OGH 5Ob160/23z

OGH5Ob160/23z28.5.2024

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofräte Mag. Wurzer und Mag. Painsi, die Hofrätin Dr. Weixelbraun‑Mohr und den Hofrat Dr. Steger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei G* H*, vertreten durch Dr. Georg Peterlunger, Rechtsanwalt in Salzburg, gegen die beklagte Partei Ö* AG, *, vertreten durch Dr. Johannes Hebenstreit, LL.M., Rechtsanwalt in Salzburg, wegen 54.000 EUR sA, über den Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 28. Juni 2023, GZ 6 R 78/23t‑22, mit dem das Urteil des Landesgerichts Salzburg vom 3. April 2023, GZ 14 Cg 56/22f‑18, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0050OB00160.23Z.0528.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)

 

Spruch:

 

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben und es wird in der Sache dahin erkannt, dass das Urteil des Erstgerichts wiederhergestellt wird.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit 3.728,82 EUR (darin enthalten 621,47 EUR USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens und die mit 5.738,10 EUR (darin 3.051 EUR Barauslagen und 447,85 EUR USt) bestimmten Kosten des Rekursverfahrens zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

[1] Die Klägerin ist Mit- und Wohnungseigentümerin einer Liegenschaft in Salzburg, die Beklagte ist die von der Eigentümergemeinschaft bestellte Verwalterin.

[2] Die Klägerin begehrte von der Beklagten den Ersatz von im Zeitraum 1. 10. 2020 bis 31. 12. 2022 entgangenen Mieteinnahmen in Höhe von 54.000 EUR samt Anhang.

[3] Der Beklagten sei zumindest seit Ende 2018 bewusst, dass es in den Wohnungen unter der Wohnung der Klägerin zu Feuchtigkeitseintritten komme. Die Beklagte habe im Jahr 2019 in der Wohnung der Klägerin auch den Boden öffnen lassen, um herauszufinden, woher die Wasserschäden in den Wohnungen unterhalb der Wohnung der Klägerin stammen. Die Ursache habe jedoch offenbar nicht gefunden werden können, weshalb die Öffnungen belassen worden seien. Im Jahr 2021 seien schließlich auch die Platten der Terrasse und der darunter liegende Kies sowie der Estrich in der Wohnung der Klägerin großflächig entfernt worden, um die Ursache der Wasserschäden zu erforschen und deren weitere Ausbreitung zu verhindern. Seither bestehe dieser Zustand unverändert. Die Beklagte habe es unterlassen, den ursprünglichen Zustand der Wohnung und der Terrasse wiederherzustellen, und damit ihre Verpflichtung zur Sanierung des Wasserschadens schuldhaft und rechtswidrig verletzt. Sie wäre als Verwalterin verpflichtet gewesen, eine professionelle Ursachenforschung anzustellen und Sanierungsaufträge an Professionisten zu erteilen. Dies spätestens im Sommer 2019. Nach höchstens drei Monaten, sohin im November 2019 hätte die Sanierung abgeschlossen sein müssen.

[4] Die Wohnung der Klägerin sei in diesem Zustand nicht benutzbar oder vermietbar, weshalb die Beklagte der Klägerin die ihr dadurch entstandenen Schäden (entgangener Mietzins; Ersatz der im Fall der Vermietung vom Mieter zu tragenden Betriebskosten und Rücklagenbeiträge) zu ersetzen habe.

[5] Die Beklagte wandte ein, sie stehe lediglich mit der Eigentümergemeinschaft in einem Vertragsverhältnis. Für den geltend gemachten reinen Vermögensschaden sei die Beklagte daher nicht passivlegitimiert. Abgesehen davon treffe die Beklagte kein Verschulden; sie habe Fachunternehmen beauftragt, die Ursache der Schäden zu erheben und die notwendigen Sanierungsarbeiten durchzuführen. Dass sich die Sanierung aufgrund von Problemen mit den ausführenden Unternehmen verzögert habe, könne der Beklagten nicht vorgeworfen werden.

[6] Die Klägerin habe auch gar nicht schlüssig behauptet, dass sie tatsächlich einen Mieter gefunden hätte, der bereit gewesen wäre, ihren Wunschmietzins zu bezahlen.

[7] Nach dem Klagevorbringen sei der Primärschaden mit Kenntnis der Problematik Ende 2018 eingetreten. Unter Berücksichtigung der von der Klägerin zugestandenen drei Monate für eine Sanierung wäre die Verjährungsfrist daher spätestens Ende März 2022 abgelaufen gewesen.

[8] Das Erstgericht wies die Klage ab.

[9] Die Klage sei unschlüssig. Die Klägerin habe nicht nur keine Behauptungen zu konkreten Mietinteressenten aufgestellt. Der geltend gemachte Mietzinsentgang wäre zudem selbst dann nicht zu ersetzen, wenn der einzelne Wohnungseigentümer in den Schutzbereich des Vertrags zwischen der Eigentümergemeinschaft und dem Verwalter einzubeziehen wäre. Der behauptete Mietzinsentgang sei nämlich ein bloßer Vermögensschaden und daher auch in diesem Fall nicht zu ersetzen.

[10] Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin Folge, hob das angefochtene Urteil auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurück.

[11] Das Erstgericht habe die Klage zu Unrecht als unschlüssig erachtet. Die Vernichtung einer Erwerbschance sei ein entgangener Gewinn, wenn es sich um eine bloße Chance handle. Der Verlust einer Erwerbschance sei aber positiver Schaden, wenn das Bestehen einer Gewinnmöglichkeit im Verkehr bereits als selbständiger Wert angesehen werde, etwa wenn eine bindende Offerte oder ein Vorvertrag vorliege. Wenn der Geschädigte daher eine Gewinnchance gehabt habe, die er nach den Ergebnissen des Beweisverfahrens wahrgenommen hätte und deren Realisierung entsprechend den Marktverhältnissen praktisch gewiss gewesen sei, müsse auch darin ein positiver Schaden erblickt werden. Die Klägerin habe zur Begründung des von ihr begehrten Mietzinsentgangs nicht nur auf eine in Salzburg bestehende Mietnot, sondern auch ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Wohnung bereits im Jahr 2002 um einen entsprechenden Hauptmietzins zuzüglich USt und Betriebskosten vermietet worden sei. Dieses Vorbringen könne nur so verstanden werden, dass bei einer Vermietung der Wohnung nun – 18 Jahre später – jedenfalls Einnahmen in der veranschlagten Höhe erzielt hätten werden können. Der Vorwurf des Erstgerichts, die behauptungs- und beweispflichtige Klägerin habe keine konkreten Tatsachenbehauptungen aufgestellt, dass zumindest anhand der Marktverhältnisse ab Oktober 2020 mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ein Mietzins in der begehrten Höhe erzielt hätte werden können, treffe daher nicht zu. Soweit das Erstgericht zur Begründung der Unschlüssigkeit der Klage damit argumentiere, dass die Mietnot in Salzburg ein anderes Preissegment betreffe, beurteile es die Schlüssigkeit der Klage nicht ausgehend vom Klagevorbringen. Es entferne sich zugleich auch von dem von ihm festgestellten Sachverhalt, der zu dem von der Klägerin vorgebrachten Thema „Mietnot“ gar keine Feststellungen enthalte.

[12] Die Verursachung eines Vermögensschadens mache nur unter bestimmten Voraussetzungen ersatzpflichtig. Die Rechtsprechung anerkenne den Ersatzanspruch, wenn sich die Rechtswidrigkeit der Schädigung aus der Verletzung (vor‑)vertraglicher Pflichten, aus der Verletzung absoluter Rechte oder aus der Übertretung von Schutzgesetzen, die auch den Schutz des Vermögens bezwecken, ableiten lasse, oder wenn ein sittenwidriges Verhalten des Schädigers vorliege.

[13] Der Verwalter im Wohnungseigentum stehe in keinem unmittelbaren Rechtsverhältnis zu den einzelnen Wohnungseigentümern, sondern nur zur Eigentümergemeinschaft. Der Oberste Gerichtshof erkenne aber eine Schutzwirkung des Verwaltungsvertrags dem Wohnungseigentümer gegenüber dann grundsätzlich an, wenn Schutz- und Sorgfaltspflichten zu Gunsten Dritter, deren Rechtssphäre in den Schutzbereich des Verwaltungsvertrags einbezogen ist, verletzt werden. Es könne hier dahingestellt bleiben, ob das bloße Interesse des einzelnen Wohnungseigentümers an der Erzielung von Mieterträgnissen in den Schutzbereich des Vertrags zwischen Eigentümergemeinschaft und dem Verwalter einzubeziehen sei, und ob der dem Wohnungseigentümer zustehende Entschädigungsanspruch nach § 16 Abs 7 WEG 2002 als deckungsgleicher Ersatzanspruch zu qualifizieren sei, der zur Folge hätte, dass es insoweit einer Einbeziehung in den Schutzbereich des Vertrags zwischen der Eigentümergemeinschaft und dem Verwalter gar nicht bedürfte. Die potentielle Haftung der Beklagten als Verwalterin auch für bloße Vermögensschäden ergebe sich im vorliegenden Fall nämlich bereits aus der Verletzung eines absolut geschützten Rechtsgutes.

[14] Die Klägerin werfe der Beklagten vor, die von ihr in den Jahren 2019 und 2021 im Zusammenhang mit Wassereintritten beauftragten Bodenöffnungen im Wohnungseigentumsobjekt der Klägerin bis dato belassen zu haben, obwohl die Feststellung der Schadensursache und die Sanierung innerhalb von maximal drei Monaten möglich gewesen wären. Hier sei also über Auftrag der Beklagten als Verwalterin unmittelbar in die Substanz des der Klägerin zugewiesenen Wohnungseigentumsobjekts eingegriffen worden. Soweit für einen solchen Eingriff die Voraussetzungen des § 16 Abs 7 WEG 2002 vorlägen, sei dieser rechtmäßig und vom Wohnungseigentümer zu dulden. Soweit allerdings die Voraussetzungen des § 16 Abs 7 WEG 2002 für eine Benützung des Wohnungseigentumsobjekts nicht (mehr) vorlägen, bedeuteten die Bodenöffnungen einen Eingriff in das absolut geschützte Rechtsgut „Wohnungseigentum“.

[15] Da – zusammengefasst – die Klage nicht unschlüssig sei und eine Haftung der Beklagten gegenüber der Klägerin für bloße Vermögensschäden infolge des über ihren Auftrag erfolgten Eingriffs in das Wohnungseigentum der Beklagten nicht von vornherein verneint werden könne, sei das Urteil des Erstgerichts wegen rechtlicher Feststellungsmängel aufzuheben und zur Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückzuverweisen.

[16] Das Berufungsgericht ließ den Rekurs gegen seinen Aufhebungsbeschluss zu. Der Oberste Gerichtshof habe bislang weder die Frage, ob sich ein Wohnungseigentümer, in dessen Wohnungseigentumsobjekt durch Maßnahmen des Verwalters unmittelbar eingegriffen werde, gegenüber diesem auf die Verletzung eines absolut geschützten Rechtsgutes berufen könne, noch die Frage, ob ein Mietzinsentgang des Wohnungseigentümers als bloßer Vermögensschaden in den Schutzbereich des Verwaltungsvertrags einbezogen sei, noch die Frage, ob dem Wohnungseigentümer wegen eines deckungsgleichen Anspruchs die Berufung auf einen Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter im Zusammenhang mit der Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen gegen den Verwalter wegen Eingriffen in dessen Wohnungseigentum verwehrt sei, wenn (auch) ein Entschädigungsanspruch gemäß § 16 Abs 7 WEG 2002 zustehe, beantwortet.

[17] Gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts richtet sich der Rekurs derBeklagten aus dem Rekursgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung. Sie beantragt, den angefochtenen Beschluss abzuändern und das Ersturteil zu bestätigen.

[18] Die Klägerin beantragt in ihrerRekursbeantwortung, den Rekurs als unzulässig zurückzuweisen, hilfsweise diesem nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

[19] Der Rekurs ist zulässig und berechtigt. Im Ergebnis ist das Ersturteil im Sinn einer Klageabweisung wiederherzustellen.

[20] 1. Der Verwalter im Wohnungseigentum steht in keinem unmittelbaren Rechtsverhältnis zu den einzelnen Wohnungseigentümern, sondern nur zur Eigentümergemeinschaft (RS0110934 [T11]).

[21] Die Verwaltungshandlungen des Verwalters ebenso wie deren Unterlassung sind der Eigentümergemeinschaft zuzurechnen (RS0124735 [T5]; RS0114886 [T7]). Für Schäden aus Handlungen und Unterlassungen ihres Verwalters haftet die Eigentümergemeinschaft deliktisch (5 Ob 142/19x; 5 Ob 37/19f mwN).

[22] Eine persönliche Haftung des Verwalters gegenüber Dritten, auch den einzelnen Wohnungseigentümern gegenüber, setzt eigenes, insbesondere Organisations- oder Auswahlverschulden voraus (5 Ob 48/22b; RS0124735 [T4]; RS0114886 [T8]).

[23] 2. Die Klägerin behauptet eine solche persönliche Haftung der beklagten Verwalterin und begehrt von ihr den Ersatz des durch die entgangenen Mieteinnahmen eingetretenen Vermögensverlustes.

[24] Dem „Vermögen“ einer Person kommt jedoch kein absoluter Schutz zu (RS0022462 [T2]). Die Verursachung eines Vermögensschadens macht nur dann ersatzpflichtig, wenn sich die Rechtswidrigkeit der Schädigung aus der Verletzung (vor‑)vertraglicher Pflichten, aus der Verletzung absoluter Rechte oder aus der Übertretung von Schutzgesetzen, die auch den Schutz des Vermögens bezwecken, ableiten lässt (RS0022462 [T1]; RS0023122 [T2, T7]; RS0022813 [T1]), oder wenn ein sittenwidriges Verhalten des Schädigers vorliegt (RS0023122 [T2, T9]; RS0022813 [T5]; RS0016754).

[25] 3.1. Eine Vertragshaftung des Verwalters gegenüber dem einzelnen Wohnungseigentümer kommt, weil derVerwalter in keinem unmittelbaren Rechtsverhältnis zu den Wohnungseigentümern steht, nur dann in Betracht, wenn Schutz- und Sorgfaltspflichten zu Gunsten Dritter, deren Rechtssphäre in den Schutzbereich des Verwaltervertrags einbezogen ist, verletzt werden (6 Ob 3/14f mwN; RS0110934 [T12]). Im Fall eines solchen Vertrags mit Schutzwirkungen zugunsten Dritter erwirbt der Dritte unmittelbare vertragliche Ansprüche gegen den Schuldner, der dann auch gemäß § 1313a ABGB für das Verschulden jener Personen haftet, deren er sich zur Erfüllung bediente (RS0037785 [T34]).

[26] 3.2. Eine Sorgfalts- und Schutzpflicht zugunsten dritter am Vertrag nicht beteiligter Personen wird von Lehre und Rechtsprechung dann angenommen, wenn bei objektiver Auslegung des Vertrags (RS0037785 [T25]; RS0034594 [T19]) anzunehmen ist, dass eine Sorgfaltspflicht auch in Bezug auf die dritte Person, wenn auch nur der vertragschließenden Partei gegenüber, übernommen wurde (RS0017195).

[27] Die vom Gesetzgeber getroffene unterschiedliche Ausgestaltung von Deliktsrecht und Vertragsrecht soll jedoch nicht aufgehoben oder verwischt werden, weshalb der Kreis der durch den Vertrag mit Schutzwirkungen zugunsten Dritter geschützten Personen eng gezogen werden muss (RS0022814 [T2]). Schutz- und Sorgfaltspflichten bestehen gegenüber dritten Personen, die durch die Vertragserfüllung erkennbar in erhöhtem Maß gefährdet werden und der Interessensphäre eines Vertragspartners angehören (5 Ob 82/23d mwN). Begünstigte Personen sind daher (nur) Dritte, deren Kontakt mit der vertraglichen Hauptleistung beim Vertragsabschluss vorhersehbar war, die also der vertraglichen Leistung nahestehen und die der Vertragspartner entweder erkennbar durch Zuwendung der Hauptleistung begünstigte, an denen er ein sichtbares eigenes Interesse hat oder denen er selbst offensichtlich rechtlich zur Fürsorge verpflichtet ist (RS0017195 [T5, T12]; RS0037785 [T5, T21, T22]; RS0034594 [T28]; RS0020769 [T1]).

[28] 3.3. Der Verwalter im Wohnungseigentum steht zwar in keinem unmittelbaren Rechtsverhältnis zu den einzelnen Wohnungseigentümern, sondern nur zur Eigentümergemeinschaft. Nach § 20 Abs 1 WEG 2002 ist er aber verpflichtet, die gemeinschaftsbezogenen Interessen aller Wohnungseigentümer (daher auch jene des einzelnen Wohnungseigentümers) zu wahren. Die von ihm zu führende Verwaltung berührt auch die Rechtssphäre des einzelnen Wohnungseigentümers, weshalb über das Rechtsverhältnis zur Eigentümergemeinschaft hinaus auch ein Verpflichtungsverhältnis zum einzelnen Wohnungseigentümer besteht (5 Ob 48/22b; 6 Ob 3/14f; 5 Ob 175/08h; RS0117890 [T5]).

[29] Die Schutzpflicht des Verwalters, die gemeinschaftsbezogenen Interessen aller Wohnungseigentümer zu wahren, bezieht sich auf die (gesetzmäßige) Führung der Verwaltung (vgl 6 Ob 3/14f). Zur Verwaltung gehört alles, was gemeinschaftliche Interessen bei der Nutzung und Erhaltung des Gemeinschaftsgutes beeinträchtigen könnte. Verwaltungshandlungen zielen darauf ab, in diesem Zusammenhang bestehende gemeinschaftliche Pflichten zu erfüllen und/oder gemeinschaftliche Interessen wahrzunehmen (RS0109188 [T8, T12]). Der Verwalter ist insbesondere verpflichtet und befugt, alle Maßnahmen, die der Erhaltung und Verwaltung des gemeinsamen Gutes dienen, zu setzen (RS0124735). Maßnahmen der ordentlichen Verwaltung muss der Verwalter auch ohne Beschlüsse der Eigentümergemeinschaft nach pflichtgemäßem Ermessen eigenständig setzen (RS0122841).

[30] Ausgehend von den von der Rechtsprechung entwickelten Kriterien können die einzelnen Wohnungseigentümer daher grundsätzlich als vertragsfremde Dritte in den Schutzbereich des Vertrags zwischen der Eigentümergemeinschaft und dem Verwalter einzubeziehen seien. Der Verwalter handelt nicht nur im Interesse der Vertragspartnerin, der Eigentümergemeinschaft, von seiner Tätigkeit können auch die Interessen der einzelnen Wohnungseigentümer betroffen sein. Es ist für den Verwalter bei Übernahme der Verwaltung auch offensichtlich, dass die Verletzung einer von ihm übernommenen Pflicht gleichzeitig auch die Interessen der einzelnen Wohnungseigentümer verletzen kann (3 Ob 102/14t [Abrechnungspflicht nach § 20 Abs 3 WEG 2002]; vgl auch 5 Ob 265/04p [„verfrühte“ Umsetzung eines Mehrheitsbeschlusses]; vgl auch Pittl/Ponholzer, Der Verwaltungsvertrag mit Schutzwirkung zugunsten des Wohnungseigentümers als Dritten, wobl 2022, 246 [249]; Kothbauer, Zur Verwalterhaftung gegenüber Wohnungseigentümern, immolex 2022/181; Vonkilch, Der geschädigte Wohnungseigentümer, seine Gemeinschaft, ihr Verwalter und deren Haftung, wobl 2020, 223).

[31] 3.4. Das bloße Vermögen eines Dritten ist nach der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs in der Regel nicht in den Schutzbereich eines Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter einbezogen. Eine Ausnahme von dieser Regel wird nur dann als gerechtfertigt angesehen, wenn die Hauptleistung gerade einem Dritten zukommen soll (RS0034594 [T14]; RS0022475 [T1]; RS0026552 [T2]; RS0017068 [T6]; RS0020769 [T2]). Das ist insbesondere bei Verträgen zugunsten Dritter und bei mittelbarer Stellvertretung der Fall (4 Ob 2/93; RS0017068 [T2]; RS0020769 [T2]). Dafür wird ins Treffen geführt, dass sonst die spezifischen Sorgfaltspflichten niemandem gegenüber zu beachten wären, dem Gläubiger gegenüber nicht, weil er die Leistung nicht erhält, dem Dritten gegenüber nicht, weil er nicht Vertragspartner ist (8 Ob 614/93). Eine Haftung für Vermögensschäden gegenüber dem Dritten wird auch dann bejaht, wenn bei der zu erbringenden Leistung erkennbar auch die Vermögensinteressen des Dritten verfolgt werden, insbesondere wenn dessen Entschlüsse dadurch beeinflusst werden (8 Ob 287/01s; RS0017127 [T10]).

[32] Die Frage, ob ein Mietzinsentgang des Wohnungseigentümers obwohl bloßer Vermögensschaden in den Schutzbereich des Verwaltungsvertrags einbezogen ist, hatte der Oberste Gerichtshof bisher nicht zu beantworten. Zu 6 Ob 3/14f ließ der Oberste Gerichtshof die Frage, ob der Verwalter dem betroffenen Wohnungseigentümer auch für Mietzinse haftet, die diesem infolge der Untätigkeit des Verwalters im Zusammenhang mit der Behebung eines ernsten Schadens in dessen Wohnungseigentumsobjekt entstehen, offen, weil dort der Verwalter ohnedies nicht schuldhaft untätig geblieben war. Auch zu 5 Ob 48/22b kam eine Haftung des Verwalters für den Verlust der vertraglich gesicherten Erwerbschance aus der Vermietung der Wohnung (Rücktritt des Mieters) schon mangels eines dem Verwalter anzulastenden rechtswidrigen (und/oder kausalen) Verhaltens nicht in Betracht

[33] Auch im vorliegenden Fall ist diese Frage letztlich nicht in dieser Allgemeinheit zu klären (vgl dazu etwa Pittl/Ponholzer, Glosse zu 5 Ob 48/22b, wobl 2023, 73; Höllwerth, Glosse zu 5 Ob 48/22b, immo aktuell 2022/35). Der Wohnungseigentümerin fehlt hier nämlich jedenfalls das für die Einbeziehung in den Schutzbereich des Vertrags erforderliche schutzwürdige Interesse.

[34] 3.5. Nach ständiger Rechtsprechung istGrundvoraussetzung für die Einbeziehung des (geschädigten) Dritten in den Schutzbereich des Vertrags dessen schutzwürdiges Interesse. Ein solches ist aber zu verneinen, wenn er kraft eigener rechtlicher Sonderverbindung mit einem Vertragspartner einen deckungsgleichen Anspruch auf Schadenersatz gegen einen der beiden Vertragspartner hat. In diesem Fall wird ein geschädigter Dritter also nicht in den Schutzbereich eines fremden Vertrags einbezogen (6 Ob 216/21i mwN; 5 Ob 82/19y; RS0022814 [T1, T15]; RS0129705 [T1]). Mit anderen Worten greift die Haftung aufgrund von Schutzwirkungen zugunsten Dritter lediglich subsidiär ein (6 Ob 216/21i).

[35] Der Entschädigungsanspruch des Wohnungseigentümers nach § 16 Abs 7 WEG 2002 ist ein solcher auf der rechtlichen Sonderverbindung zwischen ihm und der Eigentümergemeinschaft beruhender deckungsgleicher Anspruch auf Schadenersatz.

[36] 3.6. Gemäß § 16 Abs 7 WEG 2002 hat der Wohnungseigentümer das Betreten und die Benützung des Wohnungseigentumsobjekts zu gestatten, soweit dies zur Erhaltung der allgemeinen Teile der Liegenschaft oder zur Behebung ernster Schäden des Hauses erforderlich ist (Duldungspflicht). Für die vermögensrechtlichen Nachteile, die er dadurch erleidet, ist er von der Eigentümergemeinschaft angemessen zu entschädigen.

[37] Für Schäden, die aus Eingriffen resultieren, die der Wohnungseigentümer nach § 16 Abs 7 Satz 2 WEG 2002 zu dulden hat, besteht also ein Anspruch auf angemessene Entschädigung durch die Eigentümergemeinschaft. Dieser Anspruch ist gemäß § 52 Abs 1 Z 2 WEG 2002 im Außerstreitverfahren geltend zu machen und umfasst (ausschließlich) den Ersatz von Vermögensschäden (Vonkilch in Hausmann/Vonkilch WEG5 § 16 WEG Rz 65; Prader/Malaun, Zur Duldungspflicht und zum vermögensrechtlichen Nachteil des § 16 Abs 3 WEG, immolex 2009, 330 [332 f]). Der zu ersetzende vermögensrechtliche Nachteil kann dabei in den Kosten einer – nach der allgemeinen Verkehrsauffassung zufolge Unzumutbarkeit der Weiternutzung notwendigen – Ersatzbeschaffung, im Entgang von Einkommen oder im Entstehen von Ersatzforderungen Dritter (zB des Mieters) gegen den Wohnungseigentümer liegen. Es sind positiver Schaden und entgangener Gewinn ohne Differenzierung nach einem hier gar nicht relevanten Verschuldensgrad zu ersetzen (Illedits in Illedits,Wohnrecht4 § 16 WEG Rz 53; Markl in GeKo Wohnrecht II § 16 WEG Rz 100; Prader/Malaun, immolex 2009, 330 [332 f]).

[38] Die Entschädigungspflicht trifft die – zur Durchsetzung des Duldungsanspruchs nach § 16 Abs 7 zweiter Satz WEG 2002 ausschließlich legitimierte – Eigentümergemeinschaft (vgl 5 Ob 272/09z). Diese Entschädigungspflicht nach § 16 Abs 7 WEG 2002 begründet eine einzelne, im WEG 2002 speziell geregelte „rechtliche Sonderbeziehung“ (5 Ob 37/19f).

[39] Die Entschädigung nach § 16 Abs 7 WEG 2002 soll – wie auch jene nach § 8 Abs 3 MRG – die Beeinträchtigung des Nutzungsrechts am Wohnungseigentumsobjekt ausgleichen. Dabei handelt es sich um keine vertragliche Haftung, sondern um eine Eingriffshaftung, für die Rechtswidrigkeit ebenso wenig Haftungsvoraussetzung ist wie Verschulden (RS0017135 [T5]; RS0069533 [T8]; RS0069520 [T10] zu § 8 Abs 3 MRG). Die Ersatzpflicht beschränkt sich dabei nicht bloß auf Beeinträchtigungen infolge mangelhafter Erhaltungs- und Verbesserungsarbeiten an sich, also solche, die sich im Rahmen der Duldungspflicht ereignet haben. Sie erstreckt sich vielmehr auch auf Schäden, die aus der unsachgemäßen Ausführung der Arbeiten resultieren (10 Ob 23/22p; 5 Ob 165/18b; 3 Ob 85/15v; 5 Ob 54/01d [jeweils zur insoweit vergleichbaren Bestimmung des § 8 Abs 3 MRG]).

[40] Die Behebung von Feuchtigkeitsschäden infolge Wassereintritts, wie ihn die Klägerin schilderte, gehört zur Erhaltung der Liegenschaft (vgl RS0083089 [T6]) und ist daher von der Duldungsverpflichtung iSd § 16 Abs 7 WEG 2002 umfasst. Die Klägerin leitet ihren Ersatzanspruch hier nun zwar nicht unmittelbar aus der (mangelhaften) Vornahme des zu duldenden Eingriffs ab, sondern aus der angeblich schuldhaften Verzögerung des Abschlusses der Erhaltungsarbeiten. Diese unterlassene Fertigstellung der Arbeiten ist jedoch nicht anders zu beurteilen als deren mangelhafte Ausführung; entstehen die damit verbundenen Beeinträchtigungen doch in beiden Fällen anlässlich jedenfalls ursprünglich zu duldender Eingriffe, sodass der notwendige Konnex von Umfang der Duldungspflicht und damit korrespondierender Eingriffshaftung noch ausreichend gewahrt ist (3 Ob 85/15v [§ 8 Abs 3 MRG]).

[41] 3.7. Als Zwischenergebnis ist daher festzuhalten: Die Klägerin ist mit dem hier geltend gemachten Anspruch auf Ersatz des Mietzinsentgangs schon deshalb nicht in den Schutzbereich des fremden Verwaltungsvertrags einbezogen, weil ihr ein deckungsgleicher Ersatzanspruch gegen die Eigentümergemeinschaft nach § 16 Abs 7 WEG 2002 zustünde.

[42] 4.1. Der von der Klägerin behauptete Vermögensschaden wäre auch dann grundsätzlich ersatzfähig, wenn sich die Rechtswidrigkeit der Schädigung aus der Verletzung des absoluten Rechts des Mit- und Wohnungseigentums ableiten ließe.

[43] 4.2. Ein Verhalten, mit dem gegen eine ausder Absolutheit eines Rechtsgutes abzuleitende Verhaltenspflicht verstoßen wird, ist deliktisch (RS0010350 [T1]). Das Eigentumsrecht ist ein solches absolutes, von der Rechtsordnung gegen Angriffe Dritter geschütztes Recht (RS0010350). Wird gegen eine Verhaltenspflicht verstoßen, die den Schutz fremden Eigentums bezweckt, so ist nicht nur der Schaden am absolut geschützten Eigentumsrecht, sondern auch der Folgeschaden im sonstigen Vermögen des Geschädigten zu ersetzen (RS0022571).

[44] Ein Eingriff in das absolut geschützte Eigentumsrecht ist nach allgemeinen Regeln rechtswidrig (RS0010350 [T1]). Der Eingriff indiziert also grundsätzlich Rechtswidrigkeit; deren konkrete Feststellung erfordert aber eine umfassende Interessenabwägung. Maßgebliche Kriterien sind dabei vor allem der Rang des betroffenen Rechtsgutes, die Gefährlichkeit des Verhaltens und die Zumutbarkeit der statuierten Verhaltenspflichten (5 Ob 168/08d; RS0022939, RS0022917, RS0022899).

[45] Da dem einzelnen Wohnungseigentümer aufgrund der gesetzlichen Anordnung des § 16 Abs 7 WEG 2002 eine entsprechende Duldungspflicht trifft, kann die Benützung des Wohnungseigentumsobjekts zur Durchführung von Maßnahmen zur Erhaltung der allgemeinen Teile der Liegenschaft oder zur Behebung ernster Schäden des Hauses kein rechtswidriger Eingriff in das fremde Eigentum sein. Die Klägerin wirft der Beklagten auch nicht die von ihr beauftragten Erhaltungsarbeiten als solche als Eingriff in die Substanz ihres Wohnungseigentums vor, sondern, dass sie diese Arbeiten nicht zeitgerecht fertiggestellt und insoweit ihre Erhaltungspflicht verletzt habe. Nach den genannten Kriterien für die zur Beurteilung der Rechtswidrigkeit anzustellende Interessensabwägung machen eine mangelhafte Ausführung oder das Unterlassen der Fertigstellung der Arbeiten in angemessener Zeit die Maßnahmen nicht zu einem rechtswidrigen Eingriff in das Eigentumsrecht, wenn – wie nach dem Klagevorbringen hier – der Konnex zur Duldungspflicht nach wie vor besteht.

[46] 5. Die Klägerin hat demnach keine Tatsachenbehauptungen vorgetragen, aus welchen eine Anspruchsgrundlage für ihr Begehren auf Ersatz des behaupteten Vermögensschadens gegenüber der Beklagten materiell-rechtlich abgeleitet werden kann (vgl RS0037516).

[47] Die Abweisung der Klage durch das Erstgericht erweist sich damit als richtig. Der Rekurs hat somit Erfolg. Das Urteil des Erstgerichts ist, weil Entscheidungsreife vorliegt (RS0043853 [T7, T8, T9]), wiederherzustellen.

[48] Die Kostenentscheidung gründet auf §§ 50, 41 Abs 1 ZPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte