OGH 10Ob149/00k

OGH10Ob149/00k19.9.2000

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr, Dr. Steinbauer, Dr. Hopf und Dr. Fellinger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1) Richard Z*****,

3) Alois Z*****, 4) Hildegard P*****, 5) Franz Z*****, 6) Franziska M*****, alle vertreten durch Dr. Markus Fink, Rechtsanwalt in Bezau, gegen die beklagte Partei Othmar Z*****, vertreten durch Dr. Dietmar Fritz, Rechtsanwalt in Bezau, wegen S 583.333,30 sA (Revisionsinteresse S 544.444,40), infolge außerordentlicher Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht vom 4. April 2000, GZ 2 R 25/00v-48, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der klagenden Parteien wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 502 Abs 1 ZPO ist die Revision nur zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts abhängt, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt, etwa weil das Berufungsgericht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes abweicht oder eine solche Rechtsprechung fehlt oder uneinheitlich ist. Eine solche, für die Lösung der Rechtssache kausale Rechtsfrage wird von den Revisionswerbern nicht aufgezeigt:

Das Berufungsgericht zitiert richtig die in der jüngeren Rechtsprechung vertretene Auffassung, dass die Interessenklage nicht schon durch die verfahrensrechtliche Bestimmung des § 368 EO begründet ist. Der Anspruch auf Wertersatz muss vielmehr im materiellen Recht seine Grundlage haben (MietSlg 34.861; JBl 1983, 604; JBl 1992, 318; RdW 1992, 242; RZ 1993/61; 7 Ob 507/96; 6 Ob 139/00k; RIS-Justiz RS0004674, RS0004748 ua). In der oberstgerichtlichen Rechtsprechung wurde zunächst die Ansicht vertreten, der Gläubiger müsse vor Geltendmachung des Interesses (Wertersatzes) die Erfüllung des Leistungsanspruchs exekutiv geltend machen (GlUNF 2011), später wurde diese Auffassung aber im Einklang mit der Lehre (Heller/Berger/Stix, EO4 2623 f; Reischauer in Rummel, ABGB2 Rz 4a zu § 918) abgelehnt (EvBl 1967/311; EvBl 1976/227 ua). Die Interessenklage wurde selbst vor Schaffung eines Leistungstitels zugelassen (vorweggenommene Interessenklage; Roth in JBl 1992, 302 ff [303, 309] mwN). Im Bereich des Schuldrechts hat die Interessenklage ihre materiellrechtliche Grundlage in den §§ 918 ff ABGB. Wenn der Schuldner säumig ist, kann der Gläubiger vom Anspruch auf Erfüllung (Naturalleistung) zurücktreten und das Interesse fordern (Roth aaO 308 f; Höllwerth in Burgstaller/Deixler-Hübner, EO Rz 5 zu § 368; JBl 1992, 318; ecolex 1994, 387; 6 Ob 139/00k ua). Nur unter der Voraussetzung des ordnungsgemäßen Rücktritts bei Verzug steht dem Gläubiger das Interesse zu (RIS-Justiz RS0018390). Unmöglichkeit der Leistung (§ 920 ABGB) wird in der Revision nicht (mehr) geltend gemacht.

Dem Argument des Berufungsgerichtes, ein Rücktritt der Kläger vom Erbübereinkommen sei weder behauptet noch festgestellt worden, halten die Revisionswerber zur Begründung der Zulässigkeit ihrer außerordentlichen Revision entgegen, dass eine Schadenersatzklage nach der ständigen Rechtsprechung bereits die konkludente Erklärung des Rücktritts in sich schließe. Auf eine Nachfristsetzung hätten die Kläger aufgrund der dezidierten Weigerung des Beklagten, den Vertrag zu erfüllen, verzichten können.

Richtig ist, dass nach der Rechtsprechung die Klage auf Ersatz des Interesses in der Regel eine Rücktrittserklärung miteinschließt (Reischauer aaO Rz 3 zu § 918; Schwimann/Binder, ABGB2 V, § 918 Rz 97; Roth aaO 308; Höllwerth aaO; RZ 1967, 103; JBl 1992, 318; exolex 1994, 387 ua) und dass es keiner Nachfristsetzung bedarf, wenn der Schuldner die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert (Reischauer aa0 Rz 14 zu § 918; Schwimann/Binder aaO § 918 Rz 103; SZ 32/118; SZ 40/53; RIS-Justiz RS0018371). Damit ist jedoch für den Standpunkt der Revisionswerber nichts gewonnen:

Zunächst ist zu beachten, dass mit dem Tod eines Erblassers, der mehrere Erben hinterlässt, zwischen diesen zunächst bis zur Einantwortung eine sich auf das Erbrecht beziehende schlichte Rechtsgemeinschaft gemäß den §§ 825 ff ABGB entsteht, die sogenannte Erbengemeinschaft (Ehrenzweig/Kralik, Ebrecht3 338; Koziol/Welser II10 408; Welser in Rummel, ABGB2 Rz 1 zu § 550; Schwimann/Eccher, ABGB2 III, § 550 Rz 2; Haunschmidt/Haunschmidt, Erbschaft und Testament Rz 123, 125; ecolex 1993, 460; NZ 2000, 88; RIS-Justiz RS0012313).

Mit der Einantwortung werden die Erben ex lege Miteigentümer der körperlichen Nachlasssachen nach dem Verhältnis ihrer Erbteile. Die Aufteilung dieses gemeinsamen Nachlasses durch Zuweisung an die einzelnen Miterben ist im ABGB nicht geregelt; sie erfolgt regelmäßig nach den Bestimmungen über die Aufhebung einer Vermögensgemeinschaft (HS XXV/7). Die Aufhebung dieser Miteigentumsgemeinschaft an körperlichen Nachlasssachen erfolgt entweder durch Erbteilung oder durch Erbteilungsklage. Anders verhält es sich mit Nachlassforderungen. Die Aufhebung der Gemeinschaft tritt bei teilbaren Nachlassforderungen ex lege ein. Mit Einantwortung zerfällt eine teilbare Nachlassforderung in selbständige obligatorische Teilforderungen im Sinne der §§ 888 f ABGB (Welser aaO Rz 2 zu § 550 ABGB mwN; Schwimann/Eccher aaO § 550 Rz 2 und § 819 Rz 9; Ehrenzweig/Kralik aaO; GlunF 4798; SZ 17/97; HS XXV/7 ua), die keinen Gegenstand der Erbteilung bilden und von jedem Miterben unmittelbar nach Abschluss der Nachlassabhandlung und Rechtskraft der Einantwortungsurkunde, worin die den einzelnen Miterben zustehenden Anteile ihnen auf Grund ihrer Erbteile zuzuweisen sind, geltend gemacht werden können (Weiß in Klang III2 167). Unteilbare Nachlassforderungen mehrerer Miterben sind dagegen Gesamthandforderungen (Welser aaO Rz 2 zu § 550 ABGB) und nach den Grundsätzen der Gemeinschaft des Eigentums (§§ 825 ff ABGB) in der Weise zu teilen, wie es für körperliche Nachlasssachen dargestellt wurde (HS XXV/7). Diese Grundsätze haben auch für einen Anspruch auf Herausgabe eines Bauplatzes (Liegenschaft) zu gelten (5 Ob 702/81; vgl auch Bydlinski in JBl 1981, 260).

Soll dieser Herausgabeanspruch zunächst mehreren Erben gemeinsam zustehen und diesen schließlich stattdessen mangels Erfüllung durch den Herausgabepflichtigen das Interesse jeweils einzeln in Geld gebühren (Klagestandpunkt), dann übersehen die Revisionswerber bei ihrer Argumentation, dass Gestaltungsrechte im Rahmen mehrgliedriger, in der Regel unteilbarer Schuldverhältnisse (Gamerith in Rummel, ABGB2, § 889 ABGB Rz 3; Schwimann/Apathy, ABGB2 V, § 890 ABGB Rz 5;

SZ 46/101; SZ 50/113; SZ 64/93; JBl 1992, 590) in der Regel ebenfalls unteilbar sind (Gamerith aaO; Schwimann/Apathy aaO;

Schwimann/Egglmeier, ABGB2 III, § 828 Rz 19; SZ 39/88; SZ 50/113; SZ 57/120 = JBl 1985, 170; MietSlg XXXVI/36; RZ 1985/74; RdW 1997, 449;

RIS-Justiz RS0017312). Die Gestaltungsrechte können daher nur für und gegen alle oder für und gegen keinen von ihnen wirken. Das Recht zum Rücktritt vom Vertrag nach § 918 ABGB, das die Revisionswerber in ihrer Klage konkludent ausgeübt haben wollen, wäre ein solches Gestaltungsrecht, also das Recht, durch einseitige Erklärung eine Veränderung der bestehenden Rechtsverhältnisse herbeizuführen (Rummel in Rummel, ABGB2, § 859 ABGB Rz 10; Koziol/Welser I11 45). Es kann bei Gläubigermehrheit nur entweder von allen Gläubigern gemeinsam (§ 828 ABGB) ausgeübt werden (Gamerith aaO § 889 Rz 3; Reischauer in Rummel, ABGB2, § 918 ABGB Rz 7; SZ 39/88; RdW 1997, 449 ua) oder es muss der das Gestaltungsrecht ausübende Gläubiger den Nachweis führen, auf Grund einer Übereinkunft mit den übrigen Gläubigern allein zur Ausübung dieses Rechts befugt zu sein (5 Ob 702/81; RIS-Justiz RS0017312; vgl auch Reischauer aaO).

Eine Auseinandersetzung mit der Frage, ob und unter welchen Umständen im Hinblick auf die getroffenen Vereinbarungen ein Rücktritt der zur Rechtsnachfolge bezüglich des Anspruches auf Herausgabe des Bauplatzes berufenen Personen vom Erbteilungsübereinkommen in Frage kommen könnte, ist entbehrlich. Selbst wenn man ein solches Rücktrittsrecht bejahte, wäre hieraus für die Kläger nichts gewonnen.

Die Ausübung des Rücktrittsrechts bedürfte nämlich des ausdrücklichen oder stillschweigenden Zusammenwirkens aller Vertragsgenossen, um der sonst drohenden Gefahr unlösbarer Verwicklungen zu begegnen (RdW 1997, 449). Die denkbaren Ausnahmen einer Teilbarkeit aller Rechte und Pflichten (vgl dazu Gamerith aaO § 889 Rz 3 mwN) liegen hier nicht vor. Ein ausdrücklich oder stillschweigend einvernehmliches Vorgehen aller Erben nach Maria Anna Z***** wird hier jedoch nicht einmal behauptet; ein einvernehmliches Vorgehen ist vielmehr nach den Aussagen der beiden nicht als Klägerinnen auftretenden Erbinnen und Schwestern der Streitteile, Lydia Z***** (ON 9, AS 75 ff) und Germana R***** (ON 9, AS 83 ff) zu verneinen. Nach der Lage des Falles kann auch dahingestellt bleiben, welche Auswirkungen die Klagerücknahme unter Anspruchsverzicht durch eine weitere Erbin und Schwester der Streitteile, die ursprüngliche Zweitklägerin Katharina H*****, hat. Das Gestaltungsrecht des Vertragsrücktritts könnte sohin im vorliegenden Fall von sechs (bzw fünf) von insgesamt neun Erben auch nicht konkludent durch bloße Erhebung der Interessenklage wirksam ausgeübt worden sein, weshalb dieser schon aus diesem Grund die Berechtigung fehlt. Da sich zwei der neun Erben von Anfang an nicht an der Klageführung (und damit an der Ausübung des Rücktrittsrechtes) beteiligt haben, kann auch eine Erörterung des besonderen Umstandes unterbleiben, dass einer dieser neun Erben der herausgabepflichtige Beklagte ist.

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