OGH 3Ob44/10g

OGH3Ob44/10g26.5.2010

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden sowie die Hofräte und Hofrätinnen Hon.-Prof. Dr. Sailer, Dr. Lovrek, Dr. Jensik und Dr. Fichtenau als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Camel (auch: Kamel) K*****, vertreten durch Dr. Alfred Kriegler, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Regina K*****, vertreten durch Dr. Wolfgang Ehrnberger, Rechtsanwalt in Purkersdorf, wegen Einwendungen gegen den Anspruch (§ 35 EO), über den Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 17. November 2009, GZ 44 R 519/09p-14, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 3. August 2009, GZ 79 C 23/09f-7, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass die Einrede der Streitanhängigkeit verworfen wird.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 684,82 EUR (darin 113,52 EUR) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Der Kläger hatte sich in einem Unterhaltsverfahren mit vollstreckbarem gerichtlichen Vergleich vom 10. November 2008 verpflichtet, der Beklagten einen monatlichen Unterhaltsbetrag von 3.809,40 EUR (5.600 EUR abzüglich 1.790,60 EUR für Naturalunterhaltsleistungen) zu zahlen.

Zwischen den Parteien nicht strittig ist, dass das Erstgericht der Beklagten zur Hereinbringung des restlichen Unterhalts für den Monat Juni 2009 von 2.009,40 EUR sA die Forderungsexekution bewilligte. Bereits vorher hatte es der Beklagten eine gleichartige Zwangsvollstreckung zur Hereinbringung eines Unterhaltsrückstands für den Monat Mai 2009 bewilligt, wogegen der Kläger am 16. Juni 2009 Klage nach § 35 EO erhob, die „einen identen Klagegrund und ein identes Klagebegehren“ aufgewiesen habe.

Das Erstgericht wies die auf nachträgliche Änderung der Einkommensverhältnisse, die zum überwiegenden Erlöschen des Unterhaltsanspruchs geführt hätten, gestützte Oppositionsklage vom 6. Juli 2009 wegen Streitanhängigkeit zurück. Der Kläger habe - so die wesentliche Begründung - mit der früheren Klage das teilweise Erlöschen des Unterhaltsanspruchs im Zuge eines wegen des Unterhaltsrückstands für Mai 2009 geführten Exekutionsverfahrens geltend gemacht, also dasselbe Rechtsschutzziel verfolgt, das sich aus den rechtserzeugenden Tatsachen und dem daraus abgeleiteten Begehren ergebe. Auch die Oppositionsklage könne eine Änderung des Umfangs der Unterhaltspflicht ergeben (1 Ob 38/07f).

Das Rekursgericht bestätigte diesen Beschluss und erklärte den ordentlichen Revisionsrekurs für zulässig.

Identität des Streitgegenstands sei gegeben, wenn Klagen dieselbe Grundlage und denselben Gegenstand beträfen. Dafür berief sich dieses Gericht auf die zum LGVÜ ergangene Entscheidung 3 Ob 203/03d. Da im Sinne der Kombinationstheorie der Rechtsprechung das Urteil im Oppositionsprozess den Anspruch selbst angreife und daher nicht nur für die Anlassexekution sondern auch für alle künftigen Exekutionen wirke, sei dem Erstgericht zuzustimmen.

Es vertrat die Ansicht, dass der Wert seines Entscheidungsgenstands 30.000 EUR übersteige, weil der Streitwert der Oppositionsklage betreffend einen Unterhaltstitel gleich dem nach § 58 Abs 1 JN zu berechnenden Wert des Unterhaltsanspruchs selbst sei. Der Revisionsrekurs sei zuzulassen, weil aus der von ihm dargestellten Rechtsprechung nicht hervorgehe, ob sich das Gericht im Oppositionsprozess betreffend einen Unterhaltstitel auf die Prüfung des Titels bloß für den in Exekution gezogenen Zeitraum beschränken könne und sich daraus - mangels Anlassexekutionen auf künftig fällig werdende Unterhaltsbeiträge - bei Exekutionen für unterschiedliche Zeiträume unterschiedliche Streitgegenstände ergäben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig und auch berechtigt.

1. Entgegen der Ansicht des Rekursgerichts (aber im Einklang mit der Streitwertangabe schon im Klageschriftsatz) kann allerdings, wie zu zeigen sein wird, Entscheidungsgegenstand zweiter Instanz nur der Betrag sein, zu dessen Hereinbringung Exekution geführt wird, also hier 2.009,40 EUR. Damit erreicht und übersteigt dieser Entscheidungsgegenstand 30.000 EUR bei weitem nicht. Die Untergrenze des § 528 Abs 2 Z 1 ZPO (5.000 EUR) gilt aber ua nicht für Unterhaltsklagen iSd § 49 Abs 2 Z 2 JN (hier) zwischen geschiedenen Ehegatten aufgrund des Gesetzes. Wie sich aus der Klagserzählung ergibt, gesteht der Kläger der Beklagten, seiner Ehefrau, etwa 39 % der Bemessungsgrundlage (Summe der Einkommen beider) abzüglich ihres eigenen Einkommens und weiterer Leistungen seinerseits als Unterhalt zu. Der verglichene Unterhaltsbetrag wäre nach dem Vorbringen, ginge man von einem gleichbleibenden Einkommen der Beklagten aus, unter diesem Prozentsatz gelegen. Es ist daher davon auszugehen, dass Gegenstand der Exekution und damit auch des Oppositionsverfahrens gesetzlicher Unterhalt ist.

Dass nicht der nach § 58 Abs 1 JN errechnete Betrag maßgebend sein kann, ergibt sich bereits daraus, dass antragsgemäß schon die Exekutionsbewilligung nur für einen für Mai 2009 begehrten Teilunterhaltsbetrag erteilt wurde. Zur Hereinbringung eines laufenden (im Sinn eines erst künftig jeweils monatlich fällig werdenden) Unterhalts gab es daher - was auch das Rekursgericht keineswegs verkannte - keine Exekution (nach § 291c Abs 1 Z 1 iVm § 291b Abs 1 Z 1 EO), deren Anhängigkeit nach § 35 Abs 1 EO eine unabdingbare Voraussetzung für die Zulässigkeit einer Oppositionsklage bildet (RIS-Justiz RS0001465; RS0001740). Die Exekution des nach § 35 EO bekämpften Anspruchs muss spätestens bei Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz bewilligt sein (RIS-Justiz RS0001454). Auf die Bewilligung der Exekution zur Hereinbringung erst künftig fälliger Unterhaltsbeträge hat sich der Kläger nie berufen. Auch im Revisionsrekursverfahren macht er zu Recht geltend, es seien von der Beklagten nur die Unterhaltsansprüche für Mai und Juni 2009 gesondert in Exekution gezogen worden, der laufende Unterhalt aber gerade nicht. Somit war auch im Einklang mit der Rechtsprechung (RIS-Justiz RS0001084, bes [T1]) nur der Unterhaltsrückstand für Juni von 2.009,40 EUR Gegenstand seiner (zurückgewiesenen) Klage und demnach auch Entscheidungsgegenstand zweiter Instanz (ebenso bereits 3 Ob 34/93, 3 Ob 68/93; vgl auch 3 Ob 33/03d). Die Zulässigkeit der Revision hindert das nicht, weil Oppositionsklagen, in denen das (auch nur teilweise) Erlöschen des Unterhaltsanspruchs dem Grunde nach geltend gemacht wird, nach ständiger Rechtsprechung unter § 49 Abs 2 Z 2 JN fallen, auch nach der durch das AußStr-BegleitG BGBl I 2003/112 geänderten Rechtslage (3 Ob 235/08t mwN), und das Gericht zweiter Instanz den Revisionsrekurs nach § 528 Abs 2 Z 1a ZPO zugelassen hat.

2. Dass die Anlassexekution mittlerweile auf Antrag der Beklagten (mit Beschluss des Erstgerichts vom 10. September 2009, also nach Schluss der Verhandlung erster Instanz am 3. August 2009) eingestellt wurde, nimmt dem Kläger die Beschwer nicht, weil er ja noch immer ein Feststellungsinteresse wegen der Möglichkeit der Rückforderung von bereits exekutiv hereingebrachten Beträgen oder einer allfälligen neuerlichen Exekutionsführung hat (3 Ob 150/03k mwN; Jakusch in Angst EO² Rz 68c).

3. Das Rekursgericht hat wie schon das Gericht erster Instanz die Rechtslage verkannt. An sich liegt dazu auch bereits die Entscheidung 3 Ob 70/77 = EFSlg 30.127 vor (zitiert bei Dullinger in Burgstaller/Deixler-Hübner, EO § 35 Rz 88), zu der allerdings im RIS-Justiz kein Leitsatz gebildet wurde. Ihr ist auch das Rekursgericht schon einmal gefolgt (43 R 2118/91 = EFSlg 67.004; ebenso LG Feldkirch 1 R 103/02h = EFSlg 102.241, 102.242). Demnach liegt - auch nach der Kombinationstheorie [die richtigerweise ja nur besagt, dass sich diese Klage auch gegen den Anspruch richte, soweit er Gegenstand der Exekution ist] - zwischen zwei Oppositionsklagen gegen Exekutionen zur Hereinbringung von Unterhaltsrückständen für unterschiedliche Zeiträume das Prozesshindernis der Streitanhängigkeit nicht vor. An dieser Rechtsprechung ist weiter festzuhalten. Sie liegt auch erkennbar der Entscheidung 3 Ob 2309/96x zugrunde, die zwischen dem Klagebegehren nach § 35 EO (hinsichtlich des allein betriebenen Rückstands) und einem impliziten Feststellungsbegehren (für die Zukunft) unterschied. Da, wie dargelegt, Streitgegenstand der vorliegenden Oppositionsklage nichts anderes ist (und sein kann!) als der in Exekution gezogene Teil des Unterhaltsanspruchs der Beklagten für den Monat Juni 2009 und Gegenstand der früheren Klage der entsprechende Teil für Mai 2009, kann von einer Identität der Begehren, jeder dieser Ansprüche sei teilweise erloschen, keine Rede sein.

Demnach gingen die Vorinstanzen zu Unrecht vom Prozesshindernis der Streitanhängigkeit aus. Ihre Entscheidungen sind daher dahin abzuändern, dass nach § 261 Abs 1 ZPO die von der Beklagten erhobene Prozesseinrede abgewiesen wird.

Die Kostenentscheidung im Zwischenstreit über das Prozesshindernis gründet sich auf die §§ 50, 41 ZPO.

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