlungen gegen die sexuelle Selbstbestimmung zu begehen. Auch die Zweitbeklagte werde daher nicht im Rahmen einer Haftung für einen Erfüllungsgehilfen in Anspruch genommen.
Der Kläger sei durch die Stiftung Opferschutz als Missbrauchsopfer anerkannt worden; die Stiftung habe ein beide Beklagte bindendes (Tatsachen‑)Anerkenntnis abgegeben; mit dem Schreiben vom 20. 12. 2012 habe sie ein zumindest deklaratorisches und damit verjährungsunterbrechendes Anerkenntnis abgegeben, das kirchen- und zivilrechtlich beide Beklagte binde. Für die Erklärung der Stiftung habe Anscheinsvollmacht bestanden, da sich der Kläger ursprünglich an die Ombudsstelle der Zweitbeklagten gewandt und ihm die Stiftung hierauf eine Entschädigung zuerkannt und bezahlt habe. Der Verjährungseinwand sei sittenwidrig und widerspreche Treu und Glauben, zumal dem Kläger die Prüfung seiner Schadenersatzansprüche angekündigt worden sei, und das Verfahren der Beklagten lange gedauert habe. Der Kläger sei aufgrund seines von den Beklagten verschuldeten psychischen Zustands vor/bis 2010 nicht imstande gewesen, Kenntnis von Schaden und Schädiger zu nehmen. Kenntnis von der Kausalität des Missbrauchs für seinen psychischen Leidenszustand habe der Kläger erst Anfang 2013 erlangt, sodass die Verjährungfrist frühestens dann zu laufen begonnen habe. Die Ombudsstellen der Diözesen würden an die „Klasnic-Kommission“ weiterverweisen, welche entscheide, ob eine von der Stiftung Opferschutz auszuzahlende Entschädigung zustehe; dies sei ein institutionalisiertes System, wobei die Kommission und die Stiftung im Interesse und Auftrag der Diözesen und Orden tätig würden. Zumindest die Zweitbeklagte habe Handlungen gesetzt, die eine Anscheinsvollmacht für die „Klasnic-Kommission“ und die Stiftung begründen würden. Nach der Befassung der Ombudsstelle der Zweitbeklagten sei die Verjährungsfrist zufolge Vergleichsverhandlungen zudem gehemmt worden. Im Zeitpunkt der Klagseinbringung seien die Vergleichsgespräche noch nicht gescheitert gewesen. In der Zusage und tatsächlichen Zahlung von Therapiekosten über das Jahr 2014 hinaus liege ein verjährungsunterbrechendes Anerkenntnis. Es sei die dreißigjährige Verjährungsfrist anzuwenden; der Kläger habe sich auch darauf gestützt, dass genau bezeichnete Repräsentanten beider Beklagter im Rahmen ihrer amtlichen Befugnisse als Beitragstäter (insbesondere auch im strafrechtlichen Sinn) an den am Kläger verübten nach § 1489 Satz 2 ABGB qualifizierten Verbrechen beteiligt gewesen seien.
[23] Die Beklagten bestritten, dass der Pfarrer der Erstbeklagten Pater T* den Kläger missbraucht habe und dass die Zweitbeklagte für dessen Handeln hafte. Sie wandten Verjährung jedenfalls schon seit 2013 ein, da das Erstgespräch bei der Ombudsstelle der Zweitbeklagten am 9. 4. 2010 stattgefunden habe und ihm zu diesem Zeitpunkt der Zusammenhang zwischen seinen psychischen Störungen und den Missbrauchsvorwürfen bekannt gewesen sei. Der von der Zweitbeklagten am 28. 1. 2015 abgegebene Verjährungsverzicht habe nur Ansprüche betroffen, die zu diesem Zeitpunkt noch nicht verjährt gewesen seien. In den letzten Monaten vor Klagseinbringung hätten keinerlei Vergleichsverhandlungen stattgefunden. Die 30‑jährige Verjährungsfrist nach § 1489 ABGB sei nicht anzuwenden, weil die Beklagten nicht unmittelbare Schädiger, sondern nur Mithaftende wären, und sie nur auf den unmittelbaren Täter, nicht aber auf eine mithaftende juristische Person für angebliche Verbrechen ihrer Dienstnehmer angewandt werde; die Beweislast für zur Anwendung der langen Verjährungsfrist führende Umstände treffe den Geschädigten.
[24] In der Übernahme von Therapiekosten liege kein Anerkenntnis. Die beiden Beklagten und die „Stiftung Opferschutz der katholischen Kirche Österreich“ seien jeweils unterschiedliche juristische Personen des Kirchenrechts, denen nach dem Konkordat 1934 auch Rechtspersönlichkeit für den staatlichen Bereich und öffentlich-rechtliche Stellung zukämen. Die Stiftung sei nicht zur Abgabe von Anerkenntnissen für die Beklagten bevollmächtigt; sie diene nur der Hilfe für Opfer behaupteter Missbrauchsfälle. Die Beklagten hätten keine Handlungen gesetzt, die zu einem Schutz des Vertrauens auf eine von ihnen erteilte Bevollmächtigung der Stiftung geführt hätte.
[25] Nur wenn es im Rahmen der Tätigkeit von Pater T* als Pfarrer, etwa bei Pfarrveranstaltungen, zu Missbrauchstaten gekommen wäre, sei eine Haftung der Erstbeklagten überhaupt denkbar; der angebliche Täter sei als Pfarrer allenfalls Erfüllungsgehilfe der Erstbeklagten gewesen, nicht jedoch der Zweitbeklagten, die auch nicht ihr Aufsichtsrecht vernachlässigt habe. Culpa in eligendo liege nicht vor. Kenntnis von Missbrauchshandlungen hätten beide Beklagte nicht gehabt. Für eine Beitragstäterschaft kirchlicher Amtsträger bleibe der Kläger jede Behauptung und jeden Beweis schuldig.
[26] Das Erstgericht beschränkte das Verfahren auf die Prüfung der Verjährungsfrage und wies die Klage gegen beide Beklagte wegen Verjährung ab. Da die Missbrauchshandlungen des Täters, die er als Pfarrer der Erstbeklagten (von 1980 bis 1982) begangen habe, mehr als 30 Jahre zurücklägen, scheide eine Haftung der Erstbeklagten jedenfalls aus; gegenüber der Zweitbeklagten wäre die 30‑jährige Verjährungsfrist im Hinblick auf die bis 1988 andauernden Tathandlungen nicht abgelaufen. Die hier jedoch anzuwendende dreijährige Verjährungsfrist habe 2010 zu laufen begonnen und sei daher bereits vor Beginn der Gespräche mit dem Anwalt der Erzdiözese abgelaufen gewesen. Ein Anerkenntnis der Zweitbeklagten liege mangels Vollmacht oder Anscheinsvollmacht der Stiftung nicht vor, ebenso wenig eine Verjährungsunterbrechung oder -hemmung zufolge Vergleichsverhandlungen oder ein nachträglicher Verzicht auf den Einwand der Verjährung.
[27] Das Berufungsgericht bestätigte die Klagsabweisung gegen die Erstbeklagte als Teilurteil, änderte aber das Urteil in Ansehung der Zweitbeklagten auf ein Zwischenurteil dahin ab, dass die gegen sie gerichteten Ansprüche des Klägers nicht verjährt seien. Der Sachverhalt habe sich vor Inkrafttreten des VbVG ereignet; die 30‑jährige Verjährungsfrist sei nicht anzuwenden. Die dreijährige Verjährungsfrist habe schon im April 2010 zu laufen begonnen. Der Kläger habe seine Ansprüche jedoch außergerichtlich rechtzeitig am 28. 4. 2010 auch gegen die Zweitbeklagte geltend gemacht und dann auch eingeklagt. Von ihrer eigens für Opfer sexuellen Missbrauchs eingerichteten Ombudsstelle sei ein Schadenersatzbegehren auch im eigenen Namen der Zweitbeklagten entgegengenommen worden, worauf sie nicht ablehnend reagiert, sondern sein Begehren an die Opferschutzkommission weitergeleitet habe. Das Schreiben der Stiftung vom 20. 12. 2012 könne nicht als endgültig ablehnende Stellungnahme angesehen werden, zumal auch die Zweitbeklagte selbst betone, dass ihr das Schreiben nicht (auch nicht im Wege der Anscheinsvollmacht) zuzurechnen sei. Auch in der Folge habe die nunmehr direkt angesprochene Zweitbeklagte ihre Bereitschaft zur außergerichtlichen Lösung erkennen lassen. Es lägen daher verjährungshemmende Vergleichsverhandlungen zwischen ihr und dem Kläger vor. Im Übrigen habe der Kläger schlüssiges Vorbringen zum Anspruchsgrund dahin erstattet, dass der Zweitbeklagten das Handeln eines vom Diözesanbischof ernannten Pfarrers nach § 1313a ABGB zuzurechnen sei, weil Letzterer in das nach Kirchenrecht zwischen Kläger und Zweitbeklagter bestehende Rechtsverhältnis und das „Interessenverfolgungsprogramm“ der Diözese eingebunden gewesen sei. In Bezug auf eigene Schädigungshandlungen der Zweitbeklagten sei das Klagsvorbringen jedoch unschlüssig.
[28] Hingegen sei der Anspruch gegen die Erstbeklagte verjährt, weil diese von der Stiftung nicht vertreten werde und keine Unterbrechung oder Hemmung der Verjährung eingetreten sei.
[29] Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision nicht zu.
[30] Gegen die Abweisung der Klage gegen die erstbeklagte Pfarre richtet sich die Revision des Klägers mit dem Antrag, der Klage auch insofern stattzugeben, in eventu ein Zwischenurteil dem Grunde nach, in eventu über die Verjährung zu fassen; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
[31] Nach Freistellung der Revisionsbeantwortung durch den Obersten Gerichtshof erstatteten beide Beklagte eine gemeinsame Revisionsbeantwortung mit dem Antrag, die Revision des Klägers zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.
[32] Gegen das Zwischenurteil über die Verjährung richtet sich die Revision der Zweitbeklagten mit dem erkennbaren Antrag, die Klage auch insofern abzuweisen, hilfsweise das Urteil aufzuheben.
[33] In der ihm vom Obersten Gerichtshof freigestellten Revisionsbeantwortung beantragt der Kläger, die Revision der Zweitbeklagten zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
[34] Die Revisionen sind zur Klarstellung der Rechtslage zulässig, jedoch nicht berechtigt.
A. Allgemein ist Folgendes vorauszuschicken:
[35] 1. Zu Rechtsstellung und Haftung der Beklagten:
[36] 1.1. Nach Art 15 StGG 1867 ordnet und verwaltet jede gesetzlich anerkannte Kirche und Religionsgesellschaft ihre inneren Angelegenheiten selbständig, ist aber wie jede Gesellschaft den allgemeinen Staatsgesetzen unterworfen. Das Ordnen ist auf die Aufstellung von Regelungen zu beziehen, das Verwalten auf ihre Durchführung.
[37] Nach dem Konkordat vom 5. 6. 1933 zwischen dem Heiligen Stuhl und der Republik Österreich, BGBl II 1934/2, ist das Recht der katholischen Kirche, im Rahmen ihrer Zuständigkeit Gesetze, Dekrete und Anordnungen zu erlassen, anerkannt. Die Ausgestaltung der gesamten inneren Ordnung von gesetzlich anerkannten Kirchen und Religionsgesellschaften unterliegt der Autonomiegarantie des Art 15 StGG 1867. Zu den inneren Angelegenheiten sind nur jene zu zählen, die den inneren Kern der kirchlichen Betätigung betreffen und in denen ohne Autonomie die Kirchen und Religionsgesellschaften in der Verkündung der von ihnen gelehrten Heilswahrheiten und der praktischen Ausübung ihrer Glaubenssätze eingeschränkt würden, wie etwa die Verfassung und Organisation der Kirche, etwa die Einrichtung und Abschaffung von Ämtern, die Abberufung von Ämtern oder die Art der Amtsführung (9 ObA 12/96; 7 Ob 109/08t; vgl RS0073107; VwGH Ro 2019/10/0026; Grabenwarter/Frank, B‑VG Art 15 StGG [20. 6. 2020, rdb.at] Rz 9 f; Grabenwarter/Pabel, EMRK7 § 22 Rn 116 ff).
[38] Soweit eine kirchliche Amtshandlung den „rein internen“ kirchlichen Bereich überschreitet, hat sie die „allgemeinen Staatsgesetze“ zu beachten (Muzak, B‑VG6 Art 15 StGG [1. 10. 2020, rdb.at] Rz 6). Dieser Vorbehalt erlaubt eine Beschränkung durch einfaches Bundesgesetz unter der Voraussetzung, dass damit jede Gesellschaft im Staat getroffen wird (VfSlg 2944/1955), also kein diskriminierendes Sondergesetz vorliegt (Lienbacher in Merten/Papier/Kucsko‑Stadlmayr, Handbuch der Grundrechte VII/1 Österreich [2014] § 12 Rz 62). Der in Art 15 StGG 1867 ausgesprochene Vorbehalt der Unterstellung unter die allgemeinen Staatsgesetze trifft auch die privatrechtlichen Beziehungen zu Dritten (vgl 1 Ob 2337/96z).
[39] 1.2. Eine Streitigkeit wie die vorliegende über den Schadenersatz wegen – allgemein und jedermann strafrechtlich verbotenen – sexuellen Missbrauchs (strafbare Handlungen gegen die sexuelle Integrität und Selbstbestimmung) durch einen Pfarrer und Ordensmann berührt den innerkirchlichen Bereich nicht.
[40] 1.3. Gesetzlich anerkannte Kirchen (wie die römisch‑katholische) und Religionsgesellschaften sind rechtsfähig (vgl Aicher in Rummel/Lukas, ABGB4 § 26 ABGB [1. 7. 2015, rdb.at] Rz 11). Nach Art II des Konkordats 1934, BGBl II 1934/2, genießt die katholische Kirche in Österreich öffentlich-rechtliche Stellung: Ihre einzelnen Einrichtungen, welche nach dem kanonischen Recht Rechtspersönlichkeit haben, genießen Rechtspersönlichkeit auch für den staatlichen Bereich, insoweit sie bereits im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Konkordats in Österreich bestehen. Künftig zu errichtende erlangen Rechtspersönlichkeit für den staatlichen Bereich, wenn sie unter der in diesem Konkordat vorgesehenen Mitwirkung der Staatsgewalt entstehen.
[41] Eine römisch-katholische Diözese wie die Zweitbeklagte ist daher rechtsfähig (vgl RS0035148; Aicher in Rummel/Lukas, ABGB4 § 26 ABGB [1. 7. 2015, rdb.at] Rz 12 mwN); dass auch der Erstbeklagten nach staatlichem Recht Rechtspersönlichkeit zukommt, wird von den Parteien zu Recht nicht in Frage gestellt (vgl 4 Ob 6/02i mwN).
[42] 1.4. Eine juristische Person ist zwar grundsätzlich selbst nicht deliktsfähig (vgl aber das VbVG, das am 1. 1. 2006 in Kraft trat), doch sind ihr zivilrechtlich Delikte ihrer verfassungsmäßigen Organe sowie ihrer Repräsentanten zurechenbar (vgl RS0009113); für das Fehlverhalten anderer Dienstnehmer haftet sie nach § 1315 ABGB (7 Ob 185/11y mwN; 6 Ob 108/07m).
[43] 1.5. Zusammengefasst können daher die Beklagten grundsätzlich zur Durchsetzung von schadenersatzrechtlichen Ansprüchen aufgrund von allgemein und jedermann verbotenen Handlungen ihrer Organe oder ihr zurechenbarer Personen vor staatlichen Gerichten in Anspruch genommen werden.
2. Zur Verjährung:
[44] 2.1. Zum Beginn der dreijährigen kenntnisabhängigen Verjährungsfrist des § 1489 Satz 1 ABGB hat die Rechtsprechung folgende Grundsätze entwickelt: Die kurze Verjährungsfrist wird durch die Kenntnis des Schadens und der Person des Ersatzpflichtigen sowie des Ursachenzusammenhangs zwischen dem Schaden und dem schadensstiftenden Verhalten in Gang gesetzt (RS0034374; RS0034366), wobei es darauf ankommt, wann die Kenntnis des Geschädigten einen solchen Grad erreicht hat, dass mit Aussicht auf Erfolg geklagt werden kann (RS0034524; RS0034374 [T28, T37, T49]). Diese Kenntnis muss den ganzen anspruchsbegründenden Sachverhalt umfassen, insbesondere auch jene Umstände, aus denen sich ein Verschulden des Schädigers ableiten lässt (RS0034951 [T5, T7]). Der anspruchsbegründende Sachverhalt muss dem Geschädigten dabei zwar nicht in allen Einzelheiten bekannt sein (RS0034524 [T24]); bloße Mutmaßungen über die angeführten Umstände genügen jedoch nicht (RS0034524 [T6, T18]; 4 Ob 96/20a).
[45] Die bloße Möglichkeit der Ermittlung einschlägiger Tatsachen vermag ihre Kenntnis nicht zu ersetzen (RS0034459). Der Geschädigte darf sich aber auch nicht rein passiv verhalten und es darauf ankommen lassen, dass er von die Ersatzpflicht begründenden Umständen eines Tages zufällig Kenntnis erhält (RS0065360 [T3]; RS0034459 [T2]). Die Kenntnis gilt schon in dem Zeitpunkt als erlangt, in dem sie dem Geschädigten bei angemessener Erkundigung zuteil geworden wäre, wenn er sie ohne nennenswerte Mühe in Erfahrung bringen hätte können (RS0034327 [T1]). Die Erkundigungsobliegenheit darf jedoch nicht überspannt werden (RS0034327 [T6]).
[46] 2.2.1. Die 30‑jährige Verjährungsfrist nach § 1489 zweiter Satz ABGB beträgt im Fall, dass der Schaden aus einer oder mehreren gerichtlich strafbaren Handlungen entstanden ist, die nur vorsätzlich begangen werden können und mit mehr als einjähriger Freiheitsstrafe bedroht sind, dreißig Jahre. Sie beginnt unabhängig davon, wann der Schaden selbst eingetreten ist sowie ob und wann der Geschädigte davon Kenntnis erlangt hat (RS0034502).
[47] 2.2.2. Diese Verjährungsfrist kommt nach bisheriger ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs – auch wenn eine strafgerichtliche Verurteilung nicht erfolgt sein muss – grundsätzlich nur gegenüber dem Schädiger selbst zum Tragen, nicht aber gegen dritte, mithaftende Personen (RS0034393). Demnach lösen von Funktionären oder Erfüllungsgehilfen ausgeübte strafbare Handlungen juristischen Personen gegenüber nicht die 30‑jährige Verjährungsfrist aus (RS0034423 [T4] = RS0034393 [T4]; vgl RS0034432 [T2]).
[48] Diese Rechtsprechungwurde vom Obersten Gerichtshof ungeachtet der gegenteiligen Meinungvon Teilen der Lehre (vgl M. Bydlinski in Rummel, ABGB3 § 1489 Rz 5; Koziol, Haftpflichtrecht I4 D/6/35; jeweils mwN) grundsätzlich aufrechterhalten (vgl 3 Ob 120/06b; 5 Ob 175/14t).
[49] 2.2.3. In jüngst ergangenen Entscheidungen hat sich der Oberste Gerichtshof zur Frage, ob die 30‑jährige Verjährungsfrist des § 1489 Satz 2 ABGB auf juristische Personen anwendbar ist, weiter differenziert geäußert.
[50] Vorerst wurde vertreten, dass jedenfalls seit Inkrafttreten des VbVG am 1. 1. 2006 (§ 28 Abs 1 BGBl I 2005/151) innerhalb dessen Anwendungsbereichs (§ 1 VbVG) die lange Verjährungsfrist des § 1489 Satz 2 ABGB auch auf juristische Personen anwendbar ist (6 Ob 239/20w = RS0133583).
[51] In der Folge wurde die Auffassung vertreten, dass die 30‑jährige Verjährungsfrist des § 1489 ABGB auch auf vor dem Inkrafttreten des VbVG begangene Taten eines Organs einer juristischen Person, das einen Dritten durch eine qualifiziert strafbare Handlung iSd § 1489 ABGB schädigt, anwendbar ist und der daraus resultierende Anspruch gegen die juristische Person erst in 30 Jahren verjährt. Dies gilt jedenfalls dann, wenn der wirtschaftliche Erfolg der strafbaren Handlung im Vermögen der juristischen Person eintrat (RS0133754). Dies wurde damit begründet, dass es beim Handeln eines Organs für die juristische Person nicht um das Einstehen-Müssen für fremdes Verhalten gehe, sondern um Eigenhandeln der juristischen Person selbst. Darüber hinaus liege gerade bei das Vermögen betreffenden strafbaren Handlungen durch Organe einer juristischen Person der wirtschaftliche Ertrag aus der Tathandlung häufig nicht im Privatvermögen der Organe, sondern im Vermögen der juristischen Personen selbst (6 Ob 92/21d; 7 Ob 113/21v).
[52] 2.3. Nach § 1494 Abs 2 ABGB beginnt die Ersitzungs- und Verjährungszeit gegen eine minderjährige Person so lange nicht zu laufen, als sie keinen gesetzlichen Vertreter hat oder ihr gesetzlicher Vertreter an der Wahrnehmung ihrer Rechte gehindert ist. Unabhängig davon beginnt die 30‑jährige Frist nach § 1489 Satz 2 zweiter Fall vor Vollendung des achtzehnten Lebensjahres des Geschädigten nicht zu laufen.
B. Vor diesem Hintergrund ist zu den Revisionen im Einzelnen wie folgt Stellung zu nehmen:
I. Zur Revision des Klägers:
[53] Der Kläger führt ins Treffen, zur Frage der 30‑jährigen Verjährung habe sich der Oberste Gerichtshof noch nicht zur diese befürwortenden einhelligen Lehre geäußert. Die Erstbeklagte habe durch die Zurverfügungstellung des Pfarrhauses als Tatort einen wesentlichen Tatbeitrag geleistet. Die Vorinstanzen hätten entgegen der aus § 58 Abs 3 Z 3 StGB abzuleitenden gesetzlichen Vermutung und ohne taugliches Beweismittel, insbesondere ohne ein beantragtes psychiatrisches Gutachten einzuholen festgestellt, dass dem Kläger der wesentliche Sachverhalt bereits 2010 (und nicht erst 2013) bekannt gewesen sei; diesbezüglich liege ein Mangel des Berufungsverfahrens vor. Der Verjährungseinwand sei in Anbetracht der kirchenrechtlichen Vorschriften sittenwidrig, wonach Verjährung nur bei während der ganzen Fristdauer vorhandenem gutem Glauben (der hier zufolge der Tat des der Erstbeklagten zuzurechnenden Pfarrers nicht vorliege) Geltung erlange. Die Erinnerungsarbeit in der Therapie hätte nicht in einem Gerichtsverfahren geleistet werden können, womit dem Kläger faktisch die Klagsmöglichkeit verwehrt gewesen sei. In Ansehung von 23.856,60 EUR, die aus culpa in contrahendo aufgrund der Vergleichsverhandlungen geltend gemacht würden, fehle jede Begründung der Vorinstanzen, deren Entscheidung insofern nichtig sei; dieser Anspruch sei völlig unabhängig vom Verjährungseinwand. Zahlungen und die ausdrückliche Anerkennung des Klägers als Opfer durch die Stiftung hätten als zumindest deklaratives Anerkenntnis verjährungsunterbrechende Wirkung. Es liege Anscheinsvollmacht für die Stiftung vor. Vergleichsverhandlungen hätten auch für die Erstbeklagte gewirkt. Fehlende Feststellungen werden darin gesehen, dass der Kläger katholischer Christ sei und ihm nach kanonischem Recht Rechte aus dem Verbandsverhältnis zustünden, dass Pfarrer und Erzbischof jeweils für die Beklagten allein vertretungsbefugt seien, und „dass die Vorinstanzen den Anspruch aus culpa in contrahendo totgeschwiegen“ hätten.
Dazu wurde erwogen:
[54] 1. Der Kläger macht angebliche Mängel des erstinstanzlichen Verfahrens geltend, deren Vorliegen bereits das Berufungsgericht verneint hat und die daher in der Revision nicht mehr mit Erfolg neuerlich geltend gemacht werden können (RS0042963). Ob ein (weiteres) Sachverständigengutachten eingeholt werden soll, ist zudem eine nicht revisible Frage der Beweiswürdigung (vgl RS0043320).
[55] 2. Die gegen den Kläger gerichteten Missbrauchshandlungen des Paters T* fanden nach den Feststellungen zuletzt 1988 statt, wobei jedoch der Täter nur bis 1982 Pfarrer der Erstbeklagten war. Am * 1988 vollendete der Kläger sein 18. Lebensjahr. Die Erstbeklagte wurde schon nach dem Klagsvorbringen erstmals im Juni 2015 angeschrieben und war nach den Feststellungen in vorprozessuale Korrespondenz nicht eingebunden. Es steht nicht einmal ein Hinweis fest, dass die Zweitbeklagte für die Erstbeklagte handeln wollte oder dies zum Ausdruck brachte; auch die Stiftung Opferschutz trat nicht als Vertreterin der Erstbeklagten auf. Es handelt sich bei den Beklagten und der Stiftung vielmehr um jeweils selbstständige juristische Personen. Es war auch nicht feststellbar, dass der Kläger darauf vertraut hätte, dass die Stiftung von einer der Beklagten bevollmächtigt gewesen wäre.
[56] 3.1. Davon und von den zu A.2. dargelegtenallgemeinen Grundsätzen ausgehend ergibt sich Folgendes:
[57] 3.2. Nach den Feststellungen war dem Kläger nicht vor dem 9. 11. 2009, jedoch spätestens am 9. 4. 2010 bekannt, dass ein kausaler Zusammenhang zwischen den an ihm von Pater T* begangenen Missbrauchshandlungen und seinen psychischen Problemen bestand. Frühestens ab ersterem und spätestens ab letzterem Zeitpunkt kannte der Kläger damit sowohl den Schaden als auch den Ersatzpflichtigen so weit, dass eine Klage mit Aussicht auf Erfolg erhoben werden konnte, wie es nach den Feststellungen noch im April 2010 in seinem (nur) an die Zweitbeklagte gerichteten Anspruchsschreiben auch geschah.
[58] Der Beginn der dreijährigen Verjährungsfrist liegt daher nicht vor dem 9. 11. 2009, aber spätestens am 9. 4. 2010.
[59] 3.3. Die Darlegungen der Revision zur strafrechtlichen Verlängerung der Verjährungsfrist nach § 58 StGB interessieren nicht, weil diese Bestimmung hier nicht anwendbar ist.
[60] 4.1. Eine Hemmung der Verjährung durch Vergleichsgespräche ist nicht eingetreten, da die Beklagten und die Stiftung verschiedene juristische Personen sind, kein Hinweis vorliegt, dass Stiftung oder Zweitbeklagte für die Erstbeklagte handeln wollten und diese nach den Feststellungen erstmals durch die Klagseinbringung im Dezember 2015 in Anspruch genommen wurde.
[61] 4.2. Eine Hemmung der Verjährung nach § 1494 Abs 2 Satz 1 ABGB kommt hier nicht in Betracht, da das die Verjährungsfrist auslösende Ereignis nach Erreichen der Volljährigkeit liegt.
[62] 4.3. Mit ihren Behauptungen, der Lauf der Verjährungsfrist sei auch gegenüber der Erstbeklagten gehemmt, auch sie habe ihn rechtsmissbräuchlich hingehalten, und deren Verjährungseinrede werde treuwidrig oder kirchenrechtlichen Vorschriften zuwider erhoben, geht die Revision des Klägers nicht von den durch die Vorinstanzen getroffenen Sachverhaltsfeststellungen aus.
[63] Rechtliche Feststellungsmängel liegen in diesem Zusammenhang nicht vor.
[64] 5.1. Die 30‑jährige Verjährungsfrist wäre im Zeitpunkt der Klagseinbringung zwar noch nicht abgelaufen gewesen, weil sie zufolge § 1494 Abs 2 Satz 2 ABGB im hier behaupteten Fall einer Straftat nach § 1489 Satz 2 zweiter Fall ABGB nicht vor Vollendung des 18. Lebensjahres des Klägers zu laufen begonnen hätte und daher frühestens mit * 2018 abgelaufen wäre.
[65] 5.2. Allerdings kommt dem Kläger die 30‑jährige Verjährungsfrist nicht zugute. Die in der oben (Pkt A.2.) angesprochenen jüngsten Rechtsprechung nunmehr zur Bejahung der Anwendung der 30‑jährigen Verjährungsfrist auch schon auf Sachverhalte, die sich vor dem Inkrafttreten des VbVG ereigneten, herangezogenen Argumente (6 Ob 92/21d [Pkt 2.3.5.]) kommen nämlich hier nicht zum Tragen. Ein Eigenhandeln der juristischen Person durch Begehung einer Sexualstraftat wie hier ist nicht denkbar und die juristische Person kann aus der Straftat auch keinen (wirtschaftlichen) Vorteil erzielen (vgl nunmehr § 3 Abs 1 Z 1 VbVG). Es hat daher in einem Fall wie dem vorliegenden, der sich vor dem Inkrafttreten des VbVG verwirklicht hat, bei der bisherigen Rechtsprechung zu bleiben, sodass die 30‑jährige Verjährungsfrist auf eine juristische Person wegen Ansprüchen aus der Begehung einer strafbaren Handlung gegen die sexuelle Integrität und Selbstbestimmung durch ihr Organ nicht zur Anwendung kommt.
[66] 6. Zusammengefasst haben daher die Vorinstanzen das gegen die Erstbeklagte gerichtete Klagebegehren zutreffend als verjährt angesehen.
[67] Auf die Fragen der Organstellung eines Pfarrers sowie der Passivlegitimation der Erstbeklagten für vor Inkrafttreten des CIC 1983 begangene Taten ihres Pfarrers (zu Rechtspersönlichkeiten im pfarrlichen Bereich vor der Neuordnung durch den CIC 1983 vgl 1 Ob 2337/96z) muss damit nicht näher eingegangen werden.
[68] 7. Die Ausführungen der Revision zur Kostenfrage sind nicht zielführend, zumal der Nichtigkeitsgrund der mangelnden Begründung nur dann gegeben wäre, wenn die Entscheidung gar nicht oder so unzureichend begründet wäre, dass sie sich nicht überprüfen ließe (RS0007484), nicht jedoch wenn eine rechtliche Beurteilung zu einzelnen entscheidungswesentlichen Fragen fehlen würde (vgl RS0042203).
[69] Aus diesem Anlass ist festzuhalten, dass eine Haftung der Erstbeklagten für vorprozessuale anwaltliche Kosten, die nach ständiger Rechtsprechung akzessorisch zum Hauptanspruch sind (RS0120431, RS0035770, RS0035721), außer wenn dieser – was hier nicht der Fall ist – durch Erfüllung, Verzicht oder Anerkenntnis erloschen oder darüber ein Vergleich geschlossen worden ist (vgl etwa RS0111906,RS0036070), nicht in Frage kommt; für den Wegfall der Akzessorietät zum Hauptanspruch wäre der Kläger behauptungs- und beweispflichtig gewesen (vgl 2 Ob 92/18w [Pkt 2.3] mwN). Ein solcher Rechtsgrund wurde weder vorgebracht noch ist er erkennbar.
[70] Das diesbezügliche Begehren von 23.856,60 EUR samt 4 % Zinsen seit Klagsbehändigung ist daher richtigerweise zurück- statt abzuweisen, was im Urteilsspruch von Pkt 2. des vom Berufungsgericht bestätigten und im Übrigen gegenüber der Erstbeklagten unverändert bleibenden Ersturteils zum Ausdruck zu bringen war.
[71] 8. Das somit unberechtigte Rechtsmittel des Klägers richtete sich ausschließlich gegen die Abweisung des Klagebegehrens gegen die Erstbeklagte. Die dessen ungeachtet auch von der Zweitbeklagten erhobene Rechtsmittelbeantwortung war daher zurückzuweisen, worin auch der Grund liegt, dass sie die Kosten dafür selbst zu tragen hat.
[72] Da die Beklagten eine vom gemeinsamen anwaltlichen Vertreter erstellte gemeinsame Revisionsbeantwortung unter Verzeichnung von Streitgenossenzuschlag erstatteten, war ihnen jeweils die Hälfte der hiefür verzeichneten Kosten (je 1.782,96 EUR) zuzuordnen (vgl RS0036216).
[73] Dass der Kläger (nur) der Erstbeklagten diesen Betrag zu ersetzen hat, liegt in §§ 41, 50 ZPO begründet.
II. Zur Revision der Zweitbeklagten:
[74] Die Zweitbeklagte führt zusammengefasst ins Treffen, Gespräche mit und Erklärungen von nicht mit ihr identen kirchlichen Einrichtungen seien nicht als Vergleichsverhandlungen zu qualifizieren. Sie habe erst zu einem Zeitpunkt Vergleichsverhandlungen geführt, als die Ansprüche bereits längst verjährt gewesen seien. Die Tätigkeiten der Ombudsstelle würden allfällige Verjährungsfristen nicht hemmen. Die Opferschutzkommission sei von der Kirche unabhängig. Die Stiftung Opferschutz vertrete keine anderen Rechtspersonen. Pfarren und die Zweitbeklagte seien getrennte Rechtspersönlichkeiten. Letztere sei nur Aufsichtsbehörde und hafte daher nicht für deliktisches Handeln innerhalb einer Pfarre bzw hier des Paters T*. Ein Anerkenntnis habe die Zweitbeklagte nie abgegeben.
Dazu wurde erwogen:
[75] 1. Zu den allgemeinen Grundsätzen der Verjährung ist neuerlich auf das oben zu Pkt A.2. Gesagte zu verweisen.
[76] 2.1. Vergleichsgespräche führen nach ständiger Rechtsprechung zu einer Ablaufshemmung der Verjährung; für die Annahme von Vergleichsverhandlungen reicht es aus, dass der Gläubiger seine Ansprüche anmeldet und der Schuldner eine Stellungnahme abgibt, in der er den Anspruch nicht vollständig ablehnt (RS0034518 [T1, T5]; RS0034450 [T13]). Die Vergleichsbereitschaft kann ausdrücklich auf einen Teilanspruch beschränkt werden; dann hemmen die Verhandlungen nur in diesem Umfang die Verjährung (RS0034526). Lehnt der Schuldner hingegen von Anfang an die Forderung ab, gibt es keine Vergleichsverhandlungen und es kann daher nicht zu einer Ablaufshemmung kommen (RS0034472 [T1]).
[77] 2.2. Scheitern Vergleichsverhandlungen nach einem Zeitpunkt, in dem ohne sie der Rechtsverlust bereits eingetreten wäre, tritt Verjährung nur dann nicht ein, wenn die Klage unverzüglich, das heißt binnen angemessener Frist, eingebracht wird (RS0034450 [T20]). Dasselbe gilt im Fall, dass Vergleichsverhandlungen so kurz vor Ende der Verjährungsfrist enden, dass eine Einbringung der Klage vor Fristablauf nicht mehr möglich ist (4 Ob 205/18b [Pkt 1] mwN).
[78] Wie lange der Geschädigte in solchen Fällen mit der Einbringung der Klage noch zuwarten darf, kommt auf die Umstände des Einzelfalls an (RS0034805).
[79] 3.1. Wie bereits dargelegt steht fest, dass dem Kläger nicht vor dem 9. 11. 2009, jedoch spätestens am 9.4.2010 bekannt war, dass ein kausaler Zusammenhang zwischen den an ihm von Pater T* begangenen Missbrauchshandlungen und seinen psychischen Problemen bestand. Frühestens ab ersterem und spätestens ab letzterem Zeitpunkt kannte der Kläger sowohl den Schaden als auch den Ersatzpflichtigen so weit, dass eine Klage mit Aussicht auf Erfolg erhoben werden konnte. Demnach hat die dreijährige Verjährungsfrist nicht vor dem 9. 11. 2009, aber spätestens am 9. 4. 2010 zu laufen begonnen (oben Pkt B.I.3.) und endete daher frühestens am 9. 11. 2012 und spätestens am 9. 4. 2013.
[80] Hier hat die Zweitbeklagte durch die – routinemäßig und im vorliegenden Einzelfall erfolgte – Weiterverweisung der wegen sexuellen Missbrauchs an sie bzw ihre eigens hiefür eingerichtete Ombudsstelle am 28. 4. 2009 herangetragenen Ansprüchen auf Ersatz für die erlittenen Schmerzen sowie für Therapiekosten an eine Opferschutzkommission und eine Entschädigungen auszahlende Stiftung einen Tatbestand gesetzt, der nicht als Ablehnung der damit gerade auch an sie selbst gerichteten Ansprüche des Klägers zu verstehen war.
[81] 3.2. Dass ein Anspruchsteller diese Weiterverweisung redlicherweise so verstehen darf, dass die Ansprüche von der Erzdiözese nicht von vornherein abgelehnt werden, sondern zunächst eine Prüfung des behaupteten Missbrauchs durch die Kommission und die Stiftung erfolgen solle, ist ebenso zutreffend wie die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, wonach die Zweitbeklagte gerade dadurch ihre grundsätzliche Bereitschaft zur außergerichtlichen Lösung gezeigt habe. Das Tätigwerden von Kommission und Stiftung wurde von der Zweitbeklagten aufgrund von an sie herangetragenen Ansprüchen selbst eingeleitet und angeregt, sodass der Ablauf der Zeit, der mit der Befassung dieser Institutionen verbunden war, den Ablauf der Verjährungsfrist zu verhindern geeignet war.
[82] 3.3. Eine von der Zweitbeklagten durch Weiterverweisung an „Klasnic-Kommission“ und Stiftung Opferschutz bewirkte Ablaufshemmung endete jedoch mit der Bekanntgabe des Schreibens der Stiftung vom 20. 12. 2012, dass dem Kläger mit 35.000 EUR mehr als der (nach den Feststellungen üblicherweise zuerkannte) Höchstbetrag an Geldzuwendung zugesprochen und ein Ersatz von 150 Stunden an ihm entstandenen Therapiekosten versprochen wurde, womit der Kläger darüber hinaus keine weiteren Leistungen erwarten durfte. Die Hemmung der Verjährungsfrist fiel somit im Fall ihres Beginns vor dem 21. 12. 2009 mit 21. 12. 2012 weg; im Fall des Beginns der Verjährungsfrist nach dem 21. 12. 2009 endete die Verjährungsfrist drei Jahre danach, spätestens aber mit 9. 4. 2013.
[83] Der Kläger hat hier aber nicht unverzüglich bzw bis 9. 4. 2013 Klage erhoben, sondern sich vorerst im Juni 2013 mit bis dahin nicht konkret erhobenen Forderungen außergerichtlich direkt an die Zweitbeklagte gewandt; die Klage wurde – nach dem Verzicht der Zweitbeklagten auf den Verjährungseinwand für bis 28. 1. 2015 noch nicht verjährte Forderungen – erst am 4. 12. 2015 erhoben. Im Zeitpunkt der Abgabe des Verjährungsverzichts durch die Zweitbeklagte war die Verjährungsfrist daher bereits abgelaufen.
[84] 3.4. Die Befassung von „Klasnic-Kommission“ und Stiftung Opferschutz war somit zusammengefasst nicht geeignet, den Ablauf der dreijährigen Verjährungsfrist über den 9. 4. 2013 hinaus bis zum 28. 1. 2015 (Abgabe des Verjährungsverzichts) zu hemmen.
[85] 4. Soweit sich der Kläger auf ein verjährungsunterbrechendes Anerkenntnis durch das Schreiben der Stiftung Opferschutz vom 20. 12. 2012 stützt, ist das Folgende auszuführen:
[86] 4.1. Die Verjährung wird unterbrochen, wenn der Schuldner die Forderung ausdrücklich oder schlüssig anerkannt hat (§ 1497 ABGB). Anerkennung in diesem Sinne ist jede Handlung des Schuldners, die in irgendeiner Weise sein Bewusstsein, aus dem betreffenden Schuldverhältnis dem Gläubiger verpflichtet zu sein, zum Ausdruck bringt, wobei es auf den objektiven Erklärungswert der Willensäußerung ankommt (RS0034516). Es genügt jede Rechtshandlung des Schuldners, die eine Anerkennung des Rechts des Gläubigers denknotwendig voraussetzt oder seine Absicht, die Schuld anzuerkennen, deutlich erkennen lässt (RS0034477). Dies kann auch durch ein deklaratives Anerkenntnis (als bloße Bestätigung oder Bekräftigung eines vom Schuldner als bestehend angenommenen Rechtsverhältnisses im Sinn einer Wissensklärung [vgl 8 Ob 27/04k; RS0032666]) geschehen (RS0033015; 7 Ob 146/15v [Pkt VI.2] mwN).
[87] Durch Teilzahlungen wird die Verjährung unterbrochen, wenn zweifelsfrei ist, dass der Schuldner mit ihnen nur einen Teil seiner Schuld abtragen will und nicht damit den Gläubiger gänzlich zu befriedigen glaubt (RS0034464). Will also ein Schuldner mit einer Zahlung offenkundig nur jenen Teil einer Forderung befriedigen, den er zu schulden glaubt, wird damit die Verjährung des Restbetrags nicht unterbrochen (vgl 7 Ob 15/18h; RS0034516 [T2]).
[88] Ein als Anerkenntnis zu verstehendes Verhalten muss dem Berechtigten gegenüber gesetzt werden und von dem ausgehen, zu dessen Gunsten die Verjährung wirken würde (vgl RS0034477 [T9]).
[89] 4.2. Das Schreiben der Stiftung Opferschutz, das nach der Vorstellung des Klägers als Anerkenntnis gewertet werden soll, konnte keine Unterbrechung der Verjährung bewirken:
[90] 4.2.1. Das Schreiben wurde nicht von der Zweitbeklagten verfasst, sondern von der über eigene Rechtspersönlichkeit verfügenden Stiftung Opferschutz, die auch nicht von der Zweitbeklagten eingerichtet wurde. Von dieser ist das Anerkenntnis somit nicht unmittelbar ausgegangen.
[91] 4.2.2. Nach den Feststellungen bestand zwischen der Zweitbeklagten und der Stiftung kein Auftrags- oder Vollmachtsverhältnis dahin, dass diese über gegen die Diözese erhobene Ansprüche rechtserhebliche Erklärungen abzugeben befugt war.
[92] 4.2.3. Für die Annahme einer Vollmacht zufolge äußeren Anscheins bedürfte es nicht nur eines bestimmten Sachverhalts, aus dem der Erklärungsempfänger objektiv einen Willen auf Vollmachtserteilung erschließen konnte, und eines Nachweises, dass dieser Sachverhalt durch ein Verhalten des Geschäftsherrn zurechenbar veranlasst wurde (RS0020331 [T3]), sondern der Dritte muss als weitere Voraussetzung aufgrund eines Verhaltens des vermeintlichen Vollmachtgebers auf das Bestehen einer Vollmacht auch tatsächlich vertraut haben (8 ObS 7/15k; RS0019609 [T7]; Apathy/Burtscher in Schwimann/Kodek 5 § 1029 ABGB Rz 11 mwN).
[93] Hier war aber gerade nicht feststellbar, dass der Kläger auf eine Bevollmächtigung der Stiftung durch die Zweitbeklagte vertraut hätte. Dem entspricht auch sein auf die Erklärung der Stiftung folgendes Verhalten, weil er sich mit seinen weitergehenden Forderungen nicht an diese, sondern neuerlich (außergerichtlich, nicht durch Klage) direkt an die Zweitbeklagte wandte.
[94] 4.3. Insgesamt ist daher durch das Schreiben der Stiftung Opferschutz vom 20. 12. 2012 keine Unterbrechung der Verjährung durch Anerkennung eingetreten.
[95] 5. Der Kläger hat sich in der Klage aber auch erkennbar auf einen Verzicht auf den Einwand der Verjährung durch das Verhalten von Dr. E* als Vertreter der Zweitbeklagten berufen.
[96] 5.1. Sowohl zur Unterbrechung der Verjährung als auch zur Annahme eines wirksamen Verzichts auf die Einrede der Verjährung ist eine Anerkennung dem Grunde nach hinreichend (RS0034529). Zwar wird eine bereits abgelaufene Verjährungsfrist durch ein Anerkenntnis nicht unterbrochen, doch liegt darin eben auch ein Verzicht auf die Erhebung der Verjährungseinrede (auch RS0032386; vgl Dehn in KBB6 § 1497 ABGB Rz 2; Vollmaier in Klang3 § 1497 ABGB Rz 28).
[97] 5.2. Das Erstgericht stellte fest, dass Dr. E* äußerte, die Zweitbeklagte sei „bereit [...], seine Therapiekosten weiter zu bezahlen und er [müsse] sich darum sozusagen keine Sorgen machen“. Über Vorschlag von Dr. E* einigte man sich entweder im Zuge dieses Gesprächs oder in der nachfolgenden Anwaltskorrespondenz darauf, noch einmal ein psychiatrisches Gutachten zur Abklärung der Kausalität einzuholen. Tatsächlich bezahlte und bezahlt die Zweitbeklagte weiterhin Therapiekosten des Klägers.
[98] 5.3. Vor dem Hintergrund des Inhalts des vorangegangenen Schreibens der Stiftung Opferschutz (dem Kläger als anerkannten Missbrauchsopfer würden unter anderem die Kosten für 150 Therapiestunden ersetzt) kann die der Zweitbeklagten selbst zuzuschreibende Erklärung von Dr. E* nach ihrem objektiven Erklärungswert (auf die nicht geäußerte „Sicht“ von Dr. E*, was er dazu gemeint habe und was seiner Ansicht nach damit bezweckt werden sollte, kommt es dabei nicht an) im Zusammenhalt mit dem weiteren Verhalten der Zweitbeklagten nur als deklaratives Anerkenntnis der Einstandspflicht der Zweitbeklagten dem Grunde nach verstanden werden. Da die Zweitbeklagte auf eigenen Vorschlag auch zum Ausdruck brachte, sie wolle den Sachverhalt weiter prüfen, kann ihre Erklärung objektiv nur dahin verstanden werden, dass sie mit der Zahlung der Therapiekosten den Kläger nicht gänzlich befriedigen wollte und auch nicht weitere Leistungen rundweg ablehnte.
[99] Diese Erklärung ist nach der dargelegten Rechtslage als Verzicht auf den Einwand der Verjährung anzusehen, sodass die Zweitbeklagte daran gehindert ist, sich nunmehr darauf zu stützen, die gegen sie mit Schreiben vom Juni 2013 erhobenen Ansprüche seien vor ihrem ausdrücklichen Verjährungsverzicht vom 28. 1. 2015 verjährt.
[100] 6. Auf die oben (Pkt B.I.5.1.) bereits erörterte Frage der 30‑jährigen Verjährungsfrist kommt es im Verhältnis zur zweitbeklagten Erzdiözese damit nicht an.
[101] 7.1. Mit einem Zwischenurteil über den Einwand der Verjährung nach § 393a ZPO wird nur die allfällige Verjährung des Klagsanspruchs beurteilt und selbständig im Instanzenzug überprüfbar, bevor ein unter Umständen umfangreiches (Beweis-)Verfahren über die übrigen Anspruchsgrundlagen des Klagsanspruchs durchgeführt werden muss (RS0127852). Ein solches Urteil hat jedoch nur zu ergehen, wenn auch ein schlüssiges Tatsachenvorbringen des Klägers zum Anspruchsgrund vorliegt; sonst wäre die Klage – wie auch sonst erst nach Erörterung der Unschlüssigkeit (RS0117576) – abzuweisen (RS0129001).
[102] 7.2. Das Berufungsgericht hat eine mögliche Haftungsgrundlage der Zweitbeklagten in § 1313a ABGB gesehen und bejaht, dass der Kläger diesbezüglich ausreichend schlüssiges Vorbringen erstattete.
[103] 7.2.1. Wie bereits oben (Pkt A.1.) ausgeführt sind einer Erzdiözese grundsätzlich zivilrechtlich Delikte ihrer verfassungsmäßigen Organe sowie ihrer Repräsentanten zurechenbar; für das Fehlverhalten anderer Dienstnehmer haftet sie nach § 1315 ABGB.
[104] 7.2.2. Betrifft die unerlaubte Handlung des Gehilfen nicht (mehr) seinen Aufgabenbereich, sondern ist sie eine Verletzung der allgemeinen Pflicht, die Integrität fremder Rechtsgüter zu wahren, dann ist die Schädigung einer eigenständigen unerlaubten Handlung entsprungen, für die der Geschäftsherr nicht haftet (vgl zB 1 Ob 127/07v: mangelnde Vorhersehbarkeit von Straftaten gegen Leib und Leben). So wurde festgehalten, dass etwa die Pflicht zur Unterlassung von vorsätzlichen unerlaubten Handlungen wie Diebstählen jedermann trifft und keine vertragstypische Schutzpflicht bildet (3 Ob 296/98w).
[105] 7.2.3. Nach dem Klagsvorbringen hat ein Pfarrer den Kläger sexuell missbraucht. Solche Handlungen können nicht als vorhersehbare Gefahr angesehen werden, mit der beim Einsatz eines Gehilfen im Allgemeinen gerechnet werden muss. Die Wahrung der sexuellen Integrität Dritter ist eine allgemeine Rechtspflicht, deren Verletzung einer eigenständigen unerlaubten Neigung und Handlung des Täters entspringt und für die ein Geschäftsherr daher nicht nach § 1313a ABGB haftet; diesbezüglich liegt daher keine schlüssige Klagsbehauptung vor. Es kann damit dahingestellt bleiben, ob ein Pfarrer überhaupt als Erfüllungsgehilfe einer Erzdiözese iSd § 1313a ABGB angesehen, das heißt das interne kirchenrechtliche Verhältnis zwischen einer Erzdiözese und einem Katholiken überhaupt einer vertraglichen oder gesetzlichen schuldrechtlichen Verbindlichkeit iSd § 1313a ABGB (vgl RS0028527) gleichgehalten werden könnte.
[106] 7.3.1. Für eine mögliche Haftung für einen etwa als Repräsentanten der zweitbeklagten Diözese verstandenen Pfarrer gälte Ähnliches: Eine deliktische Haftung einer juristischen Person für Personen mit gehobenem Wirkungskreis und eigenverantwortlicher Entscheidungsbefugnis, die als Repräsentanten auftreten oder eine leitende Stellung mit selbständigem Wirkungskreis innehaben (vgl RS0009113, RS0009133), besteht dann nicht, wenn als deren allein relevantes Verschulden ausschließlich Fehler in Betracht kommen, die – wie hier die sexuellen Missbrauchshandlungen eines Pfarrers – mit ihrer Repräsentantenfunktion in keinem erkennbaren Zusammenhang stehen (RS0106863). Da dies mit der Unterscheidung von „bei Erfüllung“ und „gelegentlich der Erfüllung“ bei § 1313a ABGB vergleichbar ist (Huber in Schwimann/Neumayr, ABGB‑TaKomm5 [2020] § 1315 Rz 11), kann auch insofern nicht von einer schlüssigen Anspruchsbehauptung ausgegangen werden.
[107] 7.4. Schon vom Berufungsgericht wurde die Behauptung der Beitragstäterschaft damaliger Leitungsorgane der Zweitbeklagten (Bischöfe) zu Tathandlungen des unmittelbaren Sexualstraftäters als unschlüssig angesehen. Auch diesbezüglich gilt zudem das oben bereits Ausgeführte, dass es beim Handeln eines Organs für eine juristische Person nicht um das Einstehen-Müssen für fremdes Verhalten geht, sondern um Eigenhandeln der juristischen Person selbst und dass ein solches Eigenhandeln durch Begehung einer Sexualstraftat wie hier auch in Form der Beitragstäterschaft nicht denkbar ist.
[108] 7.5.1. Der Kläger hat allerdings in erster Instanz auch vorgebracht, dass die Zweitbeklagte von den für die Straftaten ursächlichen Neigungen des Pfarrers wusste und ihm dennoch seine Funktion ausüben ließ.
[109] 7.5.2. Nach § 1315 ABGB haftet – im deliktischen Bereich, also ohne vertragliche oder gesetzliche Sonderbeziehung – überhaupt derjenige, welcher sich einer untüchtigen oder wissentlich einer gefährlichen Person zur Besorgung seiner Angelegenheiten bedient, für den Schaden, den sie in dieser Eigenschaft einem Dritten zufügt.
[110] Der Oberste Gerichtshof hat bereits zu 1 Ob 124/13m eine Haftung nach § 1315 ABGB in einem Fall bejaht, in dem eine Person, deren kriminelle sexuelle Neigungen den Verantwortlichen bekannt gewesen waren, zum Regens eines Internats bestellt wurde, in dem als Opfer dieser Neigungen geradezu prädestinierte Schüler zu betreuen waren, und sich die dadurch geschaffene Gefahr tatsächlich realisierte.
[111] 7.5.3. Nach Kirchenrecht kommt dem – vom Papst ernannten – Diözesanbischof Leitungsfunktion in seiner Diözese als Teilkirche (Can 368 ff CIC 1983) zu, die er rechtlich vertritt, und in der er alle ordentliche, eigenberechtigte und unmittelbare, gesetzgebende, ausführende und richterliche Gewalt zur Ausübung des Hirtenamts hat (Can 381, 391, 393 CIC 1983; Ruf, Das Recht der katholischen Kirche [1983] 116 ff [119 f]). Jede Diözese oder Teilkirche ist in verschiedene Teile, dh Pfarreien, aufzugliedern (Can 374 § 1 CIC 1983); eine Pfarrei ist eine bestimmte Gemeinschaft von Gläubigen, die in einer Teilkirche auf Dauer errichtet ist und deren Seelsorge unter der Autorität des Diözesanbischofs einem Pfarrer als ihren eigenen Hirten anvertraut wird. Pfarreien zu errichten, aufzuheben oder sie zu verändern, ist ebenso allein Sache des Diözesanbischofs (Can 515 CIC 1983) wie grundsätzlich die Ernennung eines Pfarrers (Can 523 f CIC 1983; Ruf, Das Recht der katholischen Kirche [1983] 143; vgl Schwendenwein, Das neue Kirchenrecht [1983] 231). Soll in der Diözese einem Ordensangehörigen ein Kirchenamt übertragen werden, so wird der Ordensangehörige auf Vorschlag oder wenigstens mit Zustimmung des zuständigen Oberen vom Diözesanbischof ernannt. Der Ordensangehörige kann des ihm übertragenen Amtes frei enthoben werden, und zwar auf Weisung sowohl der Autorität, die das Amt übertragen hat, nachdem der Ordensobere in Kenntnis gesetzt worden ist, als auch des Oberen, nachdem die amtsübertragende Autorität in Kenntnis gesetzt wurde; die Zustimmung des jeweils anderen ist nicht erforderlich (Can 682 CIC 1983; Ruf, Das Recht der katholischen Kirche [1983] 143).
[112] 7.5.4. Vor dem Hintergrund der zitierten kirchenrechtlichen Vorschriften ist das Vorbringen des Klägers als hinreichend schlüssige Behauptung einer Haftung der Zweitbeklagten nach § 1315 ABGB (sich wissentlich einer gefährlichen Person bedienen) für den vom Erzbischof als Pfarrer eingesetzten Ordensmann anzusehen. Die Fragen der Erweislichkeit und Berechtigung solcher Behauptungen stellen sich im gegebenen Verfahrensstadium nicht, weil hier nur die Frage der Verjährung zu klären ist.
[113] 8. Zusammengefasst ist somit das klagsstattgebende Zwischenurteil des Berufungsgerichts im Ergebnis zu Recht ergangen; der Revision der Zweitbeklagten war daher nicht Folge zu geben.
[114] 9. Der Vorbehalt der Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf § 393 Abs 4 iVm § 52 Abs 4 und § 393a ZPO. Bei Bestätigung eines „stattgebenden“ Zwischenurteiles ist über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens nicht zu entscheiden, was auch für ein Zwischenurteil nach § 393a ZPO gilt (RS0035896 [T2]).
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