VwGH 2010/18/0323

VwGH2010/18/032322.2.2011

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pallitsch sowie den Hofrat Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Merl und die Hofräte Dr. Lukasser und Mag. Haunold als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Schmidl, über die Beschwerde des A C S in W, geboren am 3. Mai 1956, vertreten durch Dr. Peter Stoff, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Neustiftgasse 3/4, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 30. Juni 2010, Zl. E1/198614/2010, betreffend Ausweisung gemäß § 53 FPG, zu Recht erkannt:

Normen

FrPolG 2005 §53 Abs1;
FrPolG 2005 §66;
MRK Art8 Abs2;
FrPolG 2005 §53 Abs1;
FrPolG 2005 §66;
MRK Art8 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 30. Juni 2010 wurde der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Kamerun, gemäß § 53 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG, ausgewiesen.

Die belangte Behörde legte ihrer Entscheidung im Wesentlichen die Feststellungen zugrunde, dass der Beschwerdeführer am 28. Februar 2002 nach Österreich gekommen sei und am selben Tag einen Asylantrag gestellt habe; der Antrag sei am 9. Februar 2010 rechtskräftig abgewiesen worden.

Von 1988 bis 2002 habe sich der Beschwerdeführer - "angeblich mit einer Aufenthaltsberechtigung für Studenten" - in Deutschland aufgehalten, wohin er nach seiner Flucht aus seinem Heimatstaat gereist sei. 1994 habe er die britische Staatsangehörige S.P. geheiratet; die Ehe sei 1997 geschieden worden.

Am 16. September 2008 habe B.H. angegeben, dass sie den Beschwerdeführer am 3. Jänner 2006 geheiratet habe. Dies sei eine Scheinehe gewesen. Die Ehe sei nie vollzogen worden. Die Ehepartner hätten lediglich vierzehn Tage lang zusammen gewohnt. Am 26. März 2009 sei die Ehe geschieden worden.

Das von der Bundespolizeidirektion Wien (der Behörde erster Instanz) wegen des Verdachts einer Scheinehe eingeleitete Rückkehrverbotsverfahren - so die belangte Behörde weiter - sei nicht zu Ende geführt worden, weil sich der Beschwerdeführer im Aufenthaltsverfahren nicht auf diese Ehe berufen habe. Diese Begründung erweise sich für die belangte Behörde allerdings als nicht nachvollziehbar, weil einerseits aus den amtlichen Evidenzen hervorgehe, dass der Beschwerdeführer am 7. Februar 2006 den Antrag auf Ausstellung einer "Niederlassungsbewilligung - Familienangehöriger" gestellt habe und andererseits kein Versuch aktenkundig sei, die Frage der Berufung auf die mögliche Scheinehe verlässlich zu klären. Der Antrag auf Niederlassungsbewilligung sei im Instanzenzug abgewiesen worden. Eine dagegen erhobene Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof sei erfolglos geblieben.

Aus einer Stellungnahme des Beschwerdeführers vom 15. April 2010 gehe hervor, dass der Beschwerdeführer in Deutschland mit der Lebensgefährtin L.N.S. zwei Kinder (geboren 1991 und 1996) habe, die nach wie vor in Deutschland lebten.

In der Berufung habe der Beschwerdeführer darauf hingewiesen, dass er strafgerichtlich und verwaltungsbehördlich unbescholten sei, im Bundesgebiet keiner Beschäftigung nachgehe und von der Caritas unterstützt werde. Familiäre Bindungen in Österreich bestünden nicht. Der Beschwerdeführer beherrsche die deutsche Sprache gut.

In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde - unter Wiedergabe des § 53 Abs. 1 FPG - im Wesentlichen aus, dass die Ausweisung von Fremden unter dem Vorbehalt des § 66 FPG stehe, wonach im Falle des Eingriffs in das Privat- oder Familienleben des Fremden die Ausweisung nur zulässig sei, wenn dies zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele - diese Bestimmung nenne die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung, die Verhinderung von strafbaren Handlungen, den Schutz der Gesundheit und der Moral und den Schutz der Rechte und Freiheiten anderer - dringend geboten sei. Die Behörde habe daher bei ihrer Ermessensentscheidung gemäß § 53 Abs. 1 FPG in Erwägung zu ziehen, ob und - wenn ja - welche bestimmten Umstände im Einzelfall vor dem Hintergrund der gesamten Rechtsordnung für und gegen eine Ausweisung des Beschwerdeführers sprächen, und sich dabei insbesondere von den Vorschriften des FPG leiten zu lassen.

Im Sinne des § 66 Abs. 2 FPG sei daher zu berücksichtigen,

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die Beschwerde bestreitet nicht, dass der Asylantrag des Beschwerdeführers am 9. Februar 2010 rechtskräftig abgewiesen worden ist und sich der Beschwerdeführer seitdem unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhält. Im Hinblick darauf begegnet die - unbekämpfte - Auffassung der belangten Behörde, dass der Tatbestand des § 53 Abs. 1 FPG erfüllt sei, keinen Bedenken.

2.1. Die Beschwerde wendet sich gegen das Ergebnis der von der belangten Behörde gemäß § 66 FPG vorgenommenen Interessenabwägung und bringt dazu im Wesentlichen vor, dass die gesetzlich vorgesehene Güterabwägung von der belangten Behörde nicht bzw. nicht richtig vorgenommen worden sei. Der inländische Aufenthalt des Beschwerdeführers von acht Jahren sei "extrem lang". Die Dauer des Asylverfahrens habe dazu geführt, dass der Beschwerdeführer ein Privat- und Familienleben in Österreich aufgebaut habe. Durch das laufende Asylverfahren sei er daran gehindert gewesen, "einen seiner privaten Situation entsprechenden Aufenthaltstitel zu erwerben".

Die Feststellung, dass in Österreich kein Familienleben bestehe, sei rechtsirrig. Es sei zwar richtig, dass die Familienangehörigen, die den familiären Kontakt mit dem Beschwerdeführer ausübten, keinen Wohnsitz in Österreich besäßen, dieser befinde sich jedoch in einem Nachbarland, welches mit Österreich Mitglied der Europäischen Union und durch das Schengen-Abkommen verbunden sei. Die Argumentation der belangten Behörde, der Beschwerdeführer könne in ein Land ausreisen, von welchem aus er den Besuchskontakt weiterführen könne, sei unrealistisch. Realistischerweise sei aufgrund der Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers als einziger Staat die Republik Kamerun verpflichtet, diesen aufzunehmen. Dass es den Kindern des Beschwerdeführers nicht möglich sei, familiäre Kontakte in Kamerun aufrecht zu erhalten, sei ebenfalls einzusehen.

Dass der Beschwerdeführer in Österreich nicht mehr verheiratet sei, könne ihm - angesichts der Scheidungsrate in Österreich und den "prekären wirtschaftlichen Voraussetzungen" - nicht als persönliches Verschulden angerechnet werden.

Zum Grad der Integration habe die belangte Behörde lediglich festgestellt, dass dieser nach der Dauer des Aufenthaltes des Beschwerdeführers im Bundesgebiet anzunehmen sei. Seine "persönliche Integration" sei "sehr intensiv". Es habe sich eine "Vielzahl von Menschen" für den Verbleib des Beschwerdeführers im Bundesgebiet engagiert bzw. bestätigt, dass sie "freundschaftlichen Kontakt" mit dem Beschwerdeführer hätten.

2.2. Dieses Vorbringen ist nicht geeignet, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen.

Die belangte Behörde hat bei der Prüfung der Zulässigkeit der Ausweisung gemäß § 66 FPG den Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet seit Februar 2002, seine freundschaftlichen Kontakte zu Österreichern sowie seine strafgerichtliche und verwaltungsstrafrechtliche Unbescholtenheit berücksichtigt. Die aus der Dauer des inländischen Aufenthaltes des Beschwerdeführers resultierenden persönlichen Interessen sind jedoch an Gewicht insoweit zu relativieren, als dieser Aufenthalt nur aufgrund eines Asylantrages, der in der Folge rechtskräftig abgewiesen wurde, erlaubt war und seit der rechtskräftigen Abweisung des Asylantrages unrechtmäßig ist (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 3. November 2010, Zl. 2010/18/0306, mwN).

Soweit die Beschwerde auf den mehrjährigen Aufenthalt des Beschwerdeführers in Deutschland hinweist, ist dem zu entgegnen, dass bei der Interessenabwägung nach § 66 FPG in erster Linie der inländische Aufenthalt des Beschwerdeführers zu berücksichtigen ist.

Die Beschwerde bestreitet darüber hinaus nicht die Feststellungen des angefochtenen Bescheides, dass die Kinder des Beschwerdeführers in Deutschland leben. Daher ist die Ansicht der belangten Behörde, dass in Österreich keine familiären Bindungen bestünden, nicht zu beanstanden.

Überdies stellt die Beschwerde nicht in Abrede, dass in Kamerun enge Angehörige - nämlich sieben Geschwister - des Beschwerdeführers leben, sodass - auch wenn durch die lange Abwesenheit des Beschwerdeführers die geschwisterlichen Beziehungen, wie die Beschwerde behauptet, aufgelöst sein sollten -

von Bindungen an dessen Heimatstaat auszugehen ist (vgl. § 66 Abs. 2 Z. 5 FPG und das hg. Erkenntnis vom 3. November 2010, Zl. 2010/18/0309). Was das Beschwerdevorbringen anlangt, es sei "keineswegs sicher", dass eine Einreise in Kamerun "keine nachteiligen Folgen" habe, so wäre über ein konkretes Vorbringen in dieser Hinsicht in einem gesonderten Verfahren - insbesondere in einem Asylverfahren - zu entscheiden; ein derartiges Vorbringen hinderte nicht die Erlassung einer Ausweisung (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 17. Dezember 2010, Zl. 2010/18/0385, mwN).

Soweit die Beschwerde ausführt, dass der Beschwerdeführer dem Sozialsystem nicht zur Last gefallen sei, macht sie auch mit diesem Vorbringen keinen Umstand geltend, der die persönlichen Interessen des Beschwerdeführers an einem weiteren Aufenthalt in Österreich maßgeblich verstärken könnte.

Da der Beschwerdeführer lediglich über eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz und über keine Arbeitserlaubnis verfügt hat, kommt auch den vom Beschwerdeführer ausgeübten Beschäftigungen sowie einer "bindenden Einstellungszusage" keine wesentliche Bedeutung zu (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 15. September 2010, Zl. 2007/18/0612, und vom 29. Juni 2010, Zl. 2010/18/0195, jeweils mwN).

Den - somit relativierten - persönlichen Interessen des Beschwerdeführers an einem weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet steht gegenüber, dass er sich trotz rechtskräftiger Abweisung seines Asylantrages - unrechtmäßig - weiterhin im Bundesgebiet aufhält, was eine erhebliche Beeinträchtigung des großen öffentlichen Interesses an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften darstellt, dem aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zukommt (vgl. wiederum das hg. Erkenntnis vom 3. November 2010, Zl. 2010/18/0306, mwN).

Bei Abwägung des angeführten großen öffentlichen Interesses und der gegenläufigen - wie oben dargestellt - relativierten Interessen des Beschwerdeführers begegnet die Ansicht der belangten Behörde, dass die Ausweisung des Beschwerdeführers gemäß § 66 FPG zulässig sei, auch dann keinem Einwand, wenn man - mit dem Beschwerdevorbringen - berücksichtigt, dass der Beschwerdeführer - weil er Deutsch und Englisch auf Universitätsniveau spreche und sich auch auf Französisch verständlich machen könne - sprachlich überdurchschnittlich integriert sei sowie vom europäischen Ausbildungssystem geprägte "Ausbildungen und Berufserfahrungen" aufweise.

3. Soweit die Beschwerde rügt, dass die belangte Behörde den Verdacht der Scheinehe in ihre Begründung aufgenommen habe, geht dieses Vorbringen wegen der Unerheblichkeit dieses Umstandes für die vorliegende Ausweisung nach § 53 FPG ins Leere.

4. Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 22. Februar 2011

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