VwGH 96/08/0406

VwGH96/08/040624.11.1998

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Sauberer, DDr. Jakusch, Dr. Müller, Dr. Novak, Dr. Mizner, Dr. Händschke, Dr. Sulyok und Dr. Nowakowski als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über den Antrag der S als Masseverwalterin im Konkurs über das Vermögen des O, vertreten durch Dr. Alix Frank, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Schmerlingplatz 8, auf Wiederaufnahme des durch Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. November 1996, Zl. 96/08/0218, abgeschlossenen verwaltungsgerichtlichen Verfahrens, den Beschluß gefaßt:

Normen

ABGB §1297;
AVG §37;
AVG §39 Abs2;
AVG §45 Abs3;
VwGG §13 Abs1 Z1;
VwGG §13 Abs1 Z2;
VwGG §28 Abs1 Z7;
VwGG §33 Abs1;
VwGG §33 Abs2;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §41 Abs1;
VwGG §45 Abs1 Z2;
VwGG §45 Abs1 Z4;
VwGG §45 Abs1;
VwGG §62 Abs1;
ABGB §1297;
AVG §37;
AVG §39 Abs2;
AVG §45 Abs3;
VwGG §13 Abs1 Z1;
VwGG §13 Abs1 Z2;
VwGG §28 Abs1 Z7;
VwGG §33 Abs1;
VwGG §33 Abs2;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §41 Abs1;
VwGG §45 Abs1 Z2;
VwGG §45 Abs1 Z4;
VwGG §45 Abs1;
VwGG §62 Abs1;

 

Spruch:

Dem Antrag auf Wiederaufnahme wird gem. § 45 VwGG stattgegeben.

Begründung

Der Verwaltungsgerichtshof hat mit seinem Beschluß vom 19. November 1996 die zur Zl. 96/08/0218 protokollierte Beschwerde des Dkfm. Otto Frank (in der Folge: Beschwerdeführer) gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Kärnten vom 29. Februar 1996, mit dem ein Einspruch des Genannten als unzulässig zurückgewiesen worden war, wegen Versäumung der Einbringungsfrist zurückgewiesen. Die mit 10. April 1996 datierte Beschwerde führte zur Frage der Rechtzeitigkeit aus, daß der angefochtene Bescheid am 1. März 1996 zugestellt worden und die Beschwerde somit rechtzeitig sei. Die Beschwerde wurde unstrittig am 15. April 1996 zur Post gegeben. Der (die zur Zl. 96/08/0218 protokollierte Beschwerde zurückweisende) Beschluß wurde an die Vertreterin der nunmehrigen Antragstellerin am 17. Dezember 1996 zugestellt.

Mit dem am 30. Dezember 1996 eingelangten Schriftsatz begehrte die Antragstellerin die Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Beschwerdefrist gemäß § 46 Abs. 1 VwGG und die Wiederaufnahme des mit Beschluß vom 19. November 1996 abgeschlossenen Verfahrens gemäß § 45 Abs. 1 Z. 2 VwGG. Gleichzeitig wurde die Beschwerde wiederholt. Zur Begründung dieser Anträge wurde ausgeführt, der Bescheid des Landeshauptmannes von Kärnten sei dem Beschwerdeführer am 4. März 1996 zugestellt und es sei fristgerecht am 15. April 1996 Beschwerde erhoben worden. In der Beschwerde sei irrtümlich aufgrund eines "bedauernswerten Schreibfehlers" angeführt worden, daß der Bescheid am 1. März 1996 zugestellt worden sei. Der Schreibfehler, der zur Verfristung (gemeint: zur Zurückweisung wegen Verfristung) der eingebrachten Beschwerde geführt habe, sei trotz mehrmaligen Durchlesens und Kontrolle der Beschwerde der seinerzeitigen Beschwerdevertreterin nicht aufgefallen. Es handle sich daher um ein unabwendbares bzw. unvorhergesehenes Ereignis, da von der Beschwerdevertreterin nicht vorhersehbar gewesen sei, daß ein derartiger Schreibfehler übersehen werden könne. Es sei daher auch nicht abzuwenden gewesen, daß die Beschwerde mit diesem Schreibfehler zur Post gehe. Bei diesem "bedauernswerten Schreibfehler" handle es sich nicht um einen schuldhaft verursachten Irrtum, sondern um ein unvorhergesehenes und unabwendbares Ereignis, weil der Schreibfehler trotz mehrmaliger Kontrolle nicht erkennbar gewesen sei. Aus diesem Grunde sei auch der Wiederaufnahmegrund des § 45 Abs. 1 Z. 2 VwGG gegeben.

Mit Beschluß vom 18. März 1997, Zl. 96/08/0405, wurde der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand mangels Versäumung einer Frist zurückgewiesen.

Die Antragstellerin stellte das Begehren auf Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 45 Abs. 1 Z. 2 VwGG (im Rubrum) und führt im Antrag dazu aus, daß aufgrund des behaupteten Sachverhaltes der Wiederaufnahmegrund des § 45 Abs. 1 Z. 2 VwGG vorliege.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über diesen Antrag in einem gemäß § 13 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG gebildeten verstärkten Senat erwogen:

1. Was zunächst den im Antrag ausdrücklich geltend gemachten Wiederaufnahmegrund des § 45 Abs. 1 Z. 2 VwGG betrifft, ist dem Antragsvorbringen zu entgegnen, daß ein Antrag nur dann mit Erfolg auf diesen Wiederaufnahmegrund gestützt werden kann, wenn das Erkenntnis oder der Beschluß des Gerichtshofes auf einer nicht von der Partei verschuldeten irrigen Annahme der Versäumung einer in diesem Bundesgesetz vorgesehenen Frist beruht.

Der erkennende Senat vermag zwar die in der Rechtsprechung mitunter vertretene Auffassung nicht aufrechtzuerhalten, wonach in Fällen wie dem vorliegenden von einem Irrtum des Gerichtshofes nicht gesprochen werden könne, weil "nur" eine irrige Fristangabe durch den Beschwerdeführer vorliege (vgl. in diesem Sinne die hg. Beschlüsse vom 8. April 1986, Zl. 86/14/0039, 0040, vom 22. Mai 1990, Zl. 90/14/0067, 0068, vom 15. September 1992, Zl. 92/04/0185, und vom 10. Oktober 1995, Zl. 95/20/0402): Ein Irrtum des Gerichtshofes liegt nämlich immer schon dann vor, wenn der Sachverhalt, von welchem er ausgeht, mit dem in der Realität vorliegenden Sachverhalt nicht übereinstimmt, fallbezogen, wenn seine Annahme, die Beschwerde sei verspätet, nicht zutrifft (vgl. in diesem Sinne die Beschlüsse vom 24. September 1952, Zl. 2160/52, vom 20. Mai 1981, Zlen. 81/03/0066, 0067, 0103, 0104, vom 29. September 1993, Zlen. 93/03/0179, 0180, und vom 25. August 1995, Zlen. 95/05/0126, 0127, 0129).

Eine davon zu trennende Frage ist aber, von wem dieser Irrtum herbeigeführt wurde, da er - nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes - nicht von der Partei verschuldet gewesen sein darf. Verschulden bedeutet die Verletzung "eines solchen Grades des Fleißes und der Aufmerksamkeit ..., welcher bei gewöhnlichen Fähigkeiten angewendet werden kann" (§ 1297 ABGB), wobei leichte Fahrlässigkeit genügt. Auch ist das Verschulden des Bevollmächtigten dem Verschulden der Partei selbst gleichzuhalten.

Nach Auffassung des erkennenden Senates ist zwar nicht bereits die unrichtige Angabe des Tages der Zustellung des angefochtenen Bescheides als Verschulden in diesem Sinne wiederaufnahmeschädlich. Den Rechtsanwalt trifft aber vor der Einbringung der Beschwerde die Verpflichtung, die Richtigkeit des Vorbringens in den wesentlichen Punkten (und dazu gehören jedenfalls die in § 28 Abs. 1 VwGG genannten Umstände) zu überprüfen. Wenn dabei ein Versehen der vorliegenden Art unterläuft, dann hat der Rechtsanwalt darzulegen, aus welchen Gründen dieses Versehen von ihm nicht zu vertreten ist. Die Behauptung, daß "der Schreibfehler trotz mehrmaliger Kontrolle nicht erkennbar" gewesen sei, ist nicht geeignet darzutun, daß der Fehler geschehen konnte, obwohl es der Beschwerdevertreter nicht an der gehörigen Sorgfalt fehlen ließ.

2. Der Verwaltungsgerichtshof hatte aus Anlaß des vorliegenden Antrages aber auch das Vorliegen eines anderen als des genannten Wiederaufnahmegrundes zu prüfen, wie er dies in seiner bisherigen Rechtsprechung bereits wiederholt zum Ausdruck gebracht hat. So hat der Gerichtshof sowohl einen als Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bezeichneten Antrag als einen solchen auf Wiederaufnahme des Verfahrens beurteilt (Beschluß vom 7. Juli 1987, Zl. 87/07/0063) als auch Wiederaufnahmeanträge, die durch Anführung einer bestimmten Ziffer des § 45 Abs. 1 VwGG ausdrücklich auf einen bestimmten Wiederaufnahmegrund gestützt worden waren, auch hinsichtlich des Vorliegens anderer in § 45 Abs. 1 leg. cit. genannter Gründe geprüft (vgl. die Beschlüsse vom 14. März 1988, Zlen. 88/10/0024, 0028, vom 15. September 1992, Zl. 92/04/0185, vom 15. Dezember 1992, Zl. 92/11/0249, vom 10. Oktober 1995, Zl. 95/20/0402, und vom 21. Mai 1996, Zlen. 96/04/0076, 0077).

Der Verwaltungsgerichtshof bleibt bei dieser Rechtsprechung:

Die Prüfung eines Wiederaufnahmeantrages durch den Verwaltungsgerichtshof ist nicht auf jene Ziffern des § 45 Abs. 1 VwGG beschränkt, auf die sich der Antrag ausdrücklich stützt; er hat gegebenenfalls auch andere der im § 45 Abs. 1 Z. 1 bis 5 VwGG genannten Wiederaufnahmegründe zu berücksichtigen, sofern ein solcher Wiederaufnahmegrund nach den im Antrag behaupteten Umständen erkennbar ist und eine solche Prüfung daher angezeigt erscheint.

2.1. Für den vorliegenden Fall bedeutet dies, daß der auf § 45 Abs. 1 Z. 2 VwGG gestützte Wiederaufnahmeantrag auch unter dem Gesichtspunkt des § 45 Abs. 1 Z. 4 VwGG zu untersuchen ist. Nach der genannten Bestimmung ist die Wiederaufnahme des Verfahrens zu bewilligen, wenn im Verfahren vor dem Gerichtshof den Vorschriften über das Parteiengehör nicht entsprochen wurde und anzunehmen ist, daß sonst das Erkenntnis oder der Beschluß anders gelautet hätte.

2.2. Da der beschwerdeführenden Partei zu der vom Verwaltungsgerichtshof in seinem Beschluß vom 19. November 1996, Zl. 96/08/0218, angenommenen Verspätung der Beschwerde kein Parteiengehör gewährt wurde und dieser Beschluß - wie sich nunmehr herausstellt - auf einer Sachverhaltsannahme beruht, deren Unrichtigkeit im Falle der Gewährung von Parteiengehör zweifellos zutage getreten wäre, wäre der antragstellenden Partei die Wiederaufnahme des Verfahrens zu bewilligen, wenn der Gerichtshof vor Erlassung des Beschlusses vom 19. November 1996 den Vorschriften über das Parteiengehör nicht entsprochen hätte, wenn er also verpflichtet gewesen wäre, dem Beschwerdeführer Parteiengehör zu gewähren.

2.3. Eine Verpflichtung, dem Beschwerdeführer zu dem Umstand, daß sich aus der Fristenberechnung unter Zugrundelegung des von ihm hinsichtlich des angefochtenen Bescheides angegebenen Zustelldatums eine Verspätung der Beschwerde ergibt, Parteiengehör zu gewähren, stünde zunächst mit der Auffassung nicht in Einklang, der Gerichtshof sei an diese Angaben gebunden.

Dazu gibt es, ausgehend vom Beschluß vom 21. Mai 1969, Slg. Nr. 7572/A, zum Teil miteinander nicht in Einklang stehende Judikaturlinien.

2.3.1. In der Begründung des Beschlusses vom 21. Mai 1969, Slg. Nr. 7572/A, mit dem ein auf § 45 Abs. 1 lit. b VwGG in der damals anzuwendenden Fassung gestützter Wiederaufnahmeantrag abgewiesen wurde, heißt es nach Darlegungen zum Sinn des § 28 Abs. 1 Z. 7 VwGG:

"Diese Erwägung zeigt, daß kein Irrtum des Verwaltungsgerichtshofes über die Versäumung der Beschwerdefrist vorliegen kann, wenn es der Beschwerdeführer trotz Vorliegens eines Auftrages zur Mängelbehebung - aus welchem Grund immer - versäumt, den Tag der Zustellung des angefochtenen Bescheides anzugeben, und der Verwaltungsgerichtshof deshalb das Verfahren gemäß § 28 Abs. 1 VwGG einstellt. Die Angabe nach § 28 Abs. 1 Z. 7 VwGG besitzt vielmehr selbständige prozessuale Bedeutung in dem Sinne, daß der Verwaltungsgerichtshof, solange das Vorverfahren noch nicht eingeleitet ist, sich einerseits auf sie allein zu stützen vermag, um die Rechtzeitigkeit der Beschwerdeerhebung festzustellen, andererseits die Zurückziehung der Beschwerde im Sinn des § 34 Abs. 2 VwGG annehmen darf, wenn die Angabe, obwohl ein Auftrag zur Behebung der Mängel seitens des Gerichtshofes vorlag, unterlassen worden ist. Der Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes (über die Einstellung des Beschwerdeverfahrens) beruht daher nicht auf einer von der Partei verschuldeten irrigen Annahme der Versäumung einer im Verwaltungsgerichtshofgesetz vorgesehenen Frist. Vielmehr beruht er auf der richtigen Annahme der Versäumung der mit der

hg. Verfügung ... eingeräumten Frist zur Mängelbehebung."

Sachverhalt und Begründung dieses Beschlusses zeigen, daß in diesem Beschluß ein anderes, von der vorliegenden Frage verschiedenes Problem gelöst wurde, hat doch damals der Beschwerdeführer weder in der Beschwerde noch im Mängelbehebungsschriftsatz ein Zustelldatum angegeben. Der eingangs erwähnte Rechtssatz aus diesem Beschluß zu § 28 Abs. 1 Z. 7 VwGG wurde in der Folge jedoch aufgegriffen und zu unterschiedlichen Judikaturlinien weiterentwickelt.

2.3.2. So wurde die Zurückweisung von Beschwerden als verspätet, unter Zitierung des Beschlusses Slg. Nr. 7572/A, mit dem folgenden oder einem ähnlichem inhaltsgleichen Satz begründet:

"Diese Angabe (über den Zustelltag) nach § 28 Abs. 1 Z. 7 besitzt selbständige prozessuale Bedeutung in dem Sinn, daß der Verwaltungsgerichtshof, solange das Vorverfahren noch nicht eingeleitet ist, sich allein auf sie stützen darf, um die Rechtzeitigkeit der Beschwerdeerhebung festzustellen." (Beschlüsse vom 5. Juli 1977, Zlen. 1062, 1064/77, vom 19. Oktober 1982, Zl. 82/11/0253, 0258, vom 11. Juli 1983, Zl. 83/10/0195, 0196, vom 20. Jänner 1984, Zl. 83/17/0246, vom 5. März 1985, Zl. 85/05/0043, vom 4. Juli 1985, Zl. 85/02/0186, vom 8. April 1986, Zlen. 86/14/0039, 0040, vom 21. September 1987, Zl. 87/10/0115, und vom 15. Dezember 1992, Zl. 92/11/0273).

2.3.3. Eine die Bedeutung des § 28 Abs. 1 Z. 7 VwGG noch verstärkende Formel wurde im Beschluß vom 1. Juni 1977, Zlen. 1045, 1166/77, in folgender Form verwendet:

"Allein anhand der Angaben in der Beschwerde, die erforderlich sind, um zu beurteilen, ob die Beschwerde rechtzeitig eingebracht ist, und denen im Sinn des § 28 Abs. 1 Z. 7 VwGG selbständige prozessuale Bedeutung zukommt, ist zunächst - das heißt solange das Vorverfahren nicht eingeleitet ist - gemäß § 34 Abs. 1 VwGG die Rechtzeitigkeit der Beschwerdeerhebung zu prüfen

(VwSlg. 7572/A/1969)".

Ähnlich heißt es im Beschluß vom 12. Februar 1979, Zl. 312/79:

"Dem entsprechend § 28 Abs. 1 Z. 7 VwGG erstatteten Beschwerdevorbringen zufolge - an das der Verwaltungsgerichtshof als den formellen Inhalt der Beschwerde betreffend gebunden ist (vgl. den hg. Beschluß vom 21. September 1967, Slg. Nr. 3653/F, u. a.) - wurde der angefochtene Bescheid dem Beschwerdeführer am

16. Dezember 1978 ... zugestellt ...".

2.4. In der genannten Rechtsprechung wurde somit den gemäß § 28 Abs. 1 Z. 7 VwGG gemachten Angaben des Beschwerdeführers eine für die (endgültige) Beurteilung der Rechtzeitigkeit einer Beschwerde in diesem Verfahrensstadium allein maßgebende Bedeutung zuerkannt.

In mehreren Entscheidungen ging der Verwaltungsgerichtshof davon aus, daß er an die Angaben gemäß § 28 Abs. 1 Z. 7 VwGG nur insoweit gebunden sei, als sie nicht in sich widersprüchlich seien bzw. mit dem im Zeitpunkt der Prüfung vorliegenden Urkunden im Widerspruch stünden oder offenkundig unrichtig seien (Beschlüsse vom 7. Juli 1992, Zlen. 92/08/0126, 0127, vom 29. September 1992, Zl. 92/08/0176, vom 29. September 1992, Zl. 92/08/0180, und vom 21. März 1995, Zl. 94/08/0230).

Schließlich wurde in einem Fall, in dem angegeben worden war, der Bescheid vom 23. Februar 1989 sei am 17. März 1988 zugestellt worden, die Zurückweisung der Beschwerde als verspätet ausdrücklich mit der Begründung abgelehnt, daß "es keiner amtswegigen Überprüfung der Angaben über die Zustellung bedurfte, um zu erkennen, daß die Jahreszahlangabe im behaupteten Zustelldatum offensichtlich verschrieben sein mußte" (Erkenntnis vom 11. Dezember 1990, Zl. 90/14/0079).

2.5. Mit der zuletzt referierten Rechtsprechung ist die Annahme einer Bindung an die gemäß § 28 Abs. 1 Z. 7 VwGG in der Beschwerde zu erstattenden Angaben nicht vereinbar.

Jene Angaben, die eine Beschwerde gemäß § 28 Abs. 1 Z. 7 VwGG zu enthalten hat, dienen zwar dazu, dem Gerichtshof schon in diesem Stadium des Verfahrens jene Informationen zu verschaffen, die zur Beurteilung der Rechtzeitigkeit der Beschwerde erforderlich sind, um damit die Verursachung überflüssigen weiteren Verfahrensaufwandes durch die Einleitung eines Vorverfahrens für die belangte Behörde, allfällige mitbeteiligte Parteien und auch den Gerichtshof selbst tunlichst zu vermeiden. Insoweit als sich aus diesen Angaben die Rechtzeitigkeit der Beschwerde ergibt, ist daran festzuhalten, daß die Angabe nach § 28 Abs. 1 Z. 7 VwGG selbständige prozessuale Bedeutung in dem Sinn besitzt, daß der Verwaltungsgerichtshof, solange das Vorverfahren noch nicht eingeleitet ist, sich auf sie allein stützen darf. Wenn nach Einleitung des Vorverfahrens die Akten des Verwaltungsverfahrens dem Verwaltungsgerichtshof vorliegen, ist die Rechtzeitigkeit der Beschwerde sodann endgültig anhand des Inhaltes des Verwaltungsaktes zu prüfen, wie sich aus der Anordnung des § 34 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 VwGG ergibt, wonach u.a. auch die Verspätung der Beschwerde in jeder Lage des Verfahrens wahrzunehmen ist.

Gerade aus § 34 Abs. 1 VwGG ergibt sich aber, daß der Verwaltungsgerichtshof eine Beschwerde nur dann zurückweisen darf, wenn die Beschwerdefrist nicht eingehalten wurde, nicht aber schon dann, wenn dies bloß der Fall zu sein scheint. Dies stünde auch mit dem Grundsatz in Widerspruch, daß der Gerichtshof das Vorliegen der Prozeßvoraussetzungen immer selbst zu prüfen hat.

Schließlich sprechen auch die Konsequenzen dieser Auffassung, die sich für den Rechtsschutz ergeben, gegen deren Richtigkeit:

während jener Partei, die tatsächlich die Beschwerdefrist versäumt hat, unter der Voraussetzung, daß sie daran kein grobes Verschulden trifft, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand im Sinne des § 46 VwGG zu bewilligen ist, stünde der Partei, die bloß vermeintlich diese Frist versäumt, sie in Wahrheit aber eingehalten hat, kein vergleichbares Rechtsinstitut zu Gebote. Im Ergebnis hätte also eine unrichtige Angabe über das Zustelldatum des angefochtenen Bescheides weiterreichende nachteilige Folgen für den Rechtsschutz als die tatsächliche Versäumung der Beschwerdefrist. Ein solcher Wertungswiderspruch würde letztlich auch gleichheitsrechtlichen Bedenken begegnen.

Soweit daher in der eingangs erwähnten Rechtsprechung eine solche Bindung des Verwaltungsgerichtshofes an die Angaben im Beschwerdeschriftsatz bzw. ein einer solchen Bindung gleichkommendes Ergebnis aus § 28 Abs. 1 Z. 7 VwGG abgeleitet wurde, wird diese Auffassung aus diesen Gründen nicht länger aufrechterhalten.

2.6. Damit stellt sich die weitere Frage, ob sich der Gerichtshof dann, wenn sich aus den Angaben der beschwerdeführenden Partei die Verspätung der Beschwerde ergäbe, dennoch (wenn auch ohne daran gebunden zu sein) ohne weiteres auf diese Angaben stützen darf oder ob er der beschwerdeführenden Partei dazu zunächst Parteiengehör zu gewähren hat.

Der Verwaltungsgerichtshof hat die Frage der Verpflichtung zur Gewährung von Parteiengehör in seiner bisherigen Rechtsprechung wiederholt mit der Begründung verneint, daß Parteiengehör nur nach den in einzelnen Bestimmungen des Verwaltungsgerichtshofgesetzes selbst festgelegten Fällen zu gewähren ist (vgl. etwa die Beschlüsse vom 16. März 1987, Zl. 87/15/0020, und vom 14. April 1994, Zl. 92/15/0083, 0084).

2.6.1. Gegen die dieser Rechtsprechung zugrundeliegende These von der abschließenden Regelung des Parteiengehörs für das verwaltungsgerichtliche Verfahren im VwGG selbst spricht allerdings, daß die im VwGG ausdrücklich geregelten Fälle der Anhörung der beschwerdeführenden Partei Rechtsfragen oder zumindest quaestiones mixtae betreffen (§ 33 Abs. 1 VwGG - Anhörung der Partei zur Frage der Klaglosstellung; § 33 Abs. 2 VwGG - Vorhalt einer der Beschwerdeauffassung entgegenstehenden Rechtsprechung; § 41 Abs. 1 zweiter Satz VwGG - Anhörung zu bisher nicht bekanntgegebenen Gründen für eine mögliche Rechtswidrigkeit des Bescheides), hinsichtlich derer sich eine Verpflichtung zur Gewährung rechtlichen Gehörs aus allgemeinen Grundsätzen nicht ohne weiteres ergeben würde (vgl. schon das hg. Erkenntnis vom 23. Februar 1951, Slg. Nr. 1957/A).

2.6.2. Jedenfalls kann aus diesen Bestimmungen des VwGG kein Gegenschluß dahin gezogen werden, daß damit der Verwaltungsgerichtshof im übrigen von der Gewährung von Parteiengehör auch dann entbunden wäre, wenn dies ansonsten (z.B. im Sinne des § 45 Abs. 3 AVG) geboten wäre und hinsichtlich dessen die Rechtsprechung des Gerichtshofes stets die fundamentale Bedeutung dieses Grundsatzes für die Rechtsstaatlichkeit der Hoheitsverwaltung hervorgehoben hat (vgl. nur die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2, § 45 E 276 ff zitierte übereinstimmende Rechtsprechung beider Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts und die ganz herrschende Lehre, z. B. Walter/Mayer, Verwaltungsverfahrensrecht6, Rz 334; Antoniolli-Koja, Allgemeines Verwaltungsrecht2, 562f).

2.6.3. Unter Berücksichtigung des verfassungsgesetzlich geregelten Rechtstaatsprinzips verbietet es im übrigen auch der Grundsatz verfassungskonformer Auslegung, den genannten Bestimmungen des VwGG eine abschließende, die Pflicht zur Gewährung anderweitigen Parteiengehörs ausschließende Bedeutung zu unterstellen.

2.7. Ist also im VwGG "nicht anderes bestimmt", so sind gemäß § 62 Abs. 1 VwGG das AVG und damit dessen §§ 37, 39 Abs. 2 und 45 Abs. 3 auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren sinngemäß anzuwenden (vgl. ausgehend vom Beschluß vom 16. November 1955, Slg. Nr. 3886/A, die weiteren Beschlüsse vom 2. Oktober 1963, Zl. 1796/63, vom 10. März 1977, Zl. 336/77, und vom 26. Juni 1995, Zl. 92/18/0199).

Danach hat der Verwaltungsgerichtshof vor dem Hintergrund eines der fundamentalen Verfahrenszwecke, nämlich den Parteien Gelegenheit zur Geltendmachung ihrer Rechte und rechtlichen Interessen zu geben, von Amts wegen vorzugehen und in jenen Fällen, in denen er Sachverhaltsfeststellungen selbst trifft, den Parteien vom Ergebnis dieser Feststellungen, insbesondere auch zu deren rechtlichen Konsequenzen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 18. Juni 1971, Zl. 1180/70), Kenntnis und Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben (zum Vorhalt der vermeintlichen Verspätung eines Rechtsmittels durch die Verwaltungsbehörde vgl. die bei Walter-Thienel2, Rz 293 zu § 45 AVG zitierte ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes).

2.7.1. Gegen die Anwendung dieser Grundsätze im Zusammenhang mit dem Erfordernis des § 28 Abs. 1 Z. 7 VwGG spricht auch nicht der Umstand, daß die Angaben über das Zustelldatum von der Partei selbst stammen: der Verwaltungsgerichtshof gelangt in einem solchen Fall nämlich nur dadurch zur Annahme der Verspätung der Beschwerde, daß er - zum Zwecke des Vergleichs mit dem Postaufgabedatum - aus dem angegebenen Zustelldatum selbst das Ende der Beschwerdefrist ermittelt.

2.7.2. Das Ergebnis dieser Ermittlungen beruht somit zwar zu einem Teil auf einer Angabe der Partei, zum anderen Teil aber auf einer - wenn auch bloß in einem einfachen Rechenvorgang bestehenden - eigenen Ermittlungstätigkeit des Verwaltungsgerichtshofes, an deren Ende die Feststellung des mutmaßlichen Endes der Beschwerdefrist steht. Soweit das Ergebnis dieser Ermittlungen im Vergleich mit dem Postaufgabedatum zur Beurteilung der Beschwerde als verspätet führen würde, kann vernünftigerweise nicht angenommen werden, daß es der Partei bisher bekannt geworden wäre: Gerade wenn der Beschwerdevertreter den (tatsächlichen) Fristenlauf vor Absendung der Beschwerde selbst überprüft hat und zum Ergebnis gelangt ist, daß die Beschwerde fristgerecht noch zur Post gegeben werden kann, hat er an sich keinen Anlaß an der Rechtzeitigkeit seiner Beschwerde (die in Fällen, wie dem hier behandelten, ja auch tatsächlich gegeben ist) zu zweifeln.

2.8. Der Verwaltungsgerichtshof vertritt daher nunmehr die Auffassung, daß in jenen Fällen, in denen die Angabe des Zustelldatums im Sinne des § 28 Abs. 1 Z. 7 VwGG zur Beurteilung einer Beschwerde als verspätet führen müßte, dieses Ermittlungsergebnis der beschwerdeführenden Partei in unmittelbarer Anwendung des § 62 Abs. 1 VwGG in Verbindung mit §§ 37, 45 Abs. 3 AVG dann zunächst zur Äußerung vorzuhalten ist, wenn nicht aus anderen Begleitumständen (wie z.B. zusätzlichen Erklärungen und Bescheinigungsmitteln im Beschwerdeschriftsatz) ein bloßes Versehen bei der Angabe des Zustelldatums ausgeschlossen werden kann.

2.9. Wurde der Partei daher in einem solchen Fall kein Parteiengehör gewährt und stellt sich die vom Verwaltungsgerichtshof angenommene Verspätung in der Folge als nicht gegeben heraus, steht ihr daher der Wiederaufnahmegrund des § 45 Abs. 1 Z. 4 VwGG zu Gebote.

3. Im vorliegenden Fall wurde der beschwerdeführenden Partei in dem dem Zurückweisungsbeschluß vom 19. November 1996, Zl. 96/08/0218, vorangehenden Verfahren kein Parteiengehör zur Frage der Rechtzeitigkeit der Beschwerde gewährt. Die vom Verwaltungsgerichtshof angenommene Verspätung der Beschwerde liegt auch tatsächlich nicht vor, wie die beschwerdeführende Partei in ihrem Antrag dargelegt und nachgewiesen hat. Der Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes wäre ausgehend von diesem Vorbringen nicht gefaßt, sondern die Beschwerde meritorisch erledigt worden. Die Voraussetzungen des Wiederaufnahmegrundes des § 45 Abs. 1 Z. 4 VwGG liegen somit vor, weshalb dem Antrag stattzugeben war.

Die Entscheidung über die Beschwerde wird vorbehalten.

Wien, am 24. November 1998

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