OGH 5Ob24/87

OGH5Ob24/873.3.1987

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Marold als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr. Griehsler, Dr. Jensik, Dr. Zehetner und Dr. Klinger als Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Wilhelm H***, Angestellter, 2. Dr. Herbert P***, Angestellter, 3. Josü M***, im Haushalt, 4. Friedrich M***, 5. Franziska P***, Angestellte,

  1. 6. Edith S***, im Haushalt, 7. Franz S***, Angestellter,
  2. 8. Leopoldine P***, Angestellte, und 9. Ludwig S***, alle Schulgasse 43 a, 1180 Wien, alle vertreten durch Dr. Alexander Grohmann, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Dkfm. Kurt K***, Steuerberater, Vegagasse 21, 1190 Wien, vertreten durch Dr. Gerhard Rieger, Rechtsanwalt in Wien, wegen Beseitigung und Unterlassung baulicher Veränderungen (Streitwert S 500.000,--), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 23. Oktober 1986, GZ. 13 R 210/86-17, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 24. April 1986, GZ. 19 Cg 24/86-13, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, den klagenden Parteien die mit S 23.978,25 (darin S 2.092,57 Umsatzsteuer und S 960,-- Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen vierzehn Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Auf der Liegenschaft EZ 717 KG Währing in 1180 Wien, Schulgasse 43 a, wurde der Vordertrakt nach Zerstörung im zweiten Weltkrieg wieder aufgebaut. Das Hintergebäude blieb bestehen. Im Jahre 1955 wurde an Anteilen der Liegenschaft das Wohnungseigentum an den im Neubau vorgesehenen selbständigen Wohnungen und Geschäftsräumen begründet. Mit 8584/19224 Anteilen, mit denen Wohnungseigentum nicht verbunden wurde, blieb der frühere Eigentümer Miteigentümer der Liegenschaft. Er benützte das Hintergebäude und verkaufte dem Beklagten am 30.6.1978 diese 8584/19224 Anteile der Liegenschaft.

Der Beklagte ist nun Miteigentümer der Liegenschaft mit 8584/19224 Anteilen. Er benützte das Hintergebäude, in dem Wohnungen vermietet sind, und ein Werkstättengebäude. Er ließ im Hintergebäude zur Zusammenlegung von Wohnungen Mauern errichten und andere entfernen, im Erdgeschoß einen Zubau herstellen und in der Durchfahrt zum zweiten Hof eine Zwischendecke einziehen, ohne sich mit den Klägern, die Mit- und Wohnungseigentümer der Liegenschaft sind, in Verbindung zu setzen und ihre Zustimmung einzuholen. Die Baubehörde trug allen Miteigentümern der Liegenschaft am 27.11.1980 mit Bescheid auf, die ohne baubehördliche Bewilligung durchgeführten baulichen Abänderungen und den Zubau im Lichthof binnen acht Wochen beseitigen zu lassen und den konsensgemäßen Zustand wieder herzustellen, sofern nicht innerhalb dieser Frist um die nachträgliche Baubewilligung angesucht und diese in der Folge erwirkt wird.

Die Kläger waren nicht bereit, den baulichen Veränderungen nachträglich zuzustimmen.

Sie erhoben am 27.3.1984 die Klage mit den Begehren auf Beseitigung der baulichen Veränderungen und Wiederherstellung des früheren Zustandes und auf Unterlassung jeder Veränderung des konsensgemäßen Zustandes der auf der gemeinschaftlichen Liegenschaft errichteten Gebäude. Der Beklagte habe den Auftrag der Baubehörde nicht befolgt und den Klägern angedroht, er werde auch einen Dachausbau ohne Genehmigung ausführen lassen.

Der Beklagte beantragte, das Klagebegehren abzuweisen. Er sei vereinbarungsgemäß über das Hintergebäude allein verfügungsberechtigt. Dennoch hätten ihm die Kläger die zur Erwirkung der nachträglichen Bewilligung der mit dem Ziel, Wohnungen zeitgemäßen Standards zu schaffen, vorgenommenen baulichen Veränderungen erforderliche Zustimmung verweigert. Sie seien nach § 13 Abs 2 WEG dazu verpflichtet. Die Prozeßführung sei schikanös, den Klägern fehle jedes Rechtsschutzinteresse.

Das Erstgericht gab dem auf Beseitigung der baulichen Veränderungen und Wiederherstellung des früheren Zustandes gerichtetem Begehren und dem auf Unterlassung künftiger Veränderungen des baukonsensgemäßen Zustandes der Gebäude gerichteten Begehren statt.

Das Berufungsgericht bestätigte und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 300.000,-- übersteigt.

Die Vorinstanzen beurteilten den festgestellten Sachverhalt übereinstimmend rechtlich dahin, daß der Beklagte zur Erfüllung der Aufträge der Baubehörde zu verhalten sei, weil er eigenmächtig ohne Zustimmung aller Miteigentümer der Liegenschaft rechtswidrig und ohne Genehmigung bauliche Veränderungen vorgenommen habe. Das Berufungsgericht führte noch aus, der Beklagte sei bloß schlichter Miteigentümer und könne sich, weil mit seinen Eigentumsanteilen Wohnungseigentum an selbständigen Wohnungen oder sonstigen selbständigen Räumlichkeiten (§ 1 WEG 1975) nicht verbunden sei, nicht auf die nur einem Wohnungseigentümer zukommenden Rechte berufen. Aus dem Kauf- und Wohnungseigentumsvertrag vom 15.3.1955 ergebe sich, daß mit dem (Einzel-)Rechtsvorgänger des Beklagten Begründung von Wohnungseigentum nur an den im Gassentrakt zu errichtenden Wohnungen und Geschäftsräumen vorgesehen war und die Benützung des Hintergebäudes als "freier Altbestand" dem Eigentümer der nicht mit Wohnungseigentum verbundenen (8584/19224) Anteile der Liegenschaft verbleiben sollte. Die vom Beklagten vorgenommenen baulichen Veränderungen gingen über Erhaltung und andere Miteigentümer nicht berührende nützliche Verbesserungen im Inneren der Mietwohnungen hinaus, stellten wichtige Veränderungen dar und durften, selbst wenn dem Beklagten der ausschließliche Gebrauch des Hintergebäudes vertraglich eingeräumt war, nicht eigenmächtig ohne Zustimmung der übrigen Teilhaber oder eine genehmigende Entscheidung des Außerstreitrichters vorgenommen werden. Jeder dadurch in seiner Rechtsstellung verletzte Miteigentümer könne auf Beseitigung und Unterlassung dieser Eingriffe dringen. Von Schikane könne nicht die Rede sein, weil die Kläger schon wegen des baubehördlichen Auftrages ein Interesse an der Durchsetzung des Anspruches hätten und ihre Klage erhoben nicht bloß um den Beklagten zu schädigen hätten. Die Kläger könnten in eine Haftung geraten, wenn ohne die schon nach der Bauordnung erforderliche Zustimmung aller Liegenschaftseigentümer wesentliche Veränderungen erfolgen, auf die sich eine bestehende Benützungsregelung nicht beziehe. Das Vorliegen der Voraussetzungen für die Genehmigung von Veränderungen durch den Außerstreitrichter könne im Prozeß nicht als Vorfrage geprüft werden. Auch der Unterlassungsanspruch bestehe, weil sich der Beklagte selbst im Rechtsstreit widersetze und den Standpunkt vertrete, er sei ohne die Zustimmung der übrigen Teilhaber der gemeinschaftlichen Sache zu Veränderungen des baukonsensgemäßen Zustandes im Hintergebäude befugt.

Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes erhebt der Beklagte die nach § 502 Abs 4 Z 2 ZPO zulässige Revision aus den Gründen des § 503 Z 2 und 4 ZPO mit dem Antrag auf Abänderung in die Abweisung der Klagebegehren. Hilfsweise liegt ein Aufhebungsantrag vor. Die Kläger beantragen, der Revision des Gegners nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Die geltend gemachte Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens, die der Beklagte im Unterbleiben der Untersuchung erblickt, inwieweit seine Bauführung schutzwürdige Interessen der Kläger verletzte und welche Absichten bei Abschluß des Wohnungseigentumsvertrages in Ansehung des Nutzungsrechtes des Beklagten bestanden, liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO). Dem Beseitigungs- und dem Unterlassungsbegehren wurde in Übereinstimmung mit Lehre und Rechtsprechung ohne Rechtsirrtum stattgegeben. Der Beklagte hat sich als schlichter (Minderheits-)Eigentümer der Liegenschaft, an der schon 1955 wenn auch nur auf bestimmten Anteilen Wohnungseigentum begründet worden war, angemaßt, er dürfe, weil eine vertragliche oder faktische Benützungsregelung dahin bestand, daß er wie der Voreigentümer der ihm durch Kauf überlassenen Anteile das Hintergebäude verwalte und die dort vorhandenen Wohnungen vermiete, auch wesentliche Veränderungen durch Bauführung vornehmen und diese Baumaßnahmen ausgeführt, ohne die Einwilligung aller Mit-(und Wohnungs-)Eigentümer einzuholen oder sich an den Außerstreitrichter zu wenden und dessen Entscheidung abzuwarten.

Einen solchen eigenmächtigen rechtswidrigen Eingriff kann jeder Miteigentümer und daher auch der einzelne Minderheitseigentümer im Rechtswege mit der auf Beseitigung und Wiederherstellung des früheren Zustandes gerichteten Klage abwehren und gegen die Gefahr künftiger Eingriffe auch einen Unterlassungstitel beschaffen (MietSlg 34.066; MietSlg 35.656; MietSlg 28.487/6). Die Bestimmungen des § 26 WEG 1975 gelten auch für Wohnungseigentum, das durch bücherliche Einverleibung auch nur auf einzelnen Anteilen vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes mit dem 1.9.1975 begründet wurde (§ 29 Abs 2 WEG). Auch für die Bestandteile der Liegenschaft, an welchen Wohnungseigentum nicht besteht, gelten die Vorschriften über die Gemeinschaft des Eigentums nach dem

16. Hauptstück des ABGB nach Maßgabe der diese ergänzenden Sonderregelungen des Wohnungseigentumsgesetzes (MietSlg 35.644;

MietSlg 29.531; Meinhart, WEG 1975, 118 und 122;

Faistenberger-Barta-Call, WEG 1975, 393).

Der Revisionswerber meint, mit seinen Anteilen sei bisher zwar Wohnungseigentum nicht verbunden, doch stehe ihm ein Anspruch auf Begründung von Wohnungseigentum zu, weil die übrigen Mit- und Wohnungseigentümer nach § 2 Abs 2 WEG ihre Zustimmung nicht verweigern dürften. Er müsse daher, um eine bedenkliche Ungleichbehandlung zwischen schlichtem Miteigentümer und den Wohnungseigentümern zu vermeiden, die gleichen Rechte haben, wie ein Wohnungseigentümer. Danach aber sei er zu den vorgenommenen Änderungen berechtigt, weil sie weder eine Schädigung des Hauses noch eine Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen der übrigen Miteigentümer zur Folge hätten. Die Prüfung der Befugnis nach § 13 Abs 2 Z 1 WEG sei zu Unrecht unterblieben.

Diesen Ausführungen ist entgegenzuhalten, daß § 13 Abs 2 WEG nur regelt, unter welchen Voraussetzungen der Wohnungseigentümer berechtigt ist, auf seine Kosten Änderungen an der im Wohnungseigentum stehenden Wohnung oder sonstigen Räumlichkeit vorzunehmen, und sich daher als Individualrecht nur auf die Wohnungseigentümer beziehen kann (Meinhart, WEG 1975, 131). Eine ungleiche Behandlung kann im Prozeß über die Klage eines oder mehrerer Mit-(und allenfalls Wohnungs-)eigentümer auf Unterlassung und/oder Beseitigung rechtswidriger Änderungen, die ohne die Zustimmung der übrigen Teilhaber und ohne einen diese ersetzenden rechtsbegründenden Beschluß des Außerstreitrichters im Verfahren nach dem § 26 Abs 1 Z 2 oder 3 WEG durch einen Miteigentümer erfolgt oder beabsichtigt sind, schon deshalb nicht angenommen werden, weil auch die Prüfung der Voraussetzungen nach § 13 Abs 2 WEG dem Außerstreitrichter vorbehalten und dem Prozeßrichter daher entzogen ist. Ohne Entscheidung des Außerstreitrichters kann die Beseitigung eigenmächtig vorgenommener wichtiger Veränderungen im Prozeß durchgesetzt werden, weil diese Entscheidung des Außerstreitrichters rechtsgestaltend wirkt und auch nicht vom Streitrichter vorweggenommen werden kann (SZ 54/129 = EvBl 1982/61 = MietSlg 33.574/19; SZ 49/52 = MietSlg 28.487/6; MietSlg 35.657). Es macht daher bei der Beurteilung des erhobenen Wiederherstellungs- und Unterlassungsanspruches keinen Unterschied, ob der Beklagte als schlichter Miteigentümer mit seinen schon nach dem 16.Hauptstück des ABGB bestehenden Individualrechten eigenmächtig in das Miteigentum der Kläger eingegriffen hatte. Er müßte ebenso im Rechtsstreit unterliegen, wenn er Wohnungseigentümer wäre und die Änderungen ohne eine die Zustimmung der Kläger ersetzende Genehmigung des Außerstreitrichters veranlaßt hätte (Würth in Rummel, ABGB, Rz 1 und Rz 7 zu § 13 WEG). Das Interesse eines Miteigentümers an der Abwehr eines eigenmächtigen Eingriffes in das Miteigentum ist stets zuzubilligen und schließt die Annahme, der einzige Grund der Rechtsausübung bilde die Absicht, den Beklagten zu schädigen (§ 1295 Abs 2 ABGB), aus (MietSlg 31.055 ua.). Es bedurfte daher nicht der Untersuchung, inwieweit die einzelnen Kläger durch die Baumaßnahmen des Beklagten berührt wurden. Da sie nach der Wiener Bauordnung zur Beseitigung der ohne eine die Zustimmung aller Miteigentümer der Liegenschaft voraussetzende Baubewilligung durchgeführten baulichen Abänderungen verhalten wurden (§ 129 Abs 10 der Bauordnung für Wien), hat das Berufungsgericht zutreffend auch das Vorliegen eines Interesses an der Erfüllung der Beseitigungspflicht des Beklagten angenommen. Der Beklagte, der im Rechtsstreit dem Wiederherstellungs- und dem Unterlassungsbegehren bis zuletzt mit dem Beharren auf der Zulässigkeit seines Vorgehens entgegengetreten ist, kann nicht den Wegfall der Wiederholungs- oder Begehungsgefahr daraus ableiten, daß er wegen der bedeutenden Nachteile im Falle des Unterliegens in diesem Rechtsstreit künftig keine eigenmächtigen Änderungen vornehmen werde. Bei der Prüfung der eine materiell-rechtliche Voraussetzung des Unterlassungsanspruches bildenden Wiederholungsgefahr darf nicht engherzig vorgegangen werden. Die Bestreitung des Anspruchs gibt in der Regel Grund zur Annahme, daß (auch) künftig Rechtsverletzungen drohen (Reischauer in Rummel, ABGB, Rz 23 zu § 1294; Fasching, Zivilprozeßrecht, Rz 1069; Koziol-Welser, Grundriß 7 I, 194; ÖBl 1980, 7; ÖBl 1979, 80). Vertritt der auf Unterlassung in Anspruch genommene Beklagte die Auffassung, er sei zu dem ihm zu untersagenden Vorgehen berechtigt, besteht regelmäßig nicht die Gewähr für das Unterbleiben künftiger Eingriffe (ÖBl 1982, 102; ÖBl 1985, 14 u.v.a.).

Es liegt daher auch keine unrichtige rechtliche Beurteilung der Sache durch das Berufungsgericht vor.

Nach den §§ 41 und 50 ZPO hat der Beklagte den Klägern auch die Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.

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