OGH 3Ob197/21y

OGH3Ob197/21y23.2.2022

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Höllwerth als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon.‑Prof. Dr. Brenn, die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun‑Mohr und Dr. Kodek und den Hofrat Dr. Stefula als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S*, vertreten durch Salburg Rechtsanwalts GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei T* Limited, *, vertreten durch Brandl Talos Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 45.008,58 EUR sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 22. September 2021, GZ 2 R 125/21x‑18, womit das Urteil des Landesgerichts Salzburg vom 25. Juni 2021, GZ 13 Cg 65/20v‑14, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0030OB00197.21Y.0223.000

 

Spruch:

 

I. Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 2.218,68 EUR (hierin enthalten 369,78 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

II. Der Unterbrechungsantrag wird abgewiesen.

 

Entscheidungsgründe:

[1] Die beklagte Limited nach maltesischem Recht mit Sitz in Malta verfügt über eine aufrechte Lizenz der Malta Gaming Authority für Online-Glücksspiele (Echtgeldpoker- und Casinospiele) unter der Domain www.pokerstars.eu . Eine Konzession für ihre Tätigkeiten in Österreich (elektronische Lotterien iSd § 12a GSpG) hat sie nicht, bietet aber über ihre deutschsprachige Website pokerstars.eu in Österreich Internet-Glücksspiel (Echtgeldpoker‑ und Casinospiele) an.

[2] Der in Österreich wohnhafte Kläger richtete bei der Beklagten einen Account zur Teilnahme am Online‑Glücksspiel ein. Grundlage und Vertragsbestandteil für die zwischen ihm und der Beklagten abgeschlossenen Glücksspielverträge sind die per Mausklick abrufbaren Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB), mit denen sich der Kläger bei seiner Registrierung einverstanden erklärte. Bei den angebotenen Spielen handelt es sich laut den AGB ausschließlich um Online-Glücksspiele.

[3] Der Kläger spielte über die Website der Beklagten www.pokerstars.eu/de in der Zeit von Jänner 2013 bis einschließlich Mai 2019 Onlineglücksspiele, unter anderem Onlinepoker und erlitt dabei Spielverluste von insgesamt 44.395,92 EUR und 698 USD. Auf dem Spielerkonto des Klägers wurden sämtliche Zahlungsflüsse, insbesondere die Transferierung der eingelösten Wetteinsätze und erzielten Spielgewinne, zwischen dem Kläger und der Beklagten abgewickelt. Sowohl ein Nutzerkonto als auch ein Spielguthaben ist nach Punkt 10.6. der AGB der Beklagten Voraussetzung für die Teilnahme an von ihr angebotenem Glücksspiel.

[4] Der Kläger begehrt den Betrag von 44.395,92 EUR sowie 698 USD aus dem Titel des Schadenersatzes und der Bereicherung. Der mit der Beklagten abgeschlossene Glücksspielvertrag für Onlineglücksspiele sei unerlaubt und unwirksam, weil die Beklagte nicht über die erforderliche Konzession nach dem GSpG verfüge, obwohl sämtliche von ihr angebotenen Glücksspiele dem Glücksspielmonopol des Bundes iSd § 3 GSpG unterlägen. Beim Poker schließe der einzelne Spieler mit dem Anbieter (der Beklagten) einen Spielvertrag ab, indem er sich als Spieler registriere und in der Folge ein Spielerkonto eröffne. Die Spieler untereinander hätten hingegen gerade kein Vertragsverhältnis. Folglich finde auch die Vermögensdisposition immer zwischen Spieler und Anbieter statt.

[5] Die Beklagte wendete, soweit in dritter Instanz noch relevant, ein, sie sei nicht passiv legitimiert, weil der Kläger die eingeklagten Verluste überwiegend beim Pokerspiel erlitten habe. Bei diesem entstehe der Spielvertrag aber zwischen den Spielern, und Gewinne und Verluste realisierten sich direkt zwischen den Spielern, weshalb die Beklagte nicht Adressatin eines Bereicherungsanspruchs sein könne.

[6] Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Die Beklagte biete Onlineglücksspiel an, das dem Glücksspielmonopol unterliege, ohne über die erforderliche Konzession in Österreich zu verfügen. Es handle sich daher um verbotenes Glücksspiel. Gemäß § 879 Abs 1 ABGB sei ein Vertrag, der gegen ein gesetzliches Verbot oder gegen die guten Sitten verstoße, nichtig. Nach ständiger Rechtsprechung sei das, was auf der Grundlage eines unerlaubten und damit unwirksamen Glücksvertrags gezahlt worden sei, rückforderbar. Verbotene Spiele erzeugten nicht einmal eine Naturalobligation. Die Beklagte sei auch passiv legitimiert, weil der Kläger durch Eröffnung des Spielerkontos mit ihr in ein Vertragsverhältnis getreten sei, sämtliche Einzahlungen auf das Konto der Beklagten erfolgt seien und auch die Onlinepokerspiele des Klägers aufgrund dieses Vertrags auf der Onlineplattform der Beklagten gespielt worden seien. Die Verluste seien aufgrund des Glücksspielvertrags der Parteien eingetreten. Bereicherungsschuldner sei stets derjenige, dem der Spieler die Einsätze in Erfüllung der mit ihm geschlossenen nichtigen Glücksspielverträge geleistet habe.

[7] Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil und ließ die ordentliche Revision mangels erheblicher Rechtsfrage nicht zu. Die Passivlegitimation der Beklagten sei zu bejahen, weil sie das Zustandekommen des verbotenen (Poker‑)Spiels überhaupt erst durch die Zurverfügungstellung einer konzessionslosen Online-Plattform ermöglicht habe und darüber hinaus auch Empfängerin der Spieleinsätze sei, unabhängig davon, ob das konkrete Pokerspiel dann zwischen anderen – wohl anonym bleibenden – Online-Spielern erfolge. Der vom Obersten Gerichtshof zu 6 Ob 118/12i beurteilte, analog gebliebene Sachverhalt lasse sich mit der vorliegenden digitalen Online-Situation nicht vergleichen.

[8] In ihrer Revision macht die Beklagte zusammengefasst geltend, dass sie nicht passiv legitimiert sei, weil sie als Pokerplattform am einzelnen Pokerspiel nicht teilnehme und daher weder gewinnen noch verlieren könne. Sie sei daher auch nicht Vertragspartnerin des Glücksvertrags. Die im Zuge des Pokerspiels geschlossenen Glücksverträge kämen ausschließlich zwischen den Pokerspielern untereinander zustande.

[9] Der Kläger beantragt in der ihm vom Obersten Gerichtshof freigestellten Revisionsbeantwortung, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

[10] Die Revision ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig, aber nicht berechtigt.

[11] 1. Wie bereits das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, sind die in der Entscheidung 6 Ob 118/12i angestellten Überlegungen zur (bereicherungsrechtlichen) Passivlegitimation von Lokalbetreibern, die lediglich einen Raum für Glücksspielautomaten oder Kartenspiele zur Verfügung stellen, mangels Vergleichbarkeit nicht auf den hier zu beurteilenden Sachverhalt übertragbar. Während dort mangels Feststellung, dass die Lokalbetreiberin selbst auch Betreiberin bzw Aufstellerin der Automaten gewesen wäre, kein Vertragsverhältnis zwischen dieser als Anbieterin des Pokerspiels und den Spielern angenommen werden konnte, fungiert die Beklagte hier als Anbieterin des Online‑Pokerspiels.

[12] 2.1. Gemäß § 2 Abs 1 und 4 iVm § 4 Abs 1 GSpG ist bereits das konzessionslose Veranstalten, Organisieren, Anbieten oder Zugänglichmachen von Glücksspiel – wozu nach der Legaldefinition des § 1 Abs 2 GSpG ua Poker zählt – durch einen Unternehmer verboten, und zwar selbst dann, wenn er nicht selbst am Spiel teilnimmt und etwa die Gewinne stellt, sondern nur auf sonstige Weise an der Durchführung des Spiels mitwirkt. Das wurde durch die Neufassung der Legaldefinition der „Ausspielung“ in § 2 GSpG im Rahmen der GSpG-Novelle 2008, BGBl I 54/2010, noch einmal bewusst verdeutlicht. In diesem Sinn führen die Gesetzesmaterialien (ErläutRV 658 BlgNR 24. GP  5) aus: „Die Veranstaltung/Organisation/das Angebot kann sich beispielsweise durch Mischen und Teilen der Karten, Festlegung von Spielregeln, Entscheidung von Zweifelsfällen, Bewerbung der Möglichkeit zum Spiel, Bereitstellen von Spielort, Spieltischen oder Spielpersonal äußern“. Dies entsprach aber der bereits zuvor geltenden Rechtslage (vgl § 2 Abs 4 GSpG idF BGBl I 69/1997; allgemein zur Behandlung von Hilfs‑, Neben‑ bzw Vorbereitungsgeschäften für Glücksverträge vgl Stefula in Fenyves/Kerschner/Vonkilch,Klang3 § 1267 ABGB Rz 5 mwN; siehe weiters 5 Ob 506/96 zu einem verbotenen Pyramidenspiel). Zudem kommt es nicht darauf an, ob (auch) der Vertragsbeziehung zwischen den Streitteilen ein aleatorisches Element zugrunde liegt oder (nur) zwischen den Teilnehmern des Online-Pokerspiels untereinander Glücksverträge zustande gekommen sind.

[13] 2.2. Vor diesem Hintergrund kann es keinem Zweifel unterliegen, dass der zwischen den Streitteilen geschlossene Vertrag, mit dem dem Kläger die Teilnahme an Online-Pokerspielen auf der Website der Beklagten ermöglicht wurde, nach § 879 Abs 1 ABGB nichtig ist.

[14] 3.1. Nach herrschender Ansicht erfolgt die Kondiktion bei verbotenen und sittenwidrigen Verträgen iSd § 879 ABGB nach § 877 ABGB. Danach hat, wer die Aufhebung eines Vertrags aus Mangel der Einwilligung verlangt, dagegen auch alles zurückzustellen, was er aus einem solchen Vertrag zu seinem Vorteil erhalten hat (9 Ob 40/18z; vgl auch Bollenberger/P. Bydlinski in KBB6 § 877 ABGB Rz 2).

[15] 3.2. Die Nichtigkeit des Vertrags führt dazu, dass diese Causa für die Vermögensverschiebung wegfällt, was grundsätzlich zur Rückabwicklung des nichtigen Rechtsgeschäfts gemäß § 877 ABGB führt – zumindest sofern sich nicht ausnahmsweise aus dem Verbotszweck die Unzulässigkeit der Kondiktion ergibt (2 Ob 3/12y mwN = RS0016325 [T11]). Bei der bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung der Leistungen aus einem gemäß § 879 ABGB nichtigen Rechtsgeschäft ist nämlich auf den Zweck der verletzten Norm, die die Ungültigkeit des Geschäfts bewirkt, Bedacht zu nehmen (vgl RS0016325). Will das Verbotsgesetz nur die Entstehung durchsetzbarer Verpflichtungen verhindern, ohne eine tatsächlich vorgenommene Vermögensverschiebung zu missbilligen, so begründet die Nichtigkeit für sich allein keinen Rückforderungsanspruch (RS0016325 [T2]). Ob das aufgrund eines nichtigen Vertrags Erhaltene zurückzugeben ist, entscheidet daher der Zweck der verletzten Norm (vgl RS0016325 [T7]).

[16] 3.3. In Hinblick auf die Zielsetzung des GSpG kann es keinem Zweifel unterliegen, dass der Gesetzgeber hier gerade den Schutz der Spieler und nicht bloß die Verhinderung des Entstehens klagbarer Verbindlichkeiten bezweckt (6 Ob 229/21a; vgl auch RS0025607 [T1]).

[17] 3.4. Nach § 877 ABGB ist der erlangte Vorteil herauszugeben. Darunter ist zu verstehen, was in jemandes unbeschränkte Verwendungsmöglichkeit gelangt ist, gleichgültig, ob davon in der Folge ein nützlicher oder allenfalls verlustbringender Gebrauch gemacht wurde, und gleichgültig, ob davon noch ein Nutzen vorhanden ist oder nicht. Ein späterer Wegfall eines einmal eingetretenen Nutzens befreit den Bereicherungsschuldner demnach nicht (6 Ob 229/21a mwN).

[18] 3.5. Nach der Zweckrichtung des Vertrags zwischen den Streitteilen war die Beklagte die Leistungsempfängerin, waren doch ein bei ihr eingerichtetes Nutzerkonto sowie ein Spielguthaben notwendige Voraussetzungen für die Teilnahme an dem von der Beklagten angebotenen Glücksspiel. Es besteht daher auch der Rückforderungsanspruch gegen die Beklagte. Schon aus diesem Grund ist somit die Passivlegitimation der Beklagten zu bejahen.

[19] 4. Auf die von ihr im bisherigen Verfahren behauptete Unionsrechtswidrigkeit des Glücksspielmonopols kommt die Beklagte in dritter Instanz ausdrücklich nicht mehr zurück.

[20] 5. Da die Vorinstanzen dem Klagebegehren schon auf bereicherungsrechtlicher Grundlage zu Recht stattgegeben haben, muss die Revision erfolglos bleiben, ohne dass es darauf ankäme, ob dem Kläger (auch) ein Schadenersatzanspruch zustünde. Es erübrigt sich daher, auf die insoweit relevierten rechtlichen Feststellungsmängel näher einzugehen.

[21] 6. Die von der Beklagten (nur hilfsweise) beantragte Unterbrechung des Verfahrens bis zur Entscheidung über die zu 6 Ob 207/21s und 9 Ob 79/21i anhängigen ordentlichen Revisionen kommt schon mangels der Voraussetzungen des § 190 ZPO nicht in Betracht. Der Regelung des § 190 ZPO liegt nämlich ein verfahrensökonomischer Gedanke zugrunde, der darauf abstellt, dass die Entscheidung der präjudiziellen Vorfrage in einem anderen Verfahren als Hauptfrage bei Parteienidentität nach der Rechtskraftlehre Bindungswirkung im Folgeprozess hat (4 Ob 157/19w mwN). Die hier zu lösende Rechtsfrage ist zwar auch in den beiden genannten (Parallel‑)Verfahren zu beurteilen, allerdings nicht als Hauptfrage.

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