OGH 1Ob47/04z

OGH1Ob47/04z18.3.2004

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer, Dr. Zechner und Univ. Doz. Dr. Bydlinski als weitere Richter in der Rechtssache der Antragsteller 1) Johann T*****, 2) Christine T*****, beide *****, 3) Helga L*****, 4) Christine S*****, 5) Univ. Prof. Dipl. Ing. Dr. Werner W*****, 6) Mag. Silvia W*****, beide *****, 7) Franka I*****, 8) Irmgard R*****, 9) Kurt R*****, beide *****, alle vertreten durch Flendrovsky & Hansély Rechtsanwälte OEG in Wien, 10) Maximilian F*****, 11) Elfriede F*****, beide *****, 12) Udo W*****, und 13) Hilda P*****, alle vertreten durch Dr. Josef Deitzer, Rechtsanwalt in Schwechat, wider den Antragsgegner Josef P*****, vertreten durch Dr. Hermann Geissler, Rechtsanwalt in Wien, wegen Benützungsregelung infolge außerordentlicher Revisionsrekurse der Antragsteller gegen den Beschluss des Landesgerichts Korneuburg als Rekursgericht vom 24. November 2003, GZ 22 R 15/03s‑20, folgenden

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2004:0010OB00047.04Z.0318.000

 

Spruch:

Die außerordentlichen Revisionsrekurse werden mangels der Voraussetzungen des § 14 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

 

 

Begründung:

 

Die Antragsteller sind gemeinsam Miteigentümer von 11/26‑stel Anteilen, der Antragsgegner ist Miteigentümer von 15/26‑stel Anteilen einer Liegenschaft in Velm. Den Antragstellern steht "die alleinige Nutzung von Parzellen am Ostufer" eines Badeteichs auf dieser Liegenschaft zu. Diese Parzellen waren bis 1994 oder 1995 durch eine Wasserleitung mit einem öffentlichen Netz und durch einen Kanal mit einer Kläranlage des Antragsgegners verbunden. 1994 oder 1995 wurden diese Anschlüsse durch Handlungen des Antragsgegners unterbunden. Seither haben die Parzellen der Antragsteller weder eine Wasserversorgung noch eine Wasserentsorgung.

Die Antragsteller begehrten die Erlassung einer Benützungsregelung, durch die ihnen die Herstellung einer Wasser- und Abwasserleitung durch Baumaßnahmen nach einem bestimmten "technischen Bericht" samt Planskizze ermöglicht wird.

Das Erstgericht gab dem Antrag statt.

Das Rekursgericht wies den Antrag ab. Es sprach ferner aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 20.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Nach dessen Ansicht können Minderheitsmiteigentümer nur eine Benützungsregelung, nicht dagegen eine sonstige Verwaltungsmaßnahme, die von den Mehrheitsmiteigentümern abgelehnt werde, gerichtlich erzwingen. Demzufolge sei eine von der Minderheit gewünschte, jedoch von der Mehrheit abgelehnte wichtige Veränderung gegen deren Willen nicht durchsetzbar. Die Antragsteller strebten in Wahrheit nicht eine "Regelung der Benützung von Teilflächen durch einzelne Miteigentümer", sondern die Bewilligung bestimmter Baumaßnahmen als wichtige Veränderung an. Der ordentliche Revisionsrekurs sei nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer erheblichen Rechtsfrage abhänge, habe der Oberste Gerichtshof doch die vom Rekursgericht beachtete Differenzierung schon in der Entscheidung 8 Ob 1613/92 (= wobl 1992/158) begründet.

 

Rechtliche Beurteilung

Die Revisionsrekurse sind unzulässig.

1. Die Rechtsmittelwerber verfechten - kurz zusammengefasst - den Standpunkt, lediglich eine Benützungsregelung im engeren Sinn anzustreben. Es solle nicht ein Rohrsystem kraft einer gemeinsamen Verwaltungsmaßnahme hergestellt werden, sondern jeder Antragsteller wolle gleichsam für sich innerhalb der Eigentümergruppe - demnach nicht für die Gesamtheit der Miteigentümer - Rohre verlegen, um sich mit Wasser versorgen und Abwasser entsorgen zu können. Antragsgegenstand sei somit nicht die Errichtung einer Wasserver- und -entsorgungsanlage für die Liegenschaft als Ganzes. Der Antragsgegner müsse auch nicht einen Teil der Kosten der beantragten Maßnahmen tragen.

2. Nach der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs sind Verwaltungshandlungen für die Gemeinschaft der Miteigentümer einerseits von den bloßen Besitz- oder Gebrauchshandlungen einzelner Teilhaber, andererseits von den Verfügungen über das Gemeinschaftsgut oder einzelne Anteile daran zu unterscheiden. Verwaltungshandlungen sind durch das Erfordernis gemeinsamen Vorgehens aller Teilhaber charakterisiert, weil es um die Wahrnehmung deren Interessen geht. Sie unterscheiden sich von den bloßen Besitz- oder Gebrauchshandlungen einzelner Miteigentümer dadurch, dass mit ihnen Geschäfte der Gemeinschaft besorgt werden. Zur Verwaltung gehört alles, was Interessen der Miteigentümergemeinschaft bei der Nutzung und Erhaltung des Gemeinschaftsguts berühren kann. Deren Abgrenzung gegenüber Verfügungen über das Gemeinschaftsgut erfolgt nach den Auswirkungen von Geschäftsführungsakten auf dieses Gut bzw die Anteile der Miteigentümer. Eine Verfügung über das Gemeinschaftsgut greift in die Substanz der Gemeinschafts- oder Anteilsrechte ein (grundlegend 5 Ob 458/97g = MietSlg 49.040/44; siehe ferner RIS‑Justiz RS0109188). Verwaltungshandlungen zeichnen sich dagegen dadurch aus, dass Geschäfte der Gemeinschaft besorgt werden. Sie zielen darauf ab, gemeinschaftliche Pflichten zu erfüllen oder gemeinschaftliche Interessen wahrzunehmen (1 Ob 163/03g = EvBl 2004/26 = wobl 2004/4; 5 Ob 299/99b = MietSlg 51.525).

Auch hier ist die Unterscheidung zwischen zulässigen und unzulässigen Verfügungen über gemeinschaftliches Eigentum nach § 828 ABGB, außerordentlichen Verwaltungsmaßnahmen als wichtige Veränderungen gemäß § 834 ABGB und (angestrebten) bloßen Besitz- oder Gebrauchshandlungen einzelner Miteigentümer, die Gegenstand einer gerichtlichen Benützungsregelung sein können, wesentlich. Dabei ist insbesondere von Bedeutung, dass bei Veränderungen tatsächlicher und rechtlicher Natur an der Substanz und im Gebrauch (Gamerith in Rummel, ABGB³ § 828 Rz 4), die unter § 828 ABGB fallen, die fehlende Zustimmung eines Teilhabers durch einen Beschluss des Außerstreitrichters nicht ersetzt werden kann (5 Ob 174/02b mwN aus der Rsp; Gamerith aaO § 828 Rz 1, 4). Substanzveränderungen ohne Einstimmigkeit sind sogar dann unzulässig, wenn sie die Teilhabern zur Sondernutzung zugewiesenen Teile des Gemeinschaftsguts beträfen, aber in die Rechtssphäre der Übrigen durch eine Berührung deren wichtigen Interessen eingriffen (5 Ob 174/02b; Gamerith aaO § 828 Rz 4). Solche Substanzveränderungen können insbesondere durch Baumaßnahmen geschehen (5 Ob 174/02b [Dachbodenausbau]; Gamerith aaO § 828 Rz 4 mwN). Wichtige bauliche Veränderungen sind Maßnahmen, die über den bloßen Erhaltungszweck hinausgehen (RIS‑Justiz RS0013573; Gamerith aaO § 834 Rz 6).

3. Nach der soeben erörterten Rechtslage ist den Antragstellern zuzugestehen, dass sie mit ihrem Begehren nicht die gerichtliche Genehmigung einer - bloß von ihnen gewollten - Maßnahme der außerordentlichen Verwaltung durch Vornahme einer wichtigen Veränderung am Gemeinschaftsgut im Interesse aller Miteigentümer anstreben. Gleichwohl musste ihr Antrag im Ergebnis scheitern, zielte er doch auf eine Verfügung über das Gemeinschaftsgut nach § 828 ABGB durch die Bewirkung einer Substanzänderung - in erster Linie an Liegenschaftsteilen, die den Antragstellern nicht zur Sondernutzung zugewiesen sind - allein in deren eigenem Interesse ab. Nach dem der Entscheidung des Erstgerichts angehefteten technischen Bericht bestünde die beabsichtigte bleibende Substanzveränderung in der Verlegung unterirdischer Rohrleitungen im Zuge umfangreicher Baumaßnahmen. Die Rechtmäßigkeit einer solchen Substanzveränderung setzt eine einhellige Willensbildung der Miteigentümer voraus. Das kann nicht einfach mit dem Hinweis entkräftet werden, der Antragsgegner solle mit einem Teil der Kosten der Herstellung der projektierten Leistungen ohnehin nicht belastet werden, wollen doch die Antragsteller zur Realisierung der beabsichtigten Substanzveränderung allein im Interesse der Förderung eigener Interessen auch über die mit den Anteilen des Antragsgegners am Gemeinschaftsgut verbundenen Rechte im Sinne des § 828 ABGB mitverfügen. Insoweit ist ferner maßgebend, dass der Antragsgegner als (Mehrheits‑)Miteigentümer der betroffenen Liegenschaft bei Ausführung der von den Antragstellern beabsichtigten Substanzveränderung mit Haftungen nach öffentlichem Recht (Baurecht, Wasserrecht) belastet werden könnte; das berührt wichtige Interessen des Antragsgegners. Im Licht solcher Erwägungen ist die fehlende Einwilligung des Antragsgegners in die geplante Substanzveränderung - auf dem Boden der unter 2. erläuterten Rechtslage - durch einen Beschluss des Außerstreitrichters nicht ersetzbar. Eine gerichtliche Benützungsregelung kann somit nicht die Genehmigung einer von bestimmten Miteigentümern angestrebten Substanzveränderung des Gemeinschaftsguts zu Lasten anderer Miteigentümer zum Gegenstand haben.

Aus allen bisherigen Erwägungen folgt zusammenfassend, dass die Rechtsmittelwerber keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 14 Abs 1 AußStrG aufzeigten, von deren Lösung die Entscheidung abhängt. Relevant ist - wie gezeigt wurde - nicht die in den Revisionsrekursen erörterte Abgrenzung zwischen wichtigen Veränderungen als Maßnahmen der außerordentlichen Verwaltung des Gemeinschaftsguts und (angestrebten) bloßen Besitz- oder Gebrauchshandlungen einzelner Miteigentümer, sondern die Anwendbarkeit des Tatbestands des § 828 ABGB auf den Anlassfall. Die Revisionsrekurse sind somit zurückzuweisen.

 

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