OGH 2Ob162/16m

OGH2Ob162/16m27.7.2017

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden, die Hofräte Dr. Veith, Dr. Musger und Dr. Nowotny sowie die Hofrätin Dr. Weixelbraun‑Mohr als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach dem am 4. Mai 2014 verstorbenen A* S*, wegen Feststellung des Erbrechts zwischen den Antragstellern 1. DI G* B*, und 2. H* K*, beide vertreten durch Dr. Jürgen Nowotny, Rechtsanwalt in Linz, sowie 3. DI R* M*, vertreten durch Univ.‑Prof. Dr. Bruno Binder und andere Rechtsanwälte in Linz, über den Revisionsrekurs des Drittantragstellers gegen den Beschluss des Landesgerichts Linz als Rekursgericht vom 3. Mai 2016, GZ 15 R 449/15b‑82, womit infolge Rekurses des Erstantragstellers und der Zweitantragstellerin der Beschluss des Bezirksgerichts Linz vom 2. Oktober 2015, GZ 46 A 250/14i‑64, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:E118905

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Revisionsrekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

 

Begründung:

Der am 4. 5. 2014 im Alter von 88 Jahren verstorbene Erblasser hinterließ das von einem öffentlichen Notar verfasste private fremdhändige Testament vom 13. 2. 2012, in dem er den Drittantragsteller zum Alleinerben und dessen Ehefrau zur Ersatzerbin bestimmte. Der Drittantragsteller (in der Folge: Testamentserbe) gab aufgrund dieses Testaments zum gesamten Nachlass die unbedingte Erbantrittserklärung ab.

Der Erstantragsteller und die Zweitantragstellerin (in der Folge: gesetzliche Erben) sind der Großcousin bzw die Großcousine des Erblassers. Sie gaben aufgrund des Gesetzes, vorerst ohne Nennung einer Erbquote, je eine bedingte Erbantrittserklärung ab. Eine weitere Großcousine behielt sich die Abgabe einer Erbantrittserklärung zu einem späteren Zeitpunkt vor.

Für den Erblasser war mit Beschluss vom 20. 12. 2012 ein Sachwalter – der nunmehrige Verlassenschaftskurator – bestellt worden, dessen Wirkungskreis die Vermögensverwaltung sowie die Vertretung vor Ämtern, Behörden, Gerichten und privaten Vertragspartnern umfasste.

Im Verfahren über das Erbrecht brachten die gesetzlichen Erben vor, das Testament vom 13. 2. 2012 sei ungültig, weil der Erblasser im Zeitpunkt seiner Errichtung nicht mehr testierfähig gewesen sei. Sie beantragten ua die Einvernahme zweier Ärzte, einer Altenfachbetreuerin, eines diplomierten Gesundheits‑ und Krankenpflegers sowie zweier Heimhelferinnen, die allesamt mit dem Erblasser beruflichen Kontakt gehabt hatten, als Zeugen.

In den Tagsatzungen vom 3. 3. 2015 und 15. 4. 2015 verwiesen diese Zeugen auf ihre Verschwiegenheitspflicht, von der sie der Erblasser nicht entbunden habe. Darauf verkündete der Erstrichter jeweils den Beschluss auf Abstandnahme von der Einvernahme des Zeugen oder der Zeugin. Der Vertreter der gesetzlichen Erben rügte diese Vorgangsweise jeweils als Verfahrensmangel.

Nachdem das Erstgericht die Tagsatzung vom 15. 4. 2015 auf unbestimmte Zeit erstreckt hatte, beauftragte es einen Sachverständigen mit der Erstattung eines neurologisch-psychiatrischen Gutachtens. Nach dessen Vorliegen beantragten die gesetzlichen Erben mit Schriftsatz vom 2. 9. 2015 die Ergänzung des Gutachtens durch Einbeziehung

- eines bestimmten Gutachtens aus dem beigeschafften Sachwalterschaftsakt,

- des vom Erstgericht beigeschafften „Pflegegeldgutachtens“ der Pensionsversicherungsanstalt sowie

- des Urkundenkonvoluts Beilage ./I,

deren Berücksichtigung das Erstgericht in Abänderung seines ursprünglichen Gutachtensauftrags ausdrücklich ausgeschlossen hatte. Diese Unterlagen seien geeignet, die Erforschung des wahren letzten Willens des Erblassers substanziell zu verbessern. Außerdem beantragten die gesetzlichen Erben, „die bisher abgewiesenen Zeugeneinvernahmen nochmals durchzuführen“. In einem weiteren Schriftsatz führten sie ergänzend aus, die vom Erstgericht ausgeklammerten Aktenstücke würden einen wesentlichen Aufschluss über den physischen und psychischen Zustand des Erblassers zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung geben.

Ohne eine weitere Tagsatzung anzuberaumen stellte das Erstgericht das Erbrecht des Testamentserben fest und wies die bedingten Erbantrittserklärungen der gesetzlichen Erben ab. In weiteren Spruchpunkten wies es deren Beweisanträge vom 2. 9. 2015 ab.

Das Erstgericht ging im Wesentlichen von folgendem weiteren Sachverhalt aus:

Bei der Errichtung des Testaments am 13. 2. 2012 fungierten der Notar und zwei Notariatssubstituten als Testamentszeugen. Der Ablauf der Testamentserrichtung gestaltete sich so, dass der Notar dem Erblasser im Beisein der beiden Substituten das maschinell angefertigte Testament erklärte. Anschließend fragte er den Erblasser, ob es sich dabei um seinen letzten Willen handle. Diese Frage bejahte der Erblasser. Daraufhin unterfertigten der Erblasser sowie die Testamentszeugen mit Hinweis auf ihre Zeugeneigenschaft das Testament. Während des Vorgangs der Testamentserrichtung zeigte der Erblasser keine kognitiven Auffälligkeiten dahingehend, dass er die Bedeutung der Unterfertigung eines Testaments nicht hätte einsehen können. Im Zeitpunkt der Testamentserrichtung bestanden bei ihm leichte kognitive Einschränkungen. Er litt zwar an einer ausgeprägten Schwerhörigkeit, war jedoch in der Lage, auch komplexere Zusammenhänge noch zu verstehen. Der Erblasser war zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung am 13. 2. 2012 in der Lage, die Bedeutung der Unterfertigung eines Testaments einzusehen. Er erkannte, dass es sich beim Testament um eine Verfügung über sein Vermögen handle.

Gleichzeitig mit der Testamentserrichtung unterzeichnete der Erblasser eine Vollmacht und Vorsorgevollmacht samt Sachwalterverfügung. Kurz zuvor, am 6. 2. 2012, war seine Lebensgefährtin im Alter von 90 Jahren verstorben. Am 20. 3. 2012 regte die weitere Großcousine die Bestellung eines Sachwalters für den Erblasser an. Die Erstanhörung fand am 10. 5. 2012 statt. Der Erblasser bezog zumindest ab 21. 12. 2012 bis zu seinem Tod Pflegegeld der Stufe 5.

Rechtlich erörterte das Erstgericht, das Testament sei im Zustand der Testierfähigkeit errichtet worden. Es entspreche auch den gesetzlichen Formvorschriften und sei daher wirksam. Der Erstantragsteller und die Zweitantragstellerin hätten die Gründe, aus denen das Gutachten aus dem Sachwalterschaftsakt, das „Pflegegeldgutachten“ und die Beilage ./I geeignet seien, die Erforschung des wahren letzten Willens substanziell zu verbessern, nicht im Sinne der Entscheidung 2 Ob 194/14i ausreichend konkret dargelegt.

Unabhängig davon seien die bezeichneten Aktenstücke aber ohnehin nicht geeignet, zur Beschreibung des Gesundheitszustands des Erblassers im Zeitpunkt der Testamentserrichtung Essentielles beizutragen. Die Beilage ./I beziehe sich auf medizinische Sachverhalte erst ab dem 18. 5. 2012, auch das „Pflegegeldgutachten“ beruhe auf einer erst einen Monat nach der Testamentserrichtung stattgefundenen Untersuchung vom 13. 3. 2012. Auch das Gutachten aus dem Sachwalterschaftsakt beziehe sich auf Zeiträume nach dem 13. 2. 2012, nämlich auf April, Mai und Oktober 2012. Zwar behandle das Gutachten auch das Thema der Geschäftsfähigkeit des Erblassers im Jänner 2012, gelange jedoch zu dem Ergebnis, dass diese Frage nicht objektiv beurteilt werden könne. Aus dem Gutachten ließen sich daher keine wesentlichen Rückschlüsse auf den Geisteszustand des Erblassers am 13. 2. 2012 ziehen. Im Übrigen folge das Erstgericht der Entscheidung 4 Ob 38/13m, aus der sich ergebe, dass die bezeichneten Aktenstücke im gegenständlichen Verfahren keine Berücksichtigung finden könnten.

Die als Zeugen beantragten Ärzte unterlägen gemäß § 54 Abs 1 ÄrzteG der Pflicht zur Verschwiegenheit; ein Ausnahmefall iSd § 54 Abs 2 Z 4 ÄrzteG liege nicht vor. Würde schon das Interesse der Erben, sich für die eigene Prozessführung Beweise zu verschaffen, als höherwertiges Interesse der Rechtspflege gelten, das die Offenbarung des Geheimnisses nach Art und Inhalt unbedingt erforderlich mache, käme dies einer Aushöhlung bzw Möglichkeit zur Umgehung der Verschwiegenheitspflicht gleich. Auch die Angehörigen der Gesundheits‑ und Krankenpflegeberufe unterlägen nach § 6 Abs 1 GuKG der Verschwiegenheitspflicht, ebenso die Heimhelferinnen gemäß § 8 Abs 1 Oö. SBG. Alle diese Bestimmungen stünden iVm § 321 Abs 1 Z 3 ZPO der Einvernahme der beantragten Zeugen entgegen.

Das Rekursgericht hob den erstinstanzlichen Beschluss auf und verwies die Rechtssache an das Erstgericht zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung zurück. Es sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei.

Es führte aus, entgegen der Meinung des Erstgerichts hätten die gesetzlichen Erben die vom Sachverständigen zu berücksichtigenden medizinischen Unterlagen konkret bezeichnet und ihren Beweisantrag im Sinne von 2 Ob 194/14i auch ausreichend konkretisiert. Schon aufgrund der Abweisung des Antrags auf Ergänzung des Gutachtens unter Einbeziehung der genannten Aktenstücke sei das erstinstanzliche Verfahren mangelhaft.

Aber auch die von den gesetzlichen Erben beantragten Zeugen hätten einvernommen werden müssen. Ein Zeuge könne nur die Beantwortung einzelner Fragen, nicht aber seine Aussage zur Gänze verweigern. Die Aussageverweigerungsgründe des § 321 ZPO seien ferner nicht von Amts wegen zu beachten, sondern vom Zeugen geltend zu machen. Vor seiner Befragung sei der Zeuge über die ihm zustehenden Verweigerungsrechte zu belehren. Danach habe er selbst zu entscheiden, ob er davon Gebrauch macht. Die Geltendmachung des Rechts zur Aussageverweigerung bleibe also dem Zeugen überlassen und es sei allein seine Sache, Gründe dafür vorzubringen. Mache der Zeuge Aussageverweigerungsgründe geltend, so habe das Gericht nach § 324 ZPO mit Beschluss darüber zu entscheiden.

Im gegenständlichen Verfahren hätten die zu vernehmenden Ärzte und Pflegepersonen lediglich angegeben, nicht von der Verschwiegenheitspflicht entbunden worden zu sein, nicht jedoch, ob sie aus diesem Grund ihre Aussage verweigern würden. Das Erstgericht habe nur einen Beschluss auf Abstandnahme von weiteren Befragungen gefasst, über die Rechtmäßigkeit der Aussageverweigerung aber nicht entschieden. Es werde die beantragten Zeugen daher im fortgesetzten Verfahren neuerlich zu vernehmen haben. Dabei werde Folgendes zu beachten sein:

Ärzte und Hilfspersonen seien zur Verschwiegenheit über alle ihnen in Ausübung ihres Berufs anvertrauten oder bekannt gewordenen Geheimnisse verpflichtet. Eine Entbindung durch die von der Offenbarung des Geheimnisses betroffene Person sei zulässig. Nach bisheriger ständiger Rechtsprechung könne eine Entbindung nicht durch das Gericht substituiert werden. Bisher sei auch judiziert worden, dass ein Verlassenschaftskurator nicht legitimiert sei, als Vertreter des Nachlasses seine Zustimmung zur Einsichtnahme in die Krankengeschichte des Verstorbenen oder zur Entbindung von gesetzlichen Verschwiegenheitspflichten behandelnder Ärzte des Verstorbenen im Erbrechtsstreit zu erteilen. Eine Verpflichtung zur Verschwiegenheit bestehe nach § 54 Abs 2 Z 4 ÄrzteG grundsätzlich nur dann nicht, wenn die Offenbarung des Geheimnisses nach Art und Inhalt zum Schutz höherwertiger Interessen der öffentlichen Gesundheitspflege oder der Rechtspflege unbedingt erforderlich sei, wovon im Regelfall im Zivilprozess nicht auszugehen sei. Eine Ausnahme sei bisher im Obsorgeverfahren zum Tragen gekommen, es sei jedoch strittig, ob sie ganz allgemein für vom Untersuchungsgrundsatz beherrschte Verfahren gelte.

In Anbetracht der Entscheidung 2 Ob 194/14i erscheine es aber nur konsequent – um den wahren letzten Willen des Erblassers tatsächlich besser erforschen zukönnen – nicht mehr von einer Verschwiegenheitspflicht über den Tod hinaus auszugehen, zumal die Erforschung des wahren letzten Willens das höhere Rechtsgut im Vergleich zum postmortalen Geheimnisschutz darstelle. In einer Konstellation wie der vorliegenden könne aber auch von einer mutmaßlichen Entbindung durch den Erblasser selbst ausgegangen werden. Es solle bei der Entscheidung über das Erbrecht letztlich ja die Nutzung sämtlicher relevanten Erkenntnisquellen sichergestellt werden, die den wahren Willen des Erblassers zutage fördern und somit seinen Wünschen und Vorstellungen zum Durchbruch verhelfen könnten. Die Zeugen könnten sich daher bei ihrer neuerlichen Einvernahme nicht auf ihre jeweilige Verschwiegenheitspflicht berufen.

Der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, weil zum erörterten Fragenkomplex „(postmortaler Geheimnisschutz als niedrigeres Rechtsgut im Vergleich zur Erforschung des wahren letzten Willens sowie mutmaßliche Entbindung von der Verschwiegenheitspflicht im Zuge eines Verlassenschaftsverfahrens, in welchem widersprechende Erbantrittserklärungen abgegeben wurden)“ noch keine höchstgerichtliche Rechtsprechung bestehe.

Gegen den Beschluss des Rekursgerichts richtet sich der Revisionsrekurs des Testamentserben wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die erstinstanzliche Entscheidung wiederherzustellen.

Die gesetzlichen Erben beantragen in ihrer Revisionsrekursbeantwortung das Rechtsmittel als unzulässig zurückzuweisen, in eventu ihm nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil es einer Klarstellung der Rechtslage bedarf. Er ist jedoch nicht berechtigt.

Der Testamentserbe steht auf dem Standpunkt, ein erstinstanzlicher Verfahrensmangel liege nicht vor. Das pauschale Vorbringen der gesetzlichen Erben entspreche nicht dem Konkretisierungserfordernis im Sinne der Entscheidung 2 Ob 194/14i. Im Übrigen seien die bezeichneten Aktenstücke auch nicht geeignet, zur Beschreibung des Gesundheitszustands des Erblassers im Zeitpunkt der Testamentserrichtung Essentielles beizutragen. Die Beurteilung, ob das Interesse an der Preisgabe des Geheimnisses höherwertig sei als jenes der betroffenen Patienten an der Geheimhaltung, setze eine umfassende Interessenabwägung voraus. Ein höherwertiges Interesse, das iSd § 54 Abs 2 Z 4 ÄrzteG ausnahmsweise eine Durchbrechung des Berufsgeheimnisses rechtfertigen würde, liege nicht vor. Das Interesse der gesetzlichen Erben am Erhalt von Informationen zum Geistes‑ und Gesundheitszustand des Erblassers überwiege nicht das persönliche Interesse des Erblassers auf Geheimhaltung, welches als Persönlichkeitsrecht auch nach seinem Tod fortbestehe.

Hiezu wurde erwogen:

I. Zur Testierfähigkeit:

1. Voraussetzung der Errichtung eines wirksamen Testaments ist nach § 565 ABGB ua, dass der Erblasser seinen letzten Willen im Zustand der vollen Besonnenheit erklärt. Wird bewiesen, dass die Erklärung in einem die hiefür erforderliche Besonnenheit ausschließenden Zustand, wie dem einer psychischen Krankheit, einer geistigen Behinderung oder der Trunksucht, geschehen sei, so ist sie gemäß § 566 ABGB ungültig. An die Bejahung der Testierfähigkeit legt die Rechtsprechung einen weniger strengen Maßstab an als an die Geschäftsfähigkeit bei Geschäften unter Lebenden. Nicht jede geistige Erkrankung schließt die Testierfähigkeit aus und ebensowenig die bloße Abnahme der geistigen Kräfte. Der Vollbesitz der geistigen Kräfte und die volle Kenntnis der Tragweite der Anordnung sind nicht erforderlich (1 Ob 28/03d; RIS‑Justiz RS0012428, RS0012463).

2. Die Testierfähigkeit fehlt jedenfalls dann, wenn der Erblasser nicht einmal das Bewusstsein hatte, eine letztwillige Anordnung zu treffen und ihm das Verständnis ihres Inhalts zur Gänze abging (RIS‑Justiz RS0012397, RS0012402). Die Testierfähigkeit fehlt aber auch, wenn der Erblasser zwar den Willen hat, ein Testament zu errichten und auch in der Lage ist, zu erkennen, dass er dies tut, die normale Freiheit seiner Willensbildung aber dennoch aufgehoben ist. Hiebei schadet nur ein hoher Grad der Willensbeeinträchtigung, der dem Zustand des § 566 ABGB gleichsteht. Als Richtschnur für die Bejahung der Testierfähigkeit nimmt die Rechtsprechung an, es müssten zumindest die kognitiven und volitiven Fähigkeiten eines 14‑Jährigen vorliegen (RIS‑Justiz RS0012427), ohne dass dies ausdrücklich festgestellt werden muss (4 Ob 198/11p).

3. Die Beurteilung der Testierfähigkeit ist eine Rechtsfrage, die aufgrund der Feststellungen über den Geisteszustand des Erblassers und den Grad der Beeinträchtigung seiner Willensbildung zu lösen ist (2 Ob 228/16t; RIS‑Justiz RS0012408). Dem Sachverständigen obliegt daher kein Urteil über die Testierfähigkeit; er hat bloß mit Hilfe seiner besonderen Sachkunde an den Feststellungen mitzuwirken, welchen Grad der „Besonnenheit“ der Erblasser im Zeitpunkt der Verfassung der letztwilligen Verfügung hatte (RIS‑Justiz RS0012400). Die Beweislast, dass der Testator testierunfähig war, trifft diejenige Prozesspartei, die die Testierunfähigkeit behauptet; die bloße Wahrscheinlichkeit der Testierunfähigkeit genügt nicht (RIS‑Justiz RS0012415).

4. Nach diesen Grundsätzen wäre aufgrund der Feststellungen des Erstgerichts der den gesetzlichen Erben obliegende Beweis der behaupteten Testierunfähigkeit des Erblassers misslungen. Zu klären ist aber, ob dieser Beurteilung der vom Erstgericht ermittelte Sachverhalt tatsächlich zugrunde gelegt werden kann. Dies wurde vom Rekursgericht wegen des Vorliegens primärer Verfahrensmängel verneint.

II. Zur Nichtberücksichtigung von Aktenstücken:

1. Gutachten aus dem Sachwalterschaftsakt:

1.1 In der Entscheidung 4 Ob 38/13m EF‑Z 2013/88 (A. Tschugguel), auf die sich das Erstgericht stützte, hatte der Oberste Gerichtshof einer potenziellen Erbin, die sich daraus Aufschlüsse für einen „allfälligen Erbrechtsstreit“ erhoffte, die Einsicht in die im Sachwalterschaftsakt der Erblasserin erliegenden medizinischen Unterlagen und das dort eingeholte psychiatrische Gutachten verwehrt. Die Antragstellerin sei in Bezug auf jene Aktenteile, die sich auf den höchstpersönlichen Lebensbereich der Betroffenen beziehen würden, wie jede andere verfahrensfremde Dritte zu behandeln. Gegen die Gewährung der Akteneinsicht spreche von vornherein ein Größenschluss aus § 141 AußStrG: Es sei kein Grund zu erkennen, weshalb einem Dritten der Zugang zu – gegenüber den finanziellen Verhältnissen viel sensibleren – Daten möglich sein solle, die sich auf den Geisteszustand der betroffenen Person beziehen.

1.2 In der Entscheidung 2 Ob 194/14i SZ 2015/54 = EvBl 2015/155 (Cermak) = EF‑Z 2016/50 (Graf‑Schimek) = iFamZ 2015/181 (Parapatits) = ÖZPR 2015/96 (Schweighofer) gelangte der erkennende (Fach‑)Senat nach eingehender Befassung mit Lehre und Rechtsprechung, die Kritik A. Tschugguels an 4 Ob 38/13m teilweise aufgreifend, zu einer differenzierten Beurteilung. Bedenke man das durch das SWRÄG 2006, BGBl I 2006/92, verstärkt zum Ausdruck gebrachte Ziel des Sachwalterschaftsverfahrens, den Wünschen und Vorstellungen, also der subjektiven Sicht des Betroffenen zum Durchbruch zu verhelfen und die Selbstbestimmung der behinderten Person zu stärken, so umfasse dies auch, nach dem Tod des Betroffenen die Durchsetzung seines letzten Willens zu fördern.

Dies könne aber schon im Hinblick auf den Schutzgedanken des § 141 AußStrG naturgemäß keineswegs zu einer Akteneinsicht in jedem Fall allein mit der Behauptung führen, (auch) den wahren letzten Willen des Betroffenen fördern zu wollen. Würden aber in einem Verlassenschaftsverfahren einander widersprechende Erbantrittserklärungen abgegeben, ohne dass ein Einigungsversuch durch den Gerichtskommissär gemäß § 160 AußStrG gelinge, und sei daher das Verfahren in das Stadium der Entscheidung über das Erbrecht eingetreten, erscheine es auch unter dem Gesichtspunkt des Zwecks des Sachwalterschaftsverfahrens sinnvoll, in bestimmte und einzeln oder zumindest nach Gattungsmerkmalen zu bezeichnende (zB den Gesundheitszustand des Erblassers betreffende), relevante Teile des Sachwalterschaftsakts Einsicht zu gewähren. Um dem besonderen Schutzgedanken des Sachwalterschaftsverfahrens Rechnung zu tragen, sei aber zu verlangen, dass jeweils konkret dargelegt werde, warum die jeweiligen Aktenteile geeignet seien, die Erforschung des wahren letzten Willens des Erblassers substanziell zu verbessern. Damit solle letztlich sichergestellt werden, dass bei der Entscheidung über das Erbrecht sämtliche relevanten Erkenntnisquellen genutzt würden, die den wahren Willen des Erblassers zutage fördern könnten (vgl auch 5 Ob 187/16k).

1.3 Anders als in den beiden referierten Entscheidungen geht es hier aber nicht um die Einsicht in den vom Erstgericht beigeschafften Sachwalterschaftsakt oder Teile davon. Diese stünde den Parteien, wie sogleich zu zeigen ist, uneingeschränkt zu. Die gesetzlichen Erben stellten vielmehr den Antrag, dass dem im Verfahren über das Erbrecht bestellten Sachverständigen die Einbeziehung des im Sachwalterschaftsakt erliegenden Gutachtens in das von ihm zu erstattende Gutachten aufgetragen werden möge. Dabei kommt es aus den folgenden Gründen auf die in der Entscheidung 2 Ob 194/14i aufgestellten Kriterien nicht an:

1.4 Das Erstgericht hat den (vollständigen) Sachwalterschaftsakt von Amts wegen beigeschafft (ON 14) und ihn in der Tagsatzung vom 7. 10. 2014 mit den Parteien erörtert und verlesen (ON 16 = AS 181 f). Diese Vorgangsweise wurde von den Parteien weder in der Tagsatzung beanstandet noch später als Verfahrensmangel gerügt. Damit hat das Erstgericht aber den gesamten Inhalt des Sachwalterschaftsakts einschließlich des darin erliegenden Gutachtens in das Verfahren über das Erbrecht einbezogen, er wurde insgesamt zum Verfahrensgegenstand. Den Parteien stand (und steht) daher auch ein uneingeschränktes Recht auf Akteneinsicht zu und sie durften sich in ihren Beweisanträgen darauf beziehen (vgl 7 Ob 145/07k; Rassi in Fasching/Konecny³ II/3 § 219 Rz 103 ff und Rz 110; ders, Geheimnisschutz bei der Akteneinsicht und Aktenübersendung im Zivilprozess, Zak 2014/583, 303 [305 f]; Gitschthaler in Gitschthaler/Höllwerth, AußStrG § 22 Rz 52). Maßnahmen zur Wahrung eines allfälligen Geheimnisschutzes des Erblassers hätten entweder schon das Sachwalterschaftsgericht vor der Übersendung des angeforderten Akts (vgl Gitschthaler aaO Rz 55) oder das Erstgericht vor der Verlesung – etwa durch eine Anordnung iSd § 298 Abs 2 ZPO (vgl Rassi in Fasching/Konecny³ II/3 § 219 Rz 110) – treffen müssen (vgl auch Cermak in EvBl 2015/155 [Glosse zu 2 Ob 194/14i]), was jedoch nicht geschehen ist.

1.5 Es bestehen somit keine Bedenken, den Inhalt des Sachwalterschaftsakts in das im Verfahren über das Erbrecht zu erstattende Gutachten einzubeziehen. Indem das Erstgericht die Berücksichtigung des im Sachwalterschaftsakt erliegenden Gutachtens aus seinem Auftrag an den Sachverständigen ausdrücklich ausklammerte, ist ihm ein Verfahrensmangel unterlaufen, dessen Relevanz die gesetzlichen Erben im Rekurs ausführlich dargelegt haben und den das Rekursgericht daher im Ergebnis zu Recht wahrgenommen hat.

2. „Pflegegeldgutachten“:

2.1 Das oben Gesagte gilt auch für das „Pflegegeldgutachten“ (ON 29). Das Erstgericht hat dieses Gutachten (Teil eines Akts der Pensionsversicherungsanstalt) aufgrund eines Beweisantrags der gesetzlichen Erben (ON 15 und ON 28) beigeschafft (§ 301 ZPO iVm § 35 AußStrG) und in der Tagsatzung vom 3. 3. 2015 zum Akt genommen und verlesen (ON 30 = AS 285). Dass der Testamentserbe nicht zu einer Erklärung über die Urkunde aufgefordert worden wäre– eine solche geht aus dem Verhandlungsprotokoll nicht hervor –, wurde von ihm weder behauptet noch gerügt (vgl Rechberger in Rechberger, ZPO4 § 298 Rz 3; G. Kodek in Fasching/Konecny² III § 298 Rz 10).

2.2 Damit durfte die Urkunde in das Gutachten des Sachverständigen einbezogen werden. Ihre Ausklammerung aus dem Gutachtensauftrag durch das Erstgericht begründet abermals einen Verfahrensmangel, den das Rekursgericht zutreffend wahrgenommen hat.

3. „Beilage ./I“:

3.1 Auch die Ausklammerung der „Beilage ./I“ erfolgte zu Unrecht. Die gesetzlichen Erben hatten in der Tagsatzung vom 15. 4. 2015 dieses mit einem Befundbericht vom 18. 5. 2012 beginnende Urkundenkonvolut vorgelegt, das der Erstrichter verlesen und zum Akt genommen hat. Der Testamentserbe anerkannte die Echtheit der Urkunden, verwies zur Richtigkeit auf das eigene Vorbringen und brachte vor, dass sich daraus kein Rückschluss auf die Testierfähigkeit des Erblassers ergebe. Erst danach beantragte er die Zurückweisung der Urkunde wegen Verspätung und Umgehung der ärztlichen Verschwiegenheitspflicht (ON 35 = AS 305, 307). Eine Zurückweisung unterblieb jedoch. Das Urkundenkonvolut ist somit Verfahrensgegenstand und durfte dem Sachverständigen ebenfalls nicht vorenthalten werden.

3.2 Seine Bedeutung für das Gutachten kann auch nicht, wie es das Erstgericht tat, von vornherein in Abrede gestellt werden. Die in der Beilage ./I zusammengefassten Urkunden beziehen sich zwar auf die Verletzungsfolgen nach einem – offenbar am 18. 5. 2012 oder kurz davor stattgefundenen – Sturzgeschehen. Die Beurteilung, ob daraus und auch aus dem dokumentierten Verhalten des Erblassers anlässlich der Untersuchung Rückschlüsse auf seinen gesundheitlichen Gesamtzustand knapp mehr als drei Monate davor möglich sind, obliegt jedoch dem zu dieser Beurteilung bestellten Sachverständigen. Die Vorgangsweise des Erstgerichts begründet daher auch insoweit einen relevanten Verfahrensmangel, den das Rekursgericht zu Recht aufgegriffen hat.

4. Zwischenergebnis:

4.1 Zusammenfassend ist zu diesem Punkt daher festzuhalten, dass die Abweisung des auf die Einbeziehung der genannten Aktenteile in das Gutachten des Sachverständigen gerichteten Beweisantrags der gesetzlichen Erben einen primären Verfahrensmangel begründet, der – wie das Rekursgericht richtig erkannte – bereits zur Aufhebung der erstinstanzlichen Entscheidung führen musste. Auf die in 2 Ob 194/14i aufgestellten Kriterien kommt es dabei nicht an. Auch die Entscheidung 4 Ob 38/13m ist nicht einschlägig. Die Ausführungen des Erstgerichts, wonach die Aktenteile ohnehin nicht geeignet seien, zur Beschreibung des Gesundheitszustands des Erblassers im Zeitpunkt der Testamentserrichtung „Essentielles“ beizutragen (S 9 der Entscheidung), läuft auf eine unzulässige vorgreifende Beweiswürdigung hinaus (vgl 3 Ob 93/14v; RIS‑Justiz RS0043308).

4.2 Im Folgenden ist noch auf die zu Recht als erheblich erachtete Rechtsfrage der Verschwiegenheitspflicht der beantragten Zeugen einzugehen. Nicht nur die Aufhebung des erstinstanzlichen Beschlusses selbst, sondern auch eine nachteilige Rechtsansicht im Aufhebungsbeschluss würde die verfahrensrechtliche Stellung der Parteien beeinträchtigen, weshalb nach ständiger Rechtsprechung auch die dem Erstgericht erteilten Aufträge und Bindungen anfechtbar sind (1 Ob 221/16f; RIS‑Justiz RS0007094).

III. Zur Verschwiegenheitspflicht der Zeugen:

1. Allgemeines:

1.1 § 321 Abs 1 ZPO, der kraft des Verweises in § 35 AußStrG auch im Verfahren außer Streitsachen zur Anwendung gelangt, enthält eine taxative Aufzählung von Geheimnissen, die einen Zeugen berechtigen, die Beantwortung einzelner Fragen zu verweigern (2 Ob 61/13d mwN SZ 2013/101 = EvBl 2014/40 [Spitzer] = EF‑Z 2014/55 [A. Tschugguel] = iFamZ 2014/41 [Mondel] = NZ 2014/16 [Rabl/Schumacher]). Es besteht jedoch kein generelles Aussageverweigerungsrecht (1 Ob 341/99z mwN SZ 73/87). Es ist auch allein Sache des Zeugen, Gründe für eine Aussageverweigerung vorzubringen (1 Ob 310/97p SZ 70/223; RIS‑Justiz RS0108824). Überwiegend wird der Geheimnisschutz an gesetzliche Verschwiegenheitspflichten des Zeugen geknüpft (2 Ob 61/13d mwN).

1.2 Nach § 321 Abs 1 Z 3 ZPO darf die Aussage von einem Zeugen verweigert werden in Bezug auf Tatsachen, über welche der Zeuge nicht würde aussagen können, ohne eine ihm obliegende staatlich anerkannte Pflicht zu verletzen, insoferne er hievon nicht gültig entbunden wurde.

Die Regelung beruht im Grundsatz darauf, dass die Ausübung bestimmter, zumeist freier Berufe faktisch unmöglich wäre, wenn die solche Dienste in Anspruch nehmenden Personen nicht darauf vertrauen könnten, dass dem Gegenüber erteilte Informationen vertraulich bleiben. Dieses Vertrauen ist nämlich Voraussetzung dafür, dass ohne Hintergedanken und Berechnung sämtliche Informationen preisgegeben werden können, was für eine sinnvolle und kunstgerechte Ausübung dieser Berufe erforderlich ist. § 321 Abs 1 Z 3 ZPO schützt daher in seinem Kernbereich spezifische Vertrauensverhältnisse im Bereich der Dienstleistungserbringung (4 Ob 228/04i SZ 2004/187; 2 Ob 61/13d mwN).

1.3 „Staatlich anerkannt“ ist eine Verschwiegenheitspflicht schon dann, wenn sie durch ein Gesetz normiert wird (vgl 4 Ob 228/04i; 2 Ob 61/13d). Für Ärzte und ihre Hilfspersonen enthält § 54 Abs 1 ÄrzteG eine entsprechende Regelung, für Angehörige der Gesundheits- und Krankenpflegeberufe findet sich eine solche in § 6 Abs 1 Gesundheits- und Krankenpflegegesetz (GuKG). § 8 Abs 1 Oö. Sozialberufegesetz (Oö. SBG), LGBl 2008/63, regelt die Verschwiegenheitspflicht für Angehörige der Sozialberufe. Letzterer unterliegen nicht nur die beiden Heimhelferinnen, sondern auch die Altenfachbetreuerin (vgl § 1 Z 1 lit a und b leg cit), deren Einvernahme die gesetzlichen Erben im vorliegenden Fall beantragt haben.

2. Verschwiegenheitspflicht der Ärzte:

2.1 Nach § 54 Abs 1 ÄrzteG sind der Arzt und seine Hilfspersonen zur Verschwiegenheit über alle ihnen in Ausübung ihres Berufs anvertrauten oder bekannt gewordenen Geheimnisse verpflichtet. Gemäß § 54 Abs 2 ÄrzteG (idF BGBl I 2017/25) besteht die Verschwiegenheitspflicht ua dann nicht, wenn die durch die Offenbarung des Geheimnisses bedrohte Person den Arzt von der Geheimhaltung entbunden hat (Z 3) und wenn die Offenbarung des Geheimnisses nach Art und Inhalt zum Schutz höherwertiger Interessen a) der öffentlichen Gesundheitspflege, b) der Rechtspflege und c) (insoweit neu) von einwilligungsunfähigen Patientinnen/Patienten im Zusammenhang mit der Bereitstellung der für die Behandlungskontinuität unerlässlichen Eckdaten gegenüber den mit der Pflege betrauten Personen (Z 4) unbedingt erforderlich ist.

Obwohl § 321 Abs 1 Z 3 ZPO nur die gültige Entbindung als Grund für den Entfall einer staatlich anerkannten Verschwiegenheitspflicht nennt (entspricht § 54 Abs 2 Z 3 ÄrzteG), ist in diesem Zusammenhang auch das in § 54 Abs 2 Z 4 lit b ÄrzteG idgF genannte Überwiegen der Interessen der Rechtspflege beachtlich (Riesz, Ärztliche Verschwiegenheitspflicht [2013] 144 und 154). Der Oberste Gerichtshof hat dazu bereits ausgesprochen, dass die Offenbarung des Geheimnisses in einem – dort auf Schadenersatz wegen Verletzung der ärztlichen Aufklärungspflicht gerichteten – Zivilprozess zum Schutz höherwertiger Interessen der Rechtspflege regelmäßig nicht erforderlich sei (1 Ob 254/99f SZ 72/183 = JBl 2000, 657 [Jabornegg]). Einer solchen Interessenabwägung (vgl dazu etwa 6 Ob 267/02m SZ 2002/167; 7 Ob 50/12x; RIS‑Justiz RS0117236) bedarf es, wie noch zu erörtern sein wird, hier aber ohnedies nicht.

2.2 In Rechtsprechung und Lehre ist anerkannt, dass aus § 16 ABGB und einer Reihe von aus der gesamten Rechtsordnung sich ergebenden Grundwertungen, darunter auch die gesetzlich normierten Verschwiegenheitspflichten, das jedermann angeborene Persönlichkeitsrecht auf Achtung seines Privatbereichs abzuleiten ist (1 Ob 550/84 SZ 57/98; 1 Ob 341/99z; RIS‑Justiz RS0009003; Koch in KBB5 § 16 Rz 7). Der höchstpersönliche Lebensbereich stellt den Kernbereich der geschützten Privatsphäre dar, wozu jedenfalls auch die Gesundheit (der Gesundheitszustand) einer Person zählt (RIS‑Justiz RS0122148; auch Danzl in KBB5 § 1328a Rz 3). Es ist ferner anerkannt, dass die Privatsphäre über den Tod hinaus Schutz genießt (1 Ob 550/84; Koch in KBB5 § 16 Rz 5; Aicher in Rummel, ABGB³ § 16 Rz 28; Schilchegger/Gruber, Verschwiegenheitspflichten gegenüber Erben [2013] 234). Wo aber die Verschwiegenheitspflicht höchstpersönliche Umstände (Rechte) betrifft, ist auch die Entbindungserklärung höchstpersönlich. Sie kann daher weder vom Gericht nach § 367 EO substituiert, noch durch Vertreter, Erben oder einen Nachlasskurator des Verstorbenen erteilt werden (4 Ob 228/04i mwN; RIS‑Justiz RS0004570, RS0122813).

2.3 Diese Rechtslage könnte nun nahelegen, dass der Arzt als Geheimnisträger bei Fragen zur Gesundheit des Patienten nach dessen Tod – abgesehen von den Fällen des § 54 Abs 2 Z 4 ÄrzteG – stets der unbedingten und uneingeschränkten Verschwiegenheitspflicht unterliegt, sofern er nicht schon zu Lebzeiten des Patienten von ihr entbunden wurde. Diese Annahme trifft jedoch nicht zu. Denn die zu beurteilende Rechtsfrage ist vielmehr danach zu lösen, ob – da keine tatsächliche Entbindung vorliegt – von einem auf Entbindung gerichteten mutmaßlichen (hypothetischen) Willen des Verstorbenen auszugehen ist.

2.4 Der Oberste Gerichtshof hat vor dem Hintergrund der erörterten Rechtslage bereits in der Entscheidung 1 Ob 550/84 SZ 57/98, die das Begehren eines nahen Angehörigen und Erben auf Gewährung von Einsicht in die Krankengeschichte des Verstorbenen zum Gegenstand hatte, in Anlehnung an einschlägige Rechtsprechung des deutschen Bundesgerichtshofs (BGH 31. 5. 1983, VI ZR 259/81 = NJW 1983, 2627) auf den mutmaßlichen Willen des verstorbenen Patienten abgestellt. Der (beklagte) Krankenhausträger habe das Begehren dahin zu prüfen, ob eine mutmaßliche Einwilligung des Verstorbenen zur Offenlegung demgegenüber, der die Einsicht begehrt, anzunehmen sei. Die endgültige Beurteilung obliege jedoch– und darin unterscheidet sich die Entscheidung von jener des Bundesgerichtshofs – dem Gericht (vgl auch 1 Ob 341/99z).

2.5 Im Schrifttum wird die Bedachtnahme auf den mutmaßlichen Willen des Verstorbenen grundsätzlich bejaht und in unterschiedlichem – teilweise auch auf die Frage der Testierfähigkeit bezogenem – Zusammenhang erörtert:

a) So vertritt etwa Prietl (Die ärztliche Schweigepflicht nach dem Tod des Patienten, RdM 1995, 6 [8]) die Auffassung, das Vorliegen einer mutmaßlichen Einwilligung sei anzunehmen, wenn der Verstorbene ein Testament hinterlassen habe, aber Zweifel über seine Testierfähigkeit geäußert würden, welche vom Arzt ausgeräumt werden könnten.

b) F. Bydlinski (Paradoxer Geheimnisschutz post mortem? JBl 1999, 553 [558 f]) hält es für den in der Regel anzunehmenden Fall, dass Anhaltspunkte für konkrete Willenstendenzen des Verstorbenen fehlen, für „unvermeidlich“, dass sich das Gewicht auf die Prüfung verlagere, wie verständige und einsichtige Menschen in der Position des Verstorbenen angesichts der konkreten Interessenlage über die Geheimhaltung oder Entbindung für die nach dem Tod auftretende Situation mutmaßlich entschieden hätten, wäre diese voraussehbar gewesen. Die Privatautonomie des Verstorbenen werde – wenngleich abgeschwächt und nur annäherungsweise – auch dann noch gewahrt, wenn man „den Umweg über das typische willensbestimmte Verhalten sorgfältiger und redlicher (bzw vernünftiger und einsichtiger) Menschen in vergleichbaren Situationen nehmen“ müsse. Wenn dann noch Zweifel bestünden, solle es aber bei der Verschwiegenheitspflicht bleiben.

c) Auch nach Schilchegger/Gruber (Verschwiegenheitspflichten gegenüber Erben [2013] 240) könne eine mutmaßliche Einwilligung vorliegen, wenn eine solche mit Sicherheit zu erwarten sei. Sie könne in Einzelfällen geeignet sein, den Arzt „gewissermaßen konkludent“ von seiner Verschwiegenheitspflicht zu entbinden.

d) Spitzer stellte in seiner Glosse zu 2 Ob 61/13d (EvBl 2014/40, 272 [274 f]), die den Fall eines sich auf die Verschwiegenheitspflicht nach § 37 NO berufenden Notariatssubstituten betraf, der nicht nur als Vertragserrichter, sondern auch als Testamentszeuge fungiert hatte und im Verfahren über das Erbrecht als Zeuge befragt werden sollte, weiterführende Überlegungen an. Dabei gelangte er zu dem Ergebnis, dass die (in casu bejahte) Aussagepflicht auch dann bestanden hätte, wenn der Notariatssubstitut bloßer Vertragserrichter gewesen wäre. Von einer teleologischen Betrachtung des Zwecks der Verschwiegenheitspflicht (von Notaren und Rechtsanwälten) ausgehend, würde es – so der Glossator – verwundern, dass ein testierfähiger Erblasser Beweise für seine Testierfähigkeit und damit die Chance der Durchsetzung seines letzten Willens geheim halten wollte. Eine Verschwiegenheitspflicht bestehe nicht. Beim Testierunfähigen sei die Interessenlage nicht anders. Das Gesetz gehe davon aus, dass er seinen Willen nicht rite bilden könne. Dann ziele sein „wohlverstandenes Interesse“ aber nicht darauf ab, die mangelhafte Willensbildung zu verstecken und so einen letzten Willen durchzusetzen, der – zum Schutz des Erblassers! – kein tauglicher letzter Wille sei. Bedenke man dies, sprächen die besseren Argumente auch beim bloßen Testamentserrichter gegen ein Entschlagungsrecht. Überzeugend werde in Deutschland die Ansicht vertreten, dass die Aufklärung von Zweifeln an der Testierfähigkeit im wohlverstandenen Interesse des Erblassers liege, sodass eine Verschwiegenheitspflicht nicht anzunehmen sei (dazu zitiert der Glossator auch zum Arzt ergangene Rechtsprechung).

2.6 Die herrschende Rechtsprechung und Lehre in Deutschland geht, an die bereits erwähnte Leitentscheidung (BGH 31. 5. 1983, VI ZR 259/81 = NJW 1983, 2627) anknüpfend, in der Frage des Zeugnisverweigerungsrechts des Arztes im Erbscheinsverfahren vom feststellbaren oder mutmaßlichen Willen des Erblassers aus. Habe sich der Patient bei Lebzeiten darüber geäußert, ob und in welchem Umfang der Arzt nach dem Tod des Patienten zum Schweigen verpflichtet sei, sei es gegenüber dem Arzt oder gegenüber Dritten, dann sei dieser Wille grundsätzlich maßgebend. Lasse sich dagegen eine positive Willensäußerung des Verstorbenen nicht feststellen, dann müsse der mutmaßliche Wille des Patienten erforscht, also geprüft werden, ob er die konkrete Offenlegung durch den Arzt gebilligt oder missbilligt haben würde. Von der erkennbar gewordenen oder zu vermutenden Willensrichtung des Patienten nicht gedeckte Verweigerungsgründe seien sachfremd und daher unbeachtlich. Der Arzt werde den Willen des Patienten in diesen Fällen selbst am besten kennen, er trage daher die Hauptverantwortung für die Einhaltung der Schweigepflicht. Allerdings könne er sich nicht darauf beschränken, seine Weigerung mit bloß allgemeinen Erwägungen zu begründen. Er müsse konkret darlegen, auf welche Belange des Verstorbenen sich seine Weigerung stütze. Im Allgemeinen gehe das Interesse des Erblassers dahin, aufkommende Zweifel über seine Testierfähigkeit nach Möglichkeit auszuräumen. Das liege für den testierfähigen Erblasser auf der Hand, gelte aber auch für den Testierunfähigen. Dessen wohlverstandenes Interesse sei nicht darauf gerichtet, zu verbergen, dass er testierunfähig sei; vielmehr würden damit umgekehrt die seinem Schutz dienenden Vorschriften über die Testierfähigkeit gerade unterlaufen (BGH 4. 7. 1984, IVa ZB 18/83 = NJW 1984, 2893; BayOblG 21. 8. 1986, FamRZ 1986, 1237; vgl auch OLG Naumburg 9. 12. 2004, NJW 2005, 2017; Bartsch, Die postmortale Schweigepflicht des Arztes beim Streit um die Testierfähigkeit des Patienten, NJW 2001, 861; Gierl in Burandt/Rojahn, Erbrecht² [2014] § 2358 BGB Rn 57; Zimmermann in Keidel, FamFG19 [2017] § 352e Rn 51).

2.7 Der erkennende Senat schließt sich der (zumindest) überwiegenden Meinung in Österreichund Deutschland an, dass sich die Aussage‑(verweigerungs‑)pflicht des Arztes in einem Verfahren, in welchem die Testierfähigkeit des Erblassers geklärt werden muss, nach dem feststellbaren oder mutmaßlichen Willen des Erblassers, den Arzt von seiner Verschwiegenheitspflicht zu entbinden, richtet. Hat der Erblasser zu Lebzeiten seinen diesbezüglichen Willen nicht ausdrücklich oder konkludent erklärt (zur privatrechtlichen Natur der Entbindungserklärung vgl 4 Ob 228/04i) und verfügt der Arzt auch sonst über keine Anhaltspunkte, dass der Erblasser die Entbindung gegenüber den Verfahrensparteien verweigern wollte, so ist – insoweit im Sinne von F. Bydlinski – auf die Maßfigur des verständigen und einsichtigen Menschen abzustellen. Ein solcher würde typischerweise in die Entbindung von der Verschwiegenheitspflicht einwilligen, wenn es um die Aufklärung von Zweifeln an seiner Testierfähigkeit geht. Die dazu von Spitzer unter Hinweis auf die deutsche Rechtslage genannten Gründe für den Entfall der Verschwiegenheitspflicht sind auch auf Ärzte übertragbar. Es liegt im grundsätzlichen Interesse des Erblassers, mag er testierfähig oder testierunfähig gewesen sein, dass sich jene Personen äußern, die am ehesten Aufschluss über seinen wahren letzten Willen geben können.

3. Verschwiegenheitspflicht des diplomierten Gesundheits- und Krankenpflegers:

3.1 Gemäß § 6 Abs 1 GuKG sind Angehörige der Gesundheits- und Krankenpflegeberufe zur Verschwiegenheit über alle ihnen in Ausübung ihres Berufs anvertrauten oder bekannt gewordenen Geheimnisse verpflichtet. Die Verschwiegenheitspflicht besteht nach § 6 Abs 2 GuKG ua dann nicht, wenn die durch die Offenbarung des Geheimnisses betroffene Person den Angehörigen eines Gesundheits- und Krankenpflegeberufs von der Geheimhaltung entbunden hat (Z 1).

3.2 Hat der Betroffene den Geheimnis-verpflichteten nicht schon zu Lebzeiten von der Verschwiegenheit entbunden (vgl Weiss/Lust, Gesundheits- und Krankenpflegegesetz – GuKG7 [2014] § 6 Anm 1 und 2), so ist nach seinem Tod erforderlichenfalls wieder auf den mutmaßlichen Willen des Verstorbenen abzustellen (vgl Riesz, Die Verschwiegenheitspflicht der Pflegeberufe in Abgrenzung zu anderen sie treffenden Geheimnisverpflichtungen, ÖZPR 2014, 135). Es gelten daher die Ausführungen zu Punkt 2.

4. Verschwiegenheitspflicht der Altenfach-betreuerin und der Heimhelferinnen:

4.1 Gemäß § 8 Abs 1 Oö. SBG sind Angehörige der Sozialberufe zur Verschwiegenheit über alle ihnen in Ausübung ihres Berufs anvertrauten oder bekannt gewordenen Geheimnisse verpflichtet. Eine Ausnahme von der Verschwiegenheitspflicht besteht nach § 8 Abs 2 Oö. SBG ua, wenn die betroffene Person oder deren gesetzlicher Vertreter oder Vertreterin der Offenbarung des Geheimnisses ausdrücklich zustimmt (Z 1).

4.2 Der Landesgesetzgeber geht vom Erfordernis einer „ausdrücklichen“ Zustimmung aus. Bei wörtlicher Auslegung könnte man zu der Ansicht neigen, dass bei der Verschwiegenheitspflicht von Angehörigen der Sozialberufe nicht auf den mutmaßlichen Willen des Verstorbenen abgestellt werden kann. Einem derartigen Verständnis steht jedoch entgegen, dass diese Bestimmung – ebenso wie auch die anderen gesetzlichen Vorschriften über die berufsrechtlichen Verschwiegenheitspflichten – keine Regelung dafür trifft, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang die Angehörigen der Sozialberufe auch noch nach dem Tod des Patienten weiterhin an ihre Schweigepflichten gebunden sind (vgl Schilchegger/Gruber,Verschwiegenheitspflichten gegenüber Erben [2013] 234). Bedenkt man, dass die Verschwiegenheitspflichten der Angehörigen der Sozialberufe mit jenen der einzelnen Gesundheitsberufe im Wesentlichen gleich gelagert sind, den gleichen Schutzzweck verfolgen und dieselben Geheimnisse betreffen, verbietet sich eine abweichende Beurteilung der Reichweite der Verschwiegenheitspflicht. Auch für die Angehörigen der Sozialberufe gelten daher die Ausführungen in Punkt 2.

IV. Ergebnis und Kosten:

1. Das Rekursgericht hat die Mangelhaftigkeit des erstinstanzlichen Verfahrens zutreffend bejaht, weshalb es bei seiner aufhebenden Entscheidung zu bleiben hat. Der Revisionsrekurs des Testamentserben muss daher erfolglos bleiben.

Das Erstgericht wird im fortgesetzten Verfahren über das Erbrecht die Ergänzung des Sachverständigengutachtens zu veranlassen und die neuerliche Einvernahme der von den gesetzlichen Erben beantragten Zeugen durchzuführen haben. Dabei wird die Rechtsansicht des Obersten Gerichtshofs zugrunde zu legen und die Zeugen werden in diesem Sinne zu belehren sein (§ 339 ZPO iVm § 35 AußStrG). Sollten die Zeugen zu einzelnen der an sie gerichteten Fragen die Aussage mit dem Hinweis auf ihre Verschwiegenheitspflicht dennoch verweigern, wird das Erstgericht die Rechtmäßigkeit der Weigerung zu prüfen und nach den §§ 324 ff ZPO (hier iVm § 35 AußStrG) vorzugehen haben. Erst nach Durchführung dieser Beweise wird erneut über das Erbrecht zu entscheiden sein.

2. Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 185 AußStrG.

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