European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0150OS00080.24I.1113.000
Rechtsgebiet: Strafrecht
Fachgebiet: Sexualdelikte
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde * K* der Verbrechen der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB (I/A/ und I/B/) sowie des Vergehens der dauernden Sachentziehung nach § 135 Abs 1 StGB (II/) schuldig erkannt, hierfür zu einer Freiheitsstrafe verurteilt und nach § 21 Abs 2 StGB in einem forensisch-therapeutischen Zentrum untergebracht.
[2] Danach hat er – soweit für das Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerde von Bedeutung – in M* und an anderen Orten
I/ nachfolgende Personen mit Gewalt, indem er ihnen „K.O.-Tropfen“ mit der Substanz Butandiol verabreichte und sie dadurch bewusstlos und willenlos machte, zur Duldung des Beischlafs und diesem gleichzusetzender geschlechtlicher Handlungen genötigt, und zwar
A/ am 17. Juni 2023 * W* zur Duldung der Digitalpenetration sowie der Penetration ihrer Scheide, ihres Anus und ihres Mundes mit seinem Penis,
B/ von 22. auf 23. Juni 2023 * A* zur Duldung des Beischlafs.
Rechtliche Beurteilung
[3] Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 4, 5, 5a, 9 lit a und 11 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, die nicht berechtigt ist.
[4] Der Verfahrensrüge (Z 4, teils – mit Blick auf das Unterbringungserkenntnis – iVm Z 11) zuwider wurden durch die Abweisung des Beweisantrags auf „Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens zur Frage, ob die Einweisungsvoraussetzungen gemäß § 21 Abs 2 StGB vorliegen sowie ob der Angeklagte zum Tatzeitpunkt in einem die Zurechnungsfähigkeit gemäß § 11 StGB ausschließenden Zustand war“, Verteidigungsrechte nicht verletzt.
[5] Ein aus § 281 Abs 1 Z 4 StPO geschütztes Recht des Nichtigkeitswerbers auf Beiziehung eines weiteren Sachverständigen bestünde nur dann, wenn er in der Hauptverhandlung einen formalen Mangel von Befund oder Gutachten (§ 127 Abs 3 erster Satz StPO) des beigezogenen Sachverständigen aufgezeigt hätte, ein solcher Mangel durch Vernehmung des Sachverständigen nicht beseitigt worden wäre und er nach Durchführung des Verbesserungsverfahrens darauf durch entsprechende Antragstellung reagiert hätte (vgl RIS‑Justiz RS0117263 [insb T8, T9, T21]; 15 Os 154/23w [Rz 10]; Hinterhofer, WK-StPO § 126 Rz 175 f). Dies ist jedoch nicht erfolgt.
[6] Auch die weitere in der Nichtigkeitsbeschwerde nachgetragene Argumentation – darunter die erstmalige Kritik an der Beiziehung eines Sachverständigen aus dem Fachgebiet der klinischen Psychologie statt der Psychiatrie – stützt sich nicht auf eine entsprechende Antragstellung in der Hauptverhandlung und ist daherunbeachtlich (vgl RIS-Justiz RS0099618 [insb T23, T26]).
[7] Entgegen der Undeutlichkeit (Z 5 erster Fall) reklamierenden Mängelrüge enthält das Urteil unmissverständlich (vgl RIS-Justiz RS0117995) die Feststellung der (Tatsachengrundlage der) Zurechnungsfähigkeit (US 8 f) sowie die Angabe der dafür maßgeblichen Gründe (US 18).
[8] Soweit der Beschwerdeführer moniert, weder Erstgericht noch Sachverständiger hätten auf Art und Menge der von ihm konsumierten Substanzen Bedacht genommen, und Kritik an Schlussfolgerungen der Tatrichter aus dem festgestellten äußeren Tatgeschehen, dem Sachverständigengutachten und aus vorgeführtem Bild- und Tonmaterial (US 16 f) übt, zeigt er keinen Begründungsmangel (Z 5) auf, sondern greift die Beweiswürdigung nach Art einer – im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen (§ 283 Abs 1 StPO) – Schuldberufung an.
[9] Weiters wird Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) mit der Begründung behauptet, dasSchöffengerichthätte eine Audiodatei betreffend die freiwillige Einnahme von Schlaftabletten durch W* außer Acht gelassen.
[10] Der Inhalt dieser Tonaufnahme könnte dem Obersten Gerichtshof nur durch Protokollierung im Hauptverhandlungsprotokoll, in einer schriftlichen Zusammenfassung nach § 97 Abs 2 StPO oder in einem Protokoll nach § 96 StPO zugänglich werden, wozu dem Beschwerdeführer ein entsprechendes Antragsrecht auf Protokollierung in der Hauptverhandlung (§ 271 Abs 1 letzter Satz StPO) zur Verfügung stand (RIS-Justiz RS0130728; Danek/Mann, WK-StPO § 271 Rz 6 und § 271a Rz 8/1).
[11] Die Rüge bezeichnetjedoch keine Aktenfundstelle, an welcher sich der Aufnahmeinhalt in einer dem Obersten Gerichtshof zugänglichen Form befinden sollte, weshalb sie nicht prozessordnungsgemäß ausgeführt ist (vgl RIS-Justiz RS0124172 [T4]).
[12] Der Beschwerde zuwider besteht auch kein innerer Widerspruch (Z 5 dritter Fall; RIS‑Justiz RS0099651) zwischen der Feststellung, dass W* im Zuge des Aufwachens aus der Betäubung mit „K.O.-Tropfen“ zunächst „schlaftrunken“ bei den sexuellen Handlungen mitmachte, und den Konstatierungen, nach denen die Genannte den vorangegangenen Penetrationen im Zustand der herbeigeführten Bewusstlosigkeit und – mit zunehmendem Erwachen – der Fortsetzung der Penetration nicht zugestimmt hatte.
[13] Entgegen dem – in Bezug auf im Rechtsmittel wiedergegebene Urteilsannahmen (US 5, 7 f) erhobenen – Beschwerdeeinwand können Feststellungen nicht aktenwidrig (Z 5 fünfter Fall) sein (vgl RIS-Justiz RS0099431 [T15]). Der Sache nach kritisiert der Nichtigkeitswerber unter diesem Aspekt erneut in unzulässiger Weise (vgl RIS-Justiz RS0099524) die aus Bild- und Tonaufnahmen gezogenen Beweisschlüsse der Tatrichter.
[14] Auch die Aufklärungsrüge (Z 5a) argumentiert, das Schöffengericht habe sich nicht mit der Tonaufnahme betreffend die Äußerung der W* zur Einnahme von Schlaftabletten auseinandergesetzt. Sie lässt jedoch weder erkennen, welches Beweismittel nicht aufgenommen worden sein sollte (RIS-Justiz RS0114036 [T7]), noch warum der Beschwerdeführer in der Hauptverhandlung an zielgerichteter Antragstellung gehindert gewesen wäre (RIS-Justiz RS0115823).
[15] Soweit der Nichtigkeitswerber unter Bezugnahme auf diese Tonaufnahme erhebliche Bedenken gegen die Feststellung der Betäubung der W* mit „K.O.‑Tropfen“ geltend macht, unterlässt er neuerlich die Bezeichnung einer Fundstelle des Beweismittels in einer dem Obersten Gerichtshof zugänglichen Form.
[16] Der gegen die Feststellungen zur Zurechnungsfähigkeit ins Treffen geführte Zweifelsgrundsatz ist nicht Gegenstand der Tatsachenrüge (RIS-Justiz RS0102162).
[17] Die fehlende Feststellungen zum Einsatz von Gewalt reklamierende Rechtsrüge (Z 9 lit a) bestreitet inhaltlich anhand eigener Überlegungen die genau dazu getroffenen Konstatierungen, wonach der Angeklagte mit entsprechendem Vorsatz W* durch die Verabreichung von „K.O.-Tropfen“ bewusstlos und willenlos machte und sie danach in unterschiedlicher Weise (unter anderem vaginal und anal) penetrierte (US 4 f, 7 f, 22 f). Damit gelangt sie nicht prozessförmig zur Darstellung (vgl RIS‑Justiz RS0099810 [insb T21, T33]).
[18] Die weiteren dazu erstatteten Ausführungen, unter anderem zum Grundsatz der Amtswegigkeit und zur Unschuldsvermutung, weisen keinen Bezug zu diesem Nichtigkeitsgrund auf.
[19] Soweit das Rechtsmittel vorbringt (inhaltlich Z 10), hinsichtlich I/B/ „käme allenfalls ein Schuldspruch gemäß § 205 StGB in Betracht“, orientiertes sich nicht an den dazu getroffenen Feststellungen (US 5 ff).
[20] Die gegen die Anordnung der Unterbringung gerichtete Rüge (Z 11) zeigt – mit Blick auf die dazu getroffenen Urteilsannahmen (US 9 f) – weder eine Überschreitung der Sanktionsbefugnis noch die Außerachtlassung einer der in § 21 StGB genannten Erkenntnisquellen auf. Stattdessen übt sie Kritik an der beweiswürdigenden Fundierung der Gefährlichkeitsprognose und erstattet solcherart ein Berufungsvorbringen (vgl RIS‑Justiz RS0118581 [T11]).
[21] Die erschwerende Wertung der ungeschützten Vornahme des erzwungenen Geschlechtsverkehrs (US 24) stellt – der weiteren Sanktionsrüge zuwider – keinen Verstoß gegen das Doppelverwertungsverbot (§ 32 Abs 2 erster Satz StGB) dar, weil dieser Umstand für die Subsumtion (§ 260 Abs 1 Z 2 StPO) nicht maßgeblich war (vgl RIS‑Justiz RS0130193).
[22] Warum die – bei der Gewichtung von Tatschwere und Täterschuld (vgl § 32 Abs 2 zweiter Satz, Abs 3 StGB) erfolgte – Berücksichtigung des Umstands, dass der Beschwerdeführer bei den Taten keine Rücksicht auf das seelische und psychische Ungemach und die möglichen Tatfolgen für die Opfer „zeigte“, einer erschwerenden Wertung der leugnenden Verantwortung gleichkommen und Verteidigungsrechte, insbesondere das Recht, sich nicht selbst belasten zu müssen, verletzen sollte, ist nicht ersichtlich.
[23] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO). Die Entscheidung über die Berufungen kommt dem Oberlandesgericht zu (§ 285i StPO).
[24] Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)