BVwG W191 2106225-2

BVwGW191 2106225-224.10.2016

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §8 Abs1
AsylG 2005 §8 Abs4
B-VG Art.133 Abs4
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §8 Abs1
AsylG 2005 §8 Abs4
B-VG Art.133 Abs4

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2016:W191.2106225.2.00

 

Spruch:

W191 2106225-2/10E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Harald Rosenauer als Einzelrichter über die Beschwerde von Herrn XXXX, geboren am XXXX, Staatsangehörigkeit Afghanistan, vertreten durch XXXX, ARGE-Rechtsberatung Diakonie und Volkshilfe, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 16.06.2016, Zahl 1000658304-14038849, beschlossen:

A)

I. Die Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005 als unbegründet abgewiesen.

II. Gemäß § 8 Abs. 1 Asylgesetz 2005 wird XXXX der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan zuerkannt.

III. Gemäß § 8 Abs. 4 Asylgesetz 2005 wird XXXX eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 24.10.2017 erteilt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

1. Verfahrensgang:

1.1. Der Beschwerdeführer (in der Folge BF), ein afghanischer Staatsangehöriger, reiste nach seinen Angaben am 20.01.2014 illegal und schlepperunterstützt in Österreich ein und stellte am selben Tag einen Antrag auf internationalen Schutz im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 13 Asylgesetz 2005 (in der Folge AsylG).

Eine EURODAC-Abfrage ergab, dass der BF am 24.01.2008 in Tayros (Griechenland) erkennungsdienstlich behandelt worden war.

1.2. In seiner Erstbefragung am 20.01.2014 durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes der Polizeiinspektion (PI) Traiskirchen, Erstaufnahmestelle (EAST), gab der BF im Beisein eines Dolmetsch für die Sprache Dari im Wesentlichen Folgendes an:

Er heiße XXXX, sei afghanischer Staatsangehöriger und am XXXX in XXXX, Distrikt Jaghori, Provinz Ghazni, Afghanistan, geboren.

Er hätte bereits im Jahre 1995 gemeinsam mit seinen Eltern und Geschwistern Afghanistan verlassen und wäre bis 2007 in XXXX, Quetta, Sistan und Beluchestan, Pakistan, aufhältig gewesen. Seine Eltern wären 2012 in Quetta bei einer Explosion ums Leben gekommen. Er habe noch vier Brüder und zwei Schwestern, die alle in Quetta wohnhaft seien.

Im Jahre 2007 hätte er Pakistan verlassen und wäre über den Iran und die Türkei nach Griechenland gereist, wo er sich bis zum 18.01.2014 aufgehalten hätte. Dann wäre er schlepperunterstützt und auf der Ladefläche eines LKW versteckt über ihm unbekannte Länder nach Österreich gelangt.

Als Fluchtgrund gab der BF an, dass er bereits mit elf Jahren Afghanistan verlassen hätte. Sein Vater hätte damals Probleme aufgrund eines Grundstückstreits gehabt. Als ältester Sohn hätte der BF früh arbeiten gehen und so die Familie ernähren müssen. Später wäre er deshalb auch nach Griechenland gereist, um dort zu arbeiten und den Eltern Geld zu senden.

Der BF wurde unter Ausfolgung einer Aufenthaltsberechtigungskarte gemäß § 51 AsylG zum Asylverfahren zugelassen.

1.3. Bei seiner Einvernahme am 11.03.2015 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge BFA), Regionaldirektion Steiermark, im Beisein eines Dolmetsch für die Sprache Dari, gab der BF im Wesentlichen Folgendes an (Auszug aus dem Einvernahmeprotokoll, Schreibfehler korrigiert):

"F [Frage]: Haben Sie im Verfahren bis dato der Wahrheit entsprechende Angaben gemacht?

A [Antwort]: Ja.

F: Wurden diese so wie Sie es gesagt haben, korrekt protokolliert und rückübersetzt?

A: Nicht ganz. Meine Eltern sind noch am Leben und leben beide in Pakistan.

F: Haben Sie irgendwelche Dokumente oder sonstige Beweismittel, die Sie im bisherigen Verfahren noch nicht vorgelegt haben?

A: Ich habe einen Arztbrief, ich hatte Nierensteine, und eine Bestätigung über den Besuch des Deutschkurses bei mir.

F: Gibt es noch irgendwelche Dokumente oder sonstige Beweismittel, die Sie noch vorlegen können?

A: Nein.

Anmerkung: Kopien der Unterlagen werden zum Akt gelegt.

F: Schildern Sie bitte Ihre Lebensumstände in Afghanistan.

A: Ich war ein armer Mensch, finanziell gesehen.

F: Wo genau kommen Sie her?

A: Aus der Provinz Ghazni, Jaghori, Dorf XXXX.

F: Haben Sie zurzeit Kontakt mit irgend jemandem zu Hause?

A: Ich habe niemanden in Afghanistan. Ich telefoniere mit meiner Familie, die lebt in Pakistan. Die genaue Adresse in Pakistan lautet Quetta, Belutschistan, XXXX oder XXXX. Sie erzählen nichts Gutes.

F: Wovon bestreiten Ihre Angehörigen den Lebensunterhalt?

A: Solange ich in Griechenland war, habe ich Geld an meine Familie geschickt. Ich habe genug geschickt, damit sie noch immer auskommen. Meine Eltern sind schon alt. Meine Geschwister sind noch jung und besuchen die Schule.

F: Welche Ausbildung haben Sie absolviert?

A: Ich hatte nur zwei Schuljahre in Afghanistan. In Pakistan habe ich nur Englisch gelernt.

F: Womit haben Sie in Ihrem Heimatland bisher Ihren Lebensunterhalt bestritten?

A: Mein Vater war einfacher Hilfsarbeiter. Wir hatten Grundstücke, aber da gibt es ja die Feindschaften wegen der Grundstücke, und deshalb können wir ja nicht ins Heimatland zurückkehren.

F: Schildern Sie die Gründe, warum Sie Ihren Herkunftsstaat verlassen und einen Asylantrag gestellt haben, von sich aus vollständig und wahrheitsgemäß [...]

A: Als ich ein Kind war, haben XXXX und XXXX, der Vater von XXXX, uns unsere Grundstücke weggenommen. Dann haben sie einen Verwandten namens Kommandant XXXX. Dieser hat noch immer die Macht. Mein Problem war, dass sie uns unsere Grundstücke weggenommen und uns mit dem Tod bedroht haben. Ich bin im Jahr 1998 mit meiner ganzen Familie, das war Vater, Mutter, vier Brüder und zwei Schwestern, nach Pakistan gegangen. Ich habe es so mitbekommen, dass mein Vater nach Hause kam und blutig war. Zuerst war ich noch sehr jung und konnte damit nichts anfangen. Als ich älter war, habe ich meinen Vater darauf angesprochen, und mein Vater hat mir alles geschildert.

F: Warum haben Sie gerade im Jahr 1998 Ihre Heimat verlassen?

A: Wir haben alles liegen und stehen lassen. Weil wir bedroht wurden, hatten wir keinen anderen Ausweg. Es gab die Drohungen durch diese Familie, und weiters waren die Taliban auch in unserer Gegend an der Macht.

F: Haben Sie jemals persönlich eine Drohung gegen Ihre Familie mitbekommen?

A: Ich war zum damaligen Zeitpunkt noch klein. Alles andere hat mir mein Vater erzählt. Mein Vater könnte Ihnen die Vorfälle erzählen.

F: Können Sie mir die Telefonnummer Ihrer Familie geben?

A: Ja, die Telefonnummer meines Bruders lautet +92 [...] (unter XXXX gespeichert).

Anmerkung: Nachdem der Antragsteller sein Handy hervorholt, werden die im Telefon gespeicherten Telefonnummern durchgesehen (freiwillige Herausgabe des Handys). Darunter sind verschiedene Telefonnummern aus Montenegro, Schweden, Italien, Pakistan und Österreich. Der Antragsteller selbst hat sich unter dem Namen Ali Hassan ZADA abgespeichert.

F: Wieso sind Sie mit dem Namen XXXX in Ihrem Handy gespeichert?

A: Das war mein Name in Griechenland. Mein richtiger Name lautet aber XXXX.

F: Sind Sie damit einverstanden, dass wir Ihren Bruder anrufen?

A: Ich habe damit kein Problem. Es könnte sein, dass er in der Schule ist.

Von ca. 09:20 Uhr bis 09:28 Uhr wird ein Telefongespräch mit dem Bruder des Antragstellers, XXXX, geführt. Der Bruder des Antragstellers gibt sinngemäß Folgendes an:

Ich bin 18 Jahre alt und der Bruder von XXXX. Unsere ganzen Angehörigen, Eltern, Brüder und zwei Schwestern, leben in Pakistan. Wir sind aus Jaghori. Es ist schon viele Jahre her, dass wir Afghanistan verlassen haben. Der Grund dafür waren Grundstücksstreitigkeiten, die unser Vater hatte. Wie die Familie geheißen hat, mit der unser Vater die Probleme hatte, weiß ich nicht. Wir leben alle in Quetta. Ich gehe in die Schule und arbeite, wenn ein Lehrling gebraucht wird. Unser jüngerer Bruder geht auch in die Schule und hilft auch ganz selten mit. Wir haben keine Angehörigen in Afghanistan, und wir waren auch nie mehr in Afghanistan, auch unser Vater nicht, wegen der Probleme, die er hatte.

F: Was sagen Sie zu den Angaben Ihres Bruders, insbesondere zu den Namensangaben?

A: Mein wahrer Name ist XXXX. Ich sage die Wahrheit. Mein Bruder ist noch jung und hat Angst. Ich habe ihm mehrmals gesagt, dass ich in Griechenland diesen Namen angegeben habe. Vielleicht hat er deswegen diesen Namen angegeben.

F: Haben Sie alle Fluchtgründe genannt?

A: Ja.

F: Wie kommt es zu den Widersprüchen in Bezug auf Ihre Erstbefragung (Ausreise 1995, Eltern verstorben)?

A: Das war, weil ich damals gerade angekommen bin. Ich sagte zum Dolmetscher, dass er etwas langsamer sprechen soll. Ich war nervös, und deswegen kam es zu diesen Missverständnissen mit den Zahlen und Fakten. Da habe ich mich vertan.

Mit dem AW [Asylwerber] werden die Feststellungen des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl sein Heimatland betreffend erörtert.

F: Möchten Sie etwas dazu anmerken?

A: Über die Feststellungen bin ich informiert. Wir Hazara haben es in Afghanistan und auch in Pakistan sehr schwer.

F: Was befürchten Sie im Falle der Rückkehr in Ihren Herkunftsstaat?

A: Ich habe Angst um mein Leben. Diese Familie könnte mich umbringen.

F: Könnten Sie sich in Kabul oder einer anderen Stadt in Afghanistan niederlassen?

A: Ich habe in Kabul niemanden, es könnte mir alles passieren. Hier habe ich die Behörden, wenn ich Probleme habe, in Afghanistan ist das nicht so.

F: Haben Sie familiäre Beziehungen in Österreich?

A: Nein.

F: Wie bestreiten Sie nun in Österreich Ihren Lebensunterhalt? Welche Unterstützungen beziehen Sie?

A: Ich bin in Grundversorgung.

F: Haben Sie Familienangehörige oder sonstige Verwandte in Österreich?

A: Die Tochter meines Onkels väterlicherseits ist in Österreich. Manchmal besuche ich sie. Sie hat die österreichische Staatsbürgerschaft.

[...]

F: Was machen Sie in Ihrer Freizeit?

A: Ich versuche, Deutsch zu lernen.

F: Können Sie irgendwelche sonstigen Gründe namhaft machen, die für Ihre Integration in Österreich sprechen?

A: Ich bin hier Asylwerber wegen meiner Familie. Ich bin 30 Jahre und habe mich bis heute für meine Familie geopfert. Ich bitte Sie, mir zu helfen. Wenn ich die Sprache kann, kann ich anfangen zu arbeiten."

1.4. Mit Bescheid vom 07.04.2015 [Anmerkung: offenbar irrtümlicherweise mit 07.04.2014 datiert], Zahl 1000658304-14038849, wies das BFA den Antrag des BF auf internationalen Schutz vom 20.01.2014 gemäß § 3 Abs. 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG ab (Spruchpunkt I.), erkannte ihm den Status eines Asylberechtigten ebenso wie gemäß § 8 Abs. 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG den Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan nicht zu (Spruchpunkt II.) und verband diese Entscheidung (in Spruchpunkt III.) gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG in Verbindung mit § 9 BFA-VG mit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 57 oder 55 AsylG wurde ihm nicht erteilt. Es wurde festgestellt, dass die Abschiebung des BF nach Afghanistan gemäß § 46 FPG zulässig sei. Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise des BF 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung.

In der Bescheidbegründung traf die belangte Behörde Feststellungen zur Person des BF und zur Lage in seinem Herkunftsstaat. Eine asylrelevante Verfolgung liege nicht vor, das Vorbringen des BF sei unglaubwürdig. Er habe keine Verfolgung im Sinne des AsylG glaubhaft gemacht. Im Falle der Rückkehr drohe ihm keine Gefahr, die eine Erteilung des subsidiären Schutzes rechtfertigen würde.

Der BF erfülle nicht die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG, der Erlassung einer Rückkehrentscheidung stehe sein Recht auf Achtung des Privat- oder Familienlebens angesichts der kurzen Aufenthaltsdauer und des Fehlens von familiären oder privaten Bindungen im Inland nicht entgegen und es komme daher auch die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG nicht in Betracht. Angesichts der abweisenden Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz ergebe sich die Zulässigkeit einer Abschiebung des BF nach Afghanistan. Die Frist für die freiwillige Ausreise von 14 Tagen ergebe sich aus § 55 FPG, da besondere Umstände, die der BF bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen habe, nicht gegeben seien.

In den Länderfeststellungen wurde zur Herkunftsprovinz des BF Ghazni Folgendes angeführt (Auszug aus dem Bescheid, Schreibfehler im Original):

"Ghazni ist eine der wichtigsten zentralen Provinzen in Afghanistan und laut dem afghanischen Statistikbüro (CSO) die mit der zweithöchsten Bevölkerung. Ghazni liegt 145 km südlich von Kabul Stadt an der Autobahn Kabul-Kandahar. Die Provinzen (Maidan) Wardak und Bamyan liegen im Norden, während die Provinzen Paktia, Paktyka und Logar im Osten niegen. Zabul liegt zwar südlich, grenzt aber gemeinsam mit Uruzgan an den Westen der Provinz. Die Provinz ist in achtzehn Distrikte unterteilt: der Hauptstadt Ghazni, Andar, Muqur, Qara Bagh, Gilan, Waghiz, Giro, Deh Yak, Nawar, Jaghori, Malistan, Rashidan, Ab Band, Khugiani, Nawa, Jaghato, Zankhan, Ajeristan and Khwaja Omari (Pajhwok o.D.a).

Ghazni zählt zu den volatilen Provinzen im Südosten Afghanistans, wo regierungsfeindliche aufständische Gruppen in den verschiedenen Distrikten aktiv sind und regelmäßig Aktionen durchführen (Khaama Press 14.9.2014; vgl. Khaama Press 3.9.2014). Die regierungsfeindlichen Aufständischen zielen normalerweise auf Regierungsbeamte und -mitarbeiterInnen ab, die auf der Kabul-Kandahar Hauptautobahn unterwegs sind (Khaama Press 3.9.2014). In der Provinz werden Antiterror-Operationen durchgeführt, um gewisse Gegenden von Terroristen zu befreien (Khaama Press 28.10.2014; vgl. Khaama Press 20.10.2014; Peninsula 16.10.2014; Paninsula 30.9.2014).

Um die Sicherheit am Wahltag zu gewährleisten, lag in der südöstlichen Provinz Ghazni die Zahl der eingesetzten Sicherheitsleute bei rund 9.000. Es wurde mitgeteilt, dass die Wahlbeteiligung hoch war und dass bei manchen Wahllokalen 80% der Wähler Frauen waren (Tolo News 6.4.2014).

Im Jahresvergleich 2011 und 2013, ist die relativ hohe Zahl der regierungsfeindlichen Angriffe um 1% gestiegen. Im Jahr 2013 wurden

1.701 Vorfälle registriert (Vertrauliche Quelle 1.2014).

Zum Fluchtvorbringen wurde Folgendes ausgeführt (Auszug aus dem Bescheid, Schreibfehler im Original):

"Zum Fluchtgrund befragt, gaben Sie im Wesentlichen an, dass Sie Afghanistan bereits im Kindesalter mit ihren Eltern verlassen haben, weil ihr Vater Grundstücksstreitigkeiten hatte. Der Sachverhalt wurde vage geschildert und beschränkte sich auf Gemeinplätze. Sie waren nicht in der Lage konkrete und detaillierte Angaben über etwaige Erlebnisse zu machen, was Sie auf ihr damaliges Alter zurückführen.

Ein Indiz für ihre persönliche Unglaubwürdigkeit zeigt der Umstand, dass es zwischen ihrer Erstbefragung und ihrer Einvernahme in Graz zu Widersprüchen gekommen ist. So haben Sie bei ihrer Erstbefragung angegeben, dass Sie bereits 1995 Afghanistan verlassen hätten und dass ihre Eltern im Jahr 2012 verstorben wären. In Graz haben Sie vorgebracht, dass Sie mit ihrer Familie im Jahr 1998 Afghanistan verlassen hätten und ihre Eltern wären noch am Leben. Sie konnten diese Widersprüche nicht plausibel darlegen.

Soweit ihr Bruder im Telefongespräch vom 11.03.2015 ihr Fluchtvorbringen bestätigt, Sie aber als Ali Hassan ZADA anspricht, geht das BFA davon aus, dass es sich hiebei um eine Gefälligkeitsaussage handelt und sie ihre Angaben nicht im Detail abgesprochen haben.

Aufgrund ihrer Angaben, speziell in Traiskirchen (Seiten 4, 5 und 6), geht das BFA davon aus, dass Sie wegen rein wirtschaftlicher Gründe ihre Heimat verlassen haben und nach Europa ausgewandert sind. Dafür sprechen auch die auf ihrem Handy abgespeicherten Telefonnummern (siehe Beilage) aus verschiedenen europäischen Ländern und untermauern auch, dass Sie sehr gut in Europa vernetzt sind.

Aufgrund ihrer Angaben und der aufliegenden Länderinformationsblätter kann festgestellt werden, dass die Lage in Afghanistan brisant, sich jedoch keinesfalls so darstellen lässt, dass ein halbwegs normales Leben überall in Afghanistan nicht möglich wäre.

Sofern Ihnen eine ungehinderte Rückkehr nach Ghazni nicht möglich sein sollte, steht es ihnen frei sich in Kabul oder einer anderen größeren Stadt niederzulassen."

Subsidiärer Schutz wurde dem BF nicht zuerkannt, da keine individuellen Umstände vorliegen würden, die dafür sprächen, dass der BF im Falle einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat in eine derart extreme Notlage gelange, die eine unmenschliche Behandlung im Sinne des Art. 2 oder 3 EMRK darstellen könnte.

Für das Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht (in der Folge BVwG) wurde dem BF mit Verfahrensanordnung gemäß § 63 Abs. 2 AVG die ARGE-Rechtsberatung Diakonie und Volkshilfe gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG amtswegig als Rechtsberater zur Seite gestellt.

1.5. Gegen diesen Bescheid richtete sich das durch die damalige gewillkürte Vertreterin mit Schreiben vom 14.04.2015 fristgerecht eingebrachte Rechtsmittel der Beschwerde, mit dem der Bescheid vollinhaltlich angefochten wurde.

Der BF beantragte sinngemäß,

* den Bescheid zu beheben und ihm Asyl zu gewähren,

* in eventu den Bescheid aufzuheben und an das BFA zurückzuverweisen,

* in eventu ihm allenfalls subsidiären Schutz zu gewähren,

* in eventu festzustellen, dass die Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig sei,

* eine mündliche Verhandlung durchzuführen.

In der Beschwerdebegründung wiederholte der BF im Wesentlichen sein Fluchtvorbringen und kritisierte unter Anführung verschiedener Berichte die Länderfeststellungen des BFA betreffend die Sicherheitslage in Afghanistan und in seiner Heimatprovinz Ghazni.

Ferner versuchte der BF, im Bescheid aufgezeigte Unplausibilitäten aufzuklären. So hätte das BFA argumentiert, dass sein Vorbringen vage und allgemein sei, allerdings wäre er zum Zeitpunkt der Flucht aus Afghanistan erst elf Jahre alt gewesen und hätte die Probleme nur vom Hörensagen erfahren. Dass es sich bei den Aussagen des Bruders um Gefälligkeitsangaben handle, sei ebenfalls nicht nachvollziehbar, da der Bruder ja nicht wissen hätte können, dass er an dem fraglichen Tag einen Anruf bekommen würde. Auch lasse sich aus dem Umstand, dass der BF Telefonnummern aus verschiedenen europäischen Ländern auf seinem Handy habe, nicht ableiten, dass er aus wirtschaftlichen Gründen geflohen sei. Er hätte in Griechenland viele andere Flüchtlinge kennengelernt, die später in verschiedene europäische Länder weitergereist seien und zu denen er den Kontakt aufrechterhalte. Abschließend verwies der BF auf sein mangelndes soziales Netz in Afghanistan.

1.6. Mit Beschluss vom 10.06.2015, Zahl W191 2106225-1/4E, behob das BVwG in Erledigung der Beschwerde den angefochtenen (ersten) Bescheid des BFA gemäß § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG und verwies die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an das BFA zurück. Die Revision gegen diesen Beschluss wurde gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig erklärt.

In der Beschlussbegründung führte das BVwG unter anderem aus:

"[...]

2. Rechtliche Beurteilung und Beweiswürdigung:

[...]

2.2.3. Im vorliegenden Fall war es die Aufgabe der belangten Behörde zu klären, ob der BF zum einen eine asylrelevante Verfolgung glaubhaft machen konnte, und zum anderen, ob darüber hinaus menschen- bzw. asylrechtliche Gründe einer Rücküberstellung bzw. Ausweisung in seinen Herkunftsstaat entgegenstehen würden und ihm der Status als subsidiär Schutzberechtigter zu gewähren wäre.

Mag auch die belangte Behörde bezüglich der Frage der asylrelevanten Verfolgung (Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides) zutreffenderweise ausgeführt haben, dass der BF sein Fluchtvorbringen teilweise unstimmig angegeben hat - so kam es zu Abweichungen bezüglich der Familienverhältnisse und der Ausreise aus Afghanistan zwischen Erstbefragung und Einvernahme -, so ist aber doch festzustellen, dass die vom BFA aufgezeigten Widersprüche und Unplausibilitäten für sich alleine nicht hinreichen, seinem Vorbringen die Glaubhaftigkeit ohne Zweifel abzusprechen.

So wird im Bescheid ausgeführt, dass der BF sein Vorbringen nur vage geschildert hätte und sich dabei auf Allgemeinplätze beschränkt hätte. Allerdings hätte hier das BFA bei der Beurteilung der Glaubwürdigkeit des BF berücksichtigen müssen, dass dieser beim Verlassen seiner Heimat erst ca. elf Jahre alt gewesen ist, weshalb es nachvollziehbar erscheint, dass er aufgrund seines damaligen jungen Alters und aufgrund des Umstandes, dass er vieles erst später von seinem Vater und somit vom Hörensagen erfahren haben will, nicht umfassendere und detailliertere Aussagen über etwaige Ereignisse tätigen kann.

Nicht ausreichend für die Annahme der Unglaubwürdigkeit des BF ist auch die Argumentation der Erstbehörde, dass es sich bei den Angaben des Bruders im Zuge eines Telefonats um reine Gefälligkeitsaussagen handeln würde und sich der BF mit seinem Angehörigen abgesprochen habe, zumal es sich hierbei um einen unangekündigten Anruf gehandelt hat und der Bruder somit keine Kenntnis davon hatte, an diesem Tag über den BF befragt zu werden.

Weiters kann die Folgerung des BFA, dass die angeblich gute Vernetzung des BF hier in Europa - so wurden auf seinem Handy Telefonnummern aus verschiedenen europäischen Ländern gefunden - ein Indiz für seine Ausreise aus rein wirtschaftlichen Gründen sei, nur wenig nachvollzogen werden. Hier erscheint die Rechtfertigung des BF in der Beschwerde, aufgrund seiner langen Aufenthaltszeit in Griechenland viele andere Flüchtlinge kennengelernt zu haben, die sich nunmehr in diversen europäischen Staaten aufhalten würden und zu denen er noch immer Kontakt unterhalte, durchaus plausibel und glaubwürdig.

Zusammengefasst ist festzuhalten, dass das BFA detaillierter und genauer erörtern hätte müssen, ob dem Vorbringen des BF, aufgrund eines Grundstücksstreites Afghanistan verlassen zu haben, asylrelevante Merkmale zu entnehmen sind, insbesondere in Zusammenhang mit der Frage, ob der Fluchtgrund aus Afghanistan an einem in der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) festgelegten Grund, nämlich die Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politische Gesinnung, anknüpft.

Somit ist festzustellen, dass es bezüglich Spruchpunkt I. im Zuge des Verfahrens zu keiner ausreichenden Auseinandersetzung mit dem Vorbringen des BF gekommen ist und mehrere Punkte ungeklärt geblieben sind.

Bezüglich der Frage der Gewährung von subsidiärem Schutz (Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides) ist nach der anzuwendenden Rechtslage und der dazu ergangenen Judikatur (sowohl des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte als auch der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts, des Asylgerichtshofes, des BVwG und der - zwar nicht immer einheitlichen, aber in der Linie jedenfalls übereinstimmenden - Judikatur der entsprechenden deutschen Gerichte) zusätzlich zu objektiven Kriterien (Lage im Land) das Vorliegen von subjektiven bzw. individuellen Kriterien (Situation des Antragstellers) für die Erlangung des Status als subsidiär Schutzberechtigter zu prüfen.

Bezüglich des BF war daher neben seinen persönlichen Umständen in Prüfung seiner Lebensumstände zu klären, woher er stammt, wo sich seine Familie nun aufhält, ob der BF daher über ein soziales Netzwerk in seinem Herkunftsland verfügt und wie die Lage in diesen Regionen aktuell ist, bzw. über seine diesbezüglichen Angaben hinreichend beweiswürdigend abzusprechen.

Im gegenständlichen Fall führte das BFA aus, dass für den BF ein halbwegs normales Leben überall in Afghanistan möglich sei und es ihm - sollte eine Rückkehr in seine Heimatprovinz Ghazni nicht möglich sein - frei stehe, sich in Kabul oder einer anderen größeren Stadt niederzulassen. Allerdings ist weder aus den Länderfeststellungen ersichtlich, inwieweit es für alleinstehende Rückkehrer in Kabul oder anderen afghanischen Großstädten Möglichkeiten gäbe, sich dort ohne jeglichen familiären Anschluss eine ausreichende Lebensgrundlage zu schaffen, noch tätigte das BFA nähere Ausführungen dazu, auf welche Weise der BF, der bereits im Alter von ca. elf Jahren Afghanistan verlassen hat und seither nicht mehr zurückgekehrt ist, dort ohne Kenntnisse der lokalen Gegebenheiten und ohne wirtschaftliche und soziale Unterstützung durch den Familienverband ein Auskommen finden sollte (wobei die vom BFA erwähnte mögliche Hilfestellung durch die Familie von Pakistan aus als nicht ausreichend gesichert angesehen werden kann).

Weiters wird in den Länderfeststellungen zur Provinz Ghazni - wo sich nach Angaben des BF zuletzt seine Familie aufgehalten hat - ausgeführt, dass Ghazni zu den volatilen Provinzen im Südosten Afghanistans zählt, wo regierungsfeindliche aufständische Gruppen in den verschiedenen Distrikten aktiv sind und regelmäßig Aktionen durchführen. Ferner ist im Jahresvergleich 2011 und 2013 die relativ hohe Zahl der regierungsfeindlichen Angriffe um 1% gestiegen, und es wurden im Jahr 2013 1.701 Vorfälle registriert.

Es erscheint somit nicht nachvollziehbar, wie das BFA, ausgehend von diesen Feststellungen, zum Ergebnis gelangt wäre, dass der BF unter diesen Umständen sicher nach Ghazni zurückkehren und dort leben könnte.

Die Ausführungen des BFA entsprechen nicht der vom Verfassungsgerichtshof (VfGH) geforderten Auseinandersetzung mit der Sicherheitslage in seiner Heimatprovinz, zumal diese (wie der Asylgerichtshof festgestellt habe) von Provinz zu Provinz variiere (siehe Erkenntnisse des VfGH 21.09.2012, U 883/12-15, VfGH 11.10.2012, U 677/12-17). Dieses Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidungswesentlichen Punkt führe dazu, dass der BF im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander verletzt werde.

Der Vollständigkeit halber wird auch angemerkt, dass in den Länderfeststellungen umfangreiche Ausführungen zur Sicherheitslage in allen Provinzen Afghanistans getätigt werden, was angesichts des Umstandes, dass für den BF nicht diese, sondern die Situation in seiner Heimatprovinz Ghazni von Bedeutung ist, als wenig zielführend angesehen werden muss.

2.2.4. Zusammengefasst ist festzustellen, dass das BFA in Bezug auf die Ermittlung der Sachlage sowohl bezüglich des Fluchtvorbringens als auch bezüglich der Frage des Refoulementschutzes nicht mit der ihr gebotenen Genauigkeit und Sorgfalt vorgegangen ist und die Sachlage nicht ausreichend erhoben bzw. sich (in der Bescheidbegründung) nur mangelhaft mit den Angaben des BF und den Beweisergebnissen auseinandergesetzt hat.

Der VwGH verlangt in seiner Rechtsprechung eine ganzheitliche Würdigung des individuellen Vorbringens eines Asylwerbers unter dem Gesichtspunkt der Konsistenz der Angaben, der persönlichen Glaubwürdigkeit des Asylwerbers und der objektiven Wahrscheinlichkeit seines Vorbringens, wobei letzteres eine Auseinandersetzung mit (aktuellen) Länderberichten verlangt (VwGH 26.11.2003, 2003/20/0389). Aufgrund des mangelhaften Ermittlungsverfahrens hat die belangte Behörde jedenfalls eine solche ganzheitliche Würdigung des individuellen Vorbringens nicht vorgenommen, da die belangte Behörde dieses offensichtlich nicht anhand der konkret entscheidungsrelevanten aktuellen Situation gewürdigt hat.

Aus Sicht des BVwG verstößt das Prozedere der belangten Behörde gegen die in § 18 Abs. 1 AsylG normierten Ermittlungspflichten. Die Asylbehörden haben in allen Stadien des Verfahrens von Amts wegen durch Fragestellung oder in anderer geeigneter Weise darauf hinzuwirken, dass die für die Entscheidung erheblichen Angaben gemacht oder lückenhafte Angaben über die zur Begründung des Antrages geltend gemachten Umstände vervollständigt, die Beweismittel für diese Angaben bezeichnet oder die angebotenen Beweismittel ergänzt und überhaupt alle Aufschlüsse gegeben werden, welche zur Begründung des Antrages notwendig erscheinen. Erforderlichenfalls sind Beweismittel auch von Amtswegen beizuschaffen. Diese Rechtsnorm, die eine Konkretisierung der aus § 37 AVG in Verbindung mit § 39 Abs. 2 leg. cit. hervorgehenden Verpflichtung der Verwaltungsbehörde, den maßgeblichen Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln und festzustellen ist, hat die Erstbehörde in diesem Verfahren missachtet.

Im gegenständlichen Fall ist der angefochtene Bescheid der belangten Behörde und das diesem zugrunde liegende Verfahren im Ergebnis so mangelhaft, dass die Zurückverweisung der Angelegenheit an die belangte Behörde zur Erlassung eines neuen Bescheides unvermeidlich erscheint. Weder erweist sich der Sachverhalt in Verbindung mit der Beschwerde als geklärt, noch ergibt sich aus den bisherigen Ermittlungen sonst zweifelfrei, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspräche. Im Gegenteil ist das Verfahren der belangten Behörde mit den oben dargestellten schweren Mängeln behaftet. Die Vornahme der angeführten Feststellungen und Erhebungen durch das BVwG selbst verbietet sich unter Berücksichtigung der oben dargestellten Ausführungen des VwGH und unter Effizienzgesichtspunkten, zumal diese grundsätzlich vom BFA durchzuführen sind.

2.2.5. Das BFA wird sich daher mit den Fluchtgründen des BF genauer auseinanderzusetzen und zu prüfen haben, ob im Falle einer Rückverbringung eine ernsthafte Bedrohung des Lebens des BF aufgrund seiner individuellen Situation ausgeschlossen werden kann.

[...]"

1.7. Das BFA, Regionaldirektion Steiermark, führte im fortgesetzten Verfahren am 19.05.2016 eine weitere Einvernahme des BF im Beisein eines Dolmetsch für die Sprache Dari und einer Vertrauensperson des BF durch, in der der BF kurz befragt wurde und dieser mit seinen bisher gemachten Aussagen im Wesentlichen gleichlautende Angaben machte.

Solche Feindschaften wie von ihm angegeben würden über Jahrzehnte hinausgehen. Söhne eines Mannes, der mit seinem Vater eine Feindschaft gehabt habe, würden nach ihm suchen.

Laut Niederschrift wurden mit dem BF "die Feststellungen des BFA sein Heimatland betreffend erörtert". Er gab dazu an, Afghanistan sei generell sehr gefährlich, er sei auch Hazara und Schiite und es sei für ihn gefährlich. Er werde von diesen Personen gesucht. Die Schiiten würden anders als die Sunniten beten.

Im Verfahren vor dem BFA wurden seitens des BF keine Beweismittel oder Belege für sein Vorbringen in Vorlage gebracht.

1.8. Nach Durchführung dieser Einvernahme erließ das BFA einen mit 16.06.2016 datierten Bescheid, Zahl 1000658304-14038849, mit dem der Antrag des BF auf internationalen Schutz erneut abgewiesen, eine Rückkehrentscheidung erlassen und seine Abschiebung nach Afghanistan für zulässig erklärt wurde.

Spruch und Inhalt dieses Bescheides waren in weiten Teilen gleichlautend mit dem vom BVwG mit Beschluss vom 10.06.2015 behobenen Bescheid vom 07.04.2015 (offensichtlich irrtümlich datiert mit 07.04.2014).

Insbesondere eine hinreichende Begründung für die Nichtgewährung von subsidiärem Schutz - im Sinne der mehrjährigen Judikaturlinie der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts - ist dem gegenständlich angefochtenen Bescheid erneut nicht zu entnehmen.

Für das Beschwerdeverfahren vor dem BVwG wurde dem BF mit Verfahrensanordnung gemäß § 63 Abs. 2 AVG erneut die ARGE-Rechtsberatung Diakonie und Volkshilfe gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG amtswegig als Rechtsberater zur Seite gestellt.

1.9. Gegen diesen Bescheid richtet sich das mit Schreiben seines ihn vertretenden Rechtsberaters vom 04.07.2016, eingelangt am 05.07.2016 (Poststempel nicht leserlich), fristgerecht eingebrachte Rechtsmittel der Beschwerde, mit dem der Bescheid gesamtinhaltlich wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und "Verletzung von Verfahrensvorschriften" angefochten wurde.

Der BF beantragte erneut sinngemäß, das BVwG möge

In der Beschwerdebegründung wurden in weitwendigen Ausführungen hauptsächlich Rechtsausführungen gemacht und aus diversen Berichten zur Lage in Afghanistan (zum Teil in englischer Sprache) zitiert. Neue Aspekte wurden nicht in das Verfahren eingebracht.

1.10. Die Beschwerde samt Verwaltungsakt langte am 07.07.2016 beim BVwG ein.

1.11. Vor dem BVwG wurde durch den erkennenden Richter in der gegenständlichen Rechtssache am 02.09.2016 eine öffentliche mündliche Verhandlung unter Beisein eines Dolmetsch für die Sprache Dari durchgeführt, zu der der BF persönlich in Begleitung seiner Vertreterin erschien. Die belangte Behörde entschuldigte ihr Fernbleiben. Die Verhandlungsschrift wurde der Erstbehörde übermittelt.

Dem BF wurden der bisherige Verfahrensgang und der Akteninhalt erläutert und zur Akteneinsicht angeboten.

Dabei gab der BF auf richterliche Befragung im Wesentlichen Folgendes an (Auszug aus der Verhandlungsschrift):

" [...]

RI [Richter]: Was ist Ihre Muttersprache?

BF: Dari. Ich spreche darüber hinaus Griechisch, Urdu, Englisch und etwas Deutsch.

RI an D [Dolmetsch]: In welcher Sprache übersetzen Sie für den BF?

D: Dari.

RI befragt BF, ob er D gut verstehe; dies wird bejaht.

Zur heutigen Situation:

RI: Fühlen Sie sich körperlich und geistig in der Lage, der heutigen Verhandlung zu folgen?

BF: Ja.

RI: Leiden Sie an chronischen oder akuten Krankheiten oder anderen Leiden oder Gebrechen?

BF: Ich hatte Nierensteine und wurde dreimal in Graz operiert. Ich befinde mich in ärztlicher Beobachtung und gehe alle sechs Monate zur Kontrolle.

[...]

RI: Haben Sie Ihren Rechtsberater ersucht, an der Verhandlung teilzunehmen?

BF: Ich habe meinen Rechtsberater zu meiner Vertretung bevollmächtigt, meine Vertreterin nimmt an der Verhandlung teil.

[...]

Der BF hat bisher keine Bescheinigungsmittel bezüglich seiner Identität oder seines Fluchtvorbringens vorgelegt und hat auch heute keine bei sich. Er legt folgende Belege zu seiner Integration in Österreich vor, die eingesehen und in Kopie zum Akt genommen werden:

RI: Sind die von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen zu Ihrem Namen und Geburtsdatum sowie zu Ihrer Staatsangehörigkeit korrekt?

BF: Ja.

RI: Welcher ethnischen Gruppe bzw. Volks- oder Sprachgruppe gehören Sie an?

BF: Ich bin Hazara.

RI: Gehören Sie einer Religionsgemeinschaft an, und wenn ja, welcher?

BF: Schiitischer Moslem.

RI: Sind Sie verheiratet, oder leben Sie in einer eingetragenen Partnerschaft oder sonst in einer dauernden Lebensgemeinschaft?

BF: Ich bin ledig.

RI: Sind Sie verlobt, oder beabsichtigen Sie, in nächster Zeit zu heiraten?

BF: Nein.

RI: Haben Sie Kinder?

BF: Nein.

RI: Haben Sie in Ihrem Herkunftsstaat eine Schul- oder Berufsausbildung absolviert?

BF: Ich bin vier Jahre in Afghanistan in die Schule gegangen und habe sonst meinem Vater in der Landwirtschaft geholfen. Ich war zwischen elf und 14 Jahre alt, als wir nach Pakistan gegangen sind. In Pakistan habe ich als Bäcker und Verkäufer gearbeitet. Ich war ca. fünf Jahre in Griechenland aufhältig. Die ersten drei Jahre habe ich in einem Restaurant als Küchenhilfe gearbeitet und die letzten beiden Jahre als Hausmeister in einem Hotel.

RI: Wann haben Sie dann Pakistan verlassen?

BF: Es war im ersten oder zweiten Monat des Jahres 2007, als ich Pakistan in Richtung Europa verlassen habe.

Zur derzeitigen Situation in Österreich:

RI: Haben Sie in Österreich lebende Familienangehörige oder Verwandte?

BF: Ja. Ein Onkel väterlicherseits von mir lebt seit ca. 30 bis 35 Jahren in Deutschland. Meine Cousine XXXX, ca. 36 bis 37 Jahre alt, ist seit ca. sieben bis acht Jahren in Österreich, lebt hier mit ihrem Ehemann und drei Kindern und ist inzwischen schon österreichische Staatsbürgerin.

RI ersucht D, die folgenden Fragen nicht zu übersetzen. RI stellt diverse Fragen.

RI stellt fest, dass der BF die zuletzt gestellten und nicht übersetzten Fragen verstanden und halbwegs auf Deutsch beantwortet hat.

RI: Haben Sie Arbeit in Österreich? Gehen Sie einer regelmäßigen Beschäftigung nach?

BF: Neben dem Besuch meines Deutschkurses arbeite ich freiwillig in einem türkischen Laden, um mit anderen Menschen in Kontakt zu treten, damit ich die deutsche Sprache lerne. Außerdem möchte ich Arbeitserfahrung sammeln und mich anschließend entscheiden, ob ich dem Beruf des Verkäufers oder einem Beruf in einer Küche nachgehen möchte.

RI: Besuchen Sie in Österreich bestimmte Kurse oder eine Schule, oder sind Sie aktives Mitglied in einem Verein? Gehen Sie sportlichen oder kulturellen Aktivitäten nach?

BF: Ich würde gerne ins Fitnessstudio gehen, aber mein Arzt hat mir empfohlen, nach der Operation einige Zeit keinen sportlichen Aktivitäten nachzugehen.

RI: Unterhalten Sie von Österreich aus noch Bindungen an Ihren Herkunftsstaat, insbesondere Kontakte zu dort lebenden Familienangehörigen, Verwandten, Freunden oder zu sonstigen Personen? Wenn ja, wie sieht dieser Kontakt konkret aus (telefonisch, brieflich, per E-Mail), bzw. wie regelmäßig ist dieser Kontakt?

BF: Nein, ich habe dort niemanden.

RI: Wo sind Ihre Brüder?

BF: Meine Familie lebt in Pakistan, Quetta.

Zu den Fluchtgründen und zur Situation im Fall der Rückkehr in den Herkunftsstaat:

RI: Sie wurden bereits im Verfahren vor dem Bundesasylamt zu den Gründen, warum Sie Ihren Herkunftsstaat verlassen haben bzw. warum Sie nicht mehr in Ihren Herkunftsstaat zurückkehren können (Fluchtgründe), einvernommen. Die diesbezüglichen Niederschriften liegen im Akt ein. Können Sie Ihre Fluchtgründe kurz zusammengefasst noch einmal wiederholen?

BF: Meine Familie ist damals wegen Grundstückstreitigkeiten aus Afghanistan geflüchtet. Ich war damals zu klein, um das zu verstehen. Außerdem habe ich in diesem Zusammenhang keine Fragen gestellt und weiß daher nicht viel darüber. In Pakistan konnte ich nicht leben, weil die Hazara dort verfolgt werden, sie werden aus den Autos mitgenommen und getötet. Das ist der Grund, warum ich aus Pakistan geflüchtet bin.

RI: Ihre Brüder können dort weiterleben?

BF: Sie können nirgendwo hingehen, sie sind zu Hause gefangen.

RI: Haben Sie Verwandte in Kabul?

BF: Nein, ich habe niemanden in Kabul.

Der RI bringt die der Verhandlungsschrift beiliegenden, unter Berücksichtigung des Vorbringens des BF für ihn relevanten Feststellungen und Berichte über die Sicherheitslage im Herkunftsstaat und insbesondere in der Provinz Ghazni sowie betreffend die Volksgruppe der Hazara in das gegenständliche Verfahren ein (Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 21.01.2016, zuletzt aktualisiert am 29.07.2016). Der RI erklärt die Bedeutung und das Zustandekommen dieser Berichte. Im Anschluss daran legt der RI die für die Entscheidung wesentlichen Inhalte dieser Feststellungen zur allgemeinen Lage im Herkunftsstaat dar.

Der BFV [Vertreterin des BF] werden diese Berichte in Kopie ausgefolgt, sie gibt dazu an, dass insbesondere Hazara, die aus Afghanistan nach Pakistan gegangen sind, bei einer allfälligen Rückkehr nach Afghanistan sofort auch wegen ihres Akzents erkannt und besonders verfolgt werden.

RI gibt BFV die Möglichkeit, zu den bisherigen Angaben der Parteien eine mündliche Stellungnahme abzugeben oder Fragen zu stellen, worauf sie verzichtet.

RI befragt BF, ob er noch etwas Ergänzendes vorbringen will.

BF: Ich bin sehr glücklich, dass ich hier in Österreich lebe. Ich möchte hier ein ordentliches Leben führen. Ich möchte einen Beruf erlernen und arbeiten. Ich bin nicht nach Österreich gekommen, um vom Sozialgeld zu leben.

RI befragt BF, ob er D gut verstanden habe; dies wird bejaht.

[...].

Das BFA beantragte schriftlich die Abweisung der gegenständlichen Beschwerde.

2. Beweisaufnahme:

Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhaltes wurde im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweis erhoben durch:

* Einsicht in den dem BVwG vorliegenden Verwaltungsakt des BFA, beinhaltend die Niederschriften der Erstbefragung am 20.01.2014 und der Einvernahmen vor dem BFA am 11.03.2015 und im fortgesetzten Verfahren am 19.95.2016 sowie die - gegenständliche - Beschwerde vom 04.07.2016

* Einsicht in Dokumentationsquellen betreffend den Herkunftsstaat des BF im erstbehördlichen Verfahren (Aktenseiten 234 bis 253)

* Einvernahme des BF im Rahmen der öffentlichen mündlichen Verhandlung vor dem BVwG am 02.09.2016 sowie Einsichtnahme in die von ihm in der Verhandlung vorgelegten Belege betreffend seine Integration in Österreich (Kursbestätigungen)

* Einsichtnahme in die vom erkennenden Gericht in der öffentlichen mündlichen Verhandlung zusätzlich in das Verfahren eingebrachten Erkenntnisquellen zum Herkunftsstaat des BF (Feststellungen und Berichte über die Sicherheitslage im Herkunftsstaat und insbesondere in der Provinz Ghazni sowie betreffend die Volksgruppe der Hazara, Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 21.01.2016, zuletzt aktualisiert am 29.07.2016).

Der BF hat keinerlei Beweismittel oder sonstige Belege für sein Fluchtvorbringen vorgelegt.

3. Ermittlungsergebnis (Sachverhaltsfeststellungen):

Die nachfolgenden Feststellungen gründen sich auf die unter Punkt 2. erwähnten Beweismittel.

3.1. Zur Person des BF:

3.1.1. Der BF führt den Namen XXXX, geboren am XXXX, ist Staatsangehöriger der Islamischen Republik Afghanistan, Angehöriger der Volksgruppe der Hazara und bekennt sich zur schiitischen Glaubensrichtung des Islam. Die Muttersprache des BF ist Dari.

Das Zulassungsverfahren hat keine Zuständigkeit eines anderen Dublinstaates für das Asylverfahren des BF ergeben.

3.1.2. Der BF ist nach eigenen Angaben in seinem Herkunftsstaat nicht vorbestraft. Er war nicht politisch aktiv und hatte auch sonst keine über das Antragsvorbringen hinausgehenden Probleme in seinem Herkunftsstaat.

3.1.3. Der BF hat mit seinem Vorbringen, im Alter von zehn oder elf Jahren gemeinsam mit seinen Eltern und seiner Familie wegen Grundstücksstreitigkeiten Afghanistan verlassen zu haben, sowie auch mit seinem Vorbringen, aus wirtschaftlichen Gründen sowie wegen der Verfolgung von Hazara in Pakistan im Jahr 2007 nach Griechenland gereist zu sein und seither dort gearbeitet und seine in Pakistan lebenden Eltern unterstützt zu haben, ein asylrelevantes Vorbringen nicht glaubhaft gemacht. Es konnte von ihm auch nicht glaubhaft vermittelt werden, dass er im Falle der Rückkehr in den Herkunftsstaat einer Verfolgung aus asylrelevanten Gründen ausgesetzt wäre.

3.1.4. Der BF hat glaubhaft gemacht, dass ihm im Falle seiner Verbringung in den Herkunftsstaat aufgrund seiner individuellen Situation (Lebensumstände, Familiensituation, mangelndes soziales Netz im Herkunftsstaat, Gesundheit) im Zusammenhang mit der Lage in seiner Herkunftsregion ein reales Risiko einer Verletzung der Art. 2 oder 3 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958 (in der Folge EMRK), droht.

Dem BF steht eine zumutbare innerstaatliche Flucht- bzw. Schutzalternative nicht zur Verfügung.

3.2. Zur Lage im Herkunftsstaat des BF:

3.2.1. Aufgrund der in der mündlichen Verhandlung vom BVwG in das Verfahren zusätzlich eingebrachten aktuellen Erkenntnisquellen werden folgende entscheidungsrelevante Feststellungen zum Herkunftsstaat des BF getroffen:

Die im angefochtenen Bescheid getroffenen und in Punkt 2. dieses Erkenntnisses angeführten Feststellungen zur Lage in Afghanistan decken sich mit dem Amtswissen des BVwG und werden gemeinsam mit den aktuellen, oben unter Punkt 2. angeführten Feststellungen, die in der mündlichen Verhandlung am 02.09.2016 den Parteien zur Kenntnis gebracht wurden, im Folgenden diesem Erkenntnis zugrunde gelegt.

3.2.2. Das BVwG trifft folgende entscheidungsrelevante Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat (Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 21.01.2016, in der Fassung vom 29.07.2016):

Verfassung:

Nach dem Sturz des Taliban-Regimes im Jahr 2001 wurde eine neue Verfassung erarbeitet, die schließlich im Januar 2004 ratifiziert wurde (IDEA o.D.) und auf der Verfassung aus dem Jahr 1964 basiert. Bei Ratifizierung sah diese Verfassung vor, dass kein Gesetz gegen die Grundsätze und Bestimmungen des Islam verstoßen darf und dass alle Bürger Afghanistans, Mann und Frau, gleiche Rechte und Pflichten vor dem Gesetz haben (BFA Staatendokumentation 3.2014; vgl. Max Planck Institute 27.01.2004).

Afghanistans Präsident und CEO:

Am 29.09.2014 wurde Ashraf Ghani als Präsident Afghanistans vereidigt (CRS 12.01.2015). Nach monatelangem Streit hatten sich Ghani und Abdullah auf eine gemeinsame Einheitsregierung geeinigt. Das Abkommen sieht vor, dass für den Zweitplatzierten bei der Wahl der Posten eines bislang nicht vorgesehenen Ministerpräsidenten geschaffen wird (FAZ 15.06.2014). Abdullah, der Verlierer der Präsidentschaftswahl, bekam den Posten des Geschäftsführers der Regierung bzw. "Chief Executive Officer" (CEO) der Regierung (CRS 12.01.2015). Diese per Präsidialdekret eingeführte Position weist Ähnlichkeiten mit der Position eines Premierministers auf (AA 8.2015). Der CEO fungiert quasi als Premierminister, auch wenn eine Verfassungsänderung zur formalen Schaffung des Postens des Premierministers noch ausständig ist (CRS 12.01.2015).

Regierungsbildung:

Obwohl Ghani ursprünglich versprochen hatte, 45 Tage nach seiner Vereidigung eine Regierung zu präsentieren, zeichnete sich bald ab, dass dieses Versprechen nicht eingehalten werden kann, da für die Regierungsbildung in Afghanistan für die Kabinettsposten die Koalitionspartner aus Ghanis und Abdullahs Lager gleichermaßen berücksichtigt werden müssen. Eine Regierung muss die starken regionalen und ethnischen sowie Stammesbindungen und -befindlichkeiten berücksichtigen, soll sie im ganzen Land akzeptiert sein. Ferner beabsichtigte Ghani, die Ministerien nur Personen mit Fachkenntnissen anzuvertrauen und keine bisherigen Minister oder Parlamentarier ins Kabinett aufzunehmen, um so die Voraussetzungen für einen kompetenten Neuanfang zu schaffen. Doch wird die Übung unter solchen Prämissen zusätzlich erschwert. Ghanis Kabinettsliste war in Afghanistan mit Erleichterung aufgenommen worden, weil das Land endlich eine handlungsfähige Regierung braucht. Zwar fragten sich Beobachter wie das Afghanistan Analysts Network einerseits, inwieweit eine junge und recht unerfahrene Regierung den Herausforderungen gewachsen sei. Anderseits wurde Ghanis Festhalten am Versprechen, keine politischen Schwergewichte der Vergangenheit in die Regierung aufzunehmen, durchaus anerkennend kommentiert (NZZ 22.01.2015).

Parlament und Parlamentswahlen:

Die afghanische Nationalversammlung, Shuraye Melli, basiert auf einem Zweikammersystem, das sich in ein Unterhaus, Wolesi Jirga, und ein Oberhaus, Meshrano Jirga, auch Ältestenrat oder Senat genannt, gliedert. Das Unterhaus setzt sich aus 249 Sitzen zusammen, die sich proportional zur Bevölkerungszahl auf die 34 Provinzen verteilen. Verfassungsgemäß sind für Frauen 68 Sitze und für die Minderheit der Kuchi 10 Sitze im Unterhaus reserviert (USDOS 25.06.2015; vgl. CRS 15.10.2015 und CRS 12.01.2015).

Das Oberhaus setzt sich aus 102 Sitzen zusammen. Zwei Drittel von diesen werden von den gewählten Provinzräten vergeben. Ein Drittel der Sitze, wovon wiederum 50% mit Frauen besetzt werden müssen, vergibt der Präsident selbst, (CRS 12.01.2015; vgl. CRS 15.10.2015). Zwei der vom Präsidenten zu vergebenden Sitze sind verfassungsgemäß für die Kutschi-Minderheit und zwei weitere für Behinderte bestimmt. Die verfassungsmäßig vorgegebenen Quoten gewährleisten einen Frauenanteil von 25% im Parlament und über 30% in den Provinzräten. Ein Sitz im Oberhaus ist für die Ernennung eines Sikh- oder Hindu-Repräsentanten reserviert (USDOS 25.06.2015).

Eine der wesentlichen Neuerungen, welche die Parlamentswahlen 2005 und 2010 betrafen, war die "single non-transferable vote (SNTV)"-Regelung. Jedem Wahlkreis ist, proportional zur Bevölkerungszahl, mehr als ein Sitz im Parlament zugeteilt. Die Wähler des Wahlkreises können jeweils eine Stimme abgeben. Die Sitze des Wahlkreises gehen an die Kandidaten des Kreises in der Reihenfolge der Anzahl der von ihnen gewonnenen Stimmen. Dieses System ist weltweit sehr selten (UNAMA o.D.; vgl. NDI 2011; vgl. CRS 15.10.2015). Durch das System treten die Kandidaten individuell gegeneinander an und erlangen die Sitze nicht über Parteilisten (CRS 15.10.2015).

Die Rolle des Zweikammern-Parlaments (Unterhaus "Wolesi Jirga", Oberhaus "Meshrano Jirga") bleibt trotz wachsenden Selbstbewusstseins der Parlamentarier begrenzt. Zwar beweisen die Abgeordneten mit der kritischen Anhörung und auch Abänderung von Gesetzentwürfen in teils wichtigen Punkten, dass das Parlament grundsätzlich funktionsfähig ist. Generell leidet die Legislative aber nicht nur unter ihrer schwachen Rolle im Präsidialsystem, sondern auch unter dem unterentwickelten Parteiensystem und mangelnder Rechenschaft der Parlamentarier gegenüber ihren Wählern (AA 06.11.2015).

Parteien:

Die afghanische Parteienlandschaft ist wenig entwickelt und mit über 50 registrierten Parteien stark zersplittert. Die meisten dieser Gruppierungen erscheinen jedoch mehr als Machtvehikel ihrer Führungsfiguren denn als politisch-programmatisch gefestigte Parteien. Ethnischer Proporz, persönliche Beziehungen und ad hoc geformte Koalitionen genießen in der Regel mehr Einfluss als politische Organisationen. Die Schwäche des Parteiensystems ist auch auf das Fehlen eines Parteienfinanzierungsgesetzes zurückzuführen sowie auf das Wahlsystem (Direktwahl mit einfacher, nicht übertragbarer Stimme). Reformversuche sind im Gange, werden aber durch die unterschiedlichen Interessenlagen der verschiedenen politischen Lager immer wieder gestört (AA 06.11.2015).

Oppositionsbewegungen und Parteien - ganz gleich ob Kommunisten oder rechtsreligiös - wurden gezwungen, entweder unterzutauchen oder ins Exil zu gehen. Unter einer neuen und formellen Verfassung haben sich seit 2001 früher islamistisch-militärische Fraktionen, kommunistische Organisationen, ethno-nationalistische Gruppen und zivilgesellschaftliche Gruppen zu politischen Parteien gewandelt. Sie repräsentieren einen vielgestaltigen Querschnitt der politischen Landschaft und haben sich in den letzten Jahren zu Institutionen entwickelt. Keine von ihnen ist eine Organisation politischen Glaubens oder Mobilmacher von Wähler/innen, wie es Parteien in reiferen Demokratien sind. Der Terminus Partei umfasst gegenwärtig eine Reihe von Organisationen mit sehr unterschiedlichen organisatorischen und politischen Hintergründen. Trotzdem existieren Ähnlichkeiten in ihrer Arbeitsweise. Einer Anzahl von ihnen war es möglich, die Exekutive und Legislative der Regierung zu beeinflussen, aber nicht immer durch Wahlerfolge (USIP 3.2015).

Die Machtstrukturen in Afghanistan sind vielschichtig und verwoben. Eignung, Befähigung und Leistung spielen oftmals eine untergeordnete Rolle bei der Verteilung politischer bzw. administrativer Ämter. Die Entscheidungen über viele Personalien, auch in entlegenen Provinzen, werden von der Zentralregierung in Kabul, häufig sogar vom Präsidenten getroffen. Im Vielvölkerstaat Afghanistan spielen informelle Beziehungsnetzwerke und der Proporz der Ethnien eine wesentliche Rolle. Die Machtverteilung wird national und auch lokal so austariert, dass die Loyalität einzelner Persönlichkeiten und Gruppierungen gesichert erscheint. Handeln lokale Machthaber entgegen der Regierungspolitik, bleiben Sanktionen allerdings häufig aus. Politische Allianzen werden in der Regel nach pragmatischen Gesichtspunkten geschmiedet. Dadurch kommt es, für Außenstehende immer wieder überraschend, zu Koalitionswechseln und dem Herauslösen von Einzelpersonen aus bestehenden politischen Verbindungen, unabhängig von Parteistrukturen (AA 06.11.2015).

Im Jahr 2009 wurde ein neues Parteiengesetz eingeführt, welches eine Neuregistrierung aller Parteien verlangte und ferner zum Ziel hatte, ihre Zahl zu reduzieren. Anstatt wie bisher die Unterschrift von 700 Mitgliedern vorzuweisen, mussten sie nun 10.000 Unterschriften aus allen Provinzen einbringen. Diese Bedingung reduzierte tatsächlich die Zahl der offiziell registrierten Parteien von mehr als 100 auf 63, trug aber scheinbar nur wenig zur Konsolidierung von Parteiunterstützungsbasen oder institutionalisieren Parteipraktiken bei (USIP 3.2015).

Friedens- und Versöhnungsprozess:

Der afghanische Friedens- und Versöhnungsprozess ist nach einem ersten direkten und öffentlichen Treffen zwischen Regierung und Taliban in diesem Jahr wieder ins Stocken geraten. Die von der RNE sofort nach Amtsantritt konsequent auf den Weg gebrachte Annäherung an Pakistan stagniert, seit die afghanische Regierung Pakistan der Mitwirkung an mehreren schweren Sicherheitsvorfällen in Afghanistan beschuldigte. Im Juli 2015 kam es erstmals zu direkten Vorgesprächen zwischen der afghanischen Regierung und den Taliban über einen Friedensprozess, die aber nach der Enthüllung des jahrelang verschleierten Todes des Taliban-Führers Mullah Omar bereits nach der ersten Runde wieder eingestellt wurden. Beide Seiten haben sich aber grundsätzlich weiter zu Verhandlungen bereit erklärt. Die Reintegration versöhnungswilliger Insurgenten bleibt weiter hinter den Erwartungen zurück, auch wenn bis heute angeblich ca. 10.000 ehemalige Taliban über das "Afghanistan Peace and Reintegration Program" in die Gesellschaft reintegriert wurden (AA 06.11.2015).

Sicherheitslage:

Im Zeitraum 01.08.-31.10.2015 verzeichnete die UNO landesweit 6.601 sicherheitsrelevante Vorfälle. Diese Vorfälle beziehen sich auf Arbeit, Mobilität und Sicherheit von zivilen Akteuren in Afghanistan. Dies bedeutet eine Steigerung von 19% zum Vergleichszeitraum des Jahres 2014. 62% dieser Vorfälle fanden in den südlichen, südöstlichen und östlichen Regionen statt. Im Berichtszeitraum gelang es den Taliban, neben Kunduz City weitere 16 Distriktzentren einzunehmen. Deren Großteil befindet sich im Norden (Badakhshan, Baghlan, Faryab, Kunduz, Sar-e Pul und Takhar), im Westen (Faryab) und im Süden (Helmand und Kandahar) des Landes. Den afghanischen Sicherheitskräften war es jedoch möglich, bis Ende Oktober 13 Distriktzentren wieder zurückzuerobern (UN GASC 10.12.2015).

Im Zeitraum 01.06.-31.07.2015 registrierte die UNO landesweit 6.096 sicherheitsrelevante Vorfälle, ein Rückgang von 4,6% zum Vergleichszeitraum des Vorjahres. Die geographische Reichweite des Konfliktes fokussierte sich hauptsächlich auf die nord-östlichen Regionen rund um Kunduz, Badakhshan und Badghis, im Nordwesten auf die Provinz Faryab und im Südosten auf Nangarhar und im Süden auf Helmand. Der Großteil der Vorfälle wurde in den südlichen und östlichen Teilen des Landes registriert. In Kandahar, Nangarhar, Ghazni, Helmand und Kunar wurden 44.5% aller sicherheitsrelevanten Vorfälle des Berichtszeitraumes registriert (UN GASC 01.09.2015).

Einige Experten haben auf Leistungsverbesserungen der afghanischen Sicherheitskräfte hingewiesen (SCR 9.2015). Ein erhöhtes Operationstempo hat zu einer signifikant höheren Opferzahl unter den afghanischen Sicherheitskräften geführt (+27% im Zeitraum von 01.01.-15.11.2015 im Vergleich zu 2014) (USDOD 12.2015). Ähnliche Zahlen nennt WP, mit 7.000 getöteten und 12.000 verletzten Mitgliedern der afghanischen Sicherheitskräfte (+26% zum Jahr 2014). Im gesamten Jahr 2014 wurde hingegen von 5.000 getöteten afghanischen Polizisten und Soldaten berichtet (SCR 9.2015). Zudem haben die Taliban ihre Angriffe auf Sicherheitskräfte seit Beginn ihrer jährlichen Frühjahrsoffensive im April 2015 erhöht (BBC 29.06.2015).

Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, größere Transitrouten, Provinzhauptstädte und fast alle Distriktzentren. Die afghanischen Sicherheitskräfte sind im Allgemeinen fähig, die größeren Bevölkerungszentren effektiv zu beschützen, bzw. verwehren es den Taliban, für einen längeren Zeitraum Einfluss in einem Gebiet zu halten. Gleichzeitig haben die Taliban bewiesen, dass sie ländliche Gegenden einnehmen, Schlüsselgebiete bedrohen (z.B. in Helmand) und gleichzeitig high-profile Angriffe in Kabul durchführen können (USDOD 12.2015). Laut Angaben der afghanischen Regierung kontrollieren die Taliban nur vier der mehr als 400 Bezirke landesweit, aber es ist bekannt, dass diese Zahl stark untertrieben ist. Die afghanische Regierung hat außerdem oftmals nur Kontrolle über die Distriktzentren, aber nicht über die ländlichen Gebiete (The Long War Journal 22.09.2015).

Es gab Vorschläge zur Gründung regierungsfreundlicher Milizen - sogenannter lokaler Verteidigungskräfte -, um die afghanischen Sicherheitskräfte zu unterstützen. Diese existieren angeblich bereits in einer Anzahl von Provinzen (UNGASC 10.12.2015).

Es gibt drei Gründe für das Wiederaufleben der Taliban: Erstens das Ende der US-amerikanischen und NATO-Mission Ende 2014 sowie der Abzug der ausländischen Kräfte aus Afghanistan haben den militärischen Druck auf die Taliban verringert. Krisen in anderen Teilen der Welt (Syrien, Irak und Ukraine) nährten bei den Taliban die Hoffnungen auf ein Desinteresse der internationalen Gemeinschaft. Wenn Taliban militärische Stützpunkte, Distriktzentren und Check-Points Afghanistans überrennen, erbeuten sie jedes Mal Waffen für den Kampf gegen die afghanische Regierung. Zweitens vertrieb die pakistanische Militäroperation Zarb-e Azb in den Stammesgebieten Nordwaziristans im Juni 2014 tausende Aufständische - hauptsächlich Usbeken, Araber und Pakistanis -, die nach Afghanistan strömten und in den Rängen der Taliban aufstiegen. Die Taliban lenkten ohnehin eine große Anzahl ihrer eigenen Kämpfer von Pakistan aus. Drittens mangelt es den afghanischen Sicherheitskräften an Ausbildung und Ausstattung, vor allem in den Bereichen Luftstreitkräfte und Aufklärung. Außerdem nützen die Taliban interne Machtkämpfe der Kabuler Zentralregierung und deren scheinbare Schwäche in verschiedenen Bereichen in Kabul aus (BBC 05.01.2016).

Rebellengruppen:

Durch die Talibanoffensiven in den Provinzen Helmand und Kunduz entsteht der Eindruck, dass die afghanischen Sicherheitskräfte die Hauptbevölkerungszentren nicht kontrollieren können. Dies untergräbt das öffentliche Vertrauen, selbst dann, wenn es afghanischen Sicherheitskräften möglich ist, die Zentren zurückerobern, und überschattet die zahlreichen Erfolge der afghanischen Sicherheitskräfte (USDOD 12.2015).

Militärische Operationen im pakistanischen Nordwaziristan haben hunderte gut ausgebildete ausländische Kämpfer nach Afghanistan abgedrängt, wo sie nun die Taliban und den islamischen Staat unterstützen (WP 27.12.2015; vgl. Pakistan Today 22.12.2015; UN GASC 10.12.2015; Tolonews 21.12.2015).

Doch die Taliban haben auch mit Rückschlägen zu kämpfen. Nach der Nachricht vom Tod Mullah Omars hat sich die Bewegung zersplittert, und Auseinandersetzungen zwischen Talibanführern begünstigen Fortschritte des IS, vor allem im östlichen Afghanistan (DS 06.01.2016).

Taliban und Frühlingsoffensive:

Während der warmen Jahreszeit (ca. Mai - Oktober) spricht man von der "Fighting Season", in der die meist koordinierten Angriffe von Aufständischen, in Gruppenstärke oder stärker, auf Einrichtungen der ANSF (Afghan Security Forces) oder GIROA (Government of Islamic Republic of Afghanistan) stattfinden. Manchmal sind auch Einrichtungen der IC (International Coalition) betroffen. Diese werden aber meist gemieden, da es sich hierbei um sogenannte "harte Ziele" handelt. Gegen die IC werden nach wie vor nicht-konventionelle Mittel eingesetzt (Sprengfallen, Magnetbomben). Außerhalb der "Fighting Season" verlegen kampfwillige Aufständische ihre Aktivtäten in die Städte, da hier die ungünstige Witterung kein Faktor ist (Liaison Officer to Ministry of Interior of GIROA 14.11.2014).

Die Taliban haben signifikante Verluste zu verzeichnen - abgesehen von der temporären Einnahme der Stadt Kunduz war es ihnen nicht möglich, ihre Hauptstrategie und ihre Operationsziele für die Fighting Season 2015 zu erreichen. Auch in Kunduz war es ihnen nicht möglich, das Territorium für einen längeren Zeitraum zu halten. Während der gesamten Fighting Season bewiesen die Taliban Erfahrung in der Durchführung von Angriffen und Bedrohungen von ländlichen Distrikten und zwangen so die afghanischen Sicherheitskräfte in eine reaktive Position (USDOD 12.2015).

Al-Qaida:

Die amerikanischen Behörden gehen von einer Zahl von weniger als 100 Kämpfern der al-Qaida in Afghanistan aus. Die meisten von ihnen sind in den nordöstlichen Provinzen Afghanistans, wie Kunar, aktiv. Manche dieser Kämpfer gehören zu Gruppen, die an al-Qaida angegliedert und in Kunduz aktiv sind (CRS 22.12.2015).

Haqqani-Netzwerk:

Die Gruppe wurde in den späten 1970er Jahren durch Jalaluddin Haqqani gegründet. Sie ist mit al-Qaida und afghanischen Taliban verbündet, sowie mit anderen terroristischen Organisationen in der Region (Khaama Press 16.10.2014). Die Stärke des Haqqani-Netzwerks wird auf 3.000 Kämpfer geschätzt (NYT 17.10.2014).

Obwohl angenommen wird, dass das Netzwerk der al-Qaida näher steht als den Taliban (CRS 09.10.2014), wurde nach der Meldung vom Tod Mullah Omars Siraj Haqqani zum stellvertretenden Talibanführer befördert. Dies signalisiert, dass das Haqqani-Netzwerk auch weiterhin eine wichtige Komponente des Taliban-geführten Aufstandes ist (USDOD 12.2015).

Der Aufstand des Haqqani-Netzwerks ist vermehrt in den östlichen Provinzen Khost, Paktia, Paktika und Kunar vorzufinden (DW 17.10.2014).

Hezb-e Islami Gulbuddin (HIG):

Die radikal-islamistische Rebellengruppe Hezb-e Islami Gulbuddin (HIG) [Anmerkung: auch Hizb-i-Islami Gulbuddin] wird von Mujahed Gulbuddin Hikmatyar geführt (CRS 22.12.2015). Er war ein ehemaliger Verbündeter der USA im Kampf gegen die Besatzungstruppen der Sowjetunion in den 1980er Jahren. Die HIG wird als kleiner Akteur in den Kampfzonen Afghanistans gesehen (CRS 09.10.2014). Sie ist über die Jahre für ihre Grausamkeit bekannt geworden, sodass sogar die Taliban sich von ihr abwendeten (BBC 02.09.2014). Die Gruppe selbst ist ideologisch wie auch politisch mit al-Qaida und den Taliban verbündet. In der Vergangenheit kam es mit den Taliban jedoch zu Kämpfen um bestimmte Gebiete (CRS 09.10.2014).

IS/ISIS/ISIL/Daesh - Islamischer Staat:

Der Islamische Staat hat seinen Einfluss in Afghanistan seit Mitte des Jahres 2014 erhöht. Es wird berichtet, dass der Führer des Islamischen Staates Abu Bakr al-Baghdadi, Berichten zufolge, unter dem Talibanregime in Kabul gelebt und mit al-Qaida kooperiert hat. Die Präsenz der Gruppe in Afghanistan hat sich Anfang des Jahres 2013 aus mehreren kleinen afghanischen Taliban- und anderen Aufständischenfraktionen herausentwickelt (CRS 22.12.2015). Die Präsenz des islamischen Staates hat sich ausgeweitet, als immer mehr Talibanfraktionen dem IS Treue schworen. So kam es zur Einnahme kleiner Gebiete, hauptsächlich im östlichen Afghanistan, durch den IS (CRS 22.12.2015; vgl. Tolonews 12.07.2015). Ende 2015 gab es Berichte über finanzielle Hilfe des IS für seinen afghanischen Zweig (CRS 22.12.2015). Ehemalige Kämpfer von al-Qaida, Taliban und Haqqani-Netzwerk steigen in den Rängen des IS auf (Pajhwok 26.05.2015).

Der afghanische Geheimdienst NDS hat eine Spezialeinheit damit beauftragt, Razzien gegen den IS durchzuführen (Pajhwok 01.07.2015). Das afghanische Innenministerium konzentriert sich auf bessere Ausbildung und Ausrüstung der nationalen und lokalen Polizei, damit nicht die Notwendigkeit zur Selbstjustiz für Anrainer/innen entsteht (Pajhwok 26.05.2015).

Drogenanbau:

Es ist im Jahr 2015 zu einer Reduzierung der Opiumproduktion um

3.300 Tonnen (48%) gekommen (UN News Centre 14.10.2015).

Zivile Opfer:

Zwischen 01.01. und 30.06.2015 registrierte UNAMA 4.921 zivile Opfer (1.592 Tote und 3.329 Verletzte) - dies deutet einen Rückgang von 6% bei getöteten bzw. von 4% bei verletzten Zivilisten (UNAMA 8.2015).

Konfliktbedingte Gewalt hatte in der ersten Hälfte 2015 Auswirkungen auf Frauen und Kinder. UNAMA verzeichnete 1.270 minderjährige Opfer (320 Kinder starben und 950 wurden verletzt). Das ist ein Anstieg von 23% im Vergleich zu den ersten sechs Monaten 2014. Es gab 559 weibliche Zivilopfer, davon wurden 164 Frauen getötet und 395 verletzt. Das bedeutet einen Anstieg von 13% gegenüber 2014 (UNAMA 8.2015).

Laut UNAMA waren 70% aller zivilen Opfer regierungsfeindlichen Elementen zuzuschreiben, 16% regierungsfreundlichen Kräften (15% den ANSF und regierungsfreundlichen bewaffneten Gruppen, sowie 1% den internationalen militärischen Kräften). UNAMA rechnete 4% der zivilen Opfer Unfällen mit Blindgängern zu (UNAMA 8.2015).

3.436 zivile Opfer (1.213 Tote und 2.223 Verletzte) gehen auf Operationen regierungsfeindlicher Elemente zurück. Das bedeutet einen Rückgang von 3% gegenüber 2014. UNAMA verzeichnete einen Anstieg von 78% bei zivilen Opfern aufgrund von komplexen Angriffen und Selbstmordattentaten, sowie einen Anstieg von individuellen Tötungen. UNAMA registrierte ebenso 46% Rückgang an zivilen Opfern in Bodenkämpfen und 21% Rückgang ziviler Opfer aufgrund von IEDs (improvised explosive devices) (UNAMA 8.2015).

Regierungsfreundliche Kräfte - speziell ANSF - waren auch weiterhin Grund für einen Anstieg bei zivilen Opfern im Jahr 2015. UNAMA registrierte hierzu 796 zivile Opfer (234 wurden getötet und 562 verletzt). Dies deutet einen Anstieg von 60% im Vergleich zum Jahr 2014. Der Großteil dieser zivilen Opfer geht auf Bodenkämpfe regierungsfreundlicher Gruppen, bei denen hauptsächlich Explosivwaffen, wie Mörser, Raketen oder Granaten verwendet wurden. In den ersten sechs Monaten des Jahres 2015 waren regierungsfreundliche Gruppen für mehr zivile Opfer verantwortlich als regierungsfeindliche Elemente. Im Jahr 2015 haben die ANSF ihre Anzahl von Operationen, die am Boden durchgeführt wurden, signifikant erhöht, um den Regierungsbildungsprozess zu unterstützen und Angriffen regierungsfeindlicher Elemente entgegenzuwirken (UNAMA 8.2015).

Die UNAMA verzeichnete 37% Anstieg bei Entführungen von Zivilisten durch regierungsfeindliche Elemente und mehr Morde und Körperverletzungen an den Entführungsopfern. Von 76 entführten Zivilisten wurden im Berichtszeitraum (01.01.-30.06.2015) 62 getötet und 14 verletzt. UNAMA dokumentierte die Entführung von Zivilist/innen durch regierungsfeindliche Elemente für finanzielle Zwecke, zur Einschüchterung der Bevölkerung und um Zugeständnisse von anderen Parteien im Konflikt zu erhalten, z.B. Geiselaustausch (UNAMA 8.2015).

Mitarbeiter/innen internationaler Organisationen und der US-Streitkräfte:

In einem Bericht der norwegischen COI-Einheit Landinfo wurde im September 2015 berichtet, dass zuverlässige Dokumentation von konfliktbezogener Gewalt gegen Afghanen im aktiven Dienst für internationale Organisationen existiert. Andererseits konnte nur eingeschränkte Dokumentation zu konfliktbezogener Gewalt gegen ehemalige Übersetzer, Informanten oder andere Gruppen lokale Angestellte ziviler oder militärischer Organisationen festgestellt werden (Landinfo 09.09.2015). Ferner werden reine Übersetzerdienste, die auch geheime Dokumente umfassen, meist von US-Staatsbürgern mit lokalen Wurzeln durchgeführt, da diese eine Sicherheitszertifizierung benötigen (Liaison Officer to Ministry of Interior of GIROA 14.11.2014).

Grundsätzlich sind Anfeindungen afghanischer Angestellter der US-Streitkräfte üblich, da diese im Vergleich zu ihren Mitbürgern verhältnismäßig viel verdienen. Im Allgemeinen hält sich das aber in Grenzen, da der wirtschaftliche Nutzen für die gesamte Region zu wichtig ist. Tätliche Übergriffe kommen vor, sind aber nicht nur auf ein Arbeitsverhältnis zu ISAF zurückzuführen (Liaison Officer to Ministry of Interior of GIROA 10.11.2014). Des Weiteren bekommen afghanische Angestellte bei den internationalen Streitkräften Uniformen oder Dienstbekleidung, Verpflegung und Zugang zu medizinischer Versorgung nach westlichem Standard. Es handelt sich somit meist um Missgunst. Das Argument der Gefahr im Job für lokale Dolmetscher wurde von den US-Streitkräften im Bereich der SOF (Special Operation Forces), die sehr sensible Aufgaben durchführen, dadurch behoben, dass diesen Mitarbeitern nach einer gewissen Zeit die Mitnahme in die USA angeboten wurde. Dieses Vorgehen wurde von einer militärischen Quelle aus Deutschland bestätigt (Liaison Officer to Ministry of Interior of GIROA 14.11.2014).

Grundversorgung/Wirtschaft:

Für das Jahr 2013 belegte Afghanistan im 'Human Development Index' (HDI) den 169. Platz von mehr als 187 (Anm.: darunter befanden sich auch einige ex aequo Platzierungen) (UNDP 2014).

Die wirtschaftliche Entwicklung Afghanistans wird trotz Wachstumsraten in der letzten Dekade weiterhin nicht durch ein selbsttragendes Wirtschaftswachstum, sondern durch die Zuflüsse aus der internationalen Gebergemeinschaft stimuliert (AA 8.2015). Die Übergangsphase in Politik und Sicherheit hat die afghanische Wirtschaft stärker beeinträchtigt als erwartet. Das Wirtschaftswachstum ist im Jahr 2014 auf 1,3% gesunken, wobei es im Jahr davor noch 3,7% betrug (WB 10.2015; vgl. IMF 09.06.2015).

Das Wirtschaftswachstum war zum größten Teil getrieben von Expansion in Industrie (2,4%) und Dienstleistung (2,2%). Private Investitionsaktivitäten zeigten im Jahr 2014 Anzeichen eines Rückgangs, gekennzeichnet durch einen 50%igen Rückgang an neuen Firmenregistrierungen seit dem Jahr 2012. Die Anzahl der neuen Firmenregistrierungen im ersten Halbjahr 2015, die ein Indikator für Investorenvertrauen ist, blieb auf demselben Niveau wie im ersten Halbjahr des Jahres 2014. Eine sanfte Erholung wird für das Jahr 2016 erwartet (WB 2015).

Den größten Anteil am BIP (2014: 21,7 Mrd. USD) hat der Dienstleistungssektor mit 53,5%, gefolgt von der Landwirtschaft mit 27,7% des BIP. Industrieproduktion ist kaum vorhanden. Trotz einer großen Bedeutung des Außenhandels - Afghanistan ist in hohem Maße von Importen abhängig - sind afghanische Produkte bisher auf internationalen sowie regionalen Märkten kaum wettbewerbsfähig (AA 8.2015).

Es wird geschätzt, dass das reale Wachstum des Bruttoinlandprodukts um 3,1% im Jahr 2016 und 3,9% im Jahr 2017 wachsen wird, bedingt durch Verbesserungen im Bereich der Sicherheitslage und eine starke Reformdynamik (WB 10.2015). Wichtige Erfolge wurden im Bereich des Ausbaus der Infrastruktur erzielt. Durch den Bau von Straßen und Flughäfen konnte die infrastrukturelle Anbindung des Landes verbessert werden (AA 8.2015).

Trotz des seit drei Jahren hohen landwirtschaftlichen Produktionsniveaus konnten die starken Landwirtschaftserträge des Jahres 2013 nicht mehr erreicht werden, und so war die Landwirtschaft nicht Teil des Wirtschaftswachstums (WB 10.2015). Die neue Regierung hat die landwirtschaftliche Entwicklung zur Priorität erhoben. Dadurch sollen auch gering qualifizierte Afghaninnen und Afghanen bessere Chancen auf einen Arbeitsplatz bekommen. Insbesondere sollen die landwirtschaftlichen Erzeugnisse Afghanistans wieder eine stärkere Rolle auf den Weltmärkten spielen. Gerade im ländlichen Raum bleiben die Herausforderungen für eine selbsttragende wirtschaftliche Entwicklung angesichts mangelnder Infrastruktur, fehlender Erwerbsmöglichkeiten außerhalb der Landwirtschaft und geringen Ausbildungsstands der Bevölkerung (Analphabetenquote auf dem Land von rund 90%) aber groß. Sicher ist, dass die jährlich rund 400.000 neu auf den Arbeitsmarkt drängenden jungen Menschen nicht vollständig vom landwirtschaftlichen Sektor absorbiert werden können (AA 8.2015).

Große wirtschaftliche Erwartungen werden an die zunehmende Erschließung der afghanischen Rohstoffressourcen geknüpft. In Afghanistan lagern die weltweit größten Kupfervorkommen sowie Erdöl, Erdgas, Kohle, Lithium, Gold, Edelsteine und Seltene Erden. Das seit langem erwartete Rohstoffgesetz wurde im August 2014 verabschiedet. Damit wurden die rechtlichen und institutionellen Rahmenbedingungen für privatwirtschaftliche Investitionen in diesem Bereich verbessert. Entscheidend für Wachstum, Arbeitsplätze und Einnahmen aus dem Rohstoffabbau ist die Umsetzung des Gesetzes. Darüber hinaus müssen Mechanismen zum Einnahmenmanagement etabliert werden. Der Abbau der Rohstoffe erfordert große und langfristige Investitionen in die Exploration und Infrastruktur durch internationale Unternehmen. Bisher sind diese noch kaum im Abbau von Rohstoffen im Land aktiv (AA 8.2015).

Afghanistan bleibt weiterhin der weltweit größte Produzent für Opium, Heroin und Cannabis (AA 8.2015; vgl. UN GASC 06.09.2015). Rund 2,2 Mio. Afghanen leben mittelbar oder unmittelbar vom Drogenanbau, -handel und -verkauf (AA 8.2015). Trotz einer breit angelegten Strategie verhindern die angespannte Sicherheitslage in den Hauptanbaugebieten im Süden des Landes sowie die weit verbreitete Korruption eine effiziente Bekämpfung des Drogenanbaus (AA 8.2015; vgl. UN GASC 06.09.2015). Die hohen Gewinnmargen erschweren zudem die Einführung von alternativen landwirtschaftlichen Produkten (AA 8.2015).

Die Internationale Gemeinschaft und Hauptgeber haben ihr Engagement und ihre Partnerschaft für Afghanistan im Rahmen der London Konferenz im Dezember 2014 bestätigt. Sie begrüßen das Engagement der neuen afghanischen Regierung für makroökonomische Stabilität und Reformen, welche Nachhaltigkeit und integratives Wachstum beinhaltet (IMF 5.2015).

Medizinische Versorgung:

Die Datenlage zur medizinischen Versorgung in Afghanistan bleibt äußerst lückenhaft. In vielen Bereichen liegen Daten nur unzuverlässig oder nur ältere statistische Erhebungen der afghanischen Regierung oder der Weltgesundheitsorganisation vor. Besonders betroffen von unzureichender Datenlage sind hierbei die südlichen und südwestlichen Provinzen (AA 16.11.2015). Ferner können sich die im Zuge der Recherche gefundenen Informationen auch widersprechen.

Grundsätzlich hat sich die medizinische Versorgung, insbesondere im Bereich der Grundversorgung, in den letzten zehn Jahren erheblich verbessert, fällt jedoch im regionalen Vergleich weiterhin drastisch zurück (AA 16.11.2015). Auch hat sich seit dem Jahr 2001 der Zugang zur Grundleistung für die afghanische Bevölkerung in fast allen Bereichen erheblich verbessert: der Deckungsgrad medizinischer Gesundheitsversorgung hat sich von 9% im Jahr 2001 auf 80% im Jahr 2011 erweitert (WB 4.2015). Jedoch fällt diese Grundversorgung im regionalen Vergleich weiterhin drastisch zurück (AA 02.03.2015).

Die Sterberate von Kindern unter fünf Jahren ist von 257 auf 165 pro 1.000 Lebendgeburten gesunken, die Säuglingssterblichkeitsrate von 97 auf 77 bei 1.000 Lebendgeburten, und die Müttersterblichkeitsrate ist auf 327 bei 100.000 Lebendgeburten gesunken. Im Vergleich dazu betrug die Müttersterblichkeitsrate im Jahr 2002 noch 1.600. Ferner erhöhte sich die Zahl funktionierender Gesundheitsanstalten von 496 im Jahr 2002 auf 2.000 im Jahr 2012. Proportional dazu erhöhte sich die Zahl der Anstalten mit weiblichem Personal (WB 2015).

In der letzten Dekade hat das afghanische Gesundheitssystem ansehnliche Fortschritte gemacht. Dies aufgrund starker Regierungsführung, einer soliden öffentlichen Gesundheitspolitik, innovativer Servicebereitstellung, sorgfältiger Überwachung und Evaluierung sowie Entwicklungshilfe. Trotz signifikanter Verbesserungen im Bereich des Deckungsgrades und der Qualität der Gesundheitsservices, wie auch einer Reduzierung der Sterberate von Müttern, Säuglingen und Unter-fünf-jährigen, sind die afghanischen Gesundheitsindikatoren weiterhin schlechter als die der Niedrigeinkommensländer, was ferner andeutet, dass die Notwendigkeit besteht, Zugangshindernisse zu Leistungen für Frauen zu beseitigen. Des Weiteren hat Afghanistan eine der höchsten Unterernährungsraten der Welt. Etwa 41% der Kinder unter fünf Jahren leiden unter chronischer Unterernährung. Sowohl Frauen als auch Kinder leiden an Vitamin- und Mineralspiegeldefiziten (WB 4.2015).

Die medizinische Versorgung leidet trotz der erkennbaren und erheblichen Verbesserungen landesweit weiterhin an unzureichender Verfügbarkeit von Medikamenten und Ausstattung der Kliniken, insbesondere aber an fehlenden Ärztinnen und Ärzten, sowie gut qualifiziertem Assistenzpersonal (v.a. Hebammen). Im Jahr 2013 stand 10.000 Einwohnern Afghanistans ca. eine medizinisch qualifiziert ausgebildete Person gegenüber. Auch hier gibt es bedeutende regionale Unterschiede innerhalb des Landes, wobei die Situation in den Nord- und Zentralprovinzen um ein Vielfaches besser ist als in den Süd- und Ostprovinzen (AA 16.11.2015; vgl. AA 02.03.2015).

Obwohl freie Gesundheitsdienstleistungen in öffentlichen Einrichtungen zur Verfügung gestellt wurden, können sich viele Haushalte gewisse Kosten für Medikamente oder den Transport zu Gesundheitsvorsorgeeinrichtungen nicht leisten bzw. war es vielen Frauen nicht erlaubt, alleine zu einer Gesundheitseinrichtung zu fahren (USDOS 25.06.2015).

Gemäß der afghanischen Verfassung ist die primäre Gesundheitsversorgung in öffentlichen Einrichtungen, inklusive Medikamente, kostenfrei [Anm.: siehe dazu afghanische Verfassung Art. 52 (Max Planck Institute 27.01.2004)]. Jedoch sind die Bestände oft erschöpft, und die Patient/innen sind gezwungen, die Medikamente in privaten Apotheken oder am Bazar zu kaufen (IRIN 02.07.2014). Obwohl Qualitätskontrollmaßnahmen für Medikamente im öffentlichen Gesundheitsvorsorgesystem existieren, ist die Umsetzung laut einem US-amerikanischen Bericht schwach. Der Großteil der verschriebenen Medikamente wird verschrieben und privat verkauft. Auch, so der Bericht weiter, gibt es keine Daten zu Pharmazisten, die im privaten Sektor arbeiten. Bis zu 300 in Pakistan ansäßige Unternehmen produzieren Medikamente, die speziell für den Export nach Afghanistan vorgesehen sind, aber den von für Pakistan vorgeschriebenen Standards nicht entsprechen (IJACMEC 10.2014; vgl. The Guardian 07.01.2015).

Die Behandlung von psychischen Erkrankungen - insbesondere Kriegstraumata - findet, abgesehen von einzelnen Pilotprojekten, nach wie vor nicht in ausreichendem Maße statt. Gleichzeitig leiden viele Afghaninnen und Afghanen unter psychischen Symptomen der Depression, Angststörungen oder posttraumatischer Belastungsstörung (PTBS). In Kabul gibt es zwei psychiatrische Einrichtungen: das Mental Health Hospital mit 100 Betten und die Universitätsklinik Aliabad mit 48 Betten. In Jalalabad und Herat gibt es jeweils 15 Betten für psychiatrische Fälle. In Mazar-e Scharif gibt es eine private Einrichtung, die psychiatrische Fälle stationär aufnimmt. Folgebehandlungen sind oft schwierig zu leisten, insbesondere wenn der Patient oder die Patientin kein unterstützendes Familienumfeld hat. Traditionell mangelt es in Afghanistan an einem Konzept für psychisch Kranke. Sie werden nicht selten in spirituellen Schreinen unter teilweise unmenschlichen Bedingungen "behandelt", oder es wird ihnen in einer "Therapie" mit Brot, Wasser und Pfeffer der "böse Geist ausgetrieben". Es gibt jedoch aktuelle Bemühungen, die Akzeptanz und Kapazitäten für psychiatrische Behandlungsmöglichkeiten zu stärken und auch Aufklärung sowohl über das Internet als auch in Form von Comics (für Analphabeten) zu betreiben. Die Bundesregierung finanziert Projekte zur Verbesserung der Möglichkeiten psychiatrischer Behandlung und psychologischer Begleitung in Afghanistan (AA 16.11.2015).

Behandlung nach Rückkehr:

In den letzten zehn Jahren sind im Rahmen der freiwilligen Rückkehr durch UNHCR 3.5 Mio. afghanische Flüchtlinge zurückgekehrt. Insgesamt sind 5,8 Mio. Afghaninnen und Afghanen aus verschiedenen Teilen der Welt nach Afghanistan zurückgekehrt (DW 19.10.2015). USDOS berichtet, dass in den Jahren von 2002 bis 2014 Finanzierungen verwendet wurden, um Transportkosten und anfängliche Notwendigkeit bei Rückkehr für mehr als 4.7 Mio. zur Verfügung zu stellen (SIGAR 8.2015; vgl. AA 02.03.2015). Somit hat eine große Zahl der afghanischen Bevölkerung einen Flüchtlingshintergrund (AA 02.03.2015). Im Jahr 2015 sind 50.000 afghanische Flüchtlinge aus Pakistan im Rahmen des Programms der freiwilligen Rückkehr nach Afghanistan zurückgekehrt (DW 19.10.2015).

Im Vergleich zum Vorjahr ist die Zahl der Rückkehrer aus Iran und Pakistan stark gestiegen. 2014 lag die Zahl der Rückkehrer bei knapp 17.000, davon über 12.000 aus Pakistan. Bis Ende Oktober 2015 sind im laufenden Jahr fast 56.000 zurückgekehrt, davon über 53.000 aus Pakistan. Zwei Drittel der Rückkehrer siedeln sich in fünf Provinzen an: Kabul, Nangarhar, Kunduz, Logar und Baghlan (AA 16.11.2015). Laut UNHCR-Afghanistan kehrten im Jahr 2014 insgesamt 17.000 Menschen freiwillig nach Afghanistan zurück (UNHCR 29.10.2015). Die Kapazität der Regierung, Rückkehrer/innen aufzunehmen, war auch weiterhin niedrig. Die Zahl der Rückkehrer/innen während des Jahres 2014 verringerte sich aufgrund von Unsicherheiten in Bezug auf die Sicherheitslage im Rahmen des Post-Transitionszeitraumes und aufgrund des Auslaufens der proof of Residence Card (PoR Card) für afghanische Flüchtlinge in Pakistan (USDOS 25.06.2015). In Pakistan werden etwa 1,5 Mio. afghanische Flüchtlinge, die im Besitz einer PoR Card sind, von UNHCR unterstützt (BFA Staatendokumentation 9.2015).

Die afghanische Regierung kooperierte auch weiterhin mit UNHCR, der Internationalen Organisation für Migration (IOM), sowie anderen humanitären Organisationen, um intern vertriebenen Personen, Flüchtlingen, Rückkehrer/innen und anderen Menschen Schutz und Unterstützung zur Verfügung zu stellen. Regierungsunterstützung für vulnerable Personen, inklusive Rückkehrer/innen aus Pakistan und Iran, war gering, mit einer anhaltenden Abhängigkeit von der internationalen Gemeinschaft. Die Reintegration von Rückkehrer/innen war schwierig. Rückkehrerinnen und Rückkehrer hatten angeblich gleichwertigen Zugang zu Gesundheits-, Bildungs- und anderen Leistungen, obwohl manche Gemeinden, die für Rückkehrer/innen vorgesehen waren, angaben, dass eingeschränkter Zugang zu Transport und Straßen zu größeren, besser etablierten Dörfern und städtischen Zentren fehlte. Dies erschwerte den Zugang zu Dienstleistungen und wirtschaftlichen Möglichkeiten (USDOS 25.06.2015).

In Iran und Pakistan halten sich derzeit noch ca. 3 Mio. afghanische Flüchtlinge auf. Dazu kommen nicht registrierte Afghanen, die von der iranischen Regierung jedoch nicht als Flüchtlinge anerkannt sind. Insbesondere von iranischer Seite, in Teilen auch von Pakistan, werden sie gelegentlich als politisches Druckmittel gegenüber Afghanistan ins Feld geführt. Gleichzeitig gelten die Flüchtlinge auch als günstige Arbeitskräfte. In Afghanistan wird zwischen Rückkehrern aus den Nachbarstaaten Iran und Pakistan (die größte Gruppe afghanischer Flüchtlinge) und freiwilliger Rückkehr oder Abschiebung aus v.a. westlichen Staaten unterschieden. Für Rückkehrer aus den genannten Nachbarländern leistet UNHCR in der ersten Zeit Unterstützung. Bei der Anschlussunterstützung bestehen Probleme in der Koordinierung zwischen humanitären Akteuren und Organisationen der Entwicklungszusammenarbeit, sodass Hilfe nicht immer dort ankommt, wo Rückkehrer sich niedergelassen haben (AA 02.03.2015; vgl. AA 16.11.2015).

Die Schweiz, Australien, Iran, Norwegen, Pakistan, Dänemark, Frankreich, die Niederlande und Schweden haben mit Afghanistan und dem UNHCR sog. Drei-Parteien-Abkommen zur Regelung der freiwilligen Rückkehr von afghanischen Flüchtlingen in ihr Heimatland geschlossen. Die Abkommen sehen u.a. die Übernahme von Reisekosten, Wiedereingliederungshilfe und Unterstützungsmaßnahmen für besonders schutzbedürftige Flüchtlinge vor. Von Großbritannien, Frankreich, Italien, Dänemark, Norwegen, Schweden und Australien ist bekannt, dass diese Länder abgelehnte Asylbewerber afghanischer Herkunft nach Afghanistan abschieben. Von Norwegen ist bekannt, dass auch Familien mit minderjährigen Kindern abgeschoben werden. Einige Länder arbeiten eng mit IOM in Afghanistan zusammen, insbesondere auch, um die Reintegration zu erleichtern. IOM bietet psychologische Betreuung, Unterstützung bei Reiseformalitäten, Ankunft in Kabul und Begleitung der Reintegration einschließlich Unterstützung bei der Arbeitsplatzsuche an (AA 02.03.2015; vgl. AA 16.11.2015).

Eine Diskriminierung oder Strafverfolgung aufgrund exilpolitischer Aktivitäten nach Rückkehr aus dem Ausland ist nicht anzunehmen. Auch einige Führungsfiguren der RNE sind aus dem Exil zurückgekehrt, um Ämter bis hin zum Ministerrang zu übernehmen. Präsident Ashraf Ghani selbst verbrachte die Zeit der Bürgerkriege und der Taliban-Herrschaft in den 1990er Jahren weitgehend im pakistanischen und US-amerikanischen Exil (AA 16.11.2015).

Ethnische Minderheiten:

Die afghanische Verfassung schützt sämtliche ethnische Minderheiten. Neben den offiziellen Landessprachen Dari und Paschtu wird in der Verfassung (Art. 16) sechs weiteren Sprachen ein offizieller Status in jenen Gebieten eingeräumt, wo die Mehrheit der Bevölkerung (auch) eine dieser Sprachen spricht. Diese weiteren in der Verfassung genannten Sprachen sind Usbekisch, Turkmenisch, Belutschisch, Pashai, Nuristani und Pamiri (AA 16.11.2015; vgl. Max Planck Institut 27.01.2004).

In Afghanistan leben laut Schätzungen vom Juli 2015 mehr als 32,5 Millionen Menschen (CIA 20.10.2015). Davon sind 42%-45% Pashtunen, 25% Tadschiken, rund 10% Hazara, 10% Usbeken. Es existieren noch mehrere andere religiöse und ethnische Minderheiten (CRS 12.01.2015), wie z.B. Aimaken 4%, Turkmenen 3%, Balutschen 2% und andere kleinere ethnische Gruppen (CIA 24.06.2014).

Der Gleichheitsgrundsatz ist in der afghanischen Verfassung verankert. Fälle von Sippenhaft oder sozialer Diskriminierung sind jedoch nicht auszuschließen und kommen vor allem in Dorfgemeinschaften auf dem Land häufig vor (AA 16.11.2015). Ethnische Spannungen zwischen unterschiedlichen Gruppen resultierten weiterhin in Konflikten und Tötungen (USDOS 25.06.2015).

Ethnische Pashtunen sind die größte Ethnie in Afghanistan. Sie sprechen Paschtu/Pashto, aber die meisten ihrer Regierungsvertreter sprechen auch Dari (CSR 12.01.2015). Die Pashtunen haben mehr Sitze in beiden Häusern des Parlaments, aber nicht mehr als 50% der Gesamtsitze. Es gibt keinen Beweis, dass bestimmte soziale Gruppen ausgeschlossen werden. Es gibt keine Gesetze, welche die Teilnahme von Minderheiten am politischen Leben verhindern. Nichtsdestotrotz beschweren sich unterschiedliche ethnische Gruppen, dass sie keinen Zugang zu staatlicher Anstellung in Provinzen haben, in denen sie eine Minderheit darstellen (USDOS 25.06.2015). Unter den vielen Volksgruppen bilden die Paschtunen zwar die Mehrheit im Staat, dominieren aber nur im Süden, im Norden hingegen eher die persisch-sprachigen Tadschiken (DW 26.04.2014; vgl. GIZ 10.2015). Die Pashtunen sind im nationalen Durchschnitt mit etwa 44% in der Afghan National Army (ANA) und der Afghan National Police (ANP) repräsentiert (Brookings 31.07.2015).

Hazara:

Die schiitische Minderheit der Hazara macht etwa 10% der Bevölkerung aus. Sie hat sich ökonomisch und politisch durch Bildung verbessert. In der Vergangenheit wurden die Hazara von den Pashtunen verachtet, da diese dazu tendierten, die Hazara als Hausangestellte oder für andere niedere Arbeiten einzustellen. Berichten zufolge schließen viele Hazara, inklusive Frauen, Studien ab oder schlagen den Weg in eine Ausbildung in Informationstechnologie, Medizin oder anderen Bereichen ein, die in den unterschiedlichen Sektoren der afghanischen Wirtschaft besonders gut bezahlt werden (CRS 12.01.2015).

Für die während der Taliban-Herrschaft besonders verfolgten Hazara hat sich die Lage verbessert. Sie sind in der öffentlichen Verwaltung aber nach wie vor unterrepräsentiert. Unklar ist, ob dies Folge der früheren Marginalisierung oder eine gezielte Benachteiligung neueren Datums ist. Gesellschaftliche Spannungen bestehen fort und leben in lokal unterschiedlicher Intensität gelegentlich wieder auf (AA 16.11.2015; AA 02.03.2015). Gesellschaftliche Diskriminierung gegen die schiitischen Hazara mit Bezug auf Klasse, Ethnie und Religion hält weiter an - in Form von Erpressung, durch illegale Besteuerung, Zwangsrekrutierung und Zwangsarbeit, physische Misshandlung und Verhaftung (USDOS 25.06.2015). Informationen eines Vertreters einer internationalen Organisation mit Sitz in Kabul zufolge sind Hazara, entgegen ihrer eigenen Wahrnehmung, keiner gezielten Diskriminierung aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit ausgesetzt (Vertrauliche Quelle 29.09.2015).

Mitglieder der Hazarastämme, meist schiitische Muslime, sind in den Provinzen Bamiyan, Daikundi und Ghazni in Zentralafghanistan vertreten (CRS 15.10.2015). Eine prominente Vertreterin der Minderheit der Hazara ist die Vorsitzende der unabhängigen afghanischen Menschenrechtskommission Sima Simar (CRS 12.01.2015). Die Hazara sind im nationalen Durchschnitt mit etwa 10% in der Afghan National Army und der Afghan National Police repräsentiert (Brookings 31.07.2015).

Regionale Sicherheitslage im Süden und Südosten des Landes (Provinzen Helmand, Ghazni, Kandahar, Khost, Nimroz, Paktika, Paktya, Uruzgan und Zabul):

Ghazni:

Gewalt gegen Einzelne

46

Bewaffnete Konfrontationen und Luftangriffe

511

Selbstmordattentate, IED-Explosionen und andere Explosionen

75

Durchsetzung/Gewährleistung von Sicherheit

73

Vorfälle ohne Bezug auf den Konflikt

0

Andere Vorfälle

0

Insgesamt

705

  

Im Zeitraum 01.01. -

31.08.2015 wurden in der Provinz Ghazni 705 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert (EASO 21.01.2016).

Ghazni ist eine der wichtigsten zentralen Provinzen in Afghanistan und laut dem afghanischen Statistikbüro (CSO) die mit der zweithöchsten Bevölkerung. Ghazni liegt 145 km südlich von Kabul Stadt an der Autobahn Kabul-Kandahar. Die Provinzen (Maidan) Wardak und Bamyan liegen im Norden, während die Provinzen Paktia, Paktyka und Logar im Osten liegen. Zabul liegt zwar südlich, grenzt aber gemeinsam mit Uruzgan an den Westen der Provinz (Pajhwok o.D.a). Die Provinz ist in neunzehn Distrikte unterteilt: Jaghuri, Malistan, Nawur, Ajiristan, Andar, Qarabagh, Giro, Muqur, Waghaz, Gelan, Ab Band, Nawa, Dih Yak, Rashidan, Zana Khan, Khugiani, Khwaja Omari, Jaghatu und Ghazni City (Vertrauliche Quelle 15.09.2015). Die Haupstadt Ghazni City liegt 145 km südlich von Kabul, auf der Autobahn Kabul - Kandahar (Pajhwok o.D.a). Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 1.228.831 geschätzt (UN OCHA 26.08.2015).

Ghazni zählt zu den volatilen Provinzen im Südosten Afghanistans, wo regierungsfeindliche aufständische Gruppen in den verschiedenen Distrikten aktiv sind und regelmäßig Aktionen durchführen (Khaama Press 19.08.2015; vgl. Tolonews 05.04.2015; UNGASC 01.09.2015). Laut einem Bericht der Vereinten Nationen wurde ein Großteil sicherheitsrelevanter Vorfälle in den südlichen und östlichen Teilen Afghanistan aufgezeichnet (UNGASC 01.09.2015). Des Weiteren wurde von Tolonews berichtet, dass im März 2015 Ghazni als jene Provinz angesehen wurde, die die höchste Zahl sicherheitsrelevanter Vorfälle im Monat März zu verzeichnen hatte (Tolonews 05.04.2015).

Eine Anzahl von Selbstmordattentaten, gezielten Tötungen und Entführungen wurde registriert. Dies hat dazu geführt, dass die Sicherheitsatmosphäre auch weiterhin volatil ist. Aber auch den Aufständischen wurde mit einer Anzahl von erfolgreichen militärischen Operationen entgegengetreten. Die internationalen Kräfte (USA und Polen) haben sich im Jahr 2014 aus der Provinz zurückgezogen, und die afghanischen Sicherheitskräfte führen die Operationen seitdem eigenständig durch (Vertrauliche Quelle 15.09.2015).

In der Provinz werden Antiterror-Operationen durchgeführt, um gewisse Gegenden von Terroristen zu befreien (Khaama Press 10.01.2016; Press TV 08.01.2016; Xinhua 03.01.2016; Business Standard 30.12.2015; Xinhua 16.12.2015; Xinhua 21.12.2015; Ariana News 26.07.2015; Tolonews 06.06.2015; Tolonews 02.06.2015; Tolonews 02.05.2015; Tolonews 25.04.2015; Tolonews 02.03.2015; Tolonews 03.02.2015; Tolonews 13.01.2015; Tolonews 14.12.2014; Tolonews 12.11.2014).

4. Beweiswürdigung:

Der Beweiswürdigung liegen folgende maßgebende Erwägungen zugrunde:

Der Verfahrensgang ergibt sich aus den zur gegenständlichen Rechtssache vorliegenden Verfahrensakten des BFA und des BVwG.

4.1. Zur Person des BF und zu den Gründen für das Verlassen des Herkunftsstaates:

4.1.1. Die Feststellungen zur Identität des BF ergeben sich aus seinen Angaben vor dem BFA, im Beschwerdeverfahren sowie in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG.

Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit und Herkunft, insbesondere zu seiner Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit sowie zu den Lebensumständen des BF, stützen sich auf die diesbezüglich glaubhaften Angaben des BF im Verfahren vor dem BFA, im Beschwerdeverfahren sowie in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG und auf die Kenntnis und Verwendung der Sprachen Dari, Farsi, Urdu und Griechisch sowie die Kenntnis der geografischen Gegebenheiten Afghanistans.

Die Identität des BF steht mit für das Verfahren ausreichender Sicherheit fest.

4.1.2. Die Ausführungen zur Ausreise und zur Reiseroute des BF aus Afghanistan über Pakistan, Iran, Türkei und Griechenland, wo er sich sieben Jahre lang aufhielt, bis nach Österreich stützen sich auf dessen eigene Angaben und das Ergebnis einer EURODAC-Anfrage, demzufolge der BF am 24.01.2008 in Tayros (Griechenland) erkennungsdienstlich behandelt worden war. Eine weitere Überprüfung dieser Angaben erübrigt sich, da sie für das Fluchtvorbringen nicht weiter relevant waren.

4.1.3. Die Feststellungen zu den Gründen des BF für das Verlassen seines Heimatstaates stützen sich auf die vom BF vor dem BFA und im Beschwerdeverfahren sowie in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG getroffenen Aussagen.

Als fluchtauslösendes Ereignis brachte der BF im Verfahren vor, dass er im Alter von zehn oder elf Jahren gemeinsam mit seinen Eltern und seiner Familie wegen Grundstücksstreitigkeiten Afghanistan verlassen habe und im Jahr 2007 aus wirtschaftlichen Gründen sowie wegen der Verfolgung von Hazara in Pakistan nach Griechenland gereist sei, wo er seither gearbeitet und seine in Pakistan lebenden Eltern unterstützt habe.

Festzuhalten ist, dass diese Verfolgungsgründe weder bewiesen noch belegt worden sind. Daher ist zur Beurteilung, ob die Verfolgungsgründe als glaubhaft gemacht anzusehen sind, auf die persönliche Glaubwürdigkeit des BF und das Vorbringen zu den Fluchtgründen abzustellen.

Die Beurteilung der persönlichen Glaubwürdigkeit des BF hat vor allem zu berücksichtigen, ob dieser außerhalb des unmittelbaren Vortrags zu seinen Fluchtgründen die Wahrheit gesagt hat; auch ist die Beachtung der in § 15 AsylG normierten Mitwirkungspflichten gemäß § 18 Abs. 2 AsylG und die sonstige Mitwirkung des BF im Verfahren zu berücksichtigen.

Es obliegt dem BF, die in seiner Sphäre gelegenen Umstände seiner Flucht einigermaßen nachvollziehbar und genau zu schildern. Aus den Angaben des BF lässt sich jedoch keine lineare Handlung erkennen, die objektiv geeignet wäre, einen asylrelevanten Verfolgungsgrund zu verwirklichen.

Aus folgenden Gründen konnte eine solche Verfolgung nicht glaubhaft gemacht werden. Der BF hatte mehrmals die Zeit und die Gelegenheit, vor dem BFA oder dem BVwG eventuelle Fluchtgründe umfassend und im Detail darzulegen sowie allfällige Beweismittel oder Belege vorzulegen. Er wurde mehrmals zur umfassenden und detaillierten Schilderung seiner Fluchtgründe und zur Vorlage entsprechender Unterlagen aufgefordert sowie über die Folgen unrichtiger Angaben belehrt. Er gab dazu lediglich an: "Ich war damals zu klein, um das zu verstehen. Außerdem habe ich in diesem Zusammenhang keine Fragen gestellt und weiß daher nicht viel darüber."

Die Angaben des BF zu seinen Fluchtgründen folgen zwar im Prinzip einem bestimmten Handlungsablauf, bleiben in ihrer Gesamtheit aber derart dürftig, dass man daraus kein konkretes, den BF persönlich betreffendes, zusammenhängendes und einigermaßen glaubhaftes Geschehen ableiten kann. Auch das Vorbringen, in Pakistan hätte er nicht leben können, weil die Hazara dort verfolgt würden, sie würden aus den Autos mitgenommen und getötet, ist nicht geeignet, eine asylrelevante Verfolgung darzulegen, zumal sie sich nicht auf den Herkunftstaat des BF, Afghanistan, bezieht.

Trotz mehrmaligen Nachfragens konnte der BF somit keinen plausiblen konkreten Grund vorbringen, der für das Vorliegen einer Verfolgung seiner Person spräche. Sein Vorbringen blieb auch gänzlich unbelegt.

Das Vorbringen in der Beschwerde war ebenfalls nicht geeignet, das bisherige Vorbringen des BF zu unterstützen. Es erschöpfte sich in der Wiederholung seines vagen Fluchtvorbringens, welches der BF bereits vor der Erstbehörde vorgebracht hatte, und in Rechtsausführungen, brachte aber keinerlei neue Aspekte betreffend den Sachverhalt - unter Berücksichtigung des Neuerungsverbotes - in das Verfahren ein.

Der Ermittlungspflicht des BFA steht eine Mitwirkungspflicht des BF gegenüber. Der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) hat in ständiger Judikatur erkannt, dass es für die Glaubhaftmachung der Angaben erforderlich ist, dass der BF die für die ihm drohende Behandlung oder Verfolgung sprechenden Gründe konkret und in sich stimmig schildert, und dass diese Gründe objektivierbar sind, wobei zur Erfüllung des Tatbestandsmerkmals des "Glaubhaft-Seins" der Aussage des Asylwerbers selbst wesentliche Bedeutung zukommt. Damit ist die Pflicht des Antragstellers verbunden, initiativ alles darzulegen, was für das Zutreffen der Voraussetzungen und für eine Asylgewährung spricht und diesbezüglich konkrete Umstände anzuführen, die objektive Anhaltspunkte für das Vorliegen dieser Voraussetzungen liefern. Insoweit trifft den Antragsteller eine erhöhte Mitwirkungspflicht (VwGH 11.11.1991, 91/12/0143, VwGH 13.04.1988, 86/01/0268). Der Antragsteller hat daher das Bestehen einer aktuellen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten Bedrohung der relevanten Rechtsgüter glaubhaft zu machen, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerte Angaben darzutun ist (u.a. VwGH 26.06.2997, 95/18/1291, VwGH 17.07.1997, 97/18/0336, VwGH 05.04.1995, 93/180289). Die Mitwirkungspflicht bezieht sich zumindest auf jene Umstände, die in seiner Sphäre gelegen sind, und deren Kenntnis sich die Behörde nicht von Amts wegen verschaffen kann.

Der BF wurde aufgefordert, die Wahrheit zu sagen, nichts zu verschweigen und alle zur Begründung des Antrages erforderlichen Anhaltspunkte selbständig und über Nachfrage wahrheitsgemäß darzulegen. Die Behörden stellten die für den Gang der Fluchtgeschichte erforderlichen Fragen, die vom BF in knapp Weise beantwortet wurden. Es ist davon auszugehen, dass ein Asylwerber, der bemüht ist, in einem Land Aufnahme und Schutz zu finden, in der Regel bestrebt ist, alles diesem Wunsch Dienliche vorzubringen, und zumindest die Kernfluchtgeschichte möglichst umfassend schildert, sodass der Behörde erkennbar ist, welchen massiven Bedrohungen er im Herkunftsland ausgesetzt sei. Die knappen und vagen Angaben des BF sind jedoch nicht geeignet, eine derart schwere Verfolgung glaubhaft zu machen, die ihn dazu getrieben habe, sein Heimatland zu verlassen.

Das Verwaltungsverfahren im Asylverfahren sieht neben der allgemeinen Manuduktionspflicht des AVG (§ 13a leg. cit.) eine Reihe weiterer verfahrenssichernder Maßnahmen vor, um einerseits der Verpflichtung nach § 37 AVG nachhaltig Rechnung zu tragen, sowie andererseits um die in einem solchen Verfahren oft schwierigen Beweisfragen zu klären. Daher ist die erkennende Behörde auch auf die Verwertung allgemeiner Erfahrungssätze angewiesen. Die Bildung von solchen Erfahrungssätzen ist aber nicht nur zu Gunsten des Asylwerbers möglich, sondern sie können auch gegen ein Asylvorbringen sprechen.

Es entspricht der ständigen Judikatur des VwGH, wenn Gründe, die zum Verlassen des Heimatlandes bzw. Herkunftsstaates geführt haben, im Allgemeinen als nicht glaubwürdig angesehen werden, wenn der Asylwerber die nach seiner Meinung einen Asyltatbestand begründenden Tatsachen im Laufe des Verfahrens - niederschriftlichen Einvernahmen - unterschiedlich oder sogar widersprüchlich darstellt, wenn seine Angaben mit den der Erfahrung entsprechenden Geschehnisabläufen oder mit tatsächlichen Verhältnissen bzw. Ereignissen nicht vereinbar und daher unwahrscheinlich erscheinen, oder wenn er maßgebliche Tatsachen erst sehr spät im Laufe des Asylverfahrens vorbringt (VwGH 06.03.1996, 95/20/0650).

In einer Gesamtschau der Angaben und des Verhaltens des BF im Verfahren ist zwar einzuräumen, dass die vom BF angegebene Lebenssituation nicht gänzlich unglaubwürdig erscheint - und auch bei der Beurteilung, ob die Voraussetzungen für die Gewährung von subsidiärem Schutz vorliegen, zu berücksichtigen war.

Die von ihm angegebene Gefahr der Verfolgung hat er jedoch nicht in einer Weise glaubhaft machen können, dass er konkret, individuell und aus Gründen, die Tatbestände in der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) darstellen würden (siehe hierzu auch die Ausführungen zu Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides unter Punkt 5.2.4.1.), verfolgt würde.

Von weiteren Erhebungen im Herkunftsland konnte daher Abstand genommen werden. Da weitere Fluchtgründe weder behauptet wurden, noch von Amts wegen hervorgekommen sind, konnte eine asylrelevante Verfolgung nicht glaubhaft gemacht werden.

Überdies ist darauf hinzuweisen, dass dem BF auf Grund der aktuellen Lage in Afghanistan und seiner individuellen Situation mit diesem Erkenntnis der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wird.

4.2. Zur Lage im Herkunftsstaat des BF:

Die diesem Erkenntnis zugrundegelegten Länderfeststellungen (siehe oben Punkt 3.2.) gründen sich auf Berichte verschiedener anerkannter und teilweise vor Ort agierender staatlicher und nichtstaatlicher Institutionen und Personen, die in ihren Aussagen ein übereinstimmendes, schlüssiges Gesamtbild der Situation in Afghanistan ergeben. Angesichts der Seriosität der angeführten Erkenntnisquellen und der Plausibilität der überwiegend übereinstimmenden Aussagen besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln. Insoweit die belangte Behörde ihren Feststellungen Berichte älteren Datums zugrundegelegt hat, ist auszuführen, dass sich seither die darin angeführten Umstände unter Berücksichtigung der dem BVwG von Amts wegen vorliegenden Berichte aktuelleren Datums für die Beurteilung der gegenwärtigen Situation fallrelevant nicht wesentlich geändert haben.

Der BF hat diese Feststellungen nicht in substantiierter Weise bestritten. Er gab dazu lediglich an, Afghanistan sei generell sehr gefährlich, er sei auch Hazara und Schiite und es sei für ihn gefährlich. Er werde von - ihm unbekannten - Personen gesucht. Die Schiiten würden anders als die Sunniten beten.

Die Ausführungen in der Beschwerde betreffend die Länderfeststellungen blieben allgemein und vage, ohne einen konkreten Zusammenhang mit dem Fluchtvorbringen des BF herzustellen.

5. Rechtliche Beurteilung:

5.1. Anzuwendendes Recht:

Mit 01.01.2006 ist das Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl in Kraft getreten (AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 in der geltenden Fassung) und ist auf die ab diesem Zeitpunkt gestellten Anträge auf internationalen Schutz, sohin auch auf den vorliegenden, anzuwenden.

Gegenständlich sind die Verfahrensbestimmungen des AVG, des BFA-VG, des VwGVG und jene im AsylG enthaltenen sowie die materiellen Bestimmungen des AsylG in der geltenden Fassung samt jenen Normen, auf welche das AsylG verweist, anzuwenden.

Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG, BGBl. I Nr. 10/2013 in der geltenden Fassung, entscheidet das BVwG durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013 in der Fassung BGBl. I Nr. 122/2013, geregelt (§ 1 leg. cit.). Gemäß § 58 Abs 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes - AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

§ 1 BFA-Verfahrensgesetz - BFA-VG, BGBl I. Nr. 87/2012 in der geltenden Fassung, bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem BFA, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem BVwG gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG 2005 und Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG bleiben unberührt.

Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 in der geltenden Fassung, entscheidet über Beschwerden gegen Entscheidungen (Bescheide) des BFA das BVwG.

§ 16 Abs. 6 und § 18 Abs. 7 BFA-VG bestimmen für Beschwerdevorverfahren und Beschwerdeverfahren, dass §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anzuwenden sind.

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn

1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder

2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, wenn die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vorliegen, im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

Gemäß § 28 Abs. 5 sind dann, wenn das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid aufhebt, die Behörden verpflichtet, in der betreffenden Rechtssache mit den ihnen zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln unverzüglich den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtes entsprechenden Rechtszustand herzustellen.

Gemäß § 15 AsylG hat der Asylwerber am Verfahren nach diesem Bundesgesetz mitzuwirken und insbesondere ohne unnötigen Aufschub seinen Antrag zu begründen und alle zur Begründung des Antrags auf internationalen Schutz erforderlichen Anhaltspunkte über Nachfrage wahrheitsgemäß darzulegen.

Gemäß § 18 AsylG hat die Behörde in allen Stadien des Verfahrens von Amts wegen darauf hinzuwirken, dass die für die Entscheidung erheblichen Angaben gemacht oder lückenhafte Angaben über die zur Begründung des Antrages geltend gemachten Umstände vervollständigt, die Bescheinigungsmittel für die Angaben bezeichnet oder die angebotenen Bescheinigungsmittel ergänzt und überhaupt alle Aufschlüsse gegeben werden, welche zur Begründung des Antrages notwendig erscheinen. Erforderlichenfalls sind Bescheinigungsmittel auch von Amts wegen beizuschaffen.

5.2. Rechtlich folgt daraus:

Zu Spruchteil A):

5.2.1. Die gegenständliche, zulässige Beschwerde wurde rechtzeitig beim BFA eingebracht (eingelangt am 05.07.2016) und ist nach Vorlage am 07.07.2016 beim BVwG eingegangen. Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des BVwG zuständigen Einzelrichter.

5.2.2. Das BVwG stellt weiters fest, dass das Verwaltungsverfahren im fortgesetzten Verfahren bezüglich Spruchpunkt I. (Asyl) in wesentlichen Punkten rechtmäßig durchgeführt wurde.

Dem BF wurde insbesondere durch die Erstbefragung und die Einvernahmen - jeweils unter Zuhilfenahme geeigneter Dolmetscher - ausreichend rechtliches Gehör gewährt.

Die belangte Behörde befragte den BF in den Einvernahmen insbesondere zu der von ihm behaupteten Gefahrensituation in Afghanistan und legte ihrer Entscheidung umfangreiche Berichte unbedenklicher Stellen über die Situation in Afghanistan zu Grunde. Der BF hat keine konkreten Hinweise gegeben, die weitergehende Ermittlungen notwendig gemacht hätten.

Laut Einvernahmeniederschrift wurden mit dem BF "die Feststellungen des BFA sein Heimatland betreffend erörtert". Dem Verwaltungsakt ist aber nicht nachvollziehbar zu entnehmen, welche "Feststellungen" dies gewesen wären (etwa durch Anführung des aktuellen Länderinformationsblattes der Staatendokumentation mit seinem Erstellungsdatum oder unter Anführung der relevanten Teile daraus).

Im Zuge des Verfahrens wurden dem BF seitens des BFA aktuelle Länderfeststellungen daher erst im angefochtenen Bescheid nachvollziehbar zur Kenntnis gebracht. Da der BF im Rahmen der Einvernahmen kein relevantes Vorbringen erstattete, welches darauf schließen ließ, dass eine Auseinandersetzung mit der aktuellen Lage in Afghanistan über die Vorhalte und Fragen während der Einvernahmen hinausgehend erforderlich gewesen wäre, um weitere asylrelevante Sachverhaltselemente darzulegen, wird dies seitens des BVwG im vorliegenden Fall nicht zu einer Beanstandung führen, da ein umfassender Vorhalt der Länderfeststellungen in Zusammenschau mit dem Vorbringen des BF nicht zu einem anderen Bescheidergebnis bezüglich Spruchpunkt I. (Asyl) geführt hätte. Darüber hinaus wurden im gegenständlichen Bescheid die der Entscheidung zugrundeliegenden Länderfeststellungen umfassend dargelegt, sodass der BF die Möglichkeit hatte, in seiner Beschwerde dazu Stellung zu nehmen, wovon er auch Gebrauch gemacht hat.

Wie der VwGH judiziert, kann eine Verletzung des Parteiengehörs dadurch saniert werden, dass die Partei die Möglichkeit hat, in ihrer Beschwerde ihren Rechtsstandpunkt darzulegen und sohin an der Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes mitzuwirken (VwGH 18.10.1989, 88/03/0151; VwGH 09.11.1995, 95/19/0540).

Dazu kommt, dass dem BF mit diesem Erkenntnis - unter Zugrundelegung dieser Länderfeststellungen - subsidiärer Schutz gewährt wird.

5.2.3. Zur Beschwerde:

Das Vorbringen in der Beschwerde war ebenfalls nicht geeignet, das Vorbringen des BF bezüglich Spruchpunkt I. (Asyl) zu unterstützen.

Bezüglich Spruchpunkt II. (subsidiärer Schutz) war der Beschwerde Erfolg beschieden.

5.2.4. Zu den Spruchpunkten des angefochtenen Bescheides:

5.2.4.1. Zu § 3 AsylG (Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides):

Gemäß § 3 AsylG ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, soweit dieser Antrag nicht wegen Drittstaatssicherheit oder Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist und glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974 (in der Folge GFK) droht (vgl. auch die Verfolgungsdefinition in § 2 Abs. 1 Z 11 AsylG, die auf Art. 9 der Statusrichtlinie (Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13.12.2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes; Neufassung) verweist.

Gemäß § 3 Abs. 3 AsylG ist der Asylantrag bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG) offensteht oder wenn er einen Asylausschlussgrund (§ 6 AsylG) gesetzt hat.

Die mit 01.01.2016 in Kraft getretenen Abs. 4 bis 4b des § 3 AsylG, die gemäß § 75 Abs. 24 für Asylanträge gelten, die nach dem 15.11.2015 gestellt worden sind, lauten:

"(4) Einem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wird, kommt eine befristete Aufenthaltsberechtigung als Asylberechtigter zu. Die Aufenthaltsberechtigung gilt drei Jahre und verlängert sich um eine unbefristete Gültigkeitsdauer, sofern die Voraussetzungen für eine Einleitung eines Verfahrens zur Aberkennung des Status des Asylberechtigten nicht vorliegen oder das Aberkennungsverfahren eingestellt wird. Bis zur rechtskräftigen Aberkennung des Status des Asylberechtigten gilt die Aufenthaltsberechtigung weiter. Mit Rechtskraft der Aberkennung des Status des Asylberechtigten erlischt die Aufenthaltsberechtigung.

(4a) Im Rahmen der Staatendokumentation (§ 5 BFA-G) hat das Bundesamt zumindest einmal im Kalenderjahr eine Analyse zu erstellen, inwieweit es in jenen Herkunftsstaaten, denen im Hinblick auf die Anzahl der in den letzten fünf Kalenderjahren erfolgten Zuerkennungen des Status des Asylberechtigten eine besondere Bedeutung zukommt, zu einer wesentlichen, dauerhaften Veränderung der spezifischen, insbesondere politischen, Verhältnisse, die für die Furcht vor Verfolgung maßgeblich sind, gekommen ist.

(4b) In einem Familienverfahren gemäß § 34 Abs. 1 Z 1 gilt Abs. 4 mit der Maßgabe, dass sich die Gültigkeitsdauer der befristeten Aufenthaltsberechtigung nach der Gültigkeitsdauer der Aufenthaltsberechtigung des Familienangehörigen, von dem das Recht abgeleitet wird, richtet."

Flüchtling im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK ist, wer sich "aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren."

Zentraler Aspekt dieses Flüchtlingsbegriffs der GFK ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Wohlbegründet kann eine Furcht nur dann sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers und unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist (vgl. z.B. VwGH 22.12.1999, 99/01/0334; VwGH 21.12.2000, 2000/01/0131; VwGH 25.01.2001, 2001/20/0011; VwGH 28.05.2009, 2008/19/1031). Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation (aus Konventionsgründen) fürchten würde.

Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 21.12.2000, 2000/01/0131; VwGH 25.01.2001, 2001/20/011; VwGH 28.05.2009, 2008/19/1031). Für eine "wohlbegründete Furcht vor Verfolgung" ist es nicht erforderlich, dass bereits Verfolgungshandlungen gesetzt worden sind; sie ist vielmehr bereits dann anzunehmen, wenn solche Handlungen zu befürchten sind (VwGH 26.02.1997, 95/01/0454; VwGH 09.04.1997, 95/01/0555), denn die Verfolgungsgefahr - Bezugspunkt der Furcht vor Verfolgung - bezieht sich nicht auf vergangene Ereignisse (vgl. VwGH 18.04.1996, 95/20/0239; vgl. auch VwGH 16.02.2000, 99/01/097), sondern erfordert eine Prognose.

Verfolgungshandlungen, die in der Vergangenheit gesetzt worden sind, können im Rahmen dieser Prognose ein wesentliches Indiz für eine Verfolgungsgefahr sein (vgl. dazu VwGH 09.03.1999, 98/01/0318). Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in einem der Gründe haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK nennt (VwGH 09.09.1993, 93/01/0284; VwGH 15.03.2001, 99720/0128); sie muss Ursache dafür sein, dass sich der Asylwerber außerhalb seines Heimatlandes bzw. des Landes seines vorherigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein (VwGH 16.06.1994, 94/19/0183; VwGH 18.02.1999, 98/20/0468). Relevant kann aber nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss vorliegen, wenn der Asylbescheid erlassen wird; auf diesen Zeitpunkt hat die Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den genannten Gründen zu befürchten habe (vgl. VwGH 09.03.1999, 98/01/0318; VwGH 19.10.2000, 98/20/0233).

Von einer mangelnden Schutzfähigkeit des Staates kann nicht bereits dann gesprochen werden, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe seitens Dritter präventiv zu schützen. Es ist erforderlich, dass der Schutz generell infolge Fehlens einer nicht funktionierenden Staatsgewalt nicht gewährleistet wird (vgl. VwGH 01.06.1994, 94/18/0263; VwGH 01.02.1995, 94/18/0731). Die mangelnde Schutzfähigkeit hat jedoch nicht zur Voraussetzung, dass überhaupt keine Staatsgewalt besteht - diesfalls wäre fraglich, ob von der Existenz eines Staates gesprochen werden kann -, die ihren Bürgern Schutz bietet. Es kommt vielmehr darauf an, ob in dem relevanten Bereich des Schutzes der Staatsangehörigen vor Übergriffen durch Dritte aus den in der GFK genannten Gründen eine ausreichende Machtausübung durch den Staat möglich ist. Mithin kann eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewendet werden kann (VwGH 22.03.2000, 99/01/0256).

Verfolgungsgefahr kann nicht ausschließlich aus individuell gegenüber dem Einzelnen gesetzten Einzelverfolgungsmaßnahmen abgeleitet werden, vielmehr kann sie auch darin begründet sein, dass regelmäßig Maßnahmen zielgerichtet gegen Dritte gesetzt werden, und zwar wegen einer Eigenschaft, die der Betreffende mit diesen Personen teilt, sodass die begründete Annahme besteht, (auch) er könnte unabhängig von individuellen Momenten solchen Maßnahmen ausgesetzt sein (VwGH 09.03.1999, 98/01/0370; VwGH 22.10.2002, 2000/01/0322).

Die Voraussetzungen der GFK sind nur bei jenem Flüchtling gegeben, der im gesamten Staatsgebiet seines Heimatlandes keinen ausreichenden Schutz vor der konkreten Verfolgung findet (VwGH 08.10.1980, VwSlg. 10.255 A). Steht dem Asylwerber die Einreise in Landesteile seines Heimatstaates offen, in denen er frei von Furcht leben kann, und ist ihm dies zumutbar, so bedarf er des asylrechtlichen Schutzes nicht; in diesem Fall liegt eine sog. "inländische Fluchtalternative" vor. Der Begriff "inländische Fluchtalternative" trägt dem Umstand Rechnung, dass sich die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK, wenn sie die Flüchtlingseigenschaft begründen soll, auf das gesamte Staatsgebiet des Heimatstaates des Asylwerbers beziehen muss (VwGH 08.09.1999, 98/01/0503 und 98/01/0648).

Grundlegende politische Veränderungen in dem Staat, aus dem der Asylwerber aus wohlbegründeter Furcht vor asylrelevanter Verfolgung geflüchtet zu sein behauptet, können die Annahme begründen, dass der Anlass für die Furcht vor Verfolgung nicht (mehr) länger bestehe. Allerdings reicht eine bloße - möglicherweise vorübergehende - Veränderung der Umstände, die für die Furcht des betreffenden Flüchtlings vor Verfolgung mitbestimmend waren, jedoch keine wesentliche Veränderung der Umstände im Sinne des Art. 1 Abschnitt C Z 5 GFK mit sich brachten, nicht aus, um diese zum Tragen zu bringen (VwGH 21.01.1999, 98/20/0399; VwGH 03.05.2000, 99/01/0359).

Im Hinblick auf die spezifische Situation des BF waren auch keinerlei konkrete Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der BF als Angehöriger der Ethnie der Hazara alleine wegen seiner Volksgruppenzugehörigkeit (und/oder wegen seiner Glaubensrichtung) in Afghanistan aktuell einer asylrelevanten Verfolgung ausgesetzt wäre.

Aus den obigen Länderfeststellungen ergeben sich keine Hinweise auf eine Gruppenverfolgung von Hazara (und Schiiten), vielmehr hat sich deren Situation in Afghanistan seit dem Ende der Talibanherrschaft nachhaltig und wesentlich verbessert.

Der VwGH hat in einem Erkenntnis am 13.10.2015 (Ra 2015/19/0106) eine Gruppenverfolgung der Hazara mit der Begründung nicht ausgeschlossen, dass das BVwG zur Lage der Hazara keine Feststellungen getroffen habe, was jedoch hier nicht der Fall ist. In zahlreichen Erkenntnissen des BVwG (teilweise auch nach Einholung länderkundlicher Sachverständigengutachten) wurde eine Verfolgung ausschließlich aufgrund der Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Hazara durchgehend verneint (z.B. erst jüngst BVwG 09.05.2016, W119 2012593-1/20E, BVwG 18.04.2016, W171 2015744-1, BVwG 13.11.2015, W124 2014289-1/8E und viele andere mehr).

Der VwGH hat in den letzten Jahren keine Gruppenverfolgung der Hazara irgendwo in Afghanistan judiziert, zum Unterschied zur Region Quetta in Pakistan (VwGH 17.12.2015, Ra 2015/20/0048). Es ist daher anzunehmen, dass der VwGH, sollte er der Auffassung sein, dass eine Gruppenverfolgung - auch lokal - in Afghanistan aktuell festzustellen wäre, in der zahlreich zu Afghanistan ergangenen Judikatur dies auch festgestellt hätte (siehe auch jüngst BVwG 16.06.2016, W159 2105321-1/8E).

Auch der EGMR hat in seiner Entscheidung vom 12.07.2016, 29094/09, A.M./Niederlande, ausgesprochen, dass weder die Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Hazara noch die allgemeine Sicherheitslage in Afghanistan als solche zu einem derart hohen Risiko führen würde, dass bei einer Rückkehr automatisch die Gefahr einer Verletzung von Art. 3 EMRK bestehe.

Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich, dass die behauptete Furcht des BF, in seinem Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit aus den in der GFK genannten Gründen verfolgt zu werden, nicht begründet ist:

Ein in seiner Intensität asylrelevanter Eingriff in die vom Staat zu schützende Sphäre des Einzelnen führt dann zur Flüchtlingseigenschaft, wenn er an einem in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK festgelegten Grund, nämlich die Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politische Gesinnung anknüpft.

Eine Verfolgung aus asylrelevanten Gründen konnte vom BF jedoch nicht glaubhaft gemacht werden. Das Verlassen des Herkunftsstaates aus persönlichen Gründen oder wegen der dort vorherrschenden prekären Lebensbedingungen stellt keine relevante Verfolgung im Sinne der GFK dar. Auch Nachteile, die auf die in einem Staat allgemein vorherrschenden politischen, wirtschaftlichen und sozialen Lebensbedingungen zurückzuführen sind, stellen keine Verfolgung im Sinne der GFK dar.

Da der BF asylrelevante Fluchtgründe nicht hat glaubhaft machen können bzw. eine konkrete individuelle Verfolgung nicht einmal geltend gemacht hat, liegt die Voraussetzung für die Gewährung von Asyl, nämlich die Gefahr einer aktuellen Verfolgung aus einem der in der GFK genannten Gründe, nicht vor. Soweit er eine Verfolgung durch Private behauptet, fehlt es überdies an einem ausreichenden Zusammenhang mit einem Konventionsgrund.

Im Übrigen ist darauf zu verweisen, dass dem BF gerade auf Grund der aktuellen Lage in Afghanistan und seiner individuellen Situation mit diesem Erkenntnis der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wird. Dafür, dass der BF aus einem asylrelevanten Grund von der allgemeinen Lage besonders betroffen wäre, lässt sich kein Anhaltspunkt erkennen.

Wie schon unter in den Sachverhaltsfeststellungen samt Beweiswürdigung (siehe oben Punkte 3. und 4.) ausgeführt, haben sich im gesamten Verfahren keine Anhaltspunkte gefunden, die zu einem anderen Ergebnis als im angefochtenen Bescheid bezüglich Spruchpunkt I. (Asyl) führen würden.

Daher war die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides gemäß § 3 Abs. 1 AsylG als unbegründet abzuweisen.

5.2.4.2. Zu § 8 AsylG (Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides):

Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird (Z 1), oder dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist (Z 2), der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Gemäß § 8 Abs. 2 AsylG ist die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach § 7 zu verbinden.

Gemäß § 8 Abs. 3 AsylG sind Anträge auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative im Sinne des § 11 offen steht.

Ist ein Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht schon mangels einer Voraussetzung gemäß Abs. 1 oder aus den Gründen des Abs. 3 oder 6 abzuweisen, so hat gemäß § 8 Abs. 3a AsylG in der Fassung FrÄG 2009 eine Abweisung auch dann zu erfolgen, wenn ein Aberkennungsgrund gemäß § 9 Abs. 2 AsylG in der Fassung FrÄG 2009 vorliegt. Diesfalls ist die Abweisung mit der Feststellung zu verbinden, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat unzulässig ist, da dies eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Dies gilt sinngemäß auch für die Feststellung, dass der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuzuerkennen ist.

Das BVwG hat somit vorerst zu klären, ob im Falle der Rückführung des Fremden in seinen Herkunftsstaat Art. 2 EMRK (Recht auf Leben), Art. 3 EMRK (Verbot der Folter), das Protokoll Nr. 6 zur EMRK über die Abschaffung der Todesstrafe oder das Protokoll Nr. 13 zur EMRK über die vollständige Abschaffung der Todesstrafe verletzt werden würde. Der VwGH hat in ständiger, noch zum Refoulementschutz nach der vorigen Rechtslage ergangenen, aber weiterhin gültigen Rechtsprechung erkannt, dass der Antragsteller das Bestehen einer solchen Bedrohung glaubhaft zu machen hat, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffende, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerte Angaben darzutun ist (VwGH 23.02.1995, 95/18/0049; VwGH 05.04.1995, 95/18/0530; VwGH 04.04.1997, 95/18/1127; VwGH 26.06.1997, 95/18/1291; VwGH 02.08.2000, 98/21/0461). Diese Mitwirkungspflicht des Antragstellers bezieht sich zumindest auf jene Umstände, die in der Sphäre des Asylwerbers gelegen sind und deren Kenntnis sich die Behörde nicht von Amts wegen verschaffen kann (VwGH 30.09.1993, 93/18/0214).

Die Anforderungen an die Schutzwilligkeit und Schutzfähigkeit des Staates entsprechen jenen, wie sie bei der Frage des Asyls bestehen (VwGH 08.06.2000, 2000/20/0141). Ereignisse, die bereits längere Zeit zurückliegen, sind daher nicht geeignet, die Feststellung nach dieser Gesetzesstelle zu tragen, wenn nicht besondere Umstände hinzutreten, die ihnen einen aktuellen Stellenwert geben (vgl. VwGH 14.10.1998, 98/01/0122; VwGH 25.01.2001, 2001/20/0011).

Unter "realer Gefahr" ist eine ausreichend reale, nicht nur auf Spekulationen gegründete Gefahr möglicher Konsequenzen für den Betroffenen ("a sufficiently real risk") im Zielstaat zu verstehen (VwGH 19.02.2004, 99/20/0573; auch ErläutRV 952 BlgNR 22. GP zu § 8 AsylG 2005). Die reale Gefahr muss sich auf das gesamte Staatsgebiet beziehen und die drohende Maßnahme muss von einer bestimmten Intensität sein und ein Mindestmaß an Schwere erreichen, um in den Anwendungsbereich des Art. 3 EMRK zu gelangen (zB. VwGH 26.06.1997, 95/21/0294; VwGH 25.01.2001, 2000/20/0438; VwGH 30.05.2001, 97/21/0560).

Herrscht in einem Staat eine extreme Gefahrenlage, durch die praktisch jeder, der in diesen Staat abgeschoben wird - auch ohne einer bestimmten Bevölkerungsgruppe oder Bürgerkriegspartei anzugehören -, der konkreten Gefahr einer Verletzung der durch Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte ausgesetzt wäre, so kann dies der Abschiebung eines Fremden in diesen Staat entgegen stehen. Die Ansicht, eine Benachteiligung, die alle Bewohner des Staates in gleicher Weise zu erdulden hätten, könne nicht als Bedrohung im Sinne des § 57 Abs. 1 FrG (nunmehr: § 50 Abs. 1 FPG bzw. § 8 Abs. 1 AsylG 2005) gewertet werden, trifft nicht zu (VwGH 25.11.1999, 99/20/0465; VwGH 08.06.2000, 99/20/0203; VwGH 17.09.2008, 2008/23/0588). Selbst wenn infolge von Bürgerkriegsverhältnissen letztlich offen bliebe, ob überhaupt noch eine Staatsgewalt bestünde, bliebe als Gegenstand der Entscheidung nach § 8 AsylG 1997 in Verbindung mit § 57 Abs. 1 FrG (nunmehr: § 8 Abs. 1 AsylG 2005) die Frage, ob stichhaltige Gründe für eine Gefährdung des Fremden in diesem Sinne vorliegen (VwGH 08.06.2000, 99/20/0203). Die bloße Möglichkeit einer dem Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben wird, genügt nicht, um seine Abschiebung in diesen Staat unter dem Gesichtspunkt des § 57 FrG (nunmehr: § 50 Abs. 1 FPG bzw. § 8 Abs. 1 AsylG 2005) als unzulässig erscheinen zu lassen; vielmehr müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade der Betroffene einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde (VwGH 27.02.2001, 98/21/0427; VwGH 20.06.2002, 2002/18/0028, siehe auch EGMR 20.07.2010, N. vs. Schweden, 23505/09, Rz 52ff).

Bei außerhalb staatlicher Verantwortlichkeit liegenden Gegebenheiten im Herkunftsstaat kann nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) die Außerlandesschaffung eines Fremden nur dann eine Verletzung des Art. 3 EMRK darstellen, wenn im konkreten Fall außergewöhnliche Umstände ("exceptional circumstances") vorliegen (EGMR 02.05.1997, D. vs. Vereinigtes Königreich, 30240/96; EGMR 06.02.2001, Bensaid, 44599/98; vgl. auch VwGH 21.08.2001, 2000/01/0443). Unter "außergewöhnlichen Umständen" können auch lebensbedrohende Ereignisse (zB. Fehlen einer unbedingt erforderlichen medizinischen Behandlung bei unmittelbar lebensbedrohlicher Erkrankung) ein Abschiebungshindernis im Sinne des Art. 3 EMRK in Verbindung mit § 8 Abs. 1 AsylG bzw. § 50 Abs. 1 FPG bilden, die von den Behörden des Herkunftsstaates nicht zu vertreten sind (EGMR 02.05.1997, D. vs. Vereinigtes Königreich; vgl. VwGH 21.08.2001, 2000/01/0443; VwGH 13.11.2001, 2000/01/0453; VwGH 09.07.2002, 2001/01/0164; VwGH 16.07.2003, 2003/01/0059).

Nach Ansicht des VwGH ist am Maßstab der Entscheidungen des EGMR zu Art. 3 EMRK für die Beantwortung der Frage, ob die Abschiebung eines Fremden eine Verletzung des Art. 3 EMRK darstellt, unter anderem zu klären, welche Auswirkungen physischer und psychischer Art auf den Gesundheitszustand des Fremden als reale Gefahr ("real risk") - die bloße Möglichkeit genügt nicht - damit verbunden wären (VwGH 23.09.2004, 2001/21/0137).

Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 AsylG gegeben sind:

Aus den im Verfahren herangezogenen herkunftsstaatsbezogenen Erkenntnisquellen ergibt sich zwar, dass die aktuelle Situation in Afghanistan unverändert weder sicher noch stabil ist, doch variiert dabei die Sicherheitslage regional von Provinz zu Provinz und innerhalb der Provinzen von Distrikt zu Distrikt.

Was die Sicherheitslage im Raum Kabul betrifft, ist festzuhalten, dass seit August 2008 die Sicherheitsverantwortung für den städtischen Bereich der Provinz Kabul nicht länger in den Händen von ISAF, sondern der afghanischen Armee und Polizei liegt. Diesen ist es nach anfänglichen Schwierigkeiten 2010 gelungen, Zahl und Schwere umgesetzter sicherheitsrelevanter Zwischenfälle deutlich zu reduzieren. Die positive Entwicklung der Sicherheitslage in Kabul erlaubt es mittlerweile sogar, in Abstimmung zwischen der Stadtverwaltung, nationalen und internationalen Sicherheitskräften mit dem Rückbau von Betonbarrieren und Verkehrsbeschränkungen zu beginnen. Die für die Bevölkerung deutlich spürbare Verbesserung der Sicherheitslage im Stadtbereich Kabuls geht weniger zurück auf eine Verminderung der Bedrohung (Anschlagsversuche, Eindringen von Aufständischen usw.), als vielmehr auf die Verbesserung vorbeugender Sicherheitsmaßnahmen. Medienwirksame Anschläge auf Einrichtungen mit Symbolcharakter sind dennoch auch künftig nicht auszuschließen (siehe Deutsches Auswärtiges Amt, "Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan" vom 09.02.2011, Seite 14), wie dies auch die weitere Entwicklung seit dieser Einschätzung bestätigt hat.

Hinsichtlich der in Afghanistan vorherrschenden Versorgungslage und der allgemeinen Lebensbedingungen der Bevölkerung ist auszuführen, dass die Verwirklichung grundlegender sozialer und wirtschaftlicher Bedürfnisse, wie etwa der Zugang zu Arbeit, Nahrung, Wohnraum und Gesundheitsversorgung, häufig nur sehr eingeschränkt möglich ist. Die soziale Absicherung liegt traditionell bei den Familien und Stammesverbänden. Afghanen, die außerhalb des Familienverbandes oder nach einer längeren Abwesenheit im westlich geprägten Ausland zurückkehren, stoßen auf größere Schwierigkeiten als Rückkehrer, die in Familienverbänden geflüchtet sind oder in einen solchen zurückkehren, da ihnen das notwendige soziale oder familiäre Netzwerk sowie die erforderlichen Kenntnisse der örtlichen Verhältnisse fehlen.

Beim BF handelt es sich zwar um einen arbeitsfähigen und gesunden jungen Mann mit Schulbildung und Berufserfahrung, bei dem die grundsätzliche Teilnahmemöglichkeit am Erwerbsleben vorausgesetzt werden kann. Es muss demgegenüber aber maßgeblich berücksichtigt werden, dass der BF in der Provinz Ghazni geboren und aufgewachsen ist, aber schon mit zehn oder elf Jahren mit seiner Familie Afghanistan verlassen und in Pakistan gelebt hat. Im Jahr 2007 hat er auch Pakistan verlassen und sieben Jahre lang in Griechenland gelebt und gearbeitet.

Der BF verfügt seinen eigenen Angaben zufolge derzeit in Afghanistan über keine sozialen oder familiären Netzwerke. Er wäre daher im Fall der Rückkehr nach Afghanistan vorerst auf sich alleine gestellt und gezwungen, allenfalls in Kabul nach einem - wenn auch nur vorläufigen - Wohnraum zu suchen, ohne jedoch über ausreichende Kenntnisse der örtlichen und infrastrukturellen Gegebenheiten der Hauptstadt Kabul zu verfügen. Wie aus den im Verfahren herangezogenen herkunftsstaatsbezogenen Erkenntnisquellen ersichtlich ist, stellt sich die Versorgung mit Wohnraum und Nahrungsmitteln insbesondere für alleinstehende Rückkehrer ohne familiären Rückhalt meist nur unzureichend dar. Angesichts der derzeitigen politischen Lage in Afghanistan ist zudem ausreichende staatliche Unterstützung sehr unwahrscheinlich.

Eine innerstaatliche Schutzalternative (§ 8 Abs. 3 in Verbindung mit § 11 AsylG), etwa in der Hauptstadt Kabul, würde dem BF unter Berücksichtigung seiner persönlichen Umstände und des Fehlens eines unterstützenden sozialen oder familiären Netzwerks in Afghanistan sowie auch im Hinblick auf die allgemein schlechte Versorgungslage in Afghanistan derzeit ebenfalls nicht zur Verfügung stehen.

Im gegenständlichen Fall kann daher unter Berücksichtigung der den BF betreffenden individuellen Umstände nicht mit der erforderlichen Sicherheit ausgeschlossen werden, dass der BF im Fall der Rückkehr nach Afghanistan einer realen Gefahr im Sinne des Art. 3 EMRK ausgesetzt wäre, welche unter Berücksichtigung der oben dargelegten persönlichen Verhältnisse des BF und der derzeit in Afghanistan vorherrschenden Versorgungsbedingungen mit hoher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung darstellen würde.

Die Rückkehr des BF nach Afghanistan erscheint daher derzeit unter den dargelegten Umständen als unzumutbar.

Durch eine Rückführung in den Herkunftsstaat würde der BF somit mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer realen Gefahr ausgesetzt sein, in Rechten nach Art. 3 EMRK verletzt zu werden.

Daher war der Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides stattzugeben und dem BF gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan zuzuerkennen.

5.2.4.3. Zu Spruchpunkt III. dieses Erkenntnisses (Erteilung einer befristeten Aufenthaltsberechtigung):

Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG ist einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wird, von der zuerkennenden Behörde gleichzeitig eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter zu erteilen. Die Aufenthaltsberechtigung gilt ein Jahr und wird im Falle des weiteren Vorliegens der Voraussetzungen über Antrag des Fremden vom BFA für jeweils zwei weitere Jahre verlängert. Nach einem Antrag des Fremden besteht die Aufenthaltsberechtigung bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Verlängerung des Aufenthaltsrechts, wenn der Antrag auf Verlängerung vor Ablauf der Aufenthaltsberechtigung gestellt worden ist.

Im gegenständlichen Fall war dem BF der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan zuzuerkennen (siehe Spruchpunkt II.).

Daher war dem BF gemäß § 8 Abs. 4 AsylG gleichzeitig eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter für die Dauer eines Jahres zu erteilen.

Zu Spruchteil B):

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 in der geltenden Fassung, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des VwGH ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes/VwGH auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Dass die Erteilung von Asyl die Darlegung und Glaubhaftmachung eines asylrelevanten Verfolgungsgrundes erfordert, entspricht der Rechtslage und der ständigen, oben näher zitierten Rechtsprechung des VwGH. Dass die Nichterteilung von subsidiärem Schutz an afghanische Staatsangehörige nach den aktuellen Länderberichten eine relativ gute Sicherheitslage in der Herkunftsregion sowie das Vorhandensein eines hinreichenden sozialen Netzes erfordert, entspricht der aktuellen, mehrjährigen Judikatur des VfGH, der sich bislang auch der VwGH angeschlossen hat. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind somit weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden, noch im Verfahren vor dem BVwG hervorgekommen, zumal im vorliegenden Fall vornehmlich die Klärung von Sachverhaltsfragen maßgeblich für die zu treffende Entscheidung war.

Die oben in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des VwGH ist zwar zum Teil zu früheren Rechtslagen ergangen, sie ist jedoch nach Ansicht des erkennenden Gerichts auf die inhaltlich weitestgehend gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

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