European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:E121136
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
I. Die Revision der klagenden Partei und die Revisionsbeantwortung der erstbeklagten Partei werden zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der zweitbeklagten Partei die mit 2.310,84 EUR (darin enthalten 385,14 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
II. Der Revision der erstbeklagten Partei wird nicht Folge gegeben.
Aus Anlass der Revision werden die Entscheidungen der Vorinstanzen hinsichtlich der Stattgebung des Zahlungsbegehrens gegenüber der erstbeklagten Partei dahin abgeändert, dass das Urteil insofern wie folgt lautet:
„Die erstbeklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei 27.457,95 EUR samt 4 % Zinsen aus 12.221,77 EUR vom 23. 7. 2014 bis zum 24. 4. 2016 und aus 27.457,95 EUR seit 25. 4. 2016 binnen 14 Tagen zu zahlen, wovon 25.721,56 EUR bei Gericht zu erlegen sind.“
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens bleibt dem Erstgericht vorbehalten.
Entscheidungsgründe:
Der frühere Kläger war Gynäkologe; er ist während des erstinstanzlichen Verfahrens verstorben. Der damals bei der Erstnebenintervenientin (in der Folge: Haftpflichtversicherer) haftpflichtversicherte Arzt hatte durch einen schuldhaften medizinischen Behandlungsfehler den im August 2002 eingetretenen Tod seiner Patientin, der Ehefrau des Zweitnebenintervenienten, verursacht (er hatte vom 1. 10. 1998 bis zum 24. 3. 2000 entgegen den Regeln der ärztlichen Kunst ihre Gebärmutterkrebserkrankung nicht diagnostiziert).
Der Zweitnebenintervenient (in der Folge Witwer) wusste am 23. 10. 2002 (als in einer bestimmten Tageszeitung ein auf seinen Informationen beruhender Artikel erschien), dass der Kläger im Jahr 1998 ein „harmloses Myom im Unterleib“ seiner Ehefrau diagnostiziert hatte und dass die Gebärmutterkrebserkrankung, an der seine Frau verstarb, bei rechtzeitiger Behandlung gut heilbar gewesen wäre. Der Tageszeitung hatte der Witwer vor dem 23. 10. 2002 mitgeteilt, der Kläger habe im „Juli ein harmloses Myom im Unterleib der [Ehefrau] diagnostiziert“, er habe sie – als die Symptome schlimmer geworden seien – beruhigt. Nur wenige Monate später habe ein anderer Arzt mit einem Bluttest Gebärmutterkrebs im Endstadium festgestellt.
Am 24. 1. 2003 machte der Witwer im gerichtlichen Strafverfahren gegen den Kläger als Privatbeteiligter durch den Tod seiner Ehefrau entstandene privatrechtliche Ansprüche („Todfallskosten“) geltend.
Am 17. 6. 2003 erstattete der in diesem Verfahren bestellte gynäkologische Sachverständige ein Gutachten, in dem er zum Ergebnis gelangte, dass der Kläger seine Patientin in den Jahren 1998 bis 2000 aufgrund unrichtiger Diagnosen medizinisch falsch behandelt habe, weil die Gebärmutterkrebserkrankung bei ordnungsgemäßer Untersuchung mit großer Wahrscheinlichkeit im Jahr 1998 (mit absoluter Sicherheit aber im Jahr 1999) erkennbar und eine Heilung der Patientin möglich gewesen wäre.
Der Erst‑ und der Zweitbeklagte sind Rechtsanwälte; sie betreiben gemeinsam eine Rechtsanwaltskanzlei.
Nachdem der Kläger bis zum Beginn der Hauptverhandlung im gerichtlichen Strafverfahren stets erklärt hatte, sich am Tod seiner Patientin nicht schuldig zu fühlen, empfahl ihm der Erstbeklagte (als sein Verteidiger), sich aufgrund des genannten Sachverständigengutachtens geständig zu verantworten, worauf er noch in der Hauptverhandlung vom 8. 3. 2004 gestand, den Tod seiner Patientin dadurch verursacht zu haben, dass er wichtige Behandlungen und Untersuchungen unterließ.
Schon am 1. 10. 2003 hatte der Kläger die Eröffnung des Konkursverfahrens über sein Vermögen und am 5. 12. 2003 die Bewilligung eines Zwangsausgleichs beantragt; am 19. 1. 2004 wurde sein Zwangsausgleichsvorschlag angenommen, am 10. 2. 2004 bestätigte das Konkursgericht den Zwangsausgleich (gemäß dem die Konkursgläubiger eine Barquote von 20 % zu erhalten hatten), am 15. 3. 2004 wurde der Konkurs aufgehoben.
Der Kläger war finanziell nicht in der Lage, mehr als die 20%ige Zwangsausgleichsquote von „rund“ 40.000 EUR zu zahlen (unter Umständen hätte er sich weitere 3.000 EUR bis 4.000 EUR „leihen“ können).
Der Witwer meldete im Insolvenzverfahren keine Schadenersatzansprüche an. Als das Konkursverfahren über sein Vermögen eröffnet wurde, hatte der Kläger keine Kenntnis von dessen Schadenersatzansprüchen gegen ihn. Forderungen von Patienten waren im Konkursverfahren kein Thema, es wurde auch nicht erörtert, dass der Witwer Ansprüche gegen den Kläger stellen könnte.
Nachdem dieser am 16. 3. 2004 vom Haftpflichtversicherer des Klägers Schadenersatz (5.544,32 EUR an Bestattungs‑ und Grabstättenerrichtungskosten und 2.499,23 EUR als Ersatz der Privatbeteiligungskosten im Strafverfahren gegen den Kläger) und ein Haftungsanerkenntnis dem Grunde nach gefordert hatte, erklärte dieser am 21. 4. 2004 dem Witwer, er werde 8.035,55 EUR überweisen, und weiters „namens Herrn [des Klägers] im Rahmen der Versicherungssumme von 363.364,17 EUR“, dass die Schadenersatzansprüche im Zusammenhang mit dem Tod seine Ehefrau dem Grunde nach berechtigt seien.
Der Witwer forderte am 14. 5. 2004 vom Haftpflichtversicherer 256.813,34 EUR als Schadenersatz; am 12. 6. 2006 sogar 380.000 EUR.
Am 19. 7. 2006 ersuchte er den Haftpflichtversicherer um einen bis 30. 6. 2007 wirksamen Verjährungsverzicht, worauf ihm dieser mitteilte, seine Zusage gelte „namens [seines] Versicherungsnehmers für den Schadensfall im Rahmen der Versicherungssumme von 363.364 EUR“.
Von Anfang August 2006 bis Mitte Mai 2007 verhandelten die Nebenintervenienten über die Höhe der Schadenersatzansprüche des Witwers gegen den Kläger, der den Haftpflichtversicherer im Haftpflichtversicherungsvertrag bevollmächtigt hatte, im Rahmen seiner Verpflichtung zur Leistung alle ihm zweckmäßig erscheinenden Erklärungen in seinem Namen abzugeben.
Mit seiner am 27. 6. 2007 eingebrachten Klage begehrte der Witwer vom Kläger – der in diesem Zivilprozess vom Erstbeklagten vertreten wurde – Schadenersatz mit der Begründung, dieser habe durch einen Behandlungsfehler den Tod seiner Ehefrau verursacht. Als in der Tagsatzung vom 27. 3. 2008 der Verjährungseinwand der nunmehr klagenden Partei erörtert wurde, erklärte der Erstbeklagte als deren Vertreter, nachdem ihm ein in der Tagsatzung anwesender Mitarbeiter des Haftpflichtversicherers erklärt hatte, es liege ein Anerkenntnis vor und der Einwand sei nicht erforderlich, diesen Einwand „fallen zu lassen“.
Die nunmehr klagende Partei wurde in diesem Zivilprozess unter anderem schuldig erkannt, dem Witwer (als Unterhaltsersatz) eine monatliche Rente von 1.200 EUR ab 1. 9. 2002 zu zahlen.
Nach Erschöpfung der Haftpflichtver-sicherungssumme zahlte der Kläger an den Witwer aufgrund der Verurteilung bis 1. 4. 2016 27.457,95 EUR.
Eine aufrecht erhaltene Verjährungseinrede hätte dazu geführt, dass die die Haftpflichtversicherungssumme übersteigenden Schadenersatzansprüche des Witwers gegen den Kläger von einem pflichtgemäß handelnden Richter wegen Verjährung verneint worden wären; es wäre in diesem Fall weder zu einem Exekutionsverfahren des Witwers gegen den Kläger noch zu einer Oppositionsklage desselben gegen diesen gekommen.
Hätte der Kläger in diesem Zivilprozess vorgebracht, dass seine Patientin aufgrund ihrer Erkrankung vor dem 1. 1. 2012 (somit vor Erschöpfung der Versicherungssumme) jedenfalls verstorben wäre, auch wenn der Kläger keinen Behandlungsfehler begangen hätte, hätte ein pflichtgemäß handelnder Richter dem Witwer die Rente dennoch unbefristet zuerkannt, weil ein Sachverständigengutachten in jenem Zivilprozess ergeben hätte, dass die Patientin bei lege‑artis‑Behandlung ihrer Krebserkrankung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit eine weitere Lebenserwartung von rund dreißig Jahren gehabt hätte.
Die klagende Partei begehrt von den Beklagten zur ungeteilten Hand 27.457,05 EUR sA und die Befreiung von folgenden Verbindlichkeiten: „Aufgrund des Urteils des Landesgerichts ... vom 3. 3. 2009 ..., soweit sich diese[s] auf die restliche Versorgungsrente für Oktober 2014 von 36,80 EUR sowie die laufende monatliche Versorgungsrente ab November 2014 von 1.200 EUR bezieht;
aufgrund des Urteils des Bezirksgerichts ... vom 25. 6. 2013 ... und der Berufungsentscheidung des Landesgerichts ... vom 19. 11. 2013 ..., soweit sich diese auf die Kosten von 7.446,02 EUR samt 4 % Zinsen aus 4.696,22 EUR seit dem 25. 6. 2013 und 4 % Zinsen aus 2.749,80 EUR seit dem 19. 11. 2013 beziehen, sowie
aufgrund des Beschlusses des Bezirksgerichts ... vom 23. 5. 2014 ..., soweit sich dieser auf die Kosten von 972,12 EUR bezieht.“ Darüber hinaus erhob sie ein Feststellungsbegehren. Die klagende Partei begründete ihre Begehren damit, dass die beklagten Rechtsanwälte, die den Kläger gemeinsam vertreten hätten, ihn durch zahlreiche anwaltliche Vertretungsfehler rechtswidrig und schuldhaft geschädigt hätten. Im Verfahren des Landesgerichts hätten diese die gebotene Verjährungseinrede unterlassen, die dazu geführt hätte, dass die Klage in jenem Zivilprozess abgewiesen worden wäre. Die Verjährungsfrist für auf § 1327 ABGB gestützte Ansprüche des Witwers gegen den Kläger habe schon mit dem Tod der Ehefrau am 20. 8. 2002 begonnen (damals sei dem Witwer bekannt gewesen, dass ein Behandlungsfehler des Klägers ihren Tod verursacht habe), sodass im Zeitpunkt der Klagseinbringung am 27. 6. 2007 die die Versicherungssumme übersteigenden Schadenersatzansprüche bereits verjährt gewesen seien. Der Haftpflichtversicherer habe ausdrücklich erklärt, nur im Rahmen der Versicherungssumme Erklärungen abzugeben, Vergleichsverhandlungen geführt und Zahlungen geleistet zu haben. Zu einer Ablaufhemmung der Verjährungsfrist sei es nicht gekommen, weil zwischen 2004 und 2006 eineinhalb Jahre lang keine Vergleichsverhandlungen stattgefunden hätten. Da die Wirkung des Zwangsausgleichs im Konkurs über das Vermögen des Klägers auch die die Versicherungssumme übersteigenden Schadenersatz-forderungen des Witwers gegen den Kläger umfasst hätte, hätten die Beklagten in jenem Verfahren die Einrede der „Forderungsverkürzung“ durch Zwangsausgleich erheben müssen, was gemäß § 15 Abs 2 KO zur Umwandlung der noch nicht fälligen Rentenansprüche des Witwers in eine Abfindungskonkursforderung geführt hätte. In diesem Fall hätte die Versicherungssumme zur Deckung aller Schadenersatzansprüche des Witwers gegen den Kläger ausgereicht. Die Beklagten hätten im Zivilprozess die gebotene Tatsachenbehauptung unterlassen, dass die Patientin auch bei Diagnose und Therapie lege artis spätestens zehn Jahre nach Ausbruch der Krankheit verstorben wäre. Dann hätte ein Richter dem Witwer die Rente gemäß § 1327 ABGB nur für einen so kurzen Zeitraum zuerkannt, dass die Versicherungssumme zur Tilgung der Schadenersatzforderung ausgereicht hätte.
Die Beklagten wendeten im Wesentlichen ein, die im Zivilprozess geltend gemachte Forderung des Witwers gegen den Kläger sei nicht verjährt gewesen. Die Verjährungsfrist habe am 14. 7. 2003 begonnen, als der Witwer vom gynäkologischen Sachverständigengutachten im Strafverfahren gegen den Kläger erfahren habe. Die Vergleichsverhandlungen des Haftpflichtversicherers mit dem Witwer im Zeitraum Juni 2006 bis Juni 2007 hätten auch den Ablauf der Verjährung von dessen über die Versicherungssumme hinausgehenden Ansprüchen gegen den Kläger gehemmt. Außerdem sei die Verjährungsfrist durch dieses Geständnis in der Hauptverhandlung vom 8. 3. 2004, das als Anerkenntnis zu gelten habe, ebenso unterbrochen worden wie durch die in seinem Auftrag erfolgten Teilzahlungen des Haftpflichtversicherers an den Witwer. Die Schadenersatzforderung gegen den Kläger sei aus dessen Alleinverschulden (im Sinn des § 156 Abs 6 KO) im Konkursverfahren über sein Vermögen unberücksichtigt geblieben, habe doch dieser mit auf § 1327 ABGB gestützte Forderungen des Witwers rechnen müssen. Da dieser nichts vom Konkursverfahren über das Vermögen des Klägers gewusst habe und nach dem Standpunkt der Beklagten auch nichts wissen habe müssen, habe der Zwangsausgleich zu keiner Kürzung seiner Ansprüche gegen den Haftpflichtversicherer geführt. Das Begehren auf „Befreiung“ von Verbindlichkeiten sei nicht zulässig, weil insoweit ein Feststellungsbegehren zur Verfügung stehe. Der klagenden Partei gebühre kein Ersatz von Kosten des Exekutionsverfahrens und des Oppositionsverfahrens, weil sie diese Kosten durch rechtzeitige Zahlung der Unterhaltsrenten verhindern hätte können.
Das Erstgericht gab sowohl dem Zahlungs‑ als auch dem Freistellungsbegehren gegen beide Beklagte statt und wies, was unbekämpft blieb, das auf die Feststellung der Haftung für künftige Schäden gerichtete Begehren ab. Die Frist für die dreijährige Verjährung der Schadenersatzansprüche des Witwers gegen den Kläger habe am 23. 10. 2002 begonnen, weil jenem schon damals der Schaden und die Person des Ersatzpflichtigen ausreichend bekannt gewesen seien, habe er doch gewusst, dass seine Ehefrau an Gebärmutterkrebs verstorben war, den der Kläger nicht erkannt hatte, der aber bei rechtzeitiger Behandlung gut heilbar gewesen wäre. Durch das Anerkenntnis und die Verjährungsverzichtserklärung des Haftpflichtversicherers des Klägers sei trotz der diesem eingeräumten Regulierungsvollmacht die Verjährungsfrist nicht unterbrochen worden, weil Anerkenntnis und Verjährungsverzichtserklärung ausdrücklich nur im Haftungsrahmen der Haftpflichtversicherung abgegeben worden seien. Die zunächst bis 14. 5. 2004 dauernden und am 12. 6. 2006 wieder aufgenommenen Vergleichsverhandlungen zwischen den Nebenintervenienten hätten sich bis zumindest 22. 5. 2007 erstreckt. Die Verhandlungen seien zwar geeignet gewesen, auch hinsichtlich der die Deckungssumme übersteigenden Ansprüche die Verjährung zu hemmen, doch sei die am 23. 10. 2002 begonnene Verjährungsfrist bereits abgelaufen gewesen, als die Vergleichsverhandlungen am 12. 6. 2006 wieder aufgenommen worden seien. Mangels solcher Verhandlungen zwischen 14. 5. 2004 und 12. 6. 2006 sei eine Ablaufhemmung der Verjährung zu verneinen. Das Geständnis des Klägers in der Hauptverhandlung sei kein konstitutives Anerkenntnis gewesen, weil es sich nur auf das Delikt und nicht auf die Schadenersatzansprüche des Witwers bezogen habe. Die Beklagten wären als Rechtsanwälte verpflichtet gewesen, für den Kläger (als Beklagten im Zivilprozess) die Verjährungseinrede zu erheben und aufrecht zu erhalten, was dazu geführt hätte, dass er nicht zu Schadenersatzleistungen an den Witwer verpflichtet worden wäre, es zu keinem Exekutionsverfahren gegen ihn gekommen wäre und er daher auch keine Oppositionsklage gegen diesen erhoben hätte. Die Beklagten seien zur ungeteilten Hand schuldig, dem Kläger die von ihm an den Witwer geleisteten Zahlungen zu ersetzen. Auch dem „Befreiungsbegehren“, gegen dessen Zulässigkeit keine Bedenken bestünden, sei stattzugeben. Dem Kläger seien nicht als Verschulden anzulasten, dass er Schadenersatzansprüche des Witwers gegen ihn in seinem Zwangsausgleichsvorschlag unberücksichtigt gelassen hatte. Die Beklagten hätten daher auch die Einrede der „Forderungsverkürzung“ durch den Zwangsausgleich erheben müssen, wodurch die Schadenersatzansprüche gegen den Kläger auf 20 % reduziert worden wären. Das erst nach Ablauf der dreijährigen Verjährungsfrist erhobene Feststellungsbegehren sei dem Verjährungseinwand der Beklagten folgend abzuweisen.
Das Berufungsgericht gab der Berufung des Erstbeklagten nicht, der Berufung des Zweitbeklagten jedoch Folge und änderte das erstinstanzliche Urteil dahin ab, dass es „die Klage“ gegen den Zweitbeklagten abwies. Rechtlich führte es aus, das Erstgericht habe abweichend vom Geständnis der Beklagten festgestellt, dass nur der Erstbeklagte den Kläger im vom Witwer angestrengten Zivilprozess vertreten und nur dieser in der Tagsatzung vom 27. 3. 2008 die Verjährungseinrede zurückgezogen habe. Die gegen den Zweitbeklagten gerichtete Klage sei mangels passiver Sachlegitimation abzuweisen. Dem Witwer sei daher am 23. 10. 2002 der Schaden (der Tod seiner Ehefrau) und die Person des Ersatzpflichtigen (des behandelnden Arztes) soweit bekannt gewesen, dass er eine Klage (zumindest eine Feststellungsklage) mit Aussicht auf Erfolg einbringen hätte können, sodass damals die dreijährige Verjährungsfrist zur Geltendmachung der Schadenersatzansprüche aus dem ärztlichen Behandlungsfehler begonnen habe. Da die Vergleichsverhandlungen zwischen dem Haftpflichtversicherer und dem Witwer zunächst bis 14. 5. 2004 angedauert hätten und erst am 12. 6. 2006 wieder aufgenommen worden seien, habe die dreijährige Verjährungsfrist im Oktober 2005 ohne Ablaufhemmung geendet, weil die Klage erst am 27. 6. 2007 eingebracht worden sei. Der Haftpflichtversicherer des Klägers habe die Schadenersatzansprüche des Witwers im Zusammenhang mit dem Tod dessen Ehefrau dem Grunde nach als berechtigt anerkannt und ihm 8.035,55 EUR überwiesen. Aus dieser Zahlung des Haftpflichtversicherers lasse sich kein gegen den Kläger wirkendes, die Verjährung unterbrechendes Anerkenntnis ableiten, weil darin nicht zum Ausdruck komme, diese Zahlung sei als konkludente Anerkennung einer weitergehenden Verpflichtung (Restschuld) des Klägers gegenüber dem Witwer zu verstehen. Alle die Haftpflichtversicherungssumme übersteigenden Ansprüche des Witwers gegen den Kläger (resultierend aus dem ärztlichen Behandlungsfehler, der den Tod der Patientin verursacht habe) seien bei Einbringung der Klage bereits verjährt gewesen, sodass die Aufrechterhaltung der Verjährungseinrede zur Abweisung der die Haftpflichtversicherungssumme übersteigenden Ansprüche gegen den Kläger geführt hätte. Zu einem Exekutionsverfahren und zu einem Oppositionsverfahren aufgrund dieser Ansprüche hätte es daher nicht mehr kommen können. Der Erstbeklagte habe durch die Zurücknahme der erfolgversprechenden Verjährungseinrede die anwaltliche Pflicht, seinen Mandanten durch gebotene Prozesshandlungen vor dem Prozessverlust zu schützen, verletzt. Demnach habe der Erstbeklagte die ihm durch den Prozessverlust adäquat verursachten Schäden zu ersetzen. Dass der Kläger im Oppositionsverfahren die von ihm behauptete Lebensgemeinschaft des Witwers nicht beweisen habe können, ändere nichts daran, dass es zu diesem Oppositionsverfahren gar nicht gekommen wäre, wenn der Erstbeklagte im Verfahren vor dem Landesgericht als Vertreter des Klägers die Verjährungseinrede aufrecht erhalten hätte, weil in diesem Fall die Klage abgewiesen worden wäre. Dass dieser seinen Schaden durch die Oppositionsklage verringern hätte wollen, ihn aber durch den Prozessverlust vergrößert habe, sei ein durch das haftungsbegründende Verhalten des Erstbeklagten herausgeforderter Entschluss, der es gerechtfertigt habe, diesem die von ihm adäquat verursachte Schadensfolge zuzurechnen, sei doch der Kläger erst durch dessen pflichtwidriges Verhalten in die Lage gekommen, eine Entscheidung für oder gegen die Oppositionsklage treffen zu müssen. Die Höhe der Verbindlichkeiten, die Gegenstand des Befreiungsbegehrens seien, sei unbestritten. Das Begehren auf Freistellung von Verbindlichkeiten als schadenersatzrechtliches Begehren auf Naturalrestitution (§ 1323 ABGB) sei berechtigt. Die im Freistellungsbegehren beschriebenen Verbindlichkeiten – eine als Schaden zu beurteilende Vermögensverringerung – seien der klagenden Partei durch die unterlassene Verjährungseinrede im Zivilprozess entstanden. Um diesen Zustand zu beseitigen, an dem sie ein geringeres rechtliches Interesse habe als an einen solchen ohne die Verbindlichkeiten, könne sie vom Schädiger nicht nur Geldersatz, sondern (alternativ) auch Naturalrestitution in der Form verlangen, dass der erstbeklagte Schädiger sie im Verhältnis zu ihrem Gläubiger, dem Witwer, von diesen Verbindlichkeiten befreie.
Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands für jeden der Beklagten 30.000 EUR übersteige, und erklärte die ordentliche Revision für zulässig, weil in der Entscheidung 6 Ob 159/15y offen gelassen worden sei, ob ein Geschädigter, dem ein Schaden in Form des Entstehens einer Verbindlichkeit entstanden sei, vom Schädiger Naturalrestitution durch die Verpflichtung zur Befreiung von dieser Verbindlichkeit im Zivilprozess begehren könne.
Rechtliche Beurteilung
I. Zur Revision der klagenden Partei:
1. Damit strebt sie die Stattgebung der Leistungsbegehren nur gegenüber dem Zweitbeklagten an. Die auch dazu vom Erstbeklagten erstattete Revisionsbeantwortung ist infolge fehlenden Rechtsschutzinteresses zurückzuweisen.
Nach ständiger Rechtsprechung (RIS‑Justiz RS0102059) ist eine Revision nur dann im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO zulässig, wenn der Revisionswerber die für die Entscheidung maßgeblichen erheblichen Rechtsfragen auch in seinen Rechtsmittelausführungen aufgreift. Der klagenden Partei gelingt es aber nicht, auch nur eine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung geltend zu machen.
2. Nach der erstinstanzlichen Feststellung, die zwar von der Außerstreitstellung abweicht, aber von der klagenden Partei in der Berufung nicht bekämpft worden war, hatte nur der erstbeklagte Rechtsanwalt den Kläger im Schadenersatzprozess des Witwers vertreten und das ein Verschulden begründende Zurückziehen der Verjährungseinrede zu verantworten. Damit ist aber die Beurteilung, dem Zweitbeklagten fehle mangels Rechtsverhältnisses zur klagenden Partei die Passivlegitimation, jedenfalls vertretbar.
3. Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs sind zwar ausdrücklich zugestandene Tatsachen grundsätzlich als wahr anzunehmen und der Entscheidung zugrunde zu legen; Beweise sind nach § 266 ZPO regelmäßig nur zu strittigen Tatsachen aufzunehmen (RIS‑Justiz RS0040110 [T1]). Nach der Rechtsprechung bindet aber insbesondere ein Tatsachengeständnis, dessen Unrichtigkeit aufgrund der bisherigen Beweisergebnisse eindeutig erwiesen ist, das Gericht nicht (RIS‑Justiz RS0040085), soll es doch nicht gezwungen werden, sehenden Auges auf amtsbekannt unwahrer Grundlage zu urteilen (6 Ob 313/97s). Zudem liegt nach überwiegender Rechtsprechung kein relevanter, das heißt die erschöpfende Erörterung der Sache hindernder Mangel des Verfahrens vor, wenn das Gericht ungeachtet zugestandener Tatsache Beweise aufnimmt und Feststellungen trifft, die mit dem Geständnis unvereinbar sind; vielmehr sind die getroffenen Feststellungen – und nicht das Geständnis – der Entscheidung zugrunde zu legen (17 Ob 1/11p mwN; vgl RIS‑Justiz RS0039949 [T7]; RS0040110 [T5]). Der Widerspruch zwischen dem Geständnis und der gegenteiligen Überzeugung des Gerichts wird durch den Vorrang der vom Gericht getroffenen Feststellungen aufgelöst (zuletzt 1 Ob 80/17x mwN).
3. Einer weiteren Begründung bedarf es insofern nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).
4. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 41 Abs 1 und § 50 Abs 1 ZPO. Da der Zweitbeklagte in der Revisionsbeantwortung auf die mangelnde Zulässigkeit des Rechtsmittels hingewiesen hat, dient der Schriftsatz der zweckentsprechenden Rechtsverteidigung (vgl RIS‑Justiz RS0035962; RS0035979). Der in zweiter Instanz ausgesprochene Kostenvorbehalt nach § 52 Abs 1 (und 2) ZPO erfasst nur die vom Prozesserfolg in der Hauptsache abhängigen Kosten und steht der Kostenentscheidung im Zwischenstreit über die Zulässigkeit der Revision nicht entgegen (RIS‑Justiz RS0129365 [T1]). Dem Zweitbeklagten gebührt der verzeichnete 20%ige Streitgenossenzuschlag nicht, liegt doch kein Fall der Erhöhung der Entlohnung bei mehreren Personen gemäß § 15 RATG vor.
II. Zur Revision des Erstbeklagten:
1. Diese ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig; sie ist aber im Ergebnis nicht berechtigt.
2. Die dreijährige Verjährungsfrist des § 1489 Satz 1 ABGB beginnt zu laufen, wenn dem Geschädigten der Schaden und die Person des Schädigers bekannt geworden sind. Dies ist dann der Fall, wenn der Sachverhalt dem Geschädigten so weit bekannt ist, dass er mit Aussicht auf Erfolg klagen kann, also in der Lage ist, das zur Begründung seines Ersatzanspruchs erforderliche Sachvorbringen konkret zu erstatten (RIS‑Justiz RS0034524). Das bedingt die Kenntnis des Kausalzusammenhangs und – bei verschuldensabhängiger Haftung – auch die Kenntnis der Umstände, die das Verschulden begründen (RIS‑Justiz RS0034524 [T27, T29]; RS0034951 [T7]). Nach den Feststellungen wusste der Witwer bereits am 23. 10. 2002, dass seine Frau an einem Gebärmutterkrebs verstorben war, den der Kläger nicht erkannt hatte, der aber erkennbar und bei rechtzeitiger Behandlung gut heilbar gewesen wäre. Damit beginnt aber zu diesem Zeitpunkt die dreijährige Verjährungsfrist zu laufen. Soweit der Erstbeklagte davon ausgeht, dass frühestens mit Einlangen des ärztlichen Gutachtens im Strafverfahren am 17. 6. 2003 die dreijährige Verjährungsfrist zu laufen begonnen haben soll, geht er nicht vom festgestellten Sachverhalt zur bereits davor bestehenden positiven Kenntnis des Witwers aus. Die mit 23. 10. 2002 begonnene Verjährungsfrist ist daher mit 23. 10. 2005 abgelaufen. Die Vergleichsverhandlungen zwischen dem Haftpflichtversicherer und dem Witwer wurden erst mit 12. 6. 2006, also zu spät, wieder aufgenommen.
3. Der Haftpflichtversicherer war im Rahmen seiner Verpflichtung gegenüber dem vormaligen Kläger als seinem Versicherungsnehmer berechtigt, von der in den Haftpflichtversicherungsbedingungen vereinbarten Vollmacht Gebrauch zu machen. Diese Regulierungsvollmacht bewirkt, dass der im Umfang der Deckung aus dem Haftpflichtversicherungsvertrag gemäß § 1502 ABGB abgegebene Verzicht auf die Einrede der Verjährung im Rahmen der vereinbarten Deckungssumme zulässig und wirksam ist (vgl 7 Ob 91/15f [Punkt 5.4.]). Der Haftpflichtversicherer hatte im April 2004 dem Witwer namens des Klägers im Rahmen der Versicherungssumme erklärt, die Schadenersatzansprüche seien dem Grunde nach berechtigt, und zudem im Juli 2006 einen Verjährungsverzicht abgegeben und mitgeteilt, dass seine Zusage namens seines Versicherungsnehmers für den Schadensfall im Rahmen der Versicherungssumme gelte. Damit hat er eindeutig zum Ausdruck gebracht, dass sein Anerkenntnis und der Verjährungsverzicht nur im Haftungsrahmen (363.364 EUR) abgegeben werden. Gleiches gilt auch für die von ihm (für den Gynäkologen) getätigten Teilzahlungen an den Witwer.
4. Zwar kann ein die Verjährung unterbrechendes Anerkenntnis grundsätzlich auch in einem Strafverfahren abgegeben werden (vgl 7 Ob 187/73 = RIS‑Justiz RS0034568), doch ist dem Geständnis des Gynäkologen im Strafverfahren nicht der objektive Erklärungswert einer Anerkennung eines Schadenersatzanspruchs des Witwers beizumessen.
5. Zum Verschuldenseinwand in Bezug auf den Zwangsausgleich geht der Erstbeklagte nicht vom festgestellten Sachverhalt aus, wenn er weiterhin ein Verschulden der klagenden Partei an der Nichtberücksichtigung der Schadenersatzforderungen des Witwers im Insolvenzverfahren behauptet. Im Übrigen hätte eine Forderungskürzung nur über Einwand des Erstbeklagten als Prozessvertreter des Klägers im Schadenersatzprozess des Witwers wahrgenommen werden können (vgl RIS‑Justiz RS0001231), einen solchen hat er aber nicht erhoben.
6.1. Aufwendungen zur Schadensbeseitigung sind positiver Schaden (6 Ob 159/15y mwN = ecolex 2016/329, 770 [Melcher]). Nach herrschender Auffassung ist auch das Hinzukommen von Passiva ein positiver Vermögensschaden, weil das gegenwärtige Vermögen durch die Belastung eine Änderung erfährt (RIS‑Justiz RS0022518; 5 Ob 38/05g = RS0022537 [T14]; RS0022568).
6.2. Von einem Teil der Lehre wird ausgehend vom Grundsatz der Naturalrestitution (§ 1323 ABGB) ein Freistellungs‑/Befreiungsanspruch des Geschädigten gegenüber dem Schädiger in der Form, dass ihn dieser von solchen Verbindlichkeiten bzw vom Anspruch eines Drittgläubigers freistellt, anerkannt. Diese Befreiung von einer Verbindlichkeit beruht darauf, dass der Geschädigte seinerseits (im Verhältnis zum Schädiger zu Unrecht) mit einer Haftung belastet ist. Durch die „Freistellung“ soll die gesamte weitere Auseinandersetzung mit dem Drittgläubiger dem Schädiger übertragen werden, der Geschädigte hätte in der Folge nichts mehr damit zu tun. Auf welche Art und Weise die Freistellung bewirkt werde, sei dem Schädiger überlassen (B. Oberhofer, Die entstandene Ersatzverbindlichkeit als Schadensbild, ÖJZ 1995, 180 ff; G. Kodek, Der schadenersatzrechtliche Freistellungsanspruch – das unbekannte Wesen, Zak 2015/377, 204 [205]; ders in Kletečka/Schauer, ABGB‑ON1.02 § 1293 Rz 10; Harrer/Wagner in Schwimann/Kodek, ABGB4 § 1323 Rz 1; Ramharter, Anlegerschaden: Klagebegehren bei komplexen Finanzprodukten, Anmerkungen zu OGH 1 Ob 104/14x und 8 Ob 66/14k, VbR 2015/44, 64 f; Leupold, Anm zu 8 Ob 66/14k,EvBl 2015/25, 174 [178]; Klauser, Praktische Durchsetzung von Verbraucheransprüchen aus Fremdwährungskrediten, in Leupold [Hrsg], Forum Verbraucherrecht 2015, 103 [143, 145 f]; vgl 6 Ob 159/15y mwN).
6.3. Nach herrschender Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs steht dem Geschädigten – ähnlich wie dem Gläubiger einer Wahlschuld – die Wahl zu, ob er die (sowohl mögliche als auch tunliche) Naturalherstellung oder anstatt dessen Geldersatz verlangt (RIS‑Justiz RS0112887). In der Entscheidung 1 Ob 718/88 (RIS‑Justiz RS0022672) hat der Oberste Gerichtshof ausgesprochen, dass – wenn der Schaden im Entstehen einer Verbindlichkeit liegt – der Geschädigte, falls der Schädiger die Leistung von Schadenersatz ernsthaft und endgültig ablehnt, anstelle des auf Naturalrestitution gerichteten Befreiungsanspruchs Leistung des Interesses an sich selbst begehren könne. Dass bei der schadenersatzrechtlichen Naturalrestitution ein Freistellungsanspruch in Betracht kommt, gilt etwa für die Klage eines Erwerbers einer Liegenschaft gegen den Verkäufer, der seiner Depurierungspflicht nicht nachgekommen ist. In diesem Fall wird dem Erwerber ein Anspruch auf Tilgung der entsprechenden Verbindlichkeit gegenüber dem tatsächlichen Gläubiger zuerkannt. Dadurch soll der Gefahr der doppelten Inanspruchnahme des Verkäufers begegnet werden (4 Ob 118/01h = RIS‑Justiz RS0115370). Demgegenüber verneint die Entscheidung 8 Ob 66/14k ([Punkt 4.1] = SZ 2014/70) – ohne nähere Begründung – einen Freistellungsanspruch. Der erkennende Senat kann sich dieser Entscheidung nicht anschließen.
6.4. Aus dem Grundsatz der Naturalrestitution (§ 1323 ABGB) folgt, dass bei einem Schaden in Form des Entstehens einer Verbindlichkeit auch ein Freistellungs‑/Beseitigungsanspruch des Geschädigten gegenüber dem Schädiger nach dem Gesetz grundsätzlich nicht ausgeschlossen sein kann. Ein solcher Freistellungsanspruch ist jedenfalls dann anzuerkennen, wenn die konkrete Verbindlichkeit zu Gunsten des dritten Gläubigers bereits entstanden ist und von ihm auch geltend gemacht und damit fällig gestellt wurde.
Daraus ergibt sich, dass bei einem Schaden in Form einer Verbindlichkeit (wie im vorliegenden Fall) der Geschädigte grundsätzlich ein Begehren auf Befreiung von dieser konkreten Verbindlichkeit gegenüber dem Schädiger stellen kann. Soweit der Erstbeklagte dagegen mit der Subsidiarität eines Feststellungsbegehrens gegenüber einem Leistungsbegehren (vgl RIS‑Justiz RS0038817; RS0038849 ua) argumentiert, übersieht er offenbar, dass das Freistellungsbegehren eben ein Leistungsbegehren ist. Die Befreiung hat für den Geschädigten im Vergleich zu einem bloßen Feststellungsurteil über die Haftung den Vorteil, dass er über einen sofort vollstreckbaren Leistungstitel verfügt, mit dem die Handlungspflicht auf den Schädiger überwälzt wird (vgl G. Kodek in Zak 2015, 206). Der Befreiungstitel ist folglich gemäß § 353 EO – als vertretbare Handlung – vollstreckbar (G. Kodek aaO 206 unter Verweis auf 3 Ob 96/91 = RIS‑Justiz RS0040651 und 3 Ob 366/97p = SZ 71/28; RIS‑Justiz RS0109452).
6.5. Während ein Befreiungsanspruch, dessen Inhalt auch eine monatliche „Befreiungsrente“ sein kann, materiell‑rechtlich aus § 1323 ABGB herleitbar ist, ist prozessual für das entsprechende Leistungsbegehren auf Befreiung von der Verpflichtung zur monatlichen Rentenzahlung eine Analogie zu § 406 ZPO geboten. Satz 2 dieser Bestimmung sieht eine Verurteilung zu erst künftig fällig werdenden Leistungen nur bei „Ansprüchen auf Alimente“ vor. Die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zählt dazu auch Rentenansprüche nach § 1327 ABGB (RIS‑Justiz RS0030704 [T1, T5]) und überhaupt Forderungen, die nach ihrem Wesen und ihrem Zweck einer Unterhaltsforderung ähnlich sind (8 Ob 12/69 = EFSlg 12.286). Unter Anerkennung besonderer Interessenlagen hat die Judikatur den Grundgedanken der Ausnahmeregelung des § 406 Satz 2 ZPO über die Ansprüche mit Alimentationscharakter hinaus immer mehr erweitert (Nachweise bei Rechberger in Rechberger 4 § 406 ZPO Rz 9). Im vorliegenden Fall spricht für eine solche Analogie ganz entscheidend, dass die „Befreiungsrente“ die klagende Partei von ihrer Rentenverbindlichkeit nach § 1327 ABGB gegenüber dem Witwer und damit von der Pflicht diese „Ansprüche auf Alimente“ im Sinn des § 406 Satz 2 ZPO zu erfüllen, freistellen soll. § 1327 ABGB enthält eine Sonderregelung zugunsten mittelbar Geschädigter und gewährt dem nach dem Gesetz Unterhaltsberechtigten originäre Ansprüche auf Ersatz einer entgangenen tatsächlichen Unterhaltsleistung gegen den Schädiger (RIS‑Justiz RS0031342 [T14]). Hat der Erstbeklagte den Kläger von dieser titulierten Rentenzahlungsverpflichtung freizustellen, die durch sein rechtswidriges und schuldhaftes Verhalten verursacht wurde, spricht somit die Interessenlage ungeachtet des Ausnahmecharakters des § 406 Satz 2 ZPO dafür, wie bei Unterhaltsansprüchen nach dieser Gesetzesstelle auch für Ansprüche wie die des Arztes gegen den regresspflichtigen Rechtsanwalt die Verurteilung zu künftigen Leistungen als Schließung einer unbeabsichtigten Gesetzeslücke anzuerkennen. Die Gefährdung des eigenen Unterhalts des Befreiungsgläubigers durch eine laufende Rentenzahlungspflicht, der keine Gegenleistung gegenübersteht, ist als den Fällen des § 406 Satz 2 ZPO rechtsähnlich anzusehen.
Klarzustellen ist dazu, dass der Erstbeklagte die Befreiung der klagenden Partei von deren künftigen monatlichen Rentenverpflichtungen (in der Höhe von 1.200 EUR) jeweils erst und nur in dem Zeitpunkt schuldet, in dem der Witwer dieser gegenüber darauf Anspruch hat. Die Verpflichtung zur Freistellung der klagenden Partei trifft ihn daher für die zukünftigen Rentenzahlungen erst im Zeitpunkt ihrer Fälligkeit gegenüber dem Witwer.
7. Der Witwer pfändete während des erstinstanzlichen Verfahrens zur Hereinbringung einer exekutiv betriebenen Forderung von 25.721,56 EUR die von der klagenden Partei gegen den Erstbeklagten geltend gemachten Ansprüche. Eine Forderungspfändung im laufenden Verfahren, die erst nach Klagseinbringung erfolgte, berührt die Sachlegitimation der klagenden Partei gemäß § 234 erster Satz ZPO nicht, der ja auf jede Art von Einzelrechtsübertragung während des Prozesses, also auch auf die exekutive Überweisung von Forderungen nach den §§ 303 ff EO, Anwendung findet (RIS‑Justiz RS0003959 [T2]; RS0039231 [T4]; Klicka in Fasching/Konecny 2 § 234 ZPO Rz 7 [mN zur älteren ggt Judikatur]; Oberhammer in Angst/Oberhammer, EO3 § 308 EO Rz 11). Folge der Pfändung ist aber, dass im Fall eines Leistungsbegehrens statt auf Zahlung auf gerichtlichen Erlag zu erkennen ist (RIS‑Justiz RS0003959; RS0011442).
Zechner (Forderungsexekution [2000], § 308 EO Rz 2, S 346) führt dazu aus, dass jedenfalls auf Gerichtserlag zu erkennen sei, wenn es mehr als einen Forderungsansprecher (Überweisungsgläubiger, Vertragspfandgläubiger mit Verwertungsrecht, Zessionar) gebe, ansonsten jedoch das Klagebegehren auf Leistung an den Überweisungsgläubiger umzustellen sei. Oberhammer (aaO) plädiert undifferenziert dafür, dass das Klagebegehren– auch unabhängig davon, ob der Überweisungsgläubiger in den Prozess eintritt – auf jeden Fall auf Zahlung an diesen nach Maßgabe seiner zur Einziehung überwiesenen Forderung umzustellen und diese Änderung analog § 308a Abs 3 EO unabhängig vom Vorliegen der Voraussetzungen nach § 235 Abs 2 und 3 ZPO zuzulassen sei.
Ob der geltend gemachte Schadenersatzanspruch auch anderen Gläubigern der klagenden Partei zur Einziehung überwiesen worden ist, ist nicht geklärt. Jedenfalls kann im Umfang des an den Witwer als Überweisungsgläubiger überwiesenen Teilbetrags statt auf Zahlung an die klagende Partei von Amts wegen auf Erlag bei Gericht erkannt werden. Ein Erlagsbegehren ist gegenüber dem auf Zahlung ein Minus und wird daher von diesem umfasst. Die Verpflichtung, den zur Zahlung begehrten Betrag gerichtlich zu erlegen, ist zu der auf Zahlung nicht etwas qualitativ anderes, sondern eine quantitative Minderung. Eine Verurteilung zu gerichtlichem Erlag verstößt auch ohne darauf zielenden Parteiantrag nicht gegen § 405 ZPO (RIS‑Justiz RS0033511 [besonders T2]; Fucik in Fasching/Konecny 2 § 405 ZPO Rz 44).
Davon, dass dem Zahlungsbegehren im Umfang des gepfändeten und dem Witwer überwiesenen Teilbetrags von Amts wegen nur in Form des Erlags dieses Teilbetrags bei Gericht stattgegeben wird, wird das Freistellungsbegehren nicht berührt. Es ist nicht zu erkennen, dass für ein Befreiungsbegehren des Inhalts, dass gerade die Forderungen des Witwers, für die er gegenüber der klagenden Partei Exekutionstitel hat, vom Schädiger (dem Erstbeklagten) zum Erlöschen gebracht werden, eine Änderung des Klagebegehrens erforderlich wäre. Der Erstbeklagte vermag nicht aufzuzeigen, warum das Befreiungsbegehren insofern nicht mehr schlüssig sein solle. Im Übrigen wendet er sich gegen den Inhalt und Umfang dieses Freistellungsanspruchs nicht.
8. Die Revision ist daher nicht berechtigt. Der Zuspruch des Betrags von 27.457,95 EUR sA ist jedoch (ohne dass dies vom Erstbeklagten releviert wird) von Amts wegen im Umfang des gepfändeten und überwiesenen Teilbetrags von 25.721,56 EUR auf Erlag bei Gericht abzuändern.
9. Da das Berufungsgericht die Kostenentscheidung gemäß § 52 Abs 1 (und 2) ZPO vorbehielt, hat das Erstgericht nach rechtskräftiger Erledigung der Streitsache auch über die Kostenersatzpflicht des Erstbeklagten im Revisionsverfahren zu entscheiden (§ 52 Abs 3 ZPO; 7 Ob 5/13f mwN).
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