OGH 2Ob59/23z

OGH2Ob59/23z16.5.2023

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Grohmann als Vorsitzende sowie die Hofräte Dr. Nowotny, Hon.‑Prof. PD Dr. Rassi, MMag. Sloboda und Dr. Kikinger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. B* 2. Be*, 3. S*, 4. Ben*, alle vertreten durch DR. SCHILCHEGGER RECHTSANWALTSGESELLSCHAFT in Anif, gegen die beklagte Partei G*, vertreten durch Imre & Schaffer Rechtsanwälte OG in Gleisdorf, wegen Feststellung und Zustimmung (Streitwert: 104.862,50 EUR),über die Revisionen beider Streitteile gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 31. Jänner 2023, GZ 3 R 213/22a‑27, mit dem das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 22. September 2022, GZ 39 Cg 126/21k‑22, abgeändert wurde, zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0020OB00059.23Z.0516.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiete: Erbrecht und Verlassenschaftsverfahren, Zivilverfahrensrecht

Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)

 

Spruch:

 

Der Revision der klagenden Parteien wird nicht Folge gegeben.

Der Revision der beklagten Partei wird teilweise Folge gegeben.

Das Urteil des Berufungsgerichts wird in den Punkten II (Zahlungseventualbegehren) und IV (Kostenentscheidung) dahin abgeändert, dass die Entscheidung insgesamt lautet:

I. Die Hauptbegehren,

1. es werde festgestellt, dass den klagenden Parteien das bessere Recht an der der Verlassenschaft nach E*, Verfahren vor dem Bezirksgericht F*, zugegangenen Ersatzleistung für den Hälfte-Anteil B-LNR 1 an der Liegenschaft EZ 5* in Form des anteiligen Meistbots aus der Versteigerung laut Urteil des Bezirksgerichts F* in Höhe von 104.862,50 EUR zustehe und sie diesbezüglich je zu einem Viertel anspruchs- und herausgabeberechtigt seien, sowie

2. die beklagte Partei sei schuldig, der Ausfolgung der der Verlassenschaft nach E*, Verfahren vor dem Bezirksgericht F*, zugegangenen Ersatzleistung für den Hälfte-Anteil B-LNR 1 an der Liegenschaft EZ 5* in Form des anteiligen Meistbots aus der Versteigerung laut Urteil des Bezirksgerichts F* in Höhe von 104.862,50 EUR zuzustimmen und alle von der besagten Verlassenschaft herangezogenen Inhaber, Verwahrer, Treuhänder udgl anzuweisen, diesen Betrag an die klagenden Parteien auszuzahlen;

werden abgewiesen.

II. Dem Zahlungseventualbegehren wird teilweise stattgegeben:

1. Die Klagsforderung der klagenden Parteien besteht mit jeweils 13.107,81 EUR zu Recht.

2. Die Gegenforderung der beklagten Partei besteht mit jeweils 2.295,52 EUR zu Recht.

3. Die beklagte Partei ist daher schuldig, den klagenden Parteien jeweils 10.812,29 EUR samt 4 % Zinsen seit 18. November 2020 binnen 14 Tagen zu zahlen.

4. Hingegen wird das Mehrbegehren, die beklagte Partei sei schuldig, den klagenden Parteien jeweils weitere 2.295,52 EUR samt 4 % Zinsen seit 18. November 2020 zu zahlen, abgewiesen.

III. Das weitere Eventualbegehren, die beklagte Partei sei schuldig, die ihr als zur Hälfte eingeantworteter Erbin nach E*, Verfahren vor dem Bezirksgericht F*, anteilig zugegangene Ersatzleistung für den Hälfte-Anteil B‑LNR 1 an der Liegenschaft EZ 5* in Form des anteiligen Meistbots aus der Versteigerung laut Urteil des Bezirksgerichts F* in Höhe von 52.431,25 EUR (Hälfte von 104.862,50 EUR) je zu einem Viertel an die klagenden Parteien herauszugeben, wird abgewiesen.

IV. Die beklagte Partei ist schuldig, den klagenden Parteien 1.821,70 EUR an anteiligen Barauslagen binnen 14 Tagen zu ersetzen; im Übrigen werden die Kosten des Verfahrens erster Instanz gegenseitig aufgehoben.

Die klagenden Parteien sind schuldig, der beklagten Partei die mit 4.986,32 EUR bestimmten anteiligen Kosten des Berufungsverfahrens (darin 220,52 EUR USt und 3.663,20 EUR an anteiliger Pauschalgebühr) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Die klagenden Parteien sind schuldig, der beklagten Partei die mit 1.581,83 EUR (darin enthalten 156,85 EUR USt und 640,71 EUR an anteiliger Pauschalgebühr) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

[1] Die 2018 verstorbene Erblasserin hatte ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Österreich und hinterließ zwei Kinder, die Beklagte und einen 2020 verstorbenen (zuletzt in Deutschland wohnhaften) Sohn, der seinerseits vier Kinder, die Kläger, hinterließ. Mit rechtskräftigem Beschluss vom 6. 4. 2022 wurde die Verlassenschaft der Beklagten zur Hälfte und den Klägern je zu einem Achtel eingeantwortet.

[2] Mit Notariatsakt vom 21. 6. 1994 schenkten die Erblasserin und ihr Ehemann ihrem (Stief‑)Sohn (im Folgenden: Sohn) die jeweils in ihrem Hälfteeigentum stehende – mittlerweile versteigerte – Liegenschaft EZ 5* auf den Todesfall. Nach dem Ableben des Ehemanns wurde der Sohn Hälfteeigentümer der Liegenschaft. Im Zuge einer gegen ihn 2017 von der Erblasserin betriebenen Zwangsversteigerung verlor er das Hälfteeigentum. Aus dem Meistbot dieser Zwangsversteigerung wurden der Erblasserin 27.707,37 EUR zugewiesen; diesen Betrag eignete sich die Beklagte an.

[3] Der neue Hälfteeigentümer erwirkte gegen den Nachlass nach der Erblasserin ein Teilungsurteil. 2020 wurde die exekutive Versteigerung der gemeinschaftlichen Liegenschaft (§ 352 EO) durchgeführt. Das den Hälfteanteil der Verlassenschaft nach der Erblasserin repräsentierende Realisat aus dieser Versteigerung befindet sich nach wie vor auf einem Treuhandkonto der Verlassenschaft der Erblasserin beim (ehemaligen) Gerichtskommissär. Die Beklagte verweigert die Zustimmung zur Auszahlung an die Kläger.

[4] Die (in Deutschland wohnhaften) Kläger machen Ansprüche hinsichtlich des Realisats aus der Versteigerung der gemeinschaftlichen Liegenschaft geltend.

[5] Die Klage richtete sich ursprünglich gegen die Verlassenschaft auf Zahlung von 104.862,50 EUR. Die Kläger brachten dazu vor, dass sie als erbliche Gesamtrechtsnachfolger des Sohnes aus dem Schenkungsvertrag auf den Todesfall grundsätzlich einen Anspruch auf Herausgabe der Liegenschaftshälfte hätten. Wegen der Versteigerung sei die Übertragung an den Sohn bzw an seine Rechtsnachfolger rechtlich unmöglich geworden. Der Sohn und seit seinem Tod nunmehr die Kläger hätten daher neben Schadenersatzansprüchen ua auch Anspruch auf Herausgabe des stellvertretenden commodums, somit auf die der Verlassenschaft zugeteilte Hälfte des Meistbots in Höhe von 104.862,50 EUR.

[6] Nach rechtskräftiger Einantwortung berichtigte das Erstgericht (mit rechtskräftigem Beschluss) die Parteienbezeichnung von der Verlassenschaft auf die Beklagte. Die Kläger modifizierten ihr Klagebegehren dahin, dass sie die Feststellung begehrten, wonach ihnen das bessere Recht am anteiligen Meistbot für den Hälfteanteil in Höhe von 104.862,50 EUR zustehe. Sie beantragen weiters, die Beklagte schuldig zu erkennen, der Ausfolgung des anteiligen Meistbots in Höhe von 104.862,50 EUR an die Kläger zuzustimmen. Hilfsweise stellen sie ein auf 13.107,81 EUR pro Kläger gerichtetes Zahlungsbegehren und ein weiteres Eventualbegehren, wonach die Beklagte schuldig sei, das anteilige Meistbot in Höhe von 52.431,25 EUR (= Hälfte von 104.862,50 EUR) je zu einem Viertel an die Kläger herauszugeben.

[7] Die Haftung für die Ansprüche der Kläger treffe nunmehr die Beklagte als Miterbin. Diese verweigere rechtsmissbräuchlich ihre Zustimmung zur Auszahlung dieses Betrags. Darüber hinaus verlange die Beklagte die Auszahlung des Hälftebetrags von 52.431,25 EUR an sich. Aufgrund der Weigerung und dieses Verlangens sei die Beklagte auch zum Schadenersatz in Höhe von 52.431,25 EUR verpflichtet. Die Kläger hätten gegenüber dem Gerichtskommissär keinen Anspruch auf Auszahlung der Hälfte des bei ihm erliegenden Betrags.

[8] Die Beklagte hielt der Klage entgegen, dass der Nachlass verschuldet sei, die Kläger seien daher nur nachrangige Nachlassgläubiger. Bereits die Verlassenschaft hielt dem ursprünglichen Klagebegehren entgegen, dass die Verlassenschaft überschuldet gewesen sei. Die Beklagte brachte vor, dass die im Aktivvermögen laut Inventar enthaltene Forderung der Verlassenschaft gegenüber der Beklagten in der Höhe von 27.707,37 EUR kein Nachlassvermögen sei. Die Hälfte dieser Summe stehe der Beklagten als Miterbin zu. Der restliche Betrag sei für die Erhaltung, Sanierung, Räumung, Beheizung der Liegenschaft aufgewendet worden.

[9] Die Beklagte hielt der Klagsforderung einen Betrag von 6.553,90 EUR pro Kläger aufrechnungsweise entgegen. Da die Erblasserin zwei pflichtteilsberechtigte Kinder (nämlich die Beklagte und den Sohn) hinterlassen habe, stehe der Beklagten aus dem Titel der Pflichtteilsergänzung aus dem Schenkungsvertrag auf den Todesfall 25 % des Betrags zu, den die Kläger begehren, also pro Kläger 6.553,90 EUR (104.862,50 EUR : 4 : 4). Sie stütze diesen Anspruch auch auf § 1253 ABGB iVm § 603 ABGB. Da ihre Pflichtteilsquote zufällig 1/4 betrage, habe die Beklagte gegenüber dem Sohn als Beschenkten und damit auch gegenüber den Klägern als dessen Gesamtrechtsnachfolgern Anspruch auf 1/4 des reinen Nachlasses ohne Abzug der Forderung des Beschenkten.

[10] Das Erstgericht gab den beiden Hauptbegehren (Feststellung des besseren Rechts, Zustimmung zur Auszahlung des anteiligen Meistbots an die Kläger) statt. Es beurteilte die gegenständliche Schenkung auf den Todesfall nach den Bestimmungen der Rechtslage vor dem ErbRÄG 2015. Die Voraussetzungen für eine wirksame und formgültige Schenkung auf den Todesfall (§ 956 Satz 2 ABGB aF) lägen vor. Die Beklagte sei als Miterbin passiv legitimiert und verpflichtet, der Auszahlung des Versteigerungserlöses als stellvertretendem commodum an die Kläger zuzustimmen. Eine Überschuldung des Nachlasses sei im Todeszeitpunkt der Erblasserin nicht vorgelegen, zumal der Verlassenschaft eine Forderung von 27.707,37 EUR gegenüber der Beklagten zugestanden sei. Die Beklagte habe diesen Betrag nicht zum Vorteil der Verlassenschaft (bzw der Miterben) verwendet. Das Feststellungsbegehren bestehe daher ebenso zu Recht wie das Begehren auf Zustimmung zur Ausfolgung des Erlöses an die Kläger. Trotz Einantwortung bestehe Klärungsbedarf im Hinblick auf die Anspruchsberechtigung des beim Gerichtskommissär erlegten Betrags.

[11] Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten teilweise statt und wies die Hauptbegehren ab. Hingegen stellte es die im Rahmen des ersten Eventualbegehrens geltend gemachte Hauptforderung von 13.107,81 EUR pro Kläger als zu Recht bestehend, die Gegenforderung als nicht zu Recht bestehend fest. Es verurteilte die Beklagte zur Zahlung von 13.107,81 EUR pro Kläger.

[12] Die Feststellungsklage sei wegen ihrer Formulierung und auch deshalb verfehlt, weil die Kläger bereits eine Leistungsklage erheben könnten.

[13] Das Berufungsgericht teilte die Rechtsansicht des Erstgerichts, dass die gegenständliche Schenkung auf den Todesfall nach den Bestimmungen vor dem ErbRÄG 2015 zu beurteilen sei; die §§ 781 ff ABGB idgF seien daher nicht anzuwenden. Den Klägern sei der an die Stelle der geschenkten Liegenschaftshälfte getretene Geldbetrag noch nicht übergeben worden. Die zwischen den Streitteilen entstandene Erbengemeinschaft werde hinsichtlich teilbarer Nachlassforderungen durch die rechtskräftige Einantwortung ex lege aufgehoben. Aufgrund der Einantwortung und ihrer Stellung als Erben stehe den vier Klägern gegen den (ehemaligen) Gerichtskommissär daher eine Forderung auf Auszahlung jeweils eines Achtels des Versteigerungserlöses zu (insgesamt daher die Hälfte des Erlöses). Betreffend die andere Hälfte des Versteigerungserlöses stehe den Klägern schon deshalb kein Leistungsanspruch gegen die Beklagte auf Zustimmung zur Ausfolgung zu, weil ihnen gegen den (ehemaligen) Gerichtskommissär eine Geldforderung von jeweils einem Achtel von 104.862,50 EUR, insgesamt daher 52.431,25 EUR zustünde. Hinsichtlich der anderen Hälfte hafte die Beklagte nach § 821 ABGB für den teilbaren Geldanspruch der Kläger aus der Schenkung auf den Todesfall anteilig für denjenigen Teil, der ihrer Erbquote entspricht, daher gegenüber jedem Kläger im Ausmaß von 13.107,81 EUR, sodass das erste Eventualbegehren zu Recht bestehe. Die Voraussetzungen für eine Legatskürzung nach § 692 ABGB seien nicht schlüssig vorgebracht worden. Das bloß allgemein gehaltene Vorbringen, die Verlassenschaft sei überschuldet, reiche zur Abwehr des Vermächtnisanspruchs nicht aus. Die Gegenforderung bestehe nicht zu Recht, weil die Bestimmung über das reine Viertel (§ 1253 ABGB iVm § 603 ABGB nF) gegenständlich nicht anwendbar sei.

[14] Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision mangels Rechtsprechung zur Auslegung der Übergangsbestimmung des § 1503 Abs 7 Z 5 ABGB zu.

Rechtliche Beurteilung

[15] Beide Revisionen sind aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig. Die Revision der Kläger ist nicht berechtigt, jene der Beklagten ist zum Teil berechtigt.

1. Unstrittiges:

[16] 1.1 Die (vom Berufungsgericht auf Art 4 und 23 EuErbVO gestützte) Anwendung österreichischen Rechts bei der Prüfung der auf die Schenkung auf den Todesfall gestützten Ansprüche ist (auch) in dritter Instanz unstrittig.

[17] 1.2 Auch die Gesamtrechtsnachfolge der Kläger nach dem Sohn und das Vorliegen einer gültigen Schenkung auf den Todesfall ist zwischen den Streitteilen unstrittig.

2. Zur Schenkung auf den Todesfall:

[18] 2.1 Schenkungen auf den Todesfall nehmen eine Mittelstellung zwischen Geschäften unter Lebenden und von Todes wegen ein. Sie bestehen in einem unter Lebenden abgeschlossenen Schenkungsvertrag, der erst nach dem Tod des Geschenkgebers – aus dessen Nachlass – erfüllt werden soll (5 Ob 618/77; 3 Ob 9/08g; Apathy/Neumayr in KBB6 § 603 ABGB Rz 2). Der Beschenkte (oder dessen Erbe) hat einen mit dem Tod des Schenkers befristeten, aber unbedingten (und deshalb noch nicht fälligen) Anspruch auf Übereignung (2 Ob 137/16k). Das Geschenk bleibt daher bis zum Tod Vermögen des Schenkers (8 Ob 527/86; 1 Ob 133/02v; RS0103393 [T2]; RS0019129). Die Schenkung auf den Todesfall ist daher eine unbedingte, mit dem Tod des Erblassers als Anfangstermin befristete Schenkung, die erst nach dessen Tod erfüllt werden soll (Apathy/Neumayr in KBB6 § 603 ABGB Rz 2).

[19] 2.2 Nach der zur Rechtslage vor dem ErbRÄG 2015 ergangenen Rechtsprechung wurde die Schenkung auf den Todesfall nach dem Tod des Erblassers als Vermächtnis (Legat) behandelt (4 Ob 2029/96b = SZ 69/108 ua; RS0012517; vgl die Einordnung aus grundverkehrsrechtlicher Sicht als Rechtsgeschäft unter Lebenden: RS0019129 [T1, T4]). Bereits vor dem ErbRÄG 2015 wurde die Schenkung auf den Todesfall aber (auch) als Vertrag qualifiziert (Welser, Erbrechts-Kommentar § 603 Rz 2) und etwa in Ansehung der Anfechtung ihrer Wirksamkeit mit sonstigen Geschäften unter Lebenden gleichbehandelt (3 Ob 9/08g). Das Vorliegen eines Vertrags war nach der alten Rechtslage davon abhängig, dass der Beschenkte sie angenommen, der Schenkende sich der Befugnis, sie zu widerrufen, ausdrücklich begeben hat, und eine schriftliche Urkunde darüber (nach § 1 Abs 1 lit d NotAktG ein Notariatsakt) errichtet worden ist (8 Ob 107/05a).

[20] 2.3 Mit dem ErbRÄG 2015 hat der Gesetzgeber durch § 603 ABGB ausdrücklich normiert, dass die Schenkung auf den Todesfall auch nach dem Tod des Geschenkgebers als Vertrag anzusehen ist; der Beschenkte gilt als Gläubiger der Verlassenschaft und nicht mehr als Vermächtnisnehmer (ErläutRV 688 BlgNR 25. GP  12). Vorausgesetzt wird, dass sich der Geschenkgeber kein Widerrufsrecht vertraglich vorbehalten hat und der Vertrag als Notariatsakt aufgenommen wurde.

[21] 2.4 Diese „Vertragslösung“ hat zur Folge, dass die noch nicht übereignete Sache zwar als Aktivum der Verlassenschaft, die Verpflichtung aber gleichzeitig als Passivum zu inventarisieren ist (Barth/Pesendorfer, Erbrechtsreform 2015 § 603 ABGB Anm 2). Der reine Nachlass wird im Ergebnis daher ohne die geschenkte Sache ermittelt, sie zählt nicht mit (Welser, Erbrechts-Kommentar § 603 Rz 13; Nemeth in Schwimann/Kodek 5 § 603 ABGB Rz 2). Das bedeutet auch, dass der Wert der Schenkung nicht Teil der Pflichtteilsbemessungsgrundlage ist (Apathy/Aigner/Wolkerstorfer, ZR VII ErbR7 Rz 12/5). Die Schenkung kann aber, wie andere lebzeitige Schenkungen, zur reinen Verlassenschaft hinzugerechnet und auf den Pflichtteil der beschenkten Person angerechnet werden (Apathy/Aigner/Wolkerstorfer, ZR VII ErbR7 Rz 12/5). Weiters hat der Gesetzgeber in § 603 Satz 2 ABGB ausdrücklich normiert, dass die Bestimmungen des 18. Hauptstücks von Schenkungen und § 1253 ABGB auf Schenkungsverträge auf den Todesfall anzuwenden sind. Demnach ist seither auch die Regelung über das freie Viertel auf die Schenkung auf den Todesfall anwendbar (Löcker in Kletečka/Schauer 1.04 § 603 ABGB Rz 14; Welser, Erbrechts-Kommentar § 603 ABGB, Rz 14).

3. Zu den Übergangsbestimmungen:

[22] 3.1.1 Die für das ErbRÄG 2015 maßgebliche Übergangsregelung sieht nach § 1503 Abs 7 Z 1 ABGB ein Inkrafttreten mit 1. 1. 2017 vor. Nach § 1503 Abs 7 Z 2 ABGB sind die nach Z 1 mit 1. 1. 2017 in Kraft tretenden Bestimmungen anzuwenden, wenn der Erblasser nach dem 31. 12. 2016 verstorben ist, soweit nichts anderes bestimmt wird. Für den Beginn des zeitlichen Geltungsbereichs bestehen einige Ausnahmen, die gegenüber der Grundregel den Charakter einer lex specialis aufweisen (Schauer in Kletečka/Schauer 1.02 § 1503 ABGB Rz 15).

[23] 3.1.2 Die §§ 577 bis 591 und 603 idF ErbRÄG 2015 sind nach § 1503 Abs 7 Z 5 ABGB auf Schenkungen auf den Todesfall anzuwenden, die nach dem 31. 12. 2016 errichtet wurden (im Folgenden: Neuverträge). Für die Gültigkeit der Errichtung letztwilliger Verfügungen sowie einer Schenkung auf den Todesfall ist nach den Gesetzesmaterialien der Zeitpunkt der rechtsgeschäftlichen Handlung nach Z 5 leg cit maßgeblich. Die Gesetzesmaterialien weisen darauf hin, dass es aus Gründen des Vertrauensschutzes für die Gültigkeit auf den Zeitpunkt der Errichtung ankommen muss (ErläutRV 688 BlgNR 25. GP  41).

[24] 3.2 Im Schrifttum ist es strittig, inwieweit die Bestimmungen des ErbRÄG 2015 auch für vor 2017 errichtete Schenkungen auf den Todesfall (im Folgenden: Altverträge) anzuwenden sind.

[25] 3.2.1 Fischer-Czermak (Verträge auf den Todesfall – Neuerungen durch das ErbRÄG 2015, EF‑Z 2016, 228 [231 f]; dies in Gruber/Kalss/Müller/Schauer, Erbrecht und Vermögensnachfolge2 716 ff) konstatiert einen Widerspruch in den Übergangsbestimmungen des § 1503 Abs 7 Z 2 und § 1503 Abs 7 Z 5 ABGB. Die beiden Übergangsbestimmungen würden deshalb nicht zusammenpassen, weil nach Z 5 leg cit einerseits die Rechtslage für Altverträge unverändert bleiben soll, sie aber andererseits nach Z 2 leg cit den neuen Anrechnungsregeln unterliegen. Der Gesetzgeber habe übersehen, den zeitlichen Anwendungsbereich des § 603 ABGB mit jenem des § 781 ABGB abzustimmen. Diese aufgezeigte Antinomie könne man nur lösen, indem man § 1503 Abs 7 Z 5 ABGB lediglich auf die Gültigkeitsvoraussetzungen des § 603 ABGB nF beziehe, für die rechtliche Beurteilung von Altverträgen aber auf den Todeszeitpunkt des Geschenkgebers abstellt. Die teleologische Reduktion der Übergangsbestimmung führe zwar zur Rückwirkung des ErbRÄG 2015, die aber für die Hinzu- und Anrechnung ganz allgemein bestehe. Es sei nicht erkennbar, dass der Gesetzgeber davon Schenkungen auf den Todesfall ausnehmen wollte. § 1503 Abs 7 Z 5 ABGB reduziere sich somit darauf, dass die Formerleichterungen nur für Neuverträge gelten und das „freie Viertel“ (§ 1253 ABGB), das ohnedies mit der Vertragstheorie unvereinbar sei, wenigstens für Altverträge keine Rolle spiele.

[26] 3.2.2 Diesen Standpunkt vertreten ua auch Welser (Erbrechts-Kommentar § 603 ABGB Rz 21), Tschugguel (in Klang3 §§ 552–646 ABGB Rz 22 ff), Oberhumer (in Ferrari/Likar-Peer, Erbrecht2 Rz 9.36), Zankl (Notarielle Beratungsfragen des ErbRÄG 2015, in FS Bittner [2018] 841 [842], differenzierend ders,Hinzu- und Anrechnung von Altschenkungen nach dem ErbRÄG 2015, NZ 2022/75) und wohl auch Blümel (ErbRÄG 2015 – Die Schenkung auf den Todesfall, Zak 2016, 264 [266]), die vom Inkrafttreten der neuen Regelungen nur die Gültigkeitserfordernisse ausnimmt.

[27] 3.2.3 Hingegen geht Schauer (Das neue Erbrecht – Grundlegende Wertungen und ausgewählte Einzelfragen, ÖJZ 2017, 53 [61]; ders inKletečka/Schauer 1.02 § 1503 ABGB Rz 16) davon aus, dass es für Altverträge bei der von der herrschenden Rechtsprechung bisher für richtig gehaltenen Vermächtnistheorie zu bleiben habe. Die Vertragstheorie sei auf die Neuverträge zu beschränken. Wohl bestehe eine Antinomie hinsichtlich der Übergangsbestimmungen. Eine teleologische Reduktion sei jedoch vielmehr für § 781 ABGB dahin vorzunehmen, dass dieser nur für Neuverträge gelte. Nach § 5 ABGB verbiete sich eine Rückwirkung von Gesetzen, um das Vertrauen der Normadressaten, die ihre Rechtshandlungen mit Blick auf die im jeweiligen Zeitpunkt maßgebliche Rechtslage vornehmen, nicht zu enttäuschen. Hiervon solle nur abgewichen werden, wenn es andere Wertungsgesichtspunkte von überragender Bedeutung gebe, die diese Vorgangsweise rechtfertigen. Solche seien in Bezug auf die Schenkung auf den Todesfall nicht zu erkennen.

[28] 3.2.4 Auch Keinert (Schenkung auf den Todesfall im ErbRÄG 2015, JEV 2016, 18 [21 f]; dies, Schenkung auf den Todesfall [2015] 287 f) und Bruckbauer (Die Übergangsregelungen für die Anwendung des reinen Viertels auf die Schenkung auf den Todesfall nach dem ErbRÄG 2015 – Eine Analyse des § 1503 Abs 7 ABGB, iFamZ 2017, 397 [398 ff]) vertreten die Auffassung, dass § 603 ABGB nF nur auf Neuverträge anzuwenden sei.

[29] 3.3.1 Der Senat schließt sich den überzeugenden Ausführungen von Fischer-Czermak an. Dass die Übergangsbestimmungen in Widerspruch zueinander stehen, weil (bei einem Tod des Erblassers nach dem 31. 12. 2016) für Altverträge noch die alte Rechtslage gelten soll, die Altverträge aber andererseits den neuen Anrechnungsregeln unterliegen, wird auch von den Vertretern der Gegenansicht eingeräumt.

[30] 3.3.2 Die von Schauer hier favorisierte teleologische Reduktion des § 781 Abs 1 ABGB nF, wonach sich die Regel für die dort erwähnten Schenkungen auf den Todesfall nur auf Neuverträge beziehen soll, ist aus folgenden Erwägungen abzulehnen:

[31] 3.3.2.1 Bei der teleologischen Reduktion wird ein vom Gesetzgeber zu weit gefasstes Gesetz eingeschränkt (RS0008979); eine Rechtsnorm wird dabei auf einen bestimmten Fall nicht angewendet, auf den sie nach ihrem Wortlaut innerhalb ihres Begriffskerns anzuwenden wäre (G. Kodek in Rummel/Lukas 4 § 7 ABGB Rz 60). Vorausgesetzt ist stets der Nachweis, dass eine umschreibbare Fallgruppe von den Grundwertungen oder Zwecken des Gesetzes entgegen seinem Wortlaut gar nicht getroffen wird und dass sie sich von den „eigentlich gemeinten“ Fallgruppen soweit unterscheidet, dass die Gleichbehandlung sachlich ungerechtfertigt und willkürlich wäre (RS0008979; RS0106113; F. Bydlinski, Methodenlehre2 480).

[32] 3.3.2.2 Das Gesetz normiert in § 781 ABGB nF sowohl für Schenkungen unter Lebenden als auch für Schenkungen auf den Todesfall die Möglichkeit der Hinzu- und Anrechnung. Es ist unstrittig, dass § 781 ABGB nF wegen § 1503 Abs 7 Z 2 ABGB für Schenkungen zu Lebzeiten auch dann anzuwenden ist, wenn die Schenkung vor dem 1. 1. 2017 erfolgt ist (zuletzt zB 2 Ob 49/22b [Schenkung 1993]; 2 Ob 124/22f [vermeintliche Schenkung 2004]; 2 Ob 205/22v [allfällige gemischte Schenkung 2011]; 2 Ob 224/22p [vermeintliche Schenkungen bis 2015] uva). Geht man im Sinne des Berufungsgerichts und der Ansicht von Schauer davon aus, dass dies bei Schenkungen auf den Todesfall für Altverträge nicht gelten soll, würde dieses im Wege der teleologischen Reduktion erfolgte Ergebnis gerade nicht zu einer sachlich gerechtfertigten Lösung führen. Eine solche teleologische Reduktion hätte vielmehr einen unsachlichen Regelungsinhalt zur Folge: Bei einem nach 2016 verstorbenen Erblasser würde die (zwingend) danach erfüllte Schenkung auf den Todesfall aus einem Altvertrag nicht unter § 781 ABGB nF fallen, obwohl diese Bestimmungen für Schenkungen unter Lebenden des selben Erblassers auch dann gilt, wenn diese vor Jahren oder gar Jahrzehnten gemacht wurden.

[33] 3.3.3 Reduziert man hingegen § 1503 Abs 7 Z 5 ABGB im Sinne der Ansicht von Fischer‑Czermak et al dahin, dass nur die Formerleichterungen in § 603 ABGB für Neuverträge gelten (§ 1253 ABGB hat vorliegend keine Relevanz, siehe unten) entspricht das auch den Materialien, nach denen der Zeitpunkt der rechtsgeschäftlichen Handlung nach Z 5 mit Hinblick auf den Vertrauensgrundsatz für die Gültigkeit einer Schenkung auf den Todesfall maßgebend ist (ErläutRV 688 BlgNR 25. GP  41); neben der Gültigkeit (dem wirksamen Zustandekommen) wurden andere Folgen der Schenkung auf den Todesfall dabei nicht bedacht. Somit ist die Gültigkeit einer Schenkung auf den Todesfall nach den beim Abschluss des Vertrags geltenden Formvorschriften zu beurteilen: Bei Altverträgen nach § 956 ABGB aF, bei Neuverträgen nach § 603 ABGB nF. Für die übrigen, materiell‑rechtlichen Folgen der Schenkung gilt das neue Recht, wenn der Erblasser nach dem 31. 12. 2016 gestorben ist; zB für das Wesen der Schenkung auf den Todesfall, die „Vertragstheorie“ (§ 603 ABGB nF), für das Pflichtteilsrecht (§ 756 ABGB nF) und für das Anrechnungsrecht (§§ 780 ff ABGB nF).

[34] 3.3.4 Dem Hinweis von Schauer auf § 5 ABGB hat Fischer-Czermak (in Gruber/Kalss/Müller/Schauer 2 725) zutreffend entgegengehalten, dass der Gesetzgeber mit Blick auf den Meinungsstreit zur Rechtsnatur der Schenkung auf den Todesfall mit der Normierung der Vertragslösung (auch nach dem Tod des Geschenkgebers) in § 603 ABGB nF eine authentische Interpretation im Sinne des § 8 ABGB vorgenommen hat, die als lex specialis dem § 5 ABGB vorgeht (Schauer in Kletečka/Schauer 1.02 § 8 ABGB Rz 5: „besitzt idR eine rückwirkende Kraft“). Der Gesetzgeber des ErbRÄG 2015 nimmt in § 1503 Abs 7 Z 2 ABGB weitgehend eine Rückwirkung auf früher errichtete Verträge und letztwillige Verfügungen in Kauf; dies betrifft einerseits zahlreiche Zweifels- und Auslegungsregeln sowie das gesamte Pflichtteilsrecht, welches auf diese früheren Verträge zurück wirkt. Auch das dokumentiert, dass dasselbe auch für die Schenkung auf den Todesfall gelten sollte und dass diese in dieser Hinsicht im Vergleich zu sonstigen Verträgen im Pflichtteilsrecht keine übergangsrechtliche Sonderstellung einnehmen sollte (Tschugguel in Klang3 § 603 ABGB Rz 23).

[35] 3.4 Als Zwischenergebnis ist festzuhalten, dass wegen des Todes der Erblasserin im Jahr 2018 für die materiell‑rechtlichen Auswirkungen des hier vorliegenden Altvertrags die Rechtslage nach dem ErbRÄG 2015 anzuwenden ist.

[36] 4. Aufgrund der wirksamen Schenkung auf den Todesfall hat der Geschenknehmer nach der Einantwortung gegenüber den Erben Anspruch auf Herausgabe des Geschenks. Im Anlassfall wurde die geschenkte Liegenschaft(shälfte) aber bereits versteigert. Dass in einem solchen Fall der Anspruch auf den Versteigerungserlös als stellvertretendes commodum an die Stelle der Übergabe der Sache tritt (RS0019977 [T2]; vgl auch RS0013133), wurde auch im gegenständlichen Verfahren nicht angezweifelt.

5. Zu den beiden Hauptbegehren auf Feststellung und Zustimmung:

[37] 5.1.1 Den vier Klägern wurde der Nachlass nach der Verstorbenen zu jeweils einem Achtel rechtskräftig eingeantwortet. Hinsichtlich einer Hälfte des Versteigerungserlöses vereinigten sich damit Gläubiger- (Gesamtrechtsnachfolger des Geschenknehmers) und Schuldnerstellung (Miterben), sodass die Forderung aus dem Schenkungsvertrag insoweit (also zur Hälfte) erlosch (§ 1445 ABGB), weil niemand gegen sich selbst Forderungen haben kann (P. Bydlinski in KBB6 § 1445 ABGB Rz 1 mwN).

[38] 5.1.2 Das ist auch in der dritten Instanz unstrittig, zumal von den Klägern keine Verurteilung der Beklagten zur Zahlung des gesamten Versteigerungserlöses an die Kläger angestrebt wird. Die Kläger gehen aber davon aus, dass die beklagte Miterbin bei der Auszahlung des gesamten Versteigerungserlöses mitwirken muss (bzw diese Auszahlung blockieren kann) und stützen darauf ihr Feststellungs- und Zustimmungsbegehren. Mit ihrer Revision streben sie die Wiederherstellung des Ersturteils an, mit dem den beiden Hauptbegehren auf Feststellung und Zustimmung stattgegeben wurde.

[39] 5.1.3 Das Berufungsgericht hat bei der Beurteilung der klägerischen Ansprüche beim Versteigerungserlös differenziert. Es bejahte hinsichtlich einer Hälfte des Erlöses einen (anteiligen) Zahlungsanspruch der Kläger aus dem Schenkungsvertrag gegenüber der beklagten Miterbin im Sinne des ersten Eventualbegehrens. Hingegen ging es davon aus, dass die Kläger vom ehemaligen Gerichtskommissär die Auszahlung der anderen Hälfte (anteilig) auch ohne Mitwirkung der Beklagten fordern könnten. Es wies daher die beiden Hauptbegehren, denen eine (vermeintlich) notwendige Mitwirkung (bzw ein Verweigerungsrecht) der Beklagten auf diese andere Hälfte zugrundeliegt, ab.

[40] 5.2 Dem Standpunkt des Berufungsgerichts ist hier beizutreten.

[41] 5.2.1 Mit dem Tod eines Erblassers, der mehrere Erben hinterlässt, entsteht zwischen diesen zunächst bis zur Einantwortung eine sich auf das Erbrecht beziehende schlichte Rechtsgemeinschaft gemäß den §§ 825 ff ABGB (zuletzt 2 Ob 100/22b). Nach der Einantwortung werden die Erben, solange keine Erbteilung stattfindet, Miteigentümer der körperlichen Nachlasssachen nach dem Verhältnis ihrer Erbteile (RS0012313 [T1]). Die Rechtsgemeinschaft der Erben wird durch Erbteilung aufgehoben, die von jedem Miterben vor oder nach der Einantwortung verlangt werden kann. Sie erfolgt durch Erbteilungsübereinkommen, das der Einstimmigkeit bedarf. Kommt keine Einigung zustande, ist die Aufhebung mit Erbteilungsklage (Leistungsklage) durchzusetzen (RS0012311).

[42] 5.2.2 Anders verhält es sich mit Nachlassforderungen. Die Aufhebung der Gemeinschaft tritt bei teilbaren Nachlassforderungen ex lege ein. Mit Einantwortung zerfällt eine teilbare Nachlassforderung in selbständige obligatorische Teilforderungen im Sinne des §§ 888 f ABGB, die keinen Gegenstand der Erbteilung bilden und von jedem Miterben unmittelbar nach Abschluss der Nachlassabhandlung und Rechtskraft der Einantwortungsurkunde, worin die den einzelnen Miterben zustehenden Anteile ihnen aufgrund ihrer Erbteile zuzuweisen sind, geltend gemacht werden können (GlU 15.825; GlUNF 4798; 3 Ob 322/35 SZ 17/97; 6 Ob 599/94; 10 Ob 149/00k; 6 Ob 58/02a; 6 Ob 70/12d; 6 Ob 79/12d; RS0012311; RS0046482; Spitzer,Universalsukzession, Erbengemeinschaft und GmbH-Geschäftsanteile, ÖJZ 2021/68 [505] mwN; Welser,Erbrechts-Kommentar § 550 ABGB Rz 2 mwN). An dieser Rechtslage hat sich auch durch das Inkrafttreten des AußStrG BGBl I 2003/111 nichts geändert (Werkusch‑Christ in Kletečka/Schauer 1.10 § 550 ABGB Rz 2).

[43] 5.2.3 Das Berufungsgericht hat hier die aufgezeigte Rechtslage damit zutreffend angewandt. Es ist zu Recht davon ausgegangen, dass die vormalige Forderung der Verlassenschaft auf den Versteigerungserlös von 104.862,50 EUR durch die Einantwortung ipso iure in Einzelforderungen der (Mit‑)Erben zerfällt, sodass die Kläger gegenüber dem (ehemaligen) Gerichtskommissär Anspruch auf Auszahlung von jeweils einem Achtel, insgesamt also der Hälfte des Versteigerungserlöses haben.

[44] Diese Berechtigung der Kläger, den anteiligen Betrag vom (ehemaligen) Gerichtskommissär zu fordern, entspricht dem Anspruch gegenüber einer Bank auf Auszahlung des dort erliegenden Nachlassvermögens (dazu 2 Ob 103/15h). So wie der rechtskräftige Einantwortungsbeschluss die Erben wegen § 179 AußStrG zur Behebung von Bankguthaben legitimiert (Verweijen in Schneider/Verweijen § 172 AußStrG Rz 11), haben die Kläger als Miterben Anspruch gegenüber dem (ehemaligen) Gerichtskommissär auf Auszahlung der ihnen gebührenden Forderungsteile.

[45] 5.2.4 Die Kläger stützen die erforderliche Mitwirkung der Beklagten auf die angebliche Unteilbarkeit der Geldforderung, die aber – wie oben ausgeführt – vom Berufungsgericht im Sinne der gesicherten Judikatur zutreffend verneint wurde. Geldforderungen sind – wie im gegenständlichen Fall – ihrer Natur nach teilbar (RS0013214; RS0017118; RS0017289). Eine solche Teilbarkeit bedarf keines Beweises.

[46] Die hier vorliegende Teilbarkeit der Forderungen blendet die Revision der Kläger auch insoweit aus, wenn sie auf die Rechtsansicht von Sprohar‑Heimlich zum Miteigentumsrecht Bezug nimmt, wonach rechtliche Verfügungen über die gemeinschaftliche Sache nur bei Einverständnis aller Teilhaber wirksam seien (Sprohar‑Heimlich in Schwimann/Kodek 5 § 828 ABGB Rz 4). Wie schon ausgeführt, geht es gegenständlich aber um teilbare Ansprüche, bei denen jeder Teilhaber (Miterbe) – auch nach der zutreffenden Ansicht der genannten Autorin (aaO Rz 24) – auf die Geltendmachung seines Anteils beschränkt ist.

[47] Daran anknüpfend haben auch die Ausführungen der klägerischen Revision zur behaupteten Aussonderungspflicht fremden Vermögens (unter Heranziehung der IO) keine Relevanz, weil dem die unzutreffende Rechtsansicht zugrunde liegt, dass die Streitteile auch nach der Einantwortung nur gemeinsam berechtigt sind, über den Versteigerungserlös zu disponieren.

[48] 5.2.5 Das Berufungsgericht ist auch zutreffend davon ausgegangen, dass es nach der Beendigung des Verlassenschaftsverfahrens keine Rechtsgrundlage gibt, auf die der (ehemalige) Gerichtskommissär eine Weigerung der Auszahlung des halben Erlöses an die Kläger stützen könnte. Weder liegt vorliegend eine gerichtliche Hinterlegung nach § 1425 ABGB noch eine Nachlassabsonderung nach § 812 ABGB vor. Auch die allfällige Einordnung als Sicherungsmaßnahme nach § 147 AußStrG berechtigt den Notar nicht zur Zurückhaltung des Betrags, weil Sicherungsmaßnahmen spätestens mit der Einantwortung enden (Verweijen in Schneider/Verweijen § 172 AußStrG Rz 6).

[49] 5.2.6 Dem zu bejahenden (von der Mitwirkung der Beklagten unabhängigen) Auszahlungsanspruch der Kläger auf die Hälfte des Erlöses gegenüber dem Notar kann auch nicht entgegengehalten werden, dass ein Geschenknehmer auf den Todesfall keineswegs zur eigenmächtigen Besitzergreifung berechtigt sei. Richtig ist, dass die geschenkten, dem Beschenkten noch nicht übergebenen Sachen (bzw das stellvertretende commodum) Teil des Nachlassvermögens sind; sie gehen mit dem Tod des Erblassers nicht ohne Übergabe in das Eigentum des Beschenkten über (RS0103394). Die Gefahr einer „eigenmächtigen“ Besitzergreifung durch die Kläger besteht aber im Anlassfall schon deshalb nicht, weil diese als Miterben die Möglichkeit haben, auf die Hälfte des stellvertretenden commodums zu greifen. Wegen dieses direkten Anspruchs der Kläger auf Auszahlung der ihnen zustehenden Anteile von insgesamt 52.431,25 EUR bedarf es insoweit jedenfalls keiner Mitwirkung (Zustimmung bzw Anweisung) der Beklagten, sodass das 2. Hauptbegehren auf Zustimmung zu Recht abgewiesen wurde. Dem (in der Revision der Kläger hervorgehobenen) Umstand, die Beklagte verweigere ihre Zustimmung zur Auszahlung an die Kläger, kommt insoweit keine Relevanz zu. Vielmehr geht dieser Vorwurf mangels erforderlicher Mitwirkung der Beklagten ins Leere. Damit kommt es auch nicht darauf an, ob die Beklagte ihre (nicht erforderliche) Zustimmung gegenüber den Klägern anerkannt hat (siehe unten 5.2.8).

[50] 5.2.7 Daran anknüpfend muss auch das 1. Hauptbegehren auf Feststellung scheitern. Feststellungsklagen zielen darauf ab, ein Rechtsverhältnis zwischen den Streitteilen zu klären.

[51] Hinsichtlich der (ihnen als Miterben direkt zugewiesenen, vgl 5.2.3) Hälfte des Versteigerungserlöses können die Kläger aus der von ihnen begehrten Feststellung, sie hätten gegenüber der Beklagten „das bessere Recht“, keinen Vorteil ableiten, weil ihnen – wie oben aufgezeigt – unabhängig von ihrer rechtlichen Beziehung zur Beklagten ein Anspruch gegenüber dem (ehemaligen) Gerichtskommissär auf (anteilige) Auszahlung dieser Hälfte zusteht. Es fehlt hier am nach § 228 ZPO geforderten rechtlichen Interesse.

[52] Hinsichtlich der zweiten Hälfte des Erlöses besteht wiederum ein (anteiliger) Leistungsanspruch der Kläger als Erben des Geschenknehmers (Sohn) gegenüber der Beklagten als Miterbin (Welser,Erbrechts-Kommentar § 603 ABGB Rz 11 mwN). Diese Möglichkeit der Leistungsklage gegen die Beklagte verdrängt bei gleichem Rechtsschutzeffekt die Feststellungsklage im Sinne des 1. Hauptbegehrens auch hinsichtlich der anderen Hälfte (RS0038849). Damit scheitert das Feststellungsbegehren auch in diesem Umfang am erforderlichen rechtlichen Interesse (RS0038817).

[53] 5.2.8 Zutreffend hat das Berufungsgericht bezüglich des von den Klägern behaupteten Anerkenntnisses das Vorliegen eines sekundären Verfahrensmangels verneint. Hinsichtlich des (ohnedies) zu bejahenden Anspruchs der Kläger gegenüber der Beklagten auf Zahlung des halben Versteigerungserlöses ist es irrelevant, ob sich die Kläger auch auf ein Anerkenntnis stützen können. Auch hinsichtlich der anderen Hälfte des Erlöses zeigt die Revision die Relevanz eines allfälligen Anerkenntnisses der Beklagten nicht auf. Zum einen machen die Kläger gegenüber der Beklagten hinsichtlich der zweiten Hälfte des Erlöses keinen Zahlungsanspruch geltend. Zum anderen würde auch das behauptete Anerkenntnis der Beklagten nicht zur Stattgebung beider Hauptbegehren führen, weil sich die Kläger – wie aufgezeigt – direkt an den (ehemaligen) Gerichtskommissär wenden können, ohne dass dazu die Mitwirkung der Beklagten erforderlich wäre.

[54] 5.3 Als weiteres Zwischenergebnis ist daher festzuhalten, dass die Kläger legitimiert sind, die Hälfte des Versteigerungserlöses direkt gegenüber dem (ehemaligen) Gerichtskommissär geltend zu machen, sodass die Hauptbegehren zu verneinen sind, weil diesbezüglich keine Ansprüche gegenüber der Beklagten bestehen. Die Ansprüche der Kläger gegenüber der beklagten Hälfteerbin beschränken sich vielmehr auf einen anteiligen Zahlungsanspruch hinsichtlich einer Hälfte des Versteigerungserlöses (dazu siehe unten Punkte 6 und 7).

6. Zu den Einwendungen der Beklagten gegen den Zahlungsanspruch:

[55] 6.1 Die Beklagte hält auch in dritter Instanz den Ansprüchen der Kläger aus dem Schenkungsvertrag die Überschuldung des Nachlasses entgegen. Sie vertritt weiterhin den Standpunkt, dass die Kläger deshalb nur nachrangige Nachlassgläubiger seien, weshalb ihre Ansprüche scheitern müssten. Zudem seien die Rechte aus dem Schenkungsvertrag verwirkt.

6.2 Behauptete Überschuldung:

[56] 6.2.1 Grundsätzlich kann zwar eine Überschuldung der Verlassenschaft dem Geschenknehmer einer Schenkung auf den Todesfall entgegengehalten werden. In der Verlassenschaftsinsolvenz ist dessen Forderung keine Insolvenzforderung (§ 58 IO). Auch die Überlassung an Zahlung statt sowie die anteilige Befriedigung durch den Erben selbst folgt den insolvenzrechtlichen Grundsätzen, sodass auch hier der Beschenkte im Verhältnis zu sonstigen Gläubigern nachrangig zum Zug kommt (Umlauft, Hinzu- und Anrechnung2 74 mwN).

[57] 6.2.2 Die Rechtsrüge zur behaupteten Überschuldung des Nachlasses ist aber nicht gesetzmäßig ausgeführt, weil sie sich von den Feststellungen entfernt (RS0043312; RS0043603), aus denen abzuleiten ist, dass die Verlassenschaft nicht überschuldet war.

[58] 6.2.3 Davon abgesehen hat das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt, dass die pauschale Berufung auf die Überschuldung nicht ausreicht, um die Ansprüche der Kläger abzuwehren. Es ist nicht Sache des Gläubigers, im Verfahren zu behaupten und nachzuweisen, dass der Nachlass zur Befriedung seiner Forderung ausreicht. Vielmehr muss der Schuldner die Unzulänglichkeit des Nachlasses einwenden und beweisen (RS0013013). Der Verweis auf die bedingte Erbserklärung und die Überschuldung des Nachlasses genügen daher nicht (RS0013017).

[59] 6.2.4 Die Beklagte beschränkte ihre Ausführungen in diesem Zusammenhang darauf, dass dem Nachlass hinsichtlich des von ihr entgegengenommenen Betrags von 27.707,37 EUR keine Forderung zustünde. Diesbezüglich steht zwar fest, dass die Beklagte diesen Betrag im Jahr 2019 (ohne Zustimmung des Verlassenschaftskurators) auch für die Liegenschaftshälfte der Verstorbenen verwendete. Dies hat sich jedoch nicht wertsteigernd bzw zum Vorteil der Verlassenschaft ausgewirkt, sodass Ansprüche auf Geschäftsführung ohne Auftrag bzw Bereicherung scheitern müssen. Die von den Vorinstanzen getroffene Schlussfolgerung, dass hinsichtlich dieses Betrags eine Forderung der Verlassenschaft gegenüber der Beklagten bestanden habe, sodass auch wegen dieses Aktivpostens die behauptete Überschuldung scheitern muss, ist daher nicht zu beanstanden.

6.3 Behauptete Verwirkung:

[60] 6.3.1 Die Beklagte vertritt den Standpunkt, dass der 14 Monate nach der Erblasserin verstorbene Sohn als Begünstigter des Schenkungsvertrags „jeglichen Anspruch“ verwirkt hätte, weil sein Eigentumsrecht an der Liegenschaft(shälfte) nicht eingetragen worden sei.

[61] 6.3.2 Der Beklagten ist entgegenzuhalten, dass dem österreichischen Recht eine allgemeine Verwirkung ohne Vorliegen eines ausdrücklichen Verwirkungstatbestands fremd ist (RS0014221). Die bloße Nichtausübung durch längere Zeit führt grundsätzlich nicht zu einem Rechtsverlust (RS0014221 [T8]), sodass der bloße Umstand der unterbliebenen Verbücherung keinen Einfluss auf die Berechtigung der Kläger aus der Schenkung auf den Todesfall hat.

[62] 6.4 Die referierten Einwände der Beklagten sind somit unberechtigt. Als weiteres Zwischenergebnis ist daher festzuhalten, dass die Kläger als Rechtsnachfolger nach dem Sohn grundsätzlich berechtigt sind, Zahlungsansprüche aus dem Schenkungsvertrag hinsichtlich einer Hälfte des Versteigerunsgerlöses gegenüber der beklagten Miterbin geltend zu machen.

7. Zur Gegenforderung:

[63] 7.1 Die Beklagte vertritt die Ansicht, dass ihr aus dem Titel der „Pflichtteilsergänzung aus dem Schenkungsvertrag“ 25 % des von den Klägern begehrten Betrags zustehe, weil die Erblasserin zwei pflichtteilsberechtigte Kinder hinterlassen habe. Sie wendet gegenüber jedem Kläger den Betrag von 6.553,90 EUR (104.862,50 EUR : 4 : 4) aufrechnungsweise ein. Damit begehrt sie wegen der Schenkung auf den Todesfall die Hinzu- und Anrechnung der Schenkung auf den Pflichtteil (§§ 781 ff ABGB). Eine Anrechnung auf den Erbteil (§§ 752 ff ABGB) wurde von der Beklagten nicht geltend gemacht und ist daher auch nicht Gegenstand des drittinstanzlichen Verfahrens.

[64] 7.2 Nach § 781 ABGB sind ua auch Schenkungen auf den Todesfall der Verlassenschaft hinzuzurechnen und auf einen allfälligen Geldpflichtteil des Geschenknehmers anzurechnen. Diese Hinzu- und Anrechnung setzt nach dem Wortlaut voraus, dass der Beschenkte das Geschenk bereits „erhalten hat“. Im Anlassfall begehren die Kläger als Rechtsnachfolger des Geschenknehmers die Herausgabe des stellvertretenden commodums. Diesem Anspruch kann die beklagte Miterbin die Hinzu- und Anrechnung der Schenkung auf den Todesfall bereits vor Zahlung des commodums aufrechnungsweise entgegenhalten. Entscheidend ist das Vermögensopfer, das bei der Schenkung auf den Todesfall (spätestens) im Todesfall eintritt (Umlauft, Hinzu- und Anrechnung2 70 f; Musger in KBB6 §§ 782 f ABGB Rz 6 mwN). Das entspricht im Ergebnis der insoweit vergleichbaren Rechtslage bei der Vermächtniskürzung nach § 764 ABGB, die den pflichtteilsberechtigten Erben berechtigt, den Legataren weniger auszufolgen (Bittner/Hawel in Kletečka/Schauer 1.05 § 764 ABGB Rz 4; Musger in KBB6 §§ 764 ABGB Rz 6 mwN; RS0012643; vgl auch zur Rechtslage vor dem ErbRÄG: 9 Ob 98/01d [§ 783 ABGB aF und Schenkung auf den Todesfall]). Zudem wäre das Beharren auf einer Leistung, soweit die Kläger das Erhaltene ihrerseits sofort wieder zurückzahlen müssten, nach § 1295 Abs 2 ABGB schikanös (6 Ob 35/19v [„dolo agit, qui petit, quod statim redditurus est“]).

[65] 7.3.1 Die Hinzu- und Anrechnung ist ein zweiaktiger Vorgang (§ 787 ABGB). Die anrechnungspflichtige Schenkung ist der reinen Verlassenschaft hinzuzurechnen. Die Summe der reinen Verlassenschaft und der hinzugerechneten Schenkungen ergibt die neue Bemessungsgrundlage für den Pflichtteil.

[66] 7.3.2 Im Anlassfall ist von einem reinen Nachlass in der Höhe von 12.725,44 EUR auszugehen. Das knüpft an das Inventar im Verlassenschaftsverfahren an. Das Inventar hat zwar (auch für die Berechnung des Pflichtteils) keine bindende Wirkung (RS0007784; RS0006465 [T8, T10]); ihm kommt jedoch als öffentliche Urkunde (§ 292 Abs 1 ZPO) die Vermutung der Richtigkeit und Vollständigkeit zu (RS0007928; Spruzina in Gitschthaler/Höllwerth 2 § 166 AußStrG Rz 3; ders in Kletečka/Schauer 1.02 § 802 ABGB Rz 10 f; Verweijen in Schneider/Verweijen § 166 AußStrG Rz 2; Grün in Rechberger/Klicka 4 § 166 AußStrG Rz 4 „Anschein der Nachlasszugehörigkeit der aufgenommenen Positionen“). Dessen ungeachtet kann die Unrichtigkeit des Inventars (zB von Pflichtteilsberechtigten) im streitigen Weg geltend gemacht und bewiesen werden. Die pauschale Behauptung, dass die Verlassenschaft überschuldet sei, reicht aber nicht aus, um die Vermutung der Richtigkeit des Inventars zu widerlegen. Darüber hinaus hat die Beklagte erfolglos bestritten, dass der Betrag von 27.707,37 EUR kein Aktivposten ist (dazu oben Punkt 6.2.4).

[67] 7.3.3 Unter Berücksichtigung des reinen Nachlasses (12.725,44 EUR) beträgt der Pflichtteil der Beklagten 3.181,36 EUR (= 25 % des reinen Nachlasses). Wegen der hier (nach §§ 781, 783 ABGB) hinzuzurechnenden Schenkung auf den Todesfall (im Wert von 104.862,50 EUR) beträgt der Pflichtteil der Beklagten nunmehr 29.396,99 EUR (= 25 % der neuen Bemessungsgrundlage von 117.587,94 EUR). Gegenüber den Klägern (= Erben des pflichtteilsberechtigten Geschenknehmers) kann die Beklagte zur Deckung des Pflichtteils diesen Betrag abzüglich jenes Betrags fordern, der ihr als Miterbin aus der (reinen) Verlassenschaft zusteht (= 50 % von 12.725,44 EUR = 6.362,72 EUR), im Ergebnis insgesamt 23.034,27 EUR, daher 5.758,57 EUR pro Kläger.

[68] 7.3.4 Da die Klägerin ohnehin 1/4 (= Pflichtteilsquote) im Rahmen der Pflichtteilsergänzung erhält, muss auf ihren hilfsweise geltend gemachten Rechtsgrund für die Gegenforderung (§ 1253 ABGB) nicht eingegangen werden. Es kann daher dahinstehen, ob § 603 Satz 2 ABGB im Anlassfall auf den Altvertrag anzuwenden ist (ablehnend Bruckbauer,iFamZ 2017, 398; Fischer-Czermak,EF‑Z 2016, 228 [232]; Schauer,ÖJZ 2017, 53 [61]; Tschugguel in Klang3 §§ 552–646 ABGB Rz 24; bejahend hingegen Welser,Erbrechts-Kommentar § 603 ABGB Rz 22).

[69] 7.4 Die Kläger halten in der Revisionsbeantwortung der Gegenforderung zum einen entgegen, dass der entsprechende Anspruch der Beklagten in einem Vorprozess rechtskräftig verneint worden sei (2 Ob 190/22p). Zum anderen sei der eingewandte Anspruch durch den Betrag von 27.707,37 EUR abgedeckt. Diesen Betrag habe sich die Beklagte aus der Verlassenschaft zu Unrecht zugewandt.

[70] 7.4.1 Entgegen der Rechtsansicht der Kläger steht die Rechtskraft des Urteils im Vorprozess der Bejahung der (ua) auf § 781 ABGB gestützten Forderung nicht entgegen. Im Vorprozess wurde die auf § 789 ABGB gestützte Haftung der hier klagenden (und dort beklagten) Parteien (als Geschenknehmer) für den Pflichtteilsanspruch der hier beklagten (und dort klagenden) Partei wegen der Schenkung auf den Todesfall deshalb verneint, weil den Klägern (und dort beklagten Parteien) das Geschenk noch nicht übergeben wurde.

[71] Der Klagsforderung im Vorprozesses und der Gegenforderung des gegenständlichen Verfahrens liegt ein jeweils unterschiedlicher Streitgegenstand zugrunde, sodass eine rechtskräftig entschiedene Streitsache („ne bis in idem“, Einmaligkeitswirkung) nicht vorliegt. Der gleiche Streitgegenstand liegt nur vor, wenn der in der neuen Klage geltend gemachte prozessuale Anspruch sowohl hinsichtlich des Begehrens als auch des rechtserzeugenden Sachverhalts, also des Klagsgrundes, ident ist mit jenem des Vorprozesses (RS0039347). Der Gegenforderung der Beklagten im gegenständlichen Prozess liegt zugrunde, dass die Kläger hier den (halben) Versteigerungserlös begehren. Wird diese Forderung (wie gegenständlich) als zu Recht bestehend festgestellt, stellt dies – wie oben ausgeführt – rechtlich dem Erhalt des Geschenks gleich, sodass eine darauf bezogene und auf § 781 ABGB gestützte Gegenforderung sich von der im Vorprozess von der Beklagten geltend gemachten (isolierten) Haftung der „Geschenknehmer ohne Geschenk“ für den Pflichtteil unterscheidet.

[72] Auch die Bindungswirkung der Rechtskraft des Urteils im Vorprozess verhindert nicht die Bejahung der Gegenforderung, weil es zu einer solchen Bindungswirkung nur dann kommt, wenn sich die Hauptfrage des Vorprozesses mit der Vorfrage des Folgeprozesses deckt (RS0127052), was hier nicht der Fall ist.

[73] 7.4.2 Hingegen ist der als Schuldtilgung zu qualifizierende Einwand der Kläger bezüglich des von der Beklagten zu Lebzeiten der Erblasserin angeeigneten Betrags von 27.707,37 EUR zum Teil berechtigt.

[74] Aufgrund der Feststellungen (Punkt 6.2.4) ist davon auszugehen, dass dieser Betrag im Verlassenschaftsverfahren zutreffend als Forderung der Verlassenschaft verbucht wurde. Wegen ihrer Stellung als Hälfteerbin (§ 1445 ABGB) erlischt die Hälfte dieser Forderung gegenüber der Beklagten. Insoweit ist die Gegenforderung nicht zu kürzen. Die zweite Hälfte dieses Betrags können hingegen die Kläger von der Beklagten begehren bzw (wie gegenständlich) ihrer Gegenforderung schuldtilgend jeweils mit 3.463,05 EUR entgegenhalten. Um diesen Betrag reduziert sich die Gegenforderung von 5.758,57 EUR pro Kläger auf den Betrag von 2.295,52 EUR. Die Entscheidung des Berufungsgerichts war damit in Punkt II wie im Spruch ersichtlich zu ändern.

[75] 8. Wegen der teilweisen Abweisung des ersten Eventualbegehrens war das zweite Eventualbegehren zu prüfen. Die Kläger begehren hier die Verurteilung der Beklagten, das ihr anteilig zugegangene Meistbot von 52.431,25 EUR je zu einem Viertel an die Kläger „herauszugeben“. Dieses Herausgabebegehren muss schon deshalb scheitern, weil der entsprechende Versteigerungserlös im Zeitpunkt des Schlusses der Verhandlung nach wie vor beim (ehemaligen) Gerichtskommissär erliegt.

[76] 9. Die Kostenentscheidung beruht auf § 43 Abs 1 iVm § 50 Abs 1 ZPO.

[77] 9.1 Zufolge Abweisung des Hauptbegehrens und der teilweisen Stattgabe des ersten Eventualbegehrens ist § 43 ZPO anzuwenden (Obermaier, Kostenhandbuch3 Rz 1.146). Im zweiten Verfahrensabschnitt (ab der Berichtigung der Parteienbezeichnung mit Änderung des Klagebegehrens) sind die Kläger zur Gänze mit den beiden Hauptbegehren, dem zweiten Eventualbegehren und zum Teil (17,5 %) auch mit dem hilfsweise gestellten ersten Zahlungsbegehren unterlegen. Im ersten Verfahrensabschnitt hätten die Kläger grundsätzlich zur Gänze gegen die Verlassenschaft obsiegt, weil ihnen zu diesem Zeitpunkt (vor der Einantwortung) der gesamte Versteigerungserlös zustand und diesem Anspruch auch keine Gegenforderung entgegengehalten wurde. Berücksichtigt man die unterschiedlichen Erfolge in den beiden Prozessphasen und auch den Umstand, dass sich die materiellen Anspruchsgrundlagen von Haupt- und Eventualbegehren nicht zur Gänze deckten (vgl RS0109703) ist der Prozesserfolg beider Streitteile im erstinstanzlichen Verfahren bei der hier gebotenen wirtschaftlichen Betrachtung (6 Ob 169/16w) etwa gleich hoch, sodass mit Kostenaufhebung vorzugehen war.

[78] Die Kläger haben nach § 43 Abs 1 Satz 3 ZPO Anspruch auf Ersatz von 50 % der von ihnen entrichteten Pauschalgebühr (3.743,40 EUR), die Beklagten auf 50 % der von ihnen entrichteten Zeugengebühren (100 EUR). Nach Saldierung ergibt sich der im Spruch ausgewiesene Kostenersatzanspruch der Kläger.

[79] 9.2 Im Berufungsverfahren, das nur mehr das umgestellte Klagebegehren betraf und in dem es der Beklagten (letztendlich) gelang, die beiden Hauptbegehren, 17,5 % des Zahlungseventualbegehrens und das zweite Eventualbegehren abzuwehren, ist die Obsiegensquote der Beklagten mit 2/3 zu bemessen, sodass ihr die Kläger 2/3 der Pauschalgebühr und 1/3 der Vertretungskosten zu ersetzen haben (§§ 43, 50 ZPO).

[80] 9.3 In dritter Instanz hat die Beklagte mit 17,5 % ihrer Revision obsiegt. Sie hat Anspruch auf 17,5 % der von ihr entrichteten Pauschalgebühren und muss der Gegenseite 65 % ihrer Kosten für die Rechtsmittelbeantwortung ersetzen. Die Kläger sind mit ihrer Revision zur Gänze unterlegen, sodass sie der Beklagten die Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen haben. Nach Saldierung ergibt sich der im Spruch ausgewiesene Kostenersatzanspruch der Beklagten.

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