OGH 4Ob76/17f

OGH4Ob76/17f30.5.2017

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Jensik, Dr. Schwarzenbacher, Dr. Rassi und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei G* GmbH, *, vertreten durch Graf & Pitkowitz Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei M* GesmbH, *, vertreten durch Vetter & Kaan Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 12.889.015,28 EUR sA, Nichtigerklärung und Feststellung (Gesamtstreitwert 12.989.015,28 EUR), über die Revisionen beider Parteien und den Rekurs der klagenden Partei gegen die Entscheidung des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 11. Jänner 2017, GZ 39 R 302/16z‑50, womit das Urteil des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 28. Juli 2016, GZ 46 C 119/14p‑44, teilweise abgeändert und die Berufung der klagenden Partei teilweise zurückgewiesen wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:E118298

 

Spruch:

Die Revisionen beider Parteien werden zurückgewiesen.

Dem Rekurs der klagenden Partei wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit 1.096,56 EUR (darin 182,76 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit 20.125,26 EUR (darin 3.354,21 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen.

 

Begründung:

Die klagende Partei entwickelt, produziert und verkauft gepanzerte Rüstungsgeräte. Als Produktionsstätte diente (bis zu ihrem Auszug im Jahr 2014) eine Industrieliegenschaft (im Folgenden: Liegenschaft) in Wien mit ca 50 Wirtschaftsgebäuden und einer Fläche von ca 128.000 m². Die sich auf der Liegenschaft befindlichen Gebäude wurden zum Teil vor dem Zweiten Weltkrieg errichtet, nach Zerstörung ab 1945 wiederaufgebaut oder in den 60er‑ bis in die 90er‑Jahre neu errichtet. Die Gesamtrechtsvorgängerin der klagenden Partei (im Folgenden wird zwischen der klagenden Partei und ihrer Vorgängerin nicht mehr unterschieden) war Eigentümerin der Liegenschaft. Sie vermietete vor dem Jahr 1993 einen Teil der Liegenschaft. Entsprechende Mietverträge sind noch aufrecht. Die klagende Partei verkaufte 2000 die Liegenschaft an eine Gesellschaft und mietete diese zu einem weit unter dem Marktwert liegenden Mietzins wieder zurück. Bezüglich der bereits bestehenden Mietverträge war sie seitdem Untervermieterin. 2005 erwarb die beklagte Partei die Liegenschaft aus der Konkursmasse der Gesellschaft. Während des erstinstanzlichen Verfahrens kündigte die klagende Partei das Bestandverhältnis zum 31. 12. 2014 auf und stellte es im Juli 2014 zurück.

Im Mietvertrag 2000 wurde – soweit für das Revisionsverfahren noch von Relevanz – insbesondere vereinbart, dass das Bestandobjekt als Wirtschaftspark unter die Teilausnahme des § 1 Abs 5 MRG fällt (§ 1 Abs 2 des Mietvertrags), Teilkündigungen ausgeschlossen sind (§ 2 Abs 4), die Mieterin eine umfassende Erhaltungspflicht aller Objekte unter Ausschluss des § 1096 ABGB trifft (§ 5 Abs 2), sie den Mietgegenstand frei von Altlasten und Kontaminierungen zu halten hat, soweit dazu behördliche Aufträge erteilt werden (§ 5 Abs 3), und sie bei verzögerter Rückstellung eine Nutzungsentschädigung in Höhe des zweifachen Monatszinses zu zahlen hat (§ 14 Abs 2).

2009/2010 verhandelten die Parteien über eine Reduktion der Bestandfläche, die Höhe des Mietzinses und über die vorhandene Liegenschaftskontamination, wobei die klagende Partei die Gesamtkündigung des Vertrags als Druckmittel ankündigte. Ungeachtet offener Aufträge und keiner gesicherten Ausweichmöglichkeit für ihre Produktion kündigte die klagende Partei den Vertrag einseitig außergerichtlich und auch gerichtlich zum Termin 31. 12. 2010 auf.

Gegen die gerichtliche Aufkündigung erhob die beklagte Partei rechtzeitig Einwendungen, die von einer wirksamen außergerichtlichen Aufkündigung ausging. Nachdem die Streitteile wieder Verhandlungen (ua über die Übernahme der Dekontaminierungskosten und die Höhe des Bestandzinses) aufgenommen hatten, zog die klagende Partei die Aufkündigung unter Anspruchsverzicht zurück. Nach dem neuerlichen Scheitern der Verhandlungen brachte die beklagte Partei eine Mietzinsklage für das doppelte Benützungsentgelt ein. Der damit verbundene Antrag auf pfandweise Beschreibung wurde erst in zweiter Instanz abgewiesen. Obgleich sich die klagende Partei für ein allfälliges Berufungsverfahren gute Chancen ausrechnete, sorgte sie sich aufgrund einer informellen Äußerung der Verhandlungsrichterin über die von dieser bezweifelten Fortsetzung des Mietvertrags, das Verfahren in erster Instanz zu verlieren. Damit hätte sie einen wichtigen Auftrag für das k* Militär nicht rechtzeitig durchführen können, was hohe Verluste zur Folge gehabt hätte.

Die Parteien traten abermals in Verhandlungen ein. Letztendlich schlossen die Parteien im Oktober 2012 eine sogenannte Stillhaltevereinbarung, mit der die Parteien im Mietzinsverfahren ewiges Ruhen vereinbarten. Die beklagte Partei sagte zu, bis September 2013 keine Räumungsklage einzubringen. In der genannten Vereinbarung verpflichtete sich die klagende Partei zur Bezahlung des rückständigen (doppelten) Benützungsentgelts für den Zeitraum April 2011 bis September 2012, eines laufenden Benützungsentgelts ab Oktober 2012 und einer Kostenpauschale. Eine Entgeltserhöhung um 10 % wurde für den Fall vereinbart, dass bis April 2013 kein neuer Mietvertrag unterschrieben werden sollte. Die klagende Partei verpflichtete sich, auf eigene Kosten Asbestkontaminationen zu entfernen. Weiters wurde festgehalten, dass ein neuer Mietvertrag ab 1. 1. 2013 für einen bestimmten Teil der Liegenschaft zu einem bestimmten Mietzins geplant sei.

Die klagende Partei begehrte die Aufhebung der Stillhaltevereinbarung wegen Wuchers, die Aufhebung von § 5 Abs 2 des Mietvertrags nach § 879 Abs 3 ABGB und wegen Verstoßes gegen § 3 Abs 2 MRG (§ 879 Abs 1 ABGB), die Aufhebung des § 14 Abs 2 des Mietvertrags wegen Nichtigkeit, hilfsweise jeweils die Feststellung der Rechtsunwirksamkeit der Vertragspunkte. Zusätzlich begehrte die klagende Partei die Rückzahlung des erhöhten Nutzungsentgelts von 12.989.015,28 EUR.

Das Erstgericht stellte im Sinne eines Eventualbegehrens fest, dass § 5 Abs 2 des Mietvertrags rechtsunwirksam ist und wies die restlichen Haupt- und Eventualbegehren ab. In rechtlicher Hinsicht verneinte es die Anwendung des § 1 Abs 5 MRG idF des 3. WÄG und bejahte einen Verstoß gegen § 3 Abs 2 MRG durch § 5 Abs 2 des Mietvertrags, sodass die Bestimmung gemäß § 879 Abs 1 ABGB nichtig sei. Mangels Zwangslage verneinte es den Wuchertatbestand bei der Stillhaltevereinbarung, weshalb auch die auf Basis dieser Vereinbarung geleisteten Zahlungen nicht rückforderbar seien. Diese Vereinbarung habe bezüglich § 14 Abs 2 des Mietvertrags eine novierende Wirkung, diese Bestimmung sei damit aus dem Rechtsbestand ausgeschieden, weshalb der klagenden Partei hinsichtlich des darauf bezogenen Begehrens das rechtliche Interesse fehle.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei teilweise Folge und änderte den stattgebenden Teil der Entscheidung dahin ab, dass es die Feststellung der Rechtsunwirksamkeit von § 5 Abs 2 des Mietvertrags darauf beschränkte, dass davon (nur) die von § 3 Abs 2 MRG erfassten Erhaltungsarbeiten betroffen sind. Die von der klagenden Partei gegen die Abweisung des zu § 5 Abs 2 des Mietvertrags erhobenen (auf Rechtsgestaltung gerichteten) Hauptbegehrens gerichtete Berufung wies das Berufungsgericht mangels Beschwer zurück. Im Übrigen gab es der Berufung der klagenden Partei nicht Folge.

§ 1 Abs 5 MRG sei auf Gebäude und Liegenschaften mit auch nur einem bestehenden, vor dem 1. 3. 1994 begründeten Bestandverhältnis nicht anwendbar, sodass zwischen den Parteien die zwingende Norm des § 3 Abs 2 MRG gelte. Der Gesetzgeber habe mit der Einführung der Bestimmung über den Wirtschaftspark eine neue rechtliche Konstruktion geschaffen, weshalb die entsprechende Bestimmung auch nicht rückwirken könne, weil es die Konstruktion vor dem 3. WÄG noch gar nicht gab. Allerdings habe die bekämpfte Vertragsklausel nicht zur Gänze zu entfallen, sondern nur insoweit, als damit die von § 3 Abs 2 MRG erfassten Erhaltungsarbeiten auf den Mieter überwälzt werden. Für die klagende Partei mache es keinen Unterschied, ob die nichtige Vertragsbestimmung aufgehoben oder ihre Rechtsunwirksamkeit festgestellt werde. Die gegen die Abweisung des Hauptbegehrens gerichtete Berufung sei daher zurückzuweisen.

Bei der Stillhaltevereinbarung verneinte das Berufungsgericht die Voraussetzungen für einen Wucher. Die klagende Partei habe den Inhalt des angefochtenen Vertrags selbst vorgeschlagen, weshalb eine Ausbeutung ihrer Zwangslage zu verneinen sei.

Die klagende Partei habe auch kein rechtliches Interesse an der Aufhebung oder Feststellung der Unwirksamkeit des § 14 Abs 2 des Mietvertrags, weil diesbezüglich eine Novation durch die Stillhaltevereinbarung erfolgt sei und die angegriffene Vertragsbestimmung nicht mehr aktuell sei.

Das Berufungsgericht erklärte die ordentliche Revision für zulässig, weil keine oberstgerichtliche Rechtsprechung dazu besteht, ob ein Wirtschaftspark nur im Wege der Neubegründung von Mietverhältnissen ab 1. 3. 1994 geschaffen werden könne und § 1 Abs 5 MRG auf Gebäude und Liegenschaften mit bestehenden, vor dem 1. 3. 1994 begründeten Bestandverhältnissen, anwendbar sei.

Rechtliche Beurteilung

Entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508 Abs 1 ZPO) – Ausspruch des Berufungsgerichts sind die dagegen erhobenen Revisionen beider Streitteile mangels erheblicher Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.

Der gegen den Zurückweisungsbeschluss erhobene Rekurs der klagenden Partei ist nicht berechtigt.

A. Revision der beklagten Partei:

1. Die Revision argumentiert im Sinne des Berufungsgerichts, wonach zur Anwendung des § 1 Abs 5 MRG keine oberstgerichtliche Rechtsprechung bestehe.

2. Der Oberste Gerichtshof hat die dazu aufgeworfene Rechtsfrage mit hinreichender Deutlichkeit allerdings bereits in der Entscheidung 1 Ob 34/99b geprüft und im Sinne der Berufungsentscheidung bejaht.

2.1 In dieser Entscheidung musste geklärt werden, ob die dort beklagte Partei Mieterin eines Bestandobjekts in einem Wirtschaftspark ist. Die Entscheidung nahm zunächst auf den Wortlaut und die Motive des historischen Gesetzgebers Bezug und referierte im Anschluss umfassend die in einem Aufsatz näher erläuterte Rechtsmeinung von Dirnbacher (Gedanken zum Wirtschaftspark, wobl 1995, 157). Unter anderem wies die Entscheidung auch auf die von diesem Autor vertretene Ansicht hin, dass ein Wirtschaftspark nur „im Wege der Neubegründung von Mietverhältnissen ab 1. 3. 1994 geschaffen werden“ könne, weil die erforderliche wirtschaftliche Einheit nicht gegen den Willen von Altmietern erzwingbar sei. Im Anschluss folgte der Senat ausdrücklich den Erwägungen von Dirnbacher und erläuterte– korrespondierend zu den Aussagen dieses Autors – die einzelnen Voraussetzungen für die Annahme des § 1 Abs 5 MRG. Unter anderem bejahte die Entscheidung im dortigen Anlassfall das Vorliegen eines Wirtschaftsparks auch deshalb, weil „schließlich alle Mietverträge erst ab 1996 geschlossen wurden“. Damit schloss sich der Oberste Gerichtshof der Rechtsansicht von Dirnbacher an, wonach „§ 1 Abs 5 MRG auf Liegenschaften mit bestehenden (vor dem 1. 3. 1994 begründeten) Bestandverhältnissen nicht anwendbar (ist)“.

2.2 Die von Dirnbacher und dem Obersten Gerichtshof in der Entscheidung 1 Ob 34/99b vertretene Rechtsansicht ist im Schrifttum weitgehend anerkannt. Nach Würth/Zingher/Kovanyi (Miet‑ und Wohnrecht23 MRG § 1 Rz 70) folge aus der im Gesetz verankerten Voraussetzung der wirtschaftlichen Einheit, dass die Ausnahmevorschrift nur für die Neubegründung von Bestandverhältnissen in Betracht komme (die gegenteilige Ansicht in den Vorauflagen wird damit nicht mehr vertreten). In diesem Sinn argumentiert auch Illedits‑Lohr (in Illedits/Reich‑Rohrwig, Wohnrecht2 § 1 MRG Rz 61). Auch Lenk (in Lenk/Nikodem/Weinzinger/ Winalek, MRG [2013] § 1 Rz 22) hält fest, dass § 1 Abs 5 MRG nicht auf Gebäude und Liegenschaften mit auch nur einem vor dem 1. 3. 1994 begründeten Bestandverhältnis anwendbar sei. Einen differenzierenden Ansatz vertritt Vonkilch (in Hausmann/Vonkilch, Wohnrecht‑MRG3 § 43 MRG Rz 8), der freilich Dirnbacherbeachtliche Argumente“ für die von diesem vertretene Ansicht über die Nichtanwendbarkeit des § 1 Abs 5 MRG auf Gebäude mit Altverträgen zubilligt und massive Probleme bei Anwendung des § 1 Abs 5 MRG auch bei Altverträgen befürchtet. Für die Anwendung der neuen Rechtslage hält er eine Anpassung durch Neuverhandlungen oder eine Änderungskündigung erforderlich.

2.3 Da entgegen der Annahme des Berufungsgerichts und der Revision zur relevanten Frage der zeitlichen Anwendbarkeit des § 1 Abs 5 MRG aufgrund der Entscheidung 1 Ob 34/99b bereits eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs besteht, die auch den weit überwiegenden Stimmen in der Literatur entspricht, und zu der die Revisionswerberin keine zusätzlichen Argumente ins Treffen führen kann, liegt keine erhebliche Rechtsfrage vor, die die Zulässigkeit des Rechtsmittels begründen könnte. Die Schlussfolgerung des Berufungsgerichts, dass ein bereits bestehender Altvertrag zum Zeitpunkt des Abschlusses des Mietvertrags zwischen den Streitteilen die Anwendung des § 1 Abs 5 MRG ausschließt, deckt sich mit der zitierten Entscheidung 1 Ob 34/99b.

2.4 Insoweit die Revision damit argumentiert, dass die Streitteile ihren Vertrag erst 2000 abgeschlossen hätten, wird auch damit keine erhebliche Rechtsfrage aufgezeigt, weil nach der referierten Rechtsprechung darauf abzustellen ist, ob alle die Liegenschaft betreffenden Mietverträge nach dem 1. 3. 1994 abgeschlossen wurden. Auch die in diesem Zusammenhang geltend gemachten Verfahrensmängel können mangels Relevanz die Zulässigkeit des Rechtsmittels nicht stützen.

3. Insgesamt gelingt es der beklagten Partei nicht, eine erhebliche Rechtsfrage aufzuzeigen. Die Revision war daher als unzulässig zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die Kosten der Revisionsbeantwortung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO; die klagende Partei hat in ihrer Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.

B. Revision der klagenden Partei:

1. Im Zusammenhang mit der von der klagenden Partei bekämpften Ablehnung des Wuchertatbestands bei der Stillhaltevereinbarung durch die Vorinstanzen wirft das Rechtsmittel keine erhebliche Rechtsfrage auf.

1.1 Die Rechtsfolge der Unwirksamkeit eines Vertrags wegen Wuchers setzt ein auffallendes Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung, die mangelnde Wahrungsmöglichkeit der Äquivalenz seitens des Bewucherten wegen Leichtsinns, Zwangslage, Verstandesschwäche, Unerfahrenheit oder Gemütsaufregung und schließlich die Ausnützung der Lage des Bewucherten durch den Wucherer voraus (RIS‑Justiz RS0016861). Wenn nur eine dieser Voraussetzungen fehlt, liegt kein wucherisches Geschäft vor (RIS‑Justiz RS0016864). Auch ein Vergleich über beiderseitige Leistungen ist unter den genannten Voraussetzungen wegen Wuchers anfechtbar (2 Ob 540/92; 6 Ob 281/00t). Maßgeblich ist der Zeitpunkt des Vertragsabschlusses (RIS‑Justiz RS0017936).

1.2 Nach den vom Erstgericht getroffenen Feststellungen lässt sich das Vorliegen der hier behaupteten Zwangslage der klagenden Partei verneinen, zumal zum Zeitpunkt des Abschlusses der Vereinbarung weder eine Räumungsklage noch eine zweite pfandweise Beschreibung der Panzer drohte. Vielmehr hat die beklagte Partei zugesichert, für den weiteren Verlauf der Vergleichsverhandlungen keine Räumungsklage einzubringen. Allerdings wurden diese Feststellungen in der klägerischen Berufung bekämpft. Das Berufungsgericht ließ die Beweisrüge in diesem Umfang unerledigt und übernahm die bekämpften Feststellungen nicht, weil es in rechtlicher Hinsicht davon ausging, dass der Inhalt der getroffenen Vereinbarung von der klagenden Partei selbst vorgeschlagen worden sei. Auf ein allfälliges Missverhältnis zwischen den Leistungen komme es demnach ebenso wenig wie darauf an, ob der beklagten Partei die Einzelheiten des K*geschäfts bekannt gewesen seien und ob diese mit einer Räumungsklage gedroht habe.

1.3 Eine Zwangslage ist dann anzunehmen, wenn der Vertragsgegner vor die Wahl gestellt ist, in den Vertrag einzutreten oder einen Nachteil zu erleiden, der nach vernünftigem Ermessen schwerer wiegt als der wirtschaftliche Verlust, den der Vertrag zur Folge hat (RIS‑Justiz RS0104125; RS0016900). Diese Zwangslage muss der andere Teil zumindest fahrlässig ausgebeutet haben (RIS‑Justiz RS0016887; RS0104129).

1.4 Insoweit die klagende Partei auf die Rechtsprechung verweist, wonach das verpönte Ausnützen („Ausbeuten“) auch in Betracht kommt, wenn der Benachteiligte selbst den Abschluss des für ihn ungünstigen Geschäfts angeboten hat (1 Ob 141/15i) und auch eine verschuldete Zwangslage den Wuchertatbestand nicht ausschließt (RIS‑Justiz RS0016883), zeigt sie keine erhebliche Rechtsfrage auf, weil die Beurteilung als Wucher hier nicht (nur) vom Vorliegen einer Zwangslage abhängt. Bei dieser Sachlage käme somit der Lösung der in der Revision aufgeworfenen Rechtsfrage nur theoretische Bedeutung zu. Die Anrufung des Obersten Gerichtshofs ist aber nach § 502 Abs 1 ZPO nur zulässig, wenn die Entscheidung gerade von der Lösung einer erheblichen Rechtsfrage abhängt, die angeschnittene Rechtsfrage also für die Entscheidung präjudiziell ist (RIS‑Justiz RS0088931). Fehlende Relevanz für die Entscheidung des zu beurteilenden Falls schließt aber das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage aus.

1.5 Ungeachtet des Bestehens einer Zwangslage muss nach der Rechtsprechung der Wucherer auch Kenntnis oder vorwerfbare Unkenntnis (1 Ob 624/85; 8 Ob 1007/91; 3 Ob 503/93, 6 Ob 281/00t; 6 Ob 24/07h; RIS‑Justiz RS0016864; RS0016894) vom Wertmissverhältnis haben, wobei diesbezüglich der Bewucherte beweispflichtig ist (6 Ob 281/00t).

Eine fahrlässige Unkenntnis oder gar Kenntnis von einem (allfälligen) Missverhältnis kann aber aus den Feststellungen nicht abgeleitet werden, was zu Lasten der hier beweispflichtigen klagenden Partei geht. Die Streitteile haben als unmittelbare Gegenleistung für den Verzicht auf eine Räumungsklage jenes Benützungsentgelt vereinbart, das für den Fall der verzögerten Rückstellung nach Vertragsauflösung ohnedies vereinbart war. Nach den Feststellungen ging die beklagte Partei davon aus, dass der Vertrag bereits wirksam (außergerichtlich) aufgelöst wurde und ihr das Benützungsentgelt ohnedies zustand. Weil sie damit das erhalten hat, was ihr ohnedies zustehen sollte, kann ihr weder Kenntnis noch vorwerfbare Unkenntnis von einem groben Missverhältnis vorgeworfen werden. Die weiteren die klagende Partei belastenden Punkte finden sich nicht in der Stillhaltevereinbarung, sondern im neuen Mietvertrag, dessen Abschluss jedoch erst in Aussicht gestellt wurde. Auch hinsichtlich der Kostenpauschale, die nach den Feststellungen von der beklagten Partei für die Kosten jahrelanger Gerichtsauseinandersetzungen mit hohem Streitwert und permanenter Anwaltsbeteiligung, entsprechenden Vergleichs-verhandlungen und mehreren Rechts‑ und Tatsachengutachten gefordert wurde, konnte die klagende Partei der beklagten Partei keine Kenntnis oder schuldhafte Unkenntnis von einem Wertmissverhältnis nachweisen.

1.6 Die im Zusammenhang mit dem behaupteten Wucher geltend gemachten Mängel des Berufungsverfahrens wurden geprüft, sie liegen nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO). Die Anfechtung der Vereinbarung wegen Wuchers musste – wie ausgeführt – schon daran scheitern, dass der beklagten Partei ein Missverhältnis nicht erkennbar war, sodass es auf die bei den geltend gemachten Mängeln als relevant angesehenen Umstände nicht ankommt.

2. Auch im Zusammenhang mit der vom Berufungsgericht zu § 5 Abs 2 des Mietvertrags bejahten geltungserhaltenden Reduktion zeigt die Revision keine erhebliche Rechtsfrage auf, von deren Lösung die Entscheidung abhängt.

2.1 Die Judikatur lehnt eine geltungserhaltende Reduktion nur bei Verbrauchergeschäften als unzulässig ab (RIS‑Justiz RS0128735), sogar dort nicht umfassend (3 Ob 132/15f). Bei Unternehmergeschäften ist eine geltungserhaltende Reduktion hingegen grundsätzlich anerkannt (7 Ob 143/13z).

2.2 Die Verpflichtung des Vermieters zur Ausführung der Erhaltungsarbeiten nach § 3 Abs 2 MRG ist nach der Judikatur zwingend (RIS‑Justiz RS0021223 [T5]; RS0020841 [T8]). Übernimmt der Mieter diese Verpflichtung, so ist der Mietvertrag nach gesicherter Rechtsprechung (nur) insoweit unwirksam (RIS‑Justiz RS0069928), woraus abzuleiten ist, dass der restliche Vertrag gültig bleibt.

2.3 Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, wonach eine geltungserhaltende Reduktion im Fall des § 879 Abs 1 ABGB im Allgemeinen zulässig ist und im Anlassfall dazu führt, dass der Vertragspunkt nur insoweit unwirksam ist, als er der zwingenden Bestimmung des § 3 Abs 2 MRG widerspricht, findet somit Deckung in der zitierten Rechtsprechung und wirft keine erhebliche Rechtsfrage auf.

2.4 Auch der Verweis auf die Bestimmung des § 879 Abs 3 ABGB stützt die Zulässigkeit der Revision nicht. Die Vorinstanzen haben die Unwirksamkeit von § 5 Abs 2 des Mietvertrags ausschließlich auf § 879 Abs 1 ABGB gestützt und einen Verstoß gegen § 879 Abs 3 ABGB implizit verneint. Nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes setzt ein solcher Verstoß voraus, dass der Vertrag unter Verwendung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen und Vertragsformblättern abgeschlossen wurde, was von der klagenden Partei gar nicht behauptet wurde. Auch nach den Feststellungen sind die referierten Tatbestandsmerkmale nicht erfüllt, sodass die Entscheidung des Berufungsgerichts auch aus diesen Gründen keiner Korrektur durch gegenteilige Sachentscheidung bedarf.

3.1 Im Revisionsverfahren wird von der klagenden Partei die novierende Wirkung der Stillhaltevereinbarung auf § 14 Abs 2 des Mietvertrags nicht mehr bestritten. In der Revision begründet sie ihr Rechtsschutzbedürfnis an einem Gestaltungsurteil, mit dem dieser Vertragspunkt aufgehoben werden soll, mit der auf Wucher gestützten Nichtigkeit der Stillhaltevereinbarung, die dazu führt, dass der Mietvertrag (wieder) volle Rechtswirkung entfalte.

3.2 Die Revision kann auch mit dieser Argumentation keine erhebliche Rechtsfrage aufzeigen. Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, dass § 14 Abs 2 des Mietvertrags durch die Novation (nach wie vor) aus dem Rechtsbestand ausgeschieden sei. Wuchergeschäfte seien erst ab richterlicher Ungültigerklärung nichtig, die Bestimmungen der angefochtenen Stillhaltevereinbarung träten daher bis zu ihrer Aufhebung an die Stelle der Bestimmungen des Mietvertrags. Diese Ansicht korrespondiert mit der gesicherten Rechtsprechung, dass Wucher nur ein Anfechtungsrecht begründet, das mit Gestaltungsklage geltend zu machen ist und einer richterlichen Ungültigerklärung bedarf (7 Ob 160/08t; RIS‑Justiz RS0038501; RS0016879 [T2]). Auf eine derartige Entscheidung beruft sich die klagende Partei nicht, sodass die Zulässigkeit der Revision auch in diesem Zusammenhang nicht zu bejahen ist.

3.3 Entsprechendes gilt für die Verneinung des rechtlichen Interesses an einer Feststellung zu einer nicht mehr aktuellen Vertragsklausel. Auch in diesem Umfang findet das Berufungsurteil Deckung in der ständigen Rechtsprechung, wonach eine Feststellungsklage eines konkreten, aktuellen Anlasses bedarf, der zur Hintanhaltung einer nicht bloß vermeintlichen, sondern tatsächlichen und ernstlichen Gefährdung der Rechtslage der klagenden Partei eine ehebaldige gerichtliche Entscheidung notwendig macht (RIS‑Justiz RS0039215).

4. Auch der klagenden Partei gelingt es nicht, eine erhebliche Rechtsfrage, die die Revision zulässig machen würde, aufzuzeigen. Auch ihre Revision war daher als unzulässig zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die Kosten der Revisionsbeantwortung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO; die beklagte Partei hat in ihrer Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.

C. Rekurs der klagenden Partei:

1. Das Berufungsgericht hat das Fehlen der erforderlichen Beschwer zu Recht verneint.

2. Durch die urteilsmäßige Feststellung des Berufungsgerichts, dass die Regelungen im Mietvertrag über die Erhaltungspflicht insoweit rechtsunwirksam sind, als davon die von § 3 Abs 2 MRG erfassten Erhaltungsarbeiten betroffen sind, wird die Rechtslage zwischen den Streitteilen klargestellt. Gerade auf die Anwendung der zwingenden Bestimmung des § 3 Abs 2 MRG zwischen den Streitteilen zielte das klägerische Rechtsschutzbegehren ab.

3. Es ist dann aber nur mehr von rein akademischem Interesse, ob die Vorinstanzen anstatt der Feststellung der Unwirksamkeit des strittigen Vertragspunkts diesen richtigerweise mit Gestaltungsurteil aufheben hätten müssen, weil sich dadurch im Verhältnis der Streitteile zueinander nichts ändern würde. Der Schlussfolgerung des Berufungsgerichts, dass der klagenden Partei im Ergebnis das zugesprochen wurde, was Gegenstand des Hauptbegehrens war, ist zuzustimmen. Unabhängig davon, ob die Unwirksamkeit eines Vertragsinhalts „nur“ festgestellt oder die Bestimmung mit Rechtsgestaltung unwirksam wird, ist es der beklagten Partei verwehrt, sich im Verhältnis zur klagenden Partei auf die Vereinbarung zu berufen. Die Entscheidungsform hat keinen Einfluss auf die Rechtsposition der klagenden Partei.

4. Die klagende Partei verweist nur vage darauf, dass eine nach § 879 Abs 1 ABGB nichtige Bestimmung nach vereinzelter Ansicht mit Rechtsgestaltungsklage geltend zu machen sei, ohne diesen Standpunkt aber selbst zu vertreten. Die Lösung rein theoretischer Fragen ist aber nicht Aufgabe der Rechtsmittelinstanzen. Gerade eine solche Lösung strebt die klagende Partei aber an, zumal sie auch noch im Rekurs davon spricht, dass dem Obersten Gerichtshof durch den Vollrekurs „eine moderne Stellungnahme zu diesem Thema ermöglicht“ werde und sie abseits des konkreten Falls auch damit spekuliert, es sei nicht ausgeschlossen, dass das Höchstgericht „in Zukunft“ die Ansicht vertreten wird, im Fall des § 879 Abs 1 ABGB sei mit einer Rechtsgestaltungsklage vorzugehen.

5. Schließlich kann der von der klagenden Partei behauptete Umstand, ein Gestaltungsurteil sei im Gegensatz zu einem Urteil, das eine Nichtigkeit nur feststellt, auch „Dritten“ gegenüber relevant, das Rechtsschutzinteresse an einer inhaltlichen Entscheidung über die „richtige“ Entscheidungsform im Anlassfall nicht stützen. Wegen der Klärung der vertraglichen Pflichten zwischen den Vertrags- und Prozessparteien bleibt es unklar, inwieweit die klagende Partei über das konkrete Prozessrechtsverhältnis hinaus die rechtsgestaltende Aufhebung einer Vereinbarung auch einer Person außerhalb des Vertrags- und Prozessverhältnisses (also einem „Dritten“) entgegenhalten könnte. Mangels praktischer Relevanz einer meritorischen Entscheidung durch das Berufungsgericht hat dieses daher die (materielle) Beschwer der klagenden Partei zu Recht verneint und die Berufung insoweit zurückgewiesen.

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