European Case Law Identifier: AT:OGH0002:2024:0080OB00021.24G.0626.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)
Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit 626,60 EUR bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.
Entscheidungsgründe:
[1] Die Klägerin bietet von ihrem Sitz in Malta aus über die von ihr betriebene Website in Österreich Dienstleistungen im Bereich des Glücksspiels an. Sie verfügt jedoch über keine Konzession nach dem österreichischen Glücksspielrecht.
[2] Die Beklagte spielte im Zeitraum vom 22. 5. 2020 bis 27. 7. 2020 in Österreich von der Klägerin angebotene Online-Glücksspiele. In diesem Zeitraum zahlte sie insgesamt 21.928 EUR ein und erhielt 29.090,71 EUR ausgezahlt.
[3] Die Klägerin begehrt 7.152,71 EUR als Rückforderung des von der Beklagten erzielten Gewinns. Unter Zugrundelegung der ständigen Judikatur des Obersten Gerichtshofs seien die Verträge absolut nichtig.
[4] Die Beklagte wendet ein, dass sich nur der Spielteilnehmer auf die Nichtigkeit berufen könne. Das Rückforderungsbegehren sei rechtsmissbräuchlich, weil der Klägerin die Illegalität ihres Angebots bewusst gewesen sei.
[5] Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Das GSpG bezwecke nicht den Schutz des konzessionslosen Anbieters. Die wissentliche Leistung einer Nichtschuld schließe die Rückforderung „nach § 1141 ABGB“ aus. Eine Kondiktion nach § 1431 ABGB komme mangels Irrtums des Leistenden nicht in Frage.
[6] Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin Folge und änderte diese Entscheidung im klagsstattgebenden Sinn ab. Das Glücksspielmonopol wolle nicht nur Vermögensnachteile des Spielers verhindern, sondern insgesamt den Anreiz nehmen, an einem verbotenen Spiel teilzunehmen. Da somit die gegenständlichen Verbotsnormen nicht Schutznormen seien, die ausschließlich zugunsten eines Vertragspartners bestünden, könne sich nicht nur dieser, sondern jeder Vertragspartner auf die Gesetzwidrigkeit und Nichtigkeit des Vertrags berufen. Der Zweck des GSpG verlange absolute Nichtigkeit, die auch von Amts wegen wahrzunehmen sei. Bei der bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung von nichtigen Verträgen nach § 877 ABGB sei wiederum der Zweck der Verbotsnorm zu beachten. Um den Anreiz für Anbieten und Teilnehmen an konzessionslosen Glücksspielen möglichst gering zu halten, entsprächen Kondiktionsansprüche sowohl des Spielers, als auch des Veranstalters den ordnungspolitischen Zielen des GSpG. Kenntnis des Leistenden von der Nichtschuld schließe die Rückforderbarkeit nicht aus, wenn dies der Verbotszweck erfordere. Dass das Anbieten von Glücksspielen am österreichischen Markt zur Schädigung der Glücksspielteilnehmer erfolgte, sei nicht ersichtlich, weil das mit einer unternehmerischen Tätigkeit grundsätzlich verbundene Verfolgen eigener wirtschaftlicher Interessen damit nicht gleichzusetzen sei. Von einer rechtsmissbräuchlichen Rechtsausübung, die überwiegend die Interessen der Beklagten als Bereicherungsschuldnerin beeinträchtige, sei daher nicht auszugehen.
[7] Die Revision sei zulässig, weil zu den Fragen, ob die Nichtigkeit von konzessionslos angebotenen Glücksspielen iSd GSpG einen Rückforderungsanspruch des Anbieters auf die ausbezahlten Gewinne erfordere sowie, ob die Geltendmachung dieses Anspruchs durch das illegal anbietende Glücksspielunternehmen Rechtsmissbrauch darstelle, keine höchstgerichtliche Judikatur bestehe.
Rechtliche Beurteilung
[8] Die von der Klägerin beantwortete Revision der Beklagten, mit der sie die Wiederherstellung des erstgerichtlichen Urteils anstrebt, ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig. Sie ist aber nicht berechtigt.
[9] 1. Dass das österreichische System der Glücksspiel-Konzessionen einschließlich der Werbemaßnahmen der Konzessionäre im hier relevanten Zeitraum nach gesamthafter Würdigung aller tatsächlichen Auswirkungen auf den Glücksspielmarkt allen vom EuGH aufgezeigten Vorgaben entspricht und nicht gegen Unionsrecht verstößt (1 Ob 103/23p; 7 Ob 147/23b; 7 Ob 198/23b; 8 Ob 31/24b, jeweils mwN), wird im gegenständlichen Verfahren ebenso wenig in Zweifel gezogen wie die daraus folgende Unzulässigkeit des Angebots der Klägerin im Inland (§ 2 Abs 4 GSpG). Vielmehr ist strittig, ob sich auch die klagende Anbieterin mit Erfolg auf die daraus resultierende Nichtigkeit nach § 879 ABGB berufen und den an die Beklagte ausgezahlten (Gesamt-)Gewinn zurückfordern kann.
[10] 2.1. Ob ein Vertrag absolut oder relativ nichtig ist, hängt vom Zweck des verletzten Verbotsgesetzes ab. Der Vertrag ist absolut unwirksam, wenn die Erreichung des vom Gesetzgeber angestrebten Zwecks sonst gefährdet wäre (RS0016417 [T13]). Der Zweck einer Verbotsnorm, die im Interesse der Allgemeinheit erlassen wurde, erfordert die absolute Nichtigkeit eines gegen das Verbot geschlossenen Geschäfts (RS0016843). Bei einer absoluten Nichtigkeit sind die Rechtswirkungen von Amts wegen aufzugreifen. In einem solchen Fall genügt es, wenn der anspruchsbegründende Sachverhalt aufgezeigt wird und das Klagebegehren unter Geltendmachung eines Bereicherungsanspruchs mit dem Fehlen jeglichen Rechtsgrundes für das Behaltendürfen der Leistung begründet wird (RS0116900).
[11] 2.2. Ist hingegen lediglich eine zu Gunsten eines bestimmten Personenkreises getroffene Schutznorm verletzt, ist die Nichtigkeit der Vereinbarung gemäß § 879 Abs 1 ABGB nicht von Amts wegen zu beachten (RS0016435). Es ist vielmehr dem durch das Verbot Geschützten überlassen, sich auf die aus dem Verbot resultierende Nichtigkeit des Geschäfts zu berufen. Es steht ihm aber auch frei, das Geschäft gegen sich gelten zu lassen (RS0024945). Auf die Verbotsnorm können sich daher nur die vom Regelungszweck erfassten Personen, nicht aber deren Vertragspartner berufen (RS0024945 [T1]).
[12] 2.3. Die Nichtigkeit eines Vertrags führt aber nicht nur dazu, dass der Kläger mangels Rechtsgrundes den Gewinn nicht fordern kann, sondern auch dazu, dass die Causa für eine bereits erfolgte Vermögensverschiebung wegfällt, was grundsätzlich zur Rückabwicklung des nichtigen Rechtsgeschäfts gemäß § 877 ABGB führt – zumindest sofern sich nicht ausnahmsweise aus dem Verbotszweck die Unzulässigkeit der Kondiktion ergibt. Bei der bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung der Leistungen aus einem gemäß § 879 ABGB nichtigen Rechtsgeschäft ist nämlich auf den Zweck der verletzten Norm, die die Ungültigkeit des Geschäfts bewirkt, Bedacht zu nehmen. Will das Verbotsgesetz nur die Entstehung durchsetzbarer Verpflichtungen verhindern, ohne eine tatsächlich vorgenommene Vermögensverschiebung zu missbilligen, so begründet die Nichtigkeit für sich allein keinen Rückforderungsanspruch. Ob das aufgrund eines nichtigen Vertrags Erhaltene zurückzugeben ist, entscheidet daher der Zweck der verletzten Norm (3 Ob 197/21y Rz 15; 2 Ob 138/22s Rz 28, jeweils mwN).
[13] 2.4. Nach der Rechtsprechung sind Verträge, die zur Durchführung eines verbotenen Glücksspiels abgeschlossen werden, nichtig iSd § 879 Abs 1 ABGB (6 Ob 229/21a Rz 21; 3 Ob 197/21y Rz 13; 3 Ob 44/22z Rz 14; 2 Ob 138/22s Rz 29; 7 Ob 155/23d Rz 18). Es entsteht nicht einmal eine Naturalobligation (RS0102178 [T6]). Der Verlierer kann die gezahlte Wett- oder Spielschuld zurückfordern, ohne dass dem die Bestimmung des § 1174 Abs 1 Satz 1 ABGB oder § 1432 ABGB entgegenstünde, weil die Leistung nicht „zur Bewirkung“ der unerlaubten Handlung, sondern als „Einsatz“ erbracht wurde. DenRückforderungsanspruch zu verweigern, widerspräche dem Zweck der Glücksspielverbote (6 Ob 124/16b; RS0025607 [T1]). Es entspricht daher ständiger Rechtsprechung, dass Spieler ihre verlorenen Einsätze aus verbotenen Glücksspielen zurückverlangen können (RS0134152).
[14] 3.1. Zu 2 Ob 138/22s hatte der Oberste Gerichtshof über eine Klage auf Auszahlung eines Wettgewinns aus einer Wette zu entscheiden, die nach § 9 Z 4 Oö Wettgesetz wegen Überschreitens des maximalen Einsatzes verboten war. Dazu wurde ausgeführt (Rz 32–34:
„§ 9 Z 4 Oö Wettgesetz verpönt aber nicht einen bestimmten Wettinhalt, sondern bloß Wetten mit einem Wetteinsatz, der eine bestimmte Höhe überschreitet. Sieht man den Normzweck lediglich darin, übermäßige Vermögensnachteile des Wettkunden zu verhindern, wäre lediglich von relativer Nichtigkeit auszugehen. Allerdings ist aus dem Verbot auch abzuleiten, dass sich der Landesgesetzgeber gegen übermäßige Wetten als solche wendet und überhaupt der Anreiz, an verbotenen Wetten teilzunehmen, möglichst gering gehalten werden soll. Um nicht eine risikolose Teilnahme des Wettkunden an nach § 9 Z 4 Oö Wettgesetz verbotenen Wetten zu ermöglichen und damit einen generell gerade nicht intendierten Wettanreiz zu geben, entspricht – unabhängig von mit dem Verbot auch mitverfolgten Allgemeininteressen – die absolute Nichtigkeit dem Verbotszweck des § 9 Z 4 Oö Wettgesetz (vgl Kletečka, Glücksspielmonopol und Rückforderungsansprüche, ecolex 2013, 17).
Der Kläger kann daher aufgrund der absoluten Teilnichtigkeit der Wettverträge den Gewinn aus den Wetten vom 15. 12. 2019 nicht einfordern, soweit diese gegen § 9 Z 4 Oö Wettgesetz verstoßen. Gesamtnichtigkeit erfordert der Verbotszweck nicht.
7.7 Um keinen Anreiz zur Teilnahme an verbotenen Wetten zu geben, ist aber auch eine Rückabwicklung durch Rückzahlung des bereits ausbezahlten Gewinns vorzunehmen. Bliebe der Verstoß für den Wettkunden ohne Konsequenz, würde damit das Wettverhalten, das die Norm gerade verhindern will, noch gefördert, weil der Wettkunde bei Wettverlust schlicht seinen Einsatz zurückfordern könnte und bei Wettgewinn einen ausbezahlten Erlös nicht herausgeben müsste.“
[15] 3.2. Zutreffend weist die Revision darauf hin, dass diese Entscheidung nicht ohne Weiteres auf den gegenständlichen Fall übertragbar ist, weil dort ein bewusstes Umgehen des Wettlimits durch den Spielteilnehmer und kein an sich – unabhängig von der Einsatzhöhe – unzulässiges Glücksspiel vorlag. Ob auch der Verbotszweck des GSpG die Rückforderbarkeit bereits ausbezahlter Gewinne erfordert, bedarf daher noch einer weiteren Untersuchung.
[16] 4.1. Wäre der ausschließliche Zweck des GSpG der Schutz des Spielteilnehmers vor Vermögensnachteilen, würde eine bloß relative Nichtigkeit ausreichen, um diesem Gesetzeszweck zu entsprechen. In den Materialien zum Glücksspielgesetz wird jedoch bereits im allgemeinen Teil ausgeführt (EBRV 1067 BlgNR 17. GP 15):
„Materiell ist zum Glücksspielwesen grundsätzlich folgendes auszuführen: Die Zielsetzungen, die der Bund mit diesem Bundesgesetz verfolgt, sind einerseits ordnungspolitischer und andererseits fiskalischer Natur. In ordnungspolitischer Hinsicht muß gesagt werden, daß idealerweise ein gänzliches Verbot von Glücksspielen die sinnvollste Regelung wäre. Angesichts des bekannten Umstandes, daß der Spieltrieb dem Menschen nun einmal immanent gegeben zu sein scheint (wie dies auch sämtliche zu diesem Thema erscheinenden Studien immer wieder belegen), ist es aber wesentlich sinnvoller, diesen Spieltrieb im Interesse des einzelnen, und der Gemeinschaft in geordnete Bahnen zu lenken. Dadurch wird zweierlei erreicht: Eine in Staaten mit gänzlichem Glücksspielverbot zu beobachtende Abwanderung des Glücksspieles in die Illegalität wird vermieden, gleichzeitig erhält sich der Staat die Möglichkeit, die nun auf legaler Basis betriebenen Glücksspiele zu überwachen. Diese Überwachung muß als oberste Zielsetzung den Schutz des einzelnen Spielers vor Augen haben.
[...]
In fiskalischer Hinsicht besteht ein Interesse des Bundes, einen möglichst hohen Ertrag aus dem Glücksspielmonopol abschöpfen zu können. Hier kommt der alte Aspekt zum Tragen, der unter. Monopolen (und auch Regalien) vor allem ein vermögenswertes Recht erblickt. Bei der Regelung des Glücksspielwesens hat der Bund daher – unter Beachtung und Wahrung des ordnungspolitischen Zieles – eine Durchführung der Glücksspiele in der Richtung anzustreben, daß ihm ein möglichst hoher Ertrag aus dem Monopol verbleibt.“
[17] 4.2. Daraus ergibt sich, dass der Schutz des einzelnen Spielteilnehmers zwar der primäre, aber nicht der einzige Zweck des Glücksspielmonopols ist. Vielmehr verfolgt der Gesetzgeber nach seinem ausdrücklich erklärten Willen damit ebenso ordnungspolitische und fiskalische Zwecke.
[18] 4.3. In diesem Zusammenhang ist aus unionsrechtlicher Sicht zwar zu beachten, dass fiskalische Zwecke nicht das eigentliche Ziel einer im Glücksspielsektor betriebenen restriktiven Politik sein dürfen, sondern nur als eine nützliche Nebenfolge angesehen werden können (EuGH, 18. 5. 2021, C‑920/19 , Fluctus & Fluentum, Rz 36). Damit rückt aber das weitere (vom EuGH gebilligte) ordnungspolitische Anliegen in den Vordergrund, die mit illegalem Glücksspiel verbundene Kriminalität hintanzuhalten. So zeigt sich insbesondere an den Bestimmungen der § 5 Abs 6, § 14 Abs 2 Z 7, § 19 Abs 7 und 8, § 21 Abs 2 Z 7, § 31 Abs 5 und 6, § 31c sowie § 52b GSpG deutlich, dass ein wesentlicher ordnungspolitischer Zweck des GSpG in der Bekämpfung der Geldwäscherei und Terrorismusfinanzierung zu erblicken ist.
[19] 4.4. Der Gesetzgeber bezweckt mit dem Glücksspielmonopol nicht nur den Spielerschutz, sondern will Glücksspiele außerhalb des Monopols generell verhindern und überhaupt den Anreiz, an verbotenen Glücksspielen teilzunehmen, möglichst gering halten. In diesem Sinn hat der erkennende Senat zum Glücksspielmonopol auch bereits ausgesprochen, dass es das Ziel des Verbots ist, dass nicht konzessionierte Glücksspiele nicht stattfinden (8 Ob 135/22v [Rz 11]).
[20] 4.5. Damit steht in Einklang, dass gemäß § 52 Abs 5 GSpG auch die Teilnahme an Elektronischen Lotterien, für die keine Konzession nach dem GSpG erteilt wurde, mit Verwaltungsstrafe bedroht ist, wenn die erforderlichen Einsätze vom Inland aus geleistet werden.
[21] 4.6. Weiters entspricht es sogar zur Spielerschutzbestimmung des § 25 Abs 3 GSpG der ständigen Judikatur, dass diese neben dem Schutz der (Vermögens‑)Interessen des einzelnen Spielers auch den Schutz öffentlicher Interessen bezweckt (RS0111940; RS0038376 [T1]).
[22] 4.7.1. Aufgrund der mit dem GSpG neben dem Spielerschutz verfolgten ordnungspolitischen Zwecke ist die absolute Nichtigkeit von Verträgen, die gegen § 2 Abs 4 GSpG verstoßen, indiziert. Demnach hielt der Oberste Gerichtshof bereits in der Entscheidung 7 Ob 85/04g fest, dass im Falle eines nach dem GSpG verbotenen Betriebs eines Spielautomaten einer Forderung eines Spielteilnehmers auf Auszahlung des dabei erzielten Gewinns die Grundlage schon infolge Nichtigkeit der auf Gewinnauszahlung gerichteten Vereinbarung entzogen ist.
[23] 4.7.2. Auch zu 3 Ob 44/22z (Rz 14) und 7 Ob 155/23d (Rz 18) wurden die dem GSpG widersprechenden Verträge als „absolut nichtig“ bezeichnet und die Rückforderung von Spieleinsätzen nur „abzüglich der Auszahlungen“ für berechtigt erkannt.
[24] 4.8. In der Lehre haben sichBinder (ÖJZ 1998, 175), Kletečka (ecolex 2013, 17) und Klever(VbR 2021/71) ausführlicher mit der hier zu behandelnden Frage auseinandergesetzt. Sie kommen zu dem übereinstimmenden Ergebnis, dass eine absolute Nichtigkeit dem Zweck des GSpG, nicht konzessioniertes Glücksspiel gänzlich zu verhindern, am besten entspricht, weil dadurch auch der Spielteilnehmer davon abgehalten wird, bei einem nicht in Österreich konzessionierten Anbieter zu spielen. Generell wird die (beidseitige) Rückforderbarkeit des für ein verbotenes Spiel Geleisteten auch von Binder/Denk (inSchwimann/Kodek , ABGB4 § 1272 ABGB Rz 7),Bayer/Nowotny(inKletečka/Schauer , ABGB‑ON1.05 § 1267 ABGB Rz 9),Krejci/Böhler(inRummel/Lukas , ABGB4 § 1274 ABGB Rz 81 mwN), Karner/Steininger(in KBB7§§ 1267–1274 ABGB Rz 7) und (differenzierend) Stefula(inFenyves/Kerschner/Vonkilch , Klang3 §§ 1270–1272 ABGB Rz 62 ff mwN) bejaht.
[25] 5.1. Der erkennende Senat teilt diese Ansicht. Zwar würde es eine bloß einseitige Möglichkeit der Rückforderung des Einsatzes durch den Spieler für den Veranstalter noch weniger lohnend machen, das verpönte Spiel am Markt anzubieten, als eine beiderseitige Rückforderbarkeit.
[26] 5.2. Könnte ein Spieler im Falle dessen, dass er verliert, seine Leistung (seinen Einsatz) zurückverlangen, und im Falle dessen, dass er gewinnt, den ihm ausbezahlten Gewinn behalten, so spielte er letztlich risikolos. Dies brächte ein erhebliches Suchtpotenzial mit sich (insoweit zutreffendKlausberger/Riss , Glücksspiel und Kondiktionsausschluss – Studien zum Bereicherungsrecht aus aktuellem Anlass, RdW 2021, 676 [679]). Kann dagegen zusätzlich der Veranstalter den unrechtmäßig ausbezahlten Gewinn bereicherungsrechtlich zurückfordern, wird auch der Spielteilnehmer davon abgehalten, bei einem solchen Veranstalter zu spielen. Er kann also nicht Gewinne behalten, gleichzeitig aber Verluste bereicherungsrechtlich zurückfordern und damit risikolos am verbotenen Spiel teilnehmen. Durch die Möglichkeit der Veranstalter, die Auszahlung des versprochenen Gewinns zu verweigern oder bereits Geleistetes zurückzufordern, wird den Spielern die Aussicht genommen, den erhofften Gewinn behalten zu können. Sobald dies unter den Spielern allgemein bekannt wird, wird damit dem unerwünschten Geschäftsmodell insgesamt die Grundlage entzogen.
[27] 5.3. Nur die absolute Nichtigkeit der gegen § 2 Abs 4 GSpG verstoßenden Verträge und die Möglichkeit auch der Veranstalter, das als Gewinn Geleistete zurückzuverlangen, entspricht daher dem ordnungspolitischen Zweck des GSpG, nicht konzessioniertes Glücksspiel zu unterbinden. Auch der Klägerin steht demnach gemäß § 877 ABGB ein bereicherungsrechtlicher Rückforderungsanspruch auf die geleisteten Gewinne zu. Auf ihre Kenntnis oder fahrlässige Unkenntnis der Unzulässigkeit ihres Angebots kommt es angesichts des ordnungspolitischen Zwecks des GSpG nicht an.
[28] 6.1. Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs liegt Rechtsmissbrauch nicht erst dann vor, wenn die Schädigungsabsicht den einzigen oder überwiegenden Grund der Rechtsausübung bildet, sondern schon dann, wenn zwischen den vom Handelnden verfolgten eigenen Interessen und den beeinträchtigten Interessen des anderen ein krasses Missverhältnis besteht, wenn also das unlautere Motiv der Rechtsausübung das lautere Motiv eindeutig überwiegt (RS0026265 [T33]; RS0026271 [T24]). Selbst relativ geringe Zweifel am Rechtsmissbrauch geben zugunsten des Rechtsausübenden den Ausschlag, weil demjenigen, der an sich ein Recht hat, grundsätzlich zugestanden werden soll, innerhalb der Schranken dieses Rechts zu handeln (RS0025230 [T8]; RS0026271 [T26]; RS0026205 [T4]).
[29] 6.2. Die Beklagte stützt ihren Schikaneeinwand darauf, dass die Klägerin seit Jahren trotz ihres Wissens um die Unzulässigkeit ihres Angebots konzessionslos Glücksspiel anbiete und durch auf Österreich ausgerichtete Werbung Kunden akquiriere; sie weigere sich eingetretene Verluste ohne Gerichtsprozesse, zurückzuzahlen, klage nun aber selbst ausgezahlte Gewinne ein.
[30] 6.3. Gebietet es der ordnungspolitische Zweck des GSpG, nicht konzessioniertes Glücksspiel zu verhindern, dem Anbieter unabhängig von seiner Kenntnis derUnzulässigkeit seines Angebots einen Rückersatzanspruch auf ausbezahlte Gewinne zuzubilligen, kann die Geltendmachung dieses Anspruchs nicht bereits aufgrund dieses unzulässigen Angebots oder der diesbezüglichen Kenntnis rechtsmissbräuchlich sein. Auch das Verhalten gegenüber anderen Glücksspielteilnehmern ist für die Frage, ob die konkrete Durchsetzung des Anspruchs gegen die Beklagte schikanös ist, ohne Bedeutung.
[31] 6.4. Der Umstand, dass die Klage als Widerklage gegen eine von der Beklagten erhobene (und mittlerweile zurückgezogene) Klage eingebracht wurde, mit der diese den gegenständlichen Betrag als Spielverlust behauptet und eingefordert hatte, begründet keinen Rechtsmissbrauch. Ebenso wenig kann aus einer allfälligen wirtschaftlichen Übermacht der Klägerin hier Schikane abgeleitet werden.
[32] 7. Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.
[33] 8. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41 und 50 ZPO. Leistungen eines österreichischen Rechtsanwalts für einen ausländischen Unternehmer unterliegen nichtder österreichischen Umsatzsteuer. Verzeichnet der österreichische Anwalt im Prozess – kommentarlos – 20 % Umsatzsteuer, so wird im Zweifel nur die österreichische Umsatzsteuer angesprochen (§ 54 Abs 1 ZPO). Ist die Höhe des ausländischen Umsatzsteuersatzes wie hier nicht allgemein bekannt, kann die zu entrichtende ausländische Umsatzsteuer nur zugesprochen werden, wenn Entsprechendes behauptet und bescheinigt wird (RS0114955).
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