OGH 14Os58/24x

OGH14Os58/24x5.11.2024

Der Oberste Gerichtshof hat am 5. November 2024 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger als Vorsitzende, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Nordmeyer, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann und Dr. Setz‑Hummel LL.M. sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Haslwanter LL.M. in Gegenwart des Schriftführers Karnaus LL.M. (WU) in der Strafsache gegen * S* und andere Angeklagte wegen Vergehen der Vorteilszuwendung nach § 307a Abs 1 und 2 erster Fall StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerden und Berufungen der Angeklagten S*, * G*, * Sc*, * B* und * L* gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 21. Februar 2024, GZ 127 Hv 1/23g‑983, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0140OS00058.24X.1105.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

Fachgebiet: Amtsdelikte/Korruption

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.

Die Entscheidung über die Berufungen kommt dem Oberlandesgericht Wien zu.

Den Angeklagten S*, G*, Sc*, B* und L* fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurden – soweit hier von Bedeutung – * S* (zu B/I/1 iVm § 12 zweiter Fall StGB), * B* (zu B/I/2 iVm § 12 zweiter Fall StGB) und * L* (zu B/II iVm § 12 dritter Fall StGB) jeweils eines Vergehens der Vorteilszuwendung nach § 307a Abs 1 und 2 erster Fall StGB sowie * G* (zu A/II) eines Vergehens und * Sc* (zu A/III) mehrerer Vergehen der Vorteilsannahme nach § 305 Abs 1 StGB schuldig erkannt.

[2] Danach haben in W*

A/ als Mitarbeiter der von der Stadt W* betriebenen Unternehmung Wi*, mithin als Amtsträger (§ 74 Abs 1 Z 4a lit d StGB), für die pflichtgemäße Vornahme eines Amtsgeschäfts, nämlich für die aufgrund sogenannter „Häuserlisten“ erfolgte Beauftragung von Leistungen, insbesondere Glaserarbeiten, bei im Einflussbereich der Angeklagten S* und L* stehenden, im angefochtenen Urteil unter der Bezeichnung „LA*-Gruppe“ zusammengefassten Unternehmen ungebührliche Vorteile vom abgesondert verfolgten * Be* und anderen nicht ausgeforschten Mitarbeitern dieser Unternehmensgruppe angenommen, und zwar

II/ G* für Beauftragungen im Jänner 2013 Tankgutscheine im Wert von 50 Euro;

III/ Sc* für Beauftragungen in den Monaten April bis August 2011 Tankgutscheine im Wert von jeweils 150 Euro monatlich (Punkte 1 bis 5) sowie in den Monaten Dezember 2011 und Jänner 2012 eine (Autobahn‑)Vignette im Wert von etwa 80 Euro (Punkt 6);

B/ von April 2011 bis Jänner 2013 zur Gewährung der zu Punkt A/ beschriebenen und im angefochtenen Urteil weiters einzeln angeführten, ungebührlichen Vorteile mit einem zusammen 3.000 Euro übersteigenden Wert (von insgesamt mehr als 40.000 Euro) an zahlreiche weitere, nämlich 41 namentlich genannte, Amtsträger für die zu Punkt A/ beschriebene pflichtgemäße Vornahme von Amtsgeschäften

I/ Be* und weitere nicht ausgeforschte Mitarbeiter der „LA*-Gruppe“ bestimmt (§ 12 zweiter Fall StGB), indem sie diese anwiesen, den Mitarbeitern der Unternehmung Wi* diese Vorteile zukommen zu lassen und zwar

1/ S* als faktischer Geschäftsführer der „LA*-Gruppe“;

2/ B* als Leiter der Glasabteilung der „LA*-Gruppe“;

II/ durch Be* und weitere Mitarbeiter der „LA*-Gruppe“ beigetragen (§ 12 dritter Fall StGB), und zwar L*, indem sie als faktische Geschäftsführerin und Leiterin der Finanz- und Buchhaltungsabteilung dieser Unternehmensgruppe die für die Vorteilsgewährungen notwendigen Gutscheine und Vignetten beschaffte und bereitstellte oder dies durch ihre im angefochtenen Urteil namentlich genannten Mitarbeiterinnen durchführen ließ.

Das Erstgericht ging von folgendem entscheidenden Sachverhalt aus:

[3] Wi* wird als „Unternehmung“ im Sinne des § 71 Wiener Stadtverfassung geführt. Als solche besitzt sie keine Rechtspersönlichkeit; ihr Vermögen wird vom übrigen Vermögen der Gemeinde gesondert verwaltet. Unternehmenszweck ist die Bereithaltung und Schaffung von Mietwohnungen für einkommensschwächere, wohnungsbedürftige Personen und Familien. In Erfüllung dieses Zwecks errichtet, saniert und bewirtschaftet die Unternehmung städtische Wohnhäuser. Verwaltungsagenden der Unternehmung werden von Gemeindeorganen wahrgenommen.

[4] S* und L* leiteten im Tatzeitraum als faktische Geschäftsführer mehrere Unternehmen, die de facto zur „LA*-Gruppe“ zusammengeschlossen waren. In dieser gab es für sämtliche formell selbstständigen Unternehmen eine gemeinsame Abteilung für Buchhaltung und Personal sowie „für das Gewerk Glas“, die „in gewerblichen Belangen“ vom Angeklagten B* in Absprache mit S* geführt wurde.

[5] Die Unternehmen dieser Gruppe hatten im Tatzeitraum „Rahmenverträge für das Gewerk Glas“ mit Wi* betreffend die von dieser Unternehmung betreuten Gemeindebauten abgeschlossen. Aufgrund dieser Rahmenverträge hatten Mitarbeiter von Wi* keinen Ermessensspielraum, welches Unternehmen sie mit Glaserarbeiten in den Gemeindebauten, für die sie zuständig waren, beauftragten. Sie mussten dafür auf die Unternehmen der „LA*-Gruppe“ zurückgreifen.

[6] Beschädigungen konnten grundsätzlich von jedermann unter anderem über eine dafür eingerichtete Hotline gemeldet werden. Aufgrund solcher Meldungen hatte der jeweils zuständige Mitarbeiter von Wi* Unternehmen der „LA*-Gruppe“ mit der Schadensbehebung zu beauftragen.

[7] Mit dem Ziel einer Umsatzsteigerung bei diesen Unternehmen entwickelten S* und L* den – in weiterer Folge realisierten – Plan, von ihren Mitarbeitern wahrgenommene Glasgebrechen auf den allgemeinen Flächen der Gemeindebauten in Listen („Häuserlisten“) dokumentieren und diese Mitarbeitern von Wi* übergeben zu lassen. Diejenigen Mitarbeiter von Wi*, die zusagten, für Auftragserteilungen an die „LA*-Gruppe“ auf diese Häuserliste zurückzugreifen, sollten in Form von Tankgutscheinen, Einkaufsgutscheinen oder Vignetten „belohnt“ werden. Im Zuge der arbeitsteiligen Vorgangsweise hatte B* als „Leiter der Glasabteilung“ der „LA*‑Gruppe“ (gemeinsam mit seinen Mitarbeitern) die Aufgabe, Häuserlisten und Vorteile an die Mitarbeiter von Wi* zu übergeben, „die Vorteilszuwendungen zu erfassen und in Evidenz zu halten“ sowie die Umsetzung des Tatplans laufend zu evaluieren. L*, die in der Unternehmensgruppe für „die Buchhaltung, die Personalangelegenheiten inklusive Lohnverrechnung und den kaufmännischen Bereich verantwortlich war“, sollte Gutscheine und Vignetten „in ihrem Wirkungsbereich“ beschaffen und „der Glasabteilung zur Weiterverteilung an die Mitarbeiter von Wi* zukommen“ lassen.

[8] In Umsetzung dieses Tatplans wurden ab Jänner 2011 bis einschließlich Jänner 2013 Häuserlisten in unregelmäßigen Abständen an die im Urteil namentlich genannten (44) Mitarbeiter von Wi* übergeben, denen für die Zusage von Beauftragungen anhand dieser Listen im selben Zeitraum die oben genannten Vorteile – häufig monatlich, wenngleich ohne konkrete Zuordnung zu einzelnen Auftragserteilungen – gewährt wurden.

[9] Nach einer Evaluierung wurde die Vorgangsweise im Sinn einer Effizienzsteigerung insofern „leicht angepasst“, als ab Dezember 2011 die von den einzelnen Mitarbeitern von Wi* erteilten Aufträge mit deren Wert in den Häuserlisten erfasst und davon ausgehend Zuwendungen in Form von Gutscheinen in Höhe eines bestimmten Prozentsatzes des Auftragswertes („ca. 3–5 % des Nettoumsatzes“) gewährt wurden.

[10] Hinsichtlich S*, L* und B* nahmen die Tatrichter an (vgl US 24 f, 43 ff und 107 f), dass diese von Anfang an davon ausgegangen seien, „durch Umsetzung des Tatplans den Mitarbeitern von Wi*“ insgesamt – teils auch in Bezug auf einzelne Amtsträger – Vorteile in einem 3.000 Euro übersteigenden Wert zu gewähren, wobei der Tatplan es mit eingeschlossen habe, „die Wirksamkeit der Häuserlisten zu überprüfen“ und allenfalls eine „Anpassung in der Umsetzung vorzunehmen“. Die Vorteile seien alle „aufgrund desselben Anlasses“, nämlich der Rahmenverträge und der auf deren Basis „zu erfolgenden Beauftragung mit Glasarbeiten“, und zwar „immer auf die gleiche, geradezu systematische Art und Weise“ gewährt worden. Daraus ergebe sich „zweifelsfrei“, dass S*, L* und B* „nicht anlässlich jeder Vorteilszuwendung“ einen „neuen Tatentschluss fassten“, sondern „von Anfang an darauf abzielten“, die Vorteile „immer zum selben Zweck“ zu gewähren.

 

Zu den Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten S*, B* und L*:

Rechtliche Beurteilung

[11] Da diese drei Nichtigkeitsbeschwerden großteils inhaltsgleich argumentieren, werden sie im Folgenden gemeinsam beantwortet.

[12] Entgegen den Mängelrügen stehen die Feststellungen zu Evaluierung und Anpassung der Vorgangsweise ab Ende 2011 einerseits (US 27) und zum auf einen insgesamt 3.000 Euro übersteigenden Wert der Vorteile gerichteten Vorsatz der drei Beschwerdeführer andererseits (US 44, 45 und 47) nicht im Widerspruch (Z 5 dritter Fall) zueinander. Denn die Bereitschaft, die Gewährung von Vorteilen betragsmäßig an die tatsächlich von den begünstigten Amtsträgern generierten Umsätze zu koppeln, schließt nach Maßgabe von Denkgesetzen und grundlegenden Erfahrungssätzen (vgl RIS‑Justiz RS0117402) die (von den Beschwerdeführern von Anfang an gebilligte) Erwartung, dass die Vorteile insgesamt einen subsumtionsrelevanten Wert erreichen würden, keineswegs aus.

[13] Dass es nach den beweiswürdigenden Erwägungen bei einzelnen Monaten zu „Übertragungsfehlern“ in den „Häuserlisten“ und den „Gutscheinlisten“ gekommen sei (US 72 f), ist – mit Blick auf das Vorliegen einer tatbestandlichen Handlungseinheit auf Basis des Urteilssachverhalts – ohne Einfluss auf die Feststellung entscheidender Tatsachen (RIS‑Justiz RS0127374). Daher geht der ebenfalls unter dem Aspekt des Widerspruchs erhobene Einwand, das Erstgericht spreche einerseits von „vernachlässigbaren“, andererseits von „beträchtlichen Übertragungsfehlern“ schon aus diesem Grund ins Leere (RIS‑Justiz RS0117499). Davon abgesehen beziehen sich die kritisierten Ausführungen auf verschiedene Zeiträume.

[14] Keine entscheidende Tatsache betrifft auch der Einwand der Undeutlichkeit (Z 5 erster Fall), weil das Urteil für das Jahr 2011 keine „Zurechnung eines bestimmten Vorteils zu einem konkreten Amtsgeschäft“ enthalte (erneut RIS‑Justiz RS0127374). Zudem verlangt der Tatbestand des § 307a Abs 1 StGB eine derartige Zuordnung des Vorteils zu einem bestimmten Amtsgeschäft gar nicht. Genug daran, dass dieses (nicht bloß nach Kompetenzkategorien, sondern) zumindest soweit bestimmbar ist, dass den Beteiligten klar ist, welche Art von Amtsausübung in einem konkreten Fall (oder diesem gleichgelagerten Konstellationen) als Gegenleistung erwartet wird (RIS‑Justiz RS0096009 [T1]; vgl auch RS0096130; Nordmeyer/Stricker in WK2 StGB § 304 Rz 60 und § 307a Rz 16). Dies ist hier – auch für das Jahr 2011 – unzweifelhaft der Fall, weil nach dem Urteilssachverhalt sämtliche Beteiligte davon ausgingen, dass die inkriminierten Vorteile für (künftige oder bereits erfolgte [vgl zur Irrelevanz der zeitlichen Abfolge RIS‑Justiz RS0095972; Nordmeyer/Stricker in WK2 StGB § 304 Rz 59 und § 307a Rz 16; zur Zulässigkeit wahlweiser Feststellungen bei rechtlicher Gleichwertigkeit vgl auch RIS‑Justiz RS0098710] pflichtgemäße) Auftragserteilungen betreffend Glasreparaturen auf Basis der Rahmenverträge zwischen Wi* und der „LA*-Gruppe“ gewährt würden.

[15] Die Kritik, die Feststellungen zum Tatplan und dem damit zusammenhängenden Vorsatz der Beschwerdeführer betreffend einen 3.000 Euro übersteigenden Wert der Vorteile seien offenbar unzureichend begründet (Z 5 vierter Fall), verfehlt die gebotene (RIS‑Justiz RS0119370) Bezugnahme auf die Gesamtheit der (gerade auch in diesem Punkt eingehenden) tatrichterlichen Erwägungen (US 50 f und 90 ff). An deren Begründungstauglichkeit ändert die von den Rügen hervorgehobene gelegentliche Verwendung der Wortfolgen „logisch und naheliegend“, „bei lebensnaher Betrachtung“, „offenkundig“ oder „nur logisch nachvollziehbar“ nichts (RIS‑Justiz RS0099494 [T5]).

[16] Das weitere unter diesem Aspekt erstattete Vorbringen (zur Anpassung der Vorgangsweise ab Ende 2011 und zu Abweichungen der in Häuser- und Gutscheinlisten erfassten Umsätze) betrifft – nach dem Vorgesagten – abermals keine entscheidenden Tatsachen (erneut RIS-Justiz RS0117499).

[17] Der nur von L* erhobene Einwand der Aktenwidrigkeit (Z 5 fünfter Fall) bezieht sich nicht auf die Wiedergabe des Inhalts der Aussage dieser Beschwerdeführerin in der Hauptverhandlung, sondern bloß auf die beweiswürdigenden Schlüsse aus dieser und anderer im Zusammenhang erwähnter Beweisergebnisse und ist daher schon im Ansatz verfehlt (RIS‑Justiz RS0099431).

[18] Die Subsumtionsrügen (Z 10) legen nicht dar, weshalb die (rechtliche) Annahme einer tatbestandlichen Handlungseinheit (im weiteren Sinn) und darauf aufbauend die Subsumtion des den Beschwerdeführern angelasteten Verhaltens (auch) nach § 307a Abs 2 erster Fall StGB auf Basis der oben wiedergegebenen Feststellungen verfehlt sei. Soweit sie das Vorliegen der Kriterien „kurzer zeitlicher Abfolge“ (bloß wegen des insgesamt langen Tatzeitraums) und „einheitlicher Tatsituation“ in Abrede stellen (vgl zu den von der Rechtsprechung herausgearbeiteten Merkmalen RIS‑Justiz RS0122006; Ratz in WK2 StGB Vor §§ 28–31 Rz 89), verfehlt sie die gebotene (RIS‑Justiz RS0099810) Bezugnahme auf die Gesamtheit des Urteilssachverhalts (dem etwa regelmäßige, im Wesentlichen monatliche Gutscheinübergaben zu entnehmen sind). Dass die Zusammenfassung mehrerer Vorteilsgewährungen im Rahmen einer tatbestandlichen Handlungseinheit (unter anderem mit der Konsequenz der Zusammenrechnung des Wertes mehrerer Vorteile) eine Kausalbeziehung zu einem einzigen Amtsgeschäft oder Vornahme der Amtsgeschäfte stets durch denselben Amtsträger voraussetze, wird nicht methodengerecht aus dem Gesetz (RIS‑Justiz RS0116565) oder innerhalb der von Logik und Grammatik gezogenen Grenzen aus der zitierten Rechtsprechung (RIS‑Justiz RS0116962; vgl 12 Os 45/04; allgemein RIS‑Justiz RS0096174) abgeleitet. Solches ergibt sich im Übrigen auch nicht aus den für diese Behauptung ins Treffen geführten Kommentarstellen (Nordmeyer/Stricker in WK2 StGB § 304 Rz 86 [die eine solche Konstellation lediglich beispielsweise anführen]; Schmitt/McAllister in Wess [Hrsg], Wirtschaftsstrafrecht2 §§ 304–306 StGB Rz 65).

[19] Weshalb die Feststellung, die Umsetzung des Tatplans sei Ende 2011 „leicht angepasst“ worden (US 27), der Annahme einer tatbestandlichen Handlungseinheit entgegenstehe, vermag die von L* ausgeführte Subsumtionsrüge nicht zu erklären.

[20] Indem die Rechtsrügen („Z 9 lit a iVm Z 10“) auf dieser Argumentation der Subsumtionsrügen (Fehlen einer tatbestandlichen Handlungseinheit) aufbauen und überdies urteilsfremd (vgl den oben wiedergegebenen Sachverhalt und US 59) behaupten, die Vorteilsgewährungen im Jahr 2011 stünden in keinem Zusammenhang mit zumindest bestimmbaren Amtsgeschäften, verfehlen auch sie die Ausrichtung am Verfahrensrecht (erneut RIS‑Justiz RS0099810). Die in der Folge aufgeworfene Frage, ob die 2011 gesetzten Teilhandlungen unter dem Aspekt einer (bloßen) Vorteilszuwendung zur Beeinflussung nach § 307b Abs 1 StGB infolge Günstigkeitsvergleichs (§ 61 zweiter Satz StGB) straflos seien, weil dieser Tatbestand (als „Vorbereitung der Bestechung“) in der damals geltenden Fassung (BGBl I 2009/98) lediglich die Anbahnung der (hier nicht festgestellten) pflichtwidrigen Vornahme oder Unterlassung eines künftigen Amtsgeschäfts erfasste, entzieht sich daher einer inhaltlichen Erwiderung (vgl im Übrigen RIS‑Justiz RS0091813 [T3]).

 

Zu den (gemeinsam ausgeführten) Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten G* und Sc*:

[21] Entgegen der Mängelrüge sind die Feststellungen zur subjektiven Tatseite von G* (US 29) und Sc* (US 30) nicht offenbar unzureichend begründet (Z 5 vierter Fall), denn deren Ableitung aus den (ausführlichen und auch insoweit aussagekräftigen) Konstatierungen zum äußeren Tatgeschehen ist rechtsstaatlich vertretbar und bei – wie hier – leugnenden Angeklagten methodisch nicht zu ersetzen (RIS‑Justiz RS0116882 [T1]). Daran ändert auch nichts, dass der Zeuge * Be* keine belastenden Angaben zu den beiden Beschwerdeführern machte (vgl ON 869, 16 und 22) und das Erstgericht nicht näher eingrenzen konnte, wann genau und von welchem Mitarbeiter der „LA*-Gruppe“ die inkriminierten Gutscheine den beiden Beschwerdeführern übergeben wurden (vgl US 29).

[22] Die Feststellungen zur Annahme der Vorteile durch die beiden Beschwerdeführer stützten die Tatrichter vor allem auf die aktenkundigen Urkunden (Häuser- und Gutscheinlisten sowie Arbeitsblätter [US 73]). Weshalb diese Erwägungen – nach Maßgabe der Denkgesetze und grundlegender Erfahrungssätze (vgl erneut RIS‑Justiz RS0117402) – mit den weiteren zum Zeugen Be*, dessen Aussage zu möglicher Übergabe von Gutscheinen durch die Angeklagten S*, B* und L* das Erstgericht (trotz grundsätzlich bejahter Glaubhaftigkeit) als „nicht ausreichend“ für die Annahme deren unmittelbarer Täterschaft hielt (US 59), nicht vereinbar seien, legt die (in diesem Punkt offenbar unvollständig ausgeführte und daher unschlüssige) weitere Rüge (nominell Z 5 dritter Fall) nicht nachvollziehbar dar (vgl im Übrigen RIS‑Justiz RS0098372).

[23] Indem auch die Tatsachenrüge (Z 5a) behauptet, das Erstgericht habe die Feststellungen zum objektiven Tatgeschehen „ausschließlich auf die Angaben des Zeugen Be*“ gestützt, und dabei die weiteren Erwägungen (insbesondere US 73) übergeht, verfehlt sie die gesetzmäßige Darstellung (RIS‑Justiz RS0118780).

[24] Die Kritik, es „konnte weder ein Ort noch eine Zeit, an denen die Rechtsmittelwerber die Vorteile angenommen haben sollen, festgestellt werden“, spricht keine entscheidende Tatsache an (RIS‑Justiz RS0098557 [T3]), die allein gesetzlicher Bezugspunkt des in Anspruch genommenen Nichtigkeitsgrundes ist (erneut RIS‑Justiz RS0117499).

[25] Mit dem weiteren Einwand angeblichen Fehlens „jedwedes Beweises für eine tatsächliche Übergabe“ der Gutscheine an die Beschwerdeführer gelangt die Tatsachenrüge ebenso wenig zu prozessförmiger Darstellung (RIS-Justiz RS0128874).

 

[26] Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

[27] Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen (§ 285i StPO).

[28] Dieses wird dabei zu berücksichtigen haben, dass dem Erstgericht hinsichtlich Sc* (Schuldspruch zu A/III) ein von diesem nicht geltend gemachter Subsumtionsfehler (Z 10) unterlaufen ist, der sich jedoch nicht konkret zu dessen Nachteil auswirkte. Ausgehend von den Feststellungen (US 28 ff) hat dieser (wie auch die Angeklagten S*, B* und L*) die ihm angelasteten Handlungen (Vorteilsannahmen) im Rahmen einer tatbestandlichen Handlungseinheit gesetzt. Für eine (rechtliche) Differenzierung zwischen den Angeklagten, welche die Vorteile gewährten, und jenen, die sie annahmen, besteht – auf Basis des Urteilssachverhalts – kein Raum, weil alle Beteiligten im Rahmen einer grundsätzlichen Vereinbarung und eines von vornherein festgelegten und (wenngleich mit geringfügigen Anpassungen) durchgehend praktizierten Systems, mithin einheitlicher Tatsituation und gleicher Motivationslage, handelten, weshalb die (zudem in kurzer zeitlicher Abfolge erfolgte) Verwirklichung des jeweiligen Tatbestands (§ 305 Abs 1 StGB einerseits [vgl Nordmeyer/Stricker in WK2 StGB § 305 Rz 84] und § 307a Abs 1 StGB andererseits) insgesamt nur einmal anzulasten ist (vgl erneut RIS‑Justiz RS0122006 [insbesondere T2]).

[29] Angesichts dieser Klarstellung ist das Oberlandesgericht bei der Entscheidung über die Berufung des Angeklagten Sc* nicht an den insoweit fehlerhaften Schuldspruch gebunden (RIS-Justiz RS0118870).

[30] Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

[31] Mit Blick auf § 290 StPO wird ergänzt, dass dem Schuldspruch zu A/II kein Rechtsfehler (Z 9 lit a) anhaftet. Ungebührlichkeit des Vorteils liegt nach der Tatbestandseinschränkung des § 305 Abs 4 Z 3 StGB bei orts- oder landesüblichen Aufmerksamkeiten geringen Wertes nicht vor. Während der Wert des hier in Rede stehenden Tankgutscheins von 50 Euro durchaus im Anwendungsbereich der Bestimmung liegt, hat das Erstgericht die darüber hinaus kumulativ zu erfüllende Orts- oder Landesüblichkeit auf Basis des Urteilssachverhalts zutreffend verneint (US 105 f). Zwar schließt die Beschaffenheit des Vorteils (geldwerter Gutschein) den Charakter als „Aufmerksamkeit“ nicht per se aus, wohl aber die Art der Kausalbeziehung und insbesondere die konkreten Umstände der Gewährung im Rahmen eines im Detail geplanten und professionell administrierten Anreizsystems, das darauf ausgerichtet war, den Umsatz der Vorteilsgeber dadurch zu maximieren, dass (jedenfalls im hier relevanten Zeitraum) der Wert des Vorteils prozentuell von der Auftragssumme (die durch das im Zusammenhang stehende Amtsgeschäft generiert wurde) abhing (vgl zum Ganzen Nordmeyer/Stricker in WK2 StGB § 305 Rz 57 ff).

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