VwGH 95/20/0285

VwGH95/20/028512.9.1996

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Baur, Dr. Bachler und Dr. Nowakowski als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Hemetsberger, über die Beschwerde des S in W, vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt in E, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 13. April 1995, Zl. 4.329.232/11-III/13/95, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 1991 §1 Z1;
AsylG 1991 §1 Z1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 14. April 1995 wurde die Berufung des Beschwerdeführers, eines Staatsangehörigen von China, der am 5. Oktober 1991 in das Bundesgebiet eingereist ist und am 16. Dezember 1991 den Antrag auf Asylgewährung gestellt hat, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Kärnten vom 25. Februar 1992, mit welchem festgestellt worden war, daß der Beschwerdeführer nicht Flüchtling sei, abgewiesen.

Der Beschwerdeführer begründete seinen schriftlichen Asylantrag vom 16. Dezember 1991 folgendermaßen: Er habe sich im Jahre 1989 an der Studentenbewegung gegen das herrschende Regime aktiv beteiligt, indem er den Sitzstreik der Studenten am Tienanmen-Platz unterstützt und organisiert habe. Er habe verschiedene Mitarbeiter telefonisch zur Teilnahme an der Demonstration ermuntert. Als die Regierung in Peking die Freiheitsbewegung gewaltsam unterdrückt habe, sei auch deswegen protestiert worden. Insbesondere sei er am 17. Mai 1989 an einer Demonstration vor dem Rathaus von Wenzhow beteiligt gewesen. Dabei seien die Studenten der dortigen Universität ausgezogen, um einen Dialog mit den Verantwortlichen zu verlangen. Der Beschwerdeführer habe damals die Arbeiter zur Unterstützung der Studenten organisiert. Nachdem Li Peng am 19. Mai 1989 zu den Studenten am Kienanmen-Platz in Peking gesprochen habe, sei am 21. Mai 1989 wieder eine Demonstration organisiert und auf dem Hauptplatz von Wenzhow abgehalten worden. Viele Leute hätten sich zu Wort gemeldet und es seien sowohl Flugzettel als auch Spruchbänder getragen worden, auf denen unter anderem die Parolen "Nieder mit Li Peng und Yan Shao-Kun", "nieder mit Yang Shao Keng", "China gehört dem chinesischen Volk", "Die Unterdrückung der Studenten hat keine Aussicht" zu lesen gewesen seien. Als er gerade dabei gewesen sei, eine solche Parole zu schreiben, sei die Polizei auf ihn aufmerksam geworden. Er habe sich einer Verhaftung entziehen und vom Stadtplatz entfernen können, da die Polizei von den Studenten zurückgedrängt worden sei. Die Parolen habe er im Namen des Betriebes geschrieben, in dem er beschäftigt gewesen sei. Nach der Niederschlagung der Studentenunruhen in Peking am 4. Juni 1989 sei von den zuständigen Polizeistellen damit begonnen worden, planmäßig in der Stadt Wenzhow zu fahnden. Er sei auf der Liste der wichtigsten Organisatoren des Volksprotestes in Wenzhow gewesen und habe daher zu den "Meistgesuchten" gehört. Man habe alte Rechnungen zusammen mit neuen in einem beglichen und mit ihm abrechnen wollen. Um der Verhaftung zu entgehen, sei er am 20. März 1990 aus Wenzhow geflohen.

Anläßlich seiner niederschriftlichen Einvernahme gab er am 8. Jänner 1992 zu seinen Fluchtgründen an: Er sei bereits wegen seiner Teilnahme an der Kulturrevolution gegen die "Viererbande" als Person "dritter Kategorie" eingestuft gewesen. Als Abteilungsleiter habe er zudem wegen der großen Inflation in seiner Firma einen schweren Stand gehabt. Er habe die gesamte Demokratiebewegung aktiv unterstützt, habe an mehreren Demonstrationen in Wenzhow teilgenommen bzw. sei deren Mitorganisator gewesen. Er habe am 4. Juni 1989 in Wenzhow an einer Demonstration teilgenommen. Nach dieser Demonstration seien sehr viele Teilnehmer von der politischen Polizei einvernommen worden. In der pädagogischen Akademie sei ein Bekannter des Beschwerdeführers einvernommen worden und dabei befragt worden, ob auch der Beschwerdeführer an der Demonstration teilgenommen habe. Der Mann habe ihn jedoch nicht verraten. Als der Mann dem Beschwerdeführer davon erzählt habe, hätte der Beschwerdeführer Angst bekommen und sei geflüchtet, weil man ihn sicher verhaftet hätte, wenn man seiner habhaft geworden wäre.

Des weiteren gab er in der Niederschrift an, daß er in seinem Heimatland in den Jahren 1953 bis 1964 die Volks- und Mittelschule besucht habe. Er habe keinen Beruf erlernt und sei zuletzt Angestellter in einer Firma für Industrieprodukte gewesen. Am 20. März 1990 sei er nach Polen geflogen, von dort am 19. Mai 1990 nach Ungarn gereist und habe sich in Ungarn bis zu seiner Einreise nach Österreich am 5. Oktober 1991 aufgehalten. Aus seinem am 24. Februar 1990 vom Büro für Ein- und Ausreise, Wenzhow, mit fünfjähriger Gültigkeit ausgestellten Reisepaß ließen sich Vermerke über die Ausreise aus China sowie die Einreise nach Polen, Visa für weitere europäische Staaten und die Einreise nach Ungarn ersehen.

In seiner aufgrund der abweisenden Entscheidung der ersten Instanz erhobenen Berufung brachte er darüber hinaus vor, daß er nach der "Kulturrevolution" in China angeklagt worden, zweimal vor dem Volksgericht gestanden, fast zum Tode verurteilt worden, nach dem ersten Volksgericht ins Gefängnis gekommen und dann für zwei Jahre zur "Gehirnwäsche" aufs Land geschickt worden sei. Nach dem zweiten Volksgerichtsprozeß sei er wegen Krankheit nach Hause entlassen worden, aber nur mit "ZMP.40,- was nicht zum Leben ausreicht", und sei später gehaltsmäßig nicht vorgerückt, wegen seiner Qualifikation als "politisch nicht verläßlich".

Zum Beweis für seine behauptete politische Verfolgung legte er zwei auf gewöhnlichem Papier geschriebene Briefe vor. Der erste stamme vom 12. Mai 1989 und enthalte ein "Anerkennungsschreiben der Selbstverwaltungsvereinigung der Hochschüler der Universität der Stadt Wenzhow" an den Beschwerdeführer in seiner Funktion als "Direktor der L Industrie G.m.b.H. in der Stadt Wenzhow" für eine Spende zur Durchführung der Demonstration vom 18. Mai 1989. Der zweite Brief sei unter den Voraussetzungen, daß nach der Niederschlagung der Studentenunruhen in Peking, die Sache nicht beendet sei, sondern die Suche nach den Organisatoren ununterbrochen weitergehe, geschrieben worden. Er sei von einem Studenten der pädagogischen Hochschule Wenzhow am 5. Jänner 1992 verfaßt worden. Der Brief beginne mit der Anrede "Sehr geehrter Herr Direktor S" und beinhalte im wesentlichen, daß dieser Student durch einen Brief des Beschwerdeführers erfahren habe, daß letzterer politische Verfolgung erlitten habe bzw. entfliehen habe können. Der Student berichte, daß nach der "Bewegung 04. Juni 1989" die Polizei von Wenzhow dauernd in die Schule gekommen sei, um herauszufinden, wer die Hintermänner seien, die diese Bewegung unterstützt hätten und wer das Druckmaterial und die finanziellen Mittel für die Demonstrationen beigestellt habe. Des weiteren enthält der Brief Angaben darüber, daß der Beschwerdeführer an Demonstrationen um den 16. Mai 1989 teilgenommen habe, er das Druckmaterial geliefert habe und beim Ankleben und Austragen von Plakaten und Handzetteln behilflich gewesen sei. Der Beschwerdeführer habe am 17. und 19. Mai 1989 Demonstrationen organisiert, bei denen einige Dutzend Studenten auf dem Volksplatz demonstrativ gesessen seien. Der Beschwerdeführer habe auch an einem Empfang durch den Bürgermeister und den Vizestadtsekretär im Rathaus teilgenommen sowie anschließend an einer Diskussion mit dem Vizebürgermeister und dem ersten Sekretär der Stadt. Seit dieser Zeit hätten die Sicherheitsstellen und die Stadtpolizei von Wenzhow die Studenten mehrmals befragt, weil sie wissen wollten, wer dieser Mann sei, der mit ihnen Kontakt aufgenommen habe. Jetzt sei es "schon in Ordnung". Er habe dieses "korrupte Land schon verlassen".

Mit ergänzendem Schreiben vom 27. Mai 1992 legte der Beschwerdeführer einen Brief eines Teilnehmers der "Demonstrationen um den 4. Juni 1989", welcher die Bestätigung der Angaben des Beschwerdeführers bei der Vernehmung in Traiskirchen am 19. Dezember 1991 beinhalte, sowie zwei Vorladungen zur "Polizei" (= Büro für öffentliche Sicherheit der Stadt Wenzhow) bei.

Die belangte Behörde erließ daraufhin den Bescheid vom 20. Jänner 1993, welcher aufgrund der dagegen an den Verwaltungsgerichtshof erhobenen Beschwerde infolge Anwendung einer verfassungswidrigen Norm (Aufhebung des Wortes "offenkundig" in § 20 Abs. 2 Asylgesetz 1991 durch den Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 1. Juli 1994, G 92,93/94) aufgehoben wurde (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 13. Oktober 1994, Zl. 94/19/0157).

Die belangte Behörde bot dem Beschwerdeführer daraufhin mittels Manuduktionsschreiben die Gelegenheit, einfache Verfahrensmängel und daraus etwa folgende Sachverhaltsfeststellungen der Behörde erster Instanz, welche er im Rahmen seiner Berufung möglicherweise nicht releviert habe, vorzubringen. In seiner Stellungnahme vom 20. März 1995 rügte der Beschwerdeführer, daß er bei keiner Einvernahme durch österreichische Behörden befragt worden sei, auf welche Weise er zu seinem Reisepaß gekommen sei. Diesbezüglich brachte der Beschwerdeführer nun vor, er habe über einen Geschäftsfreund bei einem korrupten Beamten einen Paß, ein Visum und die Ausgangskontrolle des Flughafens Peking für 90.000,-- Renmin Bi erkauft. Den Namen seines Freundes sowie dessen Anschrift habe er bisher zu dessen Schutz geheimgehalten. Er führte nunmehr dessen Namen und die Provinz seines Aufenthaltes an.

Für "Außenstehende" widersprüchlich erscheinende Angaben erklärte der Beschwerdeführer mit "kleinen Übersetzungsfehlern, die sich aus unterschiedlichen Dolmetschern und chinesischen Dialekten" ergeben hätten. Im übrigen bezog sich der Beschwerdeführer auf den von ihm bisher vorgebrachten Sachverhalt, gab jedoch abweichend von den bisherigen Angaben nunmehr an, er habe seine Familie und sein Heim in Wenzhow bereits IM JUNI 1989 verlassen müssen. Er sei danach unsteten Aufenthaltes gewesen. Die politische Polizei habe mehrfach bei seiner Frau und seinen Kindern zu Hause nach ihm gefahndet. Der Beschwerdeführer legte diesem Schreiben bereits zuvor vorgelegte Beweismittel bei, sowie als neue Beweismittel Briefe eines Bekannten und seiner Frau. Darin sei enthalten, daß der korrupte Beamte der Paßabteilung, welcher ihm den Reisepaß verschafft habe, erschossen worden sei. Die Polizei habe nach dem Beschwerdeführer bei dessen Mutter gesucht.

Die belangte Behörde erließ daraufhin den nunmehr angefochtenen (Ersatz-)Bescheid. Sie begründete einerseits, daß der Beschwerdeführer im Rahmen des Asylverfahrens "NICHT GLAUBHAFT habe machen" können, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, andererseits aber, daß es "für die erkennende Behörde UNGLAUBWÜRDIG" sei, daß der Beschwerdeführer sein Heimatland aus wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung verlassen habe.

Die belangte Behörde führte aus, die Teilnahme und Mitorganisation von Demonstrationen und die daraus erkennbare ablehnende Haltung eines Asylwerbers gegenüber den in seinem Heimatstaat herrschenden innen- und außenpolitischen System bildeten für sich allein noch keinen Grund, ihn als Flüchtling anzuerkennen. Der Beschwerdeführer sei deswegen von der Polizei weder vorgeladen noch verhaftet worden. Es sei lediglich ein Bekannter nach "der Demonstration" von der politischen Polizei einvernommen worden, dieser habe aber auf Befragung die Teilnahme des Beschwerdeführers verneint. Eine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung könne nur dann angenommen werden, wenn die Zustände im Heimatland des Asylwerbers auch aus objektiver Sicht betrachtet so seien, daß ein weiterer Verbleib dort unerträglich wäre. Die bloß "SUBJEKTIVE VERMUTUNG", der Beschwerdeführer würde verhaftet, wenn man seiner habhaft werde, da er auf der Liste der wichtigsten Organisatoren des Volksprotestes in Wenzhow stünde und daher zu den "Meistgesuchten" gehöre, spräche aus objektiver Sicht gesehen nicht für die GLAUBHAFTMACHUNG oder Annahme einer wohlbegründeten Furcht vor Verfolgung aus.

Des weiteren begründete die belangte Behörde, daß es dem Beschwerdeführer für den Fall, er hätte durch politische Aktivitäten im Zuge der Demokratiebewegung des Jahres 1989 eine Verfolgungsabsicht bei den chinesischen Behörden hervorgerufen, nicht möglich gewesen wäre, im Jahre 1990 die Ausstellung eines Reisepasses zu erlangen und ungehindert aus seinem Heimatland auszureisen. Im Lichte dessen könnten auch die beigebrachten Polizeiladungen nicht geeignet sein, eine aktuelle Verfolgungsgefahr seiner Person im Heimatland zu indizieren. Diese Ladungen seien mit 7. August 1989 bzw. 28. August 1989 datiert. Wären die Ladungen im Zusammenhang mit gravierender Strafverfolgung seiner Person ergangen, hätten die Heimatbehörden spätestens am 24. Februar 1990 (Datum der Ausstellung des Reisepasses), die Gelegenheit gehabt, seiner habhaft zu werden. Eine derartige staatliche Absicht habe offenbar nicht bestanden. Vielmehr ließe der Reisepaß ersehen, daß die Ausreise aus China im Reisepaß vermerkt, somit von den Heimatbehörden wahrgenommen worden sei und die beabsichtigte Reise nach Polen, ersichtlich am polnischen Einreisevisum, ausgestellt in Shanghai, die Zustimmung der chinesischen Behörden gefunden habe. Dies lasse die Verfolgung des Beschwerdeführers UNGLAUBWÜRDIG erscheinen. Aufgrund der mangelnden Glaubwürdigkeit seien auch die beigebrachten Schriftstücke nicht geeignet, eine tatsächlich erfolgte asylrelevante Verfolgung bzw. eine diesbezügliche Gefahr nachzuweisen bzw. einen anderslautenden Bescheid zu erwirken. Auf die beantragte Einvernahme des Bekannten, welcher dem Beschwerdeführer den Reisepaß ermöglicht habe, könne verzichtet werden, da die Entscheidung aufgrund der vorliegenden Aktenlage gefällt werden könne und von dieser Einvernahme kein im wesentlichen anders lautender Bescheid zu erwarten wäre.

Auf die Berufung vom 10. März 1992 sowie die Berufungsergänzung vom 20. März 1995 sei gemäß § 20 Abs. 1 AsylG 1991 nicht näher einzugehen, zumal keine Verfahrensmängel im erstinstanzlichen Verfahren zutage getreten seien.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Einleitend ist festzustellen, daß die Begründung des angefochtenen Bescheides in sich widersprüchlich ist. Denn die Behörde begründet einerseits, warum sie auf die Berufungsangaben sowie die Angaben der Berufungsergänzung gemäß § 20 Abs. 1 Asylgesetz 1991 nicht einzugehen habe, führt aber (unzulässigerweise, wenn von § 20 Abs. 1 AsylG 1991 zu Recht Gebrauch gemacht worden wäre) andererseits die vom Beschwerdeführer erstmalig in der Berufungsergänzung vom 27. Mai 1992 erwähnten und vorgelegten Ladungen zur Polizei als Grund für die Bewertung der Angaben des Beschwerdeführers als unglaubwürdig heran und weist den erstmalig in der Berufungsergänzung vom 20. März 1995 gestellten Beweisantrag auf Einvernahme des Bekannten des Beschwerdeführers, welcher ihm bei der Paßerlangung behilflich war, ab.

Der Beschwerdeführer rügt einen Verfahrensmangel im Sinne des § 16 Abs. 1 Asylgesetz, was im Hinblick auf sein Vorbringen in der Berufungsergänzung vom 20. März 1995, er sei nicht befragt worden, durch welche Umstände er zu seinem Reisepaß gekommen sei, berechtigt ist. Denn § 16 Abs. 1 Asylgesetz 1991 verpflichtet die Asylbehörden, in allen Stadien des Verfahrens von Amts wegen durch Fragestellung oder in anderer geeigneter Weise darauf hinzuwirken, daß die für die Entscheidung erheblichen Angaben über die zur Begründung des Asylantrages geltend gemachten Umstände vervollständigt, die Bescheinigungsmittel für diese Angaben bezeichnet oder die angebotenen Bescheinigungsmittel ergänzt und überhaupt alle Aufschlüsse gegeben werden, welche zur Begründung des Asylantrages notwendig erscheinen. Zwar tritt diese Ermittlungspflicht der Behörde nur im Fall hinreichend deutlicher Hinweise im Vorbringen eines Asylwerbers auf einen Sachverhalt ein, der für die Glaubhaftmachung wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung im Sinne der Flüchtlingskonvention in Frage kommt. Doch hat der Beschwerdeführer im vorliegenden Fall durch seine Behauptung, er sei auf der Liste der wichtigsten Organisatoren des Volksprotestes in Wenzhow gewesen und habe zu den "Meistgesuchten" gehört, die Möglichkeit einer asylrechtlich relevanten Verfolgung zumindest so hinreichend angedeutet, daß die Behörden des Verwaltungsverfahrens anläßlich der niederschriftlichen Einvernahme zu Nachfragen, insbesondere zur Intensität der ihm drohenden Verfolgung, zu den Umständen seines weiteren Aufenthaltes in Wenzhow bis März 1989 und zu den Umständen der Erlangung seines Reisepasses und seiner Ausreise verpflichtet gewesen wären. Die belangte Behörde hätte daher im Sinne des § 20 Abs. 2 Asylgesetz 1991 die weiteren Angaben des Beschwerdeführers zu berücksichtigen gehabt.

Eine Verletzung von Verfahrensvorschriften führt aber nicht auf jeden Fall zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides, sondern nur dann, wenn der Verfahrensmangel im zu prüfenden Fall möglicherweise von Einfluß auf den Inhalt des angefochtenen Bescheides sein konnte. Es obliegt der beschwerdeführenden Partei, in der Beschwerde (ggf. unter Anführung von Beweisen) darzutun, inwiefern die belangte Behörde bei Einhaltung der verletzten Verfahrensvorschrift zu einem anderen Bescheid hätte kommen können.

Diesbezüglich weist der Beschwerdeführer nur auf die von ihm geschilderten Umstände seiner Ausreise hin. Damit gelingt es dem Beschwerdeführer zwar, die Schlüssigkeit der von der belangten Behörde unter anderem auf die ohne Probleme erfolgte Erlangung des Reisepasses sowie die Ausreise des Beschwerdeführers gestützte Wertung seiner Angaben als unglaubwürdig zu erschüttern, doch übersieht der Beschwerdeführer, daß die belangte Behörde in rechtlichen Erwägungen auch - offenbar für den Fall der Glaubwürdigkeit der Angaben des Beschwerdeführers - ausgeführt hat, daß der Beschwerdeführer asylrechtlich relevante Verfolgung nicht habe GLAUBHAFT MACHEN können.

Zentraler Aspekt des von § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 aus Art. 1 Abschnitt A Z. 2 Genfer Flüchtlingskonvention übernommenen Flüchtlingsbegriffes ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt dann vor, wenn der Eingriff in die zu schützende Sphäre geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in den Aufenthaltsstaat zu begründen. Es ist nicht erforderlich, daß eine tatsächliche Verfolgung bereits stattgefunden hat. Es reicht hin, daß aufgrund der äußeren Umstände und allenfalls bereits geschehener Ereignisse die Gefahr einer Verfolgung gegeben ist.

Der Beschwerdeführer befürchtet zwar eine Verhaftung, konkret jedoch bringt er lediglich vor, zweimal (7. August 1989 bzw. 28. August 1989) zur Polizei vorgeladen worden zu sein. Daß gegen ihn ein Haftbefehl erstellt worden sei, wird nicht behauptet. Auch aus den behaupteten Nachfragen der politischen Polizei bei seiner Familie ist die Gefahr einer asylrechtlich relevanten Verhaftung nicht abzuleiten. Die belangte Behörde befindet sich somit im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, daß aus den Polizeiladungen und der subjektiven Befürchtung des Beschwerdeführers, verhaftet zu werden, objektiv keine Gefahr eines ungerechtfertigten Eingriffes VON ERHEBLICHER INTENSITÄT zu erkennen ist, zumal Ladungen, Nachfragen, und selbst kurzfristige Inhaftierungen nicht als derart gravierend angesehen werden können, daß eine den weiteren Verbleib im Heimatland unerträglich machende Intensität erreicht wird (vgl. z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 10. März 1994, Zl. 94/19/0257 u.a.).

Da die belangte Behörde selbst bei Berücksichtigung des gesamten Vorbringens des Beschwerdeführers hinsichtlich der Intensität der ihm drohenden Verfolgung aus politischen Gründen nicht zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, erweist sich der ihr unterlaufene Verfahrensmangel als nicht relevant.

Bei diesem Ergebnis kann dahingestellt bleiben, welche der Angaben des Beschwerdeführers zum Beginn seiner Flucht aus Wenzhow (laut schriftlichem Asylantrag "20. März 1990"; laut Berufungsergänzung vom 20. März 1995 "Juni 1989") der Wahrheit entspricht.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

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