OGH 5Ob41/17s

OGH5Ob41/17s4.5.2017

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Grohmann, die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi und Dr. Steger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. G*****, 2. mj A*****, und 3. mj F*****, alle vertreten durch Wetzl & Partner Rechtsanwälte GmbH in Steyr, gegen die beklagte Partei Verlassenschaft nach dem am ***** verstorbenen Dr. G*****, vertreten durch Dr. Christoph Arbeithuber, Rechtsanwalt in Linz, und die Nebenintervenientin auf Seiten der beklagten Partei O*****‑AG, *****, vertreten durch Dr. Eckhart Pitzl und Dr. Gerhard W. Huber, LL.M., Rechtsanwälte in Linz, wegen 1.) 52.434,92 EUR sA, 2.) 8.666,67 EUR sA und jeweils Feststellung, über die Revisionen der erstklagenden Partei (Revisionsinteresse: 47.903,46 EUR sA) und der beklagten Partei (Revisionsinteresse: 13.824,92 EUR sA und Feststellung [15.000 EUR]) gegen das Teil‑ und Zwischenurteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 17. November 2016, GZ 4 R 168/16b‑71, mit dem das Teil‑ und Zwischenurteil des Landesgerichts Steyr vom 21. Juli 2016, GZ 4 Cg 163/13y‑63, teilweise abgeändert wurde, zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0050OB00041.17S.0504.000

 

Spruch:

 

Der Revision des Erstklägers wird nicht Folge, jener des Beklagten hingegen teilweise Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass das

Teil‑ und Zwischenurteil insgesamt lautet:

„1. Das Klagebegehren, die beklagte Partei sei schuldig, dem Erstkläger 47.903,46 EUR samt 4 % Zinsen seit Klagstag zu zahlen, wird abgewiesen.

2. Das Klagebegehren, die beklagte Partei sei schuldig, dem Erstkläger 4.531,46 EUR samt 4 % Zinsen seit Klagstag zu zahlen, besteht dem Grund nach zu Recht.

3. Das Klagebegehren, die beklagte Partei sei schuldig, dem Zweitkläger 8.666,67 EUR samt 4 % Zinsen seit Klagstag zu zahlen, besteht dem Grund nach zu Recht.

4. Es wird festgestellt, dass die beklagte Partei dem Zweitkläger im Ausmaß von zwei Dritteln für zukünftige Schäden, die aus dem Tode der am ***** verstorbenen N***** resultieren, haftet.

5. Das Klagebegehren auf Feststellung, dass die beklagte Partei den Erst‑ und Drittklägern im Ausmaß von zwei Dritteln für sämtliche zukünftige Schäden, die aus dem Tod der am ***** verstorbenen N***** resultieren, haftet, wird abgewiesen.

6. Der Drittkläger ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit 3.029,36 EUR (darin enthalten 387,22 EUR USt und 713,51 EUR Barauslagen) bestimmten Verfahrenskosten aller drei Instanzen zu ersetzen.

7. Der Drittkläger ist schuldig, der Nebenintervenientin binnen 14 Tagen die mit 844,73 EUR (darin enthalten 140,79 EUR USt) bestimmten Verfahrenskosten erster Instanz zu ersetzen.

8. Hinsichtlich des Erst‑ und Zweitklägers bleibt die Entscheidung über die Verfahrenskosten aller Instanzen der Endentscheidung vorbehalten.“

 

Entscheidungsgründe:

Die Kläger sind die Angehörigen einer am ***** verstorbenen Patientin des – mittlerweile im August 2016 ebenfalls verstorbenen – (vormals) beklagten Gynäkologen (zur Vereinfachung weiter als Beklagter bezeichnet). Diesem werfen sie in ihrer auf Schadenersatzleistung und Feststellung gerichteten Klage vor, eine zum Tod der Patientin führende Krebserkrankung viel zu spät erkannt zu haben, weil er sich bei Vorsorgeuntersuchungen auf eine seit Jahren nicht mehr als lege artis anerkannte Methode beschränkt habe. In einem Vorverfahren wurde der Verlassenschaft nach der Patientin rechtskräftig ein Schmerzengeld von 23.333,33 EUR sA zugesprochen. Diesem Zuspruch lag eine Verschuldensteilung von 1 : 2 zu Lasten des Beklagten zugrunde. Das Verhalten der Patientin ab März 2010 blieb dabei ausdrücklich unberücksichtigt.

Der Erstkläger (Witwer) begehrt Todfallskosten sowie Kosten der Betreuung des Zweit‑ und Drittklägers (Söhne der Patientin) durch ein Kindermädchen sowie dessen Lebenshaltungskosten und Haushaltsfixkosten.

Der Zweitkläger (Sohn der Patientin) begehrt (Schock‑)Schmerzengeld.

Der Drittkläger (gemeinsamer Sohn der Patientin und des Erstklägers) begehrt so wie die anderen Angehörigen die Feststellung der Haftung für sämtliche zukünftige, aus dem Tod der Patientin resultierende Schäden im Ausmaß von zwei Dritteln.

Das Mitverschulden der Patientin von einem Drittel wird auch beim jeweiligen Leistungsbegehren berücksichtigt.

Der beklagte Gynäkologe wendete ein, seine Patientin habe seit März 2010 von der Krebserkrankung gewusst und sei sich des Risikos ihres Ablebens bewusst gewesen. Eine andere Ärztin habe ihr gesagt, sie solle keinen Geschlechtsverkehr durchführen. Dennoch habe sie sich in einer selbstbestimmten Entscheidung für eine Schwangerschaft und die Geburt eines Kindes entschieden, was den Kausalzusammenhang zwischen der Behandlung und ihrem Tod unterbreche. Sie hätte auch einer Operation im Zuge der Krebsbehandlung nicht zugestimmt. Behandlungsaufforderungen sei keine Folge geleistet worden. Deshalb müsse das, im Vorverfahren mit einem Drittel beurteilte Mitverschulden neu bewertet werden, soweit es den Verlauf ab dem 16. 3. 2010 betreffe. Das Verhalten nach Bekanntwerden der Krebserkrankung sei eine Verletzung der Schadensminderungspflicht gewesen. Erst‑ und Drittkläger seien nicht aktiv legitimiert. Im Zeitpunkt des behaupteten Behandlungsfehlers sei der Erstkläger noch nicht mit der Patientin verheiratet, der Drittkläger noch nicht geboren gewesen.

Die – am Rechtsmittelverfahren nicht mehr beteiligte – Nebenintervenientin des Beklagten berief sich darauf, dass eine frühere Behandlung die Geburt des Drittklägers verhindert hätte.

Das Erstgericht erkannte das Begehren des Erstklägers auf Zahlung der Todfallskosten dem Grunde nach zur Hälfte zu Recht bestehend (Spruchpunkt 1) und wies das Mehrbegehren von 47.903,47 EUR (Kosten des Kindermädchens, Haushaltsfixkosten) ab (Spruchpunkt 2). Es sprach aus, dass das Begehren des Zweitklägers (Schmerzengeld) dem Grunde nach zur Hälfte zu Recht bestehe (Spruchpunkt 3) und stellte die Haftung des Beklagten für die Hälfte künftiger, dem Zweitkläger aus dem Tod der Patientin resultierender Schäden fest (Spruchpunkt 5). Die Feststellungsbegehren des Erst- und Drittklägers wies es ab (Spruchpunkte 4 und 6). Seiner Entscheidung liegen – zusammengefasst – folgende Feststellungen zugrunde:

Die am 13. 8. 1979 geborene Patientin des beklagten Gynäkologen verstarb am *****. Der Beklagte behandelte sie zwischen 13. 9. 1999 und 18. 3. 2010. Im Jänner 2000 gebar sie den Zweitkläger. Der Beklagte betreute sie ab der 24. Schwangerschaftswoche. In den folgenden Jahren suchte sie mehrfach die Ordination des Beklagten auf. Dabei erfolgten Krebsvorsorgeuntersuchungen am Gebärmutterhals mit koloskopischen Untersuchungen und Abnahmen von PAP‑Tests. Aufgrund abnormaler Ergebnisse dieser Tests wurde sie im März 2002, Jänner 2004, Juni 2004, April 2006 und Februar 2007 schriftlich zur Kontrolle einberufen. Sie hielt die vorgeschriebenen Kontrollintervalle (drei bis sechs Monate) zumeist nicht ein. In der Regel verging mehr als ein Jahr nach Erhalt der Aufforderung bis zum Besuch der Ordination.

Der PAP‑Test ist eine im Vorfeld der eigentlichen Diagnostik angesiedelte Screening‑Unter-suchung und dient der Krebsvorsorge, nicht der Krebsdiagnostik.

Im Februar 2002 ergab sich erstmals ein abnormales Testergebnis (PAP IIID: Verdacht auf ein Krebsvorstadium). Die Tests von Dezember 2003, Mai 2004 und März 2006 zeigten unklare Befunde (PAP III), die eine sichere Beurteilung zwischen gut‑ und bösartig nicht zuließen. Angesichts der Testergebnisse hätte nach dem Stand der Medizin bereits im Mai 2004, spätestens jedoch im März 2006 eine histologische Abklärung der wiederholt auffälligen oder unklaren PAP‑Tests erfolgen müssen, was der Beklagte jedoch unterließ. Eine derartige Abklärung hätte mit hoher Sicherheit die sich entwickelnde Erkrankung entdeckt und den Krankheitsverlauf sowie die Behandlung entscheidend modifiziert. Ein frühes invasives Krebsleiden lag mit hoher Wahrscheinlichkeit bereits 2007 vor. Der vorletzte PAP‑Test erfolgte Anfang 2007.

Mit Jänner 2010 beendete die Patientin die Schwangerschaftsverhütung. Aufgrund von Blutungen kam sie am 16. 3. 2010 in die Ordination des Beklagten, der bei der Spiegeleinstellung einen großen Tumor im Bereich des Muttermundes feststellte und einen, bereits am folgenden Tag mit PAP V befundeten Krebsabstrich nahm. Am 18. 3. 2010 kam die Patientin wieder in die Ordination. Der Beklagte informierte sie über den Krebsbefund und wies sie darauf hin, dass sie sich umgehend in stationäre Behandlung begeben solle, um den Umfang des Tumors und die weiteren Behandlungsmöglichkeiten abzuklären. Er empfahl ihr das Krankenhaus der Barmherzigen Schwestern in Linz und sagte ihr, sie solle sich bei ihm melden, sollte sie nicht innerhalb einer Woche aufgenommen werden, damit er ihr bei der Aufnahme behilflich sein würde. Er teilte ihr auch mit, dass das Ausmaß einer Operation von der Abklärung im Krankenhaus abhänge.

Die Patientin und der Erstkläger (damals noch Lebensgefährte) kontaktierten ihren Hausarzt. Dieser erfragte beim Beklagten die genaue Diagnose und erläuterte den beiden die Sachlage. Der Erstkläger bat die Patientin, sich eine zweite Meinung einzuholen. Am 18. 5. 2010 suchte die Patientin die Ordination einer Gynäkologin auf. Diese führte eine Zervix‑Untersuchung durch, wobei es zu einer Blutung (aus dem Tumor) kam, welche die Gynäkologin nicht stillen konnte. Sie bat die Patientin deshalb, zunächst im Wartezimmer zu warten, um später kontrollieren zu können, ob die Blutung gestillt sei. Die Patientin verließ jedoch die Ordination. Die Gynäkologin erkundigte sich aufgrund der suspekten Zervix nach dem Ergebnis des von ihr durchgeführten PAP‑Abstrichs. Dabei erfuhr sie, dass bereits im März 2010 ein PAP V‑Ergebnis vorgelegen war. Daraufhin kontaktierte sie die Patientin telefonisch und bot ihr die Organisation einer zügigen stationären Aufnahme im Krankenhaus an. Die Patientin teilte ihr mit, dass sie aufgrund der bevorstehenden Hochzeit erst nach Rückkehr von der Hochzeitsreise am 2. 6. 2010 in das Krankenhaus fahren wolle. Sie wurde darauf hingewiesen, dass sie wegen Verblutungsgefahr keinen Geschlechtsverkehr haben sollte.

Am 22. 5. 2010 heiratete sie den Erstkläger und fuhr anschließend auf Hochzeitsreise. Nach der Rückkehr am 2. 6. 2010 suchte sie die gynäkologische Ambulanz des Krankenhauses der Barmherzigen Schwestern in Linz auf. Dort wurde bei einer Untersuchung ein 5 cm großer exophytischer Tumor der Zervix sichtbar, bei beginnender vaginaler Infiltration und histologisch mäßig differenziertem Plattenepithelkarzinom. Das Angebot zur stationären Aufnahme am 7. 6. 2010 nahm die Patientin nicht wahr. Etwa am 5. 6. 2010 trat die Schwangerschaft ein. Am 11. 6. 2010 schickte ein Oberarzt des Krankenhauses einen eindringlichen Brief an die Patientin, in dem er auf den aktuellen histologischen Befund und den bösartigen Tumor ausgehend vom äußeren Muttermund hinwies und dringend eine weitere Abklärung und Behandlung nahelegte, weil es ansonsten unweigerlich zu einem Fortschreiten der Erkrankung kommen würde.

Kurz vor oder am 20. 6. 2010 erkannte die Patientin ihre Schwangerschaft, was sie dem Erstkläger am 20. 6. 2010 mitteilte. Die Schwangerschaft wurde ärztlich im August 2010 festgestellt. Der Patientin wurde ein Schwangerschaftsabbruch angeraten, um die notwendigen medizinischen Krebsbehandlungen (radikale Hysterektomie mit Lymphadenektomie oder Radiochemotherapie) durchführen zu können. Die Patientin entschloss sich jedoch, das Kind auszutragen und mit der schulmedizinischen Behandlung erst nach der Geburt des Kindes zu beginnen. In der Zwischenzeit versuchte sie alternative Behandlungsmethoden. Sie wollte sich bis zuletzt den Kinderwunsch erfüllen.

Am 15. 11. 2010 wurde die weitere Vorgehensweise besprochen und ein Sectio‑Termin vor Weihnachten vereinbart. Am 17. 12. 2010 wurde der Drittkläger mittels Sectio zur Welt gebracht. Die Patientin verstarb am ***** an ihrem Krebsleiden.

Zum 18. 3. 2010 hatte sie eine Fünfjahres‑Überlebensrate von 63 % und eine 10‑Jahres‑Überlebensrate von 47 %, wobei dies eine Streuung von 36 bis 59 % hat und davon abhängig ist, dass eine schulmedizinische Behandlung ohne Schwangerschaft durchgeführt worden wäre. Eine Fünfjahres‑Überlebensrate von 60 % bei einer Tumorerkrankung bedeutet, dass die Mehrheit der an dieser Erkrankung leidenden Personen innerhalb der nächsten 20 Jahre versterben wird. Mit der Entscheidung zur Beibehaltung der Schwangerschaft waren die Möglichkeiten, das Leben der Patientin mittels einer noch im Juni 2010 begonnenen, angepassten Tumortherapie zu retten, praktisch nicht mehr vorhanden. Die Verzögerung von drei Monaten (März bis Juni 2010), die Ablehnung der stationären Aufnahme im Juni, sowie das Ignorieren des eindringlichen ärztlichen Rats führten dazu, dass nicht einmal die notwendigen diagnostischen Schritte zum Tumor‑Staging vor Beginn einer operativen Therapie gesetzt werden konnten. Mit der Entscheidung für das Kind und gegen die Therapie war der sichere Tumortod im Lauf des Jahres 2011 unverrückbar festgelegt .“

Rechtlich folgerte das Erstgericht, der Kausalverlauf sei nicht atypisch, weil es aus verschiedenen Gründen denkbar sei, dass ein Patient, sei es religiös oder durch einen starken Kinderwunsch bedingt, die zu erwartende Behandlung nicht durchführen lasse. Der letale Verlauf der Krebserkrankung sei auch dann nicht ausgeschlossen gewesen, hätte sich die Patientin im März 2010 sofort für eine schulmedizinische Behandlung entschieden. Das Verhalten der Patientin nach Erhalt der Krebsdiagnose im März 2010 sei im Vorprozess ausdrücklich nicht berücksichtigt worden, weil es auf die Frage des Schmerzengeldanspruchs keinen Einfluss gehabt hätte. Nunmehr müsse es jedoch bei einer Verschuldensteilung neu beurteilt werden. Die Verzögerung der notwendigen Behandlung und mehrfache Ablehnung einer stationären Abklärung durch die Patientin, der zur gewünschten Schwangerschaft führende Geschlechtsverkehr und letztlich die Entscheidung, eine Operation erst nach der Schwangerschaft durchführen zu lassen, seien gleich zu bewerten wie der eklatante Behandlungsfehler des Beklagten.

Der Erstkläger habe nach § 1327 ABGB Anspruch auf Ersatz der durch den Tod verursachten Kosten, müsse sich dabei aber das Verschulden der Patientin im Ausmaß von 50 % anrechnen lassen. § 1327 ABGB beschränke den Ersatz von Unterhaltsansprüchen jedoch auf Hinterbliebene der Verstorbenen. Es stelle sich die Frage, ob diese Eigenschaft zum Zeitpunkt des Todes oder mit dem Ende des schädigenden Verhaltens vorliegen müsse. Es könne jedoch nur auf den letzteren Zeitpunkt ankommen, weil ansonsten der Kreis der Anspruchsberechtigten im Lauf der Zeit vergrößert werden könnte. Das schädigende Verhalten des Beklagten habe im Jahr 2007 geendet. Die Behandlung im März 2010 sei weder beanstandet noch fehlerhaft gewesen. Der Erstkläger habe die Patientin erst im Mai 2010 geheiratet und sei deshalb nicht anspruchsberechtigt. Gleiches gelte für den Drittkläger, der erst nach Beendigung des schädigenden Verhaltens des Beklagten gezeugt und geboren worden sei. Der zum Schädigungszeitpunkt bereits geborene Zweitkläger könne jedoch nach § 1327 ABGB Unterhaltsansprüche sowie nach § 1325 ABGB Schmerzengeld – aufgrund des Mitverschuldens der Verstorbenen begrenzt mit der Hälfte – geltend machen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Erstklägers teilweise sowie den Berufungen des Zweit‑ und des Drittklägers zur Gänze Folge. Die Berufung des Beklagten wurde hingegen nicht als berechtigt erachtet. Es wies das Begehren des Erstklägers auf Ersatz der Kosten des Kindermädchens sowie der Haushaltskosten ab und sprach aus, dass das Klagebegehren des Erstklägers auf Ersatz der Todfallskosten sowie jenes des Zweitklägers auf Ersatz von Schmerzengeld dem Grunde nach zur Gänze zu Recht bestehe. Zusätzlich stellte es fest, dass der Beklagte den Klägern für sämtliche zukünftige, aus dem Tod der Patientin resultierende Schäden im Ausmaß von zwei Dritteln hafte.

In seiner rechtlichen Beurteilung setzte es sich ausführlich mit Literatur und Judikatur zum Verhältnis zwischen § 12 Abs 2 EKHG und § 1327 ABGB und dem für die Anspruchsberechtigung nach § 1327 ABGB maßgeblichen Zeitpunkt (der Schädigung/Verletzung oder des Todes) auseinander. Es lehnte die vom Obersten Gerichtshof zu SZ 42/19 und im Schrifttum (teils) befürwortete Auslegung des § 1327 ABGB im Sinn des § 12 Abs 2 EKHG ab, weil hier Schadenersatzansprüche nicht aus einem Verkehrsunfall, sondern aus einem Behandlungsfehler eines Arztes abgeleitet würden. Im Fall einer Schadenszufügung durch fortgesetztes oder wiederholtes Unterlassen könnte zudem die Feststellung der nach § 1327 ABGB Anspruchslegitimierten zu unklaren Ergebnissen führen, wenn auf den Zeitraum, in dem die Unterlassung erfolgt sei, abgestellt werde. § 12 Abs 2 EKHG stehe einer umfassenderen Auslegung des § 1327 ABGB zugunsten der Hinterbliebenen nicht entgegen. Erst‑ und Drittkläger seien daher grundsätzlich nach § 1327 ABGB legitimiert, Ersatzansprüche geltend zu machen. Die aus dem Tod resultierenden Unterhaltsansprüche stünden den Geschädigten getrennt zu. Erhöhte Aufwendungen für die Betreuung der hinterbliebenen Söhne durch ein Kindermädchen könnten nur von den betreuten Kindern, nicht aber vom Erstkläger gefordert werden. Der Erstkläger könne diese Forderung nicht damit rechtfertigen, dass er die Verpflichtungen der Verstorbenen gegenüber ihren Söhnen „übernommen“ habe. Die Unterhaltspflicht der Mutter sei mit ihrem Tod erloschen. Der Erstkläger habe in seiner Berufung klargestellt, dass die eingeklagten Haushaltsfixkosten nicht seinen eigenen Ehegattenunterhalt, sondern ausschließlich die elterliche Pflegeverpflichtung der verstorbenen Ehegattin beträfen. Da er keinen eigenen Unterhaltsentgang geltend mache, sei die Abweisung auch dieser Forderung im Ergebnis zu bestätigen.

Ein adäquater Kausalzusammenhang könne nur dann verneint werden, wenn der Verletzte selbst eine Handlung vornehme, die außerhalb jeder Lebenserfahrung liege. Das sei hier – wie bereits das Erstgericht zutreffend dargelegt habe – nicht der Fall. Der Beklagte unterstelle in seiner Argumentation geradezu, dass nach der Lebenserfahrung jeder Krebspatient jede Behandlung akzeptiere und sich ihr unterziehe. Es liege nicht außerhalb jeder Lebenserfahrung, dass eine Frau wegen des gemeinsam mit dem Lebenspartner verfolgten Kinderwunsches den ärztlichen Rat, wegen einer später diagnostizierten Krebserkrankung keinen Geschlechtsverkehr zu vollziehen, nicht folge, eine Schwangerschaft eintrete und sie sich dann für das Leben ihres Kindes und allenfalls gegen ihr eigenes entscheide.

Damit erhebe sich die Frage einer Verletzung der Schadensminderungspflicht, welche sich die Kläger bei ihren Ansprüchen nach § 1327 ABGB anrechnen lassen müssten. Nach der Rechtsprechung müsse sich ein Geschädigter einer Operation unterziehen, wenn sie einfach und gefahrlos sei und ohne nennenswerte Schmerzen sichere Aussicht auf Erfolg biete. Die nach der Krebsdiagnose im März 2010 möglichen schulmedizinischen Behandlungen (radikale Hysterektomie mit Lymphadenektomie oder Radiochemotherapie) hätten jedoch keine sichere Aussicht auf Erfolg geboten, weil nur mit einer Fünf‑Jahres‑Überlebensrate von 63 % zu rechnen gewesen sei. Die mit dem Verlust der Gebärfähigkeit verbundene Entfernung der Gebärmutter lasse sich zudem nicht als einfache und gefahrlose Operation qualifizieren.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands hinsichtlich aller Kläger jeweils 30.000 EUR übersteigt und die Revision zulässig sei. Letzteren Ausspruch begründete es damit, dass keine höchstgerichtliche Judikatur zu den Fragen vorliege, ob § 1327 ABGB auch bei Ansprüchen aus einer ärztlichen Fehlbehandlung unter Bedachtnahme auf § 12 Abs 2 EKHG auszulegen sei, und ob das zum Tod führende Ablehnen weder einfacher noch gefahrloser Operationen die Schadensminderungspflicht verletze.

Der Erstkläge r bekämpft in seiner Revision die Abweisung des Begehrens auf Ersatz der Kosten des Kindermädchens und der Haushaltsfixkosten in Höhe von insgesamt 47.903,46 EUR.

Die Revision des Beklagten richtet sich gegen den gesamten klagsstattgebenden Teil der zweitinstanzlichen Entscheidung.

Rechtliche Beurteilung

Beide – jeweils beantworteteRechtsmittel sind zulässig. Allerdings ist nur die Revision des Beklagten – zum Teil – berechtigt.

1. Voranzustellen ist, dass der Beklagte seinen ärztlichen Kunstfehler sowie seine mit zwei Dritteln begrenzte Haftung für die bis zum 18. 3. 2010 eingetretenen Schäden (der Patientin) nicht bestreitet, hat er doch bezogen nur auf den Behandlungsverlauf bis zum 15. 3. 2010 sein Verschulden im Ausmaß von zwei Dritteln anerkannt. Angesicht seiner Argumentation zum atypischen Verlauf ab Kenntnis von der Krebserkrankung und zur fehlenden Anspruchsberechtigung des Erst‑ sowie Drittklägers nach § 1327 ABGB ist dieses Eingeständnis eines Mitverschuldens nicht so zu verstehen, dass er damit seine Haftung für die eigenen, aus dem Tod der Patientin abgeleiteten Schadenersatzansprüche der Angehörigen nach § 1327 bzw § 1325 ABGB dem Grund nach anerkennt. Dieses Verständnis seines Vorbringens liegt auch den Entscheidungen der Vorinstanzen zugrunde, die sonst keinen Anlass gehabt hätten, die Unterbrechung des Kausalzusammenhangs, die Aktivlegitimation nach § 1327 ABGB sowie die Verletzung der Schadensminderungspflicht ab dem 18. 3. 2010 einer Überprüfung zu unterziehen.

2. Adäquater Kausalzusammenhang:

2.1. Der beklagte Gynäkologe sieht nach wie vor im Verhalten seiner am ***** verstorbenen Patientin ab Kenntnis der Krebsdiagnose am 16. 3. 2010 einen, den Kausalzusammenhang unterbrechenden atypischen Verlauf.

2.2. Ein adäquater Kausalzusammenhang liegt auch vor, wenn eine weitere Ursache für den entstandenen Schaden dazu gekommen ist, die jedenfalls nicht außerhalb der menschlichen Erfahrung liegt (RIS‑Justiz RS0022918 [T4]). Adäquanz wird im Allgemeinen nur infolge einer ganz außergewöhnlichen Verkettung von Umständen verneint (RIS‑Justiz RS0022918 [T14]; RS0022944 [T5]). Die Zurechnung eines adäquaten Folgeschadens wird dann nicht mehr als gerechtfertigt angesehen, wenn sie auf einem selbständigen, durch den haftungsbegründenden Vorgang nicht herausgeforderten Entschluss des Verletzten selbst beruht (RIS‑Justiz RS0022918 [T11]). Zum Teil wird darauf abgestellt, ob das Verhalten des Dritten, der auch der Verletzte sein kann, nicht außerhalb jeglicher Wahrscheinlichkeit liegt (RIS‑Justiz RS0022575 [T2]; RS0022621 [T2]). Zum Teil wird auch das Ergebnis einer umfassenden Interessenabwägung als Kriterium für die Beurteilung der fehlenden Adäquanz herangezogen. Überwiegen die Belastungsmomente auf Seiten des Verletzten jene auf Seiten des Ersttäters bei weitem, soll es danach nicht mehr gerechtfertigt sein, den Schaden noch zuzurechnen (RIS‑Justiz RS0022607 [T4]; RS0022912 [T2]; RS0022918 [T10]).

2.3. Zu 4 Ob 2129/96h = RIS‑Justiz RS0022546 [T8] sah der Oberste Gerichtshof den Verdienstentgang durch Karenzurlaub nicht als völlig atypische Folge eines ärztlichen Kunstfehlers an. Der Zusammenhang zwischen dem Behandlungsfehler (unterlassene Entfernung der Spirale) und dem Karenzurlaub sei ganz eindeutig: Infolge der Spirale ging der Kinderwunsch der Klägerin und ihres Mannes nicht in Erfüllung, was zu einer schweren Ehekrise und in der Folge zu einem stärkeren beruflichen Engagement der Frau führte. Dies löste den Verdacht des Mannes aus, die Klägerin wolle gar kein Kind. Daraufhin nahm die Klägerin den Karenzurlaub, um ihrem Mann durch den Verzicht auf die Berufstätigkeit zu beweisen, dass sie ihn noch liebe und unbedingt ein Kind wolle.

2.4. Es liegt nicht außerhalb jeglicher Lebenserfahrung, dass sich eine ca 30‑jährige Frau, die kurz vor der Hochzeit mit ihrem Lebenspartner steht und mit diesem unbedingt den Wunsch nach einem gemeinsamen Kind verwirklichen will, unmittelbar nach einer Krebsdiagnose nicht sofort für eine radikale schulmedizinische Behandlung (Entfernung der Gebärmutter/Radiochemotherapie) entscheidet. Ihr Verhalten mag retrospektiv ausschließlich unter dem Aspekt ihres eigenen Überlebens betrachtet extrem unvernünftig erscheinen. Es ist aber angesichts ihrer Lebenssituation und der offenbar über alles gestellten Wunschvorstellung nach einem gemeinsamen Kind mit ihrem Lebenspartner nicht außerhalb jeder Vorstellungskraft, zu welchen Entscheidungen Menschen fähig sein können.

2.5. Im Sinn einer umfassenden Interessenabwägung muss der knappe Zeitraum berücksichtigt werden, der ab der Diagnose für eine, die Überlebenschancen zumindest verbessernde, schulmedizinische Behandlung zur Verfügung stand. Selbst wenn sich die Patientin sofort nach der Diagnose ohne weiteres Hinterfragen von Behandlungsmaßnahmen der Krebstherapie in einem Spital unterzogen hätte, hätte sie statistisch nur eine 5‑Jahres‑Überlebensrate von 63 % gehabt. Der Vorwurf, sie habe bewusst entgegen dem ärztlichen Rat Geschlechtsverkehr gehabt und damit die Schwangerschaft verursacht, ist zu relativieren. Vom Geschlechtsverkehr wurde ihr wegen der Gefahr von Blutungen abgeraten. Der Vorgang per se schloss ihre Chancen auf Überleben noch nicht aus, dies tat erst ihre Entscheidung gegen die Abtreibung und für das Überleben des Kindes. Zwar wurde sie in der Zeit zwischen Diagnose und Hochzeit bzw Antritt der Hochzeitsreise zwei Mal auf die Notwendigkeit einer stationären Aufnahme hingewiesen. Am 11. 6. 2010 wurde ihr in einem „eindringlichen“ Brief dringend eine weitere Abklärung und Behandlung nahegelegt, weil es ansonsten unweigerlich zu einem Fortschreiten der Erkrankung kommen werde. Es wurde aber nicht festgestellt, dass sie eine Zukunftsprognose erhielt, bei nicht sofort oder innerhalb eines knapp bemessenen Zeitraums einsetzender schulmedizinischer Behandlung werde sie innerhalb nicht einmal eines Jahres tot sein. Ebenso wenig steht fest, dass sie sich in Kenntnis des sicheren Todes bewusst für Geschlechtsverkehr, Schwangerschaft und Geburt entschied, um Unterhaltspflichten auf den behandelnden Gynäkologen zu überwälzen und diesen damit zu schädigen.

2.6. Aus diesen Erwägungen ist die Auffassung der Vorinstanzen zur adäquaten Verursachung der aus dem Tod der Patientin resultierenden Schäden als zutreffend zu bezeichnen.

3. Anspruchsberechtigung des Erst‑ und Drittklägers nach § 1327 ABGB:

3.1. Erfolgt aus einer körperlichen Verletzung der Tod, so müssen nicht nur alle Kosten, sondern auch den Hinterbliebenen, für deren Unterhalt der Getötete nach dem Gesetz zu sorgen hatte, das, was ihnen dadurch entgangen ist, ersetzt werden (§ 1327 ABGB). Es ist nicht umstritten, dass der Behandlungsfehler des Beklagten – die Unterlassung histologischer Abklärung – zum (früheren) Eintritt des invasiven Krebsleidens als Körperverletzung im Sinn des § 1325 ABGB (vgl RIS‑Justiz RS0026511) führte.

3.2. Begräbniskosten sind – unabhängig von der Eigenschaft als unterhaltsberechtigter Hinterbliebener – der Person zu ersetzen, die sie tatsächlich getragen hat (RIS‑Justiz RS0031439; RS0031315). Hier werden sie vom Witwer (Erstkläger) zu zwei Dritteln gefordert. Gegen den Zuspruch der „Todfallskosten“ dem Grunde nach bringt der Beklagte in seiner Revision keinerlei Argumente.

3.3. § 1327 ABGB enthält eine Sonderregelung zugunsten mittelbar Geschädigter. Sie gewährt nach ständiger Rechtsprechung den nach dem Gesetz unterhaltsberechtigten Personen einen auf den Ersatz einer entgangenen tatsächlichen Unterhaltsleistung gerichteten Schadenersatzanspruch (RIS‑Justiz RS0031342). Im vorliegenden Fall ist die Frage zu beantworten, ob der Schädigungs-/Verletzungs‑ oder der Todeszeitpunkt für den Kreis der Unterhaltsberechtigten ausschlaggebend und ob demnach die Aktivlegitimation des Erst‑ und Drittklägers gegeben ist.

3.3.1. Nach der Rechtsprechung, die auf die Verhältnisse zum Zeitpunkt der Verletzung abstellt (RIS‑Justiz RS0031469, RS0031835 [T13]), setzt der Hinterbliebenenanspruch einer Witwe/eines Witwers voraus, dass die Ehe im Verletzungszeitpunkt schon geschlossen war (SZ 6/400), jener eines Kindes, dass es zu diesem Zeitpunkt bereits gezeugt war (2 Ob 291/68 = SZ 42/19). Zentrales Argument des Obersten Gerichtshofs war zu 2 Ob 291/68 die im Sinn der Einheit der Rechtsordnung geforderte Gleichstellung des § 1327 ABGB mit dem österreichischem KFZ-Haftpflichtrecht, nunmehr § 12 Abs 2 EKHG. Diese jüngere Bestimmung stelle für das Verhältnis zwischen Getötetem und Anspruchsberechtigtem auf den Zeitpunkt der Verletzung ab und sei für die Auslegung des § 1327 ABGB maßgeblich. Der Oberste Gerichtshof verneinte einen Ersatzanspruch des zum Zeitpunkt der Verletzung seines Vaters (durch einen Verkehrsunfall) noch nicht gezeugten Sohnes, der – im Gegensatz zum nasciturus – noch nicht als Person existiert habe.

3.3.2.  Ehrenzweig (in System des Schuldrechts II/1, 362) stellte auf den Verletzungszeitpunkt ab, während es für Wolff (in Klang  VI, 149) genügte, dass die Unterhaltsberechtigung zum Todeszeitpunkt bestand. Als Beispiel nannte er den Fall einer Frau, die den Verletzten noch vor dessen Tod geheiratet habe.

3.3.3.  Koziol (Österreichisches Haft-pflichtrecht II 2 153 f) folgt dem – „schwer zu entkräftenden“ – Argument des Obersten Gerichtshofs zur Auslegung des § 1327 ABGB nach § 12 Abs 2 EKHG letztlich doch, obwohl er Bedenken an der Schlechterstellung jener Kinder äußert, welche der Getötete erst nach der Verletzung gezeugt habe. Nach der herrschenden Auffassung müsse ein verantwortungsbewusster Mann nach einer, möglicherweise zum Tod führenden Verletzung sowohl eine Heirat als auch die Zeugung von Kindern unterlassen, was eine unzumutbare Einschränkung im Interesse des Schädigers bedeute. Das Gegenargument, der Verletzte könnte sonst bloß zur Begründung auf Unterhaltsansprüche heiraten und Kinder zeugen, überzeuge nicht. Liege ausnahmsweise nur die Absicht vor, Ersatzansprüche gemäß § 1327 ABGB zu verschaffen, so könne über § 1295 Abs 2 ABGB abgeholfen werden.

3.3.4.  Reischauer (in Rummel ABGB 3  II/1 § 1327 ABGB Rz 18) sieht hingegen eine Differenzierung zwischen § 1327 ABGB und § 12 Abs 2 EKHG als nicht von vornherein sachwidrig an. Man könne aus Gefährdungshaftung weniger Last auferlegen bzw dem daraus Berechtigten (seinen Hinterbliebenen) mehr Zukunftsrisken aufbürden. Die Einheit der Rechtsordnung erfordere im Verhältnis von § 1327 ABGB und § 12 Abs 2 EKHG zueinander insofern keine Gleichstellung.

3.3.5  Hinteregger (in Kletečka/Schauer , ABGB‑ON 1.03 § 1327 Rz 13 [Stand 1. 7. 2016, rdb.at] und Danzl (in KBB 4 § 1327 ABGB Rz 5) stellen – die Entscheidung SZ 42/19 zitierend – auf den Verletzungszeitpunkt ab. Nach Harrer/Wagner (in Schwimann / Kodek ABGB 4  VI § 1327 ABGB Rz 11) zählen Kinder zu den Anspruchsberechtigten, sofern sie im Todeszeitpunkt lebten oder zumindest gezeugt waren. Als Belegstelle wird SZ 44/39 zitiert, wo sich diese Aussage so nicht findet. Der Oberste Gerichtshof stellte in der Entscheidungsbegründung auf die Unterhaltsberechtigung des Sohnes eines bei einem Verkehrsunfall Getöteten ab, die aufgrund der zum Unfalls‑/Todeszeitpunkt bereits eingetretenen Selbsterhaltungsfähigkeit verneint wurde.

3.4. Ungeachtet der im Schrifttum geäußerten Bedenken an der Einschränkung der persönlichen Entscheidungsfreiheit einer verletzten Person, das ihr noch verbleibende Leben nach ihren Vorstellungen zu gestalten, insbesondere noch zu heiraten oder Kinder zu bekommen, sowie an einer zwingenden Gleichstellung von § 1327 ABGB mit § 12 Abs 2 EKHG ist eine Begrenzung der Anspruchsberechtigten im Sinne der herrschenden Meinung – gerade für den vorliegenden Fall – sachgerecht.

3.4.1. § 1327 ABGB enthält eine Sonderregelung zugunsten mittelbar Geschädigter. Als solche bedeutet er eine Ausnahme vom Grundsatz, dass mittelbare Schäden nicht zu ersetzen sind. Dieser Aspekt spricht dafür, den Kreis der Anspruchsberechtigten – aus der Sicht des Schädigers – überschaubar zu halten. Ähnliche Überlegungen finden sich in der höchstgerichtlichen Judikatur zur Bemessung von Ansprüchen Hinterbliebener nach § 1327 ABGB, wenn sie bei der Prognose einer zukünftigen Entwicklung der Lebens‑ und Einkommensverhältnisse von Ehegatten lediglich konkrete, nach dem übrigen Verlauf der Dinge realitätsnah erscheinende Gestaltungsänderungen berücksichtigt, nicht aber eine abstrakt mögliche, von Unsicherheitsfaktoren geprägte künftige Lebensplanung wie die Verwirklichung eines Kinderwunsches (2 Ob 175/08m).

3.4.2. Das Berufungsgericht meint, mangels Verletzung der später verstorbenen Patientin könne für die Anspruchsberechtigung nicht der Verletzungszeitpunkt maßgeblich sein. Es handle sich hier um eine Schadenszufügung durch fortgesetztes oder wiederholtes Unterlassen.

3.4.3. Eine fortgesetzte Schädigung kann durch aktives Tun oder durch Unterlassen hervorgerufen werden. Beispiele sind etwa eine schädigende Anlage, Nichtbeseitigen eines gefährlichen bzw rechtswidrigen Zustands; ebenso wiederholte schädigende Handlungen, von denen jede den Tatbestand einer neuen Rechtsverletzung verkörpert und jede für sich Schadensursache ist (6 Ob 232/15h mwN; RIS‑Justiz RS0034365).

3.4.4. Vor der Untersuchung mit anschließender Krebsdiagnose im Jahr 2010 war die Patientin das letzte Mal Anfang 2007 im Rahmen einer Krebsvorsorge untersucht worden. Das Ergebnis (PAP III) hätte – wie bereits in den Jahren zuvor – Anlass für eine histologische Abklärung geboten. Danach verstrichen mehr als drei Jahre, bis die Patientin erst am 16. 3. 2010 wieder die Ordination des Gynäkologen aufsuchte. Bereits im Jahr 2007 war ein frühes invasives Krebsleiden vorgelegen. Das rechtswidrige Verhalten des Gynäkologen (keine histologische Abklärung im Rahmen von Krebsvorsorgeuntersuchungen und Veranlassung einer Behandlung des bereits eingetretenen Krebsleidens) endete spätestens am 16. 3. 2010. Damit ist eine Eingrenzung des Verletzungszeitraums durchaus möglich.

3.4.5. Ab dem Zeitpunkt der Krebsdiagnose hatte der Gynäkologe keinen Einfluss mehr auf die Entscheidung der Patientin für die Familiengründung. Das im Schrifttum gebrachte Argument eines Wertungswiderspruchs – unzumutbare Einschränkung der Gestaltungsfreiheit im Interesse des Schädigers – verfängt hier deshalb nicht, weil sich die Patientin nach der Diagnose Zervixkrebs bewusst für eine Schwangerschaft entschieden und damit gerade eine Behandlung des vom Krebs betroffenen Körperteils ausgeschlossen hat. Die Zeugung eines Kindes durch einen schwer Verletzten, der aufgrund der Verletzungsfolgen mit seinem (früheren) Tod rechnet oder rechnen kann, ist mit dieser Situation nicht vergleichbar.

3.5. Das Begehren des Erst‑ und Drittklägers scheitert somit an ihrer fehlenden Anspruchsberechtigung im Sinn des § 1327 ABGB.

4. Ansprüche des Erstklägers auf Ersatz von Kosten des Kindermädchens und Haushaltsfixkosten nach § 1358, §§ 1041 f ABGB:

4.1. Nach der Rechtsprechung kann der Unterhaltspflichtige den Schaden, der ihm aufgrund seiner gesetzlichen Unterhaltspflicht durch die Heilungskosten gegenüber seinem verletzten minderjährigen Kind entstanden ist, analog § 1358 ABGB im eigenen Namen geltend machen (RIS‑Justiz RS0108085; 4 Ob 15/05t; 1 Ob 2201/96z). Der Ersatzanspruch schließt einen (konkurrenzierenden) Anspruch nach § 1042 ABGB nicht aus (4 Ob 15/07i; RIS‑Justiz RS0022789 [T13]). Diese Judikatur nutzt dem Erstkläger aber nichts:

4.2. Dass der Erstkläger gegenüber dem Zweitkläger, dem 2000 aus einer anderen Verbindung geborenen Sohn der Patientin, nach deren Tod unterhaltspflichtig ist, ergibt sich aus den Feststellungen nicht. Warum diese Unterhaltspflicht bestehen sollte, zeigt der Erstkläger in seiner Revision auch nicht auf. Die Argumentation zur Einstellung eines Kindermädchens und den damit verbundenen Kosten als Sonderbedarf bezieht sich ausschließlich auf den am 17. 12. 2010 geborenen Drittkläger. Diesem standen jedoch – wie bereits in Punkt 3. ausgeführt – keine eigenen, auf § 1327 ABGB beruhenden Ansprüche gegen den Schädiger zu, die nach § 1358 ABGB oder § 1042 ABGB auf seinen Vater, den Erstkläger hätten übergehen können. Schon mangels rechtlicher Relevanz war das Berufungsgericht nicht verpflichtet, zu erörtern, ob der Erstkläger die im eigenen Namen eingeklagten Forderungen auf diese Anspruchsgrundlagen stützen kann. In Ansehung des Zweitklägers wäre der Erstkläger jedenfalls verpflichtet gewesen, in der Revision darzulegen, was er im Fall der gewünschten Erörterung vorgebracht hätte, um die vom Berufungsgericht verneinte Aktivlegitimation doch begründen zu können. Dies unterlässt er jedoch.

5. Ansprüche des Zweitklägers:

Der Beklagte zieht in seiner Revision nicht in Zweifel, dass der im Jahr 2000 geborene Sohn der 2011 verstorbenen Patientin als Folge des Krebstodes seiner Mutter einen sogenannten „Schockschaden“ mit Krankheitswert erlitten und deshalb nach § 1325 ABGB Anspruch auf Ersatz eines angemessenen Schmerzengeldes hat. Das Begehren des Zweitklägers auf Schmerzengeld sowie jenes auf Feststellung der Haftung für künftige Schäden besteht – wie eingeklagt mit zwei Dritteln – zu Recht.

6. Schadensminderungspflicht:

Alle Kläger berücksichtigen die im Vorprozess festgelegte Mitverschuldensquote im Ausmaß eines Drittels. Die Frage, ob die Patientin nach der Krebsdiagnose zu Unrecht eine Behandlung verweigerte und damit gegen ihre Schadensminderungspflicht verstieß, mit der Konsequenz einer weiteren Teilung des Schadens nach § 1304 ABGB, stellt sich nicht. Der Einwand der Verletzung der Schadensminderungspflicht gehört nicht zum Anspruchsgrund, sondern betrifft die Schadenshöhe (RIS‑Justiz RS0040783 [T1]). Der Beklagte befasst sich in der Revision ausschließlich mit dem Grund des Anspruchs, indem er seine Haftung wegen eines inadäquaten Kausalverlaufs und der fehlenden Anspruchsberechtigung des Erst‑ und Drittklägers verneint. Die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichts, das eine Verletzung der Schadensminderungspflicht verneint hat, greift er damit nicht an.

7. Ergebnis:

Der zu zwei Dritteln eingeklagte Anspruch des Erstklägers (Witwers) auf Ersatz von „Todfallskosten“ (§ 1327 ABGB) besteht dem Grund nach zu Recht. Sein Begehren auf Ersatz der Kosten eines Kindermädchens und der Haushaltsfixkosten sowie mangels Aktivlegitimation, jenes auf Feststellung der Haftung für künftige aus § 1327 ABGB abgeleitete Schäden ist deshalb abzuweisen, weil er zum maßgeblichen Schädigungs-/Verletzungszeitpunkt noch nicht mit der fehlbehandelten, später verstorbenen Patientin verheiratet war.

Der Drittkläger ist als nach dem Schädigungs-/Verletzungszeitpunkt Geborener ebenfalls nicht legitimiert, Ansprüche nach § 1327 ABGB geltend zu machen. Sein – ausschließlich erhobenes – Feststellungsbegehren ist zur Gänze abzuweisen.

Berechtigt ist hingegen das Begehren des Zweitklägers auf Schockschmerzengeld (dem Grund nach) und jenes auf Feststellung der Haftung für künftige, aus dem Tod seiner Mutter resultierende Schäden – jeweils wie eingeklagt zu zwei Drittel.

8. Die Kostenentscheidung beruht in Ansehung des Drittklägers auf §§ 41, 50 ZPO. Sein Feststellungsbegehren wurde zur Gänze abgewiesen, weshalb er dem Beklagten und der Nebenintervenientin sämtliche Verfahrenskosten quotenmäßig nach der Relation zwischen 5.000 EUR und dem – nach Instanz divergierenden – Gesamtstreitwert zu ersetzen hat. Insoweit liegt ein Endurteil vor. Hinsichtlich des Erst‑ und Zweitklägers sind die Kosten nach § 393 Abs 4, § 52 Abs 4 ZPO vorzubehalten

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