OGH 2Ob540/92

OGH2Ob540/9230.9.1992

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kralik als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Melber, Dr.Kropfitsch, Dr.Zehetner und Dr.Schinko als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr.Georg H*****, Rechtsanwalt in ***** als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der Firma I*****, Gesellschaft mbH & Co KG, ***** wider die beklagte Partei Firma I*****-C***** Gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr.Rudolf Wieser, Dr.Friedrich Hohenauer, Dr.Martin Zanon, Rechtsanwälte in Innsbruck, wegen S 2,008.340,40 sA infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 28.Jänner 1992, GZ 1 R 313/91-55, womit infolge Berufungen der klagenden und der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 23.August 1991, GZ 14 Cg 241/89-48, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 20.365,20 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (einschließlich S 3.394,20 USt) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger als Masseverwalter im Konkurs über das vermögen der Firma I***** Gesellschaft mbH & Co KG begehrte die Verurteilung der beklagten Partei zur Bezahlung von S 2,008.340,40 sA. Er stützte sein Begehren auf folgende Behauptungen:

Die "I*****" habe sich wegen der Schwierigkeiten bei der Verarbeitung von Asbest in wirtschaftlichen Nöten befunden. Die beklagte Partei habe deren know how übernommen. Die Geschäftsführerin der I*****, Doris S*****, habe ihre geschäftlichen Beziehungen zum Ausland der beklagten Partei zur Verfügung gestellt, insbesonders den Kontakt mit der Firma T***** in der CSFR. Sie sollte dafür im Falle eines Auftrages eine Provision von 10 % der Auftragssumme erhalten. Dieser Anspruch sei der I***** noch vor Konkurseröffnung abgetreten worden. Im Falle großen Preisdruckes durch den Kunden sollte mit der beklagten Partei gemeinsam überlegt werden, ob das Geschäft durchgeführt und wie weit der Provisionsanspruch von Doris S***** reduziert werde. Unstreitig stehe fest, daß Zahlungen für einen Gesamtauftrag von S 21,736.176,-- erfolgten. Ein größerer Preisdruck sei nicht vorgelegen. Eine einvernehmliche Reduktion der Provisionsansprüche von Doris S***** sei ebenfalls nicht zustandegekommen. Die vereinbarte Provision habe auch für den Verkauf einer gebrauchten Maschinenanlage gegolten, zumal hier die Gewinnspanne der beklagten Partei wegen des günstigen Einkaufspreises der Geräte höher gewesen sei als bei einer Neuanlage. Eine Provisionspauschalvereinbarung, wonach Doris S***** sich mit einer Zahlung von S 500.000,-- netto zuzüglich Umsatzsteuer einverstanden erklärt habe, sei nicht zustandegekommen. Eine dennoch zustandegekommene Vereinbarung werde wegen Wuchers angefochten. Die beklagte Partei hätte in diesem Fall die Zwangslage der Doris S***** ausgenützt.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete ein, daß Doris S***** zwar dem Grunde nach für die von ihr vermittelten Geschäfte eine Provision zugesichert worden sei, die Höhe hätte jedoch im Einzelfall jeweils ausgehandelt werden sollen. Eine Provision von 10 % sei für das T*****-Geschäft in der CSFR nur für den Fall der Lieferung einer Neuanlage vereinbart gewesen. Dieser Auftrag sei jedoch nicht zustandegekommen. Vielmehr sei eine Gebrauchtanlage verkauft worden, für welche kein 10 %iger Provisionszuschlag durch die beklagte Partei im Angebotspreis kalkuliert wurde. Für dieses Geschäft sei vielmehr eine Provision von S 500.000,-- netto und pauschal zur Abgeltung aller Ansprüche am 26.9.1988 zwischen Doris S***** und der beklagten Partei vereinbart worden. Der Betrag sei bereits bezahlt bzw verrechnet worden.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren mit dem Betrag von S 971.668,20 sA statt und wies das Mehrbegehren von S 1,036.672,20 sA ab. Es traf - zusammengefaßt dargestellt - folgende Feststellungen:

Doris S***** war bis Ende des Jahres 1986 Dienstnehmerin und Mitgeschäftsführerin der beklagten Partei. Anläßlich ihres Ausscheidens aus dem Dienstverhältnis vereinbarte sie mit der beklagten Partei, daß sie für den Fall eines erfolgreichen Abschlusses eines von ihr angebahnten Geschäftes eine Vermittlungsprovision erhalten sollte. Eine weitergehende Provisionsvereinbarung wurde nicht getroffen. Doris S***** erwartete die Zahlung jeweils nach Eingang der Zahlungen der Kunden bei der beklagten Partei. Trotz mehrerer Verhandlungen und verschiedener Vertragsentwürfe kam es nach Beendigung des Dienstverhältnisses zu keiner Vereinbarung über eine bestimmte Höhe der Provision, insbesondere auch nicht über einen allgemein anzuwendenden Prozentsatz in bestimmter Höhe. Andererseits kam es aber mehrfach vor, daß zwischen Doris S***** und der beklagten Partei hinsichtlich einzelner angebahnter Geschäfte eine Provision vereinbart wurde, wobei die Höhe gelegentlich mit einem Pauschalbetrag, vorwiegend aber mit einem bestimmten Prozentsatz festgelegt wurde. Die festgesetzten Prozentsätze bewegten sich in einem Rahmen von 3 % bis 10 %.

Seit dem Jahr 1985 gab es Verhandlungen der beklagten Partei mit der in Prag ansässigen Firma T***** über den Verkauf einer Asbestzementplattenanlage. Diese Verhandlungen wurden von Doris S***** angebahnt. Zur Zeit ihres Ausscheidens aus dem Dienstverhältnis dauerten die Verhandlungen weiter an, wobei zwischen der beklagten Partei und Doris S***** festgelegt wurde, daß Doris S***** diese Verhandlungen weiterführen soll. Es bestand Einvernehmen darüber, daß ihr im Erfolgsfall dem Grunde nach eine Provision zusteht. Diese Verhandlungen führten zunächst zu einem Angebot der beklagten Partei über eine neue Asbestzementplattenanlage mit einem Verkaufspreis von ungefähr S 52 Mio. Dieses Angebot wurde von der Firma T***** nicht angenommen. Im Erfolgsfall wäre Doris S***** auf Grund der im Dienstvertrag getroffenen Provisionsvereinbarung eine Provision von 3 % zugestanden. Schließlich bot die beklagte Partei eine neue Asbestzementplattenanlage zu einem Verkaufspreis von S 37,070.190,-- an. Anläßlich der Verhandlungen darüber wurde zwischen Doris S***** und der beklagten Partei am 9.4.1987 fernschriftlich eine Provisionsvereinbarung geschlossen, wonach dieser im Auftragsfall eine Provision von 10 % zustehen soll. Zugleich wurde festgelegt, daß im Falle eines größeren Preisdruckes durch die Firma T***** gemeinsam überlegt werden soll, ob unter solchen Bedingungen das Geschäft durchgeführt werden bzw inwieweit Doris S***** den Provisionsatz reduzieren könne. Diese Provisionsvereinbarung vom 9.4.1987 bezog sich nur auf die neue Asbestzementplattenanlage und nicht auf die nunmehr strittige gebrauchte Asbestzementplattenanlage.

Neben den Verhandlungen über eine neue Asbestzementplattenanlage gab es im Herbst 1987 auch Verhandlungen über eine sogenannte Wellcrete-Anlage, die ebenfalls von Doris S***** angebahnt wurden. Doris S***** war weiterhin bemüht, eine allgemeine Provisionsvereinbarung mit der beklagten Partei zu erreichen. In diesem Zusammenhang richtete die beklagte Partei am 9.9.1987 folgendes Schreiben an Doris S*****:

"Bezugnehmend auf unser Gespräch vom 3.9.1987 hier in T***** und dem von Ihnen vorgelegten Entwurf einer neuerlichen Provisionsvereinbarung darf ich Ihnen folgendes mitteilen: Ich habe mich im Rahmen meiner Geschäftsleitung sehr ausführlich mit der Angelegenheit befaßt, bin jedoch auf keinen Nenner gekommen. Grundsätzlich scheuen wir uns davor, längerfristige Vereinbarungen zu treffen, dies umsomehr, als wir unsere bisherigen Prognosen und Erwartungen viel zu hoch gesteckt haben. Selbstverständlich stehen wir voll und ganz zur Vereinbarung laut Telex vom 9.4.1987 betreffend das Projekt Plattenanlage CSFR. Für weitere Projekte, welche in ein konkretes Stadium kommen, sind wir selbstverständlich gerne bereit, zusätzliche neue Vereinbarungen zu treffen. Es gilt sinngemäß die Vereinbarung auch für das Projekt Wellcrete-Anlage N*****. Das ganze gemeinsame Bemühen sollte im Augenblick jedoch auf die Plattenanlage CSFR gelegt werden, unser weiteres Unternehmenskonzept wird erst in der Folge zu bestimmen sein. Die Provisionsvereinbarung gilt selbstverständlich auch für die laufenden Angebote der Drehbänke. Ich habe Ihnen ja bereits mündlich angekündigt, daß weitere Überlegungen erst nach Klarheit darüber möglich sind, ob dieser CSFR-Auftrag zustande kommt oder nicht ....."

Mit der erwähnten "Plattenanlage" war die von der beklagten Partei am 4.8.1987 angebotene neue Asbestzementplattenanlage gemeint und nicht die hier strittige gebrauchte Asbestzementplattenanlage.

Doris S***** schrieb am 14.9.1987 zurück:

".... Daß Sie meinem Entwurf nicht nähertreten wollen, bedauere ich, und bitte Sie daher mir folgendes zu bestätigen:

a) Daß im Angebotspreis von S 37,070.190,-- zehn Prozent für mich einkalkuliert wurden.

b) Daß dieser Prozentsatz auch für ein eventuell zu überarbeitendes Angebot von Ihnen berücksichtigt wird sowie bei second hand equipment

...

Sie haben sicher Verständnis dafür, daß mir die Telexvereinbarung vom 9.4.1987 nicht genügt. Sollte es zu harten Preisverhandlungen kommen, so werden wir zusammen reden und gemeinsam einen Weg finden. Grundsätzlich muß aber erst mal festgehalten werden, daß Sie die zehn Prozent Provision einkalkuliert haben. Eine eventuelle Preisreduzierung kann nicht allein zu meinen Lasten gehen ..."

Im Antwortschreiben vom 18.9.1987 wurde ausgeführt:

"a) Die Provisionszusage betreffend das Angebot Nr. 6142/87 (Plattenanlage) steht außer Diskussion, eingeschränkt auf unsere Vereinbarung vom 9.4.87, wonach bei Preisnachlässen der Provisionssatz reduziert wird.

b) Für den Fall, daß T***** sich für Wellcrete entscheidet, wird im Anbot der volle Provisionssatz von zehn Prozent einkalkuliert, auch hier gilt die getroffene Vereinbarung bei Preisnachlässen.

c) Eine Zusage über die Provisionshöhe für "second hand equipment" können Sie von mir wirklich nicht erwarten. Sie wissen zu genau, welche Probleme und Risiken mit einem derartigen Geschäft in Zusammenhang stehen. Für den Fall, daß dieses Geschäft überhaupt zur Diskussion steht, werden wir sicherlich eine Vereinbarung mit Ihnen treffen. Ich stelle mir eine Pauschale vor, dadurch kann man klare Verhältnisse schaffen ....."

Nicht feststellbar war, daß das Schreiben der beklagten Partei vom 18.9.1987 Doris S***** jemals zugekommen ist. Es ist aber erwiesen, daß die beklagte Partei am 18.9.1987 ein an Doris S***** adressiertes Schreiben mit dem zuvor festgestellten Inhalt verfaßt hat.

In den Verhandlungen mit der Firma T***** teilte die beklagte Partei gelegentlich mit, daß auch eine gebrauchte Asbestzementplattenanlage angeboten werden könnte. Am 10.9.1987 teilte die Firma T***** der beklagten Partei mit, allenfalls auch ernsthafttes Interesse an einer gebrauchten Asbestzementplattenanlage zu haben. In weiterer Folge kam es zu Verhandlungen darüber, die ebenfalls von Doris S***** für die beklagte Partei angebahnt wurden. Sie führten zum Angebot vom 7.12.1987 über eine bebrauchte Asbestzementplattenanlage. Auf Grund dieses Angebotes bestellte die Firma T***** mit dem Schreiben vom 5.8.1988 die Lieferung und Monatage einer gebrauchten Asbestzementplattenanlage zum Kaufpreis von netto S 19,815.676,--. Zufolge vielfacher Aufwendungen der beklagten Partei entstanden ihr beträchtliche Kosten, sodaß dieses Geschäft nur geringen wirtschaftlichen Erfolg brachte.

Am 23.1.1989 erfolgte eine Zusatzbestellung der Firma T***** zum Kaufpreis von netto S 2,214.700,--. Dieser Kaufvertrag bildete vereinbarungsgemäß "einen untrennbaren Bestandteil des Grundvertrages" über die gebrauchte Asbestzementplattenanlage.

Bis zum 18.8.1989, dem Tag der Zustellung der Klage, erhielt die beklagte Partei für die gebrauchte Asbestzementplattenanlage, welche bis zu dieser Zeit teilweise ausgeliefert war, Teilzahlungen von insgesamt S 8,701.500,--. Der vorerwähnte bereits bezahlte Betrag von S 2,214.700,-- ist dabei nicht berücksichtigt. Mittlerweile wurde die gebrauchte Asbestzementplattenanlage in mehreren Teillieferungen zur Gänze geliefert und montiert. Es steht außer Streit, daß die beklagte Partei von der Firma T***** einschließlich der S 2,214.700,-- für die gebrauchte Asbestzementplattenanlage, sowie für die Plattendicken- und Konsistenzregelungsanlage und für die Lieferung von zwei Siebzylindern Zahlungen von insgesamt S 21,736.176,-- erhalten hat, wobei alle diese Zahlungen vor dem 10.5.1990, dem Tag der Ausdehnung des Klagebegehrens, erfolgten.

Bei der Vermittlung des Verkaufes der gebrauchten Asbestzementplattenanlage und bei der Zusatzbestellung vom 23.1.1989 wurde zwischen der beklagten Partei und Doris S***** zu keiner Zeit eine ihr zustehende Vermittlungsprovision von 10 % vereinbart.

Nach der Bestellung der Firma T***** vom 5.8.1988 kam es am 26.9.1988 neuerlich zu Verhandlungen über die Höhe der Provision aus der Vermittlung des Verkaufes der gebrauchten Asbestzementplattenanlage. Zu dieser Zeit war die Gemeinschuldnerin bereits insolvent und Doris S***** in Geldnot. In den nunmehrigen Verhandlungen war der beklagten Partei dieser Umstand bekannt. Doris S***** erklärte in diesen Verhandlungen offen, sie brauche für sich und zur Realisierung eines außergerichtlichen Ausgleiches der Gemeinschuldnerin dringend Geld.

In Ausnützung dieser Zwangslage bot die beklagte Partei am 26.9.1988 für die Vermittlung des Verkaufes der gebrauchten Asbestzementplattenanlage die Bezahlung einer Pauschalprovision von netto S 500.000,-- an, wovon die Hälfte sofort und der Rest nach vollständiger Bezahlung des Kaufpreises fällig sein sollte. Mit diesem Angebot war Doris S***** am 26.9.1988 nicht einverstanden, sie warf der beklagten Partei vor, ihre Zwangslage auszunützen. Am 27.9.1988 teilte Doris S***** der beklagten Partei jedoch mit, mit der angebotenen Pauschalprovision von netto S 500.000,-- einverstanden zu sein. Sie verband damit die Bemerkung, sie müsse mit dem Anbot von netto S 500.000,-- einverstanden sein; die beklagte Partei solle ihr so schnell wie möglich das Geld überweisen. Eine bestimmte Fälligkeit der Pauschalnettoprovision von S 500.000,-- wurde nicht festgelegt.

Doris S***** trat die ihr gegenüber der beklagten Partei zustehende Forderung der Gemeinschuldnerin ab (Beil./A); von dieser Abtretung wurde die beklagte Partei verständigt. Nicht strittig ist, daß der Gemeinschuldnerin noch vor Konkurseröffnung der gesamte Rechnungsbetrag von brutto S 600.000,-- zukam.

Die Pauschalnettoprovision von netto S 500.000,-- lag unterhalb der Hälfte einer für die Vermittlung eines derartigen Geschäftes angemessenen Provision, sodaß sie in einem auffallenden Mißverhältnis zur Vermittlungsleistung der Doris S***** stand. Bei der Vermittlung von Exportaufträgen auf dem Sektor der Investitionsgüterindustrie sind im Verhältnis zwischen Vermittler und Lieferanten folgende Nettoprovisionen üblich und angemessen:

Für die ersten fünf Millionen des Auftragswertes 10 %

für die zweiten fünf Millionen 7,5%

für die dritten fünf Millionen 5 %

für die vierten fünf Millionen 3 %

Übersteigt ein Auftrag die Summe von S 20 Mio, so findet bis zum Auftragswert von S 50 Mio ein Provisionssatz von 2 % Anwendung. Die für die Vermittlung von Exportaufträgen über Neuanlagen üblichen Provisionen sind auch für den Fall der Vermittlung von Exportaufträgen über Gebrauchtanlagen angemessen.

Rechtlich war das Erstgericht der Ansicht, daß zwar eine Provisionsvereinbarung von 10 % nicht getroffen worden sei. Die beklagte Partei habe vielmehr die von ihr behaupteten Pauschalnettoprovisionsvereinbarung bewiesen. Diese Vereinbarung sei aber wegen Verstoßes gegen die guten Sitten gemäß § 879 Abs 2 Z 4 ABGB nichtig, weil die beklagte Partei die Zwangslage der Doris S***** ausgenützt habe, indem sie ihr eine im Hinblick auf die Vermittlungsleistung in auffallendem Mißverhältnis stehende zu geringe Pauschalnettoprovision "festgesetzt" habe, mit der sich diese nur auf Grund ihrer damaligen Situation einverstanden erklärte. Die beklagte Partei könne sich auf die von ihr bewiesene Vereinbarung nicht mehr berufen. Es sei daher eine Vermittlungsprovision in angemessener Höhe zu bezahlen. Diese betrage laut Aufschlüsselung einschließlich Umsatzsteuer S 1,571.668,20, wovon die geleistete Zahlung von S 600.000,-- in Abzug zu bringen sei. Es verbleibe eine angemessene Restprovision von S 971.668,20, die infolge Abtretung der klagenden Partei zustehe.

Das Berufungsgericht gab den Berufungen der Parteien nicht Folge und ließ die ordentliche Revision zu. Nach Auffassung des Gerichtes zweiter Instanz habe die beklagte Partei Doris S***** mit ihrem gegenüber der üblichen Provision weitaus zu geringen Anbot "abgespeist". Sie habe damit die drohende Insolvenz und Geldnot des Unternehmens von Doris S***** zu ihren Zwecken in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise ausgenützt und sich dadurch einen durch nichts begründeten Vermögensvorteil geschaffen, weshalb der Vertrag gemäß § 879 Abs 2 Z 4 ABGB oder zumindest wegen Verstoßes gegen die guten Sitten nichtig sei.

Gegen die Entscheidung des Gerichtes zweiter Instanz richtet sich die Revision der beklagten Partei aus dem Anfechtungsgrund des § 503 Z 4 ZPO mit dem Antrag, das angefochtene Urteil abzuändern und das Klagebegehren abzuweisen. Die Vertragspartnerin Doris S***** hätte sich in keiner Zwangslage befunden, sie hätte ihre Ansprüche auch ohne Pauschalvereinbarung in einer von ihr vermeinten Höhe als bestehende und einbringliche Forderung einem Gläubiger abtreten können. Ein krasses Mißverhältnis zwischen den Leistungen der Parteien liege nicht vor.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Gemäß § 879 Abs 2 Z 4 ABGB ist ein Vertrag nichtig, wenn jemand den Leichtsinn, die Zwangslage, Verstandesschwäche, Unerfahrenheit oder Gemütsaufregung eines anderen dadurch ausbeutet, daß er sich für eine Leistung eine Gegenleistung versprechen oder gewähren läßt, deren Vemögenswert zum Wert der Leistung im auffallenden Mißverhältnis steht. Für die Annahme eines wucherischen Geschäftes sind demnach drei Voraussetzungen erforderlich: Es muß ein auffallendes Mißverhältnis zwischen dem Wert der Leistung und der Gegenleistung bestehen, der durch das Geschäft Begünstigte muß die Lage des Bewucherten ausgenützt haben und es müssen bei dem durch das Geschäft Benachteiligten gewisse Umstände oder Eigenschaften vorhanden sein, die ihn hinderten, seine Interessen gehörig zu wahren (NZ 1981, 81; 1 Ob 634/78; SZ 44/71; MietSlg 24.083/12; 1 Ob 665/85). Mißbilligt wird die Ausbeutung eines Vertragspartners durch auffallende Äquivalenzstörung in den Hauptleistungspflichten in Fällen gestörter Freiheit der rechtsgeschäftlichen Willensbildung (Krejci in Rummel, ABGB, Rz 214 zu § 879). Es muß objektive Äquivalenzstörung vorliegen, und zwar im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses (SZ 23/335; JBl 1961, 417; MietSlg 20.076; Krejci in Rummel, ABGB, Rz 224 zu § 879) Auch ein Vergleich über beiderseitige Leistungen ist unter den genannten Voraussetzungen wegen Wuchers anfechtbar (Schwimann, Praxiskommentar Rz 16 zu § 879; SZ 58/43). Seine materielle Gültigkeit ist wie bei jedem Rechtsgeschäft nach den Bestimmungen des bürgerlichen Rechtes zu beurteilen (Ertl in Rummel, ABGB, Rz 8 zu § 1380; JBl 1979, 266 ua). Wucherisch können zwar nur auf einen Leistungsaustausch gerichtete Geschäfte, aber jedenfalls solche jeder Art sein, wozu auch nach deutscher Rechtsprechung der Vergleich zählt (Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch Rz 66 zu dem nahezu mit § 879 Abs 2 Z 4 ABGB wortgleichen § 138 Abs 2 BGB). Der Wucher unterscheidet sich von der laesio enormis (§ 934 ABGB), die ebenfalls die Störung der objektiven Äquivalenz zum Gegenstand hat, durch das Fehlen einer starren Wertgrenze. Die Wuchervorschrift verlangt aber zusätzlich das Vorliegen der oben dargestellten subjektiven Voraussetzungen (Koziol-Welser9, 145).

Alle Elemente zur Annahme eines Wuchers liegen - wie die Vorinstanzen richtig erkannt haben - vor:

Auffallend ist das Mißverhältnis der Leistungswerte, wenn die Gegenleistung den Wert der Leistung bedeutend übersteigt, ohne daß die Übermäßigkeit durch besondere Umstände des Falles, etwa die Gewagtheit des Geschäftes, sachlich gerechtfertigt wäre (Krejci in Rummel, ABGB, Rz 226 zu § 879; Ehrenzweig, Schuldrecht, 170 ff). Wird darauf Bedacht genommen, daß bei Vermittlungsgeschäften der vorliegenden Art durchaus 10 % Vermittlungsgebühr bezahlt werden, zumindest aber eine solche Provision üblich ist, die - wie das Erstgericht auf Grund des Sachverständigengutachtens feststellte - in einem Fall wie diesem nahe an die Zweimillionengrenze kommt, besteht kein Zweifel, daß der letztlich der Vermittlerin angebotene Betrag von S 500.000,-- in auffallendem Mißverhältnis zu deren Leistung steht.

Die beklagte Partei kannte nach den getroffenen Feststellungen sehr wohl die prekäre finanzielle Lage ihrer Vertragspartnerin. Ihre Vorgangsweise haben die Vorinstanzen im Ergebnis mit Recht als Hinhaltetaktik beurteilt. Es ist eine nicht nur der beklagten Partei bekannte allgemeine Erfahrungstatsache, daß Schuldner mehrerer Gläubiger zur Vermeidung einer Insolvenz möglichst jede sogleich verfügliche Barzahlung für eigene Leistungen anstreben, um zumindest eine Teilbefriedigung von andrängenden Gläubigern zu erreichen. Daß die beklagte Partei diese Lage von Doris S***** ausnützte und ihr dabei wesentlich weniger bezahlte, als ihr zustand, steht daher außer Zweifel.

Die dargelegte Vorgangsweise der beklagten Partei hatte in kombinatorischer Wechselbeziehung zwischen Willens- und Äquivalenzstörung zur Folge, daß der um ihr Familienunternehmen bangenden Doris S***** die sie gravierend benachteiligende Pauschalvereinbarung weniger schlimm erscheinen mußte, als die sie sonst erwartende Insolvenz "ihres" Unternehmens. Diese Zwanglage hat die beklagte Partei in der von den Vorinstanzen festgestellten unzulässigen Weise ausgenützt, was gemäß § 879 Abs 2 Z 4 ABGB die Nichtigkeit der Provisionsvereinbarung und demgemäß die Verpflichtung zur Zahlung der für das Vermittlungsgeschäft tatsächlich gebührenden Provision zur Folge hat.

Dies haben das Erstgericht und das Berufungsgericht richtig erkannt, weshalb der Revision der beklagten Partei nicht Folge zu geben war.

Der Kostenausspruch beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

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