OGH 1Ob2201/96z

OGH1Ob2201/96z29.4.1997

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr.Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr.Kellner, Dr.Schiemer, Dr.Gerstenecker und Dr.Rohrer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr.Konrad W*****, vertreten durch Dr.Otto Ackerl, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Stadt W*****, vertreten durch Dr.Wolfgang Emberger, Rechtsanwalt in Wien, wegen Feststellung (Feststellungsinteresse S 60.000,- -) infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 16.April 1996, GZ 37 R 40/96y-18, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 5.November 1995, GZ 40 C 472/89s-14, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

In Abänderung des angefochtenen Urteils wird das Urteil des Erstgerichtes mit der Maßgabe wiederhergestellt, daß es zu lauten hat:

„Es wird festgestellt, daß die beklagte Partei der klagenden Partei für alle sich aus deren gesetzlicher Unterhaltspflicht ergebenden künftigen Schäden haftet, die aus der beim Geburtsvorgang am ***** bei mj.Thomas W***** eingetretenen zerebralen Schädigung entstehen.“

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 27.988,20 (darin S 3.979,10 USt und S 4.510,-- Barauslagen) bestimmten Kosten der Verfahren aller drei Instanzen binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der am ***** geborene Sohn des Klägers wurde während des Geburtsvorgangs aufgrund eines zu spät durchgeführten Kaiserschnitts zerebral geschädigt. Diese Hirnschädigung äußert sich in einer Bewegungsstörung der gesamten Muskulatur sowie einer Beeinträchtigung der Bewegungskoordination. Zusätzlich besteht eine schwere geistige Behinderung, derentwegen das Kind kaum schulbildungsfähig, wohl aber in sozialer Hinsicht beeinflußbar und trainierbar ist. Das Kind bedarf sowohl bei Tag als auch in der Nacht intensiver Betreuung. Aufgrund der motorischen Schäden besteht ständige Sturzgefahr. Auch nach Erreichen des 8.Lebensjahres konnte das Kind nicht allein die Notdurft verrichten oder essen. Das Kind bedurfte der Betreuung durch eine ausgebildete Therapeutin. Es befindet sich seit Anfang September 1995 in einer Tagesstätte.

In dem seit 22.8.1986 beim Kreis- jetzt Landesgericht Korneuburg anhängig gewesenen Verfahren 4 Cg 14/93m wurde mit Zwischen- und Teilurteil vom 28.12.1993 (ON 131) (rechtskräftig nach Entscheidung des Obersten Gerichtshofs vom 10.10.1994 [ON 141]), unter anderem die Haftung der Beklagten für alle dem dort klagenden Minderjährigen aufgrund der bei seiner Geburt am ***** in der Zweiten Universitätsklinik eingetretenen zerebralen Schädigung in Hinkunft entstehenden Schäden festgestellt. Über das (restliche) Leistungsbegehren schlossen die Parteien in der Folge am 3.3.1995 einen Vergleich (ON 149).

Im hier anhängigen ursprünglich über Begehren beider Elternteile abgeführten Rechtsstreit erwuchs das Urteil, das die Haftung der Beklagten für alle der Mutter des geschädigten Kindes künftig entstehenden Schäden feststellte, in Rechtskraft. Rechtsgrundlage des Zuspruchs bildete der zwischen der Mutter und dem Krankenhaus abgeschlossene Behandlungsvertrag, aufgrund dessen die Beklagte (auch) gegenüber der Mutter des Kindes zu sorgfältiger und dem Stand der medizinischen Wissenschaft entsprechender Behandlung und Betreuung verpflichtet gewesen sei. Die Mutter habe ihren Beruf als Angestellte aufgeben müssen, um sich der erforderlichen umfangreichen Betreuung des Kindes zu widmen. Die dadurch bewirkte Verminderung der Bemessungsgrundlage für eine spätere Pensionsleistung stelle einen unmittelbaren Schaden der Mutter dar.

Gegenstand des Revisionsverfahrens ist nur mehr das mit der am 18.4.1989 beim Erstgericht eingebrachten Klage erhobene Begehren des Vaters, womit er die Feststellung der Haftung der Beklagten für alle ihm künftig aus der beim Geburtsvorgang erlittenen zerebralen Schädigung seines Sohnes entstehenden Schäden begehrt. Der Vater gründet seinen Anspruch auf die ihn gemäß § 140 ABGB treffende gesetzliche Pflicht, den durch die Behinderung des Kindes bedingten Sonderbedarf zu erfüllen. Könnten kausale Aufwendungen für das Kind nur aufgrund des von diesem erstrittenen Feststellungsurteils von der Beklagten begehrt werden, würde dies bedeuten, daß das Kind alle diejenigen Leistungen nicht in Anspruch nehmen könnte, für die sogleich das Entgelt zu entrichten sei. Wie schon in der Vergangenheit werde es auch in der Zukunft immer notwendig sein, daß der Vater für bestimmte Aufwendungen in Vorlage trete. Es liege kein bloß mittelbarer Schaden, sondern ein Fall der Schadensverlagerung vor. Den Ersatz dieses von ihm selbst getragenen Aufwands könne der Vater daher fordern, ohne daß die Gefahr einer uferlosen Ausweitung von Ersatzansprüchen gegeben sei. Der Vater habe daher ein rechtliches Interesse an der Feststellung der Haftung der Beklagten ihm gegenüber. In der Verhandlungstagsatzung vom 4.4.1995 (ON 6) brachte der Kläger zudem vor, daß er zur Förderung der Kenntnisse des Kindes einen Schreibcomputer mit Großfeldtastatur habe anschaffen und zudem Kosten für heilpädagogische Reitstunden habe tragen müssen. Er dehnte daher - nach Abzug der darauf erhaltenen öffentlich-rechtlichen Leistungen - das Klagebegehren um das Begehren auf Zahlung von S 30.132,-- sA aus.

Dieses Leistungsbegehren erfüllte die Beklagte mit dem Hinweis, daß sie damit lediglich dem von ihr nicht bestrittenen Schadenersatzanspruch des Minderjährigen Rechnung trage. Der Kläger schränkte darauf sein Begehren in der Verhandlungstagsatzung vom 15.9.1995 (ON 11) um das Leistungsbegehren ein.

Die Beklagte, die ursprünglich auch in diesem Verfahren ein ihr zurechenbares Verschulden an der Schädigung des Kindes bestritten hatte, hielt nach Abschluß des vom Minderjährigen gegen sie geführten Rechtsstreits dem Klagebegehren die Einrede der entschiedenen Streitsache entgegen und bestritt die aktive und passive Klagslegitimation. Der Schadenersatzanspruch des verletzten Kindes gegen die Beklagte sei nunmehr rechtskräftig festgestellt. Es bleibe daher kein Raum und keine Notwendigkeit für irgendeine „Schadensverlagerung“. Diese rechtliche Konstruktion werde in der neueren Judikatur grundsätzlich abgelehnt. Es sei unbestritten, daß bei Vorliegen eines eigenen Ersatzanspruchs des Geschädigten dessen Vertreter ein Drittinteresse an dessen Geltendmachung nicht zukomme. Nur so könne eine uferlose Ausweitung von Ansprüchen, die sich nicht unmittelbar aus dem Gesetz ergeben, vermieden werden. Es wäre außerdem nicht zu rechtfertigen, daß ein und derselbe Schaden mehreren Personen selbständig ersetzt würde. Eine solche Verdoppelung des Rechtsschutzes komme nicht in Betracht.

Das Gericht erster Instanz gab dem Klagebegehren Folge und stellte fest, daß die Beklagte (auch) dem Kläger gegenüber für alle künftigen Schäden hafte, die ihm aufgrund der bei der Geburt des am ***** des Minderjährigen eingetretenen zerebralen Schädigung entstehen. Es traf die eingangs wiedergegebenen Feststellungen und führte in rechtlicher Hinsicht aus, daß der Kläger dem geschädigten Kind gesetzlich zur Unterhaltsleistung verpflichtet sei. Es sei einerlei, ob der Anspruch auf Ersatz eines bestimmten Schadens vom Verletzten oder von jenem geltend gemacht werde, der aufgrund seiner gesetzlichen Unterhaltsverpflichtung für die dem Verletzten zugefügten Schäden aufzukommen habe. Es bestehe insofern keine Verdoppelung des Rechtsschutzes, weil die Leistungen jedenfalls nur einmal erbracht werden müßten. Dabei sei zu beachten, daß der Kläger im Rahmen seiner Unterhaltspflicht für alle Leistungen, die das Kind erhalte, in Vorlage zu treten habe. Das rechtliche Interesse des Klägers an der Feststellung sei daher gegeben.

Das Gericht zweiter Instanz änderte dieses Urteil dahin ab, daß es das Klagebegehren abwies. Es sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstands S 50.000,-- übersteige und daß die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Ausgehend von den erstinstanzlichen Feststellungen gelangte es zu dem rechtlichen Schluß, daß dem Kläger im Hinblick auf das vom geschädigten Kind erwirkte rechtskräftige Feststellungsurteil ein selbständiges Feststellungsinteresse fehle. Der bloß mittelbar Geschädigte könne nur dann Ersatz seines Schadens begehren, wenn dies das Gesetz, wie im § 1327 ABGB, ausdrücklich zulasse oder zur Vermeidung völlig unbefriedigender Rechtssituationen die Anerkennung der Geltendmachung eines Drittschadens als sogenannte Schadensverlagerung erforderlich sei. Diese Vorgangsweise müsse dort ihre Grenze finden, wo dem Direktgeschädigten ein eigener und gleich weit reichender Ersatzanspruch zustehe. Im vorliegenden Fall seien alle Aufwendungen, die auch in Zukunft aus der fortdauernden Behinderung des Kindes des Klägers entstehen werden, durch das rechtskräftige Feststellungsurteil zugunsten des geschädigten Kindes abgedeckt. Es bestehe daher kein Bedarf für eine „doppelte Absicherung“. Der Schadenersatzanspruch des Kindes umfasse selbstverständlich auch jene Aufwendungen, die etwa zur Vorfinanzierung bestimmter durch die Geburtsschädigung verursachter Auslagen notwendig seien. Es sei daher ein dem Zweitkläger durch künftige Aufwendungen für sein Kind selbständig entstehender Schaden nicht vorstellbar. Ein möglicherweise vor Rechtskraft des vom Kind erstrittenen Feststellungsurteils noch zu bejahendes Feststellungsinteresse sei daher jedenfalls im Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Streitverhandlung erster Instanz weggefallen gewesen.

Die dagegen erhobene außerordentliche Revision des Klägers ist zulässig, weil - wie noch darzustellen sein wird - das Gericht zweiter Instanz von einer bestehenden Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs abgewichen ist und es zudem einer Auseinandersetzung mit der zur Schadensverlagerung ergangenen neueren Judikatur bedarf.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist auch berechtigt.

Der Oberste Gerichtshof hat wiederholt ausgesprochen (SZ 35/32; ZVR 1970/150; 2 Ob 256/77; ZVR 1980/299; ZVR 1982/269; JBl 1989, 587), der Vater sei berechtigt, jenen Schaden im eigenen Namen einzuklagen, der ihm aufgrund seiner gesetzlichen Unterhaltspflicht durch die Heilungskosten seines minderjährigen Kindes entstanden ist, ohne daß es einer Abtretung von Ersatzansprüchen des Verletzten bedürfte. Dies gelte auch für die künftig zu erwartenden Aufwendungen, weshalb das Feststellungsbegehren des Vaters ungeachtet der Tatsache berechtigt sei, daß das Kind selbst bereits für künftige Schäden ein Feststellungsurteil erwirkt habe. Die für die Ablehnung der Haftung für Drittschäden in erster Linie maßgebenden Erwägungen schlügen in derartigen Fällen nicht durch. Vielmehr sei eine Schadensverlagerung gegeben, die eine Mehr- oder Doppelbelastung des Schädigers nicht befürchten lasse, weil der Schaden des Verletzten jedenfalls die Obergrenze der Leistungspflicht des Haftpflichtigen bilde.

Diese Ansicht wird von namhaften Rechtslehrern geteilt. So führt Wolff (in Klang 2 VI 130) aus, die Heilungskosten seien nicht nur dem Verletzten, sondern auch jenem zu ersetzen, der sie bestritten hat, also etwa auch den Eltern, die die Heilungskosten für das verletzte Kind getragen haben. Pflegekosten gebührten ihnen selbst dann im üblichen Ausmaß, ihren Verhältnissen entsprechend, wenn sie die Pflege persönlich besorgt haben.

Dem tritt Reischauer (in Rummel 2 § 1325 Rz 17) bei: Er hält dafür, daß die Deutung Wolffs dem Sinn des § 1325 ABGB am ehesten gerecht werde. Der Schädiger und nicht irgendein anderer solle - nach Möglichkeit - die Integrität des Verletzten auf seine Kosten wiederherstellen lassen. Die Leistungen eines Dritten sollten nicht dem Schädiger zugutekommen. Es handle sich um einen typischen Fall bloßer Schadensverlagerung. Dem Gesetzgeber von 1811 sei dieses Problem in seiner vollen Tragweite noch nicht bewußt gewesen. Dennoch dürfe angenommen werden, daß ihm in einer Zeit, die einer Sozialversicherung entriet, wohl der alltägliche Fall bekannt gewesen sei, in dem zB der Vater für die Heilungskosten des Kindes aufkomme. Daß in einem solchen Fall der Schädiger durch die Leistung des Vaters begünstigt sein sollte, sei sicher nicht bezweckt gewesen und, daß der Vater das Recht haben sollte, die Kosten im eigenen Namen geltend zu machen, sei dem Gesetzgeber wohl selbstverständlich erschienen. Darauf dürfte letztlich auch die ständige Rechtsprechung zurückgehen. Die Gefahr einer Schadensausuferung sei nicht gegeben.

Auch Koziol (Haftpflichtrecht2 I, 282) rechnet den Fällen der bloßen Schadensverlagerung jenen des Vaters zu, dem ein eigener Anspruch auf Ersatz jenes Nachteils, der ihm aufgrund seiner gesetzlichen Unterhaltspflicht durch die Bestreitung der unfallbedingten Heilungskosten für seinen minderjährigen Sohn entstanden ist, zustehe. Auch hier habe den Schaden, der normalerweise beim Verletzten eintritt, ausnahmsweise wirtschaftlich ein Dritter zu tragen (aaO 279).

Nur in diesem Sinne ist auch die ständige Rechtsprechung (EFSlg 38.624; EFSlg 43.548; EFSlg 57.036 ua) zu verstehen, daß die gesetzliche Unterhaltspflicht dem Schadenersatzanspruch nachgehe. Der Schädiger soll - wie aus § 1327 ABGB hervorleuchtet - durch bestehende Unterhaltspflichten nicht entlastet werden. Aus diesem Grundsatz ist jedoch nicht ableitbar, daß der Vater bei Vorhandensein eines leistungspflichtigen Schädigers seiner gesetzlichen Unterhaltspflicht im schadenskausalen Umfang enthoben wäre. Auch die Rechtsprechung (SZ 66/167; ÖA 1994, 185; JBl 1996, 442 ua), die den Unterhaltsschuldner von einer erhöhten Unterhaltsverpflichtung befreit, wenn die öffentlich-rechtliche Leistung ausschließlich diesen Sonderbedarf des Unterhaltsberechtigten abdeckt, kann schon deshalb hier nicht angewendet werden, weil die dort andernfalls gegebene Doppelversorgung im Falle der bloßen Schadensverlagerung nicht stattfindet.

Gemäß § 140 Abs 1 ABGB haben die Eltern zur Deckung der ihren Lebensverhältnissen angemessenen Bedürfnisse des Kindes unter Berücksichtigung seiner Anlagen, Fähigkeiten, Neigungen und Entwicklungsmöglichkeiten nach ihren Kräften anteilig beizutragen, wobei gemäß Abs 2 der Elternteil, der den Haushalt führt, in dem er das Kind betreut, dadurch seinen Beitrag leistet. Gemäß Abs 3 der genannten Gesetzesstelle mindert sich der Unterhaltsanspruch unter anderem insoweit, als das Kind eigene Einkünfte hat. Es ist unstrittig, daß die Eltern im Rahmen ihrer gesetzlich definierten Unterhaltspflicht auch für den Sonderbedarf aufzukommen haben, der unter anderem - wie hier - auf eine Krankheit zurückzuführen ist. Da das Kindeswohl leitender Grundgedanke aller Vorkehrungen im Bereich des Kindschaftsrechts ist, ist dieser Sonderbedarf der Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen entsprechend in bestmöglicher Anpassung an die Bedürfnisse des Kindes zu decken. Insbesondere sind die dazu erforderlichen Aufwendungen so rasch wie nur möglich zu bestreiten, um so jede mögliche Gefährdung oder Schädigung des Kindes zu vermeiden. Gerade bei einem Krankheitsbild, wie es der Sohn des Klägers aufweist, sind Fälle nicht vorhersehbaren und daher auch nicht langfristig planbaren Geldbedarfs durchaus denkbar. So besteht etwa nach den Feststellungen bei dem Minderjährigen die erhebliche Gefahr, sich durch Stürze Verletzungen zuzuziehen. In derartigen akuten Notsituationen kann nicht immer damit gerechnet werden, ausschließlich Hilfeleistungen von Personen oder Institutionen erlangen zu können, die mit der öffentlichen Krankenversicherung in Vertragsbeziehungen stehen. Auch sind - wie es der Inhalt des ursprünglich gestellten Leistungsbegehrens deutlich macht - größere durch die Behinderung bedingte Aufwendungen im Rahmen der Betreuung und Weiterbildung des Kindes durchaus nicht untypisch. Dem Vater kann gewiß in solchen Fällen nicht unterstellt werden, daß er seinen minderjährigen Sohn darauf verweise, sich aufgrund des von ihm erstrittenen Feststellungsurteils mit dem Schädiger über die erforderlichen Leistungen auseinanderzusetzen, was häufig genug einen längeren Zeitraum in Anspruch nimmt, oder einen Kredit aufzunehmen und mit den erforderlichen Maßnahmen bis zur Zuzählung des Betrags zuzuwarten. Der Beklagten kann auch in deren Argumentation nicht gefolgt werden, soweit sie in einem derartigen Fall einerseits den Minderjährigen auf das von ihm erwirkte Feststellungsurteil verweisen will, andererseits aber meint, die Unterhaltspflicht des Vaters bestehe im Hinblick auf die Bestimmung des § 140 Abs 3 ABGB deshalb nicht, weil das Kind über eigene Einkünfte verfüge. An diesen mangelt es gerade dann, wenn ein momentaner Geldbedarf besteht, das Kind jedoch dessen Deckung erst gegenüber dem Schädiger, wenngleich im Grund des Anspruchs durch ein Feststellungsurteil abgesichert, erstreiten müßte, und ein Zuwarten mit der Befriedigung des Bedarfs nach den Umständen des Falles unzumutbar erscheint.

Die Beklagte verweist zutreffend darauf, daß der Oberste Gerichtshof zuletzt in RdW 1995, 11 (vgl hiezu auch Reischauer aaO § 1295 Rz 27) - als Voraussetzung für die Annahme einer bloßen Schadensverlagerung - von dem Grundsachverhalt ausging, daß der unmittelbar Verletzte keinen Vermögensnachteil erlitt, weil im Schädigungszeitpunkt bereits ein Dritter aufgrund besonderer Rechtsbeziehungen zum Verletzten das wirtschaftliche Risiko der Rechtsgutverletzung zu tragen hatte. Es muß hier nicht näher erörtert werden, ob der Vater das Risiko, wegen einer allfälligen Behinderung des Kindes erhöhte Unterhaltsleistungen erbringen zu müssen, nicht auch bereits während der Zeit der Reifung der Leibesfrucht trägt und damit Fälle der Schadensverlagerung aufgrund ärztlicher Kunstfehler vor der Geburt denkbar wären. Im hier zu beurteilenden Fall lag die Ursache der Schädigung des Kindes nämlich im Geburtsvorgang selbst und fiel daher mit dem Zeitpunkt der Entstehung der auf dem Gesetz beruhenden Unterhaltspflicht (10 Ob 2032/96p) zusammen.

Auch die von der Beklagten ins Treffen geführte Entscheidung SZ 67/52 bietet keinen Anlaß, von der eingangs dargestellten Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes abzugehen. Gegenstand dieser Entscheidung und der Folgeentscheidungen ZVR 1995/62; 2 Ob 43/95; EvBl 1997/11; JBl 1996, 583 war jeweils der Übergang der Schadenersatzansprüche des verletzten und dadurch arbeitsunfähigen Dienstnehmers auf den gemäß § 8 AngG zur Lohnfortzahlung verpflichteten Dienstgeber. Der Oberste Gerichtshof hat in den genannten Entscheidungen neuerlich betont, daß der Schädiger verpflichtet sei, jenem Dritten Ersatz zu leisten, der aufgrund gesetzlicher Bestimmungen oder rechtsgeschäftlicher Regelung ausnahmsweise wirtschaftlich einen Schaden zu tragen hat, der sich als typische Folge, die die übertretene Norm verhindern sollte, darstelle. Da der Schädiger den auf den Dienstgeber überwälzten Schaden des Dienstnehmers zu ersetzen habe und nicht etwa den - bei konkreter Berechnung unter Umständen weit höheren - eigenen Schaden des Dienstgebers aus dem Ausfall der Arbeitskraft, bestehe in diesem Falle bloßer Schadensverlagerung die Gefahr einer von der älteren Rechtsprechung befürchteten unübersehbaren Ausweitung der Ersatzpflicht nicht. Die Überleitung des Anspruchs des Dienstnehmers auf den Dienstgeber erfolge in analoger Anwendung der Bestimmungen des § 1358 ABGB und des § 67 VersVG. Dies bedeute, daß der Ersatzanspruch gegen den Schädiger mit der Lohnfortzahlung auf den Dienstgeber übergehe. In der Entscheidung JBl 1996, 583 nahm der Oberste Gerichtshof eine Verdeutlichung der Abgrenzung des auf den Dienstgeber übergehenden Schadens des Dienstnehmers einerseits und des eigenen Schadens des Dienstgebers andererseits vor und stellte klar, daß es sich bei den Beiträgen, wie Lohnsummensteuer, Dienstgeberbeitrag zum Familienlastenausgleichsfonds und Kammerumlage, um solche handle, die nicht im spezifischen Interesse des jeweiligen Arbeitnehmers erbracht werden und damit nicht seinem Erwerb zuzuzählen seien. Diese auf der Dienstgeberseite anfallenden Kosten stellten keinen abgeleiteten Schadenersatzanspruch des Dienstnehmers, sondern einen eigenen, bloß mittelbaren Schaden des Dienstgebers dar, für welchen der Schädiger nicht hafte. Den Lösungsansatz der referierten Judikaturkette begrüßt Lukas in seinem Aufsatz „Von liquidierbaren Drittschäden, anzurechnenden Vorteilen und unechten Gesamtschulden“, JBl 1996, 481 ausdrücklich, verweist jedoch darauf, daß ein Teil der Lehre bei anderen Fallkonstellationen wie jenen der obligatorischen Gefahrentlastung, in den Obhutsfällen und den Fällen der indirekten Stellvertretung bei der Schadensberechnung auf das Interesse des Dritten abstellten, weil ein Eigeninteresse des Verletzten gar nicht festgestellt werden könne. Er erachtet es als sinnvoll, die „Lohnfortzahlungsentscheidung“ des Obersten Gerichtshofes, gegen die keine Bedenken obwalteten, als wegweisend auch für andere Fallkonstellationen heranzuziehen und das Interesse des Dritten aus der Lösung auszuklammern. Eine weitere Auseinandersetzung mit den durchaus beachtlichen Argumenten von Lukas ist hier indes nicht erforderlich, weil der Kläger ohnedies nicht einen eigenen Schaden als Rechtsgrundlage seines Feststellungsbegehrens heranzieht, sondern sich ausschließlich auf die ihn aufgrund des Gesetzes treffende Unterhaltspflicht stützt. In diesem Sinne ist sein Begehren durchaus jenem des durch das Gesetz zur Lohnfortzahlung verhaltenen Dienstgebers vergleichbar. Auch soweit der Kläger auf die Zinsenbelastung infolge Kreditaufnahme verweist, macht er keinen bloß mittelbaren, sondern einen solchen Schaden geltend, der auch dem Geschädigten selbst bei akutem, durch die Behinderung bedingtem Geldbedarf entstehen würde.

Als Zwischenergebnis sind diese Erwägungen dahin zusammenzufassen, daß der Vater - auch in Übereinstimmung mit der neuesten Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs - die von ihm aufgrund seiner gesetzlichen Unterhaltspflicht für sein behindertes Kind erbrachten Leistungen vom Schädiger ersetzt verlangen kann. Ungeachtet der Tatsache, daß der Oberste Gerichtshof wiederholt (RZ 1984/12; 2 Ob 5/87; 2 Ob 60/92; 2 Ob 71/93; 2 Ob 86/95) dem Verletzten selbst den Ersatz der Kosten zugesprochen hat, die durch die von den Angehörigen geleistete Pflege entstanden, kann die Aktivlegitimation des Dritten, auf den sich der Schaden verlagerte, nicht fraglich sein. Die Klagslegitimation des Dritten wird vom Obersten Gerichtshof in ständiger Rechtsprechung angenommen (SZ 48/119; SZ 58/202; SZ 64/87; JBl 1993, 43; ecolex 1994, 225; 2 Ob 33/95; so auch Reischauer aaO § 1295 Rz 28). Wie bereits in SZ 67/52 eingehend dargelegt, erfolgt die Überleitung des Anspruchs des Geschädigten auf den Dritten in analoger Anwendung des § 1358 ABGB.

Entgegen dem Vorbringen der Beklagten kommt es in dieser Rechtssache nicht darauf an, ob der Kläger einen Leistungsanspruch erst dann erwirbt, wenn er tatsächlich Zahlungen an den Geschädigten aufgrund seiner gesetzlichen Unterhaltspflicht erbracht hat. Der Kläger hat lediglich ein Feststellungsbegehren erhoben, das vorbeugenden Rechtsschutz gewähren soll und daher immer schon dann zulässig ist, wenn aufgrund des Verhaltens des Beklagten eine erhebliche objektive Ungewißheit über den Bestand des Rechtes entstanden ist und diese Ungewißheit durch die Rechtskraftwirkung des Feststellungsurteils beseitigt werden kann (SZ 54/164; SZ 57/203; RdW 1986, 81; ZVR 1990/93; RdW 1990, 407 ua). Es ist im Verfahren daher nicht zu klären, ob der Kläger Zahlungen für seinen Sohn erbracht hat, sondern lediglich, ob dies der Fall sein könnte. Das Feststellungsinteresse im Sinne des § 228 ZPO liegt jedenfalls ungeachtet der Frage der Bindung der Beklagten an die im Rechtsstreit mit dem geschädigten Kind ergangene Entscheidung schon deshalb vor, weil der Kläger durch die Bestreitung seines Rechts, Ersatz für die im Rahmen der Unterhaltspflicht erbrachten Leistungen zu erlangen, in seinen wirtschaftlichen Dispositionsmöglichkeiten eingeschränkt ist. Zur Abschätzung seiner finanziellen Möglichkeiten ist es nämlich für den Kläger vor Eingehen einer Verbindlichkeit für sein behindertes Kind unumgänglich notwendig zu wissen, ob er von der Beklagten Ersatz erlangen kann. Die Feststellungsklage ist aber schon dann zulässig, wenn sie der Klarstellung der Haftungsfrage dem Grunde nach dient (SZ 56/38; 3 Ob 534/87; SZ 68/156). Bei dieser Rechtslage ist es entbehrlich, auch noch darauf einzugehen, ob die Feststellungsklage im vorliegenden Fall auch Bedeutung für die Vermeidung des Eintritts von Verjährungsfolgen haben könnte, weil das ursprüngliche Leistungsbegehren als Erstschaden qualifiziert und damit das Feststellungsbegehren lediglich auf Folge-(Teil-)Schäden bezogen werden könnte. Gerade dieser Fall wurde jedoch in der Entscheidung des verstärkten Senates SZ 68/238 vom Anwendungsbereich des dort formulierten Rechtssatzes, die kurze Verjährung von Ersatzansprüchen beginne nicht vor dem tatsächlichen Eintritt des Schadens zu laufen, ausgenommen.

Daher ist der Revision im Sinne der Klagsstattgebung Folge zu geben. Dabei ist zu berücksichtigen, daß der Kläger - wie bereits dargestellt - sein Feststellungsbegehren ausdrücklich nur darauf gestützt hat, er könne aufgrund seiner gesetzlichen Unterhaltspflicht zu schadensbedingt erhöhten Unterhaltsleistungen herangezogen werden. Das wiederherzustellende Ersturteil ist daher durch einen entsprechenden Zusatz in diesem Sinn zu verdeutlichen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 50 und 41 ZPO.

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