Spruch:
Die Revisionen werden zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
Text
Begründung
Der Kläger ist zu 26/979 Anteilen Miteigentümer der Liegenschaft EZ 735 GB *****. Mit diesem Anteil ist Wohnungseigentum an der Wohnung 13 verbunden. Darüber hinaus ist er Eigentümer weiterer Miteigentumsanteile an dieser Liegenschaft, mit welchen jedoch kein Wohnungseigentum verbunden ist. Die Beklagte ist schlichte Miteigentümerin dieser Liegenschaft. Unter anderem ist ihr die Wohnung Top 5 zur ausschließlichen Nutzung zugewiesen.
Der Kläger begehrte die Beklagte schuldig zu erkennen, im Einzelnen konkret bezeichnete, konsenslose bauliche Veränderungen im Inneren der Wohnung Top 5, aber auch in Bezug auf den Zugang zu dieser Wohnung sowie eine von der Wohnung durch die Decke in den darunterliegenden Kellerraum geführte Abwasserleitung, rückgängig zu machen und es zu unterlassen, künftig derartige bauliche Veränderungen vorzunehmen.
Die Vorinstanzen wiesen das Klagebegehren, soweit es die von der Beklagten im Inneren der Wohnung Top 5 vorgenommenen Umbauarbeiten betraf, ab und gaben diesem im Übrigen, also hinsichtlich der Umbauarbeiten im Zusammenhang mit der Wohnungseingangstüre und der durch die Kellerdecke geführten Abwasserleitung, Folge.
Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands (jeweils) 5.000 EUR, nicht jedoch 30.000 EUR übersteigt und die Revision zulässig sei, weil die Entscheidung wegen der zahlreichen, zwischen den Streitteilen sowie diesen und anderen Mit- bzw Wohnungseigentümern desselben Hauses geführten Verfahren bezüglich der Zulässigkeit baulicher Veränderungen und der damit aufgeworfenen Frage des Erfordernisses der Zustimmung aller übrigen Miteigentümer eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung habe. Insbesondere erscheine auch eine Klärung der Frage, ob und inwieweit § 16 Abs 2 WEG eine Privilegierung der Wohnungseigentümer gegenüber einfachen Miteigentümern darstelle, erforderlich.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts (§ 508a Abs 1 ZPO) nicht zulässig.
1. Wurde, wie hier der Beklagten, der physische Besitz eines Teils der Liegenschaft zur alleinigen Nutzung überlassen, so ergibt sich ein Verfügungsrecht und als Ausfluss daraus ein Recht zur physischen Veränderung (5 Ob 174/02b). Eingeschränkt ist dieses Recht, wenn in die Rechtssphäre der übrigen Teilhaber eingegriffen wird und deren wichtige Interessen berührt werden (Gamerith in Rummel, ABGB3 § 828 Rz 4; Egglmeier/Gruber/Sprohar in Schwimann, ABGB3 § 828 Rz 29). Ob das der Fall ist und mangels Einwilligung aller Miteigentümer Eigenmacht vorliegt (vgl dazu RIS-Justiz RS0013198), kann nur anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls beurteilt werden. Eine solche Kasuistik des Einzelfalls schließt aber eine beispielgebende Entscheidung des Obersten Gerichtshofs regelmäßig aus (RIS-Justiz RS0042405 [T1]; RS0102181). Allein der Umstand, dass weitere Verfahren über die Zulässigkeit baulicher Veränderungen anhängig sind, begründet daher noch nicht das Vorliegen der Voraussetzungen nach § 502 Abs 1 ZPO.
2.1 Das vormals in § 13 Abs 2 WEG 1975 geregelte Änderungsrecht betrifft nach einhelliger Auffassung auch nach dem Inkrafttreten des § 16 Abs 2 WEG 2002 nur Wohnungseigentümer, nicht aber auch schlichte Miteigentümer in sogenannten „Mischhäusern“ (5 Ob 70/97y MietSlg 49.496 = WoBl 1997/93 [Call]; MietSlg 53.508; 5 Ob 38/08m; Würth/Zingher/Kovanyi Miet- und Wohnrecht22, § 16 WEG Rz 3; A. Vonkilch in Vonkilch/Hausmann, Österreichisches Wohnrecht, § 16 WEG Rz 2). Diese Bestimmung regelt, wann die übrigen Wohnungseigentümer ihre Zustimmung zu beabsichtigten Änderungen eines Wohnungseigentümers an seinem Objekt nicht wirksam verweigern können, weil sie sonst zu ersetzen ist (Würth/Zingher/Kovanyi aaO § 16 WEG Rz 10).
2.2 Die Beseitigung einer eigenmächtig vorgenommenen Änderung kann im Prozessweg begehrt werden (RIS-Justiz RS0013665; RS0083156). Im Prozess über die Klage auf Unterlassung oder Beseitigung rechtswidriger Änderungen ist nach überwiegender neuerer Rechtsprechung, die auch der erkennende Senat vertritt (vgl 5 Ob 174/02b mwN; 5 Ob 25/08z), die Genehmigungsbedürftigkeit, nicht aber die Genehmigungsfähigkeit der Änderung zu prüfen (RIS-Justiz RS0013665 [T15]; RS0083156 [T6, T14, T20]). Für die Beurteilung der Eigenmacht als Voraussetzung für den Unterlassungs- oder Beseitigungsanspruch macht es daher keinen Unterschied, ob die Beklagte als schlichte Miteigentümerin in Anspruch genommen wird (vgl 5 Ob 24/87 [zur Rechtslage nach dem WEG 1975]). Der vom Berufungsgericht insoweit als erheblich erachteten Rechtsfrage, ob § 16 Abs 2 WEG eine Privilegierung begründe, fehlt es damit schon an der für die Zulässigkeit des Rechtsmittels erforderlichen Präjudizialität (RIS-Justiz RS0088931).
3. Die Streitteile zeigen in ihren Revisionen ebenfalls keine Rechtsfragen von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO auf.
4. Zur Revision des Klägers:
4.1 Das Berufungsgericht hat über Berufung des Klägers den Urteilsspruch neu gefasst und diesen hinsichtlich der Abwasserleitung präzisiert. Soweit der Kläger hier rügt, das Berufungsgericht habe dabei über sein Eventualbegehren, die von der Beklagten vorgenommenen Änderungen im Inneren der Wohnung rückgängig zu machen, soweit diese vom Plan ./I abweichen, nicht abgesprochen, übersieht er, dass bereits das Erstgericht über den hier konkret in Rede stehenden Teil des Eventualbegehrens nicht ausdrücklich entschieden hatte. Eine diesbezügliche Rüge in der Berufung (samt Berichtigungsantrag ON 82) unterblieb, sodass dieser Teil des Begehrens aus dem Verfahren ausgeschieden ist (RIS-Justiz RS0042374 [T2]; RS0042365 [T2]; vgl auch 1 Ob 85/11y). Eine Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens iSd § 503 Z 2 ZPO liegt damit nicht vor.
4.2 In der Entscheidung 5 Ob 38/08m, auf die sich der Kläger bezieht, hat der Oberste Gerichtshof in einem Verfahren wegen § 52 Abs 1 Z 2 WEG iVm § 16 WEG, §§ 834 f ABGB den Gegenstand eines Umlaufbeschlusses betreffend das auch hier streitverfangene Mischhaus beurteilt. Der Revisionswerber räumt dazu im Ergebnis ein, dass das Urteil des Berufungsgerichts im Einklang mit den vom Obersten Gerichtshof in dieser Entscheidung vertretenen Grundsätzen steht, meint aber, dieses habe verkannt, dass jede Veränderung des Objekts (der Beklagten) in die Substanz der gemeinschaftlichen Sache eingreife.
4.3 Es wurde bereits angesprochen, dass dem Miteigentümer, dem der physische Besitz eines Teils der Liegenschaft zur alleinigen Nutzung überlassen wurde, die alleinige rechtliche Verfügungsgewalt über diesen Teil zukommt. Das alleinige Nutzungsrecht umfasst unter gewissen Voraussetzungen auch das Recht zur physischen Veränderung. Dem steht § 828 ABGB, wonach kein Teilhaber einer gemeinsamen Sache bei Uneinigkeit der Miteigentümer Veränderungen vornehmen darf, nur dann entgegen, wenn durch die Substanzveränderungen in die Rechtssphäre der übrigen Teilhaber eingegriffen und deren wichtige Interessen berührt werden (RIS-Justiz RS0013205; 6 Ob 63/98b; 1 Ob 47/04z; Gamerith aaO § 828 Rz 4; Egglmeier/Gruber/Sprohar aaO § 828 Rz 29). Ob bauliche Veränderungen eine Verfügung darstellen, die der - durch Beschluss des Außerstreitrichters nicht ersetzbaren (vgl 1 Ob 47/04z mwN) - Zustimmung aller Miteigentümer bedarf, hängt von der Bedeutung der Maßnahmen für die Gesamtsache ab. Solche faktische Maßnahmen können auch wichtige Veränderungen iSd § 834 ABGB oder Maßnahmen der ordentlichen Verwaltung sein (Egglmeier/Gruber/Sprohar aaO § 833 Rz 9). Wichtige bauliche Veränderungen iSd § 834 ABGB sind solche, die über den bloßen Erhaltungszweck hinausgehen (Gamerith aaO § 834 Rz 6; vgl auch RIS-Justiz RS0013573).
4.4 Weder das Aufstellen von Rigips-Wänden noch die Herstellung bzw Vergrößerung eines Mauerdurchbruchs im Inneren des der Beklagten zur ausschließlichen Nutzung zugewiesenen Objekts bedeutet einen Eingriff in die Rechtsstellung der übrigen Miteigentümer (vgl RIS-Justiz RS0109843). Die gegenteiligen Annahmen in der Revision des Klägers lassen außer Acht, dass nicht schon jede durch bauliche Veränderungen bewirkte Änderung der Nutzwerte einen verpönten Eingriff in die Rechte der Miteigentümer bedeutet (vgl Egglmeier/Gruber/Sprohar aaO). Standarderhöhende und damit allenfalls relevante nutzwertändernde Maßnahmen waren nach den Feststellungen nicht zu beurteilen, weil bereits vor den hier maßgeblichen Baumaßnahmen der Beklagten Sanitärräume vorhanden waren.
5. Zur Revision der Beklagten:
5.1 Vorauszuschicken ist, dass das Berufungsgericht die Lichtbildbeilage Q in die neue Fassung des Urteilsspruchs integrierte und die Beklagte verpflichtete, den ursprünglichen Zustand durch Schließung von Durchbrüchen, bis auf den aus der Beilage ersichtlichen ursprünglichen Durchbruch und Entfernung aller anderen Leitungen, die darauf nicht ersichtlich sind, wiederherzustellen. Maßgeblich für die Auslegung eines Exekutionstitels ist primär der Wortlaut des Spruchs (Angst/Jakusch/Pimmer EO15 Anm § 7). Entgegen der Auffassung der Revisionswerberin bietet der Wortlaut des Urteilsspruchs keinen Anhaltspunkt, dass er mangels Präzisierung nicht exekutierbar wäre.
5.2 Die Beklagte stellt nicht mehr in Frage, dass die von ihr vorgenommene Veränderung der Wohnungseingangstüre eine Maßnahme darstellt, die der Zustimmung aller Miteigentümer bedurfte, sondern meint, dass das vom Kläger erhobene Begehren rechtsmissbräuchlich sei. Schikanöse Rechtsausübung (§ 1295 Abs 2 ABGB) liegt aber nur dann vor, wenn das unlautere Motiv der Handlung die lauteren Motive eindeutig überwiegt (RIS-Justiz RS0026265 [T8]). Grundsätzlich wird auch das Eigentumsrecht durch das Verbot der schikanösen Rechtsausübung beschränkt (RIS-Justiz RS0026265 [T9]), doch ist dem Miteigentümer stets das Interesse an der Abwehr eines eigenmächtigen Eingriffs in das Miteigentum zuzubilligen. Das schließt regelmäßig die Annahme aus, den einzigen Grund der Rechtsausübung bilde die Absicht, den Beklagten zu schädigen (RIS-Justiz RS0013203). Diese Grundsätze müssen, wenn die eigenmächtige Substanzveränderung eine unzulässige Verfügung (§ 828 ABGB) bedeutet, schon deshalb uneingeschränkt gelten, weil diese wichtige Interessen der übrigen Miteigentümer berührt. Darüber hinaus ist die Genehmigungsfähigkeit einer eigenmächtigen Änderung nicht als Vorfrage für die Berechtigung des Unterlassungs- und Beseitigungsbegehrens zu prüfen. Der Oberste Gerichtshof hat daher bereits ausgesprochen, dass der Einwand der Schikane in einem solchen Fall Fragen der Interessensabwägung berührt, für die im streitigen Verfahren kein Raum bleibt (vgl 5 Ob 297/98g). Daran ist festzuhalten, zumal einem schlichten Miteigentümer, dem rechtskräftig die Beseitigung einer von ihm eigenmächtig durchgeführten Veränderung aufgetragen wurde, nach jüngerer Rechtsprechung die Möglichkeit gegeben ist, im Wege eines Antrags gemäß § 835 ABGB die nachträgliche Sanktionierung der Veränderung zu erwirken (RIS-Justiz RS0115331; 5 Ob 174/02b).
5.3 Richtig ist, dass ein das gegenständliche Mischhaus betreffender Umlaufbeschluss (nach Darstellung der Beklagten im vorliegenden Verfahren als Beilage 1 vorgelegt) auch Gegenstand der Entscheidung 3 Ob 151/11v des Obersten Gerichtshofs war. In dieser Entscheidung wurde das Auslegungsergebnis der Vorinstanzen gebilligt, die Voten der Zustimmenden auch als deren selbständige Einverständniserklärung zu den von den dortigen Beklagten (als schlichte Miteigentümer) beabsichtigten Baumaßnahmen zu qualifizieren. Die Beklagte erkennt aber selbst, dass die von ihr letztlich durchgeführten Arbeiten nicht den im angesprochenen Umlaufbeschluss genannten Plänen entsprachen, und räumt ein, dass der Verlauf der Abwasserleitungen darin gar nicht erfasst war. Dementsprechend findet ihre Ansicht, der Kläger habe, wie auch die übrigen Miteigentümer, den nunmehr beanstandeten Baumaßnahmen zugestimmt, auch keine Deckung in den Feststellungen der Vorinstanzen.
Die Revisionen der Streitteile sind daher zurückzuweisen, ohne dass es einer weiteren Begründung bedarf (§ 510 Abs 3 ZPO).
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41 Abs 1, 50 Abs 1 ZPO.
Sowohl der Kläger als auch die Beklagte haben in ihren Rechtsmittelbeantwortungen auf die Unzulässigkeit der Revision des jeweils anderen hingewiesen und daher Anspruch auf Ersatz der Kosten für ihre Rechtsmittelbeantwortungen (RIS-Justiz RS0035979). Im Ergebnis sind die Kosten gegeneinander aufzuheben.
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