OGH 1Ob94/61 (1Ob93/61)

OGH1Ob94/61 (1Ob93/61)8.3.1961

SZ 34/34

Normen

ABGB §1293
ABGB §1295
JN §1
ZPO §40 Abs2
ABGB §1293
ABGB §1295
JN §1
ZPO §40 Abs2

 

Spruch:

Zur Abwendung des Schadens gegen Dritte zweckmäßig aufgewendete Prozeßkosten sind vom Schadenersatzpflichtigen zu ersetzen.

Entscheidung vom 8. März 1961, 1 Ob 93, 94/61.

I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien; II. Instanz:

Oberlandesgericht Wien.

Text

Die Klägerin macht gegen die Republik Österreich einen Amtshaftungsanspruch mit folgender Begründung geltend: Sie habe am 10. September 1955, als sie im Rettungswagen der Bezirksstelle K. als begleitende Krankenschwester mitfuhr, durch einen Zusammenstoß des Rettungswagens mit dem von dem Spediteur Johann F. gelenkten LKW. schwere Verletzungen erlitten. F. sei deshalb rechtskräftig wegen Vergehens nach den §§ 335, 337 StG. verurteilt worden. In dem von ihr gegen F. durchgeführten Zivilprozeß habe sie zwar schließlich mit einem Betrag von 22.000 S samt 4% Zinsen seit 4. Juli 1958 obsiegt, und es seien ihr an Prozeßkosten insgesamt 9247 S 06 g zugesprochen worden, doch sei die Exekution gegen F. ergebnislos geblieben. Im Zug des Rechtsstreites habe sich herausgestellt, daß F. im Unfallszeitpunkt keinen aufrechten Versicherungsschutz mehr gehabt habe. Er sei bei der W.- Versicherungsanstalt haftpflichtversichert gewesen. Diese habe am 22. Juli 1955 beim Verkehrsamt Wien gemäß § 55 Abs. 5 KfG. 1955 die Unterbrechung der Haftung gemäß § 39 VersVG. angezeigt. Am 28. Juli 1955 sei von diesem Amt an das Polizeikommissariat N. der Auftrag zu Einziehung der Kennzeichen erteilt, bis zum Unfallstag aber nicht durchgeführt worden. Die Einziehung hätte innerhalb eines Monates ab Anzeige der Haftungsunterbrechung vollzogen werden müssen. Die Unterlassung dieser Verpflichtung sei rechtswidrig, schuldhaft und kausal für den Schaden der Klägerin.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren hinsichtlich der Beträge von 22.000 S und 9247 S 06 g ab.

Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil im Ausspruch über die Abweisung des Begehrens auf Ersatz der Prozeßkosten und hob es im übrigen unter Vorbehalt der Rechtskraft auf. Ein Anspruch auf Ersatz der Prozeßkosten bestehe nicht. Fasse man die Vorausklagung des Johann F. als Rettungsaufwand gemäß § 2 Abs. 2 AmtshaftungsG. auf, so sei dieser kein Schaden. Sei man aber der Ansicht, daß die Vorausklagung zur Wahrung der Amtshaftungsansprüche nicht erforderlich gewesen wäre, so wäre der Prozeß unnötig gewesen.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Klägerin Folge, hob die untergerichtlichen Urteile in ihren das Begehren auf Ersatz der der Klägerin in ihrem Rechtsstreit gegen F. entstandenen Prozeßkosten im Betrag von 9247 S 06 g betreffenden Aussprüchen auf und verwies die Rechtssache auch in diesem Umfang zur neuerlichen Verhandlung und Urteilsfällung an das Erstgericht zurück.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Der Oberste Gerichtshof vermag sich weder der Ansicht anzuschließen, daß die zur Abwendung des Schadens aufgewendeten Verfahrenskosten kein Schaden seien, noch auch der Ansicht zu folgen, daß der Prozeßkostenaufwand nicht zweckmäßig gewesen sei.

Die erste Meinung wird von Loebenstein - Kaniak vertreten (Kommentar zum Amtshaftungsgesetz, S. 73 ff.), wird aber nicht begrundet. Auch ein Teil der Rechtsprechung vertritt die Ansicht, daß Prozeßkosten nicht Gegenstand des Schadenersatzanspruches sind (SZ. XVIII 41, AnwZ. 1932 S. 39, JBl. 1936 S. 193, 3 Ob 198/53, 3 Ob 64/53, 2 Ob 398/59, SZ. XXVII 289 u. a.). Demgegenüber vertritt aber ein anderer Teil der Lehre und Rechtsprechung den Standpunkt, daß jener Grundsatz nur im Verhältnis zwischen den am Verfahren Beteiligten, nicht aber dann gilt, wenn einer Partei Prozeßkosten durch Verschulden eines Dritten verursacht wurden (Wolff in Klang 2. Aufl. VI 192; Fasching, Kommentar zu den Zivilprozeßgesetzen, II S. 312; SZ.I 73, SZ. X 302, SZ.XXX 40, 1 Ob 392/53, 7 Ob 305/56, 7 Ob 472, 473/56, 1 Ob 479/56, 3 Ob 524/57, 2 Ob 633/59 u. a.). Dieser Ansicht folgt der Oberste Gerichtshof auch im gegenständlichen Fall. Es kann wohl nicht bezweifelt werden, daß ein Prozeßkostenaufwand eine Verminderung des Vermögens des Aufwendenden, also einen Schaden im Rechtssinn darstellt. Die Vertreter der Ansicht, daß die Prozeßkosten nicht Gegenstand eines Schadenersatzanspruches sein können, folgern dies aus der besonderen rechtlichen Natur des Prozeßkostenanspruches, der in den Verfahrensgesetzen seine Grundlage hat und kein Schadenersatzanspruch ist, und aus der Rechtskraftwirkung der Prozeßkostenentscheidung. Diese Erwägungen haben Berechtigung, soweit es sich um das Verhältnis zwischen den Parteien handelt, treffen aber nicht auf das Verhältnis zwischen einer Partei und einem schuldtragenden Dritten zu. In diesem Verhältnis beruht der Anspruch nicht mehr auf den öffentlichrechtlichen Verfahrensvorschriften, sondern auf den privatrechtlichen Normen des Schadenersatzes. Einer solchen Haftung steht auch nicht die Rechtskraftwirkung der Kostenentscheidung entgegen, weil diese nur die Kostenersatzpflicht zwischen den Parteien des Verfahrens betrifft.

Es kann auch nicht gesagt werden, daß die Klageführung gegen F. nicht zweckmäßig gewesen wäre. Durch diesen Prozeß wurde zunächst die Höhe des Schadens festgestellt. Diese Prozeßergebnisse können auch dem gegenständlichen Verfahren zustatten kommen. Die Vermögenslosigkeit des F. und die Uneinbringlichkeit des Schadenersatzanspruches konnten erst im Exekutionsverfahren mit völliger Sicherheit geklärt werden. Diesen Umstand konnte die Klägerin im vorhinein weder mit Sicherheit annehmen noch beweisen. Hätte sie eine Klageführung gegen F. unterlassen, so hätte sie mit diesem Einwand rechnen und ihn nur schwer, wenn überhaupt, widerlegen können. Jedenfalls wäre dadurch das gegenständliche Verfahren erheblich erschwert und dadurch höhere Prozeßkosten in diesem Verfahren verursacht worden.

Es war daher der Revision Folge zu geben; die Urteile beider Unterinstanzen waren in diesem Punkt aufzuheben.

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