BVwG L508 2129313-1

BVwGL508 2129313-11.2.2018

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs3 Z2
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §6 Abs1 Z1
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2018:L508.2129313.1.00

 

Spruch:

L508 2129313-1/19E

 

L508 2129307-1/11E

 

L508 2129315-1/11E

 

L508 2129304-1/11E

 

L508 2129309-1/11E

 

L508 2129311-1/11E

 

IM NAMEN DER REPUBLIK!

 

1. Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. HERZOG als Einzelrichterin über die Beschwerde der XXXX , geb. XXXX , StA. Staatenlos (Palästinensische Autonomiegebiete), vertreten durch MigrantInnenverein St. Marx, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 16.06.2016, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 27.11.2017, zu Recht erkannt:

 

A) Die Beschwerde wird gemäß den § 3 Abs. 3 Z. 2 iVm § 6 Abs. 1 Z. 1

AsylG, § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG, § 10 Abs. 1 Z 3 und § 57 AsylG 2005 idgF. iVm § 9 BFA-VG sowie § 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9, § 46 und § 55 FPG 2005 idgF als unbegründet abgewiesen.

 

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

 

2. Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. HERZOG a

XXXX XXXX , geb. XXXX , StA. Staatenlos (Palästinensische Autonomiegebiete), vertreten durch die Mutter als gesetzliche Vertreterin, diese wiederum vertreten durch MigrantInnenverein St. Marx, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 16.06.2016, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 27.11.2017, zu Recht erkannt:

 

A) Die Beschwerde wird gemäß den § 3 Abs. 3 Z. 2 iVm § 6 Abs. 1 Z. 1

AsylG, § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG, § 10 Abs. 1 Z 3 und § 57 AsylG 2005 idgF. iVm § 9 BFA-VG sowie § 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9, § 46 und § 55 FPG 2005 idgF als unbegründet abgewiesen.

 

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

 

3. Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. HERZOG als Einzelrichterin über die Beschwerde der mjr. XXXX , geb. XXXX , StA. Staatenlos (Palästinensische Autonomiegebiete), vertreten durch die Mutter als gesetzliche Vertreterin, diese wiederum vertreten durch MigrantInnenverein St. Marx, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 16.06.2016, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 27.11.2017, zu Recht erkannt:

 

A) Die Beschwerde wird gemäß den § 3 Abs. 3 Z. 2 iVm § 6 Abs. 1 Z. 1

AsylG, § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG, § 10 Abs. 1 Z 3 und § 57 AsylG 2005 idgF. iVm § 9 BFA-VG sowie § 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9, § 46 und § 55 FPG 2005 idgF als unbegründet abgewiesen.

 

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

 

4. Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. HERZOG als Einzelrichterin über die Beschwerde der mjr. XXXX , geb. XXXX , StA. Staatenlos (Palästinensische Autonomiegebiete), vertreten durch die Mutter als gesetzliche Vertreterin, diese wiederum vertreten durch MigrantInnenverein St. Marx, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 16.06.2016, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 27.11.2017, zu Recht erkannt:

 

A) Die Beschwerde wird gemäß den § 3 Abs. 3 Z. 2 iVm § 6 Abs. 1 Z. 1

AsylG, § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG, § 10 Abs. 1 Z 3 und § 57 AsylG 2005 idgF. iVm § 9 BFA-VG sowie § 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9, § 46 und § 55 FPG 2005 idgF als unbegründet abgewiesen.

 

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

 

5. Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. HERZOG als Einzelrichterin über die Beschwerde des mjr. XXXX , geb. XXXX , StA. Staatenlos (Palästinensische Autonomiegebiete), vertreten durch die Mutter als gesetzliche Vertreterin, diese wiederum vertreten durch MigrantInnenverein St. Marx, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 16.06.2016, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 27.11.2017, zu Recht erkannt:

 

A) Die Beschwerde wird gemäß den § 3 Abs. 3 Z. 2 iVm § 6 Abs. 1 Z. 1

AsylG, § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG, § 10 Abs. 1 Z 3 und § 57 AsylG 2005 idgF. iVm § 9 BFA-VG sowie § 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9, § 46 und § 55 FPG 2005 idgF als unbegründet abgewiesen.

 

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

 

6. Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. HERZOG als Einzelrichterin über die Beschwerde der mjr. XXXX , geb. XXXX , StA. Staatenlos (Palästinensische Autonomiegebiete), vertreten durch die Mutter als gesetzliche Vertreterin, diese wiederum vertreten durch MigrantInnenverein St. Marx, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 16.06.2016, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 27.11.2017, zu Recht erkannt:

 

A) Die Beschwerde wird gemäß den § 3 Abs. 3 Z. 2 iVm § 6 Abs. 1 Z. 1

AsylG, § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG, § 10 Abs. 1 Z 3 und § 57 AsylG 2005 idgF. iVm § 9 BFA-VG sowie § 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9, § 46 und § 55 FPG 2005 idgF als unbegründet abgewiesen.

 

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

 

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

 

I. Verfahrensgang

 

1. Die Beschwerdeführer, gemäß der Reihenfolge ihrer Nennung im Spruch als BF1 bis BF6 bezeichnet, sind Staatenlose aus Palästina/Gazastreifen, stellten nach illegaler Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 24.02.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Zu diesem wurden die BF1 sowie die BF2 noch am selben Tag durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt.

 

Bei der BF1 handelt es sich um die Mutter der BF2 bis BF6.

 

2. Im Rahmen dieser Erstbefragung brachten die BF1 und die BF2 befragt zu ihren Fluchtgründen vor, dass in Gaza Krieg herrsche und das Haus bereits zerstört worden sei. Die BF1 fürchte um ihr Leben sowie das Leben ihrer Kinder. Aufgrund einer Namensgleichheit werde vermutet, dass ihre Familie zur Hamas gehöre und würden sie daher von den Israelis und der Fatah-Partei verfolgt werden.

 

3. In weiterer Folge wurden die Verfahren zugelassen und wurde den BF eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung erteilt.

 

4. Am 09.03.2016 fand vor dem BFA, Regionaldirektion Kärnten, ein Einvernahme statt und wurden die BF1 und die BF2 zu ihren Fluchtgründen befragt. Die BF1 gab im Rahmen der Einvernahme an, dass sie Palästinenserin sei, der arabischen Volksgruppe angehöre und moslemischen Glaubens sei. Sie und ihre Familie seien bei der UNRWA registriert. Sie seien stets von UNRWA unterstützt worden. Palästina habe sie verlassen, weil sie wegen der Namensgleichheit mit einem Minister seitens der Hamas und Fatah bedroht worden sei. Sie sei nie politisch tätig gewesen. Sie habe jedoch ein kleines Problem mit den Behörden bzw. der Hamas gehabt und wurde hierzu eine polizeiliche Ladung in Kopie zur Befragung am 10.08.2014 in Vorlage gebracht. Sie sei nämlich einmal für eine Hilfsorganisation tätig gewesen. In einem Schreiben der Polizei bzw. der Hamas sei sie aufgefordert worden, nicht mehr bei der Hilfsorganisation, bei der sie kurze Zeit geholfen habe, zu arbeiten. Dieses Schreiben der Hamas habe sie am 28.10.2014 erhalten und hätten ein solches Schreiben auch alle anderen Mitarbeiter der Hilfsorganisation bekommen. Weitere Probleme habe es nach dem Schreiben keine gegeben und sei sie zwei Monate danach geflüchtet. Ein weiterer Fluchtgrund sei darin gelegen, dass ihr ihre Familie aufgrund der Scheidung den Umgang mit ihren Kindern verboten habe. Nach der Scheidung hätten die Kinder beim Ex-Mann gelebt und hätten ihr ihre Eltern verboten, ihren Ex-Mann und die Kinder zu besuchen. Mit Unterstützung ihres Ex-Mannes habe sie sodann Palästina mit den Kindern verlassen. Ihre Kinder hätten keine eigenen Fluchtgründe sondern dieselben wie sie. Ihre Eltern, 6 Geschwister, die Schwiegereltern sowie ihr Ehemann würden sich noch in Gaza aufhalten und dort leben. Ihr Leben in Gaza sei zu Ende. Dort gäbe es keine Sicherheit und keine Zukunft für ihre Kinder.

 

Der BF1 wurde die Möglichkeit geboten zu den Länderfeststellungen Stellung zu nehmen und gab sie dazu an, dass die Länderinformationen stimmen würden und sie nichts zu ergänzen habe.

 

Die BF2 gab im Rahmen dieser Einvernahme an, dass sie keine eigenen Fluchtgründe hätte, sondern einfach ihre Mutter begleitet habe. Nach ihrer Schulausbildung hätte sie in Gaza keine Arbeit bekommen und hätte zu Hause bleiben müssen. Ferner gab sie an, dass sie bei der UNRWA registriert gewesen sei und ihre Familie Unterstützung erhalten habe.

 

5. Als Identitätsnachweise brachten die BF palästinensischen Reisepässe, sowohl im Original als auch in Kopie, ausgestellt von der palästinensischen Autonomiebehörde in XXXX betreffend die BF1, die BF2 und die BF3 sowie einen Personalausweises ausgestellt von der palästinensischen Autonomiebehörde am 08.09.2011 betreffend die BF1 in Vorlage. Ferner wurden Geburtsurkunden betreffend die Kinder, die Kopie einer Scheidungsurkunde sowie ein UNRWA Familienzertifikat in Kopie in Vorlage gebracht.

 

6. Seitens des BFA wurden Erhebungen betreffend der UNRWA Registrierung der BF geführt und ergibt sich aus der Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 18.05.2016, basierend auf einer Information der UNRWA, dass die BF1 bei der UNRWA als Flüchtling registriert ist.

 

7. Mit den angefochtenen Bescheiden des BFA jeweils vom 16.06.2016 wurden die jeweiligen Anträge der Beschwerdeführer auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 3 Ziffer 2 iVm § 2 Ziffer 13 und § 6 Absatz 1 AsylG abgewiesen. Gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG wurde der jeweilige Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Palästinensische Gebiete/Gaza abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen die BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass deren Abschiebung nach Palästinensische Gebiete/Gaza gemäß § 46 FPG zulässig sei. Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung. Dem Fluchtvorbringen wurde die Glaubwürdigkeit versagt und wurde ferner ausgeführt, dass ein Asylausschlussgrund gegeben sei, da die BF aufgrund der UNRWA Registrierung den Schutz der UNRWA wieder in Anspruch nehmen können.

 

8. Mit jeweiligem Schriftsatz vom 29.06.2016 erhoben die Beschwerdeführer die vorliegenden, fristgerecht erhobenen und zulässigen Beschwerden. Hinsichtlich des genauen Inhaltes der Beschwerden wird auf den Akteninhalt (VwGH 16. 12. 1999, 99/20/0524) verwiesen.

 

8.1. Zunächst wurde beantragt, das Bundesverwaltungsgericht möge

 

* eine mündliche Beschwerdeverhandlung anberaumen

 

* die angefochtenen Entscheidungen beheben und den Beschwerdeführern den

 

Status eines Asylberechtigten zuerkennen;

 

* in eventu die angefochtenen Bescheide des BFA bezüglich des Spruchpunktes II.

 

beheben und den Beschwerdeführern den Status eines subsidiär Schutzberechtigten

 

gem. § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG gewähren;

 

* in eventu die angefochtenen Bescheide ersatzlos beheben und zur

 

Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an das BFA zurückverweisen;

 

* in eventu den BF einen Aufenthaltstitel aus besonders berücksichtigungswürdigen

 

Gründen erteilen.

 

8.2. Begründet wird die Beschwerde mit Mängeln im Rahmen der Beweiswürdigung sowie dem Ermittlungsverfahren, wobei diese Mängel nicht konkretisiert werden. Darüber hinaus wird ausgeführt, dass den BF aufgrund der UNRWA Registrierung der "ipso-facto" Schutz der Status-RL zu Unrecht nicht zuerkannt worden sei. Ferner wurden Ausführungen zur Unmöglichkeit der Einreise in das Mandatsgebiet der UNRWA sowie zur unsicheren Lage im Gazastreifen getroffen.

 

8.3. Mit diesem Rechtsmittel wurde jedoch kein hinreichend substantiiertes Vorbringen erstattet, welches geeignet wäre, zu einer anderslautenden Entscheidung zu gelangen.

 

9. Am 27.11.2017 wurde vor dem Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung abgehalten, an welcher die Beschwerdeführer sowie die bevollmächtigte Vertreterin teilnahmen. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ist der Verhandlung unentschuldigt ferngeblieben.

 

10. Im Verlauf der mündlichen Verhandlung wurde Beweis erhoben durch Einsicht in den Verwaltungsakt, Erörterung der Länderberichte zur Situation in den palästinensischen Autonomiegebieten, Einvernahme der BF1 und BF2 als Parteien, Erörterung der von den Beschwerdeführern in Vorlage gebrachten Dokumente (UNRWA-Registrierungsbestätigung, Personalausweis, Reisepässe, Unterlagen zur Integration) sowie der Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 18.05.2016, basierend auf einer Information der UNRWA, aus welcher sich ergibt, dass die BF1 bei der UNRWA als Flüchtling registriert ist.

 

11. Hinsichtlich des Verfahrensherganges und Parteienvorbringens im Detail wird auf den Akteninhalt verwiesen.

 

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

 

1. Verfahrensbestimmungen

 

1.1. Zuständigkeit, Entscheidung durch den Einzelrichter

 

Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 des Bundesgesetzes, mit dem die allgemeinen Bestimmungen über das Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Gewährung von internationalem Schutz, Erteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Abschiebung, Duldung und zur Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen sowie zur Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde geregelt werden (BFA-Verfahrensgesetz – BFA-VG), BGBl I 87/2012 idgF entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.

 

Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz – BVwGG), BGBl I 10/2013 entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

 

Gegenständlich liegt somit mangels anderslautender gesetzlicher Anordnung in den anzuwendenden Gesetzen Einzelrichterzuständigkeit vor.

 

1.2. Anzuwendendes Verfahrensrecht

 

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG), BGBl. I 33/2013 idF BGBl I 122/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

 

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

 

§ 1 BFA-VG (Bundesgesetz, mit dem die allgemeinen Bestimmungen über das Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Gewährung von internationalem Schutz, Erteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Abschiebung, Duldung und zur Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen sowie zur Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde geregelt werden, BFA-Verfahrensgesetz, BFA-VG), BGBl I 87/2012 idF BGBl I 144/2013 bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und FPG bleiben unberührt.

 

Gem. §§ 16 Abs. 6, 18 Abs. 7 BFA-VG sind für Beschwerdevorverfahren und Beschwerdeverfahren, die §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anzuwenden.

 

1.3. Familienverfahren

 

§ 34 AsylG 2005 lautet:

 

"(1) Stellt ein Familienangehöriger von

 

1. einem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist;

 

2. einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8) zuerkannt worden ist oder

 

3. einem Asylwerber

 

einen Antrag auf internationalen Schutz, gilt dieser als Antrag auf Gewährung desselben Schutzes.

 

(2) Die Behörde hat auf Grund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn

 

1. dieser nicht straffällig geworden ist und

 

(Anm.: Z 2 aufgehoben durch Art. 3 Z 13, BGBl. I Nr. 84/2017)

 

3. gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§ 7).

 

(3) Die Behörde hat auf Grund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn

 

1. dieser nicht straffällig geworden ist;

 

(Anm.: Z 2 aufgehoben durch Art. 3 Z 13, BGBl. I Nr. 84/2017)

 

3. gegen den Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§ 9) und

 

4. dem Familienangehörigen nicht der Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen ist.

 

(4) Die Behörde hat Anträge von Familienangehörigen eines Asylwerbers gesondert zu prüfen; die Verfahren sind unter einem zu führen; unter den Voraussetzungen der Abs. 2 und 3 erhalten alle Familienangehörigen den gleichen Schutzumfang. Entweder ist der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wobei die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten vorgeht, es sei denn, alle Anträge wären als unzulässig zurückzuweisen oder abzuweisen. Jeder Asylwerber erhält einen gesonderten Bescheid. Ist einem Fremden der faktische Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 4 zuzuerkennen, ist dieser auch seinen Familienangehörigen zuzuerkennen.

 

(5) Die Bestimmungen der Abs. 1 bis 4 gelten sinngemäß für das Verfahren beim Bundesverwaltungsgericht.

 

(6) Die Bestimmungen dieses Abschnitts sind nicht anzuwenden:

 

1. auf Familienangehörige, die EWR-Bürger oder Schweizer Bürger sind;

 

2. auf Familienangehörige eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten oder der Status des subsidiär Schutzberechtigten im Rahmen eines Verfahrens nach diesem Abschnitt zuerkannt wurde, es sei denn es handelt sich bei dem Familienangehörigen um ein minderjähriges lediges Kind;

 

3. im Fall einer Aufenthaltsehe, Aufenthaltspartnerschaft oder Aufenthaltsadoption (§ 30 NAG)."

 

Gemäß § 2 Absatz 1 Z 22 leg. cit. ist somit ein Familienangehöriger, wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind eines Asylwerbers oder eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Ehe bei Ehegatten bereits vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten bestanden hat, sowie der gesetzliche Vertreter der Person, der internationaler Schutz zuerkannt worden ist, wenn diese minderjährig und nicht verheiratet ist, sofern dieses rechtserhebliche Verhältnis bereits im Herkunftsland bestanden hat; dies gilt weiters auch für eingetragene Partner, sofern die eingetragene Partnerschaft bereits vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten bestanden hat.

 

Im gegenständlichen Fall liegt ein Familienverfahren zwischen der BF1 und den BF2 bis BF6 vor. Bei der BF1 handelt es sich um die Mutter der minderjährigen Kinder BF2 bis BF6.

 

2. Zur Entscheidungsbegründung:

 

Beweis erhoben wurde im gegenständlichen Beschwerdeverfahren durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl unter zentraler Berücksichtigung der niederschriftlichen Angaben der Beschwerdeführer, der in Vorlage gebrachten Dokumente, (UNRWA-Registrierungsbestätigung, Personalausweis, Reisepässe, Unterlagen zur Integration), Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 18.05.2016, basierend auf einer Information der UNRWA, aus welcher sich ergibt, dass die BF1 bei der UNRWA als Flüchtling registriert ist sowie insbesondere den Angaben der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht.

 

2.1. Auf der Grundlage dieses Beweisverfahrens gelangt das BVwG nach Maßgabe unten dargelegter Erwägungen zu folgenden entscheidungsrelevanten Feststellungen:

 

2.1.1. Zur Person der Beschwerdeführer und deren Fluchtgründe:

 

Die Beschwerdeführer sind staatenlose Palästinenser aus dem Gazastreifen, sunnitischen Glaubens und Angehöriger der arabischen Volksgruppe.

 

Die Beschwerdeführer lebten bis zum Verlassen des Heimatlandes in Gaza-Stadt. Zunächst lebte die BF1 bei ihren Eltern, nach der Eheschließung gemeinsam mit dem Ehemann. Nach der Scheidung lebte die BF1 bis zur Ausreise wieder bei ihren Eltern. Die BF2 bis BF6 lebten zunächst gemeinsam mit ihrer Mutter und ihrem Vater und nach der Scheidung der Eltern bei ihrem Vater.

 

Die BF1 besuchte in Gaza die Schule und erlernte den Beruf der Schneiderin. Einer Berufstätigkeit ist die BF1 nicht nachgegangen. Sie lebte zunächst im Familienverband ihrer Eltern und sodann im Familienverband mit ihrem nunmehrigen Ex-Gatten. Sie wurde von ihren Familienangehörigen bzw. ihrem Gatten und der UNRWA unterstützt.

 

Die Eltern der BF1 und sechs Geschwister (3 Brüder und 3 Schwestern) leben nach wie vor in Gaza-Stadt und werden von der UNRWA unterstützt.

 

Der geschiedene Ehemann der BF1 bzw. Vater der BF2 bis BF6 gelangte im Oktober 2017 mit seiner nunmehrigen neuen Familie nach Österreich stellte am 04.10.2017 in Österreich einen Asylantrag. Als Fluchtgrund gab er Probleme mit Angehörigen der Terrororganisation "Islamischer Staat" an. Sein Asylantrag wurde mit Bescheid des BFA vom 15.11.2017 gemäß § 5 AsylG als unzulässig zurückgewiesen und festgestellt, dass Italien gemäß der Dublin III-VO für sein Asylverfahren zuständig sei. Dieses Verfahren befindet sich seit 15.12.2017 in Beschwerde beim BVwG.

 

Die Beschwerdeführer reisten im Februar 2015 illegal in das Bundesgebiet ein und leben seither in Österreich.

 

Die Beschwerdeführer sind im Herkunftsgebiet bei der UN-Hilfsorganisation für palästinensische Flüchtlinge UNRWA in Gaza registriert. Sie sind darüber hinaus im israelischen Bevölkerungsregister sowie bei der palästinensischen Autonomiebehörde registriert und verfügten für die Ausreise über Reisepässe sowie die BF1 ferner über einen Personalausweis dieser Behörde.

 

Die Eltern und sechs Geschwister (3 Brüder und 3 Schwestern) der BF1 genießen die Unterstützung der UNRWA vor Ort in Form von Zuwendungen im Rahmen des Hilfs- und Dienstprogrammes sowie auch auf die Gesundheitsleistungen der UNRWA.

 

Der von der BF1 vorgebrachte Fluchtgrund (Verfolgung und Bedrohung durch die Hamas und Fatah) wird mangels Glaubwürdigkeit des diesbezüglichen Vorbringens nicht festgestellt. Es kann sohin nicht festgestellt werden, dass die Beschwerdeführer aus Gründen der GFK asylrelevant verfolgt bzw. dessen Leben bedroht wurde beziehungsweise dies im Falle einer Rückkehr in die palästinensischen Autonomiegebiete mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eintreffen könnte.

 

Die BF2 bis BF6 haben keine eigenen Verfolgungsgründe dargelegt, sondern sich auf die Fluchtgründe von BF1 bezogen.

 

Es war nicht feststellbar, dass die BF1 vor ihrer Ausreise einer individuellen Verfolgung aus in ihrer Person gelegenen Gründen durch Organe der Hamas oder Fatah ausgesetzt war oder stichhaltige Gründe für die Annahme vorliegen, dass sie bei einer Rückkehr nach Gaza bzw. in den Gazastreifen einer solchen ausgesetzt wäre.

 

Es war sohin auch nicht feststellbar, dass die Beschwerdeführer bei einer Rückkehr in den Gazastreifen als staatenlose palästinensische Flüchtlinge nicht den Beistand der UNRWA vor Ort in Anspruch nehmen könnten, sofern sie diesen in Anspruch nehmen wollte.

 

Es konnten im konkreten Fall auch keine stichhaltigen Gründe für die Annahme festgestellt werden, dass die Beschwerdeführer Gefahr liefe, in den palästinensischen Autonomiegebieten einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe bzw. einer sonstigen konkreten individuellen Gefahr unterworfen zu werden.

 

Es kann nicht festgestellt werden, dass die Beschwerdeführer im Falle der Rückkehr in die palästinensischen Autonomiegebiete in eine existenzgefährdende Notsituation geraten würden. Nicht feststellbar war, dass die Beschwerdeführer bei einer Rückkehr in ihre Heimat keine Existenzgrundlage zur Befriedigung seiner elementaren Lebensbedürfnisse hätten.

 

Die Beschwerdeführer waren vor der Ausreise aus Palästina keiner Verfolgung durch die Terrororganisation Islamischer Staat (IS) ausgesetzt noch wären sie einer solchen im Falle einer Rückkehr in die Heimat ausgesetzt.

 

Im Entscheidungszeitpunkt konnte auch keine sonstige aktuelle Gefährdung der Beschwerdeführer in ihrem Heimatland festgestellt werden.

 

Die Beschwerdeführer leiden weder an einer schweren körperlichen noch an einer schweren psychischen Erkrankung.

 

Die Beschwerdeführer verfügen zum Entscheidungszeitpunkt über keine relevanten Bindungen zu Österreich. In Österreich halten sich keine zum dauernden Aufenthalt berechtigte Verwandte der BF auf. Die BF befinden sich in der Grundversorgung und leben von staatlicher Unterstützung. Die Beschwerdeführer sind nicht selbsterhaltungsfähig. Es konnte nicht festgestellt werden, dass die BF1 über umfassende Deutschkenntnisse verfügt. BF2 bis BF5 besuchen in Österreich die Schule, BF6 den Kindergarten. Mit Ausnahme in Bezug auf den BF2 und die BF3 wurden keine Unterstützungserklärungen vorgelegt. Maßgeblichen Anhaltspunkte für die Annahme einer hinreichenden Integration der BF in Österreich in sprachlicher, beruflicher oder gesellschaftlicher Hinsicht konnten nicht festgestellt werden.

 

Des Weiteren liegen die Voraussetzungen für die Erteilung einer "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" nicht vor und ist die Erlassung einer Rückkehrentscheidung geboten.

 

Gegen die BF1 wurde wegen der Begehung eines Diebstahls am 09.03.2017 ein Strafantrag wegen § 127 StGB einbracht. Von der Strafverfolgung wurde nach Erbringung von gemeinnützigen Leistungen durch die BF1 gemäß §201 Abs. 5 StPO zurückgetreten und wurde das Verfahren am 24.05.2017 eingestellt.

 

Es konnten keine maßgeblichen Anhaltspunkte für die Annahme einer umfassenden und fortgeschrittenen Integration der BF in Österreich in sprachlicher, beruflicher und gesellschaftlicher Hinsicht festgestellt werden, welche die öffentlichen Interessen an einer Aufenthaltsbeendigung überwiegen würden.

 

Die Beschwerdeführer haben mit Ausnahme ihres nunmehrigen Aufenthalts in Europa ihr gesamtes Leben in Palästina verbracht, wo sie sozialisiert wurden und wo sich nach wie vor die nächsten Verwandten und Freunde aufhalten.

 

Des Weiteren liegen die Voraussetzungen für die Erteilung einer "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" nicht vor und ist die Erlassung einer Rückkehrentscheidung geboten. Es ergibt sich aus dem Ermittlungsverfahren überdies, dass die Zulässigkeit der Abschiebung der BF nach Palästina festzustellen ist.

 

2.1.2. Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in den palästinensischen Autonomiegebieten war festzustellen:

 

Zur Lage in den palästinensischen Autonomiegebieten werden folgende, - im Zuge der mündlichen Verhandlung in das Verfahren eingeführte -,

Länderfeststellungen dem Verfahren zugrunde gelegt:

 

Quellen:

 

 

--Anfragebeantwortung der Staatendokumentation, Palästinensische Gebiete – Gaza, vom 28.10.2016

 

1. Politische Lage

 

Die Palästinensische Behörde hat den Status eines Völkerrechtssubjekts, das "Gebiet der Palästinensischen Behörde" wird aber nicht als Staat im Sinne des Völkerrechts anerkannt (BMEIA 08.09.2016).

 

Im Dezember 2014 stimmte das europäische Parlament mit einer überwältigenden Mehrheit (498 Stimmen dafür, 88 dagegen) für die "Quasi"-Anerkennung Palästinas als Staat. Dieses Votum ist rechtlich nicht bindend, aber es sendet eine starke Botschaft an die internationale Gemeinschaft. Schweden ist einen Schritt weiter gegangen und hat Palästina offiziell als Staat anerkannt (BBC 17.12.2014). Im Jänner 2015 akzeptierte UN-Chef Ban Ki-Moon den Antrag Palästinas auf Mitgliedschaft beim Internationalen Gerichtshof. Eine solche Mitgliedschaft könnte den Palästinensern die Möglichkeit eröffnen, Beschwerden wegen Kriegsverbrechen gegen Israel zu richten (The Daily Star 08.01.2015).

 

Die Palästinensische Befreiungsorganisation (PLO – Palestinian Liberation Organisation) wurde 1974 als einzig legitime Vertreterin des palästinensischen Volkes von der UNO anerkannt. Im Jahre 1993 folgte die Anerkennung der PLO als einzige Vertreterin der Palästinenser durch Israel, welche im Gegensatz zur Palästinensische Autonomiebehörde (PA – Palestinian Authority) die Palästinenser auch außerhalb der besetzten Gebiete vertritt. Als Dachorganisation für die verschiedenen palästinensischen Parteien und Bewegungen leidet ihre Legitimation jedoch darunter, dass vor allem die Hamas, die 2006 immerhin die Wahlen in den gesamten Gebieten gewann, nicht zu ihren Mitgliedern zählt (Zenith Online 30.11.2012).

 

Die PLO und Israel richteten die PA infolge der Prinzipienerklärung von 1993, bekannt als Oslo Verträge, ein. Die PA war gedacht als Regierungsbehörde für die Westbank und Gaza, bis zur Erreichung eines finalen Abkommens im Friedensprozess (UK Border Agency 19.06.2015).

 

Das palästinensische Grundgesetz, das 2002 in Kraft getreten ist, und 2003 mit der Einführung der Position des Ministerpräsidenten geändert wurde, definiert Palästina als rechtsstaatliche, parlamentarische Demokratie mit Parteienpluralismus und klassischer Gewaltenteilung.

 

Am 25. Januar 2006 fanden zum zweiten Mal die Wahlen zum Palästinensischen Legislativrat statt (erste Wahlen im Jänner 1996). Hamas konnte dabei 74 der 132 Sitze für sich gewinnen. Die zuvor regierende Fatah erhielt nur 45 Mandate. Im März 2006 wurde Ismail Haniyeh Premierminister einer Hamas-Regierung im Westjordanland und im Gazastreifen.

 

Nach dem Erdrutschsieg von Hamas begannen die gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen den Anhängern der beiden Gruppen, in deren Verlauf Hunderte von Menschen ums Leben kamen. Ihren Höhepunkt fanden sie im Juni 2007 im Gazastreifen als Hamas mit Gewalt die Kontrolle über alle Sicherheitseinrichtungen und Regierungsgebäude der PA übernahm. Präsident Mahmoud Abbas setzte die erst im März 2007 gebildete Einheitsregierung unter Ismail Haniyeh ab, verhängte den Ausnahmezustand und setzte schließlich eine Übergangsregierung ein. Israel verhängte eine Blockade über den Gazastreifen. Seitdem ist Palästina zweigeteilt, in einen von Hamas kontrollierten Gazastreifen und ein von Fatah kontrolliertes Westjordanland. In beiden Gebieten wurden Aktivisten der jeweils anderen Seite inhaftiert und misshandelt, deren Einrichtungen geschlossen, ihre Medien verboten und ihre Demonstrationen aufgelöst. Wahlen wurden auf Grund der Streitigkeiten bis zu einer Einigung zwischen Fatah und Hamas aufgeschoben. (Im Westjordanland fanden dennoch 2012 lokale Wahlen statt.) Die zahlreichen Versuche der Einigung zwischen den beiden Parteien sind immer wieder gescheitert. Im Frühjahr 2014 haben sich die Hamas und die Fatah auf die Bildung einer Einheitsregierung aus parteilosen Experten geeinigt, wodurch die Palästinensischen Gebiete erstmals seit sieben Jahren derselben Exekutivgewalt unterstehen würden. Israel teilte mit, dass es die Konsensregierung boykottieren werde, da sie von der Hamas unterstützt werde (LIPortal 09.2016). Die Einheitsregierung ist jedoch, aufgrund der weiterhin vorherrschenden starken Differenzen zwischen Hamas und Fatah, noch immer nicht funktionsfähig (al-Monitor 08.03.2016). Die palästinensische Seite befindet sich seit Langem in einer Zwickmühle: Die israelische Regierung konnte Palästinenserpräsident Abbas stets vorhalten, er sei "kein Partner für den Frieden", weil ihm ohne Hamas die Abschlussvollmacht für sämtliche Palästinenser fehle. Sobald er jedoch die Hamas politisch mit ins Boot nahm, wurde ihm vorgeworfen, er arbeite mit einer Terrororganisation zusammen, die Israel von der Landkarte tilgen wolle (KAS 19.6.2014). Seit der Spaltung im Jahr 2007 ist Gaza effektiv ein Ein-Parteien-Staat, die Fatah wird großteils unterdrückt, kleinere politische Gruppen werden in unterschiedlichem Maße toleriert. In der Öffentlichkeit finden wenig bis keine Aktivitäten von Oppositionsparteien statt (FH 27.01.2016).

 

Für den 08.10.2016 waren in Gaza und im Westjordanland in 416 Städten und Dörfern Kommunalwahlen geplant. Die in Gaza regierende Hamas hat ihre Teilnahme an den Wahlen angekündigt. 2012 hatte die Hamas die zweite Runde der nur im Westjordanland abgehaltenen Kommunalwahlen boykottiert (Der Standard 16.08.2016). Die Wahlen wurden jedoch von dem Obersten Gericht in XXXX abgesagt, erstens, weil in Jerusalem keine Wahlen vorgesehen waren, zweitens, weil Entscheidungen über die Zulassung der Kandidaten in Gazastreifen ohne die PA gefällt worden waren (Der Standard 08.09.2016).

 

Die Hamas wird von Israel und dessen Verbündeten, den USA, als terroristische Organisation eingestuft. Die USA haben die EU gedrängt, ebenfalls bei dieser Einstufung zu bleiben. Der Europäische Gerichtshof hatte die Entscheidung von 2001, die Hamas in die Liste der Terrororganisationen aufzunehmen, für nichtig erklärt, da sie nicht auf rechtlich profunden Entscheidungen basierte. Doch die Außenminister der 28 EU Mitgliedstaaten beschlossen im Jänner 2015 – auch auf Druck von Seiten der USA - , gegen das Urteil Berufung einzulegen und die Hamas weiterhin als terroristische Organisation einzustufen, eine Entscheidung (The Daily Star 19.1.2015).

 

Nach dem jüngsten Krieg mit Israel im Sommer 2014 geht der Wiederaufbau in Gaza nur schleppend voran, und auf Grund der israelischen Abriegelung des Gazastreifens fehlt es an Materialien für den Wiederaufbau. Von den ca. 100,000 Menschen, deren Häuser während der Kämpfe schwer beschädigt oder zerstört wurden, sind ca. 65,000 immer noch vertrieben (OCHAoPt 30.08.2016).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

1. Sicherheitslage

 

Der Krieg zwischen Gaza und Israel im Sommer 2014 forderte 1462 palästinensische zivile und 6 israelische zivile Opfer. Schulen, medizinische Einrichtungen, Wasser- und Abwassersysteme, landwirtschaftliche Flächen und Geschäfte wurden zerstört. Das einzige Elektrizitätswerk Gazas wurde schwer beschädigt. Amnesty International bezichtigt sowohl die israelische als auch die palästinensische Seite, Menschenrechtsverletzungen begangen zu haben (AI 07.07.2016). Nach der Militäroffensive ist die Lage prekär. Gaza liegt in Trümmern, es fehlt an Gütern wie Zement und anderen Baumaterialien für den Wiederaufbau. Viele Menschen haben keine Perspektive mehr und bewaffnete Gruppen versuchen diese Lücke im Gazastreifen zu füllen (Die Presse 16.05.2016).

 

Im Jahr 2015 unternahmen die Israel Defense Forces bis zum 23. November 50 militärische Einfälle in den Gaza-Streifen. Bis zum selben Datum hatten israelische Sicherheitskräfte in Gaza 21 Personen, im Rahmen von Demonstrationen am Grenzzaun oder bei Luftangriffen, getötet und mehr als 100 verletzt. Sie beschossen außerdem weiterhin Personen, die die Sperrzonen, die Israel innerhalb Gazas Grenzen errichtet hat, betraten sowie Fischer, die sich jenseits der Sechs-Meilen-Grenze von der Küste entfernt bewegten (HRW 27.01.2016).

 

Palästinensische bewaffnete Gruppen feuerten 2015 bis zum 31.Oktober 20 Raketen vom Gaza-Streifen aus nach Israel, wobei niemand verwundet wurde. Diese Raketen können nicht genau auf militärische Ziele ausgerichtet werden und können so willkürlich oder beabsichtigt auch Zivilisten treffen, wenn sie auf israelische Bevölkerungszentren gerichtet werden. Die Hamas, die de facto die Kontrolle im Gaza-Streifen hat, wird als dafür verantwortlich gehalten, solche Attacken zu verhindern (HRW 27.01.2016). Nachdem Raketen aus Gaza Israel getroffen haben kommt es zu Vergeltungsangriffen der Israelis, wie z.B. am 21. August 2016 als nach dem Einschlag einer Rakete aus Gaza in der israelischen Grenzstadt Sderot, die Israelis mit Luftangriffen 30 Ziele in Gaza beschossen, bei denen zwei Personen leicht verletzt wurden (Reuters 22.08.2016).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

2. Rechtsschutz/Justizwesen

 

Rechtssicherheit wird in den palästinensischen Gebieten dadurch erschwert, dass immer noch Elemente des osmanischen, britischen, jordanischen, ägyptischen, israelischen (israelische Militärverordnungen) und palästinensischen Rechts (seit 1994) nebeneinander existieren. Darüber hinaus wird Gewohnheitsrecht und religiöses Recht (insbesondere im Familienrecht) angewandt. Daneben ist es so, dass die Beschlüsse des Obersten Palästinensischen Gerichtshofes nicht immer umgesetzt werden (LIPortal 09.2016). Obwohl die Gesetze der Palästinensischen Autonomiebehörde (PA) in Gaza formal gültig sind, hat die PA nur wenig Autorität, und die Hamas verfügt über die de facto-Kontrolle (USDOS 13.04.2016).

 

Stammesgerichte spielen in Gaza eine wichtige Rolle für die Stabilität in der Gesellschaft. Die Menschen in Gaza bringen ihre Fälle lieber vor ein Stammesgericht, weil sie meist binnen weniger Tage oder Wochen ein Urteil fällen, im Gegensatz zu offiziellen Gerichten, die meist länger brauchen. Stammesgerichte versuchen Dispute zwischen Familien friedlich zu lösen und Racheakte durch die Zahlung von Entschädigungen zu verhindern (al-Monitor 14.07.2016).

 

Die Auseinandersetzungen zwischen Fatah und Hamas wirken sich auch auf das Justizwesen aus. Nach der Spaltung untersagte die PA ehemaligen Mitarbeitern der Justizbehörden (und auch der Sicherheitskräfte) im Gazastreifen für die Verwaltung der Hamas zu arbeiten. Sie wurden stattdessen von der Autonomiebehörde bezahlt, ohne zu arbeiten. Die Hamas stellte Ersatz-Staatsanwälte und Richter ein, die häufig keine entsprechende Ausbildung und Qualifikation für die Aufgaben hatten (LIPortal 09.2016).

 

Obwohl die Gesetze der PA auch im Gazastreifen gelten, hat die PA hier nur wenig Autorität. Im September 2012 berichtete Human Rights Watch, dass Richter, die Hamas-kritisch sind zwar weiterhin bei Gericht arbeiten, aber Opfer von Drohungen oder sogar Folter wurden (USDOS 13.04.2016).

 

Die Bewohner des Gazastreifens können zivilrechtliche Klagen einreichen. Die Gerichte arbeiten inoffiziellen Berichten zufolge teilweise sogar unparteiisch und unabhängig von der Hamas, und es wurde von Verbesserungen im Strafvollzug berichtet. Allerdings werden laut Human Rights Watch viele zivilrechtliche Fälle von der Hamas vor Militärgerichten verhandelt.

 

Die Israeli Defence Force (IDF) stellt Palästinenser, die wegen Sicherheitsdelikten (Delikte, die von "Steinewerfen" bis zu "Mitgliedschaft in einer terroristischen Organisation" bis zu "Verhetzung" reichen) beschuldigt werden, vor Militärgerichte. Das Militärgesetz sieht vor, dass wegen Sicherheitsdelikten Verhaftete bis zu 8 Tage lang in Untersuchungshaft gehalten werden können, bevor sie vor ein Militärgericht gestellt werden, und die Sicherheitskräfte sind bis nach Abschluss der Befragung (die Wochen dauern kann) nicht verpflichtet, dem Verhafteten Zugang zu Rechtsberatung zu bieten. Die maximale Dauer für die Untersuchungshaft beträgt 90 Tage, sie kann aber verlängert werden (USDOS 13.04.2016).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

3. Sicherheitsbehörden

 

Im Gazastreifen hat die Hamas de facto die Kontrolle. Straffreiheit ist weiterhin ein Problem und die Hamas konnte teilweise Gewalttaten, wie Raketenangriffe nach Israel, nicht stoppen (USDOS 13.04.2016).

 

Die politische Teilung der Palästinensischen Gebiete zwischen Hamas und Fatah wirkte sich auch auf die Sicherheitskräfte aus. Nach der Teilung untersagte die palästinensische Behörde ehemaligen Mitarbeitern der Sicherheitskräfte im Gazastreifen für die Hamas zu arbeiten. Sie wurden stattdessen von der PA bezahlt, ohne zu arbeiten. Die Arbeit der palästinensischen Sicherheitsdienste und der Polizei wird jedoch auch durch die israelische Armee behindert, z. B. zerstörte sie während des Gaza-Krieges im Dezember 2008 alle Gefängnisse und Haftzentren in Gaza durch Bombenangriffe (LIPortal 09.09.2016).

 

Die Hamas hat kein konventionelles Militär im Gazastreifen, sondern unterhält verschiedene Einheiten von Sicherheitskräften, zusätzlich zu der bewaffneten Izz al-Din al-Qassam Brigade (CIA 25.08.2016)

 

Der militärische Arm der Hamas, die Izzedin al-Qassam Brigaden, gehen auf die frühen 1980er Jahre zurück, wurden aber offiziell erst nach der Etablierung der Hamas als politische und militärische Bewegung der Palästinenser im Jahr 1987 organisiert (IRIN 15.04.2013).

 

Sie führen Angriffe gegen Israel aus, inklusive Selbstmordanschlägen gegen zivile Ziele in Israel (Global Security 16.06.2016)

 

Im Gazastreifen arbeitet zudem eine "Moralpolizei", die z.B. Frauen für das Tragen "unpassender" Kleidung (also körperbetonte Kleidung im westlichen Stil) oder anderer Moralvergehen bestraft (USDOS 13.04.2016).

 

Die Hamas soll Undercover-Polizisten für Angriffe auf verschiedenste Personengruppen einsetzen, die z.B. "moralischer Vergehen" oder der Kollaboration mit Israel verdächtigt werden (IRIN 15.04.2013).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

4. Folter und unmenschliche Behandlung

 

Das Grundgesetz der PA verbietet Folter und die Ausübung von Gewalt gegen Gefangene (USDOS 13.04.2016). Folter und Missbrauch, auch in Zusammenhang mit willkürlichen Inhaftierungen, passieren jedoch weiterhin (USDOS 13.04.2016, vgl. FH 27.01.2016, vgl. AI 24.02.2016, UNHCR 20.01.2016). Laut Menschenrechtsorganisationen haben die Interne Sicherheit der Hamas (Hamas Internal Security), die Drogeneinheit der Zivilpolizei (Civil Police Force) und Polizisten Gefangene gefoltert.

 

Amnesty International berichtete, dass im Gaza-Streifen Gefangene in Fällen, die die Staatssicherheit betreffen, Personen die mit den politischen Parteien der PA oder der Fatah assoziiert werden von den Sicherheitskräften, die dem de facto Innenministerium der Hamas unterstehen, gefoltert werden. Außerdem jene, die verdächtigt werden mit Israel zu kollaborieren, Menschenrechtsaktivisten, Journalisten und jene die "unmoralischer" Aktivitäten bezichtigt werden, (USDOS 13.04.2016).

 

Unter den Opfern von Folter sind auch Kinder. Zwischen Januar und November 2015 gab es 434 Anschuldigungen wegen Folter, wovon die meisten Beschwerden gegen die Polizei gingen (AI 24.02.2016). Besonders schlimme Foltertechniken werden laut dem UNHCR (Hohe Kommissar der Vereinten Nationen für Menschenrechte) bei der Befragung von Personen benutzt, die des Verrates oder der Zugehörigkeit zu einer salafistischen Gruppierung verdächtigt werden (UNHCR 20.01.2016).

 

Die Hamas bemühten sich kaum oder gar nicht Fälle von Folter zu untersuchen und nur wenige Opfer dokumentieren diese Missbräuche, aus Angst vor Vergeltung (USDOS 13.04.2016).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

5. Korruption

 

 

Korruption ist weiterhin ein ernstzunehmendes Problem in der Region (USDOS 13.04.2016).

 

Laut Korruptionsbericht 2014 der palästinensischen Vereinigung AMAN – Coalition for Accountability and Integrity gehörten Vettern-, Klüngel- und Günstlingswirtschaft ("Wasta" = gute Beziehungen) bei Dienstleistungen und Stellenbesetzungen sowie Missbrauch und Zweckentfremdung von öffentlichem Eigentum wie z.B. die private Nutzung von Dienstfahrzeugen im Jahr 2014 in Palästina zu den häufigsten Formen der Korruption im öffentlichen, privaten und zivilgesellschaftlichen Bereich (LIPortal 09.2016).

 

Im Gazastreifen warfen örtliche Beobachter und NGOs der Hamas Fälle von Mittäterschaft bei korrupten Vorgängen vor, einschließlich Vergünstigungen bei Einkaufskonditionen für Immobilien, und der Erzielung von finanziellen Einnahmen in Zusammenhang mit dem illegalen "Tunnelhandel" der Hamas-Sicherheitskräfte. Die Behörden unterdrückten die Berichte über diese Vorfälle massiv (USDOS 13.04.2016).

 

Quellen:

 

 

 

6. NGOs und Menschenrechtsaktivisten

 

Die Hamas schikanierte regelmäßig Organisationen der Zivilgesellschaft. In Gaza stationierte NGOs berichteten, dass Mitglieder der Hamas in ihren Büros auftauchten um ihre Gefügigkeit sicherzustellen, Steuern einzutreiben und um Mitarbeiter der NGOs zur Befragung auf Polizeistationen zu bringen (USDOS 13.04.2016).

 

Die Hamas schränkt die Aktivitäten von Hilfsorganisationen ein, wenn diese sich nicht den Restriktionen der Hamas beugen. Die Hamas unterhält selbst Netzwerk mit Organisationen für Sozialdienste (FH 27.01.2016).

 

Es gab außerdem zahlreiche Berichte, dass die Hamas Mitglieder von internationalen Organisationen schikanierten.

 

Palästinensische, israelische und internationale NGOs beobachteten die Aktivitäten der israelischen Regierung in den besetzten Gebieten und publizierten ihre Erkenntnisse, obwohl Bewegungs- und Zugangsbeschränkungen im Westjordanland und im Gazastreifen diese Arbeit erschwerten.

 

Die Durchführung von journalistischen, humanitären und NGO-Aktivitäten waren von den Beschränkungen betroffen. Sowohl die Beamten der Hamas, als auch die Beamten der Israelis schränkten die Möglichkeiten der UNRWA, in Gaza frei zu arbeiten, ein (USDOS 13.04.2016).

 

Quellen:

 

 

 

7. Wehrdienst und Rekrutierungen

 

Die Hamas hat kein konventionelles Militär im Gazastreifen, sondern unterhält verschiedene Einheiten von Sicherheitskräften, zusätzlich zu der bewaffneten Izz al-Din al-Qassam Brigade (CIA 25.08.2016).

 

Die bewaffneten Gruppen in Gaza verzeichnen jedoch einen steigenden Zulauf an Freiwilligen, teils aus Mangel an beruflichen Alternativen oder aus Perspektivlosigkeit. Viele der Gruppierungen inklusive der Izz al-Din al-Qassam Brigaden haben auch Einheiten für Frauen (FP 13.04.2015).

 

Quellen:

 

 

 

8. Allgemeine Menschenrechtslage

 

Die bedeutendsten Menschenrechtsverletzungen waren Einschränkungen der bürgerlichen Freiheiten, besonders durch die Hamas, exzessive Gewaltanwendung durch die israelischen Sicherheitskräfte, willkürliche Festnahmen und im Rahmen dessen Folter und Missbrauch, oftmals mit Straffreiheit von Tätern aller beteiligten Konfliktparteien der Region. Bewohner der besetzten Gebiete hatten wenige Möglichkeiten die Regierungsbehörden für solche Missbräuche anzuzeigen (USDOS 13.04.2016).

 

Menschenrechtsverletzungen durch die Sicherheitskräfte unter der Regierung der Hamas im Gazastreifen sind unter anderem Tötungen, Folter, willkürliche Festnahmen, Schikanieren von Gegnern, inklusive Fatah-Mitgliedern und anderer Palästinenser, das alles bei Straffreiheit.

 

Terroristische Gruppierungen und Milizen verübten Angriffe mit Raketen und Granaten auf zivile Ziele in Israel, und das ausgehend von zivilen Orten in Gaza.

 

Berichten zur Folge sind die Haftbedingungen in Gaza schlecht.

 

Die Hamas schränkten außerdem die Rede-, Presse-, Versammlungs-, Vereinigungs-, Religions- und Bewegungsfreiheit in Gaza ein. Diskriminierung von Frauen und häusliche Gewalt sind weiterhin ein ernstes Problem im Gazastreifen (USDOS 13.04.2016 vgl. AI 24.02.2016).

 

Auf der anderen Seite beklagen Menschenrechtsorganisationen auch zahlreiche Verletzungen der Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts durch Israel in Palästina. Nach Angaben der israelischen Menschenrechtsorganisation B’Tselem wurden vom 29.09.2000 bis zum 31.10.2012 6.580 Palästinenser durch israelische Sicherheitskräfte getötet, darunter 1.338 Minderjährige. Bei der israelischen Militäroperation "Protective Edge" im Gazastreifen im Juli/August 2014 kamen nach UN-Angaben mindestens 1.473 Zivilisten ums Leben (LIPortal 09.2016).

 

Quellen:

 

 

 

 

9. Meinungs- und Pressefreiheit

 

Die unabhängige Organisation Freedom House stuft die Presse im Gazastreifen als nicht frei ein. Mitarbeiter der Medien wurden wiederholt attackiert, als sie Proteste und Zusammenstöße der Bevölkerung mit den Behörden dokumentierten. Laut dem Palästinensischen Zentrum für Entwicklung und Medienfreiheit (Palestinian Center for Development and Media Freedoms – MADA) ließen die Behörden in Gaza 2015 13 Journalisten festnehmen. Die PA und die Hamas finanzieren vier von fünf großen palästinensischen Zeitungen, somit sind sie in der Praxis nicht unabhängig (FH 27.04.2016).

 

Die Hamas schränkt im Gazastreifen die Meinungs- und Pressefreiheit ein, meist durch Schikanieren, Einschüchterungen und Festnahmen. Personen, die die Hamas öffentlich kritisieren, riskieren Inhaftierung, Befragungen, Enteignung und Schikanen. Durch Kritik an der Hamas, beispielsweise im Internet, riskieren Personen Razzien ihrer Büros und Wohnungen, willkürliche Festnahmen und ein Ausreiseverbot aus Gaza. Die Hamas in Gaza und die Fatah im Westjordanland erlaubten die Publikationen der anderen Parteien im eigenen Gebiet, jedoch nur unter Restriktionen. Die Hamas schränken außerdem die Bewegungsfreiheit von Journalisten im Gazastreifen ein (USDOS 13.04.2016).

 

Im Rahmen des Machtkampfes zwischen Hamas und Fatah werden jedoch den Parteien nahestehende Journalisten von der jeweils anderen Seite festgenommen, und Zeitungen und Fernsehstationen der anderen Seite geschlossen (LIPortal 09.2016).

 

Quellen:

 

 

 

 

10. Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, Opposition

 

Unter der Regierung der Hamas muss für jede öffentliche Versammlung oder Feier im Vorhinein eine Genehmigung eingeholt werden, was dem Grundgesetz der PA widerspricht, welches öffentliche Versammlungen, Treffen oder Umzüge erlaubt. Die Hamas erteilt generell keine Genehmigungen für Versammlungen von Fatah-Mitliedern.

 

Aktivisten berichteten, dass Hamas-Beamte Frauen in der Öffentlichkeit schikanierten und ihre Möglichkeiten sich friedlich zu versammeln einschränkten.

 

Die Hamas versuchte außerdem Kritik an Hamas-Methoden zu unterbinden, indem sie für die Genehmigung von Treffen, zu politischen oder sozialen Themen, willkürliche Forderungen stellte (USDOS 13.04.2016).

 

Die Hamas zerstreuen unter Anwendung von Gewalt sämtliche ungenehmigten Versammlungen der Fatah oder anderer Gruppen. Auch Israel hat 2015 wiederholt Demonstrationen beschossen, die sich nahe des Grenzzauns bewegten (FH 27.01.2016).

 

Die Hamas hindert auch diverse Organisationen an ihrer Funktion, inklusive einiger, bei denen Verbindungen zur Fatah vermutet werden, außerdem auch private Unternehmen und NGOs, die verdächtigt werden, sich nicht der Hamas-Interpretation der islamischen sozialen Normen zu fügen. Auch Frauenrechtsorganisationen standen unter signifikantem Druck der Hamas (USDOS 13.04.2016).

 

Unabhängige Gewerkschaften funktionieren in Gaza weiterhin, und PA-Arbeiter haben Streiks gegen Hamas-geführte Managements durchgeführt. Dennoch, der Betrieb der Fatah-ausgerichteten Palestinian General Federation of Trade Unions, des größten Gewerkschaftsbunds in den besetzten Gebieten, ist eingeschränkt worden.

 

Seit der Spaltung im Jahr 2007 ist Gaza effektiv ein Ein-Parteien-Staat, die Fatah wird großteils unterdrückt, kleinere politische Gruppen werden in unterschiedlichem Maße toleriert. In der Öffentlichkeit finden wenig bis keine Aktivitäten von Oppositionsparteien statt. Im Jänner 2013 erlaubte die Hamas in Gaza eine Massendemonstration von Fatah-Anhängern, zum ersten Mal seit mehreren Jahren (FH 27.01.2016).

 

Quellen:

 

 

 

11. Haftbedingungen

 

Die Gefangenen litten sowohl in der Westbank als auch im Gazastreifen unter extrem schlechten Haftbedingungen, allerdings liegen zu den Bedingungen im Gazastreifen sehr wenige Informationen vor. Gefangenen in Gaza mangelt es an geeigneter Nahrung und Trinkwasser und anderen Gütern des täglichen Bedarfs.

 

Die israelischen IDF-Militärgefängnisse für diejenigen, die wegen Sicherheitsdelikten inhaftiert werden, entsprechen den internationalen Standards üblicherweise in geringerem Maß als die Gefängnisse für jene, die wegen ziviler Delikte inhaftiert werden.

 

Laut den israelischen Behörden waren im Dezember 2015 6,066 Personen aufgrund von Sicherheitsdelikten in Gefangenschaft. Die übrigen waren Palästinenser die illegal nach Israel eingereist sind (USDOS 13.04.2016).

 

Folter, grausame und erniedrigende Behandlung passieren häufig in Gefängnissen und Haftanstalten in Gaza. Auch während der Befragung wird Folter eingesetzt, um Geständnisse zu erzwingen (PCHR 22.10.2015).

 

Quellen:

 

 

 

12. Todesstrafe

 

Die Todesstrafe blieb in Gaza weiterhin für Mord und andere Verbrechen in Kraft. Gerichte in Gaza haben 2015 zumindest 10 Todesurteile verhängt, von denen bis jetzt jedoch keines ausgeführt wurde (AI 24.02.2016).

 

Laut lokalen Medien hat die Hamas jedoch eine Person, wegen Verdachts auf Kollaboration mit Israel, rechtswidrig exekutiert.

 

Laut dem Gesetz muss jedes Todesurteil vom Präsidenten der PA ratifiziert werden, die Hamas haben jedoch die PA, aufgrund der Konflikte zwischen den beiden Parteien, nicht kontaktiert. Während des Konfliktes in Gaza im Sommer 2014 sollen zumindest 23 Personen außergerichtlich exekutiert worden sein (USDOS 13.04.2016).

 

Quellen:

 

 

 

13. Bewegungsfreiheit

 

Die Behörden der Hamas haben im Gazastreifen allem Anschein nach keine routinemäßigen Einschränkungen der internen Bewegungsfreiheit implementiert, obwohl es einige Gebiete gab, zu denen die Hamas den Zutritt verwehrte.

 

Der steigende Druck, der Hamas-Interpretation islamischer Normen zu entsprechen, führte zur signifikanten Einschränkung der Reisefreiheit von Frauen. Es gab einige Berichte, dass Reisen von unverheirateten Frauen eingeschränkt wurden (USDOS 13.04.2016).

 

Die Hamas verhinderte die Ausreise von einigen Palästinensern, wenn sie mit dem Ausreisegrund nicht einverstanden war, oder sie erzwang ein bestimmtes Verhalten, wie etwa die Bezahlung von Steuern oder Gebühren.

 

Die Behörden der Hamas beschränkten einige Auslandsreisen und verlangten Ausreisgenehmigungen von Palästinensern, die über die Gaza-Israel- XXXX -Grenze ausreisen wollten.

 

Die Hamas zwang niemanden zur Ausreise (USDOS 13.04.2016).

 

Reisen von/nach Israel und die Westbank:

 

 

Die Frage der Staatsbürgerschaft und des [Aufenthalts- und Registrations-]Status in den besetzten Palästinensischen Gebieten der Westbank, des Gazastreifens und Ostjerusalem ist extrem komplex.

 

Gemäß NGOs besitzen 40.000 bis 50.000 Personen im Gazastreifen keine Identifikationskarten, die von Israel anerkannt werden. Einige dieser Personen sind im Gazastreifen geboren, aber Israel hat sie nie als Einwohner Gazas anerkannt; einige waren im Krieg von 1967 aus Gaza geflohen, andere hatten Gaza nach 1967 aus verschiedenen Gründen verlassen und sind später zurückgekehrt, eine kleine Gruppe ist in Gaza geboren und nie von dort weggegangen und besitzt ausschließlich Identifikationskarten, die von der Hamas ausgestellt wurden. Die israelische Regierung hat die Kontrolle über die Palestinian Population Registry [Anm.: Bevölkerungsregister für die palästinensischen BewohnerInnen der palästinensischen Gebiete], die staatenlosen Personen den Einwohnerstatus gewähren könnte (USDOS 13.04.2016). Palästinenser ohne Identitätskarten sind in ihrer Bewegungsfreiheit massiv eingeschränkt (FH 27.01.2016).

 

Die israelischen Behörden erlaubten einem Elternteil aus der Westbank beispielsweise nur dann Zugang zu ihrem Kind in Gaza, sofern es keine anderen Verwandten im Gazastreifen hatte (USDOS 13.04.2016).

 

 

Die israelischen Sicherheitskräfte halten die Luft-, See- und Landblockade, die seit 2007 in Kraft ist, weiterhin aufrecht. Die andauernden Einfuhrbeschränkungen von z.B. Baumaterialien führen zu langen Verzögerungen beim Wiederaufbau von Wohnhäusern und anderen infrastrukturellen Einrichtungen, die in den bewaffneten Auseinandersetzungen von 2014 beschädigt oder zerstört wurden. Außerdem führen die Einfuhrbeschränkungen zur weitverbreiteten Verarmung unter den rund 1,8 Mio. Einwohnern Gazas (AI 24.02.2016). Die Blockade der Landgrenzen und der Küste Gazas schränkt die wirtschaftlichen Möglichkeiten des Landes massiv ein. Die israelischen Behörden verhinderten die Bewirtschaftung von landschaftlich nutzbaren Flächen nahe des Grenzzaunes und palästinensischen Fischern wurde das Fischen nur innerhalb der Gewässer erlaubt, die maximal sechs Meilen von der Küste entfernt waren (FH 27.01.2016). Die israelischen Behörden feuerten wiederholt Warnschüsse auf Fischer ab. Die landwirtschaftlich nutzbaren Flächen, zu denen palästinensischen Bauern der Zugang verwehrt oder teilweise verwehrt wird, machen ca. 35 Prozent des kultivierbaren Landes des Gaza-Streifens aus (USDOS 13.04.2016).

 

Reisen von/nach Ägypten:

 

Ägypten beschränkt die Aus- und Einreise von Palästinensern am Grenzübergang XXXX , und öffnet nur sporadisch, und meist nur in eine Richtung, den Grenzübergang für den Personenverkehr und humanitäre Hilfsgüter (USDOS 13.04.2016). Hunderte von Tunnels, die zum Schmuggel zwischen Ägypten und Gaza genutzt wurden, wurden von Ägypten zerstört (AI 24.02.2016).

 

Quellen:

 

 

 

 

14. IDPs und Flüchtlinge

 

Von den 12,37 Millionen Palästinensern weltweit Ende 2015 leben 1,85 Millionen im Gazastreifen. 67,3 Prozent der BewohnerInnen des Gazastreifens) (LIPortal 09.2016).

 

Laut UNRWA gab es mit 01.01.2016 1,27 Mio. palästinensische Flüchtlinge im Gazastreifen, von denen ca. 40 Prozent in Flüchtlingscamps leben. Die UNRWA und Menschenrechtsorganisationen boten IDPs in Gaza Hilfsdienstleistungen. Die israelische Regierung verwehrte Flüchtlingen jedoch teilweise den Zugang zu der von der UNRWA angebotenen humanitären Hilfe, sowohl im Gazastreifen, als auch in der Westbank. Sowohl Beamte der Hamas, als auch der Israelis, beschränkten die Fähigkeit der UNRWA in Gaza frei zu arbeiten (USDOS 13.04.2016).

 

Am Höhepunkt der Militäroffensive des Sommers 2014 gab es über 500.000 vertriebene Palästinenser. 65.000 davon sind immer noch vertrieben. Fast 18.000 Wohnstätten wurden während der Offensive zerstört und unbewohnbar, nur rund ein Drittel davon ist bis jetzt wieder aufgebaut worden (OCHAoPt 30.08.2016).

 

Quellen:

 

 

 

 

15. Grundversorgung und Wirtschaft

 

Ungefähr 80 Prozent der Bevölkerung Gazas lebt unter der Armutsgrenze (B’Tselem 01.01.2016).

 

Die israelischen Sicherheitsmaßnahmen und die israelisch-palästinensische Gewalt führen zu einer ständigen Verschlechterung der wirtschaftlichen Situation im Gazastreifen. Die Grenzkontrollen der Israelis wurden strenger, seit 2007 die Hamas die Kontrolle in Gaza übernahm. Konsequenzen davon sind eine hohe Arbeitslosenquote und steigende Armutsraten. Auch Ägyptens hartes Vorgehen gegen das Schmuggelsystem mittels Tunnels zwischen Gaza und Ägypten hat den Mangel an Treibstoff, Baumaterialien und Konsumgütern in Gaza erhöht. Die bewaffneten Auseinandersetzungen 2014 haben die ohnehin schlechte wirtschaftliche Situation in Gaza noch verschlimmert (CIA 25.08.2016).

 

Israels Blockade des Gazastreifens hat ernsthafte Konsequenzen für die palästinensische Bevölkerung und behindert weiterhin den Aufbau der 2014 zerstörten Wohneinheiten. Von August 2014 bis September 2015 durften zwei Millionen Tonnen an Baumaterialien den einzigen funktionierenden Grenzübergang für Güter zwischen Israel und Gaza passieren, das sind ca. 9 Prozent des gesamten Bedarfs. In Gaza konnten aufgrund des Mangels an Baumaterialien 250 neue Schulen, die nötig wären um den Bedarf zu decken, nicht gebaut werden. Der Grenzübergang zu Ägypten ist auch für humanitäre Hilfe geschlossen (HRW 27.01.2016). 80 Prozent, von Gazas 1,8 Mio. Einwohnern, hängen von humanitären Hilfsleistungen ab (OXFAM 02.06.2016).

 

Die Arbeitslosenquote lag im zweiten Quartal 2016 im Gazastreifen bei 41,7 Prozent. Kinderarbeit gibt es weiterhin (1,8 Prozent der Kinder zwischen 10 und 17 Jahren sind in Gaza erwerbstätig) (LIPortal 09.2016).

 

Der Treibstoffmangel wirkt sich direkt auf die Wasserversorgung und die Abwasserentsorgung aus, da er die Leistung der Pumpensysteme einschränkt. Ca. 30 Prozent der Bewohner haben dadurch keinen regelmäßigen Zugang zu Leitungswasser (B’Tselem 01.01.2016). Durch das mangelhafte Abwasserentsorgungssystem werden täglich rund 90 Millionen von unbehandeltem oder teilweise behandeltem Abwasser ins Meer gepumpt, was ein ernsthaftes Umwelt- und Gesundheitsrisiko für die Bevölkerung darstellt, durch die Verschmutzung der Strände und der Meeresfrüchte und Fische, die von der lokalen Bevölkerung konsumiert werden (OCHAoPt 04.07.2016).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

16. Medizinische Versorgung

 

Die medizinische Versorgung in Gaza droht vollkommen zu kollabieren, und es gibt einen ernsthaften Mangel an Medikamenten, medizinischen Einwegprodukten und Treibstoff. Das medizinische Personal ist oft unterbezahlt und teilweise unzureichend geschult. Außerdem fehlt die Möglichkeit zum Ausbau von medizinischen Einrichtungen, um den Bedarf an medizinischer Versorgung zu decken. Die Probleme des Gesundheitssystems in Gaza stammen teilweise aus der Zeit der Kampfhandlungen von 2014. Ungefähr 900 Patienten, der damals verletzten Personen, trugen Formen bleibender Beeinträchtigung davon und benötigen andauernde medizinische Behandlung, während jedoch ein großer Teil der medizinischen Infrastruktur damals beschädigt wurde. Manche Patienten, die damals eine oder mehrere Gliedmaßen verloren haben, warten zwei Jahre nach dem Konflikt immer noch auf Prothesen und können Therapien nur in lokalen Spitälern erhalten, denn das einzige Rehabilitations-Spital Gazas wurde 2014 vollkommen zerstört.

 

Durch den Mangel im medizinischen Sektor kommt es beispielweise bei Operationen zu sehr langen Wartezeiten, was zur Frustration der Patienten und teilweise zu unnötigen Schmerzen und Gesundheitsrisiken führt (OCHAoPt 04.07.2016).

 

Im Mai 2016 erhielten 10,16 Prozent aller Patienten aus dem Gazastreifen, die einen Antrag auf Ausreise für eine medizinische Behandlung gestellt hatten, keine Erlaubnis von Israel. 24,03 Prozent bekamen keine Antwort und konnten daher ihre Behandlungstermine nicht wahrnehmen (LIPortal 09.2016). Palästinensische Ambulanzfahrzeuge dürfen nicht nach Israel fahren (BMEIA 13.09.2016).

 

Seit 2013, seitdem Ägypten den Grenzübergang XXXX nur mehr sporadisch öffnet, ist es noch schwieriger geworden, für eine medizinische Behandlung nach Ägypten zu reisen (OCHAoPt 08.12.2015).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

Erhalten palästinensische UNRWA-Flüchtlinge im Gazastreifen Dokumente (Personalausweis, Reisepass)?

 

Einer Mehrheit der Palästinenser des Gazastreifens (Flüchtlinge und Nicht-Flüchtlinge) werden Personalausweise ("ID-Cards") ausgestellt, und zwar vom Innenministerium der Palestinian Authority (PA). Um berechtigt zu sein, eine ID-Card ausgestellt zu bekommen, muss die Person im Gaza-Einwohnerregister verzeichnet sein, das von den israelischen Behörden kontrolliert wird. Dazu ist zu bemerken, dass seit dem Jahr 2000 in den Berichten des UN Secretary-General Beschränkungen von Neueinträgen in das Register erwähnt wurden.

 

Jeder, der im Besitz einer ID-Card ist, kann um einen Reisepass ansuchen, der von der PA ausgestellt wird ("PA passport"). Die Anträge werden in Gaza gestellt und die Reisepässe werden in XXXX ausgestellt. Es gab einige Fälle, in denen Palästinenser aus Gaza, die nicht im Besitz einer ID-Card waren, dennoch einen PA-Reisepass erhielten, für spezielle Reisen.

 

Die israelischen Behörden erkennen den PA-Reisepass nicht als gültiges Reisedokument an, wenn es darum geht, durch Israel zu reisen, um in den Gazastreifen zu gelangen. Nur Palästinenser mit ID-Card dürfen einen Antrag auf Einreise nach Israel stellen (selbst dann, wenn es nur um die Durchreise durch Israel geht). Eine Erlaubnis Israels ist dennoch erforderlich. Palästinenser ohne ID-Card können Gaza ausschließlich über Ägypten betreten oder verlassen, und nur dann, wenn der Grenzübergang XXXX geöffnet ist (s.u.).

 

Die UNRWA stellt an berechtigte Personen die UNRWA registration card aus. Diese wird ausschließlich zum Zwecke der Berechtigung des Erhalts von UNRWA-Leistungen ausgestellt, hat aber keine Relevanz bezüglich des rechtlichen Status oder der rechtlichen Anerkennung einer Person. Der UNHCR stellt in Gaza oder anderen UNRWA-Gebieten keine UNHCR-Flüchtlingspapiere aus.

 

Dürfen palästinensische Flüchtlinge in Gaza für die Regierung arbeiten?

 

Im Gazastreifen leben mehr als 1,76 Millionen Menschen, einschließlich 1,26 Millionen palästinensischer Flüchtlinge, die über 70 Prozent der Gaza-Bevölkerung ausmachen. Palästinensische Flüchtlinge haben denselben Status und dieselben zivilen Rechte wie Nicht-Flüchtlinge – es ist ihnen nicht per Gesetz verboten, sich im öffentlichen Sektor anstellen zu lassen. Es sollte aber beachtet werden, dass die Arbeitslosenrate mit 40 Prozent eine der höchsten weltweit ist (35,9 Prozent für Männer und 59,6 Prozent für Frauen), und für Jugendliche noch höher. Im September 2015 warnte die UN Konferenz für Handel und Entwicklung, dass – sollte sich dieser Trend fortsetzen – Gaza bis 2020 ein unbewohnbarer Ort werden könnte.

 

Dürfen palästinensische Flüchtlinge Eigentum besitzen?

 

Palästinensischen Flüchtlingen in Gaza ist es nicht per Gesetz verboten, Eigentum zu besitzen. Allerdings ist es üblicherweise so, dass jene Flüchtlinge, die in Flüchtlingslagern wohnen, nicht Eigentümer jenes Landes sind, auf dem sich ihr Haus befindet. Dieses Land wurde ihnen üblicherweise zur Verfügung gestellt. Die Möglichkeiten von palästinensischen Flüchtlingen in Gaza, Eigentümer ihres Heimes zu sein, hängt von den jeweiligen aktuellen ökonomischen Verhältnissen ab, sowie von immer wiederkehrenden Kampfhandlungen, wie den massiven Vertreibungen während der Kampfhandlungen im Juli und August des Jahres 2014 und auch früheren Kampfhandlungen.

 

Ein-Ausreise-Beschränkungen: Ist es für palästinensische Flüchtlinge in Gaza möglich, (Studenten)-Visa (z.B. für Russland) zu erhalten?

 

Die UNRWA kann bezüglich der spezifischen Anforderungen bestimmter Länder (wie Russland) für die Ausstellung von Visas keinen Kommentar abgeben. UNRWA weist aber darauf hin, dass palästinensische Flüchtlinge Einschränkungen bezüglich der Ein-/Ausreise haben, wodurch es schwierig sein könnte, zwecks Antrags oder Erhalts eines solchen Visums zu verreisen. Nachdem es keine ausländischen Konsulate/Vertretungen im Gazastreifen gibt, müssen Flüchtlinge (und Nicht-Flüchtlinge), die Visa beantragen wollen, zu ausländischen Konsulaten in Jerusalem oder in Ägypten reisen. Dafür müssen sie entweder Israel/ die Westbank, einschließlich Ostjerusalem betreten (dafür benötigt man die israelische Autorisierung/Genehmigung, den XXXX -Grenzübergang zu passieren und nach Israel und in andere von Israel besetzte Gebiete reisen zu dürfen), oder sie benötigen die Genehmigung Ägyptens nach Ägypten einreisen zu dürfen, und zwar über den XXXX -Grenzübergang, der nur ab und zu (und in unregelmäßigen Abständen) geöffnet ist. Hat man das Visum erhalten, gelten nochmals dieselben Bedingungen für das Verlassen von Gaza, um in das Visum-Land zu gelangen.

 

UNOCHA dokumentiert regelmäßig die Zahl der Personen, denen von den israelischen Behörden die Erlaubnis erteilt wird, von Gaza nach XXXX zu reisen, um ein Visum zu beantragen oder in ein Drittland zu reisen, etc. UNRWA weist darauf hin, dass es nicht garantiert ist, dass man eine Erlaubnis, den Grenzübergang zwecks Weiterreise zu passieren, erhält. Eine große Anzahl an Palästinensern schafft die "Sicherheitsfreigabe" nicht, die notwendig ist, um durch Israel durchzureisen, oder um in Israel bleiben zu dürfen.

 

In Bezug auf den Grenzübergang XXXX wurden seit Mitte 2013 und seit Oktober 2014 ernsthafte Einschränkungen der Bewegungsfreiheit für Personen und Waren implementiert, der Grenzübergang blieb die meiste Zeit geschlossen. Gemäß OCHA war der XXXX Grenzübergang im Jahr 2015 nur für 32 Tage geöffnet, wodurch nicht mehr als 28.708 Personen den Übergang passieren konnten. (Verglichen zu 419.899 Personen im Jahr 2012, in dem der Übergang für 312 Tage geöffnet war.) Die Schwierigkeiten beim Überqueren des XXXX -Grenzüberganges blieben im Jahr 2016 erhalten.

 

Ist eine Rückkehr von palästinensischen Flüchtlingen in den Gazastreifen derzeit aktuell möglich?

 

Für palästinensische Flüchtlinge aus Gaza stellt die palästinensische De-Facto-Behörde [Anm.: Hamas] im Prinzip keinen Hinderungsgrund für eine Rückkehr dar. Allerdings ist für das Betreten Gazas über Israel ( XXXX -Grenzübergang) die Genehmigung der israelischen Behörden erforderlich – wie oben geschildert. Und es erfordert, dass die Person Gaza legal über dieselbe Route verlassen hat und im Besitz einer ID-Card ist. Das Betreten des Gazastreifens über den XXXX -Grenzübergang ist abhängig von den unregelmäßigen Öffnungszeiten dieses Grenzüberganges. Es ist in diesem Falle auch erforderlich, dass die Person Gaza legal verlassen hat und sich im Besitz eines offiziellen Reisedokumentes befindet. Darüber hinaus hat der UNHCR im Februar 2015 – auf Grund der prekären humanitären Situation in Gaza – darauf gedrängt, dass die Behörden von Flüchtlings-Ankunftsstaaten keine palästinensischen Flüchtlinge nach Gaza zurückschicken sollten und gegenüber Gaza aus humanitären Gründen eine "Nicht-Abschiebungs-Politik" betreiben sollten.

 

Request from the Austrian Ministry of Interior (via its embassy in Jordan) on Gaza

 

The United Nations Relief and Works Agency for Palestine Refugees (UNRWA) was established by the General Assembly in 1949 and currently provides assistance and protection to more than 5.2 million Palestine refugees. Its mission is to help Palestine refugees in Jordan, Lebanon, Syria, West Bank (including East Jerusalem) and the Gaza Strip achieve their full potential in human development, pending a just solution to their plight. UNRWA services include education, health care, relief and social services, camp infrastructure and improvement, micro finance, as well as emergency assistance.

 

The Agency’s mandate is to provide protection and assistance to "Palestine refugees" (as defined by the Agency and endorsed by the General Assembly ); namely, "persons whose normal place of residence was Palestine during the period of 1st June 1946 to 15th May 1948, and who lost both home and means of livelihood as a result of the 1948 conflict". Other persons may also be eligible to receive Agency services without being registered as Palestine refugee, including persons displaced as a result of the 1967 or subsequent hostilities, who do not meet the definition of a Palestine refugee.

 

1. Do Palestinian UNRWA refugees in Gaza receive documents (identity card, passport)?

 

A majority of the Palestinians in Gaza, refugees and non-refugees, are issued identity cards by the Ministry of Interior of the Palestinian Authority (PA). To be eligible for an ID card, an individual must be recorded in the Gaza population registry which is controlled by Israeli Authorities. Limitations on additions to the population registry since 2000 have been noted in UN Secretary-General’s reports. Everyone who has an identity card can apply for a travel document issued by the Palestinian Authority ("PA passport"). Applications are made in Gaza and the passports are issued by the PA in XXXX . There have been instances in which Palestinians from Gaza without ID have been able to obtain a PA passport for specific travel (single entry) only.

 

The Israeli authorities do not recognize the "PA passport" as a valid travel document to travel through Israel when seeking to enter Gaza. Only Palestinians in possession of an ID card can apply for crossing into Israel (even if only for transiting) and still require an Israeli permit. Palestinians without ID can only enter or exit Gaza via Egypt, when access through the XXXX crossing is available (see below).

 

For the purpose of receipt of UNRWA services, Palestine refugees are issued with an UNRWA registration card. This card does not entail any legal status or recognition thereof and is issued by UNRWA for purposes of receipt of UNRWA services only. UNHCR will not issue UNHCR refugee documents to Palestine refugees resident in Gaza or elsewhere in UNRWA’s areas of operation.

 

2. Can Palestinian refugees work in Gaza for the government?

 

The Gaza Strip is home to a population of more than 1.76 million people, including 1.26 million Palestine refugees, constituting over 70 per cent of the population in Gaza. Palestine refugees have the same status and associated civil rights as non-refugees – they are not prevented by law from seeking employment in the public sector. However it should be noted that unemployment levels in Gaza are among the highest in the world at over 40 per cent (35.9 percent for men and 59.6 percent for women) and even higher for youth. In September 2015, the UN Conference on Trade and Development warned that, if current economic trends persist, "Gaza could become uninhabitable by 2020".

 

3. Can Palestinian refugees own property in Gaza?Palestine refugees are not prevented by law from owning property in Gaza. However in general, those living in refugee camps do not hold ownership title over the land on which their homes are built; rather, such land has been made available to them as refugees pending a just and durable solution to their plight. In addition, capacity for home ownership is affected by current economic conditions and the impact of recurrent hostilities, including significant displacement during the hostilities in July-August 2014 (and previous hostilities).

 

4. Is it possible for Palestinian refugees in Gaza to get student visas (for example, for Russia)?

 

UNRWA cannot comment on the specific requirements which different countries – such as Russia - may apply for issuing visas (student or other) to non-nationals, including Palestine refugees. The Agency notes, however, that Palestine refugees face restrictions with regard to exit/entry which renders it difficult to travel for purposes of applying and obtaining such visas. As there are no foreign consulates/representations in the Gaza Strip, refugees (and non-refugees) intending to apply for a visa need to address foreign consulates in person in either Jerusalem or Egypt. Doing so requires either entry to Israel/the West Bank, including East Jerusalem (i.e. Israeli authorization/permit to cross through the XXXX Crossing and move within Israel and other areas of occupied territory) or the opening of the XXXX Crossing (which only occurs infrequently) and Egyptian permission to enter, respectively. Once the visa is obtained, leaving Gaza is again subject to the same requirements.

 

The UN Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (OCHA) regularly documents the number of persons granted permission by the Israeli authorities to cross from Gaza to XXXX , for the purpose of seeking a visa and for travel to a third country, amongst other reasons. UNRWA notes that permission to cross for the purpose of onward travel is not guaranteed. A large number of Palestinians are unable to obtain the required Israeli security clearance to either stay in or transit through Israel. Entry/exit through XXXX also requires official travel and ID documents as noted above.

 

With regard to XXXX Crossing, severe restrictions on the movement of people and goods have been imposed since mid-2013 and since October 2014, the XXXX Crossing has remained for the most part closed. According to OCHA, in 2015, XXXX Crossing was open only for 32 days, allowing a mere 28,708 persons to pass XXXX Crossing in both directions (compared to 2012, when XXXX Crossing was open for 312 days and allowed 419,899 persons to move in both directions). The difficulties in passing the XXXX Crossing have remained in 2016.

 

5. Is a return of Palestinian refugees currently actually possible to Gaza?

 

For Palestine refugees from Gaza, the de facto authority in principle doesn’t pose any obstacle to exit or return. However, entering Gaza through the Israel/ XXXX crossing point requires permission – as outlined above - by the Israeli authorities (and requiresthat the person has lawfully left Gaza via the same route and has a Palestinian ID card ). Furthermore, entering the Gaza Strip via Egypt is subject to the irregular opening of the XXXX Crossing and requires also that the person has lawfully left Gaza, is permitted entry into Egypt and is in possession of an official travel document. In addition, in light of the precarious humanitarian situation in Gaza, in February 2015 UNHCR urged States not to deport Palestine refugees to Gaza and has requested States to uphold a non-removal policy to Gaza for humanitarian reasons.

 

UNRWA (27.10.2016): Request from the Austrian Ministry of Interior (via its embassy in Jordan) on Gaza, per Email via VB Amman

 

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2.2. Das BVwG stützt sich im Hinblick auf diese Feststellungen auf folgende Erwägungen:

 

2.2.1. Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakte des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl und der vorliegenden Gerichtsakte des Bundesverwaltungsgerichtes.

 

Beweis erhoben wurde durch Einsicht in die Verwaltungsakten, Erörterung der Länderberichte zur Situation in den palästinensischen Autonomiegebieten, Einvernahme der BF1 und der BF2 als Parteien, Erörterung der von den Beschwerdeführern in Vorlage gebrachten Dokumente (UNRWA-Registrierungsbestätigung, Personalausweis, Reisepässe, Unterlagen zur Integration) sowie dem Schreiben der UNRWA vom 18.05.2016, aus welchem sich ergibt, dass die Beschwerdeführer bei der UNRWA registriert sind sowie der am 27.11.2017 durchgeführten mündlichen Verhandlung vor dem BVwG.

 

Das erkennende Gericht hat durch die vorliegenden Verwaltungsakte Beweis erhoben und eine Beschwerdeverhandlung durchgeführt.

 

Aufgrund der vorliegenden Verwaltungsakte, des Ergebnisses des ergänzenden Ermittlungsverfahrens sowie der Beschwerdeverhandlung ist das erkennende Gericht in der Lage, sich vom entscheidungsrelevanten Sachverhalt ein ausreichendes und abgerundetes Bild zu machen.

 

2.2.3. Die Feststellungen zur Person der Beschwerdeführer ergeben sich aus den Einvernahmen vor dem BFA sowie der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG.

 

Die genaue Identität der BF1 bis BF6, ihre Staatenlosigkeit und Zugehörigkeit zur palästinensischen Volksgruppe, ihre regionale Herkunft, ihre Registrierung bei der palästinensischen Autonomiebehörde, im israelischen Bevölkerungsregister und bei der UNRWA, ihr früherer Lebenswandel bzw. ihre Lebensumstände vor der jüngsten Ausreise aus der Herkunftsregion sowie die aktuellen Lebensumstände der BF und ihrer Angehörigen und Verwandten in Gaza bis dato konnten in einer Zusammenschau der diesbezüglich glaubhaften, weil nachvollziehbaren und plausiblen Schilderungen der BF vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl und in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG sowie der im Beschwerdeverfahren vorgelegten Urkunden festgestellt werden.

 

Die Feststellung, dass die Beschwerdeführer weder an einer schweren körperlichen noch an einer schweren psychischen Erkrankung leiden, ergibt sich daraus, dass die Beschwerdeführer dies im Rahmen der mündlichen Beschwerdeverhandlung ausdrücklich verneinten.

 

Die Feststellungen zum persönlichen Umfeld im Herkunftsstaat ergeben sich aus den diesbezüglichen Angaben im Verfahren, zumal kein Grund ersichtlich ist, warum die Beschwerdeführer etwa in Bezug auf ihre Familienverhältnisse und Ausbildung in Palästina falsche Angaben hätte machen sollen.

 

Die Feststellungen zum Privatleben in Österreich, ihren Sprachkenntnissen, ihrer Ausbildung, der Beschäftigungslosigkeit der BF1, des Schul- und Kindergartenbesuchs der BF2 bis BF6 und ihrer familiären Situation ergibt sich aus ihren Angaben im Rahmen der mündlichen Verhandlung sowie den von ihnen im Verfahren in Vorlage gebrachten Unterlagen (Bestätigungen über Schul- und Kindergartenbesuch der Beschwerdeführer 2 bis 6). Die Feststellung betreffend das strafgerichtliche Verfahren sowie dessen Einstellung ergibt sich aus den vom Gericht und der Polizei in Vorlage gebrachten Unterlagen.

 

2.2.4. Die Feststellungen zum Vorbringen der Beschwerdeführer bzw deren Fluchtgründen und zu ihrer Situation im Fall der Rückkehr in den Herkunftsstaat beruhen auf den Angaben der BF1 im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG sowie den getroffenen Länderfeststellungen.

 

Die Feststellung zum Nichtvorliegen einer asylrelevanten Verfolgung oder sonstigen Gefährdung der Beschwerdeführers ergibt sich einerseits aus dem als unglaubwürdig erachteten Vorbringen der BF1 sowie andererseits aus den detaillierten, umfangreichen und aktuellen Länderfeststellungen zur Lage in den palästinensischen Autonomiegebieten und den Ergebnissen des ergänzenden Ermittlungsverfahrens.

 

Hinweise auf asylrelevante die Person der Beschwerdeführer betreffende Bedrohungssituationen konnte die BF1 nicht glaubhaft machen.

 

2.2.4.1. Das Vorbringen der BF1 – sie habe gemeinsam mit ihren Kindern die Heimat verlassen, da sie wegen der Namensgleichheit mit einem Minister sowie aufgrund ihrer Tätigkeit für eine Hilfsorganisation seitens der Hamas und der Fatah bedroht worden sei - wird als nicht der Wahrheit entsprechend angesehen.

 

Das erkennende Gericht hat anhand der Darstellung der persönlichen Bedrohungssituation eines Beschwerdeführers und den dabei allenfalls auftretenden Ungereimtheiten - z. B. gehäufte und eklatante Widersprüche (z. B. VwGH 25.1.2001, 2000/20/0544) oder fehlendes Allgemein- und Detailwissen (z. B. VwGH 22.2.2001, 2000/20/0461) - zu beurteilen, ob Schilderungen eines Asylwerbers mit der Tatsachenwelt im Einklang stehen oder nicht.

 

Auch wurde vom Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass es der Verwaltungsbehörde [nunmehr dem erkennenden Gericht] nicht verwehrt ist, auch die Plausibilität eines Vorbringens als ein Kriterium der Glaubwürdigkeit im Rahmen der ihr zustehenden freien Beweiswürdigung anzuwenden. (VwGH v. 29.6.2000, 2000/01/0093).

 

Weiters ist eine abweisende Entscheidung im Verfahren nach § 7 AsylG [numehr: § 3 AsylG] bereits dann möglich, wenn es als wahrscheinlich angesehen wird, dass eine Verfolgungsgefahr nicht vorliegt, der Glaubhaftmachung: Ackermann, Hausmann, Handbuch des Asylrechts [1991] 137 f; s.a. VwGH 11.11.1987, 87/01/0191; Rohrböck AsylG 1997, Rz 314, 524).

 

Von einem Antragsteller ist ein Verfolgungsschicksal glaubhaft darzulegen. Einem Asylwerber obliegt es bei den in seine Sphäre fallenden Ereignisse, insbesondere seinen persönlichen Erlebnissen und Verhältnissen, von sich aus eine Schilderung zu geben, die geeignet ist, seinen Asylanspruch lückenlos zu tragen und er hat unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt zu schildern. Die Behörde muss somit die Überzeugung von der Wahrheit des von einem Asylwerber behaupteten individuellen Schicksals erlangen, aus dem er seine Furcht vor asylrelevanter Verfolgung herleitet. Es kann zwar durchaus dem Asylweber nicht die Pflicht auferlegt werden, dass dieser hinsichtlich asylbegründeter Vorgänge einen Sachvortrag zu Protokoll geben muss, der aufgrund unumstößlicher Gewissheit als der Wirklichkeit entsprechend gewertet werden muss, die Verantwortung eines Antragstellers muss jedoch darin bestehen, dass er bei tatsächlich zweifelhaften Fällen mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit die Ereignisse schildert.

 

Die Beschwerdeführer wurden im Rahmen ihres Asylverfahrens darauf hingewiesen, dass ihre Angaben eine wesentliche Grundlage für die Entscheidung im Asylverfahren darstellen. Die BF wurden zudem aufgefordert, durch wahre und vollständige Angaben an der Sachverhaltsfeststellung mitzuwirken und wurde darauf aufmerksam gemacht, dass unwahre Angaben nachteilige Folgen haben.

 

2.2.4.2. Befragt zu ihren Fluchtgründen schilderte die BF1 im Rahmen der mündlichen Verhandlungen vor dem erkennenden Gericht eine Bedrohungssituation, die als nicht glaubwürdig erachtet wird; dies aus folgenden Gründen:

 

2.2.4.2.1. Zunächst ist zur Unglaubwürdigkeit des Fluchtvorbringens festzuhalten, dass sich das Fluchtvorbringen der Beschwerdeführerin zwischen der Erstbefragung am 24.02.2015, der Einvernahme durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 09.03.2016 sowie der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 27.11.2017 als uneinheitlich bzw. widersprüchlich darstellt.

 

Im Rahmen der Erstbefragung sowie der Einvernahme vor dem BFA gab die Beschwerdeführerin befragt zu ihren Fluchtgründen wie folgt an:

 

Palästina habe sie verlassen, weil sie wegen der Namensgleichheit mit einem Minister seitens der Hamas und Fatah bedroht worden sei. Sie sei nie politisch tätig gewesen. Sie habe jedoch ein kleines Problem mit den Behörden bzw. der Hamas gehabt und wurde hierzu eine polizeiliche Ladung in Kopie zur Befragung am 10.08.2014 in Vorlage gebracht. Sie sei nämlich einmal für eine Hilfsorganisation tätig gewesen. In einem Schreiben der Polizei bzw. der Hamas sei sie aufgefordert worden, nicht mehr bei der Hilfsorganisation, bei der sie kurze Zeit geholfen habe, zu arbeiten. Dieses Schreiben der Hamas habe sie am 28.10.2014 erhalten und hätten ein solches Schreiben auch alle anderen Mitarbeiter der Hilfsorganisation bekommen. Weitere Probleme habe es nach dem Schreiben keine gegeben und sei sie zwei Monate danach geflüchtet. Ein weiterer Fluchtgrund sei darin gelegen, dass ihr ihre Familie aufgrund der Scheidung den Umgang mit ihren Kindern verboten habe. Nach der Scheidung hätten die Kinder beim Ex-Mann gelebt und hätten ihr ihre Eltern verboten, ihren Ex-Mann und die Kinder zu besuchen. Mit Unterstützung ihres Ex-Mannes habe sie sodann Palästina mit den Kindern verlassen. Ihre Kinder hätten keine eigenen Fluchtgründe sondern dieselben wie sie. Ihre Eltern, 6 Geschwister, die Schwiegereltern sowie ihr Ehemann würden sich noch in Gaza aufhalten und dort leben. Ihr Leben in Gaza sei zu Ende. Dort gäbe es keine Sicherheit und keine Zukunft für ihre Kinder.

 

Im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG am 27.11.2017 gab die BF auf die Frage nach Ihren Fluchtgründen wie folgt an:

 

VR: Schildern Sie bitte eingehend Ihren Fluchtgrund.

 

BF: Es gibt so viele Konflikte dort. Einmal wurde das Haus meiner Eltern mit Granaten getroffen. Ich und meine Kinder lebten dort in ständiger Gefahr. Diese ständige Angst hat eigentlich die ganze Familie, es war sehr schwierig dort zu leben.

 

VR: Schildern Sie mir detailliert Ihre Fluchtgründe.

 

BF: 1 Jahr bevor ich das Land verließ gab es einen kriegsähnlichen Zustand, meine Kinder gingen in die Schule und die Schule wurde bombardiert. Ich habe Angst um meine Kinder, deshalb habe ich das Land verlassen. VR: Sind das alle Fluchtgründe?

 

BF: Ja, ich habe ständig Angst.

 

Die Beschwerdeführerin brachte folglich im Rahmen der mündlichen Verhandlung ausschließlich Probleme wegen einer allgemeinen schlechten Sicherheitslage vor und wurden individuelle sie konkret betreffende Fluchtgründe nicht mehr vorgebracht. Folglich lässt sich daraus schließen, dass der Grund für das Verlassen des Heimatlandes ausschließlich in der schlechten Sicherheitslage und in wirtschaftlichen Erwägungen bestand.

 

Erst nachdem die Beschwerdeführerin im Rahmen der mündlichen Verhandlung gefragt wurde, ob sie noch wisse, welchen Fluchtgrund sie beim BFA angegeben habe, berichtetet sie über die Probleme mit der Hamas wegen der Namensgleichheit mit einem Minister und dass sie seitens der Hamas einen Drohbrief erhalten habe. Wiederum befragt, warum sie das nicht sogleich vorgebracht habe, gab sie an, dass sie sich nicht alles merken könne, die Einvernahme sei doch schon drei Jahre her. Mit dieser Argumentation ist die Beschwerdeführerin jedoch nicht erfolgreich.

 

Es wird nicht verkannt dass bei langen Zeitabständen zwischen den einzelnen Einvernahmen bzw. Verhandlungen und zu fluchtauslösenden Ereignissen selbst, folglich dass bei Verstreichen eines Zeitraumes von mehreren Jahren gewisse Erinnerungslücken auftreten mögen oder sich Asylwerber nicht mehr an einzelne detaillierte Gegebenheiten erinnern können und daher unstimmige Angaben nicht völlig ausgeschlossen sind. Die Einvernahme der Beschwerdeführerin vor der Erstbehörde erfolgte jedoch im März 2016, also erst seit nicht einmal zwei Jahren und handelt es sich im gegenständlichen Fall darüber hinaus um ein Fluchtvorbringen, dass einfach nicht mehr erstattet wurde, welches noch dazu die unmittelbaren fluchtauslösenden Geschehnisse und nicht nur Nebensächlichkeiten betrifft, und kann wohl vorausgesetzt werden, dass das erstmals ausreisekausale Fluchtvorbringen - sofern es tatsächlich stattgefunden hat – auch noch Jahre nach dem Erlebten vorgebracht wird. Allein der Umstandes, dass die BF das Fluchtvorbringen hinsichtlich einer konkreten individuellen Bedrohung durch die Hamas, die Fatah und durch den israelischen Staat im Rahmen der mündlichen Verhandlung, nachdem sie zu ihren Fluchtgründen befragt wurde, nicht erwähnte und ausschließlich als Fluchtgrund die schlechte Sicherheitslage angab, ist ein wesentliches Indiz für die Unglaubwürdigkeit des Fluchtvorbringens.

 

Bereits dieser Umstand reicht aus, das Vorbringen der Beschwerdeführerin als nicht glaubhaft anzusehen. Insbesondere auf Grund dieser bei Betrachtung der Einvernahmen klar erkennbaren unterschiedlichen Varianten ihres Vorbringens ist es der BF, wie bereits vom BFA ausgeführt, daher nicht gelungen, eine Verfolgungsgefahr glaubhaft zu machen, zumal es der BF weder in der Einvernahme vor dem BFA noch in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG möglich war, diese widersprüchliche Darstellung der Ausreisegründe plausibel erklären zu können.

 

Ferner ist hierzu festzuhalten, dass nach allgemeiner Lebenserfahrung davon auszugehen ist, dass man bei der Schilderung seiner Ausreisegründe mit dem eindringlichsten Erlebnis beginnt, anstatt zuerst von der allgemeinen Lage zu berichten. Diese Behauptung vermag daher nicht zu erklären, weshalb die BF zentrale Ausführungen bezüglich ihrer Fluchtgründe, wie eben die Bedrohung durch die Hamas, im Rahmen mündlichen Verhandlung durch das BVwG befragt nach ihren Fluchtgründen mit keinem Wort erwähnte.

 

Für den Fall, dass die Beschwerdeführerin darüber hinaus zur Rechtfertigung ihrer unpräzisen Angaben anzuführen vermag, dass auch der psychische und physische Zustand des Asylwerbers bei der Einvernahme berücksichtigt werden müsse, so wird vom Bundesverwaltungsgericht nicht in Abrede gestellt, dass derartige Ereignisse emotional aufwühlend sein können und, dass das entscheidende Gericht zudem bei der Beurteilung der Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers zur umfassenden Auseinandersetzung mit allen relevanten Gesichtspunkten verpflichtet ist. Dazu gehört beispielsweise auch seine - psychische - Gesundheit, bei deren Beeinträchtigung ein großzügigerer Maßstab an die Detailliertheit seines Vorbringens zu legen ist (VfSlg. 18.701/2009). Auch das Alter und der Entwicklungsstand des Beschwerdeführers sind zu berücksichtigen. Insoweit bleibt jedoch festzuhalten, dass die Beschwerdeführerin keine gesundheitlichen Einschränkungen zum Zeitpunkt ihrer Einvernahmen geltend gemacht hat und reichen die obigen Entgegnungen auf ihre unpräzisen Angaben nicht aus, um diese bezüglich des Kerns ihres Vorbringens fehlenden Angaben zu erklären. Zumal es von einer im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung volljährigen und psychisch und physisch gesunden Antragstellerin grundsätzlich zu erwarten ist, dass sie ihre Ausreisegründe zumindest in den Eckpunkten und bei der ersten Möglichkeit sich hierzu zu äußern wahrheitsgemäß und möglichst genau angibt.

 

2.2.4.2.2. Ferner ist auf folgende Unstimmigkeiten, Unplausibilitäten und Widersprüchlichkeiten im Fluchtvorbringen hinzuweisen:

 

Die Beschwerdeführerin gab an, dass Sie aufgrund ihrer Hilfstätigkeit in einer karitativen Organisation der Fatah einen Drohbrief seitens der Hamas erhalten habe, in welchem ihr aufgetragen worden sei, die Tätigkeit bei der Hilfsorganisation einzustellen. Nach Durchsicht sämtlicher Beweisvorlagen ließ sich dem Akteninhalt jedoch kein Drohbrief entnehmen und wurde die Beschwerdeführerin dazu im Rahmen der mündlichen Verhandlung näher befragt. Letztlich führte sie aus, dass sie mit dem Drohbrief die polizeiliche Ladung gemeint habe. Einen Drohbrief, in welchem ihr aufgetragen wurde ihre Tätigkeit für die karitative Organisation einzustellen, gibt es folglich nicht und ist in ihren Angaben respektive ihr Verhalten folglich zu erkennen, dass die Beschwerdeführerin dazu neigt, Ereignisse bzw. Bedrohungen zu erfinden, welche nie stattgefunden haben, was ein gewichtiges Indiz für ihre Unglaubwürdigkeit darstellt. In der polizeilichen Ladung, welche sich in Kopie im Akt befindet, findet sich der Vermerk, dass die BF am 10.08.2014 um 9 Uhr bei der Fahndungsabteilung des Innenministeriums anwesend sein solle. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung befragt, wann sie bei der Polizei erscheinen hätte müssen, gab die BF an, dass sie das nicht wüsste. Befragt, wann die BF für die Hilfsorganisation gearbeitet habe, gab sie an, dass dies im Jahr 2013 gewesen sein müsste. Aus der von der Beschwerdeführerin in Vorlage gebrachten Arbeitsbestätigung der karitativen Organisation ergibt sich jedoch, dass die BF von Juni 2014 bis Oktober 2014 für diese Organisation gearbeitet und aus privaten zwingenden Gründen die Arbeit aufgegeben hat. Das Datum der Ausstellung lautet auf 29.03.2015. Auf diesen Widerspruch bzw. die Ungereimtheiten in ihren Angaben hingewiesen, führte die BF aus, dass sie vergesslich sei. Eine Erklärung für diese Ungereimtheiten konnten sie nicht dartun. Die Beschwerdeführerin gab im Rahmen der mündlichen Verhandlung ferner an, dass sie bei der Organisation aufgehört hätte zu arbeiten, weil diese von Seiten der Hamas geschlossen worden sei und sie von der Hamas gezwungen worden sei die Arbeit aufzugeben. Aus der in Vorlage gebrachten Arbeitsbestätigung vom März 2015 ergibt sich jedoch, dass die BF aus privaten Gründen die Arbeit dort aufgegeben hat und dass sie von Juni 2014 bis Okt. 2014 dort beschäftigt war. Der Stempel hat das Jahr 2015. Folglich ergibt sich, dass die Hilfsorganisation auch im März 2015 noch aktiv war und nicht geschlossen wurde und wurde die BF auch nicht seitens der Hamas gezwungen ihre Tätigkeit dort aufzugeben, da sie, wie sich aus der Bestätigung ergibt, ihre Arbeit aus privaten Gründen freiwillig aufgegeben hatte. Auch diese eklatante Ungereimtheit stellt ein wesentliches Indiz für die Unglaubwürdigkeit dar. Darüber hinaus gab die BF zu Protokoll, dass ihre Tätigkeit für die Hilfsorganisation darin bestand, dass sie Reinigungsarbeiten ausführte und bei der Verteilung von Hilfsgütern half. Allein aus dieser Tätigkeit im niederschwelligen Bereich, kann jedoch nicht angenommen werden, dass die BF dadurch ins Blickfeld der Hamas geraten sein sollte und ist ferner auf die geringe Dauer von 3 Monaten, in welcher sie für diese Organisation tätig war, zu verweisen. Dass die BF in exponierter bzw. herausragender Position für diese Organisation in Erscheinung getreten ist, kann folglich nicht festgestellt werden, weswegen auch eine Gefährdung ihrer Person aufgrund dieser Tätigkeit jedenfalls ausgeschlossen werden kann. Letztlich ist noch darauf hinzuweisen, dass die Beschwerdeführerin auch angab, dass sie keiner individuellen bzw. konkreten Bedrohung durch die Hamas wegen dieser Tätigkeit ausgesetzt war, sondern dass alle Arbeitnehmer gleichermaßen davon betroffen waren, weswegen schon allein aus diesem Grund keine individuelle Bedrohung der BF erkennbar ist. Aus der in Kopie in Vorlage gebrachten polizeilichen Ladung ergibt sich ferner, dass sich die BF am 10.08.2014 bei der Polizei melden hätte sollen. Bis Oktober 2014 hat sie aber weiterhin bei der Hilfsorganisation gearbeitet. Befragt nach Konsequenzen, da sie sich nicht bei der Polizei gemeldet habe, gab die BF an, dass sie das Land verlassen habe und die Polizei von Hamas ihren Vater nach ihrem Aufenthalt befragt hätte. Hierzu ist jedoch auszuführen, dass die Beschwerdeführerin gemäß ihren Angaben in der Erstbefragung ihr Heimatland erst Mitte Dezember 2014 verlassen hat und es sich als völlig unplausibel darstellt, dass die Beschwerdeführerin, sollte sie tatsächlich von der Polizei aus wichtigen Gründen geladen worden sein und diesen Termin trotzdem nicht wahrgenommen haben, mit keinerlei Konsequenzen bzw. mit einer Nachschau nach ihrer Person zu rechnen gehabt hätte. Ein weiterer Widerspruch ist ferner darin zu erkennen, dass die Beschwerdeführerin vor dem Bundesamt auch angab, dass ihr Vater nicht von der Polizei bzw. Hamas kontaktiert worden sei bzw. dass die Polizei nicht bei ihr nach Hause nach ihr gesucht habe; dem entgegenstehend gab sie nunmehr aber an, dass die Polizei bei ihrem Vater nach ihr gefragt hätte. Der Rechtfertigungsversuch der BF, dass ihr Vater erst im August/September 2016, also knapp zwei Jahre nach dem Ladungstermin, nach dem Aufenthalt der BF befragt worden sein soll, entbehrt jeglicher Logik, war der Ladungstermin doch für August 2014 festgesetzt und ist es völlig unplausibel, dass sich die Polizei, bei tatsächlichem Interesse an der Person der BF, erst zwei Jahre nach dem Ladungstermin nach ihr erkundigen würde. Darüber hinaus ist festzuhalten, dass sich das Vorbringen der BF auch hinsichtlich der zeitlichen Komponenten als widersprüchlich, mitunter sogar als völlig abstrus erweist (zu verweisen ist auf die unterschiedlichen Angaben, auch hinsichtlich der Jahreszahlen, zu den einzelnen Ereignissen). Eine weitere wesentliche Ungereimtheit ist ferner darin zu erkennen, dass die BF angab, dass sie die Ladung am 28.10.2014 erhalten habe. Aus der Ladung ergibt sich aber, dass das Datum der Vorladung mit 10.08.2014 beziffert wurde, was eine Unmöglichkeit der Wahrnehmung des Ladungstermins bedeutet und sich damit ein neuerliches Indiz für ihr abstruses Vorbringen ergibt.

 

Überdies ist hinsichtlich der Ladung festzuhalten, dass diese lediglich in Kopie in Vorlage gebracht wurde und folglich auch Zweifel an der Echtheit dieser bestehen. Allein der Umstand, dass die Ladung lediglich als Kopie, nicht jedoch im Original, vorgelegt wurde, lässt schon an sich Zweifel an deren Echtheit aufkommen. Überdies erscheint das Dokument teilweise nur schwer leserlich und mit handschriftlichen Ergänzungen versehen, was eine eindeutige Aussage hinsichtlich deren Echtheit ebenfalls erschwert. Da sich auch das Vorbringen der Beschwerdeführerin derartig widersprüchlich darstellt, ist auch diese vorgelegtes Dokument nicht geeignet, eine andere Beurteilung herbeizuführen. Aber unabhängig von der Frage der Echtheit dieser Ladung resultiert daraus noch keine Gefährdung der Beschwerdeführerin. Selbst wenn die Ladung echt sein sollte und die Beschwerdeführerin tatsächlich für den 10.08.2014 seitens der Polizei vorgeladen wurde, so kann diese Vorladung auf unterschiedlichen Gründen beruhen und kann eine individuelle Bedrohung der BF dadurch nicht abgeleitet werden.

 

Befragungen im Rahmen der Strafrechtspflege oder kurzfristige Anhaltungen stellen keinen asylrelevanten Eingriff dar, da solche Maßnahmen im Rahmen der ordentlichen Strafrechtspflege vorgesehen sind. Ohne Befragung des Opfers zu den einzelnen Geschehnissen, ist die Eruierung des Tatherganges sowie die Aufklärung der Straftat bzw. eine Verfolgung des Straftäters nicht möglich. Maßgeblich und damit entscheidungswesentlich ist in diesem Zusammenhang letztlich, dass die behaupteten Eingriffe in die Rechtssphäre der Beschwerdeführerin in Form von einer Vorladung nicht die für die Annahme einer Verfolgung erforderliche erhebliche Intensität aufwiesen.

 

Nach Artikel 9 Abs. 1 der Statusrichtlinie des Europäischen Parlaments und Rates gelten als Verfolgung im Sinne des Artikels 1 A der Genfer Flüchtlingskonvention Handlungen, die a) aufgrund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen gemäß Artikel 15 Abs. 2 EMRK keine Abweichung zulässig ist, oder b) in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der unter Buchstabe a) beschriebenen Weise betroffen ist.

 

So werden etwa nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch kurzfristige Inhaftierungen und Hausdurchsuchungen, die folgenlos bleiben, mangels Intensität nicht als asylrechtlich relevante Verfolgung angesehen (Feßl/Holzschuster AsylG 2005, Kommentar, E.63 zu § 3 unter Hinweis auf VwGH 14.10.1998, 98/01/0262; 12.05.1999, 98/01/0365 und E.71 zu § 3 AsylG unter Hinweis VwGH 21.04.1993, 92/01/1059 mwN; 21.02.1995, 94/20/0720, 19.12.1995, 95/20/0104; 10.10.1996, 95/20/0487).

 

Einer bloßen Ladung zur Behörde ermangelt es aber jedenfalls an der für die Asylgewährung nötigen Eingriffsintensität (vgl zB das hg Erkenntnis vom 11 November 1998, Zl 98/01/0312, mwN.). (VwGH 7. 9. 2000, 2000/01/0153)

 

Auch Beschimpfungen, Bewerfen eines Hauses mit Steinen und verbale Drohungen begründen keine Verfolgung von asylrelevanter Intensität (EGMR, Rs 18670/03, BERISHA & HALJITI v. Mazedonien, 16.06.2005).

 

Einer bloßen Ladung zur Behörde ermangelt es aber jedenfalls an der für die Asylgewährung nötigen Eingriffsintensität (vgl zB das hg Erkenntnis vom 11 November 1998, Zl 98/01/0312, mwN.). (VwGH 7. 9. 2000, 2000/01/0153).

 

Nach ständiger Rechtssprechung des VwGH stellen Nachfragen allein noch keine Verfolgungshandlung im Sinne des AsylG dar. Dies selbst im Falle wiederholter Nachfragen (VwGH v. 17.06.1992, Zl. 92/01/0546). Aus Polizeiladungen und der subjektiven Befürchtung des Asylwerbers, verhaftet oder verfolgt zu werden, ergibt sich, wenn objektiv keine Gefahr eines ungerechtfertigten Eingriffes von erheblicher Intensität zu erkennen ist, kein Asylgrund, zumal Ladungen, Nachfragen, selbst kurzfristige Inhaftierungen nicht als derart gravierend angesehen werden können, dass sie einen Verbleib im Heimatland unerträglich machen (VwGH vom 12.09.1996, Zl. 95/20/0285 oder Erkenntnis d. VwGH vom 31.03.1993, Zl. 92/01/0717)).

 

Der Verwaltungsgerichtshof anerkennt in ständiger Rechtsprechung kurzzeitige Inhaftierungen, wenn sie ohne Folgen blieben, und Hausdurchsuchungen aufgrund mangelnder Intensität nicht als asylrechtlich relevante Verfolgung (VwGH E vom 14.10.1998, Zl. 98/01/0262; VwGH E vom 12.5.1999, Zl. 98/01/0365).

 

Die von der Beschwerdeführerin geschilderten Ereignisse erreichen weder für sich genommen noch in ihrer Gesamtheit die Intensität einer asylrelevanten Verfolgungshandlung (vgl. VwGH RS 1, 25.01.2001, 2001/20/0011). Vgl. zur Intensität einer allenfalls asylrelevanten Verfolgung auch die jüngst ergangene Entscheidung des VwGH vom 30.08.2017, Ra 2017/18/0238-4.

 

Darüber hinaus ist zu konstatieren, dass die Beschwerdeführerin den Fluchtgrund, welchen sie vor dem BFA geltend gemacht hatte, dass sie nämlich wegen der Namensgleichheit mit einem Politiker seitens Israel verfolgt werde, im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG nicht mehr erwähnte. Der BF wurde die Frage gestellt, ob es der Wahrheit entspreche, dass sie Palästina wegen der Kriegszustände und wegen der Bedrohung der Hamas wegen ihrer Tätigkeit bei einer karitativen Organisation der Fatah, verlassen habe und gab sie darauf an, dass das alle Fluchtgründe seien. Von einer Bedrohung wegen einer Namensgleichheit mit einem Politiker erwähnte sie nichts mehr. Der Beschwerdeführerin wurde im Rahmen der mündlichen Verhandlung vorgehalten, dass sie vor dem BFA angegeben hatte, dass sie wegen der Namensgleichheit mit einem hochrangigen Hamas-Führer bedroht worden sei und wurde sie befragt, von wem Sie deswegen bedroht worden sei. Dazu gab die BF an, dass sie seitens der Hamas Probleme bekommen habe, weil sie für die karitative Organisation der Fatah tätig gewesen sei. Sie gab ferner an, dass sie seitens der Fatah nie bedroht worden sei. Ausschließlich der Staat Israel habe alle Minister und alle Mitglieder mit dem Namen XXXX bedroht. Befragt, wann sie den bedroht worden sei und dass sie die Bedrohung näher schildern solle, führte sie aus, dass es sich nur eine allgemeine Bedrohung gehandelt habe und sie persönlich deswegen nie konkret bedroht worden sei. Folglich ist in dem Umstand der Namensgleichheit, insbesondere aufgrund fehlender Intensität und individueller Bedrohung, eine individuelle, gegen die Person der Beschwerdeführerin gerichtete asylrelevante Gefährdung nicht zu erkennen. Darüber hinaus ist festzuhalten, dass die in Palästina lebende Familie der BF denselben Namen trägt und dieser ein weitgehend problemloses Leben in Palästina möglich ist, was wiederum ein wesentliches Indiz für die mangelnde Gefährdung der BF darstellt.

 

Letztlich ist noch festzuhalten, dass die Beschwerdeführerin vor dem BFA angab, dass sie den Entschluss zur Ausreise im Oktober 2013 nach der Scheidung von ihrem Ehemann getroffen habe, folglich kann die Tätigkeit für die karitative Hilfsorganisation im Sommer 2014 und die damit von ihr behauptete Bedrohung durch die Hamas nicht ausreisekausal gewesen sein.

 

Der Beschwerdeführerin wurde in der mündlichen Beschwerdeverhandlung Gelegenheit geboten die einzelnen Widersprüche aufzuklären bzw. einen plausiblen Grund für deren Entstehen zu nennen. Stets gab sie als Rechtfertigung an vergesslich zu sein. Es gelang ihr sohin nicht dem Befund der Unglaubwürdigkeit durch schlüssige Argumente entgegenzutreten.

 

2.2.4.3. Zum Vorbringen der BF2 im Rahmen der mündlichen Verhandlung, dass ihr Vater Palästina nunmehr auch verlassen habe und der Grund darin gelegen sei, dass dieser vom "Islamischen Staat" bedroht worden sei und diese Bedrohung nunmehr auch für sie gelte, ist zunächst auszuführen, dass der Asylantrag des Vaters mit Bescheid des BFA vom 15.11.2017 gemäß § 5 AsylG als unzulässig zurückgewiesen und festgestellt wurde, dass Italien gemäß der Dublin III-VO für sein Asylverfahren zuständig sei. Dieses Verfahren befindet sich seit 15.12.2017 in Beschwerde beim BVwG. Eine Glaubwürdigkeitsprüfung des Fluchtvorbringens des Vaters hat folglich (noch) nicht stattgefunden und ist auch unabhängig von der Glaubwürdigkeitsbeurteilung des Fluchtvorbringens des Vaters festzuhalten, dass es sich bei diesem Vorbringen der BF2 um eine bloße Spekulation bzw. Mutmaßung handelt und kann eine Gefährdung der Beschwerdeführer durch den Islamischen Staat im Falle ihrer Rückkehr nach Palästina nicht erkannt werden; dies aus folgendem Grund:

 

Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (vgl. VwGH 21.12.2000, 2000/01/0132, VwGH 23.9.1998, 98/01/0224, VwGH 26.11.1998, 98/20/0309, u.v.a. VwGH 13.9.2016, Ra 2016/01/0054 (hier mit dem Beisatz: "[ ] weil der Revisionswerber keine asylrelevante Verfolgungsgefahr - im Sinne eines ungerechtfertigten Eingriffs von erheblicher Intensität in seine zu schützende persönliche Sphäre - geltend gemacht hat;") Verfolgung durch mögliche Verwechslung aufgrund eines sunnitisch klingenden Namens.). Die Beschwerdeführerin stützt sich mit diesem Vorbringen auf eine reine Möglichkeit, welche, bei Zutreffen des Vorbringens ihres Vaters, eintreffen könnte. Sie konnte jedoch ihrer Behauptung nicht näher ausführen, oder substantiieren. Im Asylverfahren ist es nicht ausreichend, dass der Asylwerber Behauptungen aufstellt, sondern muss er diese glaubhaft machen. Dazu muss das Vorbringen in gewissem Maß konkret und nachvollziehbar sein. Keinesfalls kann die bloße Behauptung von Tatsachen als ausreichend angesehen werden. Würde es bereits genügen, wenn das Vorbringen von Tatsachen abstrakt ausreichend wäre, so könnte von Beweiswürdigung im eigentlichen Sinn wohl kaum gesprochen werden. Bei diesem Vorbringen der BF2 handelt es sich um eine bloß als Vermutung zu wertende Aussage, welche sie mit keinen Beweisen oder hinreichend substantiierten Angaben untermauern konnte. Durch die bloße Behauptung der BF2, auch für sie würde vom "Islamischen Staat" eine Gefahr ausgehen, da ihr Vater aufgrund von Problemen mit diesem Palästina verlassen habe, gelang es der BF2 nicht eine ihr mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit drohende Verfolgung durch den "Islamischen Staat" glaubhaft zu machen. Den Angaben der BF2 musste daher die Glaubwürdigkeit versagt werden und es kann nicht davon ausgegangen werden, dass sie begründete Furcht vor Verfolgung glaubhaft gemacht hat. Darüber hinaus ist festzuhalten, dass die Mutter der BF1 eine diesbzgl. Gefährdung ihrer Person bzw. ihrer Kinder nicht vorbrachte, was sich folglich auch als Indiz sowohl für die die mangelnde Glaubwürdigkeit als auch die mangelnde Gefährdung erweist.

 

2.2.4.4. Einen wesentlichen Grund für die mangelnde Glaubwürdigkeit des Vorbringens der BF1 stellt schließlich auch der Umstand dar, dass sich die restliche Familie der Beschwerdeführerin nach wie vor in Gaza aufhält und den anderen Familienmitgliedern der Beschwerdeführerin (insbesondere den Eltern und ihren sechs Geschwistern) ein unbehelligtes Leben in Palästina möglich ist. Gegenteiliges wurde von der BF nicht artikuliert und gab diese stets an, dass es ihren Familienangehörigen in Palästina zwar wirtschaftlich nicht gut gehe, sie jedoch keiner Verfolgung durch die Hamas ausgesetzt seien. Es ist anzunehmen, dass im Falle einer tatsächlichen Gefährdung der Beschwerdeführerin, wohl die gesamte Familie, davon mehr oder minder betroffen wäre bzw. sich die Hamas bei ihrer Familie laufend nach ihr erkundigen würde. Auch der Umstand, dass sich ihre Familie in Palästina aufhalten kann und sie keine Probleme ihrer Familienangehörigen vorbrachte, indiziert daher die Unglaubwürdigkeit des Vorbringens und dass sie im Falle ihrer Rückkehr mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit weder einer asylrelevanten noch einer sonstigen Gefährdung ausgesetzt ist.

 

Zusammengefasst ist es der Beschwerdeführerin daher nicht gelungen, eine Verfolgungsgefahr glaubhaft zu machen.

 

2.2.4.5. Nicht glaubhaft erweist es sich in einer Gesamtschau sohin, dass die BF1 in irgendeiner Weise ins Blickfeld der Hamas geraten ist, konnte sie doch keinen plausiblen Grund dafür glaubhaft machen.

 

In den getroffenen länderkundlichen Feststellungen finden sich Hinweise auf Misshandlungen, Folter und Hinrichtungen von Gefangenen der Hamas. Dass solchen Handlungen auch Observierungen sowie Befragungen von Betroffenen vorausgehen können, war wohl implizit anzunehmen. Ebenso ist davon auszugehen, dass die historische Rivalität zwischen den beiden palästinensischen Organisationen ein grundsätzliches Interesse etwa der Hamas in XXXX mit sich bringt, etwaige Spione für oder Kollaborateure mit der Fatah – genauso wie mit israelischen Sicherheitsbehörden – ausfindig zu machen, wie dies auch im umgekehrten Fall anzunehmen ist. Für den gg. Fall war es aus Sicht des erkennenden Gerichts vor diesem Hintergrund aber maßgeblich, zu welcher Einschätzung die Person des BF betreffend im Hinblick darauf zu gelangen war, aus welchen Gründen die Hamas ein bestehendes Verfolgungsinteresse an ihr entfalten hätte sollen, das sich letztlich in Vorladungen ausgedrückt hätte. Gerade ein solches Interesse war aus den Aussagen der BF aber nicht abzuleiten, war er doch weder in einer exponierten Position für die Fatah oder für Israel tätig.

 

Daran schließt die Überlegung an, dass schon aus bloßen Plausibilitätsgründen nicht miteinander zu vereinbaren wäre, dass dem BF von der Hamas ein so gravierendes Fehlverhalten wie die Spionage für die rivalisierende Fatah vorwerfbar gewesen, sie aber nie in Haft genommen worden sei und auch auf die Nichtbefolgung der Ladung keine weiteren Maßnahmen getroffen worden seien. Dies umso mehr, da auch die länderkundlichen Feststellungen nahe legen würden, dass die Hamas bei einer konkreten gegen sie sprechenden Sachlage wohl drastischere Maßnahmen als einen bloßen Ladungstermin ergriffen hätte.

 

2.2.4.6. Auf der Grundlage dieser Beweiswürdigung gelangt das erkennende Gericht sohin zur Feststellung, dass die BF1, entgegen ihrer Darstellung, vor ihrer Ausreise keiner individuellen Verfolgung durch die Hamas wegen des Verdachts der Kollaboration mit der Fatah unterlag, woraus auch pro futuro nicht auf die Gefahr einer solchen zu schließen war.

 

Aus dieser Feststellung war wiederum zu folgern, dass sie aus diesem behaupteten Grunde nicht daran gehindert wäre, bei einer Rückkehr nach Gaza als staatenlose Palästinenserin den Beistand der UNRWA (neuerlich) in Anspruch zu nehmen.

 

Auch anderweitige Hinderungsgründe wie etwa die allgemeine Sicherheitslage in Palästina oder der notorische Konflikt der Hamas mit den israelischen Sicherheitsbehörden ebendort waren nicht festzustellen. Die allgemeine Sicherheitslage wirkt sich sowohl der eigenen Darstellung der BF in der mündlichen Verhandlung über die aktuellen Lebensumstände ihrer Angehörigen vor Ort als auch den aktuellen länderkundlichen Informationen zufolge nicht dergestalt aus, dass es den Bewohnern von Gaza derzeit generell nicht möglich wäre den Beistand der UNRWA in Anspruch zu nehmen. Dies trifft auch auf gelegentliche sicherheitsrelevante Vorfälle in Gaza im Zusammenhang mit der Anwesenheit israelischer Sicherheitskräfte zu, zumal diese aktuell keine unmittelbaren Auswirkungen auf die Gesamtbevölkerung in Gaza in der Form entfalten, dass die Aktivitäten der UNRWA dadurch hintangehalten würden, und darüber hinaus der BF selbst nie behauptet hat persönlich in Konflikt mit israelischen Sicherheitsbehörden zu stehen.

 

2.2.4.7. Was das Vorbringen der BF1 im Rahmen der Einvernahmen vor der belangten Behörde betrifft, dass ein weiterer Fluchtgrund darin gelegen, dass ihr ihre Familie aufgrund der Scheidung den Umgang mit ihren Kindern verboten habe, die Kinder bei ihrem geschiedenen Ehemann gelebt hätten und sie wieder bei ihren Eltern wohnen habe müssen, so ist dazu auszuführen, dass es sich bei diesem Vorbringen um einen privaten Familienkonflikt um die Wohnverhältnisse sowie das Sorgerecht für die Kinder handelt und kann dem keine Asylrelevanz beigemessen werden. Darüber hinaus hat die BF1 stets vorgebracht ein gutes Verhältnis zu ihrem geschiedenen Ehemann zu pflegen und dass sie dieser auch beim Verlassen Palästinas unterstützt habe, sowie besteht gemäß ihren Angaben auch aktueller Kontakt zu diesem, weswegen davon auszugehen ist, dass sich eine für alle Beteiligten zufriedenstellende Lösung in den Familienangelegenheiten als jedenfalls möglich erweist.

 

2.2.4.8. Zu den minderjährigen Beschwerdeführern bleibt festzuhalten, dass bezüglich dieser keine relevanten eigenen Ausreisegründe dargelegt wurden. Wie soeben ausgeführt, erachtete die erkennende Richterin des Bundesverwaltungsgerichts das Vorbringen der BF1 bezüglich der Gründe für die Ausreise aus den palästinensischen Gebieten als nicht glaubhaft, weshalb auch für die minderjährigen Beschwerdeführer aus diesem Vorbringen nichts zu gewinnen war.

 

2.2.4.9. Daraus ergibt sich im Folgenden, dass die Beschwerdeführer vor ihrer Ausreise aus den palästinensischen Gebieten keiner individuellen Gefährdung oder Verfolgung in ihrem Herkunftsgebiet durch staatliche Organe oder durch Dritte ausgesetzt waren, zumal eine solche von den Beschwerdeführern nicht glaubhaft vorgebracht wurde und sich eine mögliche zukünftige Bedrohung, beispielsweise durch die Terrororganisation Islamischer Staat, nicht individuell manifestieren konnte.

 

2.2.5. (Situation im Herkunftsgebiet)

 

Die Feststellungen zur Lage in den palästinensischen Autonomiegebieten beruhen auf den in der mündlichen Verhandlung vom 27.11.2017 zitierten und diesem Erkenntnis zu Grund gelegtem Dokumentationsmaterial. Es ist allgemein zu den Feststellungen auszuführen, dass es sich bei den herangezogenen Quellen zum Teil um staatliche bzw. staatsnahe Institutionen handelt, die zur Objektivität und Unparteilichkeit verpflichtet sind. Angesichts der Seriosität der genannten Quellen und der Plausibilität ihrer Aussagen besteht für das Bundesverwaltungsgericht kein Grund, an der Richtigkeit dieser Angaben zu zweifeln.

 

Die Beschwerdeführer sind den Länderfeststellungen in der mündlichen Beschwerdeverhandlung auch nicht entgegengetreten.

 

In einer Zusammenschau der länderkundlichen Informationen mit den Erwägungen oben zur Frage der Glaubhaftmachung der behaupteten Ausreisegründe der BF war festzustellen, dass die Hamas zwar im Gaza-Streifen de facto die Regierungs- und Polizeigewalt ausübt und im Zuge dessen auch politische Gegner auf unangemessene Weise bzw. mitunter auch durch die Anwendung von Misshandlung, Folter und Hinrichtung verfolgt. Nachdem aber für das BVwG nicht als glaubhaft feststellbar war, dass die BF selbst sich dem Vorwurf der Gegnerschaft zur Hamas in Form der Kollaboration mit Israel oder der Fatah ausgesetzt hatte, war auch aus dem Inhalt der länderkundlichen Informationen nichts für das Schutzbegehren der BF wegen individueller Verfolgung durch die Hamas zu gewinnen.

 

Die vom Gericht herangezogenen länderkundlichen Informationen gaben darüber hinaus das Gesamtbild von insgesamt sehr schwierigen Lebensumständen für die Bevölkerung des Gaza-Streifens insbesondere als Auswirkung des bewaffneten Konflikts zwischen den israelischen Sicherheitskräften und den in Gaza operierenden bewaffneten Organisationen im Jahr 2014 wieder.

 

Das Gericht verkennt nicht, dass diese Umstände in Gaza für Zivilpersonen im Einzelfall auch zu einer Bedrohung für die Befriedigung ihrer grundlegenden Bedürfnisse geraten können, etwa weil sie einer besonders verwundbaren sozialen Gruppe angehören oder einer notwendigen, jedoch nicht hinreichend gesicherten medizinischen Versorgung bedürfen.

 

Im gg. Fall war jedoch festzustellen, dass die BF nicht nur vor der Ausreise aus ihrer Herkunftsregion keiner Bedrohung ihrer Existenzgrundlage ausgesetzt waren, sondern dass insbesondere auch im Gefolge der Ereignisse im Jahr 2014 im Gaza-Streifen ihre dort ansäßigen Angehörigen und Verwandten offenkundig keiner solchen Bedrohung ausgesetzt sind. Wie sie zuletzt in der Beschwerdeverhandlung darlegten, bewohnen die Genannten eigene Unterkünfte in Form einer Wohnung in Gaza, einige Familienmitglieder erwirtschafteten ein eigenes Einkommen bzw. erhalten finanzielle Leistungen aus Altersgründen und ergänzende Unterstützungsleistungen der UNRWA.

 

Aus diesen Feststellungen war in der Zusammenschau damit, dass die BF selbst angesichts ihrer Arbeitsfähigkeit sowie ihres verwandtschaftlichen Umfelds in der Heimat und mangels gravierender gesundheitlicher Einschränkungen keiner besonders verwundbaren sozialen Gruppe angehören, zu folgern, dass sie bei einer Rückkehr mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit in keine Existenz bedrohende Lage geraten würde.

 

Darüber hinaus wurden vom erkennenden Gericht noch länderkundliche Informationen zu Fragen der Einreisemodalitäten nach Gaza ausgehend von den Nachbarstaaten Israel bzw. Ägypten eingesehen sowie zum Parteigehör gebracht. Diesen ließ sich insgesamt entnehmen, dass eine solche Einreise Einschränkungen und Auflagen der betreffenden Behörden bzw. Organe unterliegt, jedoch nicht als unmöglich anzusehen ist. Die BF selbst betreffend war diesbezüglich zu berücksichtigen, dass die BF neben einem Personalausweis (BF1) auch über Reisedokumente der zuständigen palästinensischen Behörden verfügen. Den vom Gericht zuletzt eingesehenen bzw. beigeschafften länderkundlichen Informationen folgend stellt ein solches Reisedokument die grundlegende Voraussetzung für eine allfällige Einreise nach Palästina konkret über den ägyptischen Grenzübergang XXXX , die sich im Lichte dieser Informationen als eher praktikabel darstellt als jene über den israelischen in XXXX , dar. Ob es im gg. Fall darüber hinaus zum jeweiligen fraglichen Zeitpunkt auch faktisch möglich ist, diesen Grenzübergang für eine Einreise zu benützen, ist offenbar von der jeweils aktuellen Lage vor Ort abhängig. Von den BF wurde dazu keine Stellungnahme abgegeben.

 

Insoweit den Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat Berichte älteren Datums zugrunde gelegt wurden, ist auszuführen, dass sich seither die darin angeführten Umstände unter Berücksichtigung der dem Bundesverwaltungsgericht von Amts wegen vorliegenden Berichte aktuelleren Datums für die Beurteilung der gegenwärtigen Situation nicht wesentlich geändert haben, wobei festzuhalten ist, dass die herangezogenen Länderfeststellungen überwiegend aus dem Jahr 2016 stammen.

 

Aufgrund des Umstandes, dass die dem Verfahren zugrunde gelegten Feststellungen zum überwiegenden Teil aus dem Jahr 2016 datieren, hat die erkennende Richterin in aktuelle Länderberichte zu den palästinensischen Autonomiegebieten/Westjordanland Einsicht genommen, wie etwa dem Amnesty International Report 2016/2017 vom 16.05.2017, der Länderinformation Palästina der Österreichischen Agentur zur Entwicklungszusammenarbeit vom Dezember 2017 sowie auf der Homepage des deutschen Auswärtigen Amtes (Abfrage am 15.01.2018) Nachschau gehalten und ist festzuhalten, dass sich aus all diesen Berichten keine aktuelle wesentliche Verschlechterung der allgemeinen Situation und der Sicherheitslage in den palästinensischen Gebieten/Gazastreifen, weswegen es, insbesondere nach Prüfung der Situation im Herkunftsgebiet anhand aktueller Berichte, auch nicht erforderlich war, dem Verfahren aktuellere Länderfeststellungen zu Grunde zu legen. Darüber hinaus ist auf die notorisch bekannte Aussöhnung der rivalisierenden Palästinenserorganisationen Hamas und Fatah vom Oktober 2017 (https://derstandard.at/2000065851291/VersoehnungsgespraecheHamas-verkuendet-Einigung-mit-Fatah ) zu verweisen, womit eine schrittweise Verbesserung der Sicherheitslage in den palästinensischen Gebieten einhergeht.

 

Angesichts der Seriosität und Plausibilität der angeführten Erkenntnisquellen sowie dem Umstand, dass diese Berichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darbieten, besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln.

 

Die Beschwerdeführer traten den Quellen und deren Kernaussagen auch nicht konkret und substantiiert entgegen. Insoweit die Beschwerdeführer pauschal auf ein Klima ständiger Bedrohung, struktureller Gewalt und unmittelbarer Einschränkungen sowie Menschenrechtsverletzungen verweisen, so geht auch das Bundesverwaltungsgericht davon aus, dass die Sicherheits- und Menschenrechtslage in den palästinensischen Gebieten/Gazastreifen als angespannt zu bezeichnen ist und ist dieses Gebiet mit einer gewissen terroristischen Bedrohung konfrontiert. Die Beschwerdeführer haben aber nicht dargetan, inwiefern sie nun persönlich von dieser Sicherheits- und Menschenrechtslage betroffen sind. Von einer allgemeinen, das Leben eines jeden Bürgers betreffenden, Gefährdungssituation im Sinne des Art. 3 EMRK ist jedenfalls nicht auszugehen. Was die diesbezüglich Befürchtungen der Beschwerdeführer betrifft, Übergriffen ausgesetzt zu sein, wurde ein über abstrakte Befürchtungen hinausgehendes Vorbringen nicht glaubhaft erstattet und kann das Bundesverwaltungsgericht kein maßgebliches Risiko der Beschwerdeführer erkennen, allein aufgrund ihrer Anwesenheit in den palästinensischen Gebieten/Gazastreifen Opfer eines gegen sie gerichteten Übergriffs zu werden.

 

Es wurden somit im gesamten Verfahren keinerlei Gründe dargelegt, die an der Richtigkeit der Informationen zur allgemeinen Lage im Herkunftsstaat Zweifel aufkommen ließen.

 

3. Rechtliche Beurteilung:

 

Zu A) (Spruchpunkt I)

 

3.1. Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten

 

3.1.1. Gemäß § 3 Abs. 3 Z. 2 AsylG ist ein Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn der Fremde einen Asylausschlussgrund (§ 6) gesetzt hat.

 

Gemäß § 6 Abs. 1 Z. 1 AsylG ist ein Fremder von der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten ausgeschlossen, wenn und solange er Schutz gemäß Art. 1 Abschnitt D der Genfer Flüchtlingskonvention genießt. Liegt einer der in Abs. 1 genannten Ausschlussgründe vor, kann der Antrag auf internationalen Schutz in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß Abs. 2 ohne weitere Prüfung abgewiesen werden. § 8 AsylG gilt.

 

Gemäß Artikel 1 Abschnitt D der Genfer Flüchtlingskonvention findet dieses Abkommen keine Anwendung auf Personen, die zurzeit den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Institution der Vereinten Nationen mit Ausnahme des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge genießen. Ist dieser Schutz oder diese Unterstützung aus irgendeinem Grunde weggefallen, ohne dass das Schicksal dieser Person endgültig gemäß den hierauf bezüglichen Entschließungen der Generalversammlung der Vereinten Nationen geregelt worden ist, so fallen diese Personen ipso facto unter die Bestimmungen dieses Abkommens.

 

Gemäß Art 12 Abs 1 lit a der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29.04.2004 (Statusrichtlinie) ist ein Drittstaatsangehöriger oder ein Staatenloser von der Anerkennung als Flüchtling ausgeschlossen, wenn er den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Institution der Vereinten Nationen einer Institution der Vereinten Nationen mit Ausnahme des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge gemäß Art 1 Abschnitt D der Genfer Flüchtlingskonvention genießt. Wird ein solcher Schutz oder Beistand aus irgendeinem Grund nicht länger gewährt, ohne dass die Lage des Betroffenen gemäß den einschlägigen Resolutionen der Generalversammlung der Vereinten Nationen endgültig geklärt worden ist, genießt er ipso facto den Schutz dieser Richtlinie.

 

3.1.2. In seinem Erkenntnis vom 12.09.2013, U 1053/2012-14, führte der Verfassungsgerichtshof aus:

 

"Der Beschwerdeführer legte im Asylverfahren eine auf seine Person ausgestellte "UNRWA Registration Card" vor. Bei der UNRWA handelt es sich um eine Organisation der Vereinten Nationen iSd Art. 1 Abschnitt D der GFK, auf den sowohl Art. 12 Abs. 1 lit. a Status-RL sowie § 6 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 Bezug nehmen. Die Rechtstellung von Asylwerbern, die grundsätzlich dem Schutz einer von Art. 1 Abschnitt D GFK erfassten Organisation unterstehen, unterscheidet sich in folgender Hinsicht von jener anderer Asylwerber: Art. 12 Abs. 1 lit. a Status-RL sieht – in Entsprechung des Art. 1 Abschnitt D GFK – einerseits vor, dass Drittstaatsangehörige oder Staatenlose von der Anerkennung als Flüchtling ausgeschlossen sind, wenn sie unter dem Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Institution der Vereinten Nationen für Flüchtlinge gemäß Art. 1 Abschnitt D GFK stehen. Andererseits genießen vom Anwendungsbereich der genannten Bestimmungen erfasste Personen dann, wenn der Schutz oder Beistand einer solchen Organisation "aus irgendeinem Grund" nicht länger gewährt wird, ohne dass die Lage des Betroffenen gemäß den einschlägigen Resolutionen der Generalversammlung der Vereinten Nationen endgültig geklärt worden ist, "ipso facto" den Schutz der Status-RL bzw. der GFK. Auf Grund dieses in Art. 12 Abs. 1 lit. a der Status-RL angeordneten "ipso facto"-Schutzes sind die Mitgliedstaaten der Europäischen Union verpflichtet, vom Anwendungsbereich dieser Bestimmung erfassten Personen auf Antrag den Status von Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn der Beistand einer Organisation der Vereinten Nationen iSd Art. 1 Abschnitt D GFK "aus irgendeinem Grund" wegfällt und keiner der in Art. 12 Abs. 1 lit. b oder Abs. 2 und 3 Status-RL genannten Ausschlussgründe vorliegt (vgl. EuGH 19.12.2012, Rs. C-364/11 , Mostafa Abed El Karem El Kott ua., Rz 76).

 

Österreich ist seiner Verpflichtung, die Status-RL und damit auch den genannten Art. 12 der Status-RL in innerstaatliches Recht umzusetzen, insoweit nachgekommen, als nach dem in § 6 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 normierten Asylausschlussgrund einem Fremden kein Asyl gewährt werden kann, "so lange er Schutz gemäß Art. 1 Abschnitt D der Genfer Flüchtlingskonvention genießt". Eine ausdrückliche Regelung, die die – in Satz 2 des Art. 12 Abs. 1 lit. a der Status-RL vorgesehene – "ipso facto"-Zuerkennung von Asyl an Personen, denen gegenüber der Beistand der UNRWA "aus irgendeinem Grund" weggefallen ist, anordnen würde, enthält das AsylG 2005 jedoch nicht. Der "ipso facto"-Schutz bewirkt insofern eine Privilegierung von Personen, die unter dem Schutz der UNRWA gestanden sind, als diese – im Unterschied zu nicht unter Art. 12 Abs. 1 lit. a der Status-RL fallenden Personen – für die Zuerkennung des Status von Asylberechtigten keine Verfolgung aus den in Art. 1 Abschnitt A GFK genannten Gründen glaubhaft machen müssen, sondern nur darzutun haben, dass sie unter dem Schutz der UNRWA gestanden sind und dieser Beistand aus irgendeinem Grund weggefallen ist und dass keiner der in Art. 12 Abs. 1 lit. b oder Abs. 2 und 3 Status-RL genannten Ausschlussgründe vorliegt (vgl. EuGH, El Kott, Rz 76). Somit dürfte es sich bei Satz 2 des Art. 12 lit. a der Status-RL um eine den Einzelnen begünstigende unionsrechtliche Regelung handeln, die mangels Umsetzung in der am 10. Oktober 2006 abgelaufenen Umsetzungsfrist (vgl. Art. 38 Status-RL) unmittelbar anzuwenden sein dürfte."

 

(Vgl. auch VfGH U 706/2012-15 vom 29.06.2013)

 

3.1.3. Im Urteil vom 17.06.2010, C31/09 , Nawras Bobol, welchem der Antrag einer staatenlosen Palästinenserin aus XXXX an die ungarischen Behörden auf Anerkennung als Flüchtling nach Art. 1 Abschn. D 2. Satz der GFK zugrunde lag, zumal sie nunmehr außerhalb des Tätigkeitsgebiets der UNRWA lebe, stellte der Europäische Gerichtshof fest, dass "für die Zwecke der Anwendung des Art. 12 Abs. 1 Buchst. a Satz 1 eine Person den Schutz oder Beistand einer Institution der Vereinten Nationen mit Ausnahme des UNHCR genießt, wenn sie diesen tatsächlich in Anspruch nimmt. Sofern sie diesen nicht tatsächlich in Anspruch nimmt, kann sie ihren Antrag auf Anerkennung als Flüchtling jedenfalls nach Art. 2 lit c der Richtlinie (sinngleich: Art. 1 Abschn. A der GFK) prüfen lassen. Mit der Registrierung der betreffenden Person bei der UNRWA liegt ein ausreichender Nachweis für die tatsächliche Inanspruchnahme der Hilfe der UNRWA vor" (Rn 52-54).

 

3.1.4. Aus den Feststellungen oben zu den Personen der Beschwerdeführer wie auch zu ihren in Gaza lebenden Angehörigen war für das gg. Verfahren abzuleiten, dass wie diesen auch ihnen selbst im Falle einer Rückkehr in die Herkunftsregion angesichts der Registrierung bei der UNRWA in Gaza als staatenlose palästinensische Flüchtlinge (neuerlich) bei Bedarf der Beistand dieser Organisation zukommt. Dies ungeachtet dessen, in welchem Umfang ses bisher schon der konkreten Inanspruchnahme dieser Leistungen der UNRWA bedurfte oder die Angehörigen bis dato über ausreichende eigene Existenzgrundlagen verfügten bzw. weiterhin verfügen.

 

Damit steht für das erkennende Gericht fest, dass auch die BF grundsätzlich in den Anwendungsbereich des Art 1 Abschnitt D GFK bzw. Art. 12 Abs. 1 Buchst. a Satz 1 der Status-RL fallen.

 

Im Sinne des og. Judikats sind sie daher a priori in Anwendung des § 6 Abs. 1 Z. 1 AsylG von der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten ausgeschlossen, es sei denn, es wäre darüber hinaus gehend festzustellen, dass im gg. Fall dieser Schutz "aus irgendeinem Grund nicht oder nicht länger gewährt wird", was wiederum zur Folge hätte, dass ihnen "ipso facto" der Flüchtlingsstatus zukommen würde.

 

3.1.5. Der Gerichtshof der Europäischen Union hat dazu ausgesprochen, dass die nationalen Behörden für "die Feststellung, ob der Beistand oder der Schutz im Sinne dieser Bestimmung [...] tatsächlich nicht länger gewährt wird, [ ] zu prüfen [haben], ob der Wegzug des Betroffenen durch nicht von ihm zu kontrollierende und von seinem Willen unabhängige Gründe gerechtfertigt ist, die ihn zum Verlassen dieses Gebiets [zwangen] und somit daran [hinderten], den vom UNRWA gewährten Beistand zu genießen" (EuGH 19.12.2012, C-364/11 , El Kott u. a., Rz 61).

 

Folglich war das Vorbringen der Beschwerdeführer hinsichtlich des Vorliegens solcher Gründe zu prüfen, wobei im Falle des Nichtzutreffens die durch Art 1 Abschnitt D GFK bzw. Art. 12 der Status-RL vorgenommene Privilegierung im Hinblick auf die Zuerkennung des Flüchtlingsstatus "ipso facto" nicht zum Tragen käme.

 

3.1.6. Im gegenständlichen Fall sind nach Ansicht des erkennenden Gerichtes diese Voraussetzungen in Form der Feststellung von "nicht vom Beschwerdeführer zu kontrollierenden und von seinem Willen unabhängigen Gründen" jedoch nicht gegeben.

 

Die Beschwerdeführer hatten zur Begründung ihres Schutzbegehrens behauptet, sie seien zum Verlassen ihrer Herkunftsregion und somit des Schutzbereichs der UNRWA gezwungen gewesen, weil sie dort aus von ihnen behaupteten Gründen durch Dritte, konkret der Hamas und ihrer Organe sowie dem israelischen Staat, mit gravierenden Eingriffen in ihre Rechtssphäre, die ihren weiteren Aufenthalt unmöglich gemacht hätte, betroffen und pro futuro bedroht gewesen seien. Aus vom BVwG in seiner Beweiswürdigung näher dargestellten Gründen war diesem Vorbringen jedoch mangels glaubhafter Angaben dazu nicht zu folgen und damit schon diesbezüglich das Vorliegen von "nicht (von den Beschwerdeführern) zu kontrollierenden und von ihrem Willen unabhängigen Gründen" nicht festzustellen.

 

Auch aus den vom BVwG getroffenen Feststellungen zur aktuellen allgemeinen Lage in den Palästinensischen Autonomiegebieten ergaben sich keine stichhaltigen Hinweise darauf. Zwar ist den herangezogenen länderkundlichen Informationen auch zu entnehmen, dass eine Einreise in den sogen. Gaza-Streifen über Israel oder Ägypten Beschränkungen bzw. Auflagen durch die Behörden dieser Länder unterliegt, nicht jedoch, dass eine Einreise für die BF grundsätzlich unmöglich wäre, nicht zuletzt da diese zum einen im Bevölkerungsregister für palästinensische Bewohner der Autonomiegebiete registriert sind und zum anderen über einen Personalausweis der palästinensischen Autonomiebehörde wie auch über Reisepässe derselben verfügen.

 

Anderweitige außerhalb des Einflussbereichs des BF liegende Gründe für die Unmöglichkeit einer Inanspruchnahme des Beistands der UNRWA wurden weder behauptet noch waren sie von Amts wegen festzustellen, zumal auch die länderkundlichen Informationen zur Herkunftsregion der BF nicht aufzeigten, dass eine Ausreise dorthin grundsätzlich unmöglich wäre oder die UNRWA dort ihre Aktivitäten eingestellt hätte.

 

Folgerichtig war festzustellen, dass die Beschwerdeführer somit bei einer Ausreise in die Herkunftsregion den Beistand der UNRWA (wieder) in Anspruch nehmen können und sie damit auch nicht den privilegierten Schutz von Art 1 Abschnitt D GFK bzw. Art. 12 Abs. 1 Buchst. a Satz 1 der Status-RL genießen.

 

3.1.7. Vor diesem Hintergrund war der Antrag auf internationalen Schutz in Anwendung von § 3 Abs. 3 Z. 2 iVm § 6 Abs. 1 Z. 1 AsylG abzuweisen. Dies auch unter Berücksichtigung dessen, dass die Beschwerdeführer auch aus dem Verfahren ihrer jeweiligen Familienangehörigen keinen derartigen Status ableiten können, da deren Beschwerden mit diesem Erkenntnis des heutigen Tages im Ergebnis ebenfalls gleichlautend entschieden wurden.

 

3.2. Nichtzuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten

 

3.2.1. Im Urteil des Europäischen Gerichtshofes vom 19.12.2012, C-364/11 (Mostafa Abed El Karem El Kott u.a.), wurde u.a. klargestellt, dass die sogen. Status- oder Qualifikations-Richtlinie 2004/83 - im Gegensatz zur Genfer Konvention, die nur die Flüchtlingseigenschaft regelt - zwei unterschiedliche Schutzregelungen vorsieht, nämlich zum einen die Flüchtlingseigenschaft und zum anderen den durch den subsidiären Schutz gewährten Status. Daher sei die Wendung "genießt den Schutz dieser Richtlinie" in Art. 12 Abs. 1 Buchst. a Satz 2 der Richtlinie 2004/83 als Verweis allein auf die Flüchtlingseigenschaft aufzufassen, da sonst dieser Unterschied zwischen dem durch die Genfer Konvention und dem durch diese Richtlinie gewährten Schutz verkannt würde; diese Bestimmung geht nämlich auf Art. 1 Abschnitt D der Genfer Konvention zurück, in deren Licht diese Richtlinie auszulegen ist. Jedenfalls schließt Art. 12 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2004/83 dadurch, dass er sich allein auf die Flüchtlingseigenschaft bezieht, niemanden vom subsidiären Schutz im Sinne von Art. 2 Buchst. e dieser Richtlinie aus, und deren Art. 17, der die Gründe für den Ausschluss vom subsidiären Schutz aufführt, nimmt in keiner Weise auf die Gewährung des Schutzes oder Beistands einer Organisation wie der UNRWA Bezug (Rn 66 – 68). Daher kann nicht davon ausgegangen werden, dass vom europäischen Gesetzgeber eine Vermengung der einzelnen Schutzformen (Flüchtlingseigenschaft und subsidiärer Schutzstatus) beabsichtigt war und sind daher Gründe für die Gewährung subsidiären Schutzes gesondert zu prüfen. Bei einer Interpretation des Art. 12 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2004/83 in dem Sinne, dass eine Situation, die die Gewährung von subsidiären Schutz erfordert, auch "als irgendein Grund" im Sinne dieser Bestimmung zu qualifizieren wäre, würde dies im Übrigen im Ergebnis dazu führen, dass es zu einer Asylgewährung aus Gründen kommt, die aber in Wahrheit lediglich die Gewährung von subsidiärem Schutz rechtfertigen.

 

Durch die Neufassung der Richtlinie 2004/83 in Form der Richtlinie 2011/95/EU v. 13.12.2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz , welche an die Stelle der Richtlinie aus 2004 trat, ergab sich diesbezüglich keine Änderung in der Rechtslage.

 

3.2.2. Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird (Z 1), oder dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist (Z 2), der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

 

Gemäß § 8 Abs. 2 AsylG 2005 ist die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach § 7 zu verbinden.

 

Gemäß § 6 Abs. 2 2. Satz AsylG ist der § 8 AsylG auch auf jene Fälle anzuwenden, in denen es zur Abweisung des Asylbegehrens wegen des Vorliegens eines Ausschlussgrundes nach § 6 Abs. 1 AsylG gekommen ist.

 

Somit ist zu klären, ob im Falle der Rückführung des Fremden in seinen Herkunftsstaat Art. 2 EMRK (Recht auf Leben), Art. 3 EMRK (Verbot der Folter), das Protokoll Nr. 6 zur EMRK über die Abschaffung der Todesstrafe oder das Protokoll Nr. 13 zur EMRK über die vollständige Abschaffung der Todesstrafe verletzt werden würde. Der Verwaltungsgerichtshof hat in ständiger, noch zum Refoulementschutz nach der vorigen Rechtslage ergangenen, aber weiterhin gültigen Rechtsprechung erkannt, dass der Antragsteller das Bestehen einer solchen Bedrohung glaubhaft zu machen hat, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffende und durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerte Angaben darzutun ist (VwGH 23.02.1995, Zl. 95/18/0049; 05.04.1995, Zl. 95/18/0530; 04.04.1997, Zl. 95/18/1127; 26.06.1997, ZI. 95/18/1291; 02.08.2000, Zl. 98/21/0461). Diese Mitwirkungspflicht des Antragstellers bezieht sich zumindest auf jene Umstände, die in der Sphäre des Asylwerbers gelegen sind und deren Kenntnis sich die Behörde nicht von Amts wegen verschaffen kann (VwGH 30.09.1993, Zl. 93/18/0214).

 

Die Anforderungen an die Schutzwilligkeit und Schutzfähigkeit des Staates entsprechen jenen, wie sie bei der Frage des Asyls bestehen (VwGH 08.06.2000, Zl. 2000/20/0141). Ereignisse, die bereits längere Zeit zurückliegen, sind daher nicht geeignet, die Feststellung nach dieser Gesetzesstelle zu tragen, wenn nicht besondere Umstände hinzutreten, die ihnen einen aktuellen Stellenwert geben (vgl. VwGH 14.10.1998, Zl. 98/01/0122; 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011).

 

Unter "realer Gefahr" ist eine ausreichend reale, nicht nur auf Spekulationen gegründete Gefahr möglicher Konsequenzen für den Betroffenen ("a sufficiently real risk") im Zielstaat zu verstehen (VwGH 19.02.2004, Zl. 99/20/0573; auch ErläutRV 952 BlgNR 22. GP zu § 8 AsylG 2005). Die reale Gefahr muss sich auf das gesamte Staatsgebiet beziehen und die drohende Maßnahme muss von einer bestimmten Intensität sein und ein Mindestmaß an Schwere erreichen, um in den Anwendungsbereich des Artikels 3 EMRK zu gelangen (zB VwGH 26.06.1997, Zl. 95/21/0294; 25.01.2001, Zl. 2000/20/0438; 30.05.2001, Zl. 97/21/0560).

 

Herrscht in einem Staat eine extreme Gefahrenlage, durch die praktisch jeder, der in diesen Staat abgeschoben wird – auch ohne einer bestimmten Bevölkerungsgruppe oder Bürgerkriegspartei anzugehören –, der konkreten Gefahr einer Verletzung der durch Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte ausgesetzt wäre, so kann dies der Abschiebung eines Fremden in diesen Staat entgegenstehen. Die Ansicht, eine Benachteiligung, die alle Bewohner des Staates in gleicher Weise zu erdulden hätten, könne nicht als Bedrohung im Sinne des § 8 Abs. 1 AsylG 2005 gewertet werden, trifft nicht zu (VwGH 25.11.1999, Zl. 99/20/0465; 08.06.2000, Zl. 99/20/0203; 17.09.2008, Zl. 2008/23/0588). Selbst wenn infolge von Bürgerkriegsverhältnissen letztlich offen bliebe, ob überhaupt noch eine Staatsgewalt bestünde, bliebe als Gegenstand der Entscheidung nach § 8 Abs. 1 AsylG 2005 die Frage, ob stichhaltige Gründe für eine Gefährdung des Fremden in diesem Sinne vorliegen (vgl. VwGH 08.06.2000, Zl. 99/20/0203).

 

Die bloße Möglichkeit einer dem Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben wird, genügt nicht, um seine Abschiebung in diesen Staat unter dem Gesichtspunkt des § 8 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig erscheinen zu lassen; vielmehr müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade der Betroffene einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde (vgl. VwGH 27.02.2001, Zl. 98/21/0427; 20.06.2002, Zl. 2002/18/0028; siehe dazu vor allem auch EGMR 20.07.2010, N. gg. Schweden, Zl. 23505/09, Rz 52ff; 13.10.2011, Husseini gg. Schweden, Zl. 10611/09, Rz 81ff).

 

Bei außerhalb staatlicher Verantwortlichkeit liegenden Gegebenheiten im Herkunftsstaat kann nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) die Außerlandesschaffung eines Fremden nur dann eine Verletzung des Art. 3 EMRK darstellen, wenn im konkreten Fall außergewöhnliche Umstände ("exceptional circumstances") vorliegen (EGMR 02.05.1997, D. gg. Vereinigtes Königreich, Zl. 30240/96; 06.02.2001, Bensaid, Zl. 44599/98; vgl. auch VwGH 21.08.2001, Zl. 2000/01/0443). Unter "außergewöhnlichen Umständen" können auch lebensbedrohende Ereignisse (zB Fehlen einer unbedingt erforderlichen medizinischen Behandlung bei unmittelbar lebensbedrohlicher Erkrankung) ein Abschiebungshindernis im Sinne des Art. 3 EMRK iVm. § 8 Abs. 1 AsylG 2005 bilden, die von den Behörden des Herkunftsstaates nicht zu vertreten sind (EGMR 02.05.1997, D. gg. Vereinigtes Königreich; vgl. VwGH 21.08.2001, Zl. 2000/01/0443; 13.11.2001, Zl. 2000/01/0453; 09.07.2002, Zl. 2001/01/0164; 16.07.2003, Zl. 2003/01/0059). Nach Ansicht des VwGH ist am Maßstab der Entscheidungen des EGMR zu Art. 3 EMRK für die Beantwortung der Frage, ob die Abschiebung eines Fremden eine Verletzung des Art. 3 EMRK darstellt, unter anderem zu klären, welche Auswirkungen physischer und psychischer Art auf den Gesundheitszustand des Fremden als reale Gefahr ("real risk") – die bloße Möglichkeit genügt nicht – damit verbunden wären (VwGH 23.09.2004, Zl. 2001/21/0137).

 

Eine aufenthaltsbeendende Maßnahme verletzt Art. 3 EMRK dann, wenn begründete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Fremde im Zielland gefoltert oder unmenschlich behandelt wird (für viele: VfSlg 13.314; EGMR 7.7.1989, Soering, EuGRZ 1989, 314). Die Asylbehörde hat daher auch Umstände im Herkunftsstaat des Antragstellers zu berücksichtigen, wenn diese nicht in die unmittelbare Verantwortlichkeit Österreichs fallen. Als Ausgleich für diesen weiten Prüfungsansatz und der absoluten Geltung dieses Grundrechts reduziert der EGMR jedoch die Verantwortlichkeit des Staates (hier: Österreich) dahingehend, dass er für ein "ausreichend reales Risiko" für eine Verletzung des Art. 3 EMRK eingedenk des hohen Eingriffsschwellenwertes ("high threshold") dieser Fundamentalnorm strenge Kriterien heranzieht, wenn dem Beschwerdefall nicht die unmittelbare Verantwortung des Vertragsstaates für einen möglichen Schaden des Betroffenen zu Grunde liegt (vgl. Karl Premissl in Migralex "Schutz vor Abschiebung von Traumatisierten in "Dublin-Verfahren"", derselbe in Migralex: "Abschiebeschutz von Traumatisieren"; EGMR: Ovidenko vs. Finnland; Hukic vs. Scheden, Karim, vs. Schweden, 4.7.2006, Appilic 24171/05, Goncharova & Alekseytev vs. Schweden, 3.5.2007, Appilic 31246/06).

 

Der EGMR geht weiter allgemein davon aus, dass aus Art. 3 EMRK grundsätzlich kein Bleiberecht mit der Begründung abgeleitet werden kann, dass der Herkunftsstaat gewisse soziale, medizinische oder sonstige unterstützende Leistungen nicht biete, die der Staat des gegenwärtigen Aufenthaltes bietet. Nur unter außerordentlichen, ausnahmsweise vorliegenden Umständen kann diesbezüglich die Entscheidung, den Fremden außer Landes zu schaffen, zu einer Verletzung des Art. 3 EMRK führen (vgl für mehrere. z. B. Urteil vom 2.5.1997, EGMR 146/1996/767/964 ["St. Kitts-Fall"], oder auch Application no. 7702/04 by SALKIC and Others against Sweden oder S.C.C. against Sweden v. 15.2.2000, 46553 / 99).

 

Gemäß der Judikatur des EGMR muss der Antragsteller die erhebliche Wahrscheinlichkeit einer aktuellen und ernsthaften Gefahr schlüssig darstellen (vgl. EKMR, Entsch. Vom 7.7.1987, Nr. 12877/87 – Kalema gg. Frankreich, DR 53, S. 254, 264). Dazu ist es notwendig, dass die Ereignisse vor der Flucht in konkreter Weise geschildert und auf geeignete Weise belegt werden. Rein spekulative Befürchtungen reichen ebenso wenig aus (vgl. EKMR, Entsch. Vom 12.3.1980, Nr. 8897/80: X u. Y gg. Vereinigtes Königreich), wie vage oder generelle Angaben bezüglich möglicher Verfolgungshandlungen (vgl. EKMR, Entsch. Vom 17.10.1986, Nr. 12364/86: Kilic gg. Schweiz, DR 50, S. 280, 289). So führt der EGMR in stRsp aus, dass es trotz allfälliger Schwierigkeiten für den Antragsteller "Beweise" zu beschaffen, es dennoch ihm obliegt so weit als möglich Informationen vorzulegen, die der Behörde eine Bewertung der von ihm behaupteten Gefahr im Falle einer Abschiebung ermöglicht ( z. B. EGMR Said gg. die Niederlande, 5.7.2005)

 

Angesichts des im Wesentlichen identen Regelungsinhalts des bis 31.12.2005 in Kraft stehenden § 8 Abs. 1 AsylG 1997 im Verhältnis zum nunmehr in Geltung stehenden § 8 Abs. 1 AsylG 2005 – abgesehen vom im letzten Halbsatz des § 8 Abs. 1 AsylG 2005 nunmehr enthaltenen zusätzlichen Verweis auf eine eventuelle ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes als weitere mögliche Bedingung für eine Gewährung subsidiären Schutzes – lässt sich auch die bisherige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum § 8 AsylG 1997 in nachstehend dargestellter Weise auch auf die neue Rechtslage anwenden.

 

Danach erfordert die Feststellung einer Gefahrenlage auch iSd § 8 Abs. 1 AsylG 2005 das Vorliegen einer konkreten, den Beschwerdeführer betreffenden, aktuellen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten oder (infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt) von diesen nicht abwendbaren Gefährdung bzw. Bedrohung. Ereignisse, die bereits längere Zeit zurückliegen, sind daher ohne Hinzutreten besonderer Umstände, welche ihnen noch einen aktuellen Stellenwert geben, nicht geeignet, die begehrte Feststellung zu tragen (vgl. VwGH 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011; VwGH 14.10.1998, Zl. 98/01/0122). Die bloße Möglichkeit einer den betreffenden Bestimmungen der EMRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben wird, genügt nicht, um die Abschiebung des Fremden in diesen Staat als unzulässig erscheinen zu lassen (vgl. VwGH 27.02.2001, Zl. 98/21/0427). Im Übrigen ist auch zu beachten, dass mit konkreten, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerten Angaben das Bestehen einer aktuellen Gefährdung bzw. Bedrohung glaubhaft zu machen ist (vgl. VwGH 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011).

 

3.2.3. Unter Berücksichtigung der Ergebnisse des Beweisverfahrens kann nicht angenommen werden, dass die Beschwerdeführer im Falle ihrer Rückkehr in ihr Herkunftsland einer existentiellen Gefährdung noch einer sonstigen Bedrohung ausgesetzt sein könnten, sodass die Abschiebung eine Verletzung des Art. 3 EMRK bedeuten würde. Eine Gefährdung durch staatliche Behörden bloß aufgrund des Faktums der Rückkehr ist nicht ersichtlich, auch keine sonstige allgemeine Gefährdungslage durch Dritte.

 

Dass die BF im Fall der Rückkehr in ihre Herkunftsregion Folter, einer erniedrigenden oder unmenschlichen Behandlung oder Strafe (hier: durch Mitglieder oder Organe der Hamas oder durch den israelischen Staat) ausgesetzt sein würden, konnte aus oben dargestellten Gründen nicht festgestellt werden.

 

Die Beschwerdeführer haben weder eine lebensbedrohende Erkrankung noch einen sonstigen auf ihre Person bezogenen "außergewöhnlichen Umstand" behauptet oder bescheinigt, der ein Abschiebungshindernis im Sinne von Art. 3 EMRK iVm § 8 Abs. 1 AsylG darstellen könnte.

 

Bei der BF1 handelt es sich darüber hinaus um eine grundsätzlich arbeitsfähige und gesunde Frau, bei der die (neuerliche) Teilnahme am Erwerbsleben wie bereits vor seiner Ausreise im Hinblick auf diese individuellen Eigenschaften erwartet werden kann. Sie hat gelegentlich Hilfstätigkeiten verrichtet und wurde von ihren Eltern bzw. ihrem geschiedenen Ehemann finanziell unterstützt. Zumeist lebte sie von der Unterstützung durch UNRWA. Bei den BF2 bis BF6 handelt es sich um die minderjährigen Kinder der BF1, welche wiederum von ihrer Mutter sowie von UNRWA unterstützt werden.

 

Das BVwG verkennt diesbezüglich auch nicht, dass sich – den Feststellungen des BVwG zugrunde gelegten länderkundlichen Informationen zufolge – die allgemeine Lage in der Herkunftsregion der BF insbesondere seit dem bewaffneten Konflikt im Jahr 2014 und der dadurch bewirkten Zerstörung der Infrastruktur bzw. des dadurch ausgelösten Niedergangs des Wirtschaftslebens für Mitglieder der dortigen Zivilbevölkerung als sehr schwierig darstellen kann bis dahin, dass sie in einem Zustand dauerhafter Armut zu leben haben.

 

Im konkreten Fall hat die BF1 jedoch in der Beschwerdeverhandlung dargelegt, dass ihre Angehörigen sowie die Mitglieder ihrer Herkunftsfamilie seitens der UNRWA unterstützt werden sowie über ausreichenden von der UNRWA zur Verfügung gestellten bzw. finanzierten Wohnraum verfügen. Dier BF gab an, dass sie und ihre Familie stets von UNRWA unterstützt wurden und erhalte ihre Familie weiterhin Unterstützung durch die UNRWA. Aus dem Schreiben der UNRWA vom 18.05.2016, der UNRWA-Registrierungsbestätigung sowie den Angaben der BF1 im Rahmen der mündlichen Verhandlung ergibt sich, dass die Beschwerdeführer bei der UNRWA registriert sind und ihre gesamte Familie Anspruch auf das Hilfs- und Dienstprogramm sowie auch auf die Gesundheitsleistungen der UNRWA im Gazastreifen hat. Im Lichte dessen kann daher auch davon ausgegangen werden, dass den Beschwerdeführern im Fall ihrer Rückkehr im Rahmen von UNWRA sowie ihres Familienverbandes Unterstützung zuteil wird.

 

Zuletzt war diesbezüglich noch zu berücksichtigen, dass jene Bewohner der Herkunftsregion der BF, die deren bedürfen, ergänzend die Unterstützung der UNRWA in Anspruch nehmen, wie dies der Darstellung der BF1 zufolge auch ihre Angehörigen tun.

 

Selbst wenn vor dem Hintergrund dessen die BF bei einer Rückkehr in eine in materieller Hinsicht beschwerliche Lebenssituation gelangen könnten, war aus diesen Erwägungen nicht abzuleiten, dass im konkreten Fall außergewöhnliche Umstände ("exceptional circumstances") vorliegen würden, die die hohe Schwelle eines Eingriffs iSv Art. 2 und 3 EMRK erreichen würden.

 

Eine die physische Existenz nur unzureichend sichernde Versorgungssituation im Herkunftsstaat, die im Einzelfall eine Verletzung der durch Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte darstellen würde (vgl. VwGH 21.08.2001, 2000/01/0443; 13.11.2001, 2000/01/0453; 18.07.2003, 2003/01/0059), liegt somit nicht vor.

 

3.2.4. Durch eine Rückführung in den Herkunftsstaat würden die BF somit mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit nicht in ihren Rechten nach Art. 2 und 3 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (Europäische Menschenrechtskonvention – EMRK), BGBl. Nr. 210/1958 idgF, oder ihren relevanten Zusatzprotokollen Nr. 6 über die Abschaffung der Todesstrafe, BGBl. Nr. 138/1985 idgF, und Nr. 13 über die vollständige Abschaffung der Todesstrafe, BGBl. III Nr. 22/2005 idgF, verletzt werden.

 

Weder droht ihnen im Herkunftsstaat das reale Risiko einer Verletzung der oben genannten von der EMRK gewährleisteten Rechte noch bestünde die Gefahr der Todesstrafe unterworfen zu werden. Auch Anhaltspunkte dahingehend, dass eine Rückführung in das Herkunftsgebiet für die Beschwerdeführer als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde, sind nicht hervorgekommen.

 

Zu verweisen ist in diesem Zusammenhang auch auf das jüngste Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 21.02.2017, Ra 2016/18/0137-14 zur Frage der Zuerkennung von subsidiärem Schutz, in welchem sich der VwGH mit der Frage einer Rückkehrgefährdung iSd Art. 3 EMRK aufgrund der bloßen allgemeinen Lage (hier: Irak), insbesondere wegen wiederkehrenden Anschlägen und zum anderen einer solchen wegen – kumulativ mit der allgemeinen Lage – zu berücksichtigenden individuellen Faktoren, befasst hat und die Revision gegen das Erkenntnis des BVwG als unbegründet abgewiesen wurde.

 

3.2.5. Insoweit war auch der Antrag auf subsidiären Schutz gemäß § 8 Abs. 1 AsylG als unbegründet abzuweisen. Dies auch unter Berücksichtigung dessen, dass die Beschwerdeführer auch aus dem Verfahren ihrer jeweiligen Familienangehörigen keinen derartigen Status ableiten können, da deren Beschwerden mit diesem Erkenntnis des heutigen Tages im Ergebnis ebenfalls gleichlautend entschieden wurden.

 

3.3. Zur Frage der Erteilung eines Aufenthaltstitels und Erlassung einer Rückkehrentscheidung (§§ 57 und 55 AsylG sowie § 52 FPG):

 

3.3.1. Gemäß § 10. Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt wird sowie kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 AsylG 2005 vorliegt.

 

3.3.2. Gemäß § 57 Abs. 1 AsylG 2005 ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zu erteilen:

 

1. wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Z 3 FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht,

 

2. zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder

 

3. wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.

 

3.3.2.1. Die Beschwerdeführer befinden sich seit Februar 2015 im Bundesgebiet und ihr Aufenthalt ist nicht geduldet. Sie sind nicht Zeuge oder Opfer von strafbaren Handlungen und auch kein Opfer von Gewalt. Die Voraussetzungen für die amtswegige Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 liegen daher nicht vor, wobei dies weder im Verfahren noch in der Beschwerde behauptet wurde.

 

Im vorliegenden Verfahren erfolgte die Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz im Hinblick auf den Status des subsidiär Schutzberechtigten auch nicht gemäß § 8 Abs. 3a AsylG 2005 und ist auch keine Aberkennung gemäß § 9 Abs. 2 AsylG 2005 ergangen, wie aus dem Verfahrensgang ersichtlich ist.

 

3.3.3. Gemäß § 52 Abs. 2 FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen unter einem (§ 10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird, und kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 AsylG 2005 vorliegt und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.

 

3.3.3.1. Die Beschwerdeführer sind als Staatenlose aus den Palästinensischen Autonomiegebieten keine begünstigten Drittstaatsangehörigen und es kommt ihnen kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zu, da mit der erfolgten Abweisung ihres Antrags auf internationalen Schutz das Aufenthaltsrecht nach § 13 AsylG 2005 mit der Erlassung dieser Entscheidung endet.

 

3.3.4. Gemäß § 55 Abs.1 AsylG 2005 ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung plus" zu erteilen, wenn 1. dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist und 2. der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 14a NAG erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG), BGBl. I Nr. 189/1955) erreicht wird. Nach § 55 Abs. 2 AsylG 2005, ist eine "Aufenthaltsberechtigung" zu erteilen, wenn nur die Voraussetzung des Abs. 1 Z 1 vorliegt.

 

§ 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG lautet:

 

(1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

 

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

 

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

 

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

 

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

 

4. der Grad der Integration,

 

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

 

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

 

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

 

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

 

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

 

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§ 45 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.

 

Der Begriff des "Familienlebens" in Art. 8 EMRK umfasst nicht nur die Kleinfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern und Ehegatten, sondern auch entferntere verwandtschaftliche Beziehungen, sofern diese Beziehungen eine gewisse Intensität aufweisen, etwa ein gemeinsamer Haushalt vorliegt (vgl. dazu EKMR 19.07.1968, 3110/67, Yb 11, 494 (518); EKMR 28.02.1979, 7912/77, EuGRZ 1981/118; Frowein - Peukert, Europäische Menschenrechtskonvention, EMRK-Kommentar, 2. Auflage (1996) Rz 16 zu Art. 8; Baumgartner, Welche Formen des Zusammenlebens schützt die Verfassung? ÖJZ 1998, 761; vgl. auch Rosenmayer, Aufenthaltsverbot, Schubhaft und Abschiebung, ZfV 1988, 1). In der bisherigen Spruchpraxis der Straßburger Instanzen wurden als unter dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK zu schützende Beziehungen bereits solche zwischen Enkel und Großeltern (EGMR 13.06.1979, Marckx, EuGRZ 1979, 458; s. auch EKMR 07.12.1981, B 9071/80, X-Schweiz, EuGRZ 1983, 19), zwischen Geschwistern (EKMR 14.03.1980, B 8986/80, EuGRZ 1982, 311) und zwischen Onkel bzw. Tante und Neffen bzw. Nichten (EKMR 19.07.1968, 3110/67, Yb 11, 494 (518); EKMR 28.02.1979, 7912/77, EuGRZ 1981/118; EKMR 05.07.1979, B 8353/78, EuGRZ 1981, 120) anerkannt, sofern eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt (vgl. Baumgartner, ÖJZ 1998, 761; Rosenmayer, ZfV 1988, 1). Das Kriterium einer gewissen Beziehungsintensität wurde von der Kommission auch für die Beziehung zwischen Eltern und erwachsenen Kindern gefordert (EKMR 06.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215).

 

Nach ständiger Rechtssprechung der Gerichtshöfe öffentlichen Rechts kommt dem öffentlichen Interesse aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung iSd Art 8 Abs 2 EMRK ein hoher Stellenwert zu. Der Verfassungsgerichtshof und der Verwaltungsgerichtshof haben in ihrer Judikatur ein öffentliches Interesse in dem Sinne bejaht, als eine über die Dauer des Asylverfahrens hinausgehende Aufenthaltsverfestigung von Personen, die sich bisher bloß auf Grund ihrer Asylantragsstellung im Inland aufhalten durften, verhindert werden soll (VfSlg. 17.516 und VwGH vom 26.06.2007, Zl. 2007/01/0479).

 

3.3.4.1. Die Beschwerdeführer stellten jeweils im Februar 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Die Beschwerde gegen die Entscheidungen des BFA wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom heutigen Tag jeweils in allen Spruchpunkten abgewiesen, sodass sämtliche Familienmitglieder in gleichem Maße von einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme betroffen sind.

 

Ist von einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme die gesamte Familie betroffen, greift sie lediglich in das Privatleben der Familienmitglieder und nicht auch in ihr Familienleben ein; auch dann, wenn sich einige Familienmitglieder der Abschiebung durch Untertauchen entziehen (EGMR im Fall Cruz Varas gegen Schweden). In diesen Fällen ist nach der Judikatur des EGMR der Eingriff in das Privatleben gegebenenfalls separat zu prüfen (Chvosta, Die Ausweisung von Asylwerbern und Art 8 MRK, ÖJZ 2007/74, 856 mwN).

 

Die Beschwerdeführer haben keine zum dauernden Aufenthalt in Österreich berechtigte Verwandte oder sonstige nahen Angehörige in Österreich.

 

Der geschiedene Ehemann der BF1 bzw. Vater der BF2 bis BF6 gelangte im Oktober 2017 mit seiner nunmehrigen neuen Familie nach Österreich und stellte am 04.10.2017 in Österreich einen Asylantrag. Sein Asylantrag wurde mit Bescheid des BFA vom 15.11.2017 gemäß § 5 AsylG als unzulässig zurückgewiesen und festgestellt, dass Italien gemäß der Dublin III-VO für sein Asylverfahren zuständig sei. Dieses Verfahren befindet sich seit 15.12.2017 in Beschwerde beim BVwG. Der geschiedene Ehemann der BF1 und Vater der BF2 bis BF6 ist somit nicht zum dauernden Aufenthalt in Österreich berechtigt und wurde Italien als der für sein Asylverfahren zuständige Mitgliedstaat festgestellt. Darüber hinaus ist darauf hinzuweisen, dass die BF1 mit ihrem geschiedenen Ehegatten bzw. die BF2 bis BF6 mit ihrem Vater auch kein gemeinsames Familienleben führen und beschränkt sich der nunmehrige Kontakt auf gelegentliche Telefonate, was zweifelsfrei auch unabhängig von örtlicher Gebundenheit möglich ist. Letztlich bleibt zu erwähnen, dass zwischen den Beschwerdeführern und ihrem geschiedenen Ehemann bzw. Vater schon zumindest seit Februar 2015 kein gemeinsames Familienleben mehr besteht. Ein solches ist auch aktuell nicht gegeben und bildet die aufenthaltsbeendende Maßnahme daher keinen unzulässigen Eingriff in das Recht der Beschwerdeführer auf Schutz des Familienlebens. Was somit das Verhältnis zu diesem in Österreich aufhältigen Verwandten betrifft, finden sich keine ausreichenden Anhaltspunkte, die für eine besondere Beziehungsintensität oder ein sonstiges besonderes Abhängigkeitsverhältnis im Sinne eines qualifizierten Pflege-, Unterhalts- und/oder Unterstützungsverhältnisses zu dieser Person sprechen und die Annahme eines Familienlebens iSd Art. 8 EMRK rechtfertigen würden, womit den BF ein weiterer Verbleib außerhalb des österreichischen Bundesgebietes schlicht unzumutbar wäre.

 

Gegenteiliges wurde dem Bundesverwaltungsgericht bis zur Ausfertigung des gegenständlichen Erkenntnisses auch nicht mitgeteilt. Gerade wenn es sich aber um einen der persönlichen Sphäre der Partei zugehörigen Umstand wie etwa die familiären Verhältnisse handelt, besteht jedoch eine erhöhte Mitwirkungspflicht des Asylwerbers (VwGH 14.02.2002, 99/18/0199; VwGH 18.12.2002, 2002/18/0279).

 

Nach Ansicht der erkennenden Richterin liegt somit kein schützenswertes Familienleben der Beschwerdeführer in Österreich vor.

 

3.3.4.2. Was ein allfälliges Privatleben der Beschwerdeführer in Österreich betrifft, so ist auszuführen, dass dieses zu bejahen ist. Sie möchten offensichtlich ihr künftiges Leben in Österreich gestalten und halten sich nach ihrer Einreise im Februar 2015 ununterbrochen im Bundesgebiet auf.

 

Das Bundesverwaltungsgericht geht daher bei vorliegendem Sachverhalt, von keinen relevanten familiären, sondern von privaten Anknüpfungspunkten in Österreich aus.

 

Im Falle einer bloß auf die Stellung eines Asylantrags gestützten Aufenthalts wurde in der Entscheidung des EGMR (N. gegen United Kingdom vom 27.05.2008,

 

Nr. 26565/05) auch ein Aufenthalt in der Dauer von zehn Jahren nicht als allfälliger Hinderungsgrund gegen eine aufenthaltsbeendende Maßnahme unter dem Aspekt einer Verletzung von Art. 8 EMRK thematisiert.

 

In seiner davor erfolgten Entscheidung Nnyanzi gegen United Kingdom vom 08.04.2008 (Nr. 21878/06) kommt der EGMR zu dem Ergebnis, dass bei der vorzunehmenden Interessensabwägung zwischen dem Privatleben des Asylwerbers und dem staatlichen Interesse eine unterschiedliche Behandlung von Asylwerbern, denen der Aufenthalt bloß aufgrund ihres Status als Asylwerber zukommt, und Personen mit rechtmäßigem Aufenthalt gerechtfertigt sei, da der Aufenthalt eines Asylwerbers auch während eines jahrelangen Asylverfahrens nie sicher ist. So spricht der EGMR in dieser Entscheidung ausdrücklich davon, dass ein Asylweber nicht das garantierte Recht hat, in ein Land einzureisen und sich dort niederzulassen. Eine Abschiebung ist daher immer dann gerechtfertigt, wenn diese im Einklang mit dem Gesetz steht und auf einem in Art. 8 Abs. 2 EMRK angeführten Grund beruht. Insbesondere ist nach Ansicht des EGMR das öffentliche Interesse jedes Staates an einer effektiven Einwanderungskontrolle jedenfalls höher als das Privatleben eines Asylwerbers; auch dann, wenn der Asylwerber im Aufnahmestaat ein Studium betreibt, sozial integriert ist und schon 10 Jahre im Aufnahmestaat lebte.

 

Die Beschwerdeführer sind seit Februar 2015 in Österreich aufhältig. Die bisherige Aufenthaltsdauer der Beschwerdeführer beträgt daher etwa drei Jahre, wobei die Relevanz der Aufenthaltsdauer erheblich gemindert wird, zumal die BF zum bloß vorläufigen Aufenthalt aufgrund einer letztlich unbegründeten Asylantragstellung berechtigt waren und sie sich ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst gewesen sein mussten. Einem inländischen Aufenthalt von weniger als fünf Jahren kommt im Übrigen ohne dem Dazutreten weiterer maßgeblicher Umstände nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs noch keine maßgebliche Bedeutung hinsichtlich der durchzuführenden Interessenabwägung zu (VwGH 15.03.2016, Zl. Ra 2016/19/0031 mwN). Dass das nunmehrige Asylverfahren in Österreich, welches Grundlage für den hiesigen Aufenthalt der BF gewesen war, ab Februar 2015 etwa drei Jahre bis zur nunmehrigen Entscheidung andauerte, ist den BF zwar nicht anzulasten. Trotz der mehrjährigen Aufenthaltsdauer liegt aber sonst kein nennenswerter Integrationsgrad vor (wie in den vom VfGH mit Erkenntnis vom 03.11.2010, B 950/10, ua entschiedenen Fällen), weder enge Bezüge zu ÖsterreicherInnen, noch andere außergewöhnliche Umstände. In Anbetracht des Umstandes, dass der Antrag auf internationalen Schutz unbegründet war und sie versuchten diesen mit einem nicht glaubhaften Sachverhalt zu begründen und die Beschwerdeführer zur Antragstellung illegal in das Bundesgebiet von Österreich eingereist waren, sind aber gravierende öffentliche Interessen festzustellen, die für eine aufenthaltsbeendende Rückkehrentscheidung sprechen. Diese Interessen überwiegen in ihrer Gesamtheit das private Interesse der Beschwerdeführer am weiteren Verbleib, selbst wenn sie im Bundesgebiet über Freunde (im Rahmen der mündlichen Verhandlung brachten die BF1 und die BF2 vor, dass sie über Freunde verfügen würden) bzw. soziale Kontakte verfügen, die BF2 bis BF6 den Kindergarten bzw. die Schule besuchen und sie gewisse Deutschkenntnisse erlangt haben und ihr zukünftiges Leben hier gestalten wollen. Private und familiäre Interessen von Fremden am Verbleib im Gastland sind jedenfalls weniger stark zu gewichten, wenn diese während eines noch nicht abgeschlossenen Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz begründet werden, da die Antragsteller zu diesem Zeitpunkt nicht von vornherein von einem positiven Ausgang des Verfahrens ausgehen konnten und ihr Status bis zum Abschluss des Verfahrens ungewiss ist. Auch nach der Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte bewirkt in Fällen, in denen das Privat- und Familienleben in einem Zeitpunkt entstanden ist, in dem sich die betroffenen Personen der Unsicherheit ihres Aufenthaltsstatus bewusst sein mussten, eine aufenthaltsbeendende Maßnahme nur unter ganz speziellen bzw. außergewöhnlichen Umständen ("in exceptional circumstances") eine Verletzung von Art. 8 EMRK (vgl. VwGH 29.4.2010, 2009/21/0055 mwN).

 

Hinweise auf eine zum Entscheidungszeitpunkt vorliegende berücksichtigungswürdige besondere Integration der Beschwerdeführer in sprachlicher, beruflicher und gesellschaftlicher Hinsicht sind schon im Hinblick auf die relativ kurze Dauer ihres bisherigen Aufenthalts in Österreich seit September Februar 2015 nicht anzunehmen. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass der BF2 bis B6 die Schule bzw. den Kindergarten besuchen, womit sie mittlerweile über gewisse Deutschkenntnisse verfügen. Auch Deutschkenntnisse allein reichen nämlich noch nicht aus, um die fortgeschrittene oder gar vollständige Integration eines Fremden in Österreich annehmen zu können, wenngleich der Spracherwerb und der tatsächliche Wille, die deutsche Sprache zu erlernen, zweifellos ein wesentliches Kriterium bei der Beurteilung der Integration in Österreich darstellen. Was die Deutschkenntnisse der Beschwerdeführer betrifft, so sei in diesem Zusammenhang auch auf die höchstgerichtliche Judikatur verwiesen, wonach selbst die - hier bei weitem nicht vorhandenen - Umstände, dass selbst ein Fremder, der perfekt Deutsch spricht sowie sozial vielfältig vernetzt und integriert ist, über keine über das übliche Maß hinausgehenden Integrationsmerkmale verfügt und diesen daher nur untergeordnete Bedeutung zukommt (Erk. d. VwGH vom 6.11.2009, 2008/18/0720; 25.02.2010, 2010/18/0029).

 

Der BF1 übt in Österreich keine erlaubte Beschäftigung aus und ist nicht selbsterhaltungsfähig. Sie konnte auch keine eigenen Existenzmittel in Österreich nachweisen. Ebenso wenig wurden substantielle Deutschkenntnisse vorgebracht. Auch wurde der Besuch eines Deutschkurses nicht vorgebracht. Zudem ist die BF1 nicht Mitglied in einem Verein und betätigt sich auch nicht karitativ.

 

Die BF leben in einer vom Staat finanzierten Unterkunft und erhalten Unterstützung durch die Grundversorgung. Die BF2 brachte im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor, dass sie über österreichische Freunde verfüge, was schon aufgrund des Schulbesuches in Österreich immanent ist. Selbst wenn die Beschwerdeführer sich einen Freundes- und Bekanntenkreis aufgebaut haben sollten, so sind diese Freundschaften jedoch erst während des unsicheren bzw. unrechtmäßigen Aufenthalts entstanden und machen sie hiermit keine Umstände geltend, die ihre persönlichen Interessen an einem weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet maßgeblich verstärken könnten (vgl. etwa das Erkenntnis des VwGH vom 26. November 2009, Zl. 2007/18/0311). Soweit die BF insoweit über private Bindungen in Österreich verfügen, ist zudem darauf hinzuweisen, dass diese zwar durch eine Abschiebung nach Palästina gelockert werden, es deutet jedoch nichts darauf hin, dass die BF hierdurch gezwungen werden, den Kontakt zu jenen Personen, die ihnen in Österreich nahe stehen, gänzlich abzubrechen. Auch hier steht es ihnen frei, die Kontakte anderweitig (telefonisch, elektronisch, brieflich, durch kurzfristige Urlaubsaufenthalte) aufrecht zu erhalten.

 

Gegen die BF1 wurde wegen der Begehung eines Diebstahls am 09.03.2017 ein Strafantrag wegen §127 StGB einbracht. Von der Strafverfolgung wurde nach Erbringung von gemeinnützigen Leistungen durch die BF1 gemäß §201 Abs. 5 StPO zurückgetreten und wurde das Verfahren am 24.05.2017 eingestellt.

 

Eine Deutschprüfung hat die BF1 noch nicht abgelegt und hat sie auch keinen Deutschkurs absolviert. Die BF1 verfügt über Deutschkenntnisse auf niedrigem Niveau (vgl. Verhandlungsschrift Seite 15 und 16). Der Spracherwerb und der tatsächliche Wille, die deutsche Sprache zu erlernen, stellen aber zweifellos ein wesentliches Kriterium bei der Beurteilung der Integration in Österreich dar. Insgesamt liegen ihre Deutschkenntnisse, insbesondere auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass sie noch keinen Deutschkurs absolviert hat, somit doch deutlich unter dem Durchschnitt von Asylwerbern/ Drittstaatsangehörigen mit ähnlicher Aufenthaltsdauer und hat sich die BF1 somit tatsächlich nur relativ geringe Deutschkenntnisse angeeignet.

 

Die BF sind nicht selbsterhaltungsfähig und befinden sich in der Grundversorgung. Sie konnten auch keine eigenen Existenzmittel in Österreich nachweisen. Die Beschwerdeführer verrichten auch keine ehrenamtlichen oder gemeinnützigen Tätigkeiten. Darüber hinaus ist anzumerken, dass auch keine Unterstützungserklärungen für die Beschwerdeführer in Vorlage gebracht wurden.

 

Ferner ist der Vollständigkeit halber darauf hinzuweisen, dass der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung zum Ausdruck gebracht hat, dass der Ausübung einer Beschäftigung sowie einer etwaigen Einstellungszusage oder Arbeitsplatzzusage eines Asylwerbers, der lediglich über eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz und über keine Arbeitserlaubnis verfügt hat, keine wesentliche Bedeutung zukommt (VwGH 22.02.2011, 2010/18/0323 mit Hinweis auf VwGH 15.09.2010, 2007/18/0612 und VwGH 29.06.2010, 2010/18/0195 jeweils mit weiteren Nachweisen).

 

Zudem brachten die BF auch nicht vor, dass sie Mitglied in einem Verein sind oder sich karitativ betätigen.

 

Was den Schul- und Kindergartenbesuch der BF2 bis BF6 anbelangt, so ist auf ein diesbezügliches Erkenntnis des EGMR in einem ähnlich gelagerten Fall hinzuweisen und wird darin festgehalten, dass es den 7- und 11-jährigen in England geborenen Kindern zumutbar ist, den Eltern nach Nigeria zu folgen (EGMR 26.01.1999, Sarumi, 43.279/98). Der EGMR verwies in diesem Zusammenhang auf die große Anpassungsfähigkeit von Kindern. Diese Ansicht vertritt die erkennende Richterin auch im vorliegenden Fall, zumal hierbei auch zu berücksichtigen ist, dass sich die BF2 bis BF6 erst knapp drei Jahre in Österreich aufhalten, ihr Leben ansonsten in Palästina verbrachten und die grundsätzliche Sozialisierung bereits im Herkunftsland erfahren haben, was eine Wiedereingliederung jedenfalls zumutbar erscheinen lässt (vgl. zu all dem die Erkenntnisse des VwGH vom 19. September 2012, 2012/22/0143 bis 0146, und vom 23. Juni 2015, Ra 2015/22/0026, 0027).

 

Soweit Kinder von einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme betroffen sind, sind nach der Judikatur des EGMR die besten Interessen und das Wohlergehen dieser Kinder, insbesondere das Maß an Schwierigkeiten, denen sie im Heimatstaat begegnen, sowie die sozialen, kulturellen und familiären Bindungen sowohl zum Aufenthaltsstaat als auch zum Heimatstaat zu berücksichtigen (EGMR, Üner vs Niederlande, 18.10.2006, Beschwerde Nr. 46410/99, Randnr. 58; Neulinger und Shuruk vs Schweiz, 06.07.2010, Beschwerde Nr. 41615/07, Randnr. 146).

 

Maßgebliche Bedeutung hat dabei der EGMR der Frage beigemessen, wo die Kinder geboren wurden, in welchem Land und in welchem kulturellen und sprachlichen Umfeld sie gelebt haben, wo sie ihre Schulbildung absolviert haben, ob sie die Sprache des Heimatstaates sprechen und insbesondere, ob sie sich in einem anpassungsfähigen Alter befinden EGMR, 31.07.2008, Darren Omoregie ua vs Norwegen, Beschwerde Nr. 265/07, Randnr. 66; VwGH 21.04.2001, 2011/01/0132-0137-10).

 

Aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes deutet nichts darauf hin, dass es den BF2 bis BF6 in Begleitung ihrer Mutter (BF1) im Falle einer Rückkehr in die palästinensischen Gebiete/Gazastreifen nicht möglich wäre, sich in die dortige Gesellschaft zu integrieren. Dies ergibt sich insbesondere aufgrund des Umstandes, dass diese die überwiegende Zeit ihres Lebens dort verbracht haben und sie dort sozialisiert wurden. Die gebotene Berücksichtigung des Kindeswohles führt daher nicht zu einer Unverhältnismäßigkeit der Rückkehrentscheidung.

 

Die Rückreise nach Palästina/Gazastreifen im Familienverbund mit der Mutter ist sohin auch den minderjährigen Beschwerdeführern zumutbar.

 

Der persönliche und familiäre Lebensmittelpunkt der Beschwerdeführer liegt in Palästina, wo ihre Eltern (bzw. Großeltern) und sechs Geschwister (bzw. Tanten und Onkeln) leben und sie somit über ein soziales Netz verfügen.

 

Insoweit kann auch aufgrund der nicht übermäßig langen Abwesenheit (rund drei Jahre) aus ihrem Heimatland Palästina nicht davon ausgegangen werden, dass bereits eine völlige Entwurzelung vom Herkunftsland stattgefunden hat und somit bestehen nach wie vor Bindungen der BF zu Palästina.

 

Darüber hinaus sind keine weiteren maßgeblichen Anhaltspunkte dahingehend hervorgekommen, dass dem Recht auf Familien- und Privatleben des BF in Österreich im Verhältnis zu den legitimen öffentlichen Interessen an einer Aufenthaltsbeendigung eine überwiegende und damit vorrangige Bedeutung zukommen würde.

 

Auch der Verfassungsgerichtshof erblickte in der Ausweisung eines kosovarischen (ehemaligen) Asylwerbers keine Verletzung von Art. 8 EMRK, obwohl dieser im Laufe seines rund achtjährigen Aufenthaltes seine Integration u.a. durch gute Kenntnisse der deutschen Sprache, Besuch von Volkshochschulkursen in den Fachbereichen Rechnen, Computer, Deutsch, Englisch, Engagement in einem kirchlichen Verein, erfolgreiche Kursbesuche des Ausbildungszentrums des Wiener Roten Kreuzes und ehrenamtliche Mitarbeit beim Österreichischen Roten Kreuz sowie durch die Vorlage einer bedingten Einstellungszusage eines Bauunternehmers unter Beweis stellen konnte (VfGH 22.09.2011, U 1782/11-3, vgl. ähnlich auch VfGH 26.09.2011, U 1796/11-3).

 

Angesichts der - somit in ihrem Gewicht erheblich geminderten - Gesamtinteressen der Beschwerdeführer am Verbleib in Österreich überwiegen nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes die öffentlichen Interessen an der Aufenthaltsbeendigung, die sich neben den gefährdeten Sicherheitsinteressen insbesondere im Interesse an der Einhaltung fremdenrechtlicher Vorschriften sowie darin manifestieren, dass das Asylrecht (und die mit der Einbringung eines Asylantrags verbundene vorläufige Aufenthaltsberechtigung) nicht zur Umgehung der allgemeinen Regelungen eines geordneten Zuwanderungswesens dienen darf (vgl. dazu im Allgemeinen und zur Gewichtung der maßgeblichen Kriterien VfGH 29.9.2007, B 1150/07).

 

Das Bundesverwaltungsgericht kann aber auch sonst keine unzumutbaren Härten in einer Rückkehr der Beschwerdeführer erkennen: Die Beschwerdeführer beherrschen nach wie vor die Sprache Arabisch, sodass auch seine Resozialisierung und die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit bzw. ein weiterer Schulbesuch an keiner Sprachbarriere scheitert und von diesem Gesichtspunkt her möglich ist. Im Hinblick auf den Umstand, dass die erwachsene Beschwerdeführerin (BF1) und ihre Kinder (BF2 bis BF6) den überwiegenden Teil ihres Lebens in Palästina verbracht haben, ist davon auszugehen, dass anhaltende Bindungen zu Palästina bestehen, zumal dort ihre engsten Familienangehörigen (Eltern bzw. Großeltern und sechs Geschwister bzw. Onkeln und Tanten) leben. Es kann daher nicht gesagt werden, dass die Beschwerdeführer ihrem Kulturkreis völlig entrückt wären und sich in ihrer Heimat überhaupt nicht mehr zurecht finden würden. Im Übrigen sind nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch Schwierigkeiten beim Wiederaufbau einer Existenz in Palästina - letztlich auch als Folge des Verlassens des Heimatlandes ohne ausreichenden (die Asylgewährung oder Einräumung von subsidiärem Schutz rechtfertigenden) Grund für eine Flucht nach Österreich - im öffentlichen Interesse an einem geordneten Fremdenwesen hinzunehmen (vgl. VwGH 29.4.2010, 2009/21/0055).

 

Aufgrund dieser Fakten, der nicht übermäßig langen Aufenthaltsdauer von drei Jahren und in Anbetracht der Würdigung der mangelnden Integration kann weder von einer nachhaltigen Integration noch von einem ernsthaften Bemühen in diese Richtung gesprochen werden.

 

Nach Maßgabe einer Interessensabwägung im Sinne des § 9 BFA-VG ist daher davon auszugehen, dass die Interessen der Beschwerdeführer an einem Verbleib im Bundesgebiet nur geringes Gewicht haben und gegenüber dem öffentlichen Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Bestimmungen aus der Sicht des Schutzes der öffentlichen Ordnung, dem nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ein hoher Stellenwert zukommt, in den Hintergrund treten. Die Verfügung der Rückkehrentscheidung war daher im vorliegenden Fall dringend geboten und erscheint auch nicht unverhältnismäßig.

 

Aus den vorstehenden Erwägungen folgt somit, dass der Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 52 Abs. 2 Z 2 FPG wider der Beschwerdeführer keine gesetzlich normierten Hindernisse entgegenstehen.

 

3.3.5. Gemäß § 52 Abs. 9 FPG hat das Bundesamt mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, dass eine Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist, es sei denn, dass dies aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich sei.

 

Nach § 50 Abs. 1 FPG ist die Abschiebung Fremder in einen Staat unzulässig, wenn dadurch Art. 2 oder 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde oder für sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts verbunden wäre.

 

Nach § 50 Abs. 2 FPG ist Abschiebung in einen Staat unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, ihrer Religion, ihrer Nationalität, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Ansichten bedroht wäre (Art. 33 Z 1 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974), es sei denn, es bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005).

 

Nach § 50 Abs. 3 FPG ist Abschiebung in einen Staat unzulässig, solange der Abschiebung die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht.

 

3.3.5.1. Die Zulässigkeit der Abschiebung der Beschwerdeführer nach Palästina ist gegeben, da nach den die Abweisung ihres Antrages auf internationalen Schutz tragenden Feststellungen der vorliegenden Entscheidung keine Gründe vorliegen, aus denen sich eine Unzulässigkeit der Abschiebung im Sinne des § 50 FPG ergeben würde.

 

3.3.6. Gemäß § 55 Abs. 1 FPG wird mit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 zugleich eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt. Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt nach § 55 Abs. 2 FPG 14 Tage ab Rechtskraft des Bescheides, sofern nicht im Rahmen einer vom Bundesamt vorzunehmenden Abwägung festgestellt wurde, dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hat, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen.

 

3.3.6.1. Da derartige Gründe im Verfahren nicht vorgebracht wurden, ist die Frist mit 14 Tagen festzulegen.

 

Zu B) Zum Ausspruch über die Unzulässigkeit der Revision:

 

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

 

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab (vgl. die unter Punkt 2. bis 4. angeführten Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes), noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden, noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen.

 

Zu verweisen ist auch auf eine aktuelle Entscheidung das VwGH vom 30.08.2017, Ra 2017/18/0075-14, in welchem dieser die Revision eines Staatenlosen aus den Palästinensischen Autonomiebieten zurückgewiesen hat (Themen: UNWRA-Registrierung, Glaubwürdigkeit, Wiedereinreisemöglichkeiten).

 

Die oben in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des VwGH ist zwar zu früheren Rechtslagen ergangen, sie ist jedoch nach Ansicht der erkennenden Richterin auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

 

Aus den dem gegenständlichen Erkenntnis entnehmbaren Ausführungen geht hervor, dass das ho. Gericht in seiner Rechtsprechung im gegenständlichen Fall nicht von der bereits zitierten einheitlichen Rechtsprechung des VwGH, insbesondere zum Erfordernis der Glaubhaftmachung der vorgebrachten Gründe, zur Asylrelevanz, zur Intensität einer asylrelevanten Verfolgung, dem Refoulementschutz bzw. zum durch Art. 8 EMRK geschützten Recht auf ein Privat- und Familienleben abgeht.

 

Ebenso wird zu diesen Themen keine Rechtssache, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, erörtert. In Bezug auf Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides liegt das Schwergewicht zudem in Fragen der Beweiswürdigung.

 

Zur Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung ist die zur asylrechtlichen Ausweisung ergangene zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs übertragbar. Die fehlenden Voraussetzungen für die amtswegige Erteilung des Aufenthaltstitels nach § 57 AsylG 2005 ergeben sich aus durch den klaren Wortlaut der Bestimmung eindeutig umschriebene Sachverhaltselemente. Die Feststellungen zur Zulässigkeit der Abschiebung der Beschwerdeführer in ihr Herkunftsgebiet knüpft an die zitierte Rechtsprechung zu den Spruchpunkten I. und II. des angefochtenen Bescheids an.

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