Spruch:
Beide Revisionen werden zurückgewiesen.
Der Beklagte ist schuldig, dem Kläger die mit 1.178,03 EUR (darin 196,34 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung
Entgegen dem - den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) - Ausspruch des Berufungsgerichts ist die ordentliche Revision nicht zulässig:
Das Berufungsgericht hat seinen Zulässigkeitsausspruch damit begründet, es liege zur Frage, ob bei vorzeitiger einvernehmlicher Auflösung eines Bestandvertrags die Leistung jenes Vertragspartners, der hiefür ein Entgelt erhält, einen gemeinen Wert im Sinne des § 934 ABGB bzw einen objektiven Wert im Sinne des § 879 Abs 2 Z 4 ABGB hat, nur die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs JBl 1955, 473 vor. Der Beklagte, selbst ein Obstbauer, verpachtete im Jahr 1992 landwirtschaftliche Flächen an den Kläger, der darauf Obstbau betrieb; der Pachtvertrag sollte bis Ende 2006 laufen und wurde im Grundbuch eingetragen. Nach Änderung des maßgeblichen Flächenwidmungsplans und teilweiser Umwidmung der Pachtflächen in Bauland strebte der Beklagte durch eine „lasten- und bestandfreie" Veräußerung dieser nunmehr aufgewerteten Pachtflächen eine Entschuldung bei seiner Hausbank an. Er ersuchte daher bereits Anfang 2002 den Kläger, ihm diese Pachtflächen zurückzustellen. Die Verhandlungen scheiterten allerdings an der vom Kläger begehrten Ablösesumme von 26.400 EUR; der Kläger hatte diese aufgrund einer „Deckungsbeitragsverlustrechnung" ermittelt. Dennoch veräußerte der Beklagte Anfang 2004 die umgewidmeten Pachtflächen, ohne dass der Kläger davon Kenntnis gehabt hätte. Als der Käufer wegen des noch aufrechten Pachtvertrags vom Kaufvertrag zurücktreten wollte, akzeptierte der Beklagte zwei Tage vor Ablauf dieser Rücktrittsfrist die geforderte Ablösesumme und verpflichtete sich am 17. 12. 2004 zu deren Zahlung in vier Raten bei sonstigem Terminsverlust. Dabei wusste er, dass er zuviel Ablöse bezahlen würde, weil er davor ein Gutachten eingeholt hatte, aus dem eine weitaus geringere Summe hervorging. In weiterer Folge kam er seiner Zahlungsverpflichtung nicht nach. Der Kläger wiederum weigerte sich entgegen der Vereinbarung vom 17. 12. 2004, die Pachtfläche mit der Grundstücksnummer 102/5 grundbuchsfähig freizulassen. Das Berufungsgericht verpflichtete den Beklagten zur Zahlung von
26.400 EUR Zug um Zug gegen grundbuchsfähige Freilassung dieser Pachtfläche und wies das gesamte Zinsenbegehren ab. Es verneinte sowohl die Einrede des Wuchers gemäß § 879 Abs 2 Z 4 ABGB als auch jene der Verkürzung über die Hälfte gemäß §§ 934, 935 ABGB. Allerdings habe der Beklagte auch die Einrede des nicht erfüllten Vertrags erhoben, was ihn berechtige, seine Leistung bis zur Erbringung der Gegenleistung zurückzuhalten; Verzugszinsen stünden dem Kläger daher nicht zu.
Rechtliche Beurteilung
1. Der Beklagte macht in seiner Revision im Zusammenhang mit der Einrede der Verkürzung über die Hälfte gemäß § 934 ABGB geltend, die „Angelegenheit" sei noch nicht entscheidungsreif; die Vorinstanzen hätten den gemeinen Wert der Leistung des Klägers nicht festgestellt.
§ 934 ABGB räumt bei zweiseitig verbindlichen Geschäften jenem Vertragspartner, der nicht einmal die Hälfte dessen, was er dem anderen gegeben hat, von diesem an gemeinem Wert erhalten hat, das Recht ein, die Aufhebung des Vertrags und die Herstellung in den vorigen Stand zu fordern. Das Missverhältnis wird dabei nach dem Zeitpunkt des geschlossenen Geschäfts bestimmt. Nach § 935 ABGB ist § 934 ABGB jedoch nicht anzuwenden, wenn sich der verkürzte Vertragspartner, obgleich ihm der wahre Wert bekannt war, dennoch zu dem unverhältnismäßigen Wert verstanden hat.
Der Beklagte hat im Verfahren erster Instanz zur Begründung seiner Verkürzung dem von ihm bei einer Restpachtdauer von rund zwei Jahren zu bezahlenden Betrag von 26.400 EUR der von einem von ihm beauftragten Sachverständigen ermittelten Ablösesumme von 10.375 EUR bei einer Restpachtdauer von etwa 4,5 Jahren gegenüber gestellt (AS 17). Diese Werte waren ihm bereits am 17. 12. 2004 bekannt. Die Vorinstanzen haben nämlich ausdrücklich festgestellt, bei Unterfertigung der Vereinbarung habe der Beklagte, selbst ein Obstbauer, gewusst, dass er zuviel Ablöse bezahlen würde, habe er doch zuvor selbst ein Gutachten eingeholt gehabt, aus dem eine weitaus geringere Summe hervorging.
Selbst wenn man also diese Werte als „wahre Werte" im Sinne des § 935
2. Fall ABGB ansieht, wovon ja der Beklagte selbst ausgeht, kann seine Einrede der Verkürzung über die Hälfte nicht erfolgreich sein; sie waren ihm bei Vertragsschluss ebenso bekannt wie deren Missverhältnis zueinander. Auf die vom Berufungsgericht als erheblich bezeichnete Rechtsfrage nach dem gemeinen Wert der Leistung des Klägers kommt es damit ebenso wenig an wie auf die in der Revision des Beklagten behandelte Frage, ob die Vereinbarung vom 17. 12. 2004 tatsächlich nach §§ 934, 935 ABGB zu behandeln ist.
2. Der Beklagte meint weiters in seiner Revision, entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts lägen die Voraussetzungen für eine Anfechtung der Vereinbarung vom 17. 12. 2004 wegen Wuchers gemäß § 879 Abs 2 Z 4 ABGB vor. Er habe sich damals in einer Zwangslage befunden und habe Grundstücke verkaufen „wollen" (!), weil er Geld benötigte; der Kläger habe auch davon gehört gehabt, dass es dem Beklagten schlecht gehen soll. Verhandlungen über eine Ablösesumme von 26.400 EUR seien bereits 2002 gescheitert. Der Beklagte habe daher nur die Wahl gehabt, entweder auf die ihm vorgeschlagene drückende Vereinbarung einzugehen oder einen noch größeren Nachteil durch Fortsetzung des Pachtverhältnisses zu erleiden. Nach den Feststellungen der Vorinstanzen ergab sich die Zwangslage des Beklagten tatsächlich jedoch aus dem Umstand, dass er sich einem Käufer gegenüber zur lasten- und bestandfreien Veräußerung der Pachtflächen verpflichtet hatte, ohne sich vorher mit dem Kläger über eine Auflösung des Pachtverhältnisses geeinigt zu haben. Der Wucherer braucht zwar die für die Willensbildung des Bewucherten ungünstige Situation nicht herbeigeführt zu haben, und auch Schädigungsabsicht ist nicht erforderlich; er muss die ungünstige Situation aber vorsätzlich oder fahrlässig ausgenützt haben, dh er musste die Lage des Bewucherten und das grobe Missverhältnis der Leistungen gekannt haben oder er hätte dies alles erkennen müssen (Apathy/Riedler in Schwimann, ABGB³ [2006] § 879 Rz 23 mit Nachweisen aus der Rechtsprechung). Da der Kläger nach den weiteren Feststellungen der Vorinstanzen bei Abschluss der Vereinbarung vom 17. 12. 2004 keine Kenntnis vom Abschluss des Kaufvertrags zwischen dem Beklagten und seinem Käufer und auch nur davon gehört gehabt hatte, dass es dem Beklagten schlecht gehen soll, ist die Auffassung des Berufungsgerichts, ein Fall des Wuchers sei hier nicht gegeben, nicht zu beanstanden.
Die Revision des Beklagten ist damit zurückzuweisen.
3. Der Kläger rügt in seiner Revision die Abweisung des gesamten Zinsenbegehrens durch das Berufungsgericht. Die erste Rate wäre am 31. 3. 2005 fällig gewesen; infolge Nichtzahlung durch den Beklagten sei Terminsverlust eingetreten. Er selbst sei seinen Verpflichtungen aus der Vereinbarung vom 17. 12. 2004 nachgekommen; lediglich einen „völlig unbedeutsamen Nebenanspruch" habe er nicht erfüllt. Der Beklagte habe sich tatsächlich ja auch nicht auf dessen Nichterfüllung berufen, sondern die Einreden der Verkürzung über die Hälfte sowie des Wuchers erhoben. Dem ist nicht zu folgen:
Der Beklagte hat in der Tagsatzung zur mündlichen Verhandlung unter anderem eingewendet, das Grundstück 102/5 sei die einzige Zufahrtsmöglichkeit zu den übrigen Pachtflächen (die vom Beklagten verkauft worden sind); entgegen der ausdrücklichen Vereinbarung vom 17. 12. 2004 weigere sich der Kläger, hinsichtlich dieses Grundstücks eine Freilassungserklärung abzugeben. Damit habe der Kläger aber selbst die Vereinbarung nicht erfüllt; die Klagsforderung sei noch nicht fällig. Daraufhin stellte der Kläger das Eventualbegehren auf Zahlung von 26.400 EUR Zug um Zug gegen grundbuchsfähige Freilassung dieses Grundstücks. Mit diesem Begehren ist er auch durchgedrungen; die Abweisung des Hauptbegehrens (Zahlung von 26.400 EUR ohne Zug-um-Zug-Leistungsverpflichtung) durch das Erstgericht hat er nicht angefochten. Dass das Grundstück 102/5 die einzige Zufahrtsmöglichkeit zu den übrigen Pachtflächen darstellt, bestritt der Kläger im Verfahren erster Instanz nicht; er berief sich lediglich darauf, es tatsächlich bestandfrei zur Benützung übertragen zu haben. Eine dem entsprechende Feststellung wurde allerdings nicht getroffen.
Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs steht das Leistungsverweigerungsrecht nach § 1052 Satz 1 ABGB nicht nur zu, wenn der andere Teil die Hauptleistung nicht erfüllt hat oder nicht zu erfüllen bereit ist, sondern auch dann, wenn der andere Teil mit einer nicht unwesentlichen Nebenleistung in Verzug ist. Zwischen dieser Nebenleistung und der geforderten Leistung muss eine Austauschbeziehung, ein Gegenseitigkeitsverhältnis, bestehen (3 Ob 566/86 = SZ 61/15 mwN; 5 Ob 57/06b).
Dass der Kläger lediglich mit einer unwesentlichen bzw „völlig unbedeutsamen" Nebenleistung in Verzug gewesen wäre, lässt sich weder seinem erstinstanzlichen Vorbringen noch den Feststellungen entnehmen; das Grundstück 102/5 diente vielmehr der Erschließung der übrigen verkauften, vormaligen Pachtflächen. Und ob ein Gegenseitigkeitsverhältnis im dargestellten Sinn bestand, ist nach der Übung des Verkehrs zu beurteilen (3 Ob 566/86); eine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO wird damit jedenfalls nicht berührt.
Damit hat das Berufungsgericht aber mangels Verzugs des Beklagten das Zinsenbegehren zutreffend abgewiesen. Die Revision des Klägers ist ebenfalls zurückzuweisen.
4. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet auf §§ 41, 50 ZPO. Beide Parteien haben in ihren Revisionsbeantwortungen jeweils auf die Unzulässigkeit der Revision der Gegenseite hingewiesen. Die Schriftsätze sind daher als zur zwecksentsprechenden Rechtsverteidigung notwendig anzusehen.
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