OGH 15Os151/11m

OGH15Os151/11m25.1.2012

Der Oberste Gerichtshof hat am 25. Jänner 2012 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Danek als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé und Mag. Lendl sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger und Dr. Michel-Kwapinski als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Brandstetter als Schriftführer in der Strafsache gegen Emmanuel O***** wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 12 dritter Fall StGB, § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall, Abs 4 Z 2 und 3 SMG über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 26. Juli 2011, GZ 41 Hv 3/11a-225, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Emmanuel O***** des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 12 dritter Fall StGB, § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall, Abs 4 Z 2 und Z 3 SMG schuldig erkannt.

Danach hat er in Amsterdam und an anderen Orten als Mitglied (zu ergänzen: einer Verbindung) einer größeren Zahl von Menschen zur Begehung solcher Straftaten zur vorschriftswidrigen Ausfuhr von Suchtgift in einer das Fünfundzwanzigfache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge aus den Niederlanden und zur anschließenden Einfuhr des Suchtgifts nach Deutschland, sowie zur Ausfuhr aus Deutschland und Einfuhr nach Österreich beigetragen, indem er mit unbekannten Mittätern die Suchtgiftlieferungen organisierte, und zwar

1./ im Mai 2007 zur Lieferung von 2.019,2 Gramm Kokain und 9.090,3 Gramm Heroin mit zumindest 659 Gramm Reinsubstanz Kokain und 396 Gramm Reinsubstanz Heroin durch Daniel D***** an Isa E***** in Wien;

2./ im Juni 2007 zur Lieferung von 10.578,2 Gramm Heroin und 2.644,5 Gramm Kokain mit zumindest 798 Gramm Reinsubstanz Kokain und 767 Gramm Reinsubstanz Heroin durch Maik H***** an unbekannte Abnehmer in Wien;

3./ im Mai 2008 zur Lieferung von 6.471,9 Gramm Heroin und 559,0 Gramm Kokain mit zumindest 149,7 Gramm Reinsubstanz Kokain HCL, 80,7 Gramm Reinsubstanz Heroin Base, 51,2 Gramm Monoacetylmorphin Base und 21,62 Gramm Acetylcodein durch Valentine I***** an unbekannte Abnehmer in Wien;

4./ im August 2008 zur Lieferung von 4.744,4 Gramm Cannabiskraut mit zumindest 303 Gramm Delta-9-THC durch Dennis O*****.

Rechtliche Beurteilung

Gegen dieses Urteil richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 3, 4, 5 und 10 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, der keine Berechtigung zukommt.

Die Verfahrensrüge (Z 3) macht - ohne Bezugnahme auf eine der unter diesem Nichtigkeitsgrund genannten Gesetzesbestimmungen - einen Nichtigkeit begründenden Verstoß mit der Behauptung geltend, dass eine nicht als Sachverständige zugelassene Gesellschaft mit der Erstattung des Gutachtens über eine Stimmvergleichsanalyse beauftragt worden sei. Dabei übersieht sie, dass die Aufzählung der unter Nichtigkeitssanktion stehenden Verfahrensvorschriften in Z 3 eine taxative ist, wobei mangels planwidriger Lücke eine Ausdehnung auf andere Bestimmungen im Weg der Analogie nicht möglich ist (vgl RIS-Justiz RS0082843, RS0099088, RS0099118, RS0099128; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 193). Angemerkt wird, dass die Behauptung des Beschwerdeführers auch inhaltlich jeder Grundlage entbehrt, weil nach den in der Hauptverhandlung vorgekommenen Aktenteilen (vgl ON 224 S 17) keine Gesellschaft, sondern MMag. Dr. Friederike B***** ad personam zur Sachverständigen aus dem Fachgebiet der forensischen Stimmvergleichsanalyse bestellt wurde (ON 207) und letztere selbst auftragsgemäß Befund und Gutachten erstattet hat (ON 224 S 7 und ON 211 S 13).

Auch mit ihren weiteren unter Z 3 vorgebrachten Erwägungen, mit denen die Untersuchungsmethode der Sachverständigen (verkürzt und unrichtig wiedergegeben, vgl ON 211 S 3 ff) in Frage gestellt und das Unterlassen eines Vergleichs mit weiteren Stimmproben anderer Personen kritisiert werden, verabsäumt die Beschwerde mangels Bezug auf eine der in Z 3 genannten Vorschriften eine prozessordnungsgemäße Ausführung. Dem Beschwerdeführer wäre es jedoch in diesem Zusammenhang freigestanden, durch geeignete Anträge im Rahmen der Hauptverhandlung auf eine Klärung der aus seiner Sicht fraglichen Umstände hinzuwirken, um in Hinsicht auf die dazu ergangene Entscheidung (allenfalls) zur Anfechtung nach Z 4 berechtigt zu sein (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 195).

Voraussetzung für die Geltendmachung des Nichtigkeitsgrundes der Z 4 ist, dass über einen in der Hauptverhandlung vom Beschwerdeführer gestellten Antrag nicht oder nicht in dessen Sinn mit Zwischenerkenntnis entschieden worden ist; die Hintansetzung von Verfahrensgrundsätzen zum Nachteil eines Beschwerdeführers muss also durch ein gegen seinen Antrag oder Widerspruch gefälltes Zwischenerkenntnis des erkennenden Gerichts erfolgt sein (RIS-Justiz RS0099250; vgl auch Ratz, WK-StPO § 281 Rz 302 ff; RIS-Justiz RS0099244, RS0099112).

Indem die Verfahrensrüge nach Z 4 die Unterlassung der Vernehmung des Zeugen Wolfgang H***** unter bloßer Bezugnahme darauf, dass in der Hauptverhandlung am 15. Februar 2011 von Amts wegen dessen Ladung beschlossen worden war, rügt, bezieht sie sich nicht auf einen vom Beschwerdeführer gestellten Antrag, sodass ihm die Geltendmachung dieses Nichtigkeitgrundes verwehrt ist.

Die Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) behauptet das Fehlen einer Begründung der Feststellung des Schöffengerichts, dass der Angeklagte mit seinem Einkommen offenbar nicht das Auslangen gefunden und spätestens im Mai 2007 beschlossen habe, sich durch die Organisation von Suchtgiftlieferungen aus den Niederlanden nach Österreich ein Zusatzeinkommen zu erwirtschaften (US 7).

Keine oder eine nur offenbar unzureichende Begründung liegt dann vor, wenn für den Ausspruch über eine entscheidende Tatsache entweder überhaupt keine oder nur solche Gründe (Scheingründe) angegeben sind, aus denen sich nach den Kriterien logischen Denkens oder allgemeiner Lebenserfahrung ein Schluss auf die zu begründende Tatsache entweder überhaupt nicht ziehen lässt oder der logische Zusammenhang kaum noch erkennbar ist (RIS-Justiz RS0108609). Im vorliegenden Fall haben die Tatrichter die Feststellungen zur subjektiven Tatseite in erster Linie auf die „objektive Begehungsweise“ gestützt (US 35) und somit die subjektive Tatseite des leugnenden Angeklagten ausreichend begründet, können doch Konstatierungen zum inneren Vorhaben des Täters bei Fehlen eines Geständnisses in aller Regel nur durch eine lebensnahe Beurteilung seines äußeren Verhaltens getroffen werden (vgl RIS-Justiz RS0098671 [T5]). Das in den Urteilsfeststellungen erwähnte Tatmotiv (US 7) berührt hingegen weder die Schuldfrage noch den anzuwendenden Strafsatz (vgl RIS-Justiz RS0088761) und wurde vom Erstgericht auch nicht zur Begründung der subjektiven Tatseite herangezogen (vgl zum Begriff der erheblichen Tatsachen Ratz, WK-StPO § 281 Rz 409; RIS-Justiz RS0116877). Die Tatrichter waren daher nicht verhalten, das Motiv des Angeklagten einer Begründung zu unterziehen.

Die Subsumtionsrüge (Z 10) behauptet, die Feststellungen des Erstgerichts zur Willensausrichtung des Angeklagten in Bezug auf die Qualifikation des § 28a Abs 4 Z 3 SMG seien unzureichend, denn sie stellten eine über die Verwendung der verba legalia nicht hinausgehende willkürliche Annahme dar. Warum die vorliegenden Urteilskonstatierungen (US 7 ff) einschließlich jener, dass der Vorsatz des Angeklagten den an die bewusst kontinuierliche Tatbegehung geknüpften Additionseffekt umfasst hat (US 27), entgegen der ständigen Rechtsprechung (vgl RIS-Justiz RS0088096; 14 Os 112/00; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 606) eine Subsumtion unter die Qualifikation des § 28a Abs 4 Z 3 SMG nicht zulassen und welche darüber hinaus gehenden Feststellungen das Erstgericht zur richtigen rechtlichen Beurteilung treffen hätte sollen, legt die Beschwerde nicht methodisch vertretbar dar (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 588 f). Sie ist somit mangels Substantiierung im Sinn der §§ 285 Abs 1, 285a Z 2 StPO einer argumentationsbezogenen sachlichen Behandlung nicht zugänglich (RIS-Justiz RS0099938).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts Wien zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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