BVwG W222 2109215-1

BVwGW222 2109215-122.1.2018

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §52
FPG §55

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2018:W222.2109215.1.00

 

Spruch:

W222 2109215-1/21E

 

IM NAMEN DER REPUBLIK!

 

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Obregon als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , geboren am XXXX , alias XXXX , alias XXXX , StA. Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 08.06.2015, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 15.01.2018 zu Recht erkannt:

 

A)

 

Die Beschwerde wird gemäß §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, 10 Abs. 1 Z 3, 57 AsylG 2005, § 9 BFA-VG und §§ 46, 52, 55 FPG mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass der erste Satz des Spruchpunktes III. des angefochtenen Bescheides wie folgt zu lauten hat:

 

"Eine Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz gemäß § 57 AsylG 2005 wird nicht erteilt."

 

B)

 

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

 

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

 

I. Verfahrensgang:

 

Der Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger, stellte am 19.12.2014 einen Antrag auf internationalen Schutz und wurde dazu am gleichen Tag vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes niederschriftlich einvernommen. Er gab an, am XXXX in Ghazni, Afghanistan, geboren worden und ledig zu sein. Sein Vater sei bereits verstorben und seine Mutter sei 50 Jahre alt. Er sei Hazara, habe keine Ausbildung genossen und sei Analphabet. Er habe als Hilfsarbeiter gearbeitet. Er habe keine Berufsausbildung, sondern habe lediglich manchmal als Hilfsarbeiter gearbeitet. Früher hätten sein Vater und sein Bruder für ihren Lebensunterhalt gesorgt. Beide seien jedoch verstorben. Sein Vater sei schon vor einigen Jahren und sein Bruder vor drei Jahren. Nachdem sein Bruder verstorben sei, sei er in den Iran geflüchtet. Seine Mutter sei in Afghanistan geblieben. Er habe sich drei Jahre im Iran und zwar in XXXX aufgehalten. Er habe von 2011 bis 2014 in XXXX gelebt. Die Reise von Afghanistan in den Iran sei im Auftrag seiner Mutter durch einen Schlepper organisiert worden. Zu den Kosten der Reise befragt, gab der Beschwerdeführer an: "Die Kosten bis in den Iran kann ich nicht angeben, da diese Reise von meiner Mutter bezahlt wurde. Vom Iran bis nach Österreich habe ich die Reise selbst bezahlt. Die Kosten waren 3.500 US-Dollar. Dieses Geld habe ich als Hilfsarbeiter im Iran verdient." Als Fluchtgrund gab der Beschwerdeführer an: "Mein Bruder, welcher Polizist war, wurde von den Taliban umgebracht. Meine Mutter hat dadurch große Angst bekommen, auch ihren zweiten Sohn zu verlieren. Sie hat mir angeraten, das Land zu verlassen."

 

Bei der Einvernahme am 02.04.2015 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl gab der Beschwerdeführer Folgendes an: "F: Sie haben bei der Erstbefragung angegeben, dass Sie am XXXX geboren seien?

 

A: Ich habe bei der Erstbefragung angegeben, dass ich 15 Jahre alt bin.

 

F: Wieso sollte das dann in der Erstbefragung stehen?

 

A: Das weiß ich nicht. Meine Mutter hat zu mir auch gesagt, dass ich fünfzehn Jahre alt bin.

 

F: Woher soll Ihre Mutter wissen, wie alt Sie sind?

 

A: Meine Mutter hat bei der Geburt den Namen und das Geburtsdatum auf einen Zettel geschrieben, damit wenn der Mullah kommt und den Namen vom Baby nennt auch das Geburtsdatum weiß.

 

F: Ihre Mutter kann Schreiben und Lesen?

 

A: Nein, der Mullah hat das auf den Zettel geschrieben.

 

F: Mit welchem Alter haben Sie Ihr Heimatland verlassen?

 

A: Ich war ca. 11 Jahre alt.

 

F: Dann haben Sie mit 11 Jahren im Iran gearbeitet?

 

A: Ja

 

F: Wie alt waren Sie als Ihr Bruder gestorben ist?

 

A: Ich war ca. 11 Jahre alt.

 

F: Wie alte war Ihr Bruder, als er umgebracht wurde-?

 

A: Er war 26 Jahre alt.

 

F: Wie alt ist Ihre Mutter?

 

A: Ich weiß es nicht genau. Sie hat aber zu mir gesagt, dass Sie 56 oder 57 Jahre alt sei.

 

F: Bei der Erstbefragung haben Sie gesagt, dass Sie 50 Jahre alte sei?

 

A: Ich habe gesagt ungefähr 50.

 

F: Woher wissen Sie, dass Ihre Mutter 56 oder 57 Jahre alt ist?

 

A: Ich weiß es nicht. Ich konnte das nicht unterscheiden. Sie hat das zu mir gesagt, nachdem ich gesagt hatte, dass Sie 50 sei. Ich habe vor ca. 15 Tagen mit ihr telefoniert. Da hat Sie mir das gesagt. Sie weiß aber selbst auch nicht, wie alt sie ist.

 

F: Hat Sie Ihnen bei dem Telefonat gesagt, dass Sie 15 seien?

 

A: Nein, das habe ich schon bei der Erstbefragung gesagt.

 

F: Es wurde Ihnen die Erstbefragung aber rückübersetzt. Warum haben Sie dort nicht gesagt?

 

A: Ich bin im Jahr XXXX geboren (= XXXX )

 

F: Sie haben angegeben, dass Sie festgestellt haben, dass auf Ihrer weißen Karte das Geburtsdatum falsch geschrieben wurde?

 

A: Das war ca. 2 Tage nachdem ich die grüne Karte erhalten habe. Das haben mir andere Landsleute gesagt.

 

F: Warum haben Sie das nicht geändert?

 

A: Ich habe das am Freitag festgestellt. Ich bin am Freitag Nachmittag und dann am Samstag zur Polizei und niemand war dort um das zu erledigen. Am Montag habe ich die weiße karte bekommen. Danach wurde ich in ein anderes Heim transferiert. Niemand konnte mich mit mir unterhalten, weil die Polizei mich nicht verstanden hat. Ich habe mich auch mit einem Landsmann unterhalten. Nach zwei

Stunden F: Sie haben am 23.02.2015 im Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die Länderfeststellungen persönlich abgeholt und hätten dort wieder die Möglichkeit gehabt das richtigstellen zu lassen. Warum haben Sie das nicht getan?

 

A: Ich war auch vorher hier, aber niemand konnte mich verstehen.

 

Hinweis. Sie werden hiermit darauf hingewiesen, dass Ihr Alter mit XXXX bestehen bleibt, weil Sie das selbst so angegeben haben und genug Möglichkeiten hatten, das berichtigen zu lassen. Sie werden darauf hingewiesen, dass Sie nach der Entscheidung gegen das von Ihnen angegebene Alter Beschwerde einlegen können.

 

A: Ich war auch beim Roten Kreuz, wo ich zunächst untergebracht war. Als ich im Krankenhaus war hat mich der Betreuer auch darauf aufmerksam gemacht, dass ich eigentlich nicht auf einer Erwachsenenstation untergebracht werden darf.

 

F: Was erwarten Sie sich, auf Grund Ihres Alters?

 

A: Ich möchte eine Schule besuchen und studieren.

 

F: Haben Sie sich mittlerweile irgendwelche Dokumente oder Beweismittel besorgt?

 

A: Nein

 

F: Haben Sie irgendwelche Personaldokumente oder andere Dokumente in Österreich, die Sie noch nicht vorgelegt haben?

 

A: Nein

 

Erklärung: Sie haben am 19.12.2014 um Asyl ersucht. Sie wurden am 19.12.2014 vor der Bezirkspolizeiinspektion XXXX bereits zu Ihrem Asylverfahren, d.h. zu Ihrem Reiseweg und den Gründen Ihrer Ausreise, befragt. Können Sie sich an Ihre damaligen Angaben erinnern?

 

A: ja

 

F: Haben Sie im Verfahren bis dato der Wahrheit entsprechende Angaben gemacht und alle ihre Fluchtgründe genannt?

 

A: Der Fluchtgrund wurde von mir nur kurz geschildert.

 

F: Sind Ihre Angaben, die Sie bei Ihrer niederschriftlichen Einvernahme vor der Fremdenpolizei gemacht haben, richtig und wahrheitsgetreu?

 

A: Ja

 

F: Sind Ihre Angaben, die Sie bei Ihrer Erstbefragung vor der Bezirkspolizeiinspektion XXXX gemacht haben, richtig und wahrheitsgetreu?

 

A: Ja

 

F: Haben Sie den Dolmetscher jeweils einwandfrei verstanden?

 

A: Ja.

 

F: Wurden alle Ihre Angaben vor der Fremdenpolizei und der Polizei richtig und vollständig protokolliert und rückübersetzt?

 

A: Ja, außer bei meinem Alter

 

F: Halten Sie die Angaben aufrecht? Möchten Sie noch etwas hinzufügen?

 

A: Ja. Nein

 

F: Nennen Sie Ihren vollständigen Namen, Ihr Geburtsdatum, Ihren Geburtsort, Ihre Staatsbürgerschaft, Ihren Familienstand, und Ihre genaue letzte Wohnadresse im Heimatland.

 

A: Ich habe den Familiennamen XXXX und den Vornamen XXXX

 

Körpergröße:

 

Augenfarbe:

 

Name des Vaters: XXXX

 

Ich wurde im Jahr XXXX geboren.

 

Ich bin am XXXX geboren.

 

Ich bin Staatsbürger von Afghanistan. Ich bin ledig. Mein Wohnsitz war in Ghazni im Distrikt XXXX in der Ortschaft XXXX . Volksgruppe:

Hazare. Religionszugehörigkeit: Moslem – Schiite

 

Verwandte: Meine Mutter – XXXX den Familiennamen kenne ich nicht.

 

Mein Vater ist an einem natürlichen Tod gestorben und mein Bruder wurde getötet.

 

F: Wann ist der Vater verstorben?

 

A: Vor 12 -13 Jahren. Da war ich 2-3 jahre alt.

 

Körpergröße: Ich weiß das nicht. Wird geschätzt: ca. XXXX

 

Augenfarbe: XXXX

 

F: Haben Sie Kontakt zu Ihrer Mutter?

 

A: Ja, telefonisch. 2-3 mal im Monat

 

F: Wie geht es dieser?

 

A: Es geht Ihr gut.

 

F: Hat die Mutter irgendwelche Probleme?

 

A: Nein. Sie erzählt nicht so viel

 

F: Wovon lebt Ihre Mutter?

 

A: Der Onkel mütterlicherseits hilft ihr. Sie lebt aber nicht bei ihm. Sie lebt in einem Haus, das gehört aber nicht meinem Onkel. Mein Onkel lebt auch in dem Dorf XXXX . Weitere Verwandte gibt es dort nicht.

 

F: hat Ihre Familie Grundstücke besessen?

 

A: Nein

 

F: Wovon haben Sie gelebt, bis Sie ausgereist sind?

 

A: Bis zu meinem 11. Lebensjahr habe ich in Afghanistan gelebt und dann bin ich in den Iran gegangen.

 

F: Bitte beantworten Sie meine Frage?

 

A: Als ich im Iran war und dort gearbeitet habe, habe ich Geld zu meiner Mutter gesandt.

 

F: Sind Sie in den Iran gegangen, um Geld zu verdienen?

 

A: Nein die Lage war gefährlich und meine Mutter hatte Angst, dass ich auch von den Taliban getötet werden würde.

 

F: Haben Sie jemals andere Namen oder Identitäten geführt oder sich unter einer anderen Identität ausgegeben?

 

A: Nein.

 

F: Hatten Sie jemals einen anderen Wohnsitz?

 

A: Nein, außer im Iran das erste Jahr in XXXX und dann in der Stadt

XXXX .

 

F: Wann waren Sie das letzte Mal an Ihrem Wohnsitz?

 

A: 2011

 

F: Was haben Sie in der Zwischenzeit gemacht?

 

A: Ich habe im Iran gearbeitet.

 

F: Haben Sie keine Probleme im Iran gehabt?

 

A: Nein. Ich habe dort illegal gelebt. Im ersten Jahr habe ich als Bauarbeiter gearbeitet. Zwei Jahre habe ich in einer Fliesenfabrik gearbeitet.

 

F: Da hat Sie nie jemand gefragt, wie alt Sie sind?

 

A: Nein

 

F: Haben Sie Ihr Heimatland vor der jetzigen Reise jemals verlassen?

 

A: Nein außer im Iran

 

F: Warum sind Sie drei Jahre im Iran geblieben?

 

A: Meine Mutter hat mir nicht erlaubt zurück nach Afghanistan zu gehen.

 

F: Dann hätten Sie aber im Iran bleiben können?

 

A: Ich habe immer im Iran mit der Angst gelebt.

 

F: Drei Jahre konnten Sie aber in der Angst leben?

 

A: Ich hatte vor nach Afghanistan zurückzugehen. Das war nach drei Jahren. Ich wollte nicht mehr heimlich arbeiten. Meine Mutter wollte aber nicht, dass ich zurückkehre. Deshalb habe ich mich entschieden nach Europa weiter zu reisen.

 

F: Haben Sie jemals für ein Land der Europäischen Union oder ein anderes Land ein Visum erhalten oder beantragt?

 

A: Nein.

 

F: Aus welchen Mitteln haben Sie Ihren Lebensunterhalt in Ihrem Heimatland bestritten?

 

A: Mein Bruder war in der Schule. Er hat dann eine Militärausbildung gemacht. Er war dann 2 Jahre auf einem Militärflughafen in Kabul. Dann war er zwei Jahre in Ghazni bei der Polizei. Er war in der Stadt Ghazni als Polizist tätig.

 

F: Wo wurde er dann getötet?

 

A: In der Stadt Ghazni.

 

F: Danach sind Sie in den Iran?

 

A: Ja

 

F: Haben Sie und Ihre Mutter bis zum Tod Ihres Bruders von dessen Einkünften gelebt?

 

A: Ja

 

F: Sie haben aber keine Schule besucht?

 

A: Damals war das nicht mehr möglich, weil die Taliban die Kinder bedrohten. Ich sollte bei den Pasthunen zur Koranschule gehen. Die Mutter wollte nicht, dass ich nicht so eine Schule besuche.

 

F: Wie viele Einwohner hat Ihr Heimatort, aus welchen Volksgruppen und Religionen setzt sich die Bevölkerung zusammen? Beschreiben Sie Ihren Heimatort.

 

A: Das ist ein großes Dorf.

 

F: Wie hoch sind die Anteile der einzelnen Volksgruppen?

 

A: In unserem Dorf waren überwiegend Hazaren.

 

F: Hatten Sie jemals Probleme aufgrund Ihrer Volksgruppenzugehörigkeit oder Ihres Religionsbekenntnisses?

 

A: Ja wegen den Taliban.

 

F: Dann haben Sie aber bei der Erstbefragung nicht die Wahrheit gesagt?

 

A: Ich sollte eine Koranschule der Taliban besuchen. Das wollte meine Mutter nicht.

 

F: Bitte beantworten Sie meine Frage?

 

A: Das war keine direkte Frage, die man mir dort gestellt hat. Ich habe gesagt, dass ich von den Taliban bedroht worden bin, mein Bruder ist von den Taliban getötet worden und meine Mutter hatte Angst um mich. Neulich sind 31 Personen vor 40 Tagen von den Taliban mitgenommen worden und zwanzig sind davon von unserem Dorf gewesen.

 

F: Woher haben Sie diese Informationen?

 

A: Das habe ich in einem afghanischen Fernsehender gesehen.

 

F: Gibt es in Ihrem Heimatort eine Polizei?

 

A: Nein. Eine Stunde entfernt in der Stadt XXXX ist die nächste Polizei

 

F: Hatten Sie jemals persönlich mit der Polizei bzw. Polizisten in Ihrem Heimatland zu tun?

 

A: Nein

 

F: Haben Sie jemals irgendwelche persönlichen Erfahrungen mit der Polizei bzw. Polizisten in Ihrem Heimatland gemacht?

 

A: Nein

 

F: Hatten Sie jemals persönlich mit den Behörden oder Gerichten in Ihrem Heimatland zu tun?

 

A: Nein

 

F: Waren Sie jemals irgendwo in Haft?

 

A: Nein

 

F: Waren Sie jemals politisch tätig oder Mitglied einer politischen Partei?

 

A: Nein

 

F: Wissen Sie, wie Sie vom Iran nach Österreich gekommen sind?

 

A: Türkei-Griechenland-Österreich

 

F: Wissen Sie was EU bedeutet?

 

A: Ja.

 

F: Sie wurden in Griechenland von der Polizei angehalten. Warum haben Sie keinen Asylantrag gestellt?

 

A: Ich war dort illegal. Ich habe ein Papier bekommen, dass ich innerhalb von dreißig Monaten das Land verlassen soll.

 

F: Wann haben Sie erstmals das Wort Asyl gehört?

 

A: In Griechenland auf einer Insel.

 

F: Warum haben Sie dann nicht um Asyl angesucht in Griechenland?

 

A: Es gab dort einen Rechtsberater. Ich habe das so verstanden, dass jeder minderjährige eine gute Chance in anderen Ländern hat und nicht dort bleiben muss.

 

F: Wie haben Sie die Reise von Afghanistan nach Österreich finanziert?

 

A: 6.000 Afghani habe ich von meiner Mutter bekommen. 600.000 Tuman von der afghanischen Grenze bis nach Teheran. Dieses Geld hat ein Bekannter von unserem Dorf dem Schlepper bezahlt.

 

F: Ein Bekannter bezahlt einfach 600.000 Tuman?

 

A: Ich sollte bei diesem arbeiten. Dieser war schon im Iran.

 

F: Wie entstand der Kontakt?

 

A: Meine Mutter hatte schon vor meiner Ausreise zu den Eltern von diesem Bekannten Kontakt gehabt. Ich musste dafür arbeiten.

 

F: Weiter?

 

A: 1.8 Mill Tuman habe ich im Iran durch meine Arbeit verdient. 1.800.- USD von der Türkei bis nach Griechenland, das hat mir meine Mutter in die Türkei geschickt. Insgesamt hat mir meine Mutter 3.500.- USD geschickt. 300.- USD von Griechenland nach Österreich.

 

F: Und der Rest?

 

A: Ich war zwei Monate in Griechenland.

 

F: Woher hatte Ihre Mutter das Geld?

 

A: Von dem Bruder mütterlicherseits.

 

F: dann ist der Bruder aber sehr wohlhabend?

 

A: Ja

 

F: Das war Ihr Zielland?

 

A. Österreich

 

F. Warum?

 

A: In Griechenland habe ich viel von Österreich gehört.

 

F: Was verstehen Sie unter Asyl?

 

A: Ich verstehe das nicht so gut.

 

F: Was erwarten Sie sich persönlich von Ihrem Asylantrag?

 

A: Das ich hierbleiben darf.

 

F: Möchten Sie Ihre Mutter nachholen?

 

A: Wenn es möglich ist.

 

F: Hat das Ihre Mutter gesagt?

 

A: Nein ich möchte das so.

 

F: Aus welchen Mitteln bestreiten Sie Ihren Lebensunterhalt in Österreich?

 

A: Von der Grundversorgung

 

F: Erhalten Sie sonst von jemandem Unterstützung?

 

A: Nein

 

F: Verfügen Sie selbst über Mittel zur Bestreitung Ihres Lebensunterhaltes?

 

A: Nein

 

F: Haben Sie Angehörige, Verwandte oder Ihnen nahe stehende Personen in Österreich oder einem anderen Land der EU?

 

A: Nein

 

F: Entsprechen alle Angaben, welche Sie bis dato vor Behörden oder Dienststellen in Österreich oder einem Land gemacht haben, in dem Sie sich vor Ihrer Einreise in Österreich aufgehalten haben, der Wahrheit?

 

A: Ja.

 

F: Schildern Sie detailliert alle Gründe und konkreten Vorfälle, welche Sie zum Verlassen Ihres Heimatlandes veranlasst haben! Sie werden darauf hingewiesen, dass falsche Angaben die Glaubwürdigkeit Ihres Vorbringens beeinträchtigen können. Sollten Sie zu irgendeinem Zeitpunkt vor österreichischen Behörden falsche Angaben gemacht haben oder sollte es zu sonstigen Ungereimtheiten gekommen sein, so werden Sie aufgefordert, dies jetzt bekannt zu geben.

 

Sie werden auch aufgefordert, die Zeiten und die Orte zu nennen, wann diese Vorfälle stattfanden und die Personen zu benennen, die daran beteiligt waren sowie zu schildern, was sich genau ereignet hat und gesprochen wurde.

 

Vermerk: Dem AW wird die Aufforderung eingehend erklärt.

 

Als mein Bruder von den Taliban getötet worden ist wurde ich auch bedroht. Die haben mir immer die Nachrichten geschickt, dass ich zur Talibanschule gehen soll. Meine Mutter hat sich Sorgen gemacht, weil man in der Talibanschule nicht richtig lernen würde. Sie meinte, dass ich in der Talibanschule falsches lernen würde und mich dann auch in Gefahr bringen würde. Danach hat mich meine Mutter in den Iran geschickt.

 

F: Möchten Sie noch etwas dazu angeben?

 

A: Ja

 

F: Haben Sie noch weitere Gründe, weshalb Sie Ihr Heimatland verlassen haben?

 

A: Nein

 

F: Gab es noch weitere Vorfälle in Verbindung damit, weshalb Sie Ihr Heimatland verlassen haben?

 

A: Nein

 

F: Haben Sie sämtliche Gründe und Vorfälle, welche Sie zum Verlassen Ihres Heimatlandes veranlasst haben, angeführt?

 

A: Ja

 

F: Wurde Ihnen ausreichend Zeit eingeräumt, ihre Probleme vollständig und so ausführlich, wie Sie es wollten, zu schildern? A:

Ja.

 

F: Was meinen Sie mit Nachrichten geschickt?

 

A: Die Taliban haben Nachrichten geschickt.

 

F: Was für Nachrichten?

 

A: Die haben mit meiner Mutter gesprochen. Die Hazaren, die auch Spione waren, die in diese Schule gegangen sind, haben das meiner Mutter gesagt. Das waren Erwachsene. Niemand ist freiwillig zur Schule gegangen.

 

F: Es sind aber sehr viele Hazaren in die Talibanschule gegangen?

 

A: Nein das waren nur Straffällige.

 

F: Warum sollten Sie dann in diese Schule gehen?

 

A: Die Taliban machen keinen Unterschied.

 

F: Seit wann wollten die Taliban, dass sie diese Schule besuchen sollten?

 

A: Ich war kein Straffälliger und aus diesem Grund bin ich nicht in die Schule gegangen.

 

F: Dann sind auch viele der anderen Kinder nicht in diese Schule gegangen?

 

A: Ja

 

F: Alle?

 

A: Manche sind nach Indonesien gereist.

 

F: Viele sind aber im Dorf geblieben?

 

A: Ja

 

F: Wo war diese Schule?

 

A: Von XXXX in Richtung Ghazni-Stadt hat sich diese Schule befunden.

 

F: Wer konkret hat zu Ihnen gesagt, dass Sie in die Schule gehen sollen?

 

A: Das waren die Anwerber. Die Hazaren, die Spion, die mit den Taliban gearbeitet haben.

 

F: Wann wollten die das erste Mal, dass Sie in diese Schule gehen sollten?

 

A: Nach dem Tod meines Bruders.

 

F: Warum gerade nach dem Tod Ihres Bruders?

 

A: Diese Werbungen waren immer, auch schon vor dem Tode meines Bruders wurde ich deswegen angesprochen. Nach dem Tod meines Bruders haben die Taliban gesagt, dass ich auch sterben könnte.

 

F: Wann, wo, wer?

 

A: Einmal haben Sie persönlich meine Mutter besucht. Ich wurde dann immer wieder von diesen Hazaren, den Spionen nach dem Tod meines Bruders. Das war vier mal. Als ich auf den Basar, in die Moschee gegangen bin.

 

F: Wo waren die vier mal?

 

A: Einmal bei mir zu Hause haben Sie das zu meine Mutter gesagt, das war am Abend ich war zu Hause. Zweimal in der Moschee und einmal auf dem Basar.

 

F: In welchem Abstand war das?

 

A: Das Ganze ist in einer Woche passiert. Nach dem Tod meines Bruders nach zwei Tagen haben die Bedrohungen begonnen.

 

F: Wie wurde Ihnen gedroht?

 

A: Ich wurde angesprochen. Sie haben gesagt, wenn ich nicht in die Schule gehen würde, dann würde ich getötet.

 

F: Hat Ihr Onkel auch Kinder?

 

A: Alle Kinder von Ihm sind in Pakistan. Auch seine Frau.

 

F: Seit wann?

 

A: Ich habe keine Ahnung.

 

F: Vor Ihrer Ausreise in den Iran oder danach?

 

A: Das weiß ich nicht mehr. Ich war sehr klein.

 

F: Wie jetzt?

 

A: Ich glaube die Familie von meinem Onkel war schon vor meiner Geburt in Pakistan.

 

F: warum hat man Sie dann nicht zu dieser Familie nach Pakistan geschickt?

 

A: Die sind selber auch in Pakistan in Gefahr und es ist dort auch nicht sicher für diese als Schiiten.

 

F: Ihr Onkel hilft aber lieber finanziell ihrer Mutter, anstatt der eigenen Familie?

 

A: Sie wollen eigentlich nach Australien fahren und warten schon auf Ihre Bescheide oder Visum. Genaueres weiß ich nicht.

 

F: ES wird Ihnen nun von der Dolmetscherin vorgelesen, welche Gründe Sie bei der Erstbefragung angegeben haben, warum Sie Ihr Heimatland verlassen haben. Da haben Sie aber nichts von der Schule und Anwerbung erzählt. Bitte erklären Sie das?

 

A: Niemand hat mich nicht danach gefragt. Wie Sei heute die Fragen gestellt haben. So hat man mich dort nicht gefragt.

 

F: Wie ist der Name Ihres Bruders, der verstorben ist?

 

A: XXXX .

 

F: Was erwartet Sie im Falle Ihrer Rückkehr in Ihr Heimatland?

 

A: Ich bekomme nicht die Möglichkeit meine Mutter zu besuchen. Unterwegs würde ich von den Taliban getötet werden.

 

F: Haben Sie sonst noch Befürchtungen?

 

A: Nein. Ich habe auch von den IS Angst.

 

F: Die IS?

 

A: Die 31 Personen die mitgenommen wurden. Keiner weiß ob es die Taliban oder IS waren.

 

F: Warum können dann andere Hazaren immer noch dort leben?

 

A: Die nehmen keine Frauen mit.

 

F: Als Sie das Dorf verlassen haben, waren aber auch männliche Einwohner und Kinder noch dort? Ihre Mutter hat Ihnen nie etwas von Problemen geschildert?

 

A: Ja. Meine Mutter hatte mir gesagt, dass die Taliban zwei männliche Kinder von unserem Dorf entführt haben.

 

F: Sie haben aber gesagt, dass Ihre Mutter nicht so viel erzählen würde?

 

A: Sie erzählt nicht so viel von sich selbst. Ich frage nach, was es neues in unserem Dorf gibt.

 

F: Warum lebt der Onkel in Afghanistan, wenn dessen Familie in Pakistan darauf wartet nach Australien zu kommen?

 

A: Er ist bereits in Australien und schickt meiner Mutter Geld nach Afghanistan. Er war früher in Afghanistan. Er ist seit fünf Jahren in Australien.

 

F: Wie meinen Sie das?

 

A: Ich habe das so verstanden. Bevor meine Mutter geheiratet hat er auch in Afghanistan gelebt.

 

F: wann ist der Onkel nach Pakistan?

 

A: Das weiß ich nicht.

 

F: Kennen Sie den Onkel überhaupt persönlich?

 

A: Nein ich habe Ihn nur auf dem Foto gesehen.

 

F: Warum hat dann der Onkel nicht gesagt, dass Ihre Mutter Sie nach Pakistan oder Australien schicken soll?

 

A: Das kostet aber viel Geld.

 

F: Haben Sie sich oder Ihre Mutter wegen Ihrer Probleme an die Polizei gewandt?

 

A: Die Polizei kann sich selbst nicht verteidigen.

 

F: Wie verbringen Sie einen Tag in Österreich?

 

A: Ich treibe ein bisschen Sport. Momentan besuche ich auch noch keinen Deutschkurs.

 

F: Was haben Sie nun weiter vor?

 

A: Ich will die Sprache lernen und zur Schule gehen.

 

F: Wie lange haben Sie vor, in Österreich zu bleiben?

 

A: Für immer.

 

F: Wie haben Sie in Zukunft vor, Ihren Lebensunterhalt zu bestreiten?

 

A: Ich will natürlich zur Schule gehen eine Ausbildung bekommen und dann auch arbeiten gehen.

 

F: Die Ausbildung soll der Staat bezahlen?

 

A: Ja, wenn ich eine Unterstützung bekomme.

 

F: Welche Arbeiten könnten und würden Sie annehmen und verrichten?

 

A: Ich würde gerne als Automechaniker arbeiten. Ich weiß es nicht genau.

 

F: Wären Sie bereit freiwillig in Ihr Heimatland zurückzukehren?

 

A: Nein.

 

F: wenn Sich die Situation in Afghanistan beruhigen würde, wären Sie dann bereit nach Afghanistan zurückzukehren?

 

A: Nein in Afghanistan wird es nie friedlich sein.

 

F: Sind Sie mit amtswegigen Erhebungen und Überprüfungen bezüglich Ihrer Person und Ihrer Angaben vor Ort in Ihrem Heimatland, eventuell durch einen Vertrauensanwalt der Österreichischen Botschaft, einverstanden?

 

A: Ich habe damit kein Problem.

 

F: Hätten Sie die Möglichkeit, in einem anderen Teil Ihres Heimatlandes zu leben?

 

A: Nein, weil es ist überall in Afghanistan unsicher.

 

Belehrung: Sie haben die Feststellungen des Bundesamtes zur Lage in Afghanistan erhalten und auch eine schriftliche Stellungnahme abgegeben. Möchten Sie noch etwas dazu anführen?

 

A: Ja."

 

Der Beschwerdeführer gab weiters an während der Befragung keine Probleme gehabt und die Dolmetscherin einwandfrei verstanden zu haben sowie dass alles korrekt protokolliert worden sei.

 

Mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 idgF bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt II.) abgewiesen, ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 57 und 55 AsylG nicht erteilt, gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG idgF gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG idgF erlassen sowie festgestellt, dass gemäß § 52 Abs. 9 FPG seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei und dass gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für seine freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt III.).

 

Begründend hielt das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl fest, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers nicht glaubhaft und daher nicht der rechtlichen Beurteilung zugrunde zu legen sei und führte dazu aus: "Sie haben bei der Einvernahme am 02.04.2015 angegeben, dass Sie in Griechenland von einem Rechtsberater mitgeteilt bekommen hätten, dass Minderjährige in einem anderen Land bessere Chancen hätten. Aus diesem Grund ist es für die Behörde nicht nachvollziehbar, warum Sie dann bei der Erstbefragung vor der Polizei als Geburtsdatum den XXXX angegeben haben, anstatt Ihres angeblichen Geburtsalters. Zu Ihren Angaben, dass Ihr Alter auch im Landeskrankenhaus festgestellt wurde ist anzugeben, dass diese lediglich auf Grund Ihrer Angaben erfolgt ist.

 

Sie konnten keine Beweismittel, wie eine Tazkira, zu Ihrem Alter vorlegen, obwohl Sie die Möglichkeit dazu gehabt hätten. Vor allem auf Grund der Tatsache, dass Sie angeblich bereits zwei Tage nach Ihrer Ankunft in Österreich davon gewusst haben, dass Ihr Alter falsch festgehalten worden ist. Nachdem auch Ihre Mutter deren Alter nicht kennt ist es für die Behörde nicht nachvollziehbar, warum Sie dann gerade Ihr Alter kennen sollte.

 

Es wurden Ihnen am 19.02.2015 die Länderfeststellungen zur Stellungnahme ausgefolgt und Sie wurden zur Beschaffung von Identitätsdokumenten aufgefordert. Dies haben Sie aber nicht getan.

 

Sie haben sogar in Ihrer Stellungnahme vom 03.03.2015 selbst Ihr ursprüngliches Geburtsdatum XXXX wieder angegeben und haben in Ihrer Stellungnahme in keiner Weise auf Ihr angebliches Alter hingewiesen, obwohl Sie das tun hätten können.

 

Zu Ihrem vorgelegten Schlussbericht des Landeskrankenhauses XXXX ist anzuführen, dass die Verletzung durch einen Sturz auf den Hinterkopf entstanden ist. Dies, wie Sie selbst angegeben haben durch einen Sturz beim Schifahren.

 

Die weiteren Feststellungen ergeben sich aus dem Akteninhalt und Ihren eigenen Angaben.

 

Des Weiteren wird auf Ihre niederschriftlichen Angaben verwiesen.

 

 

Der vorliegende Sachverhalt steht aufgrund der Aktenlage zweifelsfrei fest.

 

Sie haben angegeben, dass Ihr Bruder, der bei der Polizei gewesen ist von den Taliban getötet worden sei. Sie seien dann bedroht worden, weil Sie bzw. Ihre Mutter sich weigerten, dass Sie eine Talibanschule besuchen. Sie konnten aber auch schon vor den Tod Ihres Bruders keine Schulen aus denselben Gründen besuchen. Wenn Ihre Bedrohung war wäre, hätte die Bedrohung auch bereits vor dem Tod Ihres Bruders stattgefunden. Zudem haben Sie, wie Sie bereits selbst angegeben haben von 2011 – 2014 im Iran gelebt.

 

Aus Ihrem Vorbringen, Sie seien von unbekannten Privatpersonen verfolgt worden, war keine Verfolgung aus asylrelevanten Gründen oder eine Bedrohung, welche die Gewährung von subsidiärem Schutz begründen würde, zu entnehmen.

 

Darüber hinaus haben sich aus den nachfolgenden Gründen Ihr Vorbringen als gänzlich unglaubhaft und die von Ihnen behauptete Bedrohungssituation als offensichtlich nicht den Tatsachen entsprechend erwiesen.

 

Wie in den Länderfeststellungen ersichtlich hat es in Ihrer Heimatprovinz Ghazni, in Ihrem Fall im Distrikt XXXX im Zeitraum Jänner – Oktober 2014 einen einzigen Sicherheitsvorfall gegeben. Bei diesem wurde aber nur ein Waffenlager aufgedeckt, es hat somit keine Übergriffe gegen die Bevölkerung gegeben.

 

Somit stehen Ihre Angaben, warum Sie Ihr Heimatland verlassen haben in keinem zeitlichen Zusammenhang mit Ihrer Asylantragstellung. Sie haben selbst angegeben, dass Ihre Mutter nach dem Tod Ihres Bruders wollte, dass Sie das Heimatland verlassen sollten, da diese nicht auch noch deren zweiten Sohn verlieren wollte.

 

Somit handelt es sich lediglich um eine hypothetisch angenommene Bedrohungssituation, die in keiner Weise glaubwürdig nachgewiesen konnte.

 

Im Verfahren nach dem Asylgesetz ist es zudem unabdingbare Voraussetzung für die Bewertung des Vorbringens eines Asylwerbers zu den Fluchtgründen als glaubhaft, dass der Antragsteller nicht bloß eine "leere" Rahmengeschichte im Zuge der Einvernahme vorbringt, ohne diese durch das Vorbringen von Details, Interaktionen, glaubhaften Emotionen etc. zu substantiieren bzw. "mit Leben zu erfüllen".

 

Da in einem Asylverfahren unzweifelhaft die niederschriftliche Aussage eines Antragstellers vor den Asylbehörden die zentrale Erkenntnisquelle für die Entscheidung darstellt, reicht es keinesfalls aus, dass der Asylwerber lediglich nicht zu widerlegende Behauptungen aufstellt, welche – oftmals aufgrund zu geringer "Öffentlichkeitswirksamkeit" oder " Drittwirkung" – einer Verifizierung nicht zugänglich sind.

 

Vielmehr sind die Aussagen des Antragstellers zu seinen Fluchtgründen und zum Fluchtweg daran zu messen, wie eine durchschnittliche "Maßfigur" über tatsächlich persönlich erlebte Sachverhalte berichten würde.

 

Die Wiedergabe von tatsächlich selbst erlebten Umständen bzw. Ereignissen zeichnet sich jedoch gerade dadurch aus, dass man nicht lediglich objektive Rahmenbedingungen darlegt, sondern entspricht es vielmehr der allgemeinen Lebenserfahrung, dass Menschen über persönlich Erlebtes detailreich, oft weit schweifend unter Angabe der eigenen Gefühle bzw. unter spontaner Rückerinnerung an auch oft unwesentliche Details oder Nebenumstände berichten.

 

Weiters ist die Darlegung von persönlich erlebten Umständen dadurch gekennzeichnet, dass man beim Vorbringen der eigenen "Lebensgeschichte" vor allem sich selbst in die präsentierte Rahmengeschichte dergestalt einbaut, dass man die eigenen Emotionen bzw. die eigene Erlebniswahrnehmung zu erklären versucht, sich allenfalls selbst beim Erzählen emotionalisiert zeigt, bzw. jedenfalls Handlungsabläufe bzw. die Kommunikation und Interaktion zwischen den handelnden Personen der Geschichte darlegt. Dies gilt insbesondere dann, wenn es sich um wichtige Ereignisse im Leben eines Menschen handelt, die oftmals das eigene Schicksal oder einen Lebensweg dergestalt verändern, dass man sich letztendlich dazu veranlasst sieht, sein Heimatland oder das Land des letzten Aufenthaltes deshalb "fluchtartig" zu verlassen.

 

Die Aussage des Asylwerbers stellt im Verfahren zweifelsfrei das Kernstück dar. Dazu ist es aber erforderlich, dass sein Vorbringen auch glaubwürdig ist.

 

Das Vorbringen eines Asylwerbers ist dann glaubhaft, wenn es vier Grunderfordernisse erfüllt (diesbezüglich ist auf die Materialien zum Asylgesetz 1991 [RV 270 BIg Nr. XVIII GP; AB 328 BIg Nr. XVIII GP] zu verweisen, welche aufgrund der diesbezüglichen Verwaltungsgerichtshof-Judikatur erarbeitet wurden):

 

1. Das Vorbringen des Asylwerbers ist genügend substantiiert. Dieses Erfordernis ist insbesondere dann nicht erfüllt, wenn der Asylwerber den Sachverhalt sehr vage schildert oder sich auf Gemeinplätze beschränkt, nicht aber in der Lage ist, konkrete und detaillierte Angaben über seine Erlebnisse zu machen.

 

2. Das Vorbringen muss, um als glaubhaft zu gelten, in sich schlüssig sein. Der Asylwerber darf sich nicht in wesentlichen Aussagen widersprechen.

 

3. Das Vorbringen muss plausibel sein, dh. mit den Tatsachen oder der allgemeinen Erfahrung übereinstimmen. Diese Voraussetzung ist u. a. dann nicht erfüllt, wenn die Darlegungen mit den allgemeinen Verhältnissen im Heimatland nicht zu vereinbaren sind oder sonst unmöglich erscheinen und

 

4. der Asylwerber muss persönlich glaubwürdig sein. Das wird dann nicht der Fall sein, wenn sein Vorbringen auf gefälschte oder verfälschte Beweismittel abgestützt ist, aber auch dann, wenn er wichtige Tatsachen verheimlicht oder bewusst falsch darstellt, im Laufe des Verfahrens das Vorbringen auswechselt oder unbegründet und verspätet erstattet oder mangelndes Interesse am Verfahrensablauf zeigt und die nötige Mitwirkung verweigert.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat in zahlreichen Erkenntnissen betont, wie wichtig der persönliche Eindruck, den das zur Entscheidung berufene Mitglied der Berufungsbehörde im Rahmen der Berufungsverhandlung von dem Berufungswerber gewinnt, ist (siehe z. B. VwGH vom 24.06.1999, Zl. 98/20/0435, VwGH vom 20.05.1999, Zl. 98/20/0505, u.v.a.m.). Dies gilt natürlich auch schon für das erstinstanzliche Verfahren.

 

Bei der Glaubhaftmachung eines Vorbringens ist es Sache des Asylwerbers, entsprechende seinen Antrag untermauernde Tatsachenbehauptungen aufzustellen und diese glaubhaft zu machen; eines förmlichen Beweises bedarf es nicht (VwGH 23.2.1994, 92/01/0888; 19.3.1997, 95/01/0525).

 

Die "Glaubhaftmachung" wohlbegründeter Furcht setzt positiv getroffene Feststellungen seitens der Behörde und somit die Glaubwürdigkeit des diesen Feststellungen zugrunde liegenden Vorbringens des Asylwerbers voraus (VwGH 11.6.1997, 95/01/0627;

 

19.3.1997, 95/01/0466).

 

Sie vermochten diesen Anforderungen für die Glaubwürdigkeit Ihres Vorbringens aus den nachfolgenden Gründen nicht einmal annähernd zu entsprechen.

 

Ihre Angaben zu den angeblichen Bedrohungen blieben oberflächlich und inhaltliche leer. Wenn diese überhaupt stattgefunden haben sollten hat es sich lediglich um eine Aufforderung zum Besuch einer Koran/-bzw. Talibanschule gehandelt, jedoch in keiner Weise um eine damit verbundene Bedrohung.

 

Im konkreten Fall vermochten Sie die Voraussetzungen für die Qualifizierung eines Erlebnisberichtes nicht annähernd zu erfüllen. Vor dem Hintergrund dieser Prämissen und insbesondere durch den persönlichen Eindruck, den Sie bei der Einvernahme hinterließen, ist die von Ihnen vor der Asylbehörde präsentierte "Fluchtgeschichte" tatsächlich als zu "blass", wenig detailreich und zu oberflächlich und daher in Folge –unter Berücksichtigung der aktuellen Länderfeststellung- als keinesfalls glaubhaft zu qualifizieren.

 

Sie wurden wiederholt und nachdrücklich aufgefordert, alle Vorfälle, die Sie zum Verlassen von Afghanistan veranlasst hätten, in Details zu schildern. Trotz dessen beschränkten Sie sich auf vollkommen allgemein gehaltene Angaben und waren Sie trotz aller Nachfragen und Aufforderungen nicht in der Lage, den von Ihnen behaupteten Sachverhalt auch nur ansatzweise zu substantiieren.

 

Bei tatsächlichen Erlebnissen wäre jedoch mit Bestimmtheit davon auszugehen, dass Sie vermocht hätten, konkrete Erlebnisse zu schildern.

 

Insbesondere stehen Ihre sonstigen Lebensumstände und Ihr Verhalten während des behaupteten Zeitraumes der Bedrohung aus den nachfolgenden Gründen im Widerspruch zu jeglicher Bedrohung.

 

Sie konnten bis zu Ihrer Ausreise in Ihrem Heimatland ohne Probleme leben. Es ist für die Behörde nicht nachvollziehbar, warum die Aufforderung zum Besuch einer Talibanschule direkt im zeitlichen Zusammenhang mit dem Tod Ihres Bruders stehen sollte.

 

Sie haben zwar angegeben, dass die Aufforderungen zum Besuch der Schule bereits vor dem Tod Ihres Bruders stattgefunden habe, hätte dann jedoch eine Bedrohung vorgelegen, hätten Sie schon zu einem früheren Zeitpunkt Ihr Heimatland verlassen müssen.

 

Eine Bedrohung als Hazara kann nicht festgestellt werden, da wie Sie selbst angegeben haben in dem Dorf, in dem Sie gelebt haben, überwiegend Hazaren lebten.

 

Bei einer tatsächlichen Bedrohung wäre es nach allgemeiner Denklogik und dem Maßstab eines durchschnittlichen, mit Vernunft begabten Menschen schlichtweg unvorstellbar, dass Sie dies getan hätten und Ihnen dies möglich gewesen wäre.

 

In einer Zusammenschau deutet nichts auf eine Einschränkung der Bewegungsfreiheit hin, weshalb auch angesichts dessen davon auszugehen war, dass offensichtlich keine Bedrohung besteht.

 

Allein schon aufgrund dieser Tatsache war offensichtlich, dass es sich um eine frei erfundene Fluchtgeschichte handelt.

 

Ihr Vorbringen ist durch nichts erwiesen und geht über leere Behauptungen nicht hinaus.

 

Ohne Ihr Vorbringen einer weiteren Beweiswürdigung unterziehen zu müssen, ergibt sich aus der Gesamtheit Ihrer Angaben zweifelsfrei, dass die von Ihnen behauptete Bedrohungssituation nicht den Tatsachen entspricht, es sich um eine konstruierte Fluchtgeschichte handelt und Sie Afghanistan in Wahrheit aufgrund Ihrer von Ihnen auch angegeben wirtschaftlichen Situation oder anderen Beweggründen verlassen haben.

 

In einer Zusammenschau Ihrer wirtschaftlichen Situation und Ihrer Angaben liegt es auf der Hand, dass Sie Afghanistan auf der Suche nach Arbeit verlassen haben. Sie und Ihre Mutter haben bis zum Tod Ihres Bruders von dessen Einkommen gelebt. Nach dessen Tod war, wie Sie selbst angegeben haben, die wirtschaftliche Situation Ihrer Familie sehr schlecht. Sie haben selbst angegeben, dass Sie Ihrer Mutter aus dem Iran Geld nach Afghanistan geschickt haben. Selbst auf die Frage, was Sie unter Asyl verstehen und Sie sich von Ihrem Asylantrag erwarten, gaben Sie ausschließlich an, dass Sie hier bleiben, eine Schulbildung, Ausbildung bekommen und arbeiten möchten.

 

Im Falle eines Verlassens des Heimatlandes aufgrund von Bedrohung wäre jedoch mit Bestimmtheit davon auszugehen, dass vorrangig oder zumindest etwas darüber hervorgekommen wäre.

 

Stattdessen kam in Ihren Angaben in der Einvernahme deutlich hervor, dass Sie Ihr Heimatland in Wahrheit aus wirtschaftlichen Beweggründen verlassen habe.

 

Es ergab sich aus Ihren diesbezüglichen Angaben jedoch nicht einmal ansatzweise etwas auf einen Wunsch nach Schutz und Hilfe. Bei einem tatsächlichen Bedürfnis nach Schutz und Hilfe wäre jedoch wohl anzunehmen, dass Sie dies auch zum Ausdruck gebracht hätten.

 

Während Ihre Angaben zu den Gründen subjektiv darauf ausgerichtet waren, die Gewährung von Asyl zu bewirken, kommt Ihren vorangegangenen Angaben über Ihre allgemeinen Lebensumstände in Ihrem Heimatland wesentliche höhere Glaubwürdigkeit zu, weil Sie diese unbefangen und nicht auf die Erreichung eines bestimmten Zwecks ausgerichtet gemacht haben.

 

Darüber hinaus sind Ihre Angaben auch widersprüchlich, wie dies nach der allgemeinen Lebenserfahrung bei wahrheitsgemäßen Angaben und tatsächlichen Erlebnisses wohl nicht anzunehmen wäre.

 

Insbesondere ist dazu festzuhalten, dass Sie bei Rückübersetzungen in der Einvernahme ausdrücklich angaben, dass alle Ihre Angaben in der Erstbefragung richtig und vollständig protokolliert und vom Dolmetscher rückübersetzt worden seien, sodass auch nicht davon auszugehen war, dass die Widersprüche durch Übersetzungsfehler zustande gekommen sind, sondern zweifelsfrei feststeht, dass sich diese nur aufgrund unwahrer Angaben ergeben haben können.

 

Die Behörde geht insbesondere auch auf Grund des persönlichen Eindruckes, den sie bei Ihrer Einvernahme gewinnen konnte, davon aus, dass keine der geschilderten Varianten Ihrer angeblichen Bedrohungssituation der Wahrheit entspricht, sondern die Asylantragstellung lediglich der Erlangung eines Aufenthaltstitels unter Umgehung des Fremdenrechtes dienen sollte, was einen klaren Missbrauch des Asylrechtes darstellt.

 

Sie haben selbst angegeben, dass Sie nicht mehr länger illegal im Iran leben wollten.

 

Ebenso haben Sie angegeben, dass Sie nach drei Jahren wieder nach Afghanistan zurückkehren wollten, aber lediglich Ihre Mutter hätte Ihnen eine Rückkehr verboten.

 

Hätte die Bedrohung tatsächlich stattgefunden, hätten Sie eine Rückkehr in keinem Fall in Betracht gezogen.

 

Des Weiteren wird auf Ihre niederschriftlichen Angaben verwiesen.

 

 

Die Feststellungen ergeben sich zweifelsfrei aus Ihren eigenen Angaben sowie dem Akteninhalt.

 

Nachdem sich Ihr gesamtes Vorbringen als unglaubhaft erwiesen hat, waren keine Gründe erkennbar, weshalb Sie nicht weiterhin in Ihrem Heimatland leben können sollten.

 

Selbst aber bei angenommenem Wahrheitsgehalt Ihres Vorbringens war davon auszugehen, dass Sie sich in einem anderen Teil Ihres Heimatlandes niederlassen und sich so einer Bedrohung entziehen können. Sie sind gesund und wären bereit und in der Lage, in Österreich jede Arbeit anzunehmen und zu verrichten. Es kamen im Verfahren keine Gründe für die Annahme hervor, dass Ihnen dies nur in Österreich möglich wäre und Sie dazu in Ihrem Heimatland nicht imstande wären. In Verbindung mit der aktuellen Länderfeststellung war damit davon auszugehen, dass Sie selbst dann, wenn Sie in einem anderen Teil Ihres Heimatlandes nicht über familiäre oder soziale Anknüpfungspunkte verfügen, in der Lage sein werden, selbständig Ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Sie gaben insbesondere auch selbst an, dass Sie abgesehen von der von Ihnen behaupteten Bedrohung dazu in der Lage seien.

 

Es war anhand Ihrer Angaben über Ihre Person und die behauptete Bedrohungssituation auch nicht davon auszugehen, dass es sich bei Ihnen um eine "high-profile-person" handeln würde, die von ihren Gegnern im gesamten Staatsgebiet Ihres Heimatlandes gesucht und gefunden würde.

 

Wie in den Länderfeststellungen ersichtlich sind in Ihrem Heimatdistrikt im Zeitraum Jänner – Oktober 2014 keine Vorfälle registriert worden, außer einer Aufdeckung eines Waffenlagers.

 

In Ihrem Heimatdorf leben, wie Sie selbst angegeben haben überwiegend Hazaren, wobei eine Bedrohung auf Grund Ihrer Volksgruppenzugehörigkeit ausgeschlossen werden kann, da diese ohne Probleme dort leben können.

 

Die von Ihnen vorgebrachten allgemeinen Übergriffe bzw. Vorfälle gehen über leere Behauptungen nicht hinaus.

 

Des Weiteren wird auf Ihre niederschriftlichen Angaben verwiesen.

 

 

Die Feststellungen ergeben sich zweifelsfrei aus Ihren eigenen Angaben sowie dem Akteninhalt.

 

Des Weiteren wird auf Ihre niederschriftlichen Angaben verwiesen.

 

 

Die Länderfeststellungen zu Afghanistan ergeben sich aus den seitens des Bundesamtes zur Verfügung gestellten Länderinformationen vom 19.11.2014 incl. letzter Kurzinformation vom 24.02.2015. Die Staatendokumentation ist gemäß § 5 BFA-G zur Objektivität verpflichtet und unterliegt der Beobachtung eines Beirates. Es ist daher davon auszugehen, dass alle zitierten Unterlagen von angesehenen staatlichen und nichtstaatlichen Einrichtungen stammen, ausgewogen zusammengestellt wurden und somit keine Bedenken bestehen, sich darauf zu stützen.

 

Die Länderfeststellungen ergeben sich aus einer Gesamtschau der zitierten Erkenntnisquellen, wobei es sich hierbei nicht um einen "Pauschalverweis" handelt, sondern offenkundig ist, dass jede Art von Länderfeststellung, die sich nicht auf das wortwörtliche "Abschreiben" einer Quelle beschränkt, mit einer den Asylbehörden als Spezialbehörden zukommenden Würdigung verbunden ist, die sich – sofern aus den Quellen rational ableitbar – aus dem Wesen einer den Verwaltungsbehörden zustehenden freien Beweiswürdigung ergibt.

 

Soweit aus Quellen älteren Datums zitiert wurde, geben jüngere öffentlich zugängliche Quellen, seien sie von UNHCR, Menschrechtsorganisationen oder periodisch aktualisierte online-Quellen das gleiche Bild wieder bzw. dienen diese Quellen der Schilderung chronologischer Hergänge alsylrelevanter Ereignisse. Das Bundesasylamt konnte sich daher bei der Feststellung des Ermittlungsergebnisses auf die streckenweise wörtliche Zitierung dieser Quellen beschränken (vgl. zu dieser Vorgangsweise etwa Bescheid des UBAS vom 4.2.2005, Az.: 242.404/0-VII/22/03). Aufgrund der politisch kontinuierlichen Lage, sowie aufgrund der Ausführungen in den vorhergegangenen Sätzen sind daher sämtliche Quellen als aktuell anzusehen.

 

Sie haben von der im Rahmen der eingeräumten Möglichkeit einer schriftliche Stellungnahme zu den vorgehaltenen Länderinformationen der Staatendokumentation Gebrauch gemacht, haben jedoch in Ihrer Stellungnahme vom 03.03.2015 lediglich allgemeine Aussagen getroffen und angeführt, dass die Länderfeststellungen der Staatendokumentation zu allgemein gehalten wären und keinen Bezug auf Ihre allfällige Rückkehr nehmen würden. In Ihrer Stellungnahme vom 17.04.2015 haben Sie ebenfalls lediglich allgemeine Begründungen angeführt, eine persönliche auf Sie bezogene Stellungnahme jedoch nicht abgegeben.

 

Nicht jeder Staatsbürger von Afghanistan ist verpflichtet eine Talibanschule zu besuchen. Sie können sich dem entziehen, wenn Sie sich in einen anderen Teil Ihres Heimatlandes begeben.

 

Sie haben bereits im Iran drei Jahre lang selbstständig leben können und Ihren Lebensunterhalt bestritten. Somit konnten Sie das in einem für Sie fremden Land tun und können dies bei einer Rückkehr auch in einem anderen Teil Ihres Heimatlandes, wobei anzuführen, dass aus Sicht der Behörde kein Bedarf dahingehend besteht, da Ihr Heimatdistrikt als friedlich anzusehen ist.

 

Die von Ihnen getroffenen Angaben beziehen sich auf eine, wenn überhaupt vorhandene allgemeine Lage aus dem Jahr 2011 und ist somit mit Sicherheit weniger aktuell, als jene die Ihnen von der Behörde zur Kenntnis gebracht wurde."

 

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde.

 

Das Bundesverwaltungsgericht führte am 15.01.2018 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, im Rahmen derer der Beschwerdeführer ausführlich zu seinen Fluchtgründen befragt wurde.

 

Mit Schreiben vom 15.01.2018 wurde eine Stellungnahme zu den in der mündlichen Verhandlung erörterten Länderinformationen erstattet.

 

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

 

1. Feststellungen:

 

Der ledige, volljährige Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Afghanistan und gehört der Volksgruppe der Hazara an. Am 19.12.2014 stellte er den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz im österreichischen Bundesgebiet. Der Beschwerdeführer leidet unter keinen schwerwiegenden oder lebensbedrohlichen Krankheiten. Er stammt aus der Provinz Ghazni und besuchte dort mehrere Jahre lang die Grundschule sowie eine Koranschule. Er reiste mit finanzieller Unterstützung seiner Mutter, seines Onkels und eines Bekannten illegal und schlepperunterstützt in den Iran, wo er drei Jahr lang arbeitete. Mit diesem Einkommen konnte der Beschwerdeführer seine Existenz und seine Lebensgrundlage sichern, zudem konnte er dem Bekannten das geliehene Geld zurückzahlen und zum Teil seine Ausreise finanzieren. Nach dem Tod des Vaters erhielten der Beschwerdeführer, sein Bruder und seine Mutter finanzielle Unterstützung durch den Onkel mütterlicherseits. Im Bundesgebiet verfügt er über keinerlei Familienangehörige, Verwandte oder sonstige Personen, zu denen ein finanzielles Abhängigkeitsverhältnis. Er hat österreichische Freunde. Er ist nicht Mitglied in Vereinen oder sonstigen Organisationen. Er hat als außerordentlicher Schüler die vierte Klasse einer Neuen Mittelschule während des Schuljahres 2015/2016 besucht sowie Deutschkurse, legte über seine Deutschkenntnisse jedoch keine Prüfungen ab. Er geht keiner Erwerbstätigkeit nach, sondern bestreitet seinen Lebensunterhalt durch staatliche Unterstützung im Rahmen der Grundversorgung. Er hat am Projekt Talent-Scout teilgenommen und hat ein konkretes Angebot für eine Lehrstelle.

 

Dem Beschwerdeführer hätte im Fall einer Rückkehr in die Provinz Ghazni aufgrund der dort auftretenden Sicherheitsprobleme mit einer ernstzunehmenden Gefahr für Leib und Leben zu rechnen.

 

Dem Beschwerdeführer ist es zumutbar, nach Afghanistan zurückzukehren und sich in Kabul niederzulassen. Der Beschwerdeführer hat bislang zwar nicht in Kabul gelebt. In Afghanistan erhielt der Beschwerdeführer und seine Mutter Unterstützung von einem Onkel. Der Onkel hat dem Beschwerdeführer bei der Ausreise finanziell geholfen und kann mit finanzieller Hilfe seines Onkels rechnen. Mit dieser Unterstützung ist ihm der Aufbau einer Existenzgrundlage in Kabul möglich. Seine Existenz könnte er dort – zumindest anfänglich – mit Hilfs- und Gelegenheitsarbeiten sichern. Er ist auch in der Lage, in Kabul eine einfache Unterkunft zu finden. Dass er als Minderjähriger in der Lage war, sich in ortsfremden Gebieten zurechtzufinden, zeigt sein dreijähriger Aufenthalt im Iran, wo er ohne Unterstützung von Erwachsenen einer Erwerbstätigkeit nachging und überdies auch seinem Bekannten das geliehene Geld für die Ausreise aus Afghanistan zurückzahlen konnte. Der Beschwerdeführer hat zunächst auch die Möglichkeit, finanzielle Unterstützung in Form der Rückkehrhilfe in Anspruch zu nehmen. In weiterer Folge ist – wie dargelegt – von einer finanziellen Unterstützung des Beschwerdeführers durch seinen Onkel auszugehen.

 

Nicht festgestellt werden kann, dass der Beschwerdeführer Afghanistan aus den von ihm genannten Gründen verlassen hat.

 

Überdies kann nicht festgestellt werden, dass konkret der Beschwerdeführer als Angehöriger der Volksgruppe der Hazara sowie schiitischer Muslim bzw. dass jeder Angehörige der Volksgruppe der Hazara sowie schiitischer Muslim in Afghanistan physischer und/oder psychischer Gewalt ausgesetzt wäre.

 

Zur aktuellen Lage in Afghanistan werden folgende Auszüge aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation mit Stand vom 21.12.2017 zugrunde gelegt:

 

Die Sicherheitslage in Afghanistan ist nach wie vor höchst volatil; die Regierung und die Taliban wechselten sich während des Berichtszeitraumes bei Kontrolle mehrerer Distriktzentren ab – auf beiden Seiten waren Opfer zu beklagen (UN GASC 21.9.2017). Der Konflikt in Afghanistan ist gekennzeichnet von zermürbenden Guerilla-Angriffen, sporadischen bewaffneten Zusammenstößen und gelegentlichen Versuchen Ballungszentren zu überrennen. Mehrere Provinzhauptstädte sind nach wie vor in der Hand der Regierung; dies aber auch nur aufgrund der Unterstützung durch US-amerikanische Luftangriffe. Dennoch gelingt es den Regierungskräften kleine Erfolge zu verbuchen, indem sie mit unkonventionellen Methoden zurückschlagen (The Guardian 3.8.2017).

 

Der afghanische Präsident Ghani hat mehrere Schritte unternommen, um die herausfordernde Sicherheitssituation in den Griff zu bekommen. So hielt er sein Versprechen den Sicherheitssektor zu reformieren, indem er korrupte oder inkompetente Minister im Innen- und Verteidigungsministerium feuerte, bzw. diese selbst zurücktraten; die afghanische Regierung begann den strategischen 4-Jahres Sicherheitsplan für die ANDSF umzusetzen (dabei sollen die Fähigkeiten der ANDSF gesteigert werden, größere Bevölkerungszentren zu halten); im Rahmen des Sicherheitsplanes sollen Anreize geschaffen werden, um die Taliban mit der afghanischen Regierung zu versöhnen; Präsident Ghani bewilligte die Erweiterung bilateraler Beziehungen zu Pakistan, so werden unter anderen gemeinsamen Anti-Terror Operationen durchgeführt werden (SIGAR 31.7.2017).

 

Zwar endete die Kampfmission der US-Amerikaner gegen die Taliban bereits im Jahr 2014, dennoch werden, laut US-amerikanischem Verteidigungsminister, aufgrund der sich verschlechternden Sicherheitslage 3.000 weitere Soldaten nach Afghanistan geschickt. Nach wie vor sind über 8.000 US-amerikanische Spezialkräfte in Afghanistan, um die afghanischen Truppen zu unterstützen (BBC 18.9.2017).

 

Sicherheitsrelevante Vorfälle

 

In den ersten acht Monaten wurden insgesamt 16.290 sicherheitsrelevante Vorfälle von den Vereinten Nationen (UN) registriert; in ihrem Berichtszeitraum (15.6. bis 31.8.2017) für das dritte Quartal, wurden 5.532 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert – eine Erhöhung von 3% gegenüber dem Vorjahreswert. Laut UN haben sich bewaffnete Zusammenstöße um 5% erhöht und machen nach wie vor 64% aller registrierten Vorfälle aus. 2017 gab es wieder mehr lange bewaffnete Zusammenstöße zwischen Regierung und regierungsfeindlichen Gruppierungen. Im Gegensatz zum Vergleichszeitraums des Jahres 2016, verzeichnen die UN einen Rückgang von 3% bei Anschlägen mit Sprengfallen [IEDs – improvised explosive device], Selbstmordangriffen, Ermordungen und Entführungen – nichtsdestotrotz waren sie Hauptursache für zivile Opfer. Die östliche Region verzeichnete die höchste Anzahl von Vorfällen, gefolgt von der südlichen Region (UN GASC 21.9.2017).

 

Laut der internationalen Sicherheitsorganisation für NGOs (INSO) wurden in Afghanistan von 1.1.-31.8.2017 19.636 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert (Stand: 31.8.2017) (INSO o.D.).

 

Zivilist/innen

 

Landesweit war der bewaffnete Konflikt weiterhin Ursache für Verluste in der afghanischen Zivilbevölkerung. Zwischen dem 1.1. und 30.6.2017 registrierte die UNAMA 5.243 zivile Opfer (1.662 Tote und 3.581 Verletzte). Dies bedeutet insgesamt einen Rückgang bei zivilen Opfern von fast einem 1% gegenüber dem Vorjahreswert. Dem bewaffneten Konflikt in Afghanistan fielen zwischen 1.1.2009 und 30.6.2017 insgesamt 26.512 Zivilist/innen zum Opfer, während in diesem Zeitraum 48.931 verletzt wurden (UNAMA 7.2017).

 

Im ersten Halbjahr 2017 war ein Rückgang ziviler Opfer bei Bodenoffensiven zu verzeichnen, während sich die Zahl ziviler Opfer aufgrund von IEDs erhöht hat (UNAMA 7.2017).

 

Die Provinz Kabul verzeichnete die höchste Zahl ziviler Opfer – speziell in der Hauptstadt Kabul: von den 1.048 registrierten zivilen Opfer (219 Tote und 829 Verletzte), resultierten 94% aus Selbstmordattentaten und Angriffen durch regierungsfeindliche Elemente. Nach der Hauptstadt Kabul verzeichneten die folgenden Provinzen die höchste Zahl ziviler Opfer: Helmand, Kandahar, Nangarhar, Uruzgan, Faryab, Herat, Laghman, Kunduz und Farah. Im ersten Halbjahr 2017 erhöhte sich die Anzahl ziviler Opfer in 15 von Afghanistans 34 Provinzen (UNAMA 7.2017)

 

High-profile Angriffe:

 

Der US-Sonderbeauftragten für den Aufbau in Afghanistan (SIGAR), verzeichnete in seinem Bericht für das zweite Quartal des Jahres 2017 mehrere high-profil Angriffe; der Großteil dieser fiel in den Zeitraum des Ramadan (Ende Mai bis Ende Juni). Einige extremistische Organisationen, inklusive dem Islamischen Staat, behaupten dass Kämpfer, die während des Ramadan den Feind töten, bessere Muslime wären (SIGAR 31.7.2017).

 

Im Berichtszeitraum (15.6. bis 31.8.2017) wurden von den Vereinten Nationen folgende High-profile Angriffe verzeichnet:

 

Ein Angriff auf die schiitische Moschee in der Stadt Herat, bei dem mehr als 90 Personen getötet wurden (UN GASC 21.9.2017; vgl.: BBC 2.8.2017). Zu diesem Attentat bekannte sich der ISIL-KP (BBC 2.8.2017). Taliban und selbsternannte ISIL-KP Anhänger verübten einen Angriff auf die Mirza Olang Region im Distrikt Sayyad in der Provinz Sar-e Pul; dabei kam es zu Zusammenstößen mit regierungsfreundlichen Milizen. Im Zuge dieser Kämpfe, die von 3.-5.August anhielten, wurden mindestens 36 Menschen getötet (UN GASC 21.9.2017). In Kabul wurde Ende August eine weitere schiitische Moschee angegriffen, dabei wurden mindestens 28 Zivilist/innen getötet; auch hierzu bekannte sich der ISIL-KP (UN GASC 21.9.2017; vgl.: NYT 25.8.2017).

 

Manche high-profile Angriffe waren gezielt gegen Mitarbeiter/innen der ANDSF und afghanischen Regierungsbeamte gerichtet; Zivilist/innen in stark bevölkerten Gebieten waren am stärksten von Angriffen dieser Art betroffen (SIGAR 31.7.2017).

 

"Green Zone" in Kabul

 

Kabul hatte zwar niemals eine formelle "Green Zone"; dennoch hat sich das Zentrum der afghanischen Hauptstadt, gekennzeichnet von bewaffneten Kontrollpunkten und Sicherheitswänden, immer mehr in eine militärische Zone verwandelt (Reuters 6.8.2017).

 

Eine Erweiterung der sogenannten Green Zone ist geplant; damit wird Verbündeten der NATO und der US-Amerikaner ermöglicht, auch weiterhin in der Hauptstadt Kabul zu bleiben ohne dabei Risiken ausgesetzt zu sein. Kabul City Compound – auch bekannt als das ehemalige Hauptquartier der amerikanischen Spezialkräfte, wird sich ebenso innerhalb der Green Zone befinden. Die Zone soll hinkünftig vom Rest der Stadt getrennt sein, indem ein Netzwerk an Kontrollpunkten durch Polizei, Militär und privaten Sicherheitsfirmen geschaffen wird. Die Erweiterung ist ein großes öffentliches Projekt, das in den nächsten zwei Jahren das Zentrum der Stadt umgestalten soll; auch sollen fast alle westlichen Botschaften, wichtige Ministerien, sowie das Hauptquartier der NATO und des US-amerikanischen Militärs in dieser geschützten Zone sein. Derzeit pendeln tagtäglich tausende Afghaninnen und Afghanen durch diese Zone zu Schulen und Arbeitsplätzen (NYT 16.9.2017).

 

Nach einer Reihe von Selbstmordattentaten, die hunderte Opfer gefordert haben, erhöhte die afghanische Regierung die Sicherheit in der zentralen Region der Hauptstadt Kabul – dieser Bereich ist Sitz ausländischer Botschaften und Regierungsgebäude. Die Sicherheit in diesem diplomatischen Bereich ist höchste Priorität, da, laut amtierenden Polizeichef von Kabul, das größte Bedrohungsniveau in dieser Gegend verortet ist und eine bessere Sicherheit benötigt wird. Die neuen Maßnahmen sehen 27 neue Kontrollpunkte vor, die an 42 Straßen errichtet werden. Eingesetzt werden mobile Röntgengeräte, Spürhunde und Sicherheitskameras. Außerdem werden 9 weitere Straßen teilweise gesperrt, während die restlichen sechs Straßen für Autos ganz gesperrt werden. 1.200 Polizist/innen werden in diesem Bereich den Dienst verrichten, inklusive spezieller Patrouillen auf Motorrädern. Diese Maßnahmen sollen in den nächsten sechs Monaten schrittweise umgesetzt werden (Reuters 6.8.2017).

 

Eine erweiterter Bereich, die sogenannte "Blue Zone" soll ebenso errichtet werden, die den Großteil des Stadtzentrums beinhalten soll – in diesem Bereich werden strenge Bewegungseinschränkungen, speziell für Lastwagen, gelten. Lastwagen werden an einem speziellen externen Kontrollpunkt untersucht. Um in die Zone zu gelangen, müssen sie über die Hauptstraße (die auch zum Flughafen führt) zufahren (BBC 6.8.2017; vgl. Reuters 6.8.2017).

 

ANDSF – afghanische Sicherheits- und Verteidigungskräfte

 

Die Stärkung der ANDSF ist ein Hauptziel der Wiederaufbaubemühungen der USA in Afghanistan, damit diese selbst für Sicherheit sorgen können (SIGAR 20.6.2017). Die Stärke der afghanischen Nationalarmee (Afghan National Army – ANA) und der afghanischen Nationalpolizei (Afghan National Police – ANP), sowie die Leistungsbereitschaft der Einheiten, ist leicht gestiegen (SIGAR 31.7.2017).

 

Die ANDSF wehrten Angriffe der Taliban auf Schlüsseldistrikte und große Bevölkerungszentren ab. Luftangriffe der Koalitionskräfte trugen wesentlich zum Erfolg der ANDSF bei. Im Berichtszeitraum von SIGAR verdoppelte sich die Zahl der Luftangriffe gegenüber dem Vergleichswert für 2016 (SIGAR 31.7.2017).

 

Die Polizei wird oftmals von abgelegen Kontrollpunkten abgezogen und in andere Einsatzgebiete entsendet, wodurch die afghanische Polizei militarisiert wird und seltener für tatsächliche Polizeiarbeit eingesetzt wird. Dies erschwert es, die Loyalität der Bevölkerung zu gewinnen. Die internationalen Truppen sind stark auf die Hilfe der einheimischen Polizei und Truppen angewiesen (The Guardian 3.8.2017).

 

Regierungsfeindliche Gruppierungen:

 

Taliban

 

Die Taliban waren landesweit handlungsfähig und zwangen damit die Regierung erhebliche Ressourcen einzusetzen, um den Status Quo zu erhalten. Seit Beginn ihrer Frühjahrsoffensive im April, haben die Taliban – im Gegensatz zum Jahr 2016 – keine größeren Versuche unternommen Provinzhauptstädte einzunehmen. Nichtsdestotrotz, gelang es den Taliban zumindest temporär einige Distriktzentren zu überrennen und zu halten; dazu zählen der Distrikt Taywara in der westlichen Provinz Ghor, die Distrikte Kohistan und Ghormach in der nördlichen Provinz Faryab und der Distrikt Jani Khel in der östlichen Provinz Paktia. Im Nordosten übten die Taliban intensiven Druck auf mehrere Distrikte entlang des Autobahnabschnittes Maimana-Andkhoy in der Provinz Faryab aus; die betroffenen Distrikte waren: Qaramol, Dawlat Abad, Shirin Tagab und Khwajah Sabz Posh. Im Süden verstärkten die Taliban ihre Angriffe auf Distrikte, die an die Provinzhauptstädte von Kandahar und Helmand angrenzten (UN GASC 21.9.2017).

 

IS/ISIS/ISKP/ISIL-KP/Daesh

 

Die Operationen des ISIL-KP in Afghanistan sind weiterhin auf die östliche Region Afghanistans beschränkt – nichtsdestotrotz bekannte sich die Gruppierung landesweit zu acht nennenswerten Vorfällen, die im Berichtszeitraum von den UN registriert wurden. ISIL-KP verdichtete ihre Präsenz in der Provinz Kunar und setze ihre Operationen in Gegenden der Provinz Nangarhar fort, die von den ANDSF bereits geräumt worden waren. Angeblich wurden Aktivitäten des ISIL-KP in den nördlichen Provinzen Jawzjan und Sar-e Pul, und den westlichen Provinzen Herat und Ghor berichtet (UN GASC 21.9.2017).

 

Im sich zuspitzenden Kampf gegen den ISIL-KP können sowohl die ANDSF, als auch die Koalitionskräfte auf mehrere wichtige Erfolge im zweiten Quartal verweisen (SIGAR 31.7.2017): Im Juli wurde im Rahmen eines Luftangriffes in der Provinz Kunar der ISIL-KP-Emir, Abu Sayed, getötet. Im August wurden ein weiterer Emir des ISIL-KP, und drei hochrangige ISIL-KP-Führer durch einen Luftangriff getötet. Seit Juli 2016 wurden bereits drei Emire des ISIL-KP getötet (Reuters 13.8.2017); im April wurde Sheikh Abdul Hasib, gemeinsam mit 35 weiteren Kämpfern und anderen hochrangigen Führern in einer militärischen Operation in der Provinz Nangarhar getötet (WT 8.5.2017; vgl. SIGAR 31.7.2017). Ebenso in Nangarhar, wurde im Juni der ISIL-KP-Verantwortliche für mediale Produktionen, Jawad Khan, durch einen Luftangriff getötet (SIGAR 31.7.2017; vgl.: Tolonews 17.6.2017).

 

Politische Entwicklungen

 

Die Vereinten Nationen registrierten eine Stärkung der Nationalen Einheitsregierung. Präsident Ghani und CEO Abdullah einigten sich auf die Ernennung hochrangiger Posten – dies war in der Vergangenheit Grund für Streitigkeiten zwischen den beiden Führern gewesen (UN GASC 21.9.2017).

 

Die parlamentarische Bestätigung einiger war nach wie vor ausständig; derzeit üben daher einige Minister ihr Amt kommissarisch aus. Die unabhängige afghanische Wahlkommission (IEC) verlautbarte, dass die Parlaments- und Distriktratswahlen am 7. Juli 2018 abgehalten werden (UN GASC 21.9.2017).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

KI vom 27.6.2017: Afghanische Flüchtlinge im Iran (betrifft: Abschnitt 23 Rückkehrer)

 

Aus gegebenem Anlass darf auf folgendes hingewiesen werden:

Informationen zur Situationen afghanischer Flüchtlinge im Iran können dem Länderinformationsblatt Iran entnommen werden (LIB Iran – Abschnitt 21/Flüchtlinge).

 

Länderkundliche Informationen, die Afghanistan als Herkunftsstaat betreffen, sind auch weiterhin dem Länderinformationsblatt Afghanistan zu entnehmen.

 

KI vom 22.6.2017: Aktualisierung der Sicherheitslage in Afghanistan – Q2.2017 (betrifft: Abschnitt 3 Sicherheitslage)

 

Den Vereinten Nationen zufolge war die Sicherheitslage in Afghanistan im Berichtszeitraum weiterhin volatil: zwischen 1.3. und 31.5.2017 wurden von den Vereinten Nationen 6.252 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert – eine Erhöhung von 2% gegenüber dem Vorjahreswert. Bewaffnete Zusammenstöße machten mit 64% den Großteil registrierter Vorfälle aus, während IEDs [Anm.:

improvised explosive device] 16% der Vorfälle ausmachten – gezielte Tötungen sind hingegen um 4% zurückgegangen. Die östlichen und südöstlichen Regionen zählten auch weiterhin zu den volatilsten; sicherheitsrelevante Vorfälle haben insbesondere in der östlichen Region um 22% gegenüber dem Vorjahr zugenommen. Die Taliban haben hauptsächlich folgende Provinzen angegriffen: Badakhshan, Baghlan, Farah, Faryab, Helmand, Kunar, Kunduz, Laghman, Sar-e Pul, Zabul und Uruzgan. Talibanangriffe auf afghanische Sicherheitskräfte konnten durch internationale Unterstützung aus der Luft abgewiesen werden. Die Anzahl dieser Luftangriffe ist mit einem Plus von 112% gegenüber dem Vergleichszeitraum des Jahres 2016 deutlich gestiegen (UN GASC 20.6.2017).

 

Laut der internationalen Sicherheitsorganisation für NGOs (INSO) wurden in Afghanistan 11.647 sicherheitsrelevante Vorfälle von 1.1.-31.5.2017 registriert (Stand: 31.5.2017) (INSO o.D.).

 

ANDSF – afghanische Sicherheits- und Verteidigungskräfte

 

Laut einem Bericht des amerikanischen Verteidigungsministeriums behielten die ANDSF, im Berichtszeitraum 1.12.2016-31.5.2017 trotz aufständischer Gruppierungen, auch weiterhin Kontrolle über große Bevölkerungszentren: Die ANDSF waren im Allgemeinen fähig große Bevölkerungszentren zu schützen, die Taliban davon abzuhalten gewisse Gebiete für einen längeren Zeitraum zu halten und auf Talibanangriffe zu reagieren. Die ANDSF konnten in städtischen Gebieten Siege für sich verbuchen, während die Taliban in gewissen ländlichen Gebieten Erfolge erzielen konnten, in denen die ANDSF keine dauernde Präsenz hatten. Spezialeinheiten der afghanischen Sicherheitskräfte (ASSF – Afghan Special Security Forces) leiteten effektiv offensive Befreiungsoperationen (US DOD 6.2017).

 

Bis Ende April 2017 lag die Truppenstärke der afghanischen Armee [ANA – Afghan National Army] bei 90,4% und die der afghanischen Nationalpolizei [ANP – Afghan National Police] bei 95,1% ihrer Sollstärke (UN GASC 20.6.2017).

 

High-profile Angriffe:

 

Als sichere Gebiete werden in der Regel die Hauptstadt Kabul und die regionalen Zentren Herat und Mazar-e Sharif genannt. Die Wahrscheinlichkeit, hier Opfer von Kampfhandlungen zu werden, ist relativ geringer als zum Beispiel in den stark umkämpften Provinzen Helmand, Nangarhar und Kunduz (DW 31.5.2017).

 

Hauptstadt Kabul

 

Kabul wird immer wieder von Attentaten erschüttert (DW 31.5.2017):

 

Am 31.5.2017 kamen bei einem Selbstmordattentat im hochgesicherten Diplomatenviertel Kabuls mehr als 150 Menschen ums Leben und mindestens 300 weitere wurden schwer verletzt als ein Selbstmordattentäter einen Sprengstoff beladenen Tanklaster mitten im Diplomatenviertel in die Luft sprengte (FAZ 6.6.2017; vgl. auch:

al-Jazeera 31.5.2017; The Guardian 31.5.2017; BBC 31.5.2017; UN News Centre 31.5.2017). Bedeutend ist der Angriffsort auch deswegen, da dieser als der sicherste und belebteste Teil der afghanischen Hauptstadt gilt. Kabul war in den Wochen vor diesem Anschlag relativ ruhig (al-Jazeera 31.5.2017).

 

( )

 

Zunächst übernahm keine Gruppe Verantwortung für diesen Angriff; ein Talibansprecher verlautbarte nicht für diesen Vorfall verantwortlich zu sein (al-Jazeera 31.5.2017). Der afghanische Geheimdienst (NDS) macht das Haqqani-Netzwerk für diesen Vorfall verantwortlich (The Guardian 2.6.2017; vgl. auch: Fars News 7.6.2017); schlussendlich bekannte sich der Islamische Staat dazu (Fars News 7.6.2017).

 

Nach dem Anschlag im Diplomatenviertel in Kabul haben rund 1.000 Menschen, für mehr Sicherheit im Land und eine Verbesserung der Sicherheit in Kabul demonstriert (FAZ 2.6.2017). Bei dieser Demonstration kam es zu gewaltsamen Zusammenstößen zwischen den Demonstranten und den Sicherheitskräften (The Guardian 2.6.2017); dabei wurden mindestens sieben Menschen getötet und zahlreiche verletzt (FAZ 2.6.2017).

 

Auf der Trauerfeier für einen getöteten Demonstranten– den Sohn des stellvertretenden Senatspräsidenten – kam es am 3.6.2017 erneut zu einem Angriff, bei dem mindestens 20 Menschen getötet und 119 weitere verletzt worden waren. Polizeiberichten zufolge, waren während des Begräbnisses drei Bomben in schneller Folge explodiert (FAZ 3.6.2017; vgl. auch: The Guardian 3.6.2017); die Selbstmordattentäter waren als Trauergäste verkleidet (The Guardian 3.6.2017). Hochrangige Regierungsvertreter, unter anderem auch Regierungsgeschäftsführer Abdullah Abdullah, hatten an der Trauerfeier teilgenommen (FAZ 3.6.2017; vgl. auch: The Guardian 3.6.2017).

 

Herat

 

Anfang Juni 2017 explodierte eine Bombe beim Haupteingang der historischen Moschee Jama Masjid; bei diesem Vorfall wurden mindestens 7 Menschen getötet und 15 weitere verletzt (Reuters 6.6.2017; vgl. auch: TMN 7.6.2017). Zu diesem Vorfall hat sich keine Terrrorgruppe bekannt (TMN 7.6.2017; vgl. auch: US News 12.6.2017). Sirajuddin Haqqani – stellvertretender Leiter der Taliban und Führer des Haqqani Netzwerkes – verlautbarte, die Taliban wären für diese Angriffe in Kabul und Herat nicht verantwortlich (WP 12.6.2017).

 

Mazar-e Sharif

 

Auf der Militärbase Camp Shaheen in der nördlichen Stadt Mazar-e Sharif eröffnete Mitte Juni 2017 ein afghanischer Soldat das Feuer auf seine Kameraden und verletzte mindestens acht Soldaten (sieben US-amerikanische und einen afghanischen) (RFE/RL 17.6.2017).

 

Die Anzahl solcher "Insider-Angriffe" [Anm.: auch green-on-blue attack genannt] hat sich in den letzten Monaten erhöht. Unklar ist, ob die Angreifer abtrünnige Mitglieder der afghanischen Sicherheitskräfte sind oder ob sie Eindringlinge sind, die Uniformen der afghanischen Armee tragen (RFE/RL 17.6.2017). Vor dem Vorfall im Camp Shaheen kam es dieses Jahr zu zwei weiteren registrierten Insider-Angriffen: der erste Vorfall dieses Jahres fand Mitte März auf einem Militärstützpunkt in Helmand statt: ein Offizier des afghanischen Militärs eröffnete das Feuer und verletzte drei US-amerikanische Soldaten (LWJ 11.6.2017; vgl. auch: al-Jazeera 11.6.2017).

 

Der zweite Vorfall fand am 10.6.2017 im Zuge einer militärischen Operation im Distrikt Achin in der Provinz Nangarhar statt, wo ein afghanischer Soldat drei US-amerikanische Soldaten tötete und einen weiteren verwundete; der Angreifer wurde bei diesem Vorfall ebenso getötet (BBC 10.6.21017; vgl. auch: LWJ 11.6.2017; DZ 11.6.2017).

 

Regierungsfeindliche Gruppierungen:

 

Afghanistan ist mit einer anhaltenden Bedrohung durch mehr als 20 aufständische Gruppen bzw. terroristische Netzwerke, die in der AfPak-Region operieren, konfrontiert; zu diesen Gruppierungen zählen unter anderem die Taliban, das Haqqani Netzwerk, der Islamische Staat und al-Qaida (US DOD 6.2017).

 

Taliban

 

Die Fähigkeiten der Taliban und ihrer Operationen variieren regional signifikant; sie verwerten aber weiterhin ihre begrenzten Erfolge, indem sie diese auf sozialen Medien und durch Propagandakampagnen als strategische Siege bewerben (US DOD 6.2017).

 

Die Taliban haben ihre diesjährige Frühjahrsoffensive "Operation Mansouri" am 28. April 2017 eröffnet (UN GASC 20.6.2017; vgl. auch:

BBC 7.5.2017). In einer Stellungnahme verlautbarten sie folgende Ziele: um die Anzahl ziviler Opfer zu minimieren, wollen sie sich auf militärische und politische Ziele konzentrieren, indem ausländische Kräfte in Afghanistan, sowie ihre afghanischen Partner angegriffen werden sollen. Nichtdestotrotz gab es bezüglich der Zahl ziviler Opfer keine signifikante Verbesserung (UN GASC 20.6.2017).

 

Während des Berichtszeitraumes der Vereinten Nationen gelang es den Taliban den strategischen Distrikt Zaybak/Zebak in der Provinz Badakhshan zu erobern (UN GASC 20.6.2017; vgl. auch: Pajhwok 11.5.2017); die afghanischen Sicherheitskräfte konnten den Distrikt einige Wochen später zurückerobern (Pajhwok 11.5.2017). Kurzfristig wurden auch der Distrikt Sangin in Helmand, der Distrikt Qal‘ah-e Zal in Kunduz und der Distrikt Baha’ al-Din in Takhar von den Taliban eingenommen (UN GASC 20.6.2017).

 

Bei einer Friedens- und Sicherheitskonferenz in Kabul wurde unter anderem überlegt, wie die radikal-islamischen Taliban an den Verhandlungstisch geholt werden könnten (Tagesschau 6.6.2017).

Präsident Ghani verlautbarte mit den Taliban reden zu wollen:

sollten die Taliban dem Friedensprozess beiwohnen, so werde die afghanische Regierung ihnen erlauben ein Büro zu eröffnen; dies sei ihre letzte Chance (WP 6.6.2017).

 

IS/ISIS/ISKP/ISIL-KP/Daesh

 

Der IS-Zweig in Afghanistan – teilweise bekannt als IS Khorasan – ist seit dem Jahr 2015 aktiv; er kämpft gegen die Taliban, sowie gegen die afghanischen und US-amerikanischen Kräfte (Dawn 7.5.2017; vgl. auch: DZ 14.6.2017). Der IS hat trotz verstärkter Militäroperationen, eine Präsenz in der Provinz Nangarhar (UN GASC 20.6.2017; vgl. auch: DZ 14.6.2017).

 

Mehreren Quellen zufolge, eroberte der IS Mitte Juni 2017 die strategisch wichtige Festung der Taliban Tora Bora; bekannt als Zufluchtsort bin-Ladens. Die Taliban negieren den Sieg des IS und verlautbarten die Kämpfe würden anhalten (DZ 14.6.2017; vgl. auch:

NYT 14.6.2017; IBT 14.6.2017). Lokale Stammesälteste bestätigten hingen den Rückzug der Taliban aus großen Teilen Tora Boras (Dawn 16.6.2017).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

KI vom 11.5.2017: Aktualisierung der Sicherheitslage in Afghanistan – Q1.2017 (betrifft: Abschnitt 3 Sicherheitslage)

 

Den Vereinten Nationen zufolge hat sich im Jahr 2016 die Sicherheitslage in Afghanistan verschlechtert; dieser Trend zieht sich bis ins Jahr 2017. Gefechte fanden vorwiegend in den folgenden fünf Provinzen im Süden und Osten statt: Helmand, Nangarhar, Kandahar, Kunar und Ghazni; 50% aller Vorfälle wurden in diesen Regionen verzeichnet (für das Jahr 2016 wurden 23.712 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert). Doch der Konflikt hat sich geographisch ausgeweitet, da die Taliban ihre Aktivitäten in Nord- und Nordostafghanistan, sowie in der westlichen Provinz Farah, verstärkt haben. In den Provinzhauptstädten von Farah, Kunduz, Helmand und Uruzgan übten die Taliban Druck auf die Regierung aus. Wesentlich für die Machterhaltung der Regierung in diesen Provinzhauptstädten war die Entsendung afghanischer Spezialeinheiten und die Luftunterstützung durch internationale und afghanische Kräfte (UN GASC 3.3.2017).

 

INSO berichtet für den Zeitraum Jänner – März 2017 von insgesamt

6.799 sicherheitsrelevanten Vorfällen in ganz Afghanistan (INSO o. D.):

 

Im Jahr 2016 hat sich die Zahl der Gefechte zwischen Taliban und Regierungskräften (meist Angriffe der Taliban) um 22% erhöht und machen damit 63% der sicherheitsrelevanten Vorfälle aus. Die Anzahl der IED-Vorfälle war 2016 um 25% niedriger als im Jahr davor und ist damit weiterhin rückläufig (UN GASC 3.3.2017).

 

ANDSF – afghanische Sicherheits- und Verteidigungskräfte

 

Die afghanischen Sicherheitskräfte sind auch weiterhin signifikanten Herausforderungen ausgesetzt – speziell was ihre operative Leistungsfähigkeit betrifft: Schwächen in den Bereichen Führung und Kontrolle, Leitung und Logistik, sowie hohe Ausfallsraten, haben maßgebliche Auswirkungen auf Moral, Rekrutierung und Leistungsfähigkeit (UN GASC 3.3.2017). Dennoch haben die afghanischen Sicherheitskräfte hart gegen den Talibanaufstand und terroristische Gruppierungen gekämpft und mussten dabei hohe Verluste hinnehmen. Gleichzeitig wurden qualitativ hochwertige Spezialeinheiten entwickelt und Aufständische davon abgehalten Bevölkerungszentren einzunehmen oder zu halten (SIGAR 30.4.2017).

 

Der sich intensivierende Konflikt hat zunehmend Opfer bei Sicherheitskräften und Taliban gefordert. Die Rate der Neu- bzw. Weiterverpflichtungen ist zu niedrig, um die zunehmenden Desertionen und Ausfälle zu kompensieren. Bis Februar 2016 war die Truppenstärke des afghanischen Heeres bei 86% und die der afghanischen Nationalpolizei auf 94% ihres geplanten Mannschaftsstandes (UN GASC 3.3.2017).

 

Berichtszeitraum 18.11.2016 bis 14.2.2017

 

Im Berichtszeitraum wurden von den Vereinten Nationen 5.160 sicherheitsrelevanter Vorfälle registriert; dies bedeutet eine Erhöhung von 10% zum Vergleichszeitraum des Jahres 2015 (UN GASC 3.3.2017).

 

Im Jänner 2017 wurden 1.877 bewaffnete Zusammenstöße registriert; die Anzahl hatte sich gegenüber dem vorigen Vergleichszeitraum um 30 erhöht. Im Berichtszeitraum haben sich IED-Angriffe im Vergleich zum Vorjahr um 11% verstärkt (UN GASC 3.3.2017).

 

High-profile Angriffe:

 

Nahe der Provinzhauptstadt Mazar-e Sharif in der afghanischen Nordprovinz Balkh, sind bei einem Angriff der Taliban auf eine Militärbasis mindestens 140 Soldaten getötet und mehr als 160 verwundet worden (FAZ 21.4.2017; vgl. auch: al-Jazeera 29.4.2017, Reuters 23.4.2017). Balkh gehört zu den eher sicheren Provinzen Afghanistans; dort ist die Kommandozentrale für den gesamten Norden des Landes (FAZ 21.4.2017). Dies war afghanischen Regierungskreisen zufolge, der bislang folgenschwerste Angriff auf einen Militärstützpunkt. Laut dem Sprecher der Taliban war der Angriff die Vergeltung für die Tötung mehrerer ranghoher Rebellenführer. Vier der Angreifer seien in die Armee eingeschleust worden. Sie hätten dort einige Zeit ihren Dienst verrichtet. Das wurde aber von der afghanischen Armee nicht bestätigt (Reuters 23.4.2017).

 

Dies ist der zweite Angriff auf eine Militäreinrichtung innerhalb weniger Monate, nach dem Angriff auf ein Militärkrankenhaus in Kabul Anfang März, zu dem sich die Terrormiliz Islamischer Staat bekannt hatte. Damals kamen mindestens 49 Menschen ums Leben und 76 weitere wurden verletzt (FAZ 21.4.2017; vgl. auch: BBC 8.5.2017, NYT 7.5.2017, Dawn 7.5.2017, SIGAR 30.4.2017, FAZ 8.3.2017).

 

Regierungsfeindliche Gruppierungen:

 

Angaben, welche Gebiete von den Aufständischen in Afghanistan kontrolliert werden, sind unterschiedlich: Schätzungen der BBC zufolge, wird bis zu ein Drittel des Landes von den Taliban kontrolliert (BBC 9.5.2017). Einer US-amerikanischen Quelle zufolge stehen 59,7% der Distrikte unter Kontrolle bzw. Einfluss der afghanischen Sicherkräfte (Stand: 20.2.2017); was eine Steigerung von 2,5% gegenüber dem letzten Quartal wäre; jedoch einen Rückgang von 11% gegenüber dem Vergleichswert des Jahres 2016. Die Anzahl der Distrikte, die unter Einfluss oder Kontrolle von Aufständischen sind, hat sich in diesem Quartal um 4 Distrikte vermehrt: es sind dies 45 Distrikte in 15 Provinzen (SIGAR 30.4.2017). Die ANDSF konnten die Taliban davon abhalten Provinzhauptstädte einzunehmen oder zu halten; die Aufständischen haben die Kontrolle über gewisse ländliche Gebiete behalten. (SIGAR 30.4.2017).

 

Taliban

 

Die Taliban haben ihre diesjährige Frühjahrsoffensive Ende April 2017 eröffnet; seitdem kommt es zu verstärkten Gefechtshandlungen in Nordafghanistan (BBC 7.5.2017). Bisher haben die Taliban ihre alljährliche Kampfsaison durch die Frühjahrsoffensive eingeläutet; allerdings haben dieses Jahr die Taliban-Aufständischen auch in den Wintermonaten weitergekämpft (BBC 28.4.2017).

 

Helmand

 

Die Taliban haben den Druck auf die Provinz Helmand erhöht; heftige Gefechte fanden Ende Jänner und Anfang Februar im Distrikt Sangin statt (UN GASC 3.3.2017): 10 der 14 Distrikte in Helmand werden entweder von den Taliban kontrolliert oder sind umstritten. In die Provinz Helmand wurde bereits eine Anzahl US-amerikanischer Soldaten entsendet (al-Jazeera 29.4.2017; vgl. auch: Khaama Press 11.4.2017). Auch das afghanische Verteidigungsministerium hat Befreiungsoperationen gestartet, die sogenannten Khalid-Operationen in Helmand aus den beiden Distrikten, Garamser und Nad-e Ali heraus (Khaama Press 11.4.2017). Militärischen Quellen zufolge, wurde im Mai eine riesige Kommandozentrale der Taliban im Distrikt Nad-e Ali zerstört (Sputnik News 10.5.2017).

 

Kunduz

 

Seit zwei Jahren ist Kunduz Zentrum intensiver Gefechte zwischen Taliban und Sicherheitskräften (LWJ 9.5.2017); die Stadt Kunduz fiel zweimal bevor die ANDSF und die Koalitionskräfte sie wieder unter ihre Kontrolle bringen konnten (SIGAR 30.4.2017; vgl. auch: LWJ 9.5.2017).

 

IS/ISIS/ISKP/ISIL-KP/Daesh

 

Der IS-Zweig in Afghanistan – teilweise bekannt als IS Khorasan – ist seit dem Jahr 2015 aktiv; er kämpft gegen die Taliban, sowie auch gegen die afghanischen und US-amerikanischen Kräfte (Dawn 7.5.2017). Der IS verliert weiterhin Gebiete, die zuvor von ihm kontrolliert wurden; Verantwortlich dafür sind hauptsächlich die Aktivitäten der afghanischen Luftstreitkräfte mit Unterstützung der Luftangriffe der NATO (SCR 28.2.2017).

 

Abdul Hasib, der IS-Anführer in Afghanistan, wurde im Rahmen einer militärischen Operation in Nangarhar getötet (BBC 8.5.2017; vgl. auch: NYT 7.5.2017); von Hasib wird angenommen für viele high-profile Angriffe verantwortlich zu sein – so auch für den Angriff gegen das Militärkrankenhaus in Kabul (Dawn 7.5.2017; vgl. auch: BBC 8.5.2017).

 

In diesem Jahr wurden hunderte IS-Aufständische entweder getötet oder gefangen genommen (BBC 8.5.2017). Im April 2017 wurde die größte nicht-nukleare Bombe, in einer Region in Ostafghanistan eingesetzt, die dafür bekannt ist von IS-Aufständischen bewohnt zu sein (Independent 13.4.2017). Netzwerke bestehend aus Höhlen und Tunnels wurden zerstört und 94 IS-Kämpfer, sowie vier Kommandanten, getötet (Dawn 7.5.2017). Quellen zufolge waren keine Zivilisten von dieser Explosion betroffen (BBC 14.4.2017; vgl. auch: The Guardian 13.4.2017, al-Jazeera 14.4.2017).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Politische Lage

 

Nach dem Sturz des Taliban-Regimes im Jahr 2001 wurde eine neue Verfassung erarbeitet (IDEA o.D.), und im Jahre 2004 angenommen (Staatendokumentation des BFA 7.2016; vgl. auch: IDEA o.D.). Sie basiert auf der Verfassung aus dem Jahre 1964. Bei Ratifizierung sah diese Verfassung vor, dass kein Gesetz gegen die Grundsätze und Bestimmungen des Islam verstoßen darf und alle Bürger Afghanistans, Mann und Frau, gleiche Rechte und Pflichten vor dem Gesetz haben (BFA Staatendokumentation des BFA 3.2014; vgl. Max Planck Institute 27.1.2004).

 

Die Innenpolitik ist seit der Einigung zwischen den Stichwahlkandidaten der Präsidentschaftswahl auf eine Regierung der Nationalen Einheit (RNE) von mühsamen Konsolidierungsbemühungen geprägt. Nach langwierigen Auseinandersetzungen zwischen den beiden Lagern der Regierung unter Führung von Präsident Ashraf Ghani und dem Regierungsvorsitzenden (Chief Executive Officer, CEO) Abdullah Abdullah sind kurz vor dem Warschauer NATO-Gipfel im Juli 2016 schließlich alle Ministerämter besetzt worden (AA 9 .2016). Das bestehende Parlament bleibt erhalten (CRS 12.1.2017) - nachdem die für Oktober 2016 angekündigten Parlamentswahlen wegen bisher ausstehender Wahlrechtsreformen nicht am geplanten Termin abgehalten werden konnten (AA 9 .2016; vgl. CRS 12.1.2017).

 

Parlament und Parlamentswahlen

 

Generell leidet die Legislative unter einem kaum entwickelten Parteiensystem und mangelnder Rechenschaft der Parlamentarier gegenüber ihren Wähler/innen. Seit Mitte 2015 ist die Legislaturperiode des Parlamentes abgelaufen. Seine fortgesetzte Arbeit unter Ausbleiben von Neuwahlen sorgt für stetig wachsende Kritik (AA 9 .2016). Im Jänner 2017 verlautbarte das Büro von CEO Abdullah Abdullah, dass Parlaments- und Bezirksratswahlen im nächsten Jahr abgehalten werden (Pajhwok 19.1.2017).

 

Die afghanische Nationalversammlung besteht aus dem Unterhaus, Wolesi Jirga, und dem Oberhaus, Meshrano Jirga, auch Ältestenrat oder Senat genannt. Das Unterhaus hat 249 Sitze, die sich proportional zur Bevölkerungszahl auf die 34 Provinzen verteilen. Verfassungsgemäß sind für Frauen 68 Sitze und für die Minderheit der Kutschi 10 Sitze im Unterhaus reserviert (USDOS 13.4.2016 vgl. auch: CRS 12.1.2017).

 

Das Oberhaus umfasst 102 Sitze. Zwei Drittel von diesen werden von den gewählten Provinzräten vergeben. Das verbleibende Drittel, wovon 50% mit Frauen besetzt werden müssen, vergibt der Präsident selbst. Zwei der vom Präsidenten zu vergebenden Sitze sind verfassungsgemäß für die Kutschi-Minderheit und zwei weitere für Behinderte bestimmt. Die verfassungsmäßigen Quoten gewährleisten einen Frauenanteil von 25% im Parlament und über 30% in den Provinzräten. Ein Sitz im Oberhaus ist für einen Sikh- oder Hindu-Repräsentanten reserviert (USDOS 13.4.2016).

 

Die Rolle des Zweikammern-Parlaments bleibt trotz mitunter erheblichem Selbstbewusstsein der Parlamentarier begrenzt. Zwar beweisen die Abgeordneten mit der kritischen Anhörung und auch Abänderung von Gesetzentwürfen in teils wichtigen Punkten, dass das Parlament grundsätzlich funktionsfähig ist. Zugleich nutzt das Parlament seine verfassungsmäßigen Rechte, um die Regierungsarbeit destruktiv zu behindern, deren Personalvorschläge z. T. über längere Zeiträume zu blockieren und sich Zugeständnisse teuer abkaufen zu lassen. Insbesondere das Unterhaus spielt hier eine unrühmliche Rolle und hat sich dadurch sowohl die RNE als auch die Zivilgesellschaft zum Gegner gemacht (AA 9 .2016).

 

Parteien

 

Der Terminus Partei umfasst gegenwärtig eine Reihe von Organisationen mit sehr unterschiedlichen organisatorischen und politischen Hintergründen. Trotzdem existieren Ähnlichkeiten in ihrer Arbeitsweise. Einer Anzahl von ihnen war es möglich die Exekutive und Legislative der Regierung zu beeinflussen (USIP 3.2015).

 

Die afghanische Parteienlandschaft ist mit über 50 registrierten Parteien stark zersplittert. Die meisten dieser Gruppierungen erscheinen jedoch mehr als Machtvehikel ihrer Führungsfiguren, denn als politisch-programmatisch gefestigte Parteien. Ethnischer Proporz, persönliche Beziehungen und ad hoc geformte Koalitionen genießen traditionell mehr Einfluss als politische Organisationen. Die Schwäche des sich noch entwickelnden Parteiensystems ist auf fehlende strukturelle Elemente (wie z.B. ein Parteienfinanzierungsgesetz) zurückzuführen, sowie auf eine allgemeine Skepsis der Bevölkerung und der Medien. Reformversuche sind im Gange - werden aber durch die unterschiedlichen Interessenlagen immer wieder gestört, etwa durch das Unterhaus selbst (AA 9 .2016).

 

Im Jahr 2009 wurde ein neues Parteiengesetz eingeführt, welches von allen Parteien verlangte sich neu zu registrieren und zum Ziel hatte ihre Zahl zu reduzieren. Anstatt wie zuvor die Unterschrift von 700 Mitgliedern, müssen sie nun 10.000 Unterschriften aus allen Provinzen erbringen. Diese Bedingung reduzierte tatsächlich die Zahl der offiziell registrierten Parteien von mehr als 100 auf 63, trug aber scheinbar nur wenig zur Konsolidierung des Parteiensystems bei (USIP 3.2015).

 

Unter der neuen Verfassung haben sich seit 2001 zuvor islamistisch-militärische Fraktionen, kommunistische Organisationen, ethno-nationalistische Gruppen und zivilgesellschaftliche Gruppen zu politischen Parteien gewandelt. Sie repräsentieren einen vielgestaltigen Querschnitt der politischen Landschaft und haben sich in den letzten Jahren zu Institutionen entwickelt. Keine von ihnen ist eine weltanschauliche Organisation oder Mobilmacher von Wähler/innen, wie es Parteien in reiferen Demokratien sind (USIP 3.2015). Eine Diskriminierung oder Strafverfolgung aufgrund exilpolitischer Aktivitäten nach Rückkehr aus dem Ausland ist nicht anzunehmen. Auch einige Führungsfiguren der RNE sind aus dem Exil zurückgekehrt, um Ämter bis hin zum Ministerrang zu übernehmen. Präsident Ashraf Ghani verbrachte selbst die Zeit der Bürgerkriege und der Taliban-Herrschaft in den 1990er Jahren weitgehend im pakistanischen und US-amerikanischen Exil (AA 9 .2016).

 

Friedens- und Versöhnungsprozess:

 

Im afghanischen Friedens- und Versöhnungsprozess gibt es weiterhin keine greifbaren Fortschritte. Die von der RNE sofort nach Amtsantritt konsequent auf den Weg gebrachte Annäherung an Pakistan stagniert, seit die afghanische Regierung Pakistan der Mitwirkung an mehreren schweren Sicherheitsvorfällen in Afghanistan beschuldigte. Im Juli 2015 kam es erstmals zu direkten Vorgesprächen zwischen der afghanischen Regierung und den Taliban über einen Friedensprozess, die aber nach der Enthüllung des jahrelang verschleierten Todes des Taliban-Führers Mullah Omar bereits nach der ersten Runde wieder eingestellt wurden. Die Reintegration versöhnungswilliger Aufständischer bleibt weiter hinter den Erwartungen zurück, auch wenn bis heute angeblich ca. 10.000 ehemalige Taliban über das "Afghanistan Peace and Reintegration Program" in die Gesellschaft reintegriert wurden (AA 9 .2016).

 

Hezb-e Islami Gulbuddin (HIG)

 

Nach zweijährigen Verhandlungen (Die Zeit 22.9.2016), unterzeichneten im September 2016 Vertreter der afghanischen Regierung und der Hezb-e Islami ein Abkommen (CRS 12.1.2017), das der Hezb-e Islami Immunität für "vergangene politische und militärische" Taten zusichert. Dafür verpflichtet sich die Gruppe alle militärischen Aktivitäten einzustellen (DW 29.9.2016). Einen Tag nach Unterzeichnung des Friedensabkommen zwischen der Hezb-e Islami und der Regierung, erklärte erstere in einer Stellungnahme eine Waffenruhe (The Express Tribune 30.9.2016). Das Abkommen beinhaltet unter anderem die Möglichkeit eines Regierungspostens für Hekmatyar; auch soll sich die afghanische Regierung bemühen, int. Sanktionen gegen Hekmatyar aufheben zu lassen (CRS 12.1.2017). Sobald internationale Sanktionen aufgehoben sind, wird von Hekmatyar erwartet, nach 20 Jahren aus dem Exil nach Afghanistan zurückkehren. Im Jahr 2003 war Hekmatyar von den USA zum "internationalen Terroristen" erklärt worden (NYT 29.9.2016). Schlussendlich wurden im Februar 2017 die Sanktionen gegen Hekmatyar von den Vereinten Nationen aufgehoben (BBC News 4.2.2017).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Sicherheitslage

 

Die Sicherheitslage ist beeinträchtigt durch eine tief verwurzelte militante Opposition. Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, Transitrouten, Provinzhauptstädten und den Großteil der Distriktzentren. Die afghanischen Sicherheitskräfte zeigten Entschlossenheit und steigerten auch weiterhin ihre Leistungsfähigkeit im Kampf gegen den von den Taliban geführten Aufstand. Die Taliban kämpften weiterhin um Distriktzentren, bedrohten Provinzhauptstädte und eroberten landesweit kurzfristig Hauptkommunikationsrouten; speziell in Gegenden von Bedeutung wie z.B. Kunduz City und der Provinz Helmand (USDOD 12.2016). Zu Jahresende haben die afghanischen Sicherheitskräfte (ANDSF) Aufständische in Gegenden von Helmand, Uruzgan, Kandahar, Kunduz, Laghman, Zabul, Wardak und Faryab bekämpft (SIGAR 30.1.2017).

 

In den letzten zwei Jahren hatten die Taliban kurzzeitig Fortschritte gemacht, wie z.B. in Helmand und Kunduz, nachdem die ISAF-Truppen die Sicherheitsverantwortung den afghanischen Sicherheits- und Verteidigungskräften (ANDSF) übergeben hatten. Die Taliban nutzen die Schwächen der ANDSF aus, wann immer sie Gelegenheit dazu haben. Der IS (Islamischer Staat) ist eine neue Form des Terrors im Namen des Islam, ähnlich der al-Qaida, auf zahlenmäßig niedrigerem Niveau, aber mit einem deutlich brutaleren Vorgehen. Die Gruppierung operierte ursprünglich im Osten entlang der afghanisch-pakistanischen Grenze und erscheint, Einzelberichten zufolge, auch im Nordosten und Nordwesten des Landes (Lokaler Sicherheitsberater in Afghanistan 17.2.2017).

 

Mit Stand September 2016, schätzen Unterstützungsmission der NATO, dass die Taliban rund 10% der Bevölkerung beeinflussen oder kontrollieren. Die afghanischen Verteidigungsstreitkräfte (ANDSF) waren im Allgemeinen in der Lage, große Bevölkerungszentren zu beschützen. Sie hielten die Taliban davon ab, Kontrolle in bestimmten Gegenden über einen längeren Zeitraum zu halten und reagierten auf Talibanangriffe. Den Taliban hingegen gelang es, ländliche Gegenden einzunehmen; sie kehrten in Gegenden zurück, die von den ANDSF bereits befreit worden waren, und in denen die ANDSF ihre Präsenz nicht halten konnten. Sie führten außerdem Angriffe durch, um das öffentliche Vertrauen in die Sicherheitskräfte der Regierung, und deren Fähigkeit, für Schutz zu sorgen, zu untergraben (USDOD 12.2016). Berichten zufolge hat sich die Anzahl direkter Schussangriffe der Taliban gegen Mitglieder der afghanischen Nationalarmee (ANA) und afghaninischen Nationalpolizei (ANP) erhöht (SIGAR 30.1.2017).

 

Einem Bericht des U.S. amerikanischen Pentagons zufolge haben die afghanischen Sicherheitskräfte Fortschritte gemacht, wenn auch keine dauerhaften (USDOD 12.2016). Laut Innenministerium wurden im Jahr 2016 im Zuge von militärischen Operationen – ausgeführt durch die Polizei und das Militär – landesweit mehr als 18.500 feindliche Kämpfer getötet und weitere 12.000 verletzt. Die afghanischen Sicherheitskräfte versprachen, sie würden auch während des harten Winters gegen die Taliban und den Islamischen Staat vorgehen (VOA 5.1.2017).

 

Obwohl die afghanischen Sicherheitskräfte alle Provinzhauptstädte sichern konnten, wurden sie von den Taliban landesweit herausgefordert: intensive bewaffnete Zusammenstöße zwischen Taliban und afghanischen Sicherheitskräften verschlechterten die Sicherheitslage im Berichtszeitraum (16.8. – 17.11.2016) (UN GASC 13.12.2016; vgl. auch: SCR 30.11.2016). Den afghanischen Sicherheitskräften gelang es im August 2016, mehrere große Talibanangriffe auf verschiedene Provinzhauptstädte zu vereiteln, und verlorenes Territorium rasch wieder zurückzuerobern (USDOD 12.2016).

 

Kontrolle von Distrikten und Regionen

 

Den Aufständischen misslangen acht Versuche, die Provinzhauptstadt einzunehmen; den Rebellen war es möglich, Territorium einzunehmen. High-profile Angriffe hielten an. Im vierten Quartal 2016 waren 2,5 Millionen Menschen unter direktem Einfluss der Taliban, während es im 3. Quartal noch 2,9 Millionen waren (SIGAR 30.1.2017).

 

Laut einem Sicherheitsbericht für das vierte Quartal, sind 57,2% der 407 Distrikte unter Regierungskontrolle bzw. –einfluss; dies deutet einen Rückgang von 6,2% gegenüber dem dritten Quartal: zu jenem Zeitpunkt waren 233 Distrikte unter Regierungskontrolle, 51 Distrikte waren unter Kontrolle der Rebellen und 133 Distrikte waren umkämpft. Provinzen, mit der höchsten Anzahl an Distrikten unter Rebelleneinfluss oder -kontrolle waren: Uruzgan mit 5 von 6 Distrikten, und Helmand mit 8 von 14 Distrikten. Regionen, in denen Rebellen den größten Einfluss oder Kontrolle haben, konzentrieren sich auf den Nordosten in Helmand, Nordwesten von Kandahar und die Grenzregion der beiden Provinzen (Kandahar und Helmand), sowie Uruzgan und das nordwestliche Zabul (SIGAR 30.1.2017).

 

Rebellengruppen

 

Regierungsfeindliche Elemente versuchten weiterhin durch Bedrohungen, Entführungen und gezielten Tötungen ihren Einfluss zu verstärken. Im Berichtszeitraum wurden 183 Mordanschläge registriert, davon sind 27 gescheitert. Dies bedeutet einen Rückgang von 32% gegenüber dem Vergleichszeitraum im Jahr 2015 (UN GASC 13.12.2016). Rebellengruppen, inklusive hochrangiger Führer der Taliban und des Haqqani Netzwerkes, behielten ihre Rückzugsgebiete auf pakistanischem Territorium (USDOD 12.2016).

 

Afghanistan ist mit einer Bedrohung durch militante Opposition und extremistischen Netzwerken konfrontiert; zu diesen zählen die Taliban, das Haqqani Netzwerk, und in geringerem Maße al-Qaida und andere Rebellengruppen und extremistische Gruppierungen. Die Vereinigten Staaten von Amerika unterstützen eine von Afghanen geführte und ausgehandelte Konfliktresolution in Afghanistan - gemeinsam mit internationalen Partnern sollen die Rahmenbedingungen für einen friedlichen politischen Vergleich zwischen afghanischer Regierung und Rebellengruppen geschaffen werden (USDOD 12.2016).

 

Zwangsrekrutierungen durch die Taliban, Milizen, Warlords oder kriminelle Banden sind nicht auszuschließen. Konkrete Fälle kommen jedoch aus Furcht vor Konsequenzen für die Rekrutierten oder ihren Familien kaum an die Öffentlichkeit (AA 9 .2016).

 

Taliban und ihre Offensive

 

Die afghanischen Sicherheitskräfte behielten die Kontrolle über große Ballungsräume und reagierten rasch auf jegliche Gebietsgewinne der Taliban (USDOD 12.2016). Die Taliban erhöhten das Operationstempo im Herbst 2016, indem sie Druck auf die Provinzhauptstädte von Helmand, Uruzgan, Farah und Kunduz ausübten, sowie die Regierungskontrolle in Schlüsseldistrikten beeinträchtigten und versuchten, Versorgungsrouten zu unterbrechen (UN GASC 13.12.2016). Die Taliban verweigern einen politischen Dialog mit der Regierung (SCR 12.2016).

 

Die Taliban haben die Ziele ihrer Offensive "Operation Omari" im Jahr 2016 verfehlt (USDOD 12.2016). Ihr Ziel waren großangelegte Offensiven gegen Regierungsstützpunkte, unterstützt durch Selbstmordattentate und Angriffe von Aufständischen, um die vom Westen unterstütze Regierung zu vertreiben (Reuters 12.4.2016). Gebietsgewinne der Taliban waren nicht dauerhaft, nachdem die ANDSF immer wieder die Distriktzentren und Bevölkerungsgegenden innerhalb eines Tages zurückerobern konnte. Die Taliban haben ihre lokalen und temporären Erfolge ausgenutzt, indem sie diese als große strategische Veränderungen in sozialen Medien und in anderen öffentlichen Informationskampagnen verlautbarten (USDOD12.2016). Zusätzlich zum bewaffneten Konflikt zwischen den afghanischen Sicherheitskräften und den Taliban kämpften die Taliban gegen den ISIL-KP (Islamischer Staat in der Provinz Khorasan) (UN GASC 13.12.2016).

 

Der derzeitig Talibanführer Mullah Haibatullah Akhundzada hat im Jänner 2017 16 Schattengouverneure in Afghanistan ersetzt, um seinen Einfluss über den Aufstand zu stärken. Aufgrund interner Unstimmigkeiten und Überläufern zu feindlichen Gruppierungen, wie dem Islamischen Staat, waren die afghanischen Taliban geschwächt. hochrangige Quellen der Taliban waren der Meinung, die neu ernannten Gouverneure würden den Talibanführer stärken, dennoch gab es keine Veränderung in Helmand. Die südliche Provinz – größtenteils unter Talibankontrolle – liefert der Gruppe den Großteil der finanziellen Unterstützung durch Opium. Behauptet wird, Akhundzada hätte nicht den gleichen Einfluss über Helmand, wie einst Mansour (Reuters 27.1.2017).

 

Im Mai 2016 wurde der Talibanführer Mullah Akhtar Mohammad Mansour durch eine US-Drohne in der Provinz Balochistan in Pakistan getötet (BBC News 22.5.2016; vgl. auch: The National 13.1.2017). Zum Nachfolger wurde Mullah Haibatullah Akhundzada ernannt - ein ehemaliger islamischer Rechtsgelehrter - der bis zu diesem Zeitpunkt als einer der Stellvertreter diente (Reuters 25.5.2016; vgl. auch:

The National 13.1.2017). Dieser ernannte als Stellvertreter Sirajuddin Haqqani, den Sohn des Führers des Haqqani-Netzwerkes (The National 13.1.2017) und Mullah Yaqoub, Sohn des Talibangründers Mullah Omar (DW 25.5.2016).

 

Haqqani-Netzwerk

 

Das Haqqani-Netzwerk ist eine sunnitische Rebellengruppe, die durch Jalaluddin Haqqani gegründet wurde. Sirajuddin Haqqani, Sohn des Jalaluddin, führt das Tagesgeschäft, gemeinsam mit seinen engsten Verwandten (NCTC o.D.). Sirajuddin Haqqani, wurde zum Stellvertreter des Talibanführers Mullah Haibatullah Akhundzada ernannt (The National 13.1.2017).

 

Das Netzwerk ist ein Verbündeter der Taliban – dennoch ist es kein Teil der Kernbewegung (CRS 26.5.2016). Das Netzwerk ist mit anderen terroristischen Organisationen in der Region, inklusive al-Qaida und den Taliban, verbündet (Khaama Press 16.10.2014). Die Stärke des Haqqani-Netzwerks wird auf 3.000 Kämpfer geschätzt (CRS 12.1.2017). Das Netzwerk ist hauptsächlich in Nordwaziristan (Pakistan) zu verorten und führt grenzübergreifende Operationen nach Ostafghanistan und Kabul durch (NCTC o.D.).

 

Das Haqqani-Netzwerk ist fähig - speziell in der Stadt Kabul - Operationen durchzuführen; finanziert sich durch legale und illegale Geschäfte in den Gegenden Afghanistans, in denen es eine Präsenz hat, aber auch in Pakistan und im Persischen Golf. Das Netzwerk führt vermehrt Entführungen aus – wahrscheinlich um sich zu finanzieren und seine Wichtigkeit zu stärken (CRS 12.1.2017).

 

Kommandanten des Haqqani Netzwerk sagten zu Journalist/innen, das Netzwerk sei bereit eine politische Vereinbarung mit der afghanischen Regierung zu treffen, sofern sich die Taliban dazu entschließen würden, eine solche Vereinbarung einzugehen (CRS 12.1.2017).

 

Al-Qaida

 

Laut US-amerikanischen Beamten war die Präsenz von al-Qaida in den Jahren 2001 bis 2015 minimal (weniger als 100 Kämpfer); al-Qaida fungierte als Unterstützer für Rebellengruppen (CRS 12.1.2017). Im Jahr 2015 entdeckten und zerstörten die afghanischen Sicherheitskräfte gemeinsam mit US-Spezialkräften ein Kamp der al-Quaida in der Provinz Kandahar (CRS 12.1.2017; vgl. auch: FP 2.11.2015); dabei wurden 160 Kämpfer getötet (FP 2.11.2015). Diese Entdeckung deutet darauf hin, dass al-Qaida die Präsenz in Afghanistan vergrößert hat. US-amerikanische Kommandanten bezifferten die Zahl der Kämpfer in Afghanistan mit 100-300, während die afghanischen Behörden die Zahl der Kämpfer auf 300-500 schätzten (CRS 12.1.2017). Im Dezember 2015 wurde berichtet, dass al-Qaida sich primär auf den Osten und Nordosten konzertierte und nicht wie ursprünglich von US-amerikanischer Seite angenommen, nur auf Nordostafghanistan (LWJ 16.4.2016).

 

Hezb-e Islami Gulbuddin (HIG)

 

Siehe Kapitel 2 – Politische Lage – Friedens- und Versöhnungsprozesse

 

IS/ISIS/ISIL/ISKP/ISIL-K/Daesh – Islamischer Staat

 

Seit dem Jahr 2014 hat die Terrorgruppe Islamischer Staat (IS) eine kleine Präsenz in Afghanistan etabliert (RAND 28.11.2016). Die Führer des IS nennen diese Provinz Wilayat Khorasan - in Anlehnung an die historische Region, die Teile des Irans, Zentralasien, Afghanistan und Pakistan beinhaltete (RAND 28.11.2016; vgl. auch:

MEI 5.2016). Anfangs wuchs der IS schnell (MEI 5.2016). Der IS trat im Jahr 2014 in zwei getrennten Regionen in Afghanistan auf: in den östlichsten Regionen Nangarhars, an der AfPak-Grenze und im Distrikt Kajaki in der Provinz Helmand (USIP 3.11.2016).

 

Trotz Bemühungen, seine Macht und seinen Einfluss in der Region zu vergrößern, kontrolliert der IS nahezu kein Territorium außer kleineren Gegenden wie z.B. die Distrikte Deh Bala, Achin und Naziyan in der östlichen Provinz Nangarhar (RAND 28.11.2016; vgl. auch: USIP 3.11.2016). Zwar kämpfte der IS hart in Afghanistan, um Fuß zu fassen. Die Gruppe wird von den Ansässigen jedoch Großteils als fremde Kraft gesehen (MEI 5.2016). Nur eine Handvoll Angriffe führte der IS in der Region durch. Es gelang ihm nicht, sich die Unterstützung der Ansässigen zu sichern; auch hatte er mit schwacher Führung zu kämpfen (RAND 28.11.2016). Der IS hatte mit Verslusten zu kämpfen (MEI 5.2016). Unterstützt von internationalen Militärkräften, führten die afghanischen Sicherheitskräfte regelmäßig Luft- und Bodenoperationen gegen den IS in den Provinzen Nangarhar und Kunar durch – dies verkleinerte die Präsenz der Gruppe in beiden Provinzen. Eine kleinere Präsenz des IS existiert in Nuristan (UN GASC 13.12.2016).

 

Auch wenn die Gruppierung weiterhin interne Streitigkeiten der Taliban ausnützt, um die Präsenz zu halten, ist sie mit einem harten Kampf konfrontiert, um permanenter Bestandteil komplexer afghanischer Stammes- und Militärstrukturen zu werden. Anhaltender Druck durch US-amerikanische Luftangriffe haben weiterhin die Möglichkeiten des IS in Afghanistan untergraben; auch wird der IS weiterhin davon abgehalten, seinen eigenen Bereich in Afghanistan einzunehmen (MEI 5.2016). Laut US-amerikanischem Außenministerium hat der IS keinen sicherheitsrelevanten Einfluss außerhalb von isolierten Provinzen in Ostafghanistan (SIGAR 30.1.2017).

 

Unterstützt von internationalen Militärkräften, führten die afghanischen Sicherheitskräfte regelmäßig Luft- und Bodenoperationen gegen den IS in den Provinzen Nangarhar und Kunar durch – dies verkleinerte die Präsenz der Gruppe in beiden Provinzen. Eine kleinere Präsenz des IS existiert in Nuristan (UN GASC 13.12.2016).

 

Presseberichten zufolge betrachtet die afghanische Bevölkerung die Talibanpraktiken als moderat im Gegensatz zu den brutalen Praktiken des IS. Kämpfer der Taliban und des IS gerieten, aufgrund politischer oder anderer Differenzen, aber auch aufgrund der Kontrolle von Territorium, aneinander (CRS 12.1.2017).

 

Drogenanbau und Gegenmaßnahmen

 

Einkünfte aus dem Drogenschmuggel versorgen auch weiterhin den Aufstand und kriminelle Netzwerke (USDOD 12.2016). Laut einem Bericht des afghanischen Drogenbekämpfungsministeriums, vergrößerte sich die Anbaufläche für Opium um 10% im Jahr 2016 auf etwa 201.000 Hektar. Speziell in Nordafghanistan und in der Provinz Badghis, verstärkte sich der Anbau: Blaumohn wächst in 21 der 34 Provinzen, im Vergleich zum Jahr 2015, wo nur 20 Provinzen betroffen waren. Seit dem Jahr 2008 wurde zum ersten Mal von Opiumanbau in der Provinz Jawzjan berichtet. Helmand bleibt mit 80.273 Hektar (40%) auch weiterhin Hauptanbauprovinz, gefolgt von Badghis, Kandahar und der Provinz Uruzgan. Die potentielle Opiumproduktion im Jahr 2016 macht insgesamt 4.800 Tonnen aus – eine Steigerung von 43% (3.300 Tonnen) im Gegensatz zum Jahr 2015. Die hohe Produktionsrate kann einer Steigerung des Opiumertrags pro Hektar und eingeschränkter Beseitigungsbemühungen, aufgrund von finanziellen und sicherheitsrelevanten Ressourcen, zugeschrieben werden. Hauptsächlich erhöhten sich die Erträge aufgrund von vorteilhaften Bedingungen, wie z.B. des Wetters und nicht vorhandener Pflanzenkrankheiten (UN GASC 17.12.2016).

 

Zivile Opfer

 

Die Mission der Vereinten Nationen in Afghanistan (UNAMA) dokumentiert weiterhin regierungsfeindliche Elemente, die illegale und willkürliche Angriffe gegen Zivilist/innen ausführen (UNAMA 10.2016). Zwischen 1.1. und 31.12.2016 registrierte UNAMA 11.418 zivile Opfer (3.498 Tote und 7.920 Verletzte) – dies deutet einen Rückgang von 2% bei Getöteten und eine Erhöhung um 6% bei Verletzten im Gegensatz zum Vergleichszeitraum des Jahres 2015 an. Bodenkonfrontation waren weiterhin die Hauptursache für zivile Opfer, gefolgt von Selbstmordangriffen und komplexen Attentaten, sowie unkonventionellen Spreng- und Brandvorrichtung (IED), und gezielter und willkürlicher Tötungen (UNAMA 6.2.2017).

 

UNAMA verzeichnete 3.512 minderjährige Opfer (923 Kinder starben und 2.589 wurden verletzt) – eine Erhöhung von 24% gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres; die höchste Zahl an minderjährigen Opfern seit Aufzeichnungsbeginn. Hauptursache waren Munitionsrückstände, deren Opfer meist Kinder waren. Im Jahr 2016 wurden 1.218 weibliche Opfer registriert (341 Tote und 877 Verletzte), dies deutet einen Rückgang von 2% gegenüber dem Vorjahr an (UNAMA 6.2.2017).

 

Hauptsächlich waren die südlichen Regionen von dem bewaffneten Konflikt betroffen: 2.989 zivilen Opfern (1.056 Tote und 1.933 Verletzte) - eine Erhöhung von 17% gegenüber dem Jahr 2015. In den zentralen Regionen wurde die zweithöchste Rate an zivilen Opfern registriert: 2.348 zivile Opfer (534 Tote und 1.814 Verletzte) - eine Erhöhung von 34% gegenüber dem Vorjahreswert, aufgrund von Selbstmordangriffen und komplexen Angriffe auf die Stadt Kabul. Die östlichen und nordöstlichen Regionen verzeichneten einen Rückgang bei zivilen Opfern: 1.595 zivile Opfer (433 Tote und 1.162 Verletzte) im Osten und 1.270 zivile Opfer (382 Tote und 888 Verletzte) in den nordöstlichen Regionen. Im Norden des Landes wurden 1.362 zivile Opfer registriert (384 Tote und 978 Verletzte), sowie in den südöstlichen Regionen 903 zivile Opfer (340 Tote und 563 Verletzte). Im Westen wurden 836 zivile Opfer (344 Tote und 492 Verletzte) und 115 zivile Opfer (25 Tote und 90 Verletzte) im zentralen Hochgebirge registriert (UNAMA 6.2.2017).

 

Laut UNAMA waren 61% aller zivilen Opfer regierungsfeindlichen Elementen zuzuschreiben (hauptsächlich Taliban), 24% regierungsfreundlichen Kräften (20% den afghanischen Sicherheitskräften, 2% bewaffneten regierungsfreundlichen Gruppen und 2% internationalen militärischen Kräften); Bodenkämpfen zwischen regierungsfreundlichen Kräften und regierungsfeindlichen Kräften waren Ursache für 10% ziviler Opfer, während 5% der zivilen Opfer vorwiegend durch Unfälle mit Munitionsrückständen bedingt waren (UNAMA 6.2.2017).

 

Mitarbeiter/innen internationaler Organisationen und der US-Streitkräfte

 

Die Taliban greifen weiterhin Mitarbeiter/innen lokaler Hilfsorganisationen und internationaler Organisationen an – nichtsdestotrotz sind der Ruf der Organisationen innerhalb der Gemeinschaft und deren politischer Einfluss ausschlaggebend, ob ihre Mitarbeiter/innen Problemen ausgesetzt sein werden. Dieser Quelle zufolge, sind Mitarbeiter/innen von NGOs Einschüchterungen der Taliban ausgesetzt. Einer anderen Quelle zufolge kam es im Jahr 2015 nur selten zu Vorfällen, in denen NGOs direkt angegriffen wurden (IRBC 22.2.2016). Angriffe auf Mitarbeiter/innen internationaler Organisationen wurden in den letzten Jahren registriert; unter anderem wurden im Februar 2017 sechs Mitarbeiter/innen des Int. Roten Kreuzes in der Provinz Jawzjan von Aufständischen angegriffen und getötet (BBC News 9.2.2017); im April 2015 wurden 5 Mitarbeiter/innen von "Save the Children" in der Provinz Uruzgan entführt und getötet (The Guardian 11.4.2015).

 

Die norwegische COI-Einheit Landinfo berichtet im September 2015, dass zuverlässige Berichte über konfliktbezogene Gewalt gegen Afghanen im aktiven Dienst für internationale Organisationen vorliegen. Andererseits konnte nur eine eingeschränkte Berichtslage bezüglich konfliktbezogener Gewalt gegen ehemalige Übersetzer, Informanten oder andere Gruppen lokaler Angestellter ziviler oder militärischer Organisationen festgestellt werden (Landinfo 9.9.2015). Ferner werden reine Übersetzerdienste, die auch geheime Dokumente umfassen, meist von US-Staatsbürgern mit lokalen Wurzeln durchgeführt, da diese eine Sicherheitszertifizierung benötigen (Liaison Officer to Ministry of Interior of GIROA 14.11.2014).

 

Grundsätzlich sind Anfeindungen gegen afghanische Angestellte der US-Streitkräfte üblich, da diese im Vergleich zu ihren Mitbürger/innen verhältnismäßig viel verdienen. Im Allgemeinen hält sich das aber in Grenzen, da der wirtschaftliche Nutzen für die gesamte Region zu wichtig ist. Tätliche Übergriffe kommen vor, sind aber nicht nur auf ein Arbeitsverhältnis bei den internationalen Truppen zurückzuführen. Des Weiteren bekommen afghanische Angestellte bei den internationalen Streitkräften Uniformen oder Dienstbekleidung, Verpflegung und Zugang zu medizinischer Versorgung nach westlichem Standard. Es handelt sich somit meist um Missgunst. Das Argument der Gefahr im Beruf für lokale Dolmetscher wurde von den US-Streitkräften im Bereich der SOF (Special Operation Forces), die sehr sensible Aufgaben durchführen, dadurch behoben, dass diesen Mitarbeitern nach einer gewissen Zeit die Mitnahme in die USA angeboten wurde. Dieses Vorgehen wurde von einer militärischen Quelle aus Deutschland bestätigt (Liaison Officer to Ministry of Interior of GIROA 14.11.2014).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Ghazni

 

Ghazni ist eine der wichtigsten Zentralprovinzen Afghanistans. Ghazni liegt 145 km südlich von Kabul Stadt an der Autobahn Kabul-Kandahar. Die Provinzen (Maidan) Wardak und Bamyan liegen im Norden, während die Provinzen Paktia, Paktika und Logar im Osten liegen; Zabul grenzt gemeinsam mit Uruzgan an den Westen der Provinz. Laut dem afghanischen Statistikbüro (CSO) ist sie die Provinz mit der zweithöchsten Bevölkerungszahl (Pajhwok o.D.a), die auf 1.249.376 Bewohner/innen geschätzt wird (CSO 2016).

 

Ghazni ist in folgende Distrikte unterteilt: Jaghuri, Malistan, Nawur, Ajiristan, Andar, Qarabagh, Giro, Muqur, Waghaz, Gelan, Ab Band, Nawa, Dih Yak, Rashidan, Zana Khan, Khugiani, Khwaja Omari, Jaghatu und Ghazni City (Vertrauliche Quelle 15.9.2015). Ghazni wird aufgrund ihrer strategischen Position, als Schlüsselprovinz gewertet – die Provinz verbindet durch die Autobahn, die Hauptstadt Kabul mit den bevölkerungsreichen südlichen und westlichen Provinzen (HoA 15.3.2016).

 

Im Zeitraum 1.9.2015 – 31.5.2016 wurden in der Provinz Ghazni 1.292 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert (EASO 11.2016).

 

Im Vergleich zum vorigen Berichtszeitraum wurden Veränderungen der Sicherheitslage in Ghazni festgehalten; gleichwohl sind die Gewinne der Taliban in diesen Teilen des Landes minimal und unbeständig (USDOD 12.2016). Im Dezember 2016 verlautbarte der CEO Afghanistans den baldigen Beginn militärischer Spezialoperationen in den Provinzen Ghazni und Zabul, um Sympathisanten des Islamischen Staates und Talibanaufständische zu vertreiben (Khaama Press 23.1.2017).

 

Ghazni zählt zu den volatilen Provinzen in Südostafghanistan, wo regierungsfeindliche aufständische Gruppen in den verschiedenen Distrikten aktiv sind und regelmäßig Operationen durchführen (Khaama Press 15.10.2016; Khaama Press 8.7.2016; vgl. auch: Truthdig 23.1.2017). Die Bevölkerung der Provinz kooperiere bereits mit den Sicherheitskräften. Ein Mitglied des Provinzrates verlautbarte, dass sich die Sicherheitslage verbessern könnte, wenn die Polizei mit notwendiger Ausrüstung versorgt werden würde (Pajhwok 8.1.2017). Im Gegensatz zum Jahr 2015 registrierte die UNAMA 2016 keine Entführungsfälle der Hazara-Bevölkerung in Ghazni. In vormals betroffenen Gegenden wurden Checkpoints der afghanischen Sicherheitskräfte errichtet; dies wird als Abschreckung gewertet (UNMA 6.2.2017).

 

In der Provinz werden regelmäßig Militäroperationen durchgeführt, um bestimmte Gegenden von Aufständischen zu befreien (Khaama Press 15.1.2017; Khaama Press 10.1.2017; Tolonews 8.1.2017; Tolonews 26.12.2016; Pajhwok 21.11.2016; Afghanistan Times 25.8.2016; Afghanistan Times 21.8.2016), auch in Form von Luftangriffen (Pajhwok 18.6.2017; Afghanistan Times 3.8.2016; Khaama Press 8.6.2016). Es kommt zu Zusammenstößen zwischen Taliban und Sicherheitskräften (Sputnik News 30.11.2016). Unter anderem wurden Taliban Kommandanten getötet (Khaama Press 9.1.2017; Sputnik News 26.12.2016; Khaama Press 17.10.2016; Afghanistan Spirit 18.7.2016; Pajhwok 18.6.2016; Afghanistan Times 3.8.2016; Khaama Press 7.6.2016).

 

Im Februar 2017 bestätigte der afghanische Geheimdienst (NDS) den Tod eines hochrangigen al-Qaida Führers: Qari Saifullah Akhtar, war vom NDS in einer Razzia im Jänner 2017 getötet worden. Berichten zufolge, war Qari Saifullah Akhtar jahrzehntelang am Aufstand beteiligt; ihm werden direkte Verbindung zu Osama bin Laden und dem pakistanischen Geheimdienst nachgesagt (LWJ 19.2.2017; vgl. auch:

ATN News 19.2.2017).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Trotz großer legislativer Fortschritte in den vergangenen 14 Jahren gibt es keine einheitliche und korrekte Anwendung der verschiedenen Rechtsquellen (kodifiziertes Recht, Scharia (islamisches Gesetz), Gewohnheits-/Stammesrecht) (AA 9 .2016; vgl. auch: USIDP o.D. und WP 31.5.2015). Fast 80% der Dispute werden außerhalb des formellen Justizsystems gelöst - üblicherweise durch Schuras, Jirgas, Mullahs und andere in der Gemeinschaft verankerte Akteure (USIP o.D.; vgl. auch: USDOS 13.4.2016).

 

Traditionelle Rechtsprechungsmechanismen bleiben für viele Menschen, insbesondere in den ländlichen Gebieten, weiterhin der bevorzugte Rechtsweg (USDOS 13.4.2016, vgl. auch: FH 27.1.2016). Das kodifizierte Recht wird unterschiedlich eingehalten, wobei Gerichte gesetzliche Vorschriften oft zugunsten der Scharia oder lokaler Gepflogenheiten missachteten (USDOS 13.4.2016). In einigen Gebieten außerhalb der Regierungskontrolle setzen die Taliban ein paralleles Rechtssystem um (FH 27.1.2016).

 

Obwohl das islamische Gesetz in Afghanistan weitverbreitet akzeptiert ist, stehen traditionelle Praktiken nicht immer mit diesem in Einklang. Unter den religiösen Führern in Afghanistan bestehen weiterhin tiefgreifende Auffassungsunterschiede darüber, wie das islamische Recht tatsächlich zu einer Reihe von rechtlichen Angelegenheiten steht. Dazu zählen unter anderem Frauenrecht, Strafrecht und –verfahren, Verbindlichkeit von Rechten gemäß internationalem Recht und der gesamte Bereich der Grundrechte (USIP o. D.). Das formale Justizsystem ist in den städtischen Zentren relativ stark verankert, da die Zentralregierung dort am stärksten ist, während es in den ländlichen Gebieten - wo ungefähr 76% der Bevölkerung leben - schwächer ausgeprägt ist (USDOS 13.4.2016).

 

Dem Justizsystem mangelt es weiterhin an der Leistungsfähigkeit um die hohe Zahl an neuen und novellierten Gesetzen zu beherrschen. Der Mangel an qualifiziertem, juristischem Personal behindert die Gerichte. Die Zahl der Richter/innen, welche ein Rechtsstudium absolviert haben erhöht sich weiterhin (USDOS 13.4.2016). Im Jahr 2014 wurde die Zahl der Richter/innen landesweit mit 1.300 beziffert (SZ 29.9.2014; vgl. auch: CRS 8.11.2016), davon waren rund 200 Richterinnen (CRS 8.11.2016). Im Jahr 2015 wurde von Präsident Ghani eine führende Anwältin als erste Frau zur Richterin des Supreme Courts ernannt (RFE/RL 30.6.2016). Die Zahl registrierter Anwälte/innen hat sich in den letzten fünf Jahren mehr als verdoppelt (WP 31.5.2015). Der Zugang zu Gesetzestexten wird besser, ihre geringe Verfügbarkeit stellt für einige Richter/innen und Staatsanwälte immer noch eine Behinderung dar (USDOS 13.4.2016).

 

Ein Mangel an qualifiziertem Justizpersonal behindert die Gerichte (USDOS 13.4.2016; vgl. auch: FH 27.1.2016). Manche Amtsträger/innen in Gemeinden und Provinzen verfügen über eine eingeschränkte Ausbildung und gründen ihre Entscheidungen daher auf ihrem persönlichen Verständnis der Scharia, ohne jeglichen Bezug zum kodifizierten Recht, Stammeskodex oder traditionellen Bräuchen (USDOS 13.4.2016).

 

Innerhalb des Gerichtswesens ist Korruption weiterhin vorhanden (USDOS 13.4.2016; vgl. auch: FH 27.1.2016); Richter/innen und Anwält/innen sind oftmals Ziel von Bedrohung oder Bestechung durch lokale Anführer oder bewaffneten Gruppen (FH 27.1.2016), um Entlassungen oder Reduzierungen von Haftstrafen zu erwirken (USDOS 13.4.2016). Afghanische Gerichte sind durch öffentliche Meinung und politische Führer leicht beeinflussbar (WP 31.5.2015). Im Juni 2016 errichtete Präsident Ghani das Strafrechtszentrum für Anti-Korruption, um innerhalb des Rechtssystems gegen korrupte Minister/innen, Richter/innen und Gouverneure/innen vorzugehen, die meist vor strafrechtlicher Verfolgung geschützt waren (Reuters 12.11.2016).

 

Laut dem allgemeinen Islamvorbehalt in der Verfassung darf kein Gesetz im Widerspruch zum Islam stehen. Eine Hierarchie der Normen ist nicht gegeben, so ist nicht festgelegt, welches Gesetz in Fällen des Konflikts zwischen traditionellem islamischem Recht und seinen verschiedenen Ausprägungen einerseits und der Verfassung und dem internationalen Recht andererseits zur Anwendung kommt. Diese Unklarheit und eine fehlende Autoritätsinstanz zur einheitlichen Interpretation der Verfassung führen nicht nur zur willkürlichen Anwendung eines Rechts, sondern auch immer wieder zu Menschenrechtsverletzungen (AA 9 .2016).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Die afghanischen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte (ANDSF) bestehen aus folgenden Komponenten: der afghanischen Nationalarmee (ANA), welche auch die Luftwaffe (AAF) und das ANA-Kommando für Spezialoperationen (ANASOC) beinhaltet; der afghanischen Nationalpolizei (ANP), die ebenso die uniformierte afghanische Polizei beinhaltet (AUP), der afghanischen Nationalpolizei für zivile Ordnung (ANCOP), der afghanischen Grenzpolizei (ABP) und der afghanischen Polizei die Verbrechen bekämpft (AACP). Sie stehen unter der Kontrolle des Verteidigungsministeriums Die afghanische Lokalpolizei (ALP), sowie ihre Komponenten (etwa die afghanischen Kräfte zum Schutz der Öffentlichkeit (APPF) und die afghanische Polizei zur Drogenbekämpfung (CNPA) sind unter der Führung des Innenministeriums (USDOD 6. 2016).

 

Die afghanischen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte (Afghan National Defense and Security Forces, ANDSF) haben - wenn auch unbeständig - Fortschritte gemacht. Sie führten ihre Frühjahrs- und Sommeroperationen erfolgreich durch. Ihnen gelang im August 2016, mehrere große Talibanangriffe auf verschiedene Provinzhauptstädte zu vereiteln, und verlorenes Territorium rasch wieder zurückzuerobern. Schwierigkeiten in Schlüsselbereichen wie Spionage, Luftfahrt und Logistik, verbesserten sich, beeinträchtigten dennoch die Schlagkraft. Die afghanischen Sicherheitskräfte behielten die Kontrolle über große Ballungsräume und reagierten rasch auf jegliche Gebietsgewinne der Taliban (USDOD 12.2016).

 

Die afghanischen Sicherheitskräfte haben zwar im Jahr 2015 die volle Verantwortung für die Sicherheit des Landes übernommen (AA 9 .2016; vgl. auch: USIP 5.2016); dennoch werden sie teilweise durch US-amerikanische bzw. Koalitionskräfte unterstützt (USDOD 6.2016).

 

Drei Ministerien verantworten die Sicherheit in Afghanistan: Das afghanische Innenministerium (Afghanistan’s Ministry of Interior - MoI), das Verteidigungsministerium (Ministry of Defense - MoD) und der afghanische Geheimdienst (NDS). Das Innenministerium ist primär für die interne Ordnung zuständig, dazu zählt auch die Afghan Local Police (ALP). Die (Afghan National Police (ANP) untersteht dem Verteidigungsministerium und ist für die externe Sicherheit zuständig. Ihre primäre Aufgabe ist die Bekämpfung der Aufständischen. Das National Directorate of Security (NDS) fungiert als Geheimdienst und ist auch für die Untersuchung von Kriminalfällen zuständig, welche die nationale Sicherheit betreffen (USDOS 13.4.2016).

 

Die autorisierte Truppenstärke der ANDSF wird mit 352.000 beziffert (USDOD 6.2016), davon 4.228 Frauen (SIGAR 30.7.2016).

 

Die monatlichen Ausfälle (umfasst alle geplanten und ungeplanten Ausfälle von Pensionierungen über unerlaubte Abwesenheit bis hin zu Gefallenen) der ANDSF liegen bei 2.4% - eine leichte Erhöhung gegenüber dem Dreijahresmittel von 2.2% (USDOD 6.2016).

 

Afghan National Police (ANP) und Afghan Local Police (ALP)

 

Die ANP gewährleistet die zivile Ordnung und bekämpft Korruption und die Produktion und den Schmuggel von Drogen. Der Fokus der ANP liegt derzeit aber in der Bekämpfung von Aufständischen gemeinsam mit der ANA. Das Langzeitziel der ANP ist weiterhin, sich in einen traditionellen Polizeiapparat zu verwandeln. Mit Stand 31.5.2016 beträgt die Stärke der ANP etwa 148.000 Mann. Dies beinhaltet nicht die rund 6.500 Auszubildenden in Polizeiakademien und andere die Ausbildungszentren landesweit ausgebildet werden. Frauen machen sind mit etwa 1.8% in der ANP vertreten (USDOD 6.2016). 2.834 Polizistinnen sind derzeit bei der Polizei, dies beinhaltete auch jene die in Ausbildung sind (USDOS 13.4.2016; vgl. auch: Sputnik News 14.6.2016).

 

Die Personalstärke der ALP beträgt etwa 28.800 Mann; zusätzlich autorisiert sind weitere 30.000 Mann, welche nicht in der allgemeinen ANDSF-Struktur inkludiert sind (USDOD 6.2016). Aufgabe der ALP ist, Sicherheit innerhalb von Dörfern und ländlichen Gebieten zu gewährleisten - indem die Bevölkerung vor Angriffen durch Aufständische geschützt wird, Anlagen gesichert und lokale Aktionen gegen Rebellen durchgeführt werden (USDOD 6.2016).

 

Die monatlichen Ausfälle der ANP betragen über die letzten Jahre relativ stabil durchschnittlich 1.9% (USDOD 6.2016).

 

Afghanische Nationalarmee (ANA)

 

Die afghanische Nationalarmee (ANA) untersteht dem Verteidigungsministerium und ist für die externe Sicherheit verantwortlich, primär bekämpft sie den Aufstand im Inneren (USDOS 13.4.2016).

 

Mit Stand 31. Mai 2016 betrug der autorisierte Personalstand der ANA 171.000 Mann, inklusive 7.100 Mann in den Luftstreitkräften (Afghan Air Force – AAF); etwa 820 Frauen sind in der ANA, inklusive AAF. Die Ausfälle in der ANA sind je nach Einheit unterschiedlich. Die allgemeine Ausfallsquote lag unter 3%, gegenüber 2,5% in der letzten Berichtsperiode. Die Einheiten der Luftstreitkräfte und der afghanischen Spezialeinheiten (ASSF) hielten weiterhin die niedrigsten Ausfallsquoten und die höchsten Verbleibquoten aller ANDSF-Teile (USDOD 6.2016).

 

Die Vereinigten Staaten von Amerika errichteten fünf Militärbasen in: Herat, Gardez, Kandahar, Mazar-e Sharif und Kabul (CRS 8.11.2016).

 

Resolute Support Mission

 

Die "Resolute Support Mission" ist eine von der NATO-geführte Mission, die mit 1. Jänner 2015 ins Leben gerufen wurde. Hauptsächlich konzentriert sie sich auf Ausbildungs-, Beratungs- und Unterstützungsaktivitäten auf ministerieller und Behördenebene, sowie in höheren Ebenen der Armee und Polizei. Die personelle Stärke der Resolute Support Mission beträgt 13.000 (durch NATO und anderen Partnernationen). Das Hauptquartier ist in Kabul (Bagram), mit vier weiteren Niederlassungen in: Mazar-e-Sharif, Herat, Kandahar und Laghman (NATO 5.2016).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Etwa 99.7% der Bevölkerung sind Muslime, davon sind 84.7-89.7% Sunniten (CIA 21.11.2016; vgl. USCIRF 4.2016). Schätzungen zufolge, sind etwa 10–19% der Bevölkerung Schiiten (AA 9 .2016; vgl. auch: CIA 21.10.2016). Andere in Afghanistan vertretene Glaubensgemeinschaften wie z.B. Sikhs, Hindus, Baha¿i und Christen machen zusammen nicht mehr als 1% der Bevölkerung aus. Offiziell lebt noch ein Jude in Afghanistan (AA 9 .2016).

 

Laut Verfassung ist der Islam die Staatsreligion Afghanistans. Religionsfreiheit ist in der afghanischen Verfassung verankert, dies gilt allerdings ausdrücklich nur für Anhänger/innen anderer Religionen als dem Islam. Die von Afghanistan ratifizierten internationalen Verträge und Konventionen wie auch die nationalen Gesetze sind allesamt im Lichte des generellen Islamvorbehalts (Art. 3 der Verfassung) zu verstehen (AA 9 .2016; vgl. auch: Max Planck Institut 27.1.2004). Die Glaubensfreiheit, die auch die freie Religionsauswahl beinhaltet, gilt in Afghanistan daher für Muslime nicht. Darüber hinaus ist die Abkehr vom Islam (Apostasie) nach Scharia-Recht auch strafbewehrt (AA 9.11.2016).

 

Die Religionsfreiheit hat sich seit 2001 verbessert, wird aber noch immer durch Gewalt und Drangsale gegen religiöse Minderheiten und reformierte Muslime behindert. Blasphemie und Abtrünnigkeit werden als Kapitalverbrechen angesehen. Nichtmuslimische Religionen sind erlaubt, doch wird stark versucht, deren Missionierungsbestrebungen zu behindern (FH 27.1.2016). Hindus, Sikhs und Schiiten, speziell jene, die den ethnischen Hazara angehören, sind Diskriminierung durch die sunnitische Mehrheit ausgesetzt (FH 27.1.2016; vgl. auch:

CSR 8.11.2016).

 

Im Strafgesetzbuch gibt es keine Definition für Apostasie. Laut der sunnitisch-hanafitischen Rechtsprechung gilt Enthauptung als angemessene Strafe für Männer, für Frauen lebenslange Haft, sofern sie die Apostasie nicht bereuen. Ein Richter kann eine mindere Strafe verhängen, wenn Zweifel an der Apostasie bestehen. Zu Verfolgung von Apostasie und Blasphemie existieren keine Berichte - dennoch hatten Individuen, die vom Islam konvertierten, Angst vor Konsequenzen. Christen berichteten, dass sie aus Furcht vor Vergeltung, Situationen vermieden, in denen es gegenüber der Regierung so aussehe, als ob sie missionieren würden (USDOS 10.8.2016).

 

Nichtmuslimische Minderheiten, wie Sikh, Hindu und Christen, sind sozialer Diskriminierung und Belästigung ausgesetzt, und in manchen Fällen, sogar Gewalt. Dieses Vorgehen ist jedoch nicht systematisch (USDOS 10.8.2016). Dennoch bekleiden Mitglieder dieser Gemeinschaften vereinzelt Ämter auf höchster Ebene (CSR 8.11.2016). Im Mai 2014 bekleidete ein Hindu den Posten des afghanischen Botschafters in Kanada (RFERL 15.5.2014). Davor war Sham Lal Bathija als hochrangiger Wirtschaftsberater von Karzai tätig (The New Indian Express16.5.2012).

 

Laut Verfassung soll der Staat einen einheitlichen Bildungsplan einrichten und umsetzen, der auf den Bestimmungen des Islams basiert; auch sollen religiöse Kurse auf Grundlage der islamischen Strömungen innerhalb des Landes entwickelt werden. Der nationale Bildungsplan enthält Inhalte, die für Schulen entwickelt wurden, in denen die Mehrheiten entweder schiitisch oder sunnitisch sind; ebenso konzentrieren sich die Schulbücher auf gewaltfreie islamische Bestimmungen und Prinzipien. Der Bildungsplan beinhaltet Islamkurse, nicht aber Kurse für andere Religionen. Für Nicht-Muslime ist es nicht erforderlich den Islam an öffentlichen Schulen zu lernen (USDOS 10.8.2016).

 

Nicht-muslimische religiöse Minderheiten werden durch das geltende Recht diskriminiert. So gilt die sunnitische-hanafitische Rechtsprechung für alle afghanischen Bürgerinnen und Bürger, unabhängig von ihrer Religion (AA 9 .2016). Für die religiöse Minderheit der Schiiten gilt in Personenstandsfragen das schiitische Recht (USDOS 10.8.2016).

 

Militante Gruppen haben sich unter anderem als Teil eines größeren zivilen Konfliktes gegen Moschen und Gelehrte gerichtet. Konservative soziale Einstellungen, Intoleranz und das Unvermögen oder die Widerwilligkeit von Polizeibeamten individuelle Freiheiten zu verteidigen bedeuten, dass jene, die religiöse und soziale Normen brechen, anfällig für Misshandlung sind (FH 27.1.2016).

 

Blasphemie – welche anti-islamische Schriften oder Ansprachen beinhaltet, ist ein Kapitalverbrechen im Rahmen der gerichtlichen Interpretation des islamischen Rechtes. Ähnlich wie bei Apostasie, gibt das Gericht Blasphemisten drei Tage um ihr Vorhaben zu widerrufen oder sie sind dem Tod ausgesetzt (CRS 8.11.2016).

 

Ein Muslim darf eine nicht-muslimische Frau heiraten, aber die Frau muss konvertieren, sofern sie nicht Anhängerin der zwei anderen abrahamitischen Religionen, Christentum und Judentum, ist. Einer Muslima ist nicht erlaubt einen nicht-muslimischen Mann zu heiraten. Ehen zwischen zwei Nicht-Muslimen sind legal, solange das Paar nicht öffentlich ihren nicht-muslimischen Glauben deklariert (USDOS 10.8.2016).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Schiiten

 

Die Bevölkerung schiitischer Muslime wird auf 10-19% geschätzt (AA 9 .2016; vgl. auch: CIA 21.10.2016). Zu der schiitischen Bevölkerung zählen die Ismailiten und die ethnischen Hazara (USDOS 10.8.2016). Die meisten Hazara Schiiten gehören der Jafari-Sekte (Zwölfer-Sekte) an. Im letzten Jahrhundert ist allerdings eine Vielzahl von Hazara zur Ismaili-Sekte übergetreten. Es gibt einige Hazara-Gruppen, die zum sunnitischen Islam konvertierten. In Uruzgan und vereinzelt in Nordafghanistan sind einige schiitische Belutschen (BFA Staatendokumentation 7.2016).

 

Auseinandersetzungen zwischen Sunniten und Schiiten sind in Afghanistan selten. Sowohl im Rat der Religionsgelehrten (Ulema), als auch im Hohen Friedensrat sind Schiiten vertreten; beide Gremien betonen, dass die Glaubensausrichtung keinen Einfluss auf ihre Zusammenarbeit habe (AA 9 .2016). Afghanische Schiiten und Hazara sind dazu geneigt weniger religiös und gesellschaftlich offener zu sein, als ihre religiösen Brüder im Iran (CRS 8.11.2016).

 

Die Situation der afghanisch schiitisch-muslimischen Gemeinde hat sich seit dem Ende des Taliban-Regimes wesentlich gebessert (USCIRF 30.4.2015). Beobachtern zufolge ist die Diskriminierung gegen die schiitische Minderheit durch die sunnitische Mehrheit zurückgegangen; dennoch gab es Berichte zu lokalen Vorfällen (USDOS 10.8.2016).

 

Ethnische Hazara sind gesellschaftlicher Diskriminierungen ausgesetzt (USDOS 13.4.2016). Informationen eines Vertreters einer internationalen Organisation mit Sitz in Kabul zufolge, sind Hazara, entgegen ihrer eigenen Wahrnehmung, keiner gezielten Diskriminierung aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit ausgesetzt (Vertrauliche Quelle 29.9.2015).

 

Afghanischen Schiiten ist es möglich ihre Feste öffentlich zu feiern - manche Paschtunen sind über die öffentlichen Feierlichkeiten verbittert, was gelegentlich in Auseinandersetzungen resultiert (CRS 8.11.2016). Im November 2016, hat ein Kämpfer der IS-Terrormiliz, während einer religiösen Zeremonie in der Bakir-al-Olum-Moschee - einer schiitischen Moschee in Kabul - am schiitischen Feiertag Arbain, einen Sprengstoffanschlag verübt (Tolonews 22.11.2016; vgl. auch: FAZ 21.11.2016). Bei diesem Selbstmordanschlag sind mindestens 32 Menschen getötet und 80 weitere verletzt worden (Khaama Press 22.11.2016). In Kabul sind die meisten Moscheen trotz Anschlagsgefahr nicht besonders geschützt (FAZ 21.11.2016). Am 23. Juli 2016 wurde beim schwersten Selbstmordanschlag in der afghanischen Geschichte die zweite Großdemonstration der Enlightenment-Bewegung durch den ISKP angegriffen. Es dabei starben über 85 Menschen, rund 240 wurden verletzt. Dieser Schlag richtete sich fast ausschließlich gegen Schiiten (AA 9 .2016).

 

Einige Schiiten bekleiden höhere Ämter (CRS 8.11.2016); sowie andere Regierungsposten. Schiiten verlautbarten, dass die Verteilung von Posten in der Regierung die Demographie des Landes nicht adäquat berücksichtigte. Das Gesetz schränkt sie bei der Beteiligung am öffentlichen Leben nicht ein – dennoch verlautbarten Schiiten - dass die Regierung die Sicherheit in den Gebieten, in denen die Schiiten die Mehrheit stellten, vernachlässigte. Hazara leben hauptsächlich in den zentralen und westlichen Provinzen, während die Ismailiten hauptsächlich in Kabul, den zentralen und nördlichen Provinzen leben (USDOS 10.8.2016).

 

Unter den Parlamentsabgeordneten befinden sich vier Ismailiten. Manche Mitglieder der ismailitischen Gemeinde beschweren sich über Ausgrenzung von Position von politischen Autoritäten (USDOS 10.8.2015).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

In Afghanistan leben laut Schätzungen vom Juli 2016 mehr als 33.3 Millionen Menschen (CIA 12.11.2016). Zuverlässige statistische Angaben zu den Ethnien Afghanistans und zu den verschiedenen Sprachen existieren nicht (Staatendokumentation des BFA 7.2016).

Schätzungen zufolge, sind: 40% Pashtunen, rund 30% Tadschiken, ca. 10% Hazara, 9% Usbeken. Auch existieren noch andere ethnische Minderheiten, wie z.B. die Aimaken, die ein Zusammenschluss aus vier semi-nomadischen Stämmen mongolisch, iranischer Abstammung sind, sowie die Belutschen, die zusammen etwa 4 % der Bevölkerung ausmachen (GIZ 1.2017).

 

Artikel 4 der Verfassung Afghanistans besagt: "Die Nation Afghanistans besteht aus den Völkerschaften der Paschtunen, Tadschiken, Hazara, Usbeken, Turkmenen, Belutschen, Paschai, Nuristani, Aimaq, Araber, Kirgisen, Qizilbasch, Gojar, Brahui und anderen Völkerschaften. Das Wort ‚Afghane‘ wird für jeden Staatsbürger der Nation Afghanistans verwendet."

(Staatendokumentation des BFA 7.2016). Die afghanische Verfassung schützt sämtliche ethnische Minderheiten. Neben den offiziellen Landessprachen Dari und Paschtu wird in der Verfassung (Art. 16) sechs weiteren Sprachen ein offizieller Status in jenen Gebieten eingeräumt, wo die Mehrheit der Bevölkerung (auch) eine dieser Sprachen spricht. Diese weiteren in der Verfassung genannten Sprachen sind Usbekisch, Turkmenisch, Belutschisch, Pashai, Nuristani und Pamiri (AA 9 .2016; vgl. auch: Max Planck Institut 27.1.2004). Es gibt keine Hinweise, dass bestimmte soziale Gruppen ausgeschlossen werden. Keine Gesetze verhindern die Teilnahme der Minderheiten am politischen Leben. Nichtsdestotrotz, beschweren sich unterschiedliche ethnische Gruppen, keinen Zugang zu staatlicher Anstellung in Provinzen haben, in denen sie eine Minderheit darstellen (USDOS 13.4.2016).

 

Der Gleichheitsgrundsatz ist in der afghanischen Verfassung verankert. Fälle von Sippenhaft oder sozialer Diskriminierung sind jedoch nicht auszuschließen und kommen vor allem in Dorfgemeinschaften auf dem Land häufig vor (AA 9 .2016). Ethnische Spannungen zwischen unterschiedlichen Gruppen resultierten weiterhin in Konflikten und Tötungen (USDOS 13.4.2016).

 

( )

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Hazara

 

Die schiitische Minderheit der Hazara macht etwa 10% der Bevölkerung aus. (CRS 12.1.2015). Die Hazara besiedelten traditionell das Bergland in Zentralafghanistan, das sich zwischen Kabul im Osten und Herat im Westen erstreckt und unter der Bezeichnung Hazaradschat (az?raj?t) bekannt ist. Das Kernland dieser Region umfasst die Provinzen Bamyan, Ghazni, Daikundi und den Westen der Provinz Wardak. Es können auch einzelne Teile der Provinzen Ghor, Uruzgan, Parwan, Samangan, Baghlan, Balkh, Badghis, und Sar-e Pul dazugerechnet werden. Wichtige Merkmale der ethnischen Identität der Hazara sind die schiitische Konfession (mehrheitlich Zwölfer-Schiiten) und ihre ethnisch-asiatisches Erscheinungsbild, woraus gern Schlussfolgerungen über eine turko-mongolische Abstammung der Hazara gezogen werden. Eine Minderheit der Hazara, die vor allem im nordöstlichen Teil des Hazaradschat leben, sind Ismailiten. Nicht weniger wichtig als Religion und Abstammung ist für das ethnische Selbstverständnis der Hazara eine lange Geschichte von Unterdrückung, Vertreibung und Marginalisierung. Jahrzehntelange Kriege und schwere Lebensbedingungen haben viele Hazara aus ihrer Heimatregion in die afghanischen Städte, insbesondere nach Kabul, getrieben (Staatendokumentation des BFA 7.2016).

 

Ihre Gesellschaft ist traditionell strukturiert und basiert auf der Familie bzw. dem Klan. Die sozialen Strukturen der Hazara werden manchmal als Stammesstrukturen bezeichnet; dennoch bestehen in Wirklichkeit keine sozialen und politischen Stammesstrukturen. Das traditionelle soziale Netz der Hazara besteht größtenteils aus der Familie, obwohl gelegentlich auch politische Führer einbezogen werden können (Staatendokumentation des BFA 7.2016).

 

Für die während der Taliban-Herrschaft besonders verfolgten Hazara hat sich die Lage grundsätzlich verbessert (AA 9 .2016); sie haben sich ökonomisch und politisch durch Bildung verbessert (CRS 12.1.2015). In der öffentlichen Verwaltung sind sie jedoch nach wie vor unterrepräsentiert. Unklar ist, ob dies Folge der früheren Marginalisierung oder eine gezielte Benachteiligung neueren Datums ist (AA 9 .2016). In der Vergangenheit wurden die Hazara von den Pashtunen verachtet, da diese dazu tendierten, die Hazara als Hausangestellte oder für andere niedere Arbeiten einzustellen. Berichten zufolge schließen viele Hazara, auch Frauen, Studien ab oder schlagen den Weg in eine Ausbildung in Informationstechnologie, Medizin oder anderen Bereichen ein, die in den unterschiedlichen Sektoren der afghanischen Wirtschaft besonders gut bezahlt werden (CRS 12.1.2015).

 

Gesellschaftliche Spannungen bestehen fort und leben lokal in unterschiedlicher Intensität gelegentlich wieder auf (AA 9 .2016; vgl. auch: USDOS 13.4.2016). Im Jahr 2015 kam es zu mehreren Entführungen von Angehörigen der Hazara (AA 9 .2016; vgl. auch: UDOS 13.4.2016; NYT 21.11.2015; World Hazara Council 10.11.2016; RFE/RL 25.2.2016). Im Jahr 2016 registrierte die UNAMA einen Rückgang von Entführungen von Hazara. Im Jahr 2016 dokumentierte die UNAMA 15 Vorfälle in denen 82 Hazara entführt wurden. Im Jahr 2015 wurden 25 Vorfälle von 224 entführten Hazara dokumentiert. Die Entführungen fanden in den Provinzen Uruzgan, Sar-e Pul, Daikundi, Maidan Wardak und Ghor statt (UNAMA 6.2.2017). Im Juli 2016 sprengten sich mehrere Selbstmordattentäter bei einem großen Protest der Hazara in die Luft, dabei wurden mindestens 80 getötet und 250 verletzt; mit dem IS verbundene Gruppen bekannten sich zu dem Attentat (HRW 12.1.2017).

 

Die Hazara sind im nationalen Durchschnitt mit etwa 10% in der Afghan National Army und der Afghan National Police repräsentiert (Brookings 31.10.2016).

 

Ausführliche Informationen zu den Hazara, können dem Dossier der Staatendokumentation (7.2016) entnommen werden.

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Im Jahr 2015 belegte Afghanistan im 'Human Development Index' (HDI) den 171. von 188 Plätzen (UNDP 2016; vgl. auch: AA 11 .2016). Afghanistan bleibt trotz eines gewaltigen Fortschritts innerhalb einer Dekade, eines der ärmsten Länder. Die Sicherheit und politische Ungewissheit, sowie die Reduzierung internationaler Truppen, gemeinsam mit einer schwachen Regierung und Institutionen, haben Wachstum und Beschäftigung gehemmt und seit kurzem zu einer erhöhten Migration geführt (IWF 13.4.2016).

 

Trotz eines guten Wirtschaftswachstums von 2007 bis 2011, stagnierte die Armutsrate bei 36%. Am häufigsten tritt Armut in ländlichen Gebieten auf, wo die Existenzgrundlage von der Landwirtschaft abhängig ist (WB 2.5.2016). Die Regierung hat die landwirtschaftliche Entwicklung zur Priorität erhoben. Dadurch sollen auch gering qualifizierte Afghaninnen und Afghanen bessere Chancen auf einen Arbeitsplatz bekommen. Insbesondere sollen die landwirtschaftlichen Erzeugnisse Afghanistans wieder eine stärkere Rolle auf den Weltmärkten spielen. Gerade im ländlichen Raum bleiben die Herausforderungen für eine selbsttragende wirtschaftliche Entwicklung angesichts mangelnder Infrastruktur, fehlender Erwerbsmöglichkeiten außerhalb der Landwirtschaft und geringem Ausbildungsstand der Bevölkerung (Analphabetenquote auf dem Land von rund 90%) aber groß. Sicher ist, dass die jährlich rund 400.000 neu auf den Arbeitsmarkt drängenden jungen Menschen nicht vollständig vom landwirtschaftlichen Sektor absorbiert werden können (AA 11 .2016).

 

Das BIP-Wachstum im Jahr 2015 wurde auf 1,5% geschätzt, als Faktoren zählten die sich verschlechternde Sicherheitslage, welche Privatinvestitionen schwächte; verspätete Vollstreckung des Haushaltsplanes und unvorteilhafte Wetterbedingungen, die zu einem niedrigeren landwirtschaftlichen Ertrag führten (IMF 13.4.2016). Die wirtschaftliche Entwicklung Afghanistans wird trotz positiver Wachstumsraten in der letzten Dekade weiterhin nicht durch ein selbsttragendes Wirtschaftswachstum, sondern durch die Zuschüsse der internationalen Gebergemeinschaft stimuliert. Den größten Anteil am BIP (2015: 19,2 Mrd. USD, lt. Weltbank) hat der Dienstleistungssektor mit 55%, gefolgt von der Landwirtschaft mit 22,6%. Industrieproduktion ist kaum vorhanden. Trotz einer großen Bedeutung des Außenhandels – Afghanistan ist in hohem Maße von Importen abhängig – sind afghanische Produkte bisher auf internationalen sowie regionalen Märkten kaum wettbewerbsfähig (AA 11 .2016). Das Wirtschaftswachstum ist in den Jahren 2014 und 2015 stark auf 1.5 - 2% gesunken; internationale Entwicklungshilfe führte zu Wachstum und Jobs in Konfliktregionen, dennoch steuerte es nicht zu einer gesteigerten Produktivität bei. Ungleichheit stieg parallel zur ungleichen Wachstumsverteilung – Regionen im Nordosten, Osten, sowie im Westen des Zentralgebietes scheinen aufgrund ihrer geografischen Abgelegenheit, starken Klimaveränderungen, niedriger Hilfe und Unsicherheit, nachzuhinken. Arbeitslosigkeit, Naturgefahren, fehlender Zugang zu Dienstleistungen, sowie Gewalt, sind Hauptfaktoren für die hohe Armutsrate in Afghanistan. Entwicklungsschwierigkeiten verstärkten die wachsende Unsicherheit, Verunsicherung und schrumpfende Hilfe (WB 2.5.2016).

 

Wichtige Erfolge wurden im Bereich des Ausbaus der Infrastruktur erzielt. Durch den Bau von Straßen und Flughäfen konnte die infrastrukturelle Anbindung des Landes verbessert werden. Große wirtschaftliche Erwartungen werden an die zunehmende Erschließung der afghanischen Rohstoffressourcen geknüpft. In Afghanistan lagern die weltweit größten Kupfervorkommen sowie Erdöl, Erdgas, Kohle, Lithium, Gold, Edelsteine und seltene Erden. Mit dem 2014 verabschiedeten Rohstoffgesetz wurden die rechtlichen und institutionellen Rahmenbedingungen für privatwirtschaftliche Investitionen in diesem Bereich verbessert. Entscheidend für Wachstum, Arbeitsplätze und Einnahmen aus dem Rohstoffabbau ist die Umsetzung des Gesetzes. Darüber hinaus müssen Mechanismen zum Einnahmenmanagement etabliert werden. Der Abbau der Rohstoffe erfordert große und langfristige Investitionen in die Exploration und Infrastruktur durch internationale Unternehmen. Bisher sind diese noch kaum im Abbau von Rohstoffen im Land aktiv. Derzeit niedrige Weltmarktpreise lassen die Investitionsbereitschaft zusätzlich sinken (AA 11 .2016).

 

Afghanistan bleibt weiterhin der weltweit größte Produzent für Opium, Heroin und Cannabis. Trotz einer breit angelegten Strategie verhindern die angespannte Sicherheitslage in den Hauptanbaugebieten im Süden des Landes sowie die weit verbreitete Korruption eine effiziente Bekämpfung des Drogenanbaus. Die hohen Gewinnmargen erschweren zudem die Einführung von alternativen landwirtschaftlichen Produkten (AA 11 .2016).

 

Projekte der afghanischen Regierung:

 

Im September 2016 fiel der Startschuss für das "Citizens’ Charter National Priority Program"; dieses Projekt zielt darauf ab, die Armut zu reduzieren und den Lebensstandard zu erhöhen, indem die Kerninfrastruktur und soziale Dienstleistungen der betroffenen Gemeinschaften verbessert werden. Die erste Phase des Projektes hat ein Drittel der 34 Provinzen zum Ziel; die vier Städte Balkh, Herat, Kandahar und Nangarhar sind Schwerpunkt des städtischen Entwicklungsprogrammes, welche als erste behandelt werden sollen. In der ersten Phase sollen 8,5 Millionen Menschen erreicht werden, mit dem Ziel 3,4 Millionen Menschen sauberes Trinkwasser zur Verfügung zu stellen, die Gesundheitsdienstleistungen zu verbessern, Bildung, Landstraßen, Elektrizität, sowie Zufriedenheit zu steigern und Vertrauen der Bevölkerung in die Regierung zu erhöhen. Des Weiteren zielt das Projekt darauf ab, Binnenvertriebene, Menschen mit Behinderung, arme Menschen und Frauen besser zu integrieren (WB 10.10.2016).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Medizinische Versorgung

 

Die Datenlage zur medizinischen Versorgung in Afghanistan bleibt äußerst lückenhaft. In vielen Bereichen liegen Daten nur unzuverlässig oder nur ältere statistische Erhebungen der afghanischen Regierung oder der Weltgesundheitsorganisation vor. Besonders betroffen von unzureichender Datenlage sind hierbei die südlichen und südwestlichen Provinzen (AA 9 .2016).

 

Gemäß der afghanischen Verfassung ist die primäre Gesundheitsversorgung in öffentlichen Einrichtungen, inklusive Medikamente, kostenfrei [Anm.: siehe dazu afghanische Verfassung

Artikel 52, (Max Planck Institute 27.1.2004)].

 

Im regionalen Vergleich fällt die medizinische Versorgung weiterhin drastisch zurück (AA 9 .2016). Dennoch hat das afghanische Gesundheitssystem in der letzten Dekade ansehnliche Fortschritte gemacht (The World Bank Group 10.2016; vgl. auch: AA 9 .2016). Dies aufgrund einer soliden öffentlichen Gesundheitspolitik, innovativer Servicebereitstellung, sorgfältiger Überwachung und Evaluierung, sowie Entwicklungshilfe. Trotz signifikanter Verbesserungen im Bereich des Deckungsgrades und der Qualität der Gesundheitsservices, wie auch einer Reduzierung der Sterberate von Müttern, Säuglingen und unter 5-jährigen, sind die afghanischen Gesundheitsindikatoren weiterhin schlechter als die der Niedrigeinkommensländer. Des Weiteren hat Afghanistan eine der höchsten Unterernährungsraten der Welt. Etwa 41% der Kinder unter 5 Jahren leiden unter chronischer Unterernährung. Sowohl Frauen als auch Kinder leiden an Vitamin- und Mineralstoffmangel (The World Bank Group 10.2016).

 

Die medizinische Versorgung leidet trotz erkennbarer und erheblicher Verbesserungen landesweit weiterhin an unzureichender Verfügbarkeit von Medikamenten und Ausstattung der Kliniken, insbesondere aber an fehlenden Ärztinnen und Ärzten, sowie gut qualifiziertem Assistenzpersonal (v.a. Hebammen). Im Jahr 2013 stand 10.000 Einwohnern Afghanistans ca. eine medizinisch qualifiziert ausgebildete Person gegenüber. Auch hier gibt es bedeutende regionale Unterschiede innerhalb des Landes, wobei die Situation in den Nord- und Zentralprovinzen um ein Vielfaches besser ist als in den Süd- und Ostprovinzen (AA 9 .2016).

 

Erhebliche Fortschritte der letzten Dekade sind: Die Mütter- und Kindersterblichkeitsrate hat sich signifikant reduziert; die Sterberate von Kindern unter 5 Jahren ist von 257 auf 55 pro 1.000 Lebendgeburten gesunken, die Säuglingssterblichkeitsrate von 165 auf

45. Die Müttersterblichkeitsrate ist auf 327 bei 100.000 Lebendgeburten gesunken (WB 2.11.2016). Im Vergleich dazu betrug die Müttersterblichkeitsrate im Jahr 2002 noch 1.600. Die Zahl funktionierender Gesundheitsanstalten verbesserte sich von 496 im Jahr 2002 auf 2.000 im Jahr 2012. Proportional dazu erhöhte sich die Zahl der Anstalten mit weiblichem Personal (WB 2.11.2016). Bei 34% der Geburten war ausgebildetes Gesundheitspersonal anwesend. Schätzungen der UN Population Division zufolge, verwenden 23% der Frauen in gebärfähigem Alter moderne Methoden der Empfängnisverhütung (USDOS 13.4.2016).

 

Krankenkassen und Gesundheitsversicherung

 

Es gibt keine staatliche Krankenkasse und die privaten Anbieter sind überschaubar und teuer, somit für die einheimische Bevölkerung nicht erschwinglich. Die staatlich geförderten öffentlichen Krankenhäuser bieten ihre Dienste zwar umsonst an, jedoch sind Medikamente häufig nicht verfügbar und somit müssen bei privaten Apotheken von den Patient/innen selbst bezahlt werden. Untersuchungen, Labortests sowie Routine Check-Ups sind in den Krankenhäusern umsonst (IOM 21.9.2016). Da kein gesondertes Verfahren existiert, haben alle Staatsbürger Zugang zu medizinischer Versorgung und Medikamenten. Physisch und geistig Behinderte, sowie Opfer von Missbrauch müssen eine starke familiäre und gesellschaftliche Unterstützung sicherstellen. Für verschiedene Krankheiten und Infektionen ist medizinische Versorgung nicht verfügbar. Chirurgische Eingriffe können nur in ausgewählten Orten geboten werden, welche zudem meist einen Mangel an Ausstattung und Personal aufweisen. Diagnostische Ausstattungen wie Computer Tomographie ist in Kabul (1 in Kabul) verfügbar (IOM 2016).

 

Medikamente

 

Medikamente sind auf jedem Markt in Afghanistan erwerblich, Preise variieren je nach Marke und Qualität des Produktes (IOM 2016). Obwohl freie Gesundheitsdienstleistungen in öffentlichen Einrichtungen zur Verfügung gestellt werden, können sich viele Haushalte gewisse Kosten für Medikamente oder den Transport zu Gesundheitsvorsorgeeinrichtungen nicht leisten bzw. war vielen Frauen nicht erlaubt alleine zu einer Gesundheitseinrichtung zu fahren (USDOS 13.4.2016).

 

Beispiele für Behandlung psychischer Fälle in Afghanistan

 

In öffentlichen und privaten Kliniken ist beispielsweise paranoide Schizophrenie behandelbar. Die Behandlung in privaten Kliniken ist für Menschen mit durchschnittlichen Einkommen nicht leistbar. In öffentlichen Krankenhäusern müssen die Patient/innen nichts für ihre Aufnahme bezahlen. Die Patient/innen müssen ihre Medikamente in außenstehenden Apotheken kaufen (IOM 11.10.2016). In Kabul gibt es zwei psychiatrische Einrichtungen: das Mental Health Hospital mit 100 Betten und die Universitätsklinik Aliabad mit 48 Betten. In Jalalabad und Herat gibt es jeweils 15 Betten für psychiatrische Fälle. In Mazar-e Scharif gibt es eine private Einrichtung, die psychiatrische Fälle stationär aufnimmt. Folgebehandlungen sind oft schwierig zu leisten, insbesondere wenn Patient/innen kein unterstützendes Familienumfeld haben. Traditionell mangelt es in Afghanistan an einem Konzept für psychisch Kranke. Sie werden nicht selten in spirituellen Schreinen unter teilweise unmenschlichen Bedingungen "behandelt", oder es wird ihnen in einer "Therapie" mit Brot, Wasser und Pfeffer der "böse Geist ausgetrieben". Es gibt jedoch aktuelle Bemühungen, die Akzeptanz und Kapazitäten für psychiatrische Behandlungsmöglichkeiten zu stärken und auch Aufklärung sowohl über das Internet als auch in Form von Comics (für Analphabeten) zu betreiben. Die Bundesregierung finanziert Projekte zur Verbesserung der Möglichkeiten psychiatrischer Behandlung und psychologischer Begleitung in Afghanistan (AA 9 .2016).

 

Krankenhäuser in Afghanistan

 

Eine begrenzte Zahl staatlicher Krankenhäuser in Afghanistan bietet kostenfreie medizinische Versorgung. Die Kosten für Medikamente in diesen Einrichtungen weichen vom lokalen Marktpreis ab. Privatkrankenhäuser gibt es zumeist in größeren Städten wie Kabul, Jalalabad, Mazar-e-Sharif, Herat und Kandahar. Die Behandlungskosten in diesen Einrichtungen variieren. Um Zugang zu erhalten, benötigt man die afghanische Nationalität (Ausweis/Tazkira). Man kann sich mit seinem Ausweis in jedem afghanischen Krankenhaus registrieren und je nach gesundheitlicher Beschwerde einem Arzt zugewiesen werden. Sollten Operation und Krankenhausaufenthalt nötig sein, wird dem Patienten in dem Krankenhaus ein Bett zur Verfügung gestellt (IOM 2016).

 

In Kandahar eröffnete eine pädiatrische Abteilung im Mirwais Krankenhaus, mit dem Ziel die extrem hohe Säuglingssterberate zu reduzieren: unter anderem verdoppelte sich die Zahl der Säuglingsschwestern; die neue Brutkasteneinheit unterstützt die Spezialist/innen der Neonatalogie (The Guardian 1.12.2016).

 

Krankenhäuser in Kabul:

 

* Antani Hospital Address: Salan Watt, District 2, Kabul Tel: +93 (0)20 2201 372

 

* Ataturk Children’s Hospital Address: Behild Aliabaad (near Kabul University), District 3, Kabul Tel: +93 (0)75 2001893 / +93 (0)20 250 0312

 

* Ahyaia Mujadad Hospital Address: Cinema Pamir, 1st District, Kabul Tel: +93(0)20 2100436

 

* Centre Poly Clinic Address: District 1, Cinema Pamir, Kabul Tel:

+93 (0)202100445

 

* Istiqlal Hospital Address: District 6, Kabul Tel: +93 (0)20 2500674

 

* Ibnisina Emergency Hospital Address: Pull Artal, District 1, Kabul

Tel: +93 (0)202100359

 

* Jamhoriat Hospital Address: Ministry of Interior Road, Sidarat

Square, District 2,Kabul Tel: +93 (0)20 220 1373/ 1375

 

* Malalai Maternity Hospital Address: Malalai Watt, Shahre Naw,

Kabul Tel: +93(0)20 2201 377

 

* Noor Eye Hospital Address: Cinema Pamir, Kabul Tel: +93 (0)20 2100 446

 

* Rabia–i-Balki Maternity Hospital Address: Frosh Gah, District 2, Kabul Tel: +93(0)20 2100439

 

* Tuberculosis Hospital Address: Sana Turiam, Dar-ul-Aman, District 6, Kabul Tel:+93 (0)75 201 4842

 

Beispiele für Nichtregierungsorganisationen vor Ort:

 

Ärzte ohne Grenzen (MSF)

 

In Helmand besteht das größte Krankenhaus im südlichen Afghanistan, welches von Ärzten ohne Grenzen (MSF) geführt wird. Als eines der wenigen Krankenhäuser in der Provinz, hat das Krankenhaus 300 Betten. Etwa 700 afghanische Mitarbeiter/innen und 25 Ausländer/innen arbeiten in den Abteilungen des Krankenhauses, zu diesen zählen unter anderem die Pädiatrie, die Intensivmedizin, die Orthopädie, erste Hilfe und Operationen. Die Behandlung in diesem Krankenhaus ist kostenfrei, sofern man es schafft einen Platz zu bekommen (Time 31.8.2016).

 

Das Komitee des internationalen Roten Kreuz (ICRC)

 

Zugang zu Gesundheitsbehandlung bleibt schwierig in jenen Gegenden, in denen die Sicherheitslage schwach ist.

 

Das ICRC:

 

 

 

 

 

 

 

 

Telemedizinprojekt durch den Mobilfunkanbieter Roshan

 

Das Telemedizinprojekt, verbindet Ärzte in ländlichen Gegenden mit Spezialist/innen im französischen Kindermedizininstitut in Kabul und dem Aga Khan Universitätskrankenhaus in Pakistan. Durch eine Hochgeschwindigkeits-Videoverbindung werden arme Patient/innen auf dem Land von Expert/innen diagnostiziert. Die von Roshan zur Verfügung gestellte Technologie ermöglicht es afghanischen Ärzten im Institut zudem, durch komplizierte Behandlungen geleitet zu werden, für die sie sonst nicht die Expertise hätten (Good Impact 17.12.2016).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Rückkehr

 

Seit Jänner 2016 sind mehr als 700.000 nicht registrierte Afghanen aus dem Iran und Pakistan nach Afghanistan zurückgekehrt (Thomson Reuters Foundation 12.1.2017); viele von ihnen sind, laut Internationalem Währungsfonds (IMF), hauptsächlich aus Pakistan, aus dem Iran, Europa und anderen Regionen nach Afghanistan zurückgekehrt. Viele Afghan/innen, die jahrzehntelang im Ausland gelebt haben, kehren in ein Land zurück und sind Konflikten, Unsicherheit und weitreichender Armut ausgesetzt. Aufgrund schwieriger wirtschaftlicher Bedingungen, sind Rückkehrer/innen im Allgemeinen arm. Auch wenn reichere Rückkehrer/innen existieren, riskiert ein typischer rückkehrender Flüchtling in die Armut abzurutschen (RFL/RE 28.1.2017). Die meisten Rückkehrer/innen (60%) entschlossen sich - laut UNHCR - in den städtischen Gegenden Kabuls, Nangarhar und Kunduz niederzulassen (UNHCR 6.2016).

 

IOM verlautbarte eine Erhöhung von 50.000 Rückkehrer/innen gegenüber dem Vorjahr. UNHCR hat im Jahr 2016 offiziell 372.577 registrierte Afghanen in die Heimat zurückgeführt. Laut UNHCR und IOM waren der Großteil der Rückkehrer junge Männer aus dem Iran, die auf der Suche nach Arbeit oder auf dem Weg nach Europa waren (Thomson Reuters Foundation 12.1.2017). Der Minister für Flüchtlinge und Repatriierung sprach sogar von einer Million Flüchtlinge, die im letzten Jahr nach Afghanistan zurückgekehrt sind - davon sind über 900.000 freiwillig in ihre Heimat zurückgekehrt sind (Khaama Press 17.1.2017).

 

( )

 

Unterstützung durch verschiedene Organisationen Vorort

 

Eine steigende Zahl von Institutionen bietet Mikrofinanzleistungen an. Die Voraussetzungen hierfür unterscheiden sich, wobei zumeist der Fokus auf die Situation/Gefährdung des Antragenden und die Nachhaltigkeit des Projekts gelegt wird. Rückkehrer und insbesondere Frauen erhalten regelmäßig Unterstützung durch Mikrofinanzleistungen. Jedoch sind die Zinssätze in der Regel vergleichsweise hoch (IOM 2016).

 

Das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen (United Nations World Food Programme - WFP) hat in Afghanistan eine neunmonatige Operation eingeleitet, um die wachsenden Zahl der Rückkehrer/innen aus Pakistan und Binnenvertriebe zu unterstützen, indem ihnen Notfallsnahrung und andere Mittel zur Verfügung gestellt werden:

Sowohl das WFP als auch andere UN-Organisationen arbeiten eng mit der afghanischen Regierung zusammen, um die Kapazität humanitärer Hilfe zu verstärken, rasch Unterkünfte zur Verfügung zu stellen, Hygiene- und Nahrungsbedürfnisse zu stillen. Die Organisation bietet 163.000 nicht-registrierten Rückkehrer/innen, 200.000 dokumentierten Rückkehrer/innen und 150.000 Binnenvertriebenen, Flüchtlingen Nahrungs- und Finanzhilfe an; auch 35.000 Flüchtlinge in den Provinzen Khost und Paktika wurden unterstützt. Das WAFP hat seine Unterstützungen in Ostafghanistan verstärkt – um Unterernährung zu vermeiden; das WFP unterstützte mehr als 23.000 Kleinkindern aus Rückkehrer-Familien. Ziel des WFP ist es 550.000 Menschen durch Notfallsorganisationen zu helfen (UN News Centre 15.11.2016).

 

Einige Länder arbeiten auch eng mit IOM in Afghanistan im Rahmen des Programms Assisted Voluntary Return zusammen - insbesondere, um die Reintegration zu erleichtern. IOM bietet Beratung und psychologische Betreuung im Aufnahmeland, Unterstützung bei Reiseformalitäten, Ankunft in Kabul und Begleitung der Reintegration einschließlich Unterstützung bei der Suche nach einer Beschäftigung oder Gewährung eines Anstoßkredits an. Obwohl IOM Abschiebungen nicht unterstützt und keine Abschiebungsprogramme durchführt, gibt IOM auch abgeschobenen Asylbewerber/innen Unterstützung nach der Ankunft im Land (AA 9 .2016). Mit Ausnahme von IOM gibt es keine weiteren Organisationen, die Unterstützung bei der Reintegration von Rückkehrer/innen in Afghanistan anbieten (IOM 2016).

 

Staatliches Pensionssystem

 

Es ist nur ein öffentliches Rentensystem etabliert. Das übliche Rentenalter liegt zwischen 63 und 65 Jahren, hängt jedoch vom Einzelfall ab. Personen, die in Afghanistan gearbeitet haben, haben Zugang zu Rentenzahlungen. Es gibt keine Einschränkungen, die einzige Voraussetzung ist, dass die Person mehr als 32 Jahre gearbeitet hat und zwischen 63-65 Jahren alte ist. Menschen mit körperlichen oder psychischen Behinderungen werden als vulnerabel/schutzbedürftig eingestuft. Sie können Sozialhilfe beziehen und zumindest körperlich benachteiligte Menschen werden in der Gesellschaft respektvoll behandelt. Schwierig ist es allerdings mit mental erkrankten Menschen, diese können beim Roten Halbmond und in entsprechenden Krankenhäusern (Ali Abad Mental Hospital, siehe Kontakte) behandelt werden (IOM 2016).

 

Es gibt keine finanzielle oder sonstige Unterstützung bei Arbeitslosigkeit. Lediglich beratende Unterstützung wird vom Arbeitsministerium und der NGO ACBAR (www.acbar.org ) angeboten (IOM 2016).

 

Erhaltungskosten in Kabul

 

Die monatlichen Lebenshaltungskosten in Kabul, für eine Person sind abhängig von den Ausgaben und liegen durchschnittlich zwischen 150-250 USD pro Person. Diese Zahlen beziehen sich nur auf Kleidung, Nahrung und Transport, die Unterbringung (Miete) ist dabei nicht berücksichtigt. Die Haus- oder Wohnungsmiete hängt von der Lage ab. Die Unterbringung im Zentrum der Stadt beträgt für eine Ein-Zimmer Wohnung (Bad und Küche) beginnend von 6.000 AFA (88 USD) bis zu 10.000 AFD (146 USD) pro Monat (IOM 22.4.2016). In Kabul sowie im Umland und auch anderen Städten stehen eine große Anzahl an Häusern und Wohnungen zur Verfügung. Die Kosten in Kabul City sind jedoch höher als in den Vororten oder auch anderen Provinzen. Private Immobilienhändler bieten Informationen zu Mietpreisen für Häuser, Apartments etc. an. Rückkehrer können bis zur 2 Wochen im IOM Empfangszentrum in Jangalak untergebracht werden (IOM 2016).

 

Wohnungssituation in Sar-e Pul

 

Die monatlichen Lebenshaltungskosten in Sar e Pol für zwei Personen belaufen sich auf ca. 180-200 USD pro Monat. Die monatlichen Mietkosten für ein durchschnittliches Haus betragen ca. 70-90 USD und 150-200 USD pro Monat für ein Luxusapartment (IOM 4.8.2016).

 

Auszüge aus dem Bankensystem in Afghanistan

 

Nach einer Zeit mit begrenzten Bankdienstleistungen, entstehen im Finanzsektor in Afghanistan schnell mehr und mehr kommerzielle Banken und Leistungen. Die kommerziellen Angebote der Zentralbank gehen mit steigender Kapazität des Finanzsektors zurück. Es ist einfach in Afghanistan ein Bankkonto zu eröffnen. Die Bank wird nach folgendem fragen: Tazkira/ (Personalausweis/Pass); 2 Passfotos und AFA 1,000 bis 5,000 als Mindestkapital für das Bankkonto (IOM 2016).

 

Bis heute sind mehr als ein Dutzend Banken im Land aktiv:

Afghanistan International Bank, Azizi Bank, Arian Bank, Alfalah Bank Ltd., Bank-E-Millie Afghan, BRAC Afghanistan Bank, Development Bank of Afghanistan, Export Promotion Bank, Habib Bank of Pakistan, Kabul Bank, National Bank of Pakistan, Pashtany Bank, Punjab National Bank - India, The First Microfinance Bank, Ghazanfar Bank, Maiwand Bank, Bakhtar Bank. Zu deren Leistungen zählen: Internationaler Geldtransfer via SWIFT (Society For World Wide Interbank Funds Transfer), inländische Geldtransfers in Afghanistan, diverse Kreditprodukte und andere Handelsleistungen, sowie Sparen und Girokonten (IOM 2016).

 

Internationaler Geldtransfer via SWIFT ist seit 2003 über die Zentralbank verfügbar. Auch kommerzielle Banken bieten derzeit internationalen Geldtransfer an, manche nutzen eigene Möglichkeiten, andere greifen auf die Ressourcen der Zentralbank zurück. Die Zentralbank kann die Nachfrage des Bankensektors nach Bargeld in afghanischer Währung sowie in US Dollar bedienen. Um Geld nach Afghanistan zu überweisen, müssen die Betroffenen ein Konto in Afghanistan haben. Die Zentralbank beabsichtigt, sich vom kommerziellen Bankgeschäft zurückzuziehen, da die kommerziellen Banken ihre Tätigkeiten in Afghanistan ausbauen. Die Zentralbank kann Überweisungen und andere Bankdienstleistungen in den Provinzen in ganz Afghanistan gewährleisten (IOM 2016). Geldtransferanbieter wie Western Union sind ebenfalls weit verbreitet (IOM 2016; vgl. auch: Western Union Holdings, Inc 2016 und Azizi Bank 2014).

 

Memorandum of Understanding (MoU)

 

Die Schweiz, Australien, Iran, Norwegen, Pakistan, Dänemark, Frankreich, Großbritannien, die Niederlande und Schweden haben seit 2002 mit Afghanistan und dem UNHCR sog. Drei-Parteien-Abkommen (MoU – Memorandum of Understanding) zur Regelung der freiwilligen Rückkehr von afghanischen Flüchtlingen in ihr Heimatland geschlossen. Die Abkommen sehen u. a. die Übernahme von Reisekosten, Wiedereingliederungshilfe und Unterstützungsmaßnahmen für besonders schutzbedürftige Flüchtlinge vor. Großbritannien, Frankreich, Italien, Dänemark, Norwegen, Schweden und Australien schieben abgelehnte Asylbewerber/innen afghanischer Herkunft nach Afghanistan ab. Von Norwegen ist bekannt, dass auch Familien mit minderjährigen Kindern abgeschoben werden. Der afghanische Flüchtlingsminister Balkhi (seit Ende Januar 2015 im Amt) lehnt die Rücknahme von afghanischen Flüchtlingen ab und ignoriert die MoUs, wurde jedoch von Präsident Ghani in seinem Einfluss beschnitten. Ein deutsch-afghanisches Rücknahme-MoU wurde am 2. Oktober 2016 in Kabul unterzeichnet (AA 9 .2016).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Auszug aus dem Gutachten von Dr. Sarajuddin RASULY vom 17.02.2016 im Verfahren des BVwG zu W119 2012211-1:

 

"( )Kurzer Rückblick zu den Hazara bis zum Sturz des Taliban-Regime im Jahre 2001:

 

Die Hazara wurden bis zum kommunistischen Putsch im Jahre 1978 aus ethnisch-religiösen Gründen stark diskriminiert. Sie durften im afghanischen Staat keine höheren staatlichen Positionen erlangen und waren in der Gesellschaft wegen ihres schiitischen Glaubens und wegen ihrer Ethnie oft Benachteiligungen und Verspottung ausgesetzt. Sie waren als Trägervolk und Dienervolk bekannt und gehörten zur ärmsten Bevölkerungsschicht Afghanistans. Ihre ursprünglichen Heimatregionen in Zentralafghanistan: Bamiyan, Teile der Provinzen Ghazni, Daykundi und Maidan Wardak gehören Großteils zu den schwer zugänglichen und kargen Regionen des Landes. Diese Bedingungen in den Abstammungsregionen der Hazara haben dazu geführt, dass sie im Laufe des 19. und 20. Jahrhunderts aufgrund der Arbeitssuche in Städte wie in Kabul, Kandahar, Herat, Mazar-e Sharif, Kunduz usw. zuwanderten und sich dort niederließen. Im 19. Jahrhundert wurden Hazara vom damaligen afghanischen Emir, Abdurrahman Khan, im Zuge dessen Zentralisierungspolitik, schwer verfolgt. Tausende Hazara wurden damals getötet und eine hohe Anzahl von ihnen war gezwungen, ihre Heimatregionen zu verlassen und sich in anderen Regionen Afghanistans niederzulassen, oder ins Ausland zu flüchten, allen voran nach Quetta/Pakistan. Im 20. Jahrhundert wurden sie zwar nicht mehr verfolgt, aber sie wurden weiterhin diskriminiert und ihre Wohngebiete gehörten weiterhin zu den unterentwickeltsten Regionen des Landes. Mehrheitlich arbeiteten sie in den Städten als Träger und Diener und konnten damit ihr Überleben sichern. Viele von Ihnen wurden vor 1965, dem Beginn der Demokratisierungsphase, von den Behörden auch zur Zwangsarbeit herangezogen. Die Hazara durften im Sicherheitsapparat, im Verteidigungs- und Innenministerium, sowie im Außenministerium keine Karriere machen.

 

Erst mit der Demokratisierungsphase im Jahre 1964/5 durften die Hazara allmählich am politisch-gesellschaftlichen Prozess teilnehmen und auch Abgeordnete in das demokratische Parlament entsenden und waren im Kabinett mit einem Minister vom Gnaden des Königs vertreten. Die Hazara durften zwar in den Städten Schulen besuchen und auch studieren, aber aufgrund ihrer schlechten Wirtschaftslage war die Zahl der Analphabeten unter ihnen viel höher als bei anderen Ethnien. In den Städten konnte ein kleiner Teil der Hazara Schulen und Bildungs- und Ausbildungseinrichtungen besuchen. Sie durften hauptsächlich im Bildungs- und Gesundheitsbereich, als Ärzte und Lehrer arbeiten. Bis zum kommunistischen Putsch im Jahre 1978 waren nicht mehr als 7 Prozent der Gesamtbevölkerung Afghanistans alphabetisiert bzw. gebildet.

 

Die Stellung der Hazara nach dem Putsch der Kommunisten im Jahre 1978:

 

Die Stellung der Hazara im afghanischen Staat und in der Gesellschaft hat sich nach der Machtergreifung der Kommunisten im Jahre 1978 grundlegend geändert. Unter den Kommunisten wurden sie zum ersten Mal in der Geschichte Afghanistans an der politisch-militärischen Macht beteiligt. Sie stellten im kommunistischen Staat das Amt des Ministerpräsidenten und hatten einige Ministerämter inne. Sie waren im Sicherheitsapparat vertreten und die Entwicklungspläne der Kommunisten für das Land umfassten auch die Hauptsiedlungsgebiete der Hazara, Hazarajat.

 

Der Einmarsch der sowjetischen Truppen in Afghanistan im Dezember 1979 und die damit verbundene Entstehung der Mujaheddin-Gruppen war ein weiteres Ereignis, das zur Emanzipation der Hazara in Afghanistan maßgebend beigetragen hat. Im Jahre 1980 wurden 7 sunnitische Widerstandsgruppen mit der Unterstützung der Saudi-Arabiens, Pakistans und des Westens, allen voran der USA, in Pakistan gegründet.

 

Daraufhin wurden im Iran 8 Hazara bzw. schiitische Mujaheddin-Gruppen mit Unterstützung der iranischen Machthaber gegründet. Sie wurden vom iranischen Staat bewaffnet und bekamen auch politische Rückendeckung vom Iran, welche sie befähigte, sich auch am Widerstand gegen die sowjetische Armee zu beteiligen, ohne von den Sunniten zurückgedrängt zu werden. Die Beteiligung der Hazara im kommunistischen Staat und ihre Teilnahme am "Heiligen Krieg" gegen die Sowjets hatten ihnen geholfen, sich zu bewaffnen und allmählich gegen ihre Diskriminierung und Benachteiligungen zur Wehr zu setzen. Im Zuge des "Heiligen Krieges" von 1980 bis 1992 gegen die Kommunisten und die sowjetische Armee und im Zuge des Bürgerkrieges von 1992 bis 1998 haben die Hazara ihre Hauptsiedlungsgebiete in Zentralafghanistan, in Nordwest-Afghanistan und in einigen Bezirken von Kabul vollständig unter ihre Kontrolle gebracht und die Verwaltung dieser Regionen übernommen.

 

Bürgerkrieg in Afghanistan von 1992 bis 1996 bzw. bis 1998 und die Hazara:

 

Die Hazara waren am Bürgerkrieg in Kabul, in Mazar-e Sharif, in Ghazni, Bamiyan, Baghlan, in Uurzgan und in Teilen West-Afghanistan bewaffnet beteiligt. Während des Bürgerkrieges konnte die Hezb-e Wahdat, die Partei der Hazara, diese Minderheit militärisch und politisch soweit mobilisieren, dass Hunderttausende Hazara für die Hezb-e Wahdat gegen andere Gruppen, wie Jamiat-e islami, Hezb-e islami und die Taliban kämpften. Als die Taliban im Jahre 1995 Ghazni, ausgenommen Hazara-Gebiete, 1996 in Kabul, 1998 in Mazar-e Sharif und Hazarajat eroberten, unterdrückten sie die Hazara schwer, töteten tausende von ihnen und vertrieben tausende aus den Städten. Die Hazara zogen sich in ihre Hauptsiedlungsgebiete in Hazarajat zurück, als die Taliban im Jahre 1996 Kabul eingenommen hatten und verteidigten ihre Siedlungsgebiete bis zum Jahre 1998. Die Taliban führten einen brutalen Krieg gegen die Hazara und töteten in wenigen Tagen in Mazar-e Sharif im Jahre 1998 mehr als 8000 Hazara.

 

Im Jahre 1998 haben die Taliban alle Siedlungsgebiete der Hazara erobert. Die Gruppenkonflikte innerhalb der Hazara hatten dazu geführt, dass einige Hazara-Kommandanten mit den Taliban kooperierten und die Taliban bei der Einnahme ihrer eigenen Siedlungsgebiete unterstützten. Zwischen 1995 bis 2001 flüchteten hunderttausende Hazara in die Nachbarländer Iran und Pakistan. Tausende junge Hazara schlossen sich dem Widerstand gegen die Taliban an, der in den Bergen des Hazarajat von der Hezb-e Wahdat weitergeführt wurde.

 

Die Lage der Hazara seit dem Sturz des Taliban-Regimes Ende 2001:

 

Nach dem Sturz des Taliban-Regimes wurde Ende 2001 in einer Konferenz in Bonn festgelegt, dass alle Ethnien Afghanistans, einschließlich der Hazara an der staatlichen Macht beteiligt werden müssen. So haben die Hazara und andere schiitische Gruppen seit Ende 2001 im afghanischen Staat einen stellvertretenden Staatspräsidenten, fünf Ministerposten und jeweils einen stellvertretenden Minister im Staatssicherheits- Verteidigungs- und Innenministerium. Außerdem haben sie mehrere Schlüsselpräsidien in diesen Ministerien. Der stellvertretende Armee-Chef ist derzeit ein Hazara namens General Morad Ali Morad. General Morad hat weitgehende Befehlsbefugnisse und befehligt derzeit in verschiedenen Provinzen wie Kunduz, Baghlan oder Helmand die Operationen gegen die Taliban. Die Hazara-Parteien, allen voran die Hezb-e Wahdat, kontrollieren derzeit die Hauptsiedlungsgebiete der Hazara im Rahmen der staatlichen Authorität.

 

Diese Gebiete sind: Bamiyan, Daykundi, die Distrikte Jaghuri, Malistan, Nawur, Jaghatu, Teile von Qarabagh usw. in der Provinz Ghazni, die Hazara-Wohnbezirke in Mazar-e Sharif und einige Distrikte der Provinzen Samangan, wie Dara-e Suf, Hazara-Siedlungsgebiete in der Provinz Sara-e Pul und in der Provinz Balkh, sowie die von Hazara bewohnten Distrikte und Dörfer in der Provinz Maidan Wardak, vor allem Hessa-i-Awal-i Behsud, Behsud-i Markazi und Daymirdad. Die Hazara sind in Kabul im politisch-kulturellen Leben und im Bildungs- und Wirtschaftsbereich maßgebend vertreten. Sie betreiben mehrere Fernsehsendungen und haben dutzende Privatuniversitäten und Institute im Land. Sie stellen in den staatlichen Universitäten im Verhältnis zu ihrer Anzahl mehr Studenten als jede andere Ethnie des Landes, weil sie durch ihre leidgeprüfte Geschichte die derzeitigen Möglichkeiten besser wahrnehmen.

 

Die Hazara und andere Schiiten haben in Großstädten wie in Kabul, Mazar-e Sharif und Herat eigene islamische Bildungseinrichtungen für die schiitische Islam-Lehre. Diese werden vom Iran finanziert und mit Lehrkräften unterstützt. Die Hazara als Schiiten dürfen zum ersten Mal in der Geschichte Afghanistans seit dem Sturz des Taliban-Regimes ungestört und in vollem Umfang schiitische Rituale, wie den wichtigsten Feiertag, Ashura, den Gedenktag an den Märtyrertod Imam Husain, mit Prozessionen auch in den nicht schiitischen Bezirken in Kabul und Mazar-e Sharif und in anderen Städten zelebrieren, ohne von den Sunniten gestört und lächerlich gemacht zu werden. Früher haben sie nur in ihren Moscheen unter sich gefeiert. ca. ein Drittel der Parlamentsabgeordneten in Kabul sind Hazara bzw. Schiiten und sind mit den sunnitischen Abgeordneten gleichberechtigt am politischen Prozess beteiligt. Somit sind die Hazara an der Staatsgewalt maßgebend beteiligt. Sie waren bis zum Sturz des Taliban-Regimes im Jahre 2001 in diesem Ausmaß in Afghanistan nie an der staatlichen Macht beteiligt.

 

Sie sind nicht nur an der Zentralgewalt beteiligt, sondern sie stellen auch die Gouverneure und die Sicherheitskommandanten in ihren Provinzen Bamiyan, Daikundi und in allen anderen hauptsächlich von den Hazara bewohnten Distrikten in Ghazni und in Maidan Wardak. Alle bedeutenden Distrikte wie Jaghuri, Malistan, Jaghatu, Nawur und Teile von Qarabagh in Ghazni werden von den Kommandanten der Hezb-e Wahdat behördlich verwaltet. Auch in Maidan Wardak werden die Hauptsiedlungsgebiete von Hazara, wie Hisa-i-Awal-i Behsud, Behsud-e Markazi und Day Mirdad von den Kommandanten der Hezb-e Wahdat kontrolliert und verwaltet. Mit ihrer neuen Stellung, ihrer Widerstandsfähigkeit und ihren Möglichkeiten befinden sich die Hazara in Afghanistan seit Ende 2001 nicht mehr in einer Opferrolle. Sie sind im Stande, sich kollektiv mit ihren Möglichkeiten im Rahmen des Staates zu verteidigen. Allerdings kommt es vor, dass immer wieder Taliban auf den Hauptstraßen zwischen den Provinzen im Süden, Westen und auf dem Weg nach Maidan Wardak und Bamiyan Reisebusse anhalten und bestimmte Reisende mitnehmen. Die meisten dieser Geiseln auf diesen Strecken sind Hazara. In den Jahren 2013 bis 15 ist es mehrere Male vorgekommen, dass auf dieser Strecke Hazara aus den Reisebussen gezerrt und mitgenommen worden sind. Einige von ihnen wurden freigelassen, dutzende wurden getötet. Diese Aktionen der Taliban gegen die Hazara richten nicht nur gegen die Hazara, sondern die Taliban töten und entführen auch Paschtunen, Usbeken und Tajiken. Bei jeder dieser Aktion erwecken die Taliban den Anschein, als wäre sie nur gegen die jeweilige Volksgruppe, deren Mitglieder sie gerade entführt und getötet haben, gerichtet. Die Hauptroute von Kabul über den Salang-Pass nach Norden, Baghlan - Mazar-e Sharif - Kunduz, wird hauptsächlich von Paschtunen, Tajiken und Usbeken befahren. Die Strecke zwischen Baghlan und Kunduz ist sehr gefährlich und die Reisenden versuchen, bis 14 Uhr die Strecke Baghlan nach Kunduz zu passieren, weil nachmittags die Taliban die Route immer wieder kurzfristig unter ihre Kontrolle bringen. Sie zerren willkürlich Personen aus Reisebussen und Taxis und nehmen sie als Geiseln mit. Einige dieser Personen werden von den Taliban später getötet. Dies sind Großteils Tajiken und Usbeken. Die meisten von den Taliban kontrollierten Gebiete in Afghanistan werden von Usbeken, Paschtunen und Tajiken bewohnt. In diesen Gebieten werden die Menschen willkürlich bestraft und Personen, die einmal für die Regierung gearbeitet haben, geraten unter die Verfolgung und Unterdrückung der Taliban. Die Provinzen und Distrikte, wo hauptsächlich die Hazara wohnen, werden von diesen kontrolliert. Sie haben bis jetzt ihre Siedlungsgebiete soweit geschützt, dass die Taliban dort nicht eindringen konnten. Aber Distrikte, wie Gisab in Uruzgan und Nirkh in Maidan Wardak, die auch von Paschtunen bewohnt werden, sowie einige Dörfer, die in den mehrheitlich von Paschtunen oder Usbeken bewohnten Gebieten liegen, werden nicht von den Hazara-Parteien kontrolliert. Manche dieser Gebiete werden immer wieder von den Taliban kurzfristig kontrolliert. ( )"

 

Anfragebeantwortung zu Afghanistan: Berichte über Zusammenstöße zwischen den Gruppierungen Arkati und Nasri bzw. deren Vorgehen gegen ZivilistInnen; Umgang lokaler Machthaber mit Befehlsverweigerung bzw. Zwangsarbeit [a-8745] vom 17. Juli 2014 Berichte über Zusammenstöße zwischen den Gruppierungen Arkati und Nasri bzw. Vorgehen gegen ZivilistInnen

 

In den ACCORD derzeit zur Verfügung stehenden Quellen konnten im Rahmen der zeitlich begrenzten Recherche keine Informationen zu Gruppierungen mit den Bezeichnungen "Arkati" und "Nasri" gefunden werden. Es wurden jedoch Informationen zu den politischen Gruppierungen "Harakat-e Islami" (auch: "Harakat-i Islami" bzw. "Harakat") und Nasr gefunden. Aufgrund der phonetischen Ähnlichkeiten zu den oben genannten Bezeichnungen werden diese Informationen im Folgenden angeführt:

 

In einer älteren Anfragebeantwortung vom Oktober 2009 bezeichnet die Schweizerische Flüchtlingshilfe (SFH) die Harakat-e Islami als eine politische und militärische Kraft, deren Mitglieder vorwiegend Schiiten bzw. Hazara seien und die sich faktisch in drei Teile gespalten habe. Jede dieser Fraktionen nenne sich weiterhin "Harakat-e Islami" bzw. einfach nur "Harakat":

 

"Die Harakat-e Islami ist sowohl eine politische als auch eine militärische Kraft, die vorwiegend Schiiten bzw. Hazara umfasst. Während der 1980er- und 1990er-Jahre operierte sie in Zentral-, Nord- und Westafghanistan gegen die Sowjetunion bzw. gegen die Taliban. Während der 1980er-Jahre wurde sie von Mohammad Asef Mohseni angeführt. Später zersplitterte sie sich praktisch in drei Teile, wobei sich jeder Teil weiterhin ‚Harakat-e Islami‘ oder einfach nur ‚Harakat‘ nennt. Ein Teil wird weiterhin von Mohammed Asef Mohseni geführt. Der militärische Kommandierende der zweiten Gruppierung ist Sayeed Hossein Anwari, und der dritte Teil wird von Mohammed Ali Javeed geführt." (SFH, 6. Oktober 2009, S. 1-2)

 

Das australische Refugee Review Tribunal (RRT) hält in einer Anfragebeantwortung vom März 2013 fest, dass die Partei Harakat-i-Islami-i Afghanistan (Mohseni) aus der Harakat-i Islami, einer schiitischen Organisation der Mudschahedin-Ära, hervorgegangen sei. Die Gruppe habe sich nicht in die Hezb-e Wahdat eingegliedert.

Die Harakat-i Islami habe sich in zwei Fraktionen gespalten: Die Fraktion um Mohseni habe den bisherigen Namen beibehalten und repräsentiere den klerikalen Flügel. Mohseni sei im Jahr 2005 zurückgetreten und habe die Führung seiner Fraktion an Seyyed Muhammad Ali Jawid übergeben. Die zweite Fraktion von Seyyed Hossein Anwari nenne sich indes Harakat-e Islami-ye Mardom-e Afghanistan (Harakat-i Islami-i Mardon (Anwari)) und stehe für die militärischen und stärker säkular ausgerichtete Komponente in der ursprünglichen

Harakat-i Islami:

 

"Harakat-i-Islami-i Afghanistan (Mohseni)

 

Other names: Islamic Movement of Afghanistan,

Hizb-i-Harakat-i-Islami-i-Afghanistan Leaders: Ayatollah Muhammad Asef MUHSINI (MOHSENI) (to 2005); Mohammad Ali JAWID (since 2005)

 

This party, now led by Mohammad Ali Jawid, is the descendent of the Mujahideen era organisation Harakat-i Islami, led by Asef Mohseni, which was a Shia (though not exclusively Hazara) group that stayed outside the Hezb-e Wahdat. Members of Harakat represented the Shiites in the Interim Administration of 2002 as well as the Transitional Administration in 2002-2003. Harakat split into two factions, with Mohseni’s wing keeping the traditional name and representing its clerical wing, while Seyyed Hossein Anwari’s wing, called Harakat-e Islami-ye Mardom-e Afghanistan representing its military – and more secular – component. In February 2005, Mohseni stepped down as party leader and handed over to Hojjatolislam Seyyed Muhammad Ali Jawed, a minister in Karzai ’ s first cabinet formed in late 2001 in Bonn." (RRT, 7. März 2013, S. 22)

 

In einem älteren Bericht vom April 2009 schreibt die in Afghanistan ansässige Denkfabrik Cooperation for Peace and Unity (CPAU), dass die Hezb-e Wahdat ursprünglich im Jahr 1980 als eine Dachorganisation verschiedener schiitischer Parteien gegründet worden sei. Während des Bürgerkrieges (ab 1992) sei sie jedoch in mehrere Fraktionen, vor allem in die Akbari-Fraktion und die Khalili-Fraktion, zersplittert gewesen. Die Khalili-Fraktion gehöre zur Nasr-Gruppe. Zum Berichtszeitpunkt würden diese Fraktionen in unterschiedlichem Ausmaß Kontrolle über Distrikte in den Provinzen Ghazni, Bamyan und Uruzgan ausüben. Die Wahdat-Partei als solche habe weithin aufgehört zu existieren. Bezüglich des Distrikts Jaghori in der Provinz Ghazni bemerkt die CPAU, dass dort mehrere Parteien aktiv seien, jedoch die Nasr-Fraktion der ehemaligen Hezb-i Wahdat (Khalili) die einflussreichste Gruppe darstelle. Trotz der Dominanz der Khalili-Fraktion seien in den Distrikten Jaghori und Malistan auch mehrere andere Gruppen, darunter die Harakat-i Islami, militärisch präsent:

 

"Hizb-i Wahdat was originally formed in 1989 as an umbrella party for the Shia parties but it remained divided into several factions during the civil war (1992 onwards), primarily between the Akbari (also called Sepah-i Pasdaran) faction and the Khalili faction, led by Karim Khalili who is affiliated with the Nasr group which continues to hold significant power in Jaghori and Malistan (A. Giustozzi 2008). [ ] Today these factions have varying and competitive levels of control in districts of Ghazni, Bamyan and Uruzgan provinces, the Khalili faction enjoying more power and support from the government in Kabul. The entity that was Wahdat has largely ceased to function." (CPAU, April 2009, S. 9-10)

 

"There are reports and indications that political parties in Ghazni, including in Jaghori and Malistan districts, no longer have the strength they enjoyed in the past primarily due to the fact that many of them played significant roles in the civil war and thus lost public credibility. Possibly due to this partial loss of parties’ political power, relations among the parties tend not to lead directly to conflict, despite significant differences among and between parties in their aims and interests (UNAMA 2008). A number of parties remain active in Jaghori but overall the Nasr faction of the former Hizb-i Wahdat (Khalili), is most influential (UNHCR 2002; A. Giustozzi 2008). [ ] Despite the dominant control by the Khalili faction in Jaghori and Malistan, Hizb-i Wahdat (Akbari), Hizb- i Islami and Harakat-i Islami also have military presence in these districts (A. Giustozzi 2008)." (CPAU, April 2009, S. 11)

 

Ein älterer, im Jänner 2009 veröffentlichter Bericht des Crisis State Research Centre der London School of Economics and Political Science (LSE) beschreibt die Entwicklung der Nasr-Gruppe in den 1980er Jahren. Nasr sei politisch, militärisch und ideologisch eine der am besten organisierten Muschahedin-Gruppen in Afghanistan gewesen. In den Teilen der Provinz Ghazni, in denen die Hazara dominieren würden, hätten die Gruppierungen Nasr, Nahzat, Pasdaran und Jabhe Muttahed einander unter anderem im Kampf gegen die Harakat unterstützt. Im Jahr 1985 sei die Harakat im Distrikt Qarabagh von der Nasr besiegt worden:

 

"Politically, militarily and ideologically, Nasr was one of the best organised of all mujahedin groups in Afghanistan. [ ] In the Hazara part of the Ghazni province Nasr, Nahzat, Pasdaran and Jabhe Muttahed were helping each other in the fight against Shura, Harakat and later Hizb-e Islami . Following the defeat of Harakat in Qarabagh of Ghazni (1985) at the hand of Nasr, the Khomeinist organisations united to contest Hizb-e Islami ’s supremacy in the districts of Jaghori and Malistan." (Crisis State Research Centre, Jänner 2009)

 

Die SFH geht in ihrer Anfragebeantwortung vom Oktober 2009 wie folgt auf das Verhältnis zwischen Hezb-e Wahdat und Harakat-e Islami in der Provinz Ghazni ein:

 

"Gemäss Angaben des Immigration and Refugee Board of Canada ist die Harakat-e Islami, im Gegensatz zu den meisten anderen schiitischen Parteien, nie der Hezb-e Wahdat beigetreten. Generell bestanden viele Konflikte zwischen den verschiedenen Mujaheddin/Parteien, sowohl vor der Machtübernahme durch die Taliban als auch nach dem Sturz der Talibanherrschaft. In Bezug auf das Verhältnis zwischen Hezb-e Wahdat und Harakat-e Islami lässt sich festhalten, dass in der Region um Jaghori intensive Konflikte und Rivalitäten zwischen den beiden Parteien bestanden. Viele dieser Konflikte gehen in die 1980er- und 1990er-Jahre (Bürgerkrieg) zurück, sind aber auch heute noch von Relevanz, das heisst, dass die Konflikte und Rivalitäten entlang der früheren Linien noch heute bestehen." (SFH, 6. Oktober 2009, S. 2)

 

Eine ältere Anfragebeantwortung des australischen Refugee Review Tribunal (RRT) vom Juli 2005 erwähnt, dass Mitte Mai 2002 der Hezb-e-Wahdat (Khalili)-Anführer Juma Gul sowie 13 weitere Personen vom Kommandanten Abdul Qayum von der Harakat-e-Islami mutmaßlich getötet worden seien. Es scheine sich dabei um eine Familienfehde gehandelt zu haben. Der Konflikt sei mittels einer Intervention der Unterstützungsmission der Vereinten Nationen in Afghanistan (UNAMA) beigelegt worden. Jedoch seien die Anführer beider Parteien in Ghazni versucht gewesen, die Sache weiter eskalieren zu lassen:

 

"Even though the Hazara population remains divided between different groups, it is worth indicating that no open armed conflicts have been observed or reported since May 2002. Indeed, the only instance of fighting took place Mid May 2002, when Juma Gul, leader of Hezb-e-Wahdat (Khalili) was killed along 13 other persons, allegedly by Commander Abdul Qayum (of Harakat-e-Islami, in what appeared to be an episode of their familial feud. Effectively, the two men were relatives and divided apparently over land issues. The matter was solved with the intervention of UNAMA, while both heads of parties in Ghazni province were tempted to push further the matter." (RRT, 19. Juli 2005)

 

Weiters schreibt die SFH im Bericht vom Oktober 2009 über Missbräuche, die Mitglieder der Hezb-e Wahdat an der zivilen Bevölkerung in mehreren Distrikten der Provinz Ghazni, darunter in den Distrikten Malistan, Jaghori, Nawur und Qarabagh, begangen hätten:

 

"Missbräuche durch Truppen der Hezb- e - Wahdat in den Distrikten Malistan, Jaghori, Nawur und Qarabagh haben dazu geführt, dass Menschen aus diesen Distrikten geflüchtet und nach Ghazni-Stadt, nach Kabul oder Mazar-e Sharif gezogen sind. Missbräuche umfassten politische Verfolgung, Gelderpressungen, willkürliche Fest- nahmen und Haft, Entführungen sowie erzwungene Heiraten von Mädchen und jungen Frauen. Ein Mann aus Jaghori, der nach Kabul geflüchtet ist und nicht ins Jaghori - Distrikt zurückzukehren will, hat Human Rights Watch gesagt, dass er sich vor den lokalen Kommandierenden in Jaghori fürchte. Aus den genannten Quellen geht hervor, dass in den Jahren nach dem Fall des Talibanregimes Kommandierende verschiedener Parteien in den Distrikten der Provinz Ghazni faktisch die Macht innehatten. Aufgrund der schwachen Regierungspräsenz war die Bevölkerung den Machenschaften dieser Kommandierenden praktisch schutzlos ausgeliefert, was viele Personen zur Flucht nach Ghazni-Stadt, Kabul oder Mazar-e Sharif zwang." (SFH, 6. Oktober 2009, S. 1-3)

 

"Berichten zufolge haben Mitglieder der Hezb-e Wahdat Dörfer von Paschtunen geplündert, namentlich in Qarabagh, wo sich die Bevölkerung aus Hazara und Paschtunen zusammensetzt." (SFH, 6. Oktober 2009, S. 4)

 

Wie die CPAU im April 2009 berichtet, habe die Bevölkerung der Provinz Ghazni je nach Ort in unterschiedlichem Maße an den Handlungen lokaler Kommandanten und Fraktionen zu leiden gehabt. Zu den berichteten Missbräuchen gegen DorfbewohnerInnen würden unter anderem Erpressungen von Geld bzw. Nahrungsmitteln sowie Landbesetzungen gehören. Welches Ausmaß derartige Misshandlungen zum Berichtszeitpunkt hätten, sei nicht feststellbar. Jedoch habe das UNO-Flüchtlingshochkommissariat (UNHCR) im Jahr 2003 von Misshandlungen der Bevölkerung im Gebiet Pashayi durch bewaffnete Gruppen berichtet. Zuvor habe die Nasr-Fraktion das Land der örtlichen Dorfbewohner okkupiert. RückkehrerInnen seien Ziel von Angriffen geworden, da sie sich von der Nasr-Fraktion losgesagt hätten bzw. da sie andere Gruppierungen wie z.B. die Harakat-i Islami unterstützt hätten. Weiters führt CPAU an, dass es im Distrikt Qarabagh Überfälle durch Mitglieder der Hezb-e Wahdat (Khalili) auf paschtunische Dörfer gegeben habe:

 

"People in Ghazni have suffered to varying extents, depending on their village ’s location, at the hands of local commanders and factions. Reported abuses against villagers by armed groups in Ghazni include extortion of money or food, as well as land occupation. It has not been possible to ascertain the extent to which this is the case today, but in 2003 UNHCR reported that armed groups in Ghazni were committing abuses against people in the Pashayi area, where Nasr faction had dispossessed villagers by land occupation. In this area returnees were targeted for having terminated their past involvement or allegiance with this faction, or for being allied with other groups including Harakat-i Islami, Hizb-i-Wahdat / Akbari and the Taliban (UNHCR 2003b). Abuses by factional armed groups reported to have occurred in areas of Jaghori and Malistan districts will be discussed below in the context of these districts. [ ] There have also been reports of Hizb-i Wahdat (Khalili) members raiding Pashtun villages towards the outskirts of the Hazarajat, namely in Qarabagh district which neighbours Jaghori to the east, where the population includes both Hazaras and Pashtuns. The Taliban is also infiltrating the outskirts of this region, including in the border areas of Jaghori district where villages are home to both Hazara and Pashtun communities (A. Giustozzi 2008). They have also established their presence in the ethnically mixed district of Qarabagh, neighbo uring Jaghori. UNHCR reports from 2003 indicate that factional military groups holding power in Jaghori and Malistan subjected the populations in parts of these districts to various abuses, including extortion, see below (UNHCR 2003b). [ ] Self-appointed military leaders and militants from Nasr faction were also reported to violently mistreat, extort money from, detain and harass the people of Malistan. Particularly, returnees to Malistan were reported to have been targeted by members of Nasr. Former members of Nasr who had left the movement were also targeted, including people associated with Harakat, Hizb-i Wahdat / Akbari, the Taliban or other parties (UNHCR 2003b). In some cases villagers who were unable to pay amounts up to 3 million Afghanis were detained by armed groups. Abusive practices by militants were mainly reported from the villages of Balakh San, Kushanak, Maknak and Pashayi (UNHCR 2003b). Villagers from Nawur district, neighbouring Malistan to the north-east, also reported extortion by armed members of Hizb-i Wahdat. The level of violent abuse by armed groups in both Malistan and Jaghori and led to some internal displacement, mainly to other parts of Ghazni province (UNHCR 2003b)." (CPAU, April 2009, S. 9-12)

 

Umgang lokaler Machthaber mit Befehlsverweigerung bzw. Zwangsarbeit

 

In der älteren Anfragebeantwortung des australischen Refugee Review Tribunal (RRT) vom Juli 2005 wird bemerkt, dass nahezu alle Hazara im Distrikt Qarabagh (Provinz Ghazni) unter dem Einfluss des Nasr-Flügels der Hezb-e- Wahdat (Khalili) stünden. Indes stelle das Gebiet Jangalak eine Hochburg des Harakat-e-Islami-Kommandanten Abdul Qayum dar, der aus dieser Region stamme. Qayum sei seit vielen Jahren in eine Familienfehde verstrickt. Laut Beobachtungen hätten die örtlichen BewohnerInnen Angst vor diesem Kommandanten, der sie unter anderem auffordere, seine Männer mit Essen zu versorgen und zwinge, auf seinen Grundstücken Arbeit zu verrichten:

 

"Qarabagh has a mixed population, 55% approximately being Pashtun and 45% Hazara. [ ]

 

The main parties active in Hazara areas are:

 

Hezb-e-Wahdat (Khalili), and most precisely its Nasr branch, under the ‘political’ leadership of Safi Zada. In the district, almost all Hazara areas are under influence of this section:

 

 

 

 

 

 

Quellen: (Zugriff auf alle Quellen am 17. Juli 2014)

 

· CPAU – Cooperation for Peace and Unity: Conflict analysis: Jaghori and Malistan districts, Ghazni province, April 2009

 

 

http://cpau.org.af/manimages/publications/Ghazni_Conflict_Analysis_Apr09_Final.pdf

 

· Crisis State Research Centre (London School of Economics and Political Science, LSE): At the sources of factionalism and civil war in Hazarajat (Autor: Niamatullah Ibrahimi), Jänner 2009

 

 

http://www.lse.ac.uk/internationalDevelopment/research/crisisStates/download/wp/wpSeries2/WP412.pdf

 

· RRT - Australian Government - Refugee Review Tribunal: RRT Research Response AFG23542 – Afghanistan – Dahmarda – Nasr Party – Kakar tribe, 19. Juli 2005 (veröffentlicht von MRT-RRT, verfügbar auf ecoi.net)

 

http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1291892447_afg23652.pdf

 

· RRT - Australian Government - Refugee Review Tribunal: Background Paper Afghanistan: Political Parties and Insurgent Groups 2001-2013, 7. März 2013 (verfügbar auf ecoi.net)

 

http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1369733768_ppig2.pdf

 

· SFH - Schweizerische Flüchtlingshilfe: Hezb-e Wahdat/Harakt-e Islami , 6. Oktober 2009 (verfügbar auf ecoi.net)

 

 

http://www.ecoi.net/file_upload/1002_1255187658_afghanistan-hezb-e-wahdat-harakt-e-islami.pdf

 

2. Beweiswürdigung:

 

Die Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers sowie zu seinen Lebensumständen im Heimatland ergeben sich aus seinem Vorbringen vor der Verwaltungsbehörde und vor dem Bundesverwaltungsgericht.

 

Die Angaben des Beschwerdeführers zu seinem späteren Aufenthalt im Iran konnten auf Grund der glaubwürdigen Angaben des Beschwerdeführers den Feststellungen zugrunde gelegt werden.

 

Die Feststellungen zum Verfahrensgang wurden dem Verwaltungsakt entnommen.

 

Die Feststellungen zu seinen familiären und privaten Umständen in Österreich einschließlich allfälliger Aspekte einer Integration basieren auf seinen eigenen Angaben im Rahmen der mündlichen Beschwerdeverhandlungen sowie den diesbezüglich vorgelegten Bestätigungen.

 

Dass der Beschwerdeführer an keinen schwerwiegenden oder lebensbedrohlichen Erkrankungen leidet, ergibt sich aus seinem Vorbringen. So gab er in der mündlichen Beschwerdeverhandlung am 15.01.2018 an, dass es ihm gut gehe.

 

Soweit der Beschwerdeführer Umstände vorbringt, wonach eine konkrete Gefährdung betreffend seine Person in Afghanistan bestünde, ist das Vorbringen aufgrund folgender Erwägungen nicht glaubhaft:

 

Schon das Bundesasylamt kam in seiner Beweiswürdigung zu dem richtigen Ergebnis, dass der Beschwerdeführer sein Vorbringen nur vage und widersprüchlich hat darlegen können, sodass ihm die Glaubwürdigkeit abgesprochen werden musste.

 

Zunächst hat der Beschwerdeführer bezüglich seiner persönlichen Daten divergierende Angaben gemacht. So machte der Beschwerdeführer bereits zu seinem Alter unrichtige Angaben. Während er bei der Einvernahme am 19.12.2014 angab am XXXX geboren worden zu sein, gab er in der Einvernahme vom 02.04.2015 zunächst an: "Ich habe bei der Erstbefragung angegeben, dass ich 15 Jahre alt bin." Nach diesen Angaben wäre der Beschwerdeführer im Jahre XXXX geboren worden. In der Einvernahme vom 02.04.2015 gab der Beschwerdeführer in weiterer Folge jedoch an, am XXXX geboren worden zu sein und verstrickte sich so in weitere Widersprüche. Im Rahmen der Beschwerdeverhandlung gab der Beschwerdeführer zunächst an, im Jahre XXXX geboren worden zu sein und auf Vorhalt der Widersprüche gab dieser als Geburtsjahr das Jahr XXXX an, verbesserte sich dann wiederum und nannte dann das Jahr XXXX . Auf Vorhalt des diesbezüglichen Widerspruches konnte der Beschwerdeführer keine schlüssig nachvollziehbare Erklärung geben. Dem Beschwerdevorbringen, wonach u.a. diese Widersprüche darauf zurückzuführen seien, dass der Beschwerdeführer ein Analphabet sei, ist entgegen zu halten, dass der Beschwerdeführer in der Beschwerdeverhandlung selbst angab, vier Jahre lang eine öffentliche Schule und fünf Jahre lang im Winter eine Koranschule besucht zu haben. Er könne Lesen und Schreiben und sei in Fächern wie Mathematik, Physik, Geografie, Geschichte usw. unterrichtet worden.

 

Seine in der Beschwerdeverhandlung getätigten Angaben betreffend seines Schulbesuches stehen in Widerspruch zu der Einvernahme am 19.12.2014, wonach der Beschwerdeführer keine Ausbildung habe und Analphabet sei sowie zu der Einvernahme vom 02.04.2015, in der der Beschwerdeführer auf die Frage: "Sie haben aber keine Schule besucht?" angab: "Damals war das nicht mehr möglich, weil die Taliban die Kinder bedrohten."

 

Während der Beschwerdeführer in der Einvernahme vom 02.04.2015 lediglich von einem Onkel sprach, der im Heimatdorf lebe, wohlhabend sei und seine Mutter unterstütze (vgl. "F: Wovon lebt Ihre Mutter?

A: Der Onkel mütterlicherseits hilft ihr. Sie lebt aber nicht bei ihm. Sie lebt in einem Haus, das gehört aber nicht meinem Onkel. Mein Onkel lebt auch in dem Dorf XXXX . Weitere Verwandte gibt es dort nicht. F: Woher hatte Ihre Mutter das Geld? A: Von dem Bruder mütterlicherseits. F: dann ist der Bruder aber sehr wohlhabend? A:

Ja."), gab dieser in der Beschwerdeverhandlung hingegen an, dass er drei Onkel habe, die in Australien leben und dass er diese nie persönlich gesehen habe. Auf Vorhalt des diesbezüglichen Widerspruches konnte der Beschwerdeführer keine schlüssig nachvollziehbare Erklärung geben.

 

Zum einen fällt bei näherer Betrachtung der Angaben des Beschwerdeführers zu seinen Fluchtgründen auf, dass er sein Vorbringen im Zuge seiner Befragungen steigerte. Zum anderen verwickelte er sich im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht in mehrere Widersprüche.

 

Während er bei der Erstbefragung lediglich davon sprach, dass sein Bruder von den Taliban umgebracht worden sei, gab er bei der Einvernahme vom 02.04.2015 vor dem Bundesamt zusätzlich an, dass er selbst mehrmals von den Taliban unter Androhung des Todes aufgefordert worden sei, eine Talibanschule zu besuchen. Es nicht schlüssig nachvollziehbar, dass der Beschwerdeführer dies nicht schon früher angegeben hat. In der Beschwerdeverhandlung steigerte der Beschwerdeführer sein Vorbringen weiter und gab an, dass er auf einem Art Bahnhof Informationen hätte weiterleiten sollen, wer wohin fahre. Durch Steigerung seines Vorbringens versucht der Beschwerdeführer offenbar einen allenfalls asylrelevanten Sachverhalt zu konstruieren, obwohl ein solcher in Wahrheit nicht stattgefunden hat.

 

Während der Beschwerdeführer bei der Einvernahme vom 02.04.2015 angab, dass zwei Tage nach dem Tod des Bruders die Bedrohungen durch die Hazaras, die Spione gewesen seien, angefangen hätten und er von diesen Personen viermal angesprochen worden sei und zwar einmal zu Hause, zweimal in der Moschee und einmal auf dem Bazar (vgl. "A:

Einmal haben Sie persönlich meine Mutter besucht. Ich wurde dann immer wieder von diesen Hazaren, den Spionen nach dem Tod meines Bruders. Das war viermal. Als ich auf den Basar, in die Moschee gegangen bin. F: Wo waren die viermal? A: Einmal bei mir zu Hause haben Sie das zu meine Mutter gesagt, das war am Abend ich war zu Hause. Zweimal in der Moschee und einmal auf dem Basar. F: In welchem Abstand war das? A: Das Ganze ist in einer Woche passiert. Nach dem Tod meines Bruders nach zwei Tagen haben die Bedrohungen begonnen.

 

F: Wie wurde Ihnen gedroht? A: Ich wurde angesprochen. Sie haben gesagt, wenn ich nicht

 

in die Schule gehen würde, dann würde ich getötet."), gab der Beschwerdeführer in der Beschwerdeverhandlung hingegen an, dass die Drohungen erst ein,- bis zwei Wochen nach dem Tod des Bruders angefangen hätten, er immer von ein und derselben Person bedroht worden sei und zwar einmal in der Moschee, ein,- oder zweimal auf dem Bazar und einmal zu Hause. Der Beschwerdeführer war auch nicht in der Lage widerspruchsfrei anzugeben in welchen Abständen er bedroht worden ist. Vor dem Bundesamt gab der Beschwerdeführer an, dass diese Bedrohungen innerhalb einer Woche passiert seien, hingegen in der Beschwerdeverhandlung gab dieser an, dass dieser Mann ihn innerhalb von zehn oder fünfzehn Tagen einige Male angesprochen hätte. Auf Vorhalt der diesbezüglichen Widersprüche konnte der Beschwerdeführer keine schlüssig nachvollziehbare Erklärung geben, sondern gab lediglich an, dass ihm in der Einvernahme vor dem BFA am 02.04.2015 nicht die Möglichkeit gegeben worden sei, ausführlich zu sprechen, der Referent habe gemeint, dass er die Fragen nur mit Ja oder Nein beantworten soll. Diese Erklärung des Beschwerdeführers steht in Widerspruch zu seinen eigenen Angaben in der Einvernahme vor dem Bundesamt, die von 12.00 Uhr bis 15.30 Uhr gedauert hat und in der er die Frage, ob er sonst noch etwas vorzubringen bzw. Fragen habe, verneinte, er weiters angab, dass er alles verstanden habe sowie nach Rückübersetzung der Verhandlungsschrift ausführte, dass alles korrekt protokolliert worden sei. Auch wenn seit den angeblich fluchtauslösenden Ereignissen mittlerweile mehrere Jahre vergangen sind, wäre zu erwarten gewesen, dass sich der Beschwerdeführer als eine volljährige Person, die über eine mehrjährige Schulbildung verfügt, an solch einprägsame Erlebnisse gleichbleibend schildern kann. Da der Beschwerdeführer dazu nicht in der Lage war, wird damit der bereits gewonnene Eindruck, dass die geschilderten Geschehnisse nicht den Tatsachen entsprechen, untermauert.

 

Das erkennende Gericht geht aufgrund der Widersprüche und Ungereimtheiten im Vorbringen des Beschwerdeführers und des in der Beschwerdeverhandlung vom Beschwerdeführer gewonnenen persönlichen Eindrucks von der Unglaubwürdigkeit der Angaben des Beschwerdeführers zum Fluchtgrund davon aus, dass die angeblichen fluchtauslösenden Ereignisse nicht stattgefunden haben und die behaupteten Bedrohungen für den Beschwerdeführer in Afghanistan nicht bestehen.

 

Insofern vorgebracht wird, dass der Beschwerdeführer aufgrund der Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Hazara im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan Gruppenverfolgung drohen würde, ist auf die rechtliche Beurteilung zu verweisen. Die Länderfeststellungen gründen auf den jeweils angeführten Länderberichten angesehener staatlicher und nichtstaatlicher Einrichtungen. Angesichts der Seriosität der Quellen und der Plausibilität ihrer Aussagen besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln, sodass sie den Feststellungen zur Situation in Afghanistan zugrunde gelegt werden konnten. Der Beschwerdeführer ist den Länderberichten inhaltlich nicht ausreichend entgegen getreten.

 

3. Rechtliche Beurteilung:

 

Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:

 

Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 idgF, entscheidet über Beschwerden gegen Entscheidungen (Bescheide) des BFA das Bundesverwaltungsgericht.

 

Gemäß § 75 Abs. 17 AsylG 2005 sind alle mit Ablauf des 31.12.2013 beim Bundesasylamt anhängigen Verfahren ab 01.01.2014 vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) zu Ende zu führen.

 

Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

 

Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.

 

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr 33/2013 idgF, geregelt. Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

 

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung (BAO), BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes (AgrVG), BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 (DVG), BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

 

Zu A)

 

Zu Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides:

 

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 AsylG 2005 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, idF des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974 (Genfer Flüchtlingskonvention – GFK), droht.

 

Als Flüchtling im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK ist anzusehen, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

 

Zentrales Element des Flüchtlingsbegriffes ist nach ständiger Rechtsprechung des VwGH die "wohlbegründete Furcht vor Verfolgung" (vgl. VwGH 22.12.1999, Zl. 99/01/0334; 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131; 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011). Eine solche liegt dann vor, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde (VwGH 09.03.1999, Zl. 98/01/0370; 21.09.2000, Zl. 2000/20/0286).

 

Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende Sphäre des Einzelnen zu verstehen, welcher geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen (VwGH 24.11.1999, Zl. 99/01/0280). Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 19.12.1995, Zl. 94/20/0858; 23.09.1998, Zl. 98/01/0224; 09.03.1999, Zl. 98/01/0318;

09.03.1999, Zl. 98/01/0370; 06.10.1999, Zl. 99/01/0279 mwN;

19.10.2000, Zl. 98/20/0233; 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131;

25.01.2001, Zl. 2001/20/0011).

 

Die Verfolgungsgefahr muss aktuell sein, was bedeutet, dass sie zum Zeitpunkt der Entscheidung vorliegen muss (VwGH 09.03.1999, Zl. 98/01/0318; 19.10.2000, Zl. 98/20/0233). Bereits gesetzte vergangene Verfolgungshandlungen können im Beweisverfahren ein wesentliches Indiz für eine bestehende Verfolgungsgefahr darstellen, wobei hierfür dem Wesen nach eine Prognose zu erstellen ist (VwGH 05.11.1992, Zl. 92/01/0792; 09.03.1999, Zl. 98/01/0318). Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der GFK genannten Gründen haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 nennt, und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatstaates bzw. des Staates ihres vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein, wobei Zurechenbarkeit nicht nur ein Verursachen bedeutet, sondern eine Verantwortlichkeit in Bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr bezeichnet (VwGH 16.06.1994, Zl. 94/19/0183).

 

Von einer mangelnden Schutzfähigkeit des Staates kann nicht bereits dann gesprochen werden, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe seitens Dritter präventiv zu schützen. Es ist erforderlich, dass der Schutz generell infolge Fehlens einer nicht funktionierenden Staatsgewalt nicht gewährleistet wird (vgl. VwGH 01.06.1994, Zl. 94/18/0263; 01.02.1995, Zl. 94/18/0731). Die mangelnde Schutzfähigkeit hat jedoch nicht zur Voraussetzung, dass überhaupt keine Staatsgewalt besteht – diesfalls wäre fraglich, ob von der Existenz eines Staates gesprochen werden kann –, die ihren Bürgern Schutz bietet. Es kommt vielmehr darauf an, ob in dem relevanten Bereich des Schutzes der Staatsangehörigen vor Übergriffen durch Dritte aus den in der GFK genannten Gründen eine ausreichende Machtausübung durch den Staat möglich ist. Mithin kann eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewendet werden kann (VwGH 22.03.2000, Zl. 99/01/0256).

 

Die Voraussetzungen der GFK sind nur bei jenem Flüchtling gegeben, der im gesamten Staatsgebiet seines Heimatlandes keinen ausreichenden Schutz vor der konkreten Verfolgung findet (VwGH 08.10.1980, VwSlg. 10.255 A). Steht dem Asylwerber die Einreise in Landesteile seines Heimatstaates offen, in denen er frei von Furcht leben kann, und ist ihm dies zumutbar, so bedarf er des asylrechtlichen Schutzes nicht; in diesem Fall liegt eine sog. "inländische Fluchtalternative" vor. Der Begriff "inländische Fluchtalternative" trägt dem Umstand Rechnung, dass sich die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung iSd. Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK, wenn sie die Flüchtlingseigenschaft begründen soll, auf das gesamte Staatsgebiet des Heimatstaates des Asylwerbers beziehen muss (VwGH 08.09.1999, Zl. 98/01/0503 und Zl. 98/01/0648).

 

Grundlegende politische Veränderungen in dem Staat, aus dem der Asylwerber aus wohlbegründeter Furcht vor asylrelevanter Verfolgung geflüchtet zu sein behauptet, können die Annahme begründen, dass der Anlass für die Furcht vor Verfolgung nicht (mehr) länger bestehe. Allerdings reicht eine bloße – möglicherweise vorübergehende – Veränderung der Umstände, die für die Furcht des betreffenden Flüchtlings vor Verfolgung mitbestimmend waren, jedoch keine wesentliche Veränderung der Umstände iSd. Art. 1 Abschnitt C Z 5 GFK mit sich brachten, nicht aus, um diese zum Tragen zu bringen (VwGH 21.01.1999, Zl. 98/20/0399; 03.05.2000, Zl. 99/01/0359).

 

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann die Gefahr der Verfolgung im Sinn des § 3 Abs. 1 AsylG 2005 iVm Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) nicht nur ausschließlich aus individuell gegenüber dem Einzelnen gesetzten Verfolgungshandlungen abgeleitet werden, sondern sie kann auch darin begründet sein, dass regelmäßig Maßnahmen zielgerichtet gegen Dritte gesetzt werden, und zwar wegen einer Eigenschaft, die der Betreffende mit diesen Personen teilt, sodass die begründete Annahme besteht, (auch) er könnte unabhängig von individuellen Momenten solchen Maßnahmen ausgesetzt sein. Droht den Angehörigen bestimmter Personengruppen eine über die allgemeinen Gefahren eines Bürgerkriegs hinausgehende "Gruppenverfolgung", hat bei einer solchen, gegen eine ganze Personengruppe gerichteten Verfolgung jedes einzelne Mitglied schon wegen seiner Zugehörigkeit zu dieser Gruppe Grund, auch individuell gegen seine Person gerichtete Verfolgung zu befürchten; diesfalls genügt für die geforderte Individualisierung einer Verfolgungsgefahr die Glaubhaftmachung der Zugehörigkeit zu dieser Gruppe (vgl. VwGH 23.02.2017, Ra 2016/20/0089).

 

Umstände, die individuell und konkret den Beschwerdeführer betreffen und auf eine konkrete Verfolgung des Beschwerdeführers hindeuten könnten, konnten mangels Glaubhaftigkeit des Fluchtvorbringens nicht festgestellt werden.

 

Das Verlassen des Herkunftsstaates aus persönlichen Gründen oder wegen der dort vorherrschenden prekären Lebensbedingungen stellt keine relevante Verfolgung im Sinne der GFK dar. Auch Nachteile, die auf die in einem Staat allgemein vorherrschenden politischen, wirtschaftlichen und sozialen Lebensbedingungen zurückzuführen sind, stellen keine Verfolgung im Sinne der GFK dar. Eine allgemeine desolate wirtschaftliche und soziale Situation stellt nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes keinen hinreichenden Grund für eine Asylgewährung dar (vgl. etwa VwGH vom 14.3.1995, 94/20/0798; 17.6.1993, 92/01/1081). Wirtschaftliche Benachteiligungen können nur dann asylrelevant sein, wenn sie jegliche Existenzgrundlage entziehen (vgl. etwa VwGH 9.5.1996, 95/20/0161; 30.4.1997, 95/01/0529, 8.9.1999, 98/01/0614). Aber selbst für den Fall des Entzugs der Existenzgrundlage ist eine Asylrelevanz nur dann anzunehmen, wenn dieser Entzug mit einem in der GFK genannten Anknüpfungspunkt - nämlich der Rasse, der Religion, der Nationalität, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung - zusammenhängt, wofür es im vorliegenden Fall keine Anhaltspunkte gibt. Dies gilt gleichermaßen für die vom Beschwerdeführer angedeuteten Gefahren, die sich aus der allgemeinen Sicherheitslage in Afghanistan ergeben. Dafür, dass der Beschwerdeführer aus einem asylrelevanten Grund von der allgemeinen Lage besonders betroffen wäre, lässt sich kein Anhaltspunkt erkennen. Allein aus den Feststellungen zur allgemeinen Lage in Afghanistan kann daher nicht darauf geschlossen werden, dass gleichsam jede dort aufhältige Person, oder jene, die nach Afghanistan zurückkehrt, dort in asylrechtlich relevanter Weise Verfolgung zu gewärtigen hätte.

 

Insofern der Beschwerdeführer geltend macht, wegen seiner Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Hazara im Falle seiner Rückkehr einer "Gruppenverfolgung" ausgesetzt zu sein, ist festzuhalten, dass sich für die während der Taliban-Herrschaft besonders verfolgten Hazara – wie aus den zugrunde gelegten Länderfeststellungen ersichtlich – die Situation in der Zwischenzeit deutlich verbessert hat, wenngleich die gesellschaftlichen Spannungen fortbestehen und in lokal unterschiedlicher Intensität gelegentlich wieder aufleben. Angesichts der mittlerweile umfangreichen Verankerung der Hazara in den politischen und militärischen Machtstrukturen des Staates und der Effektivität der Hazara, ihre Siedlungsgebiete militärisch gegen regierungsfeindliche Gruppierungen zu behaupten, kann eine Gruppenverfolgung, die sich gegen die Hazara richten würde, in Afghanistan und auch in der Heimatprovinz des Beschwerdeführers nicht erkannt werden, zumal in Ghazni bedeutende Distrikte und auch Teile von XXXX von den Kommandanten der Hezb-e Wahdat kontrolliert und verwaltet werden. Eine asylrelevante Verfolgung allein aufgrund der Zugehörigkeit des Beschwerdeführers zur Ethnie der Hazara scheidet daher angesichts der gegenwärtigen Berichtslage nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. etwa W220 2128475-1 vom 24.01.2017, W266 2150781-1 vom 27.03.2017, W123 2141505-1 vom 09.05.2017, W134 2131968-1 vom 27.06.2017) aus. Auch in einem rezenten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 23.02.2017, Ra 2016/20/0089, trat dieser der rechtlichen Beurteilung des Bundesverwaltungsgerichts nicht entgegen, wonach nicht jeder der Volksgruppe der Hazara Zugehörige mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit von asylrelevanter Verfolgung bedroht wäre. Schließlich ging auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in seiner Entscheidung vom 12.07.2016, 29094/09, A.M./Niederlande, davon aus, dass weder die Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Hazara noch die allgemeine Sicherheitslage in Afghanistan als solche zu einem derart hohen Risiko führen würde, dass bei einer Rückkehr automatisch die Gefahr einer Verletzung von Art. 3 EMRK bestehe.

 

Aus diesen Gründen ist das Vorliegen einer Gruppenverfolgung im Hinblick auf Angehörige der Volksgruppe der Hazara in Afghanistan im Ergebnis zu verneinen.

 

Da der Beschwerdeführer sohin keine asylrelevante Verfolgung glaubhaft gemacht hat und nicht von einer Gruppenverfolgung der Hazara auszugehen ist, liegen die in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK geforderten Voraussetzungen nicht vor. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides war daher gemäß § 3 Abs. 1 AsylG als unbegründet abzuweisen.

 

Zu Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides:

 

Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG ist der Status des subsidiär Schutzberechtigten einem Fremden zuzuerkennen, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird, oder dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

 

Gemäß der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes erfordert die Beurteilung des Vorliegens eines tatsächlichen Risikos eine ganzheitliche Bewertung der Gefahr an dem für die Zulässigkeit aufenthaltsbeendender Maßnahmen unter dem Gesichtspunkt des Art. 3 EMRK auch sonst gültigen Maßstab des "real risk", wobei sich die Gefahrenprognose auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen hat (vgl. VwGH 22.02.2017, Ra 2016/19/0238). Dabei kann bei der Prüfung von außerhalb staatlicher Verantwortlichkeit liegenden Gegebenheiten nur dann in der Außerlandesschaffung des Antragsstellers eine Verletzung des Art. 3 EMRK liegen, wenn außergewöhnliche, exzeptionelle Umstände, glaubhaft gemacht sind (vgl. EGMR, Urteil vom 06.02.2001, Beschwerde Nr. 44599/98, Bensaid v United Kingdom; VwGH 21.08.2001, Zl. 2000/01/0443).

 

Die Außerlandesbeschaffung eines Fremden in den Herkunftsstaat kann auch dann eine Verletzung von Art. 3 EMRK bedeuten, wenn der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet, also die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz (bezogen auf den Einzelfall) nicht gedeckt werden können. Eine solche Situation ist nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen. Die bloße Möglichkeit einer durch die Lebensumstände bedingten Verletzung des Art. 3 EMRK ist nicht ausreichend. Vielmehr ist es zur Begründung einer drohenden Verletzung von Art. 3 EMRK notwendig, detailliert und konkret darzulegen, warum solche exzeptionellen Umstände vorliegen (vgl. VwGH 08.09.2016, Ra 2016/20/0063).

 

Im Fall des Beschwerdeführers ergeben sich aus den Feststellungen zu seiner persönlichen Situation vor dem Hintergrund der spezifischen Länderfeststellungen keine konkreten Anhaltspunkte für das Vorliegen eines Hindernisses der Rückverbringung in seinen Herkunftsstaat Afghanistan.

 

Das einer "inländischen Fluchtalternative" innewohnende Zumutbarkeitskalkül setzt voraus, dass ein Asylwerber im in Frage kommenden Gebiet nicht in eine ausweglose Lage gerät, zumal auch wirtschaftliche Benachteiligungen dann asylrelevant sein können, wenn sie jede Existenzgrundlage entziehen (vgl. VwGH 29.03.2001, 2000/20/0539). Der Verwaltungsgerichtshof verlangt in seiner Judikatur eine konkrete Auseinandersetzung mit den den Asylwerber konkret und individuell betreffenden Umständen, die er bei Annahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative zu gewärtigen hätte (VwGH 23.02.2016, Ra 2015/20/0233). Die Annahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative erfordert im Hinblick auf das ihr u.a. innewohnende Zumutbarkeitskalkül insbesondere nähere Feststellungen über die zu erwartende konkrete Lage des Asylwerbers in dem in Frage kommenden Gebiet sowie dessen sichere und legale Erreichbarkeit (vgl. VwGH 08.08.2017, Ra 2017/19/0118).

 

Nach der rezenten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, der auf die jüngst ergangenen Urteile des EGMR (vgl. die Urteile des EGMR jeweils vom 12. Jänner 2016, jeweils gegen Niederlande: S. D. M., Nr. 8161/07; A. G. R., Nr. 13 442/08; A. W. Q. und D. H., Nr. 25 077/06; S. S., Nr. 39 575/06; M. R. A. u. a., Nr. 46 856/07) verweist, ist die allgemeine Situation in Afghanistan nicht so gelagert, dass die Ausweisung dorthin automatisch gegen Art. 3 EMRK verstoßen würde (vgl. VwGH 13.09.2016, Ra 2016/01/0096). Vielmehr obliegt es grundsätzlich der abschiebungsgefährdeten Person, mit geeigneten Beweisen gewichtige Gründe für die Annahme eines Risikos nachzuweisen, dass ihr im Falle der Durchführung einer Rückführungsmaßnahme eine dem Art. 3 EMRK widersprechende Behandlung drohen würde. Dafür reicht es jedoch nicht aus, sich bloß auf eine allgemeine schlechte Sicherheits- und Versorgungslage in Afghanistan zu berufen (vgl. VwGH 25.04.2017, Ra 2017/01/0016).

 

Da für die zur Prüfung der Notwendigkeit subsidiären Schutzes erforderliche Gefahrenprognose auf den tatsächlichen Zielort bei einer Rückkehr abzustellen ist (vgl. VfGH 06.06.2014, U2102/2013), ist zu prüfen, ob dem Beschwerdeführer eine Rückkehr in seine Herkunftsregion zugemutet werden kann:

 

Aus den herangezogenen herkunftsstaatsbezogenen Erkenntnisquellen ergibt sich zunächst, dass die aktuelle Situation in Afghanistan unverändert weder sicher noch stabil ist, doch variiert dabei die Sicherheitslage regional von Provinz zu Provinz und innerhalb der Provinzen von Distrikt zu Distrikt.

 

In diesem Zusammenhang ist auszuführen, dass sich aus den zugrunde gelegten Länderfeststellungen für das Bundesverwaltungsgericht ergibt, dass aufgrund der in der Provinz Ghazni auftretenden Sicherheitsprobleme eine allfällige Rückführung des Beschwerdeführers in diese Region – abgesehen von der Frage der sicheren Erreichbarkeit – für den Beschwerdeführer mit einer ernstzunehmenden Gefahr für Leib und Leben verbunden sein könnte, weshalb ihm eine Rückkehr in seine Herkunftsprovinz nicht zugemutet werden kann.

 

Zu prüfen bleibt, ob der Beschwerdeführer aufgrund der dortigen allgemeinen Gegebenheiten und seiner persönlichen Umstände auf eine andere Region des Landes – nämlich die Hauptstadt Kabul – verwiesen werden kann:

 

Der Beschwerdeführer hat zwar ein Vorbringen in Bezug auf die allgemeine Sicherheits- und Versorgungslage in Kabul erbracht, es ist ihm jedoch nicht gelungen, den mit Blick auf die einschlägige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes erforderlichen Nachweis hinsichtlich des Vorliegens von in seiner Person gelegenen, konkreten exzeptionellen Umständen im Hinblick auf eine drohende Verletzung von Art. 3 EMRK durch seine Rückführung in seinen Herkunftsstaat und Ansiedlung in Kabul zu erbringen.

 

Zur Sicherheitslage in der über den Flughafen gut erreichbaren Stadt Kabul geht aus den Länderfeststellungen hervor, dass die afghanische Regierung weiterhin die Kontrolle über Kabul behält. Im Vergleich zu anderen Provinzen Afghanistans ist die Anzahl sicherheitsrelevanter Vorfälle im unteren Bereich (vgl. dazu jene Provinzen, mit einer deutlich höheren Anzahl an sicherheitsrelevanten Vorfällen:

Nangarhar (1901), Kandahar (1880), Helmand (1828), Kunar (1470) und Ghazni (1292)) einzuordnen. Die schwierige Sicherheitssituation in Kabul ist vor allem auf vereinzelte Anschläge zurückzuführen, die sich jedoch hauptsächlich im Nahebereich von staatlichen Einrichtungen (etwa Regierungs- und Polizeigebäuden) oder von NGO-Gebäuden ereignen. Diese Gefährdungsquellen sind jedoch in reinen Wohngebieten nicht anzunehmen, weshalb die Lage in der Stadt Kabul als ausreichend sicher zu bewerten ist.

 

Auch im Hinblick auf die individuellen Lebensumstände des Beschwerdeführers ist diesem eine Ansiedlung in Kabul möglich und zumutbar.

 

Der 21-jährige Beschwerdeführer ist ein gesunder, arbeits- sowie anpassungsfähiger Mann im erwerbsfähigen Alter. Er verfügt über eine mehrjährige Schulbildung und konnte bereits als Minderjähriger im Iran durch seine Tätigkeit auf Baustellen sowie in Firmen seine Existenz und den Lebensunterhalt sichern. Die Grundversorgung der afghanischen Bevölkerung ist zumindest grundlegend gesichert. Zudem gehört der Beschwerdeführer – auch bereits aufgrund seiner Volljährigkeit - keinem Personenkreis an, von dem anzunehmen ist, dass er sich in Bezug auf die individuelle Versorgungslage qualifiziert schutzbedürftiger darstellt als die übrige Bevölkerung, die ebenfalls für ihre Existenzsicherung aufkommen kann. Er ist mit den kulturellen Gepflogenheiten seines Herkunftsstaates vertraut. In Kabul hat der Beschwerdeführer zwar bisher noch nicht gelebt und er verfügt dort auch nicht über familiäre Anknüpfungspunkte, jedoch sind keine Gründe ersichtlich, warum er sich nicht als gesunder Mann in erwerbsfähigem Alter in Kabul durch eigene Erwerbstätigkeit in Form von Hilfs- und Gelegenheitsarbeiten eine Existenzgrundlage sichern könnte. So hat auch der Verwaltungsgerichtshof festgehalten, dass die einem jungen und gesunden Mann, der über eine Schulbildung und Berufserfahrung verfügt, allfällige drohende (anfängliche) Konfrontation mit wirtschaftlichen Schwierigkeiten in Kabul letztlich nicht die Beurteilung zulassen, dass ihm eine Neuansiedlung in Kabul nicht zugemutet werden könne (vgl. VwGH 08.08.2017, Ra 2017/19/0118). Auch wenn sich die Lage für Rückkehrer ohne familiären Rückhalt direkt in Kabul hinsichtlich der Versorgungslage, Arbeitsplatz- und Wohnraumsuche als schwierig erweist, kann der Beschwerdeführer durch die Inanspruchnahme von Rückkehrhilfe zumindest übergangsweise in Kabul das Auslangen finden. Zudem ist im Falle einer Rückkehr davon auszugehen, dass die Familie des Beschwerdeführers, insbesondere seine Mutter sowie sein Onkel, ihm Unterstützung durch Übermittlung von Sachleistungen oder Geldüberweisungen zukommen lassen könnten. Der Beschwerdeführer stammt aus einem Kulturkreis, in dem auf den familiären Zusammenhalt und die gegenseitige Unterstützung im Familienkreis großer Wert gelegt wird. Es ist nicht ersichtlich, weshalb eine räumliche Trennung die Angehörigen des Beschwerdeführers außer Stande setzen sollte, ihn finanziell zu unterstützen. Hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang auch, dass sich der Beschwerdeführer bereits im Iran seinen Lebensunterhalt ohne familiäre Unterstützung eigenständig verdiente. Deshalb ist auch nicht zu befürchten, dass er bereits unmittelbar nach seiner Rückkehr in eine existenzbedrohende bzw. wirtschaftlich ausweglose Lage geraten könnte.

 

In Zusammenschau ergibt sich, dass für den Beschwerdeführer die Möglichkeit einer den durchschnittlichen afghanischen Verhältnissen entsprechenden einfachen Lebensführung realistisch ist und keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass er bei einer Rückkehr nach Afghanistan einem realen Risiko einer unmenschlichen Behandlung ausgesetzt wäre oder in eine ausweglose Lage geraten würde. Nach menschlichem Ermessen ist daher davon auszugehen, dass es dem Beschwerdeführer möglich und zumutbar wäre, sich unter Anspannung seiner Kräfte in Kabul niederzulassen und dort seine Existenz zu erwirtschaften. Sohin sind die Voraussetzungen für das Vorliegen einer innerstaatlichen Fluchtalternative gegeben, weshalb die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht in Betracht kommt und die Rückverbringung des Beschwerdeführers nach Afghanistan nicht im Widerspruch zu § 8 Abs. 1 AsylG 2005 steht.

 

Die Prüfung der maßgeblichen Kriterien führt daher unter Zugrundelegung der oben angeführten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes im konkreten Fall zu dem Ergebnis, dass dem Beschwerdeführer eine Rückkehr in die Stadt Kabul jedenfalls möglich und auch zumutbar ist.

 

Dem in der Stellungnahme vom 15.01.2018 angeführten Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 22.09.2017 (E 240/2017-21), wonach die Abschiebung nach Kabul für Afghanen, die nie in Kabul gewesen sind, nicht möglich ist, ist das jüngere Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 12.12.2017 (E 2068/2017-17) entgegenzuhalten.

 

Zu Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides:

 

Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt wird sowie kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 AsylG 2005 vorliegt.

 

Gemäß § 57 Abs. 1 AsylG 2005 ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zu erteilen:

 

1. wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Abs. 1a FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht,

 

2. zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder

 

3. wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.

 

Der Beschwerdeführer befindet sich seit Dezember 2014 im Bundesgebiet und sein Aufenthalt ist nicht geduldet. Er ist nicht Zeuge oder Opfer von strafbaren Handlungen und auch kein Opfer von Gewalt. Die Voraussetzungen für die amtswegige Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 liegen daher nicht vor, wobei dies weder im Verfahren noch in der Beschwerde auch nur behauptet wurde.

 

Im vorliegenden Verfahren erfolgte die Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz im Hinblick auf den Status des subsidiär Schutzberechtigten auch nicht gemäß § 8 Abs. 3a AsylG 2005 und ist auch keine Aberkennung gemäß § 9 Abs. 2 AsylG 2005 ergangen, wie aus dem Verfahrensgang ersichtlich ist.

 

Gemäß § 52 Abs. 2 FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen unter einem (§ 10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird, und kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 AsylG 2005 vorliegt und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.

 

Der Beschwerdeführer ist als Staatsangehöriger von Afghanistan kein begünstigter Drittstaatsangehöriger und es kommt ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zu, da mit der erfolgten Abweisung seines Antrags auf internationalen Schutz das Aufenthaltsrecht nach § 13 AsylG 2005 mit der Erlassung dieser Entscheidung endet.

 

§ 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG lautet:

 

(1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

 

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

 

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

 

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

 

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

 

4. der Grad der Integration,

 

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

 

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

 

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

 

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

 

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

 

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.

 

Der Begriff des "Familienlebens" in Art. 8 EMRK umfasst nicht nur die Kleinfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern und Ehegatten, sondern auch entferntere verwandtschaftliche Beziehungen, sofern diese Beziehungen eine gewisse Intensität aufweisen, etwa ein gemeinsamer Haushalt vorliegt (vgl. dazu EKMR 19.07.1968, 3110/67, Yb 11, 494 (518); EKMR 28.02.1979, 7912/77, EuGRZ 1981/118; Frowein - Peukert, Europäische Menschenrechtskonvention, EMRK-Kommentar, 2. Auflage (1996) Rz 16 zu Art. 8; Baumgartner, Welche Formen des Zusammenlebens schützt die Verfassung? ÖJZ 1998, 761; vgl. auch Rosenmayer, Aufenthaltsverbot, Schubhaft und Abschiebung, ZfV 1988, 1). In der bisherigen Spruchpraxis der Straßburger Instanzen wurden als unter dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK zu schützende Beziehungen bereits solche zwischen Enkel und Großeltern (EGMR 13.06.1979, Marckx, EuGRZ 1979, 458; s. auch EKMR 07.12.1981, B 9071/80, X-Schweiz, EuGRZ 1983, 19), zwischen Geschwistern (EKMR 14.03.1980, B 8986/80, EuGRZ 1982, 311) und zwischen Onkel bzw. Tante und Neffen bzw. Nichten (EKMR 19.07.1968, 3110/67, Yb 11, 494 (518); EKMR 28.02.1979, 7912/77, EuGRZ 1981/118; EKMR 05.07.1979, B 8353/78, EuGRZ 1981, 120) anerkannt, sofern eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt (vgl. Baumgartner, ÖJZ 1998, 761; Rosenmayer, ZfV 1988, 1). Das Kriterium einer gewissen Beziehungsintensität wurde von der Kommission auch für die Beziehung zwischen Eltern und erwachsenen Kindern gefordert (EKMR 06.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215).

 

Nach ständiger Rechtsprechung der Gerichtshöfe öffentlichen Rechts kommt dem öffentlichen Interesse aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung iSd Art. 8 Abs. 2 EMRK ein hoher Stellenwert zu. Der Verfassungsgerichtshof und der Verwaltungsgerichtshof haben in ihrer Judikatur ein öffentliches Interesse in dem Sinne bejaht, als eine über die Dauer des Asylverfahrens hinausgehende Aufenthaltsverfestigung von Personen, die sich bisher bloß auf Grund ihrer Asylantragsstellung im Inland aufhalten durften, verhindert werden soll (VfSlg. 17.516 und VwGH 26.06.2007, Zl. 2007/01/0479).

 

Der Beschwerdeführer hat keine Verwandten oder sonstige nahen Angehörigen in Österreich. Die Rückkehrentscheidung stellt daher keinen unzulässigen Eingriff in das Recht des Beschwerdeführers auf Schutz des Familienlebens dar.

 

Im Falle einer bloß auf die Stellung eines Asylantrags gestützten Aufenthalts wurde in der Entscheidung des EGMR (N. gegen United Kingdom vom 27.05.2008, Nr. 26565/05) auch ein Aufenthalt in der Dauer von zehn Jahren nicht als allfälliger Hinderungsgrund gegen eine Ausweisung unter dem Aspekt einer Verletzung von Art. 8 EMRK thematisiert.

 

In seiner davor erfolgten Entscheidung Nnyanzi gegen United Kingdom vom 08.04.2008 (Nr. 21878/06) kommt der EGMR zu dem Ergebnis, dass bei der vorzunehmenden Interessensabwägung zwischen dem Privatleben des Asylwerbers und dem staatlichen Interesse eine unterschiedliche Behandlung von Asylwerbern, denen der Aufenthalt bloß aufgrund ihres Status als Asylwerber zukommt, und Personen mit rechtmäßigem Aufenthalt gerechtfertigt sei, da der Aufenthalt eines Asylwerbers auch während eines jahrelangen Asylverfahrens nie sicher ist. So spricht der EGMR in dieser Entscheidung ausdrücklich davon, dass ein Asylweber nicht das garantierte Recht hat, in ein Land einzureisen und sich dort niederzulassen. Eine Abschiebung ist daher immer dann gerechtfertigt, wenn diese im Einklang mit dem Gesetz steht und auf einem in Art. 8 Abs. 2 EMRK angeführten Grund beruht. Insbesondere ist nach Ansicht des EGMR das öffentliche Interesse jedes Staates an einer effektiven Einwanderungskontrolle jedenfalls höher als das Privatleben eines Asylwerbers; auch dann, wenn der Asylwerber im Aufnahmestaat ein Studium betreibt, sozial integriert ist und schon 10 Jahre im Aufnahmestaat lebte.

 

Der Beschwerdeführer befindet sich seit Dezember 2014 im Bundesgebiet. Zu diesem Aufenthaltszeitraum hat der Verwaltungsgerichtshof bereits zum Ausdruck gebracht, dass einer Aufenthaltsdauer von weniger als fünf Jahren für sich betrachtet noch keine maßgebliche Bedeutung für die durchzuführende Interessenabwägung zukommt (vgl. VwGH 30.07.2015, Ra 2014/22/0055). Daher kann die hier vorliegende Aufenthaltsdauer von ca. 3 Jahren für sich genommen keine maßgebliche Verstärkung der persönlichen Interessen des Beschwerdeführers an einer Titelerteilung bewirken. Dieser Aufenthalt wird zudem dadurch relativiert, dass er bloß aufgrund der vorläufigen Aufenthaltsberechtigung als Asylwerber rechtmäßig war, was dem Beschwerdeführer bewusst gewesen sein musste.

 

Was das Privatleben des Beschwerdeführers in Österreich betrifft, so hat er als außerordentlicher Schüler eine Neue Mittelschule für ein Jahr sowie Deutschkurse besucht, jedoch diesbezüglich keine Prüfungen abgelegt und einige Freunde in Österreich gefunden. Er besuchte drei Monate das Projekt Talent Scout im Integra-Projekt. Weitere integrative Merkmale sind beim Beschwerdeführer nicht hervorgekommen. Er geht keiner Erwerbstätigkeit nach, hätte aber eine Lehrstelle in Aussicht.

 

Im Hinblick auf die Zeitspanne, er hält sich seit Dezember 2014 im Bundesgebiet auf, kann eine von Art. 8 EMRK geschützte "Aufenthaltsverfestigung" nicht angenommen werden (vgl. etwa VwGH 26.06.2007, Zl. 2007/01/0479, wonach ein dreijähriger Aufenthalt "jedenfalls" nicht ausreichte, um daraus eine rechtlich relevante Bindung zum Aufenthaltsstaat abzuleiten; VwGH 20.12.2007, Zl. 2007/21/0437, VwGH 25.02.2010, Zl. 2010/18/0026; VwGH 30.04.2009, Zl. 2009/21/0086; VwGH 08.07.2009, Zkl. 2008/21/0533; VwGH 8.3.2005, 2004/18/0354).

 

Im Erkenntnis vom 12.06.2013, U485/2012, (VfSlg. 19752) befasste sich der Verfassungsgerichtshof mit einem Sachverhalt, in dem der Beschwerdeführer selbstständig illegal nach Österreich eingereist war, sich drei Jahre im Bundesgebiet aufgehalten hatte und nie über einen anderen als den Aufenthaltsstatus eines Asylwerbers verfügt hatte. Dazu erwog er:

 

"Die Dauer des vorliegenden Asylverfahrens übersteigt mit drei Jahren nicht das Maß dessen, was für ein rechtsstaatlich geordnetes, den verfassungsrechtlichen Vorgaben an Sachverhaltsermittlungen und Rechtschutzmöglichkeiten entsprechendes Asylverfahren angemessen ist. Es liegt somit jedenfalls kein Fall vor, in dem die vom Asylgerichtshof angesprochenen öffentlichen Interessen an der Einhaltung der einreise- und fremdenrechtlichen Vorschriften sowie der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung angesichts der langen Verfahrensdauer oder der langjährigen Duldung des Aufenthalts im Inland nicht mehr hinreichendes Gewicht haben, die Ausweisung als "in einer demokratischen Gesellschaft notwendig" erscheinen zu lassen (vgl. VfSlg 18.499/2008; EGMR 4.12.2012, Fall Butt, Appl. 47.017/09, Z85 f.).

 

Es ist dem Asylgerichtshof auch darin zuzustimmen, dass sich der Asylwerber bei allen Integrationsschritten seines unsicheren Aufenthaltsstatus und damit auch der Vorläufigkeit seiner Integrationsschritte bewusst sein musste. Daher ist dem Asylgerichtshof aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht entgegenzutreten, wenn er davon ausgeht, dass auch die im vorliegenden Fall unbestritten weitreichenden Integrationsschritte des Beschwerdeführers dennoch gegenüber den öffentlichen Interessen an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens zurücktreten müssen. Auch führen im vorliegenden Fall weder die Dauer des Asylverfahrens noch sonstige Umstände dazu, dass den in Österreich entstandenen Bindungen des Beschwerdeführers ein so weitgehender Verlust derjenigen zu seinem Herkunftsstaat gegenübersteht, dass die Ausweisung unverhältnismäßig ist (vgl. VfSlg 18.223/2007, 18.388/2008; EGMR, 31.1.2006, Fall Rodrigues da Silva ua., Appl. 50.435/99, newsletter 2006, 26 [Z40])."

 

Somit überwiegt bereits aufgrund der Zeitspanne von drei Jahren, die sich der Beschwerdeführer in Österreich aufhält, das öffentliche Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften, denen aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zukommt (vgl. VwGH 22.01.2013, Zl. 2011/18/0036; VwGH 10.05.2011, Zl. 2011/18/0100; VwGH 22.03.2011, Zl. 2007/18/0628; VwGH 26.11.2009, Zl. 2007/18/0305) das private Interesse des Beschwerdeführers am Weiterverbleib in Österreich.

 

Die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung nach § 55 AsylG 2005 liegen daher nicht vor.

 

Seine zu Österreich bestehenden Bindungen sind im Vergleich zu jenen seines Herkunftsstaates relativ schwach ausgeprägt. Der Beschwerdeführer verbrachte den überwiegenden und prägenden Teil seines Lebens in Afghanistan, wuchs dort auf. Er beherrscht eine Landessprache des Herkunftsstaates und ist trotz seines mehrjährigen Aufenthalts im Ausland noch hinreichend mit den Gegebenheiten in seinem Herkunftsstaat vertraut. Zudem hat er dort verwandtschaftliche Anknüpfungspunkte durch seine Mutter. Ein Vergleich der Lebensverhältnisse führt sohin zu einem Überwiegen der Bindungen zu Afghanistan, weshalb die verfügte Rückkehrentscheidung auch vor diesem Hintergrund keine unzumutbaren Härten aufweist.

 

Der Umstand, dass der Beschwerdeführer in Österreich nicht straffällig geworden ist, bewirkt keine Erhöhung des Gewichtes der Schutzwürdigkeit von persönlichen Interessen an einem Aufenthalt in Österreich, da das Fehlen ausreichender Unterhaltsmittel und die Begehung von Straftaten eigene Gründe für die Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen darstellen (VwGH 24.07.2002, Zl. 2002/18/0112).

 

Die Dauer des Verfahrens übersteigt auch nicht das Maß dessen, was für ein rechtsstaatlich geordnetes, den verfassungsrechtlichen Vorgaben an Sachverhaltsermittlungen und Rechtschutzmöglichkeiten entsprechendes Asylverfahren angemessen ist, sodass im vorliegenden Fall nicht davon auszugehen ist, dass allein schon die lange Dauer des Asylverfahrens einen wichtigen, im Rahmen der Interessenabwägung nach Art. 8 Abs. 2 EMRK zu berücksichtigenden Gesichtspunkt darstellt (vgl. VfGH 12.06.2013, U485/2012).

 

Daher ist davon auszugehen, dass die Interessen des Beschwerdeführers an einem Verbleib im Bundesgebiet nur geringes Gewicht haben und gegenüber dem öffentlichen Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Bestimmungen aus der Sicht des Schutzes der öffentlichen Ordnung, dem nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ein hoher Stellenwert zukommt, in den Hintergrund treten. Die Verfügung der Rückkehrentscheidung war daher im vorliegenden Fall geboten und ist auch nicht unverhältnismäßig.

 

Überdies entschied die belangte Behörde im ersten Satz des Spruchpunktes III. des angefochtenen Bescheides über die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung gemäß § 55 AsylG 2005.

 

Der Verwaltungsgerichthof hat jedoch in seinem Erkenntnis vom 15.03.2016, Ra 2015/21/0174, klargestellt, dass das Gesetz keine Grundlage dafür biete, in Fällen, in denen eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 FPG erlassen werde, darüber hinaus noch von Amts wegen negativ über eine Titelerteilung nach § 55 AsylG 2005 abzusprechen.

 

Da sohin seitens der belangten Behörde angesichts der zugleich getroffenen Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG über eine Titelerteilung nach § 55 AsylG 2005 nicht abgesprochen werden durfte, war die Beschwerde mit der Maßgabe als unbegründet abzuweisen, dass der erste Satz des Spruchteiles III. (bloß) zu lauten hat, dass eine Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt wird.

 

Gemäß § 52 Abs. 9 FPG hat das Bundesamt mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, dass eine Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 FPG in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist, es sei denn, dass dies aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich sei.

 

Nach § 50 Abs. 1 FPG ist die Abschiebung Fremder in einen Staat unzulässig, wenn dadurch Art. 2 oder 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde oder für sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts verbunden wäre.

 

Nach § 50 Abs. 2 FPG ist Abschiebung in einen Staat unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, ihrer Religion, ihrer Nationalität, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Ansichten bedroht wäre (Art. 33 Z 1 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974), es sei denn, es bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005).

 

Nach § 50 Abs. 3 FPG ist Abschiebung in einen Staat unzulässig, solange der Abschiebung die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht.

 

Die Zulässigkeit der Abschiebung des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat ist gegeben, da nach den die Abweisung seines Antrages auf internationalen Schutz tragenden Feststellungen der vorliegenden Entscheidung keine Gründe vorliegen, aus denen sich eine Unzulässigkeit der Abschiebung im Sinne des § 50 FPG ergeben würde.

 

Gemäß § 55 Abs. 1 FPG wird mit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG zugleich eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt. Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt nach § 55 Abs. 2 FPG 14 Tage ab Rechtskraft des Bescheides, sofern nicht im Rahmen einer vom Bundesamt vorzunehmenden Abwägung festgestellt wurde, dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hat, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen.

 

Da derartige Gründe im Verfahren nicht vorgebracht wurden, ist die Frist zu Recht mit 14 Tagen festgelegt worden.

 

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

 

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

 

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu A) wiedergegeben. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte