OGH 9Ob104/00k

OGH9Ob104/00k11.4.2001

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Steinbauer, Dr. Spenling, Dr. Hradil und Dr. Hopf als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei V*****Versicherung VaG, *****, vertreten durch Dr. Martin Kloser, Rechtsanwalt in Feldkirch, gegen die beklagte Partei Gotthard T*****, Kraffahrer, *****, vertreten durch Dr. Clement Achammer ua, Rechtsanwälte in Feldkirch, wegen S 121.079,-- sA (Revisionsinteresse S 118.024,59 sA), infolge Rekurses beider Parteien gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Innsbruck vom 25. November 1999, GZ 4 R 251/99i-12, womit das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch vom 19. Juli 1999, GZ 7 Cg 51/99s-7, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

B e s c h l u s s

gefasst:

 

Spruch:

Die Rekurse werden zurückgewiesen.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Dem gegenständlichen Verfahren liegt ein Anspruch des klagenden Haushaltsversicherers gegen den Beklagten auf Ersatz von Prozesskosten zugrunde, die der Klägerin in einem Vorprozess erwachsen sind. Dieser Vorprozess war von einem Versicherungsnehmer der Klägerin angestrengt worden; es ging dabei um die Gewährung von Versicherungsschutz im Zusammenhang mit einem Traktorunfall. Der Beklagte fungierte in diesem Vorprozess als Zeuge. Er wurde vom Strafgericht wegen des Vergehens des versuchten schweren Betruges nach §§ 15, 146, 147 Abs 2 StGB und des Vergehens der falschen Beweisaussage vor Gericht nach § 288 Abs 1 StGB rechtskräftig verurteilt, weil er gemeinsam mit dem Versicherungsnehmer der Klägerin die Richterin im Vorprozess durch Täuschung über Tatsachen zur Klagestattgebung zu verleiten versucht hat.

Das Berufungsgericht verwarf im vorliegenden Verfahren die Berufung des Beklagten gegen das überwiegend klagestattgebende Urteil des Erstgerichtes wegen Nichtigkeit, gab ihr jedoch im Übrigen Folge, hob es in diesem Umfang auf und verwies die Rechtssache insoweit an das Erstgericht zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung zurück. Es begründete die Zulassung des Rekurses gegen seinen Aufhebungsbeschluss damit, dass eine höchstgerichtliche Rechtsprechung zu einem vergleichbaren Sachverhalt hinsichtlich des Grundes des Anspruches fehle.

Auch ein berufungsgerichtlicher Aufhebungsbeschluss, in dem die Zulässigkeit des Rekurses an den Obersten Gerichtshof ausgesprochen wurde, ist nur anfechtbar, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts abhängt, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt (§ 519 Abs 2 iVm § 502 Abs 1 ZPO). Bei dieser Zulässigkeitsprüfung ist der Oberste Gerichtshof gemäß § 508a Abs 1 ZPO nicht an den diesbezüglichen Ausspruch des Berufungsgerichtes gebunden (2 Ob 217/98w; 2 Ob 355/97p ua). Gemäß § 528a iVm § 510 Abs 3 ZPO kann sich der Oberste Gerichtshof bei Zurückweisung eines Rekurses gegen einen berufungsgerichtlichen Aufhebungsbeschluss wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage (§ 502 Abs 1 ZPO) auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken.

Beide Parteien pflichten dem Rekursgericht in der Begründung der Zulassung des Rekurses bei. Der Beklagte stellt allerdings den Grund des Anspruches in Frage. Die Klägerin argumentiert zusätzlich, dass auch den Parametern der Schadensminderungspflicht erhebliche Bedeutung zukomme.

In keinem dieser Gründe ist eine für die Lösung des Falles erhebliche Rechtsfrage zu erblicken:

Schutzgesetze im Sinne des § 1311 ABGB sind nach ständiger Rechtsprechung abstrakte Gefährdungsverbote, die dazu bestimmt sind, die Mitglieder eines Personenkreises gegen die Verletzung von Rechtsgütern zu schützen (RIS-Justiz RS0027710). Entscheidend ist, dass durch die Schutznorm gerade dieser Schaden verhindert werden sollte (RIS-Justiz RS0027553). Bei Übertretung einer Schutznorm ist Adäquanz der Verursachung zwar zu fordern, doch wird die adäquate Kausalität - die Zugehörigkeit des Schadens zum Zweckbereich der Schutznorm - nach ständiger Rechtsprechung vermutet, sodass der Übertreter zu beweisen hat, dass der Schade auch ohne diese Übertretung eingetreten wäre (RIS-Justiz RS0022599, RS0022610).

Der Beklagte wurde wegen der Vergehen des versuchten schweren Betruges (§§ 15, 146, 147 Abs 2 StGB) und der falschen Beweisaussage vor Gericht (§ 288 Abs 1 StGB) strafgerichtlich verurteilt. Diese strafgerichtliche Verurteilung und ihre Bindungswirkung für das vorliegende Verfahren sind nicht strittig (RIS-Justiz RS0074219). Wie der Oberste Gerichtshof bereits entschieden hat, ist § 146 StGB ein Schutzgesetz im Sinne des § 1311 ABGB, in dessen Schutzbereich gerade das Vermögen des durch den Betrug Geschädigten einbezogen ist (RIS-Justiz RS0027653). Das Vermögen des Geschädigten ist auch betroffen, wenn er Kosten aufwenden muss, um einen versuchten Betrug, hier in Form einer gänzlich unbegründeten, auf unrichtige Beweissaussagen vor Gericht gestützten Klage, abzuwehren (vgl SZ 34/34). Im Übrigen wies das Berufungsgericht zutreffend darauf hin, dass auch die öffentlich-rechtlichen Vorschriften über die Aussagepflicht eines Zeugen vor Gericht Schutzgesetze iSd § 1311 ABGB sind (SZ 54/142).

Prozesskosten können nach der Rechtsprechung Gegenstand eines Schadenersatzanspruches sein, wenn zwischen den Prozessparteien nicht nach den öffentlich-rechtlichen Verfahrensvorschriften zu erkennen ist, zB wenn einer Partei Prozesskosten durch Verschulden eines Dritten verursacht wurden (SZ 34/34; RIS-Justiz RS0022827). Dies trifft grundsätzlich auf die hier den Hauptgegenstand des Verfahrens bildenden Kosten des Vorprozesses zu, in dem der (hier) Beklagte nur Dritter war. Mit der Möglichkeit der selbständigen Einklagung von Kosten ist den tragenden Gedanken der Regelung des § 41 Abs 1 ZPO nichts von ihrer Anwendbarkeit genommen (JBl 1978, 317). Diese laufen darauf hinaus, dass ein Ersatzanspruch des zu Unrecht gerichtlich belangten Geschädigten nur für die zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendigen Kosten besteht (§ 41 ZPO; JBl 1978, 317; vgl auch SZ 34/34). Als zweckentsprechend hat dabei jede Aktion zu gelten, die zum prozessualen Ziel der Partei führen kann; notwendig ist jede Aktion, deren Zweck mit geringerem Aufwand nicht erreicht werden kann (Fucik in Rechberger, ZPO2 Rz 5 zu § 41; JBl 1978, 317; EvBl 1981/178; RIS-Justiz RS0035774). Die Beurteilung, ob zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendige Kosten aufgelaufen sind, ist unter Anlegung eines objektiven Maßstabs vom Zeitpunkt der Vornahme der Prozesshandlung, also vom Standpunkt ex ante vorzunehmen (RZ 1994/26; RIS-Justiz RS0036038). Auch für den Bereich der vorprozessualen Kosten gilt, dass von mehreren Handlungen, die zum gleichen Ergebnis führen, unter dem Gesichtspunkt der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung jene zu wählen ist, die geringere oder keine Kosten verursacht (RIS-Justiz RS0082636). Die Beurteilung, ob ein Aufwand zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendig war, hängt von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls ab, denen in der Regel keine darüber hinausgehende Bedeutung zukommt. Die diesbezüglichen Ausführungen der Rekurswerber vermögen insoweit keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO aufzuzeigen.

Gemeinschaftlich vorsätzliche Schädigung liegt vor, wenn mehrere gewollt zusammenwirken, um den Schaden herbeizuführen. Bei gemeinschaftlicher Schädigung kommt es auf einen bestimmten Tatbeitrag eines Mittäters nicht an. Die Mittäter haften für den Schaden solidarisch (§ 1302 ABGB, Schwimann/Harrer, ABGB2 VII, § 1302 Rz 6 ff; RIS-Justiz RS0026618, RS0026619). Bei der Solidarschuld bleibt es dem Gläubiger anheimgestellt, welchen Schuldner er in welchem Verhältnis in Anspruch nimmt (Koziol/Welser II11 120; ÖBA 1988/104).

Der Rechtsanwalt hat seinem Klienten gegenüber in erster Linie Anspruch auf das vereinbarte Entgelt (§ 17 Abs 1 RAO). Besteht keine Vereinbarung, hat er Anspruch auf angemessenes Entgelt. Bei Ansprüchen, für die ein Tarif besteht, ist in der Regel nur der entsprechende Tarifsatz als angemessenes Entgelt anzusehen. Hiebei kommt in erster Linie der Rechtsanwaltstarif in Betracht; allenfalls ist er analog anzuwenden. Erst mangels eines entsprechendes Tarifs kommt den AHR als kodifiziertem Gutachten über die Angemessenheit der im Rechtsanwaltstarifgesetz nicht näher geregelten anwaltlichen Leistungen für die Honorarberechnung Bedeutung zu (SZ 62/102; RIS-Justiz RS0038356, RS0038369, RS0071999). Derzeit fehlen jedoch zum Inhalt des Auftragsverhältnisses zwischen der Klägerin und ihrem Rechtsvertreter im Vorprozess noch konkrete Feststellungen des Erstgerichtes, die laut Aufhebungsbeschluss des Berufungsgerichtes nachzuholen sein werden.

Richtig ist, dass das Verhalten des Geschädigten auch dann anspruchsmindernd iSd § 1304 ABGB zu berücksichtigen ist, wenn er es unterlassen hat, die Höhe bzw den Umfang des Schadens gering zu halten (Schadensminderungspflicht; Schwimann/Harrer, ABGB2 VII, § 1304 Rz 9 mwN). Der Geschädigte muss danach die zur Schadensminderung erforderlichen, ihm zumutbaren Maßnahmen von sich aus und ohne Rücksicht auf das Verhalten des Schädigers treffen. Dabei hat der Schädiger zu behaupten und zu beweisen, dass der Geschädigte den eingetretenen Schaden hätte mindern können (RIS-Justiz RS0027129). Dass die Klägerin als Beklagte im Vorprozess eine zumutbare Möglichkeit gehabt hätte, die betrügerische Inanspruchnahme ihrer Leistungspflicht ohne das Auflaufen von Prozesskosten zu vermeiden, ist bisher nicht hervorgekommen. Die Zumutbarkeit eines geringeren Aufwandes bei der Abwehr unberechtigter Ansprüche wird primär an der Notwendigkeit zweckentsprechender Rechtsverteidigung zu messen sein. Das jeweilige Maß der Zumutbarkeit geeigneter Vorkehrungen gegen einen Schadenseintritt richtet sich dabei ebenfalls stets nach den Umständen des Einzelfalles (RIS-Justiz RS0027015, RS0027787, RS0029874), denen in der Regel keine darüber hinausgehende Bedeutung zukommt. Von der Klägerin gewünschte, für den Einzelfall relevante "Parameter" der Schadensminderungspflicht können daher nicht aufgestellt werden, zumal im gegenwärtigen Zeitpunkt überhaupt noch nähere Feststellungen des Erstgerichtes über jene Leistungen fehlen, die den Schadensbetrag begründen. Einer vorgreifenden Abwägung steht daher die fehlende Feststellungslage entgegen; noch weniger vermögen diesbezügliche Überlegungen und Spekulationen der Rekurswerber eine erhebliche Rechtsfrage zu begründen. Dass die den Klagebetrag begründenden Leistungen entgegen der Rechtsauffassung des Erstgerichtes einer genauen Überprüfung auf Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit zu unterziehen sind, wurde bereits vom Berufungsgericht zutreffend klargestellt.

Eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO liegt sohin - unter Berücksichtigung der fehlenden Feststellungen im gegenwärtigen Zeitpunkt - nicht vor. Der vom Berufungsgericht aufgetragenen Verfahrensergänzung ist vom Obersten Gerichtshof nicht entgegenzutreten (Kodek in Rechberger ZPO2 Rz 5 zu § 519 ZPO mwN). Die Rekurse der Parteien waren daher zurückzuweisen.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.

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