OGH 4Ob229/23i

OGH4Ob229/23i19.3.2024

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Schwarzenbacher als Vorsitzenden sowie den Vizepräsidenten Hon.‑Prof. PD Dr. Rassi, den Hofrat MMag. Matzka und die Hofrätinnen Mag. Istjan, LL.M., und Mag. Waldstätten als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei DDr. H*, vertreten durch Dr. Walter Brunner, Rechtsanwalt in Klagenfurt am Wörthersee, Nebenintervenient auf Seite der klagenden Partei Dr. E*, vertreten durch Mag. Christoph Rasner, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen die beklagte Partei Dr. M*, vertreten durch Dr. Stephan Rainer und Dr. Michael Rück, Rechtsanwälte in Innsbruck, wegen Feststellung (30.000 EUR), über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 24. Oktober 2023, GZ 10 R 62/23b‑51, womit das Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom 31. Juli 2023, GZ 8 Cg 66/21p‑44, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0040OB00229.23I.0319.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben. Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden mit der Maßgabe bestätigt, dass das Feststellungsbegehren (Pkt 1. des Urteilsspruchs) wie folgt lautet:

„1. Es wird mit Wirkung zwischen den Streitteilen festgestellt, dass die beklagte Partei der klagenden Partei für die Schäden zu haften hat, die der klagenden Partei künftig daraus entstehen, dass der 'Ehevertrag in Notariatsaktform' vom * 1999 zwischen ihr und * deshalb nicht rechtswirksam ist, weil er entgegen § 97 Abs 1 Satz 1 EheG nicht in Form eines Notariatsaktes geschlossen wurde.“

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei und dem Nebenintervenienten die mit jeweils 2.261,40 EUR (darin 376,90 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

[1] Ein mit dem Kläger und seiner damaligen Verlobten (und nunmehrigen Ehefrau) befreundeter Rechtsanwalt hatte für die beiden aus Gefälligkeit (und ohne in der Folge weiter damit befasst worden zu sein) einen schriftlichen „Ehevertrag in Notariatsaktform“ entworfen, mit dem die beiden Verlobten ohne Rechtsanwaltin der Kanzlei des Nebenintervenienten, eines Notars, vorsprachen. Der Notar selbst war zum vereinbarten Termin am* 1999 aufgrund seiner nachmittäglichen Lehrtätigkeit an einer höheren Schule verhindert. An seiner Stelle schritt der Beklagte ein, der zu diesem Zeitpunkt bereits beide Notariatsprüfungen absolviert hatte, zum (Dauer‑)Substituten des Nebenintervenienten für alle während des Jahres 1999 anfallenden Substitutionsfälle bestellt worden war und vom Nebenintervenienten (in dessen Diensten als Angestellter ohne Gewinn‑ oder Umsatzbeteiligung er stand, ohne mit ihm in einem Gesellschaftsverhältnis zu stehen) die Weisung erhalten hatte, als Substitut alle anfallenden Notariatsangelegenheiten nach den gesetzlichen Bestimmungen und im Übrigen nach seinem Ermessen zu erledigen.

[2] Der Beklagte las sich den vom Rechtsanwalt vorbereiteten Text durch und las ihn teilweise dem Kläger und seiner Verlobten vor. In der Folge unterfertigten sie den im Haupttext unverändert gebliebenenVertrag, und der Beklagte beglaubigte als Substitut des Nebenintervenienten die Echtheit der beiden Unterschriften; einen Notariatsakt errichtete er nicht. Der Vertraglautete auszugsweise:

EHEVERTRAG

in Notariatsaktform

Präambel

[Der Kläger und seine Verlobte]beabsichtigen 1999 zu heiraten. Die nachstehenden Regelungen sind in ihrer Wirksamkeit durch diesen Eheschluss aufschiebend bedingt.

[...]

II. Gütertrennung

1. Zwischen[den Vertragspartnern]soll der Grundsatz der Gütertrennung gelten, und zwar auch dann, wenn dieser Grundsatz nicht mehr der gesetzliche Güterstand sein sollte. Jeder Vertragspartner bleibt daher Alleineigentümer der Vermögenswerte, über die er zum Zeitpunkt der Eheschließung verfügt, und wird – sofern nicht im Einzelfall ausdrücklich eine anderslautende Vereinbarung getroffen wird – Alleineigentümer aller in seinem Namen erworbenen Vermögensgegenstände.

2. Zum Zeitpunkt der Unterzeichnung dieses Vertrages sind die Vertragspartner Eigentümer der in den beiliegenden Listen[...]angeführten Vermögenswerte.

3. Soweit die Vertragsparteien ein Unternehmen in Form einer (Zahn‑)arztpraxis führen, vereinbaren sie, dass die Einkünfte aus diesem Unternehmen sowie die zu diesem gehörenden Vermögenswerte im Falle der Scheidung oder Aufhebung der Ehe nicht der Aufteilung unterliegen. Vielmehr verbleiben die zum Unternehmen gehörenden Vermögenswerte sowie die daraus in Vergangenheit und Zukunft erzielten Einkünfte im Alleineigentum desjenigen Ehepartners, in dessen Namen das Unternehmen geführt wird.

Sollten beide Ehepartner das Unternehmen gemeinsam führen, so wird [der Kläger seine Frau] für ihre laufende Mitarbeit während aufrechter Ehe gleich einer Dienstnehmerin entschädigen. Im Falle der Scheidung oder Aufhebung der Ehe verzichtet[die Ehefrau]jedoch auf die Geltendmachung aller Ansprüche hinsichtlich des Unternehmens, sodass dieses keinesfalls der Aufteilung unterliegt. Soweit [die Ehefrau] jedoch selbst Investitionen in das Unternehmen getätigt hat, erhält sie diese zum Barwert am Tag der Rechtskraft der Scheidung oder Aufhebung der Ehe[vom Kläger]ersetzt.

4. Hinsichtlich der ehelichen Ersparnisse wird für den Fall, dass die Ehe geschieden, aufgehoben oder für nichtig erklärt wird, vereinbart, dass diese Eigentum jenes Ehegatten bleiben, in dessen Eigentum sie stehen, ohne dass dafür irgendein Ausgleichsanspruch besteht. Die Vertragspartner verzichten daher ausdrücklich auf eine Antragstellung auf Aufteilung der ehelichen Ersparnisse .

5. Die Vertragsparteien verzichten auch auf eine Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens, soweit dies zum Zeitpunkt der Stellung des Aufhebungsbegehrens gesetzlich zulässig ist.

6. Unentgeltliche Zuwendungen zwischen den Vertragsparteien gelten im Zweifel als Schenkung und nicht als Leihe oder Darlehen.

III. Unterhalt

1. Die Vertragspartner werden während der aufrechten Ehe nach ihren Kräften und gemäß der Gestaltung ihrer ehelichen Lebensgemeinschaft zur Deckung der ihren Lebensverhältnissen angemessenen Bedürfnisse gemeinsam beitragen.

2. Für den Fall, dass die Ehe aufgrund eines Verfahrens auf Scheidung, Aufhebung oder Nichtigerklärung aufgelöst wird, verzichten die Vertragspartner wechselseitig auf jeglichen nachehelichen Unterhaltsanspruch.

[…]“

 

[3] Der Unterschied zwischen einem Ehevertrag in Notariatsaktform und einer bloßen Beglaubigung der Unterschriften war dem Kläger und seiner Verlobten als juristischen Laien damals nicht bekannt und sie wurden vom Beklagten darüber und über die daraus resultierenden rechtlichen Konsequenzen auch nicht aufgeklärt. Der Kläger und seine Verlobte erklärten auch nicht, von einem Notariatsakt abstehen zu wollen. Dem Kläger kam es darauf an, zukünftige vermögensrechtliche Beziehungen im Hinblick auf die baldig geplante Eheschließung im Voraus zu regeln; er wäre ohne Abschluss eines gültigen Ehevertrags nicht zu heiraten bereit gewesen, was von seiner damaligen Verlobten akzeptiert wurde. Der Kläger hätte den Vertrag nicht unterschrieben, wenn er gewusst hätte, dass dieser in der vorliegenden Form rechtlich nicht gültig ist.

[4] Der Kläger und seine Frau, die kurz nach Unterfertigung des Vertrags geheiratet haben, leben seit 2020 in Scheidung; das Gerichtsverfahren ist anhängig. Im Zuge des Verfahrens berief sich die Frau im Jahr 2021 darauf, dass der „Ehevertrag in Notariatsaktform“ hinsichtlich der notariatsaktspflichtigen Vereinbarungen ungültig und somit für die Eheleute nicht bindend sei; auf diesen Umstand der fehlenden Notariatsaktform und daraus folgende Gültigkeitsprobleme war der Kläger schon 2019 von einer Rechtsanwältin aufmerksam gemacht worden.

[5] Eine Klage des Klägers gegen den Notar auf Feststellung der Haftung für die künftig entstehenden Schäden, welche dem Kläger aufgrund des nicht gültigen Ehevertrags erwachsen würden, wurde vom Erstgericht * 2022 zu GZ * unangefochten mit der Begründung abgewiesen, dass der Notar nicht passivlegitimiert sei, weil er für seinen Dauersubstituten nicht hafte, der in einem – wie hier vorliegenden – Substitutionsfall einschreite.

[6] Der Kläger begehrt die Feststellung, dass der Beklagte ihm „für die künftig entstehenden Schäden zu haften hat, welche dem Kläger aufgrund des (iSd Notariatsaktgesetz) nicht gültigen 'Ehevertrag in Notariatsaktform' […]erwachsen“. Der Beklagte habe als selbstständiger Substitut und offensichtlich Partner eines öffentlichen Notars (des Nebenintervenienten) in Form einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts den Auftrag zur Errichtung des „Ehevertrages in Notariatsaktform“ im Namen und für Rechnung sowie unter Verwendung des Amtssiegels des Amtsinhabers erhalten. Er habe entgegen dem erteilten Auftrag und grob schuldhaft keinen den Bestimmungen des NotariatsaktsG entsprechenden Ehevertrag errichtet. Bei sorgfältiger Leistungserbringung hätte ihm auffallen müssen, dass die künftigen Eheleute eine rechtswirksame Einigung für den Fall der Trennung der Ehe gewünscht hätten. Der Beklagte hätte die Vertragsparteien über zwingende Formerfordernisse eines Ehepakts und die Folgen von Formfehlern aufklären müssen. Ihnen sei nicht bewusst gewesen, dass dieser Vertrag nicht gültig sei. Sie seien nicht über die Nichteinhaltung der gesetzlich erforderlichen Form aufgeklärt worden. Bei Aufklärung hätten sie „einen Ehepakt nach allen Regeln der Kunst, insbesondere in der Form des § 1 NotariatsaktsG“ errichtet. Der Beklagte habe vertrags‑ und pflichtwidrig „jegliche Prüfung des Ehevertragsentwurfes insbesondere nach § 53 Notariatsordnung und jegliche Aufklärung über die Folgen des Formmangels unterlassen“. Dem Kläger sei infolge Nichterrichtung eines Notariatsakts durch den Beklagten bereits ein (Primär‑)Schaden entstanden. Davon und von der Person des Schädigers habe der Kläger 2019 erstmals Kenntnis erlangt. Von einer im Voraus geschlossenen Vereinbarung (in Form eines Notariatsakts) über die Aufteilung der ehelichen Ersparnisse und des ehelichen Gebrauchsvermögens mit Ausnahme der Ehewohnung könne das Gericht bei der Aufteilung (nach § 97 Abs 2 EheG) nur abweichen, soweit die Vereinbarung in einer Gesamtbetrachtung des in die Aufteilung einzubeziehenden Vermögens im Zeitpunkt der Aufteilungsentscheidung einen Teil unbillig benachteilige, sodass ihm die Zuhaltung unzumutbar wäre. Eheliche Ersparnisse im Sinne des § 81 EheG schlössen alle Wertanlagen ein, die ihrem Wesen nach für eine Verwertung bestimmt seien, sei es durch Veräußerung oder durch Erzielung von Erträgnissen; dazu gehörten jedenfalls Eigentumswohnungen, welche zwecks Vermietung oder sonst als Wertanlage angeschafft worden seien, sowie Guthaben auf Bankkonten. Diese seien gemäß § 83 EheG nach Billigkeit aufzuteilen, während der im Voraus geschlossene „Ehevertrag in Notariatsaktform“ vorgesehen hätte, dass der Kläger seine Ersparnisse (wie etwa seine Eigentumswohnung und sein Bargeld) im Falle der Scheidung, Aufhebung oder Nichtigerklärung der Ehe behalte. Da seine Frau über keine bzw geringere Ersparnisse verfüge, sei die Unwirksamkeit des abgeschlossenen Ehevertrags für den Kläger von Nachteil. Mangels Quantifizierbarkeit des Schadensausmaßes im derzeitigen Stadium der Ehescheidung werde zur Vermeidung einer Verjährung die alsbaldige Feststellung der Haftung des Beklagten für die künftig entstehenden Schäden begehrt. Die Folgeschäden des ungültigen „Ehevertrages in Notariatsaktsform“ seien noch nicht eingetreten und könnten noch nicht beziffert werden, weil die gesetzlichen Ansprüche nach §§ 81 ff EheG, §§ 66 ff EheG auf Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse sowie des nachehelichen Unterhalts erst nach Beendigung des anhängigen Ehescheidungsverfahrens von der geschiedenen Ehegattin geltend gemacht werden könnten. Der Kläger habe daher ein rechtliches Interesse an der alsbaldigen Feststellung des Bestehens der Haftung des Beklagten wegen seiner mangelhaften Auftragserbringung, die in der „(Nicht‑)Errichtung eines Ehevertrages in Notariatsaktform [...] und/oder [der] gänzlich unterlassene[n] Aufklärung über die Wertlosigkeit der bloßen Beglaubigungstätigkeit bzw über die negativen Folgen des Formfehlers“ bestehe.

[7] Der als Nebenintervenient auf Klagsseite beigetretene Notar, dem vom Beklagten der Streit verkündet worden war, brachte vor, diesersei sein Dauersubstitut gewesen und habe während seiner einen Substitutionsfall bildenden Abwesenheit selbständig gehandelt. Er habe grob fahrlässig die Erstellung eines Notariatsakts (trotz Bezeichnung der Privaturkunde als solchen) unterlassen und den Kläger und seine Ehegattin nicht über die Notwendigkeit eines solchen für die Rechtsgültigkeit des Vertrags aufgeklärt. Ausgehend von der damals gültigen Rechtslage sei der Beklagte damit im Rahmen eines Substitutionsfalls gemäß § 119 NO für den Nebenintervenienten tätig geworden und hafte daher dem Kläger für ihm unterlaufene Fehler direkt; aufgrund dieser selbständigen Funktion als Dauersubstitut seien die Bestimmungen des DHG nicht anzuwenden.

[8] Der Beklagte wandte in erster Instanz ausdrücklich Verjährung ein, weil dem Rechtsvertreter des Klägers bereits unmittelbar nach Beglaubigung das Unterbleiben der Notariatsaktsform zur Kenntnis gelangt sei. Der Beklagte sei als unselbstständiger Dienstnehmer des Notars tätig gewesen, zu dem auch kein Gesellschafts-, Kooperations‑ oder Auftragsverhältnis bestanden habe. Es sei weder ein Substitutionsfall des § 119 Abs 1 NO (in der damals geltenden Fassung) vorgelegen noch sei dem Beklagten vom Nebenintervenienten im Sinne des § 121 Abs 2 NO (in der damals geltenden Fassung) Auftrag erteilt worden. Die Vornahme der Beglaubigungen sei haftungsrechtlich nicht anders zu beurteilen als eine solche Tätigkeit von nicht zu Notarsubstituten bestellten Notariatskandidaten (§ 119 Abs 4 NO). Der unselbständige Notarsubstitut übernehme neue Aufträge im Namen und auf Rechnung des Notars in dessen Auftrag und unter dessen Verantwortung; der substituierte Notar hafte der Partei für Fehlverhalten des Notarsubstitutes nach § 1313a ABGB. Der Kläger und seine damalige Verlobte hätten gar keinen Notariatsakt beauftragt. Der „Ehevertrag in Notariatsaktform“ sei in Bezug auf die Vertragspunkte II.1., II.2., II.3. und II.6. nicht mangels Notariatsaktform unwirksam, zumal es hierfür gar keiner gesonderten Vereinbarung – in welcher Form auch immer – bedurft hätte; zu Vertragspunkt II.3. komme hinzu, dass der Kläger und seine Frau kein gemeinsames Unternehmen in Form einer Zahnarztpraxis führen oder betreiben würden. Der Vertragspunkt II.5. sei zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses wegen Widerspruchs zu § 97 Abs 1 Satz 1 EheG (in der damals geltenden Fassung) jedenfalls rechtlich unzulässig gewesen. Der Vertragspunkt III.1. zum Thema „Unterhalt“ entspreche der damals wie heute geltenden Gesetzeslage. Der Vertragspunkt III.2. sei nichtig, zumal eine Vereinbarung betreffend einen nachehelichen Unterhalt vor Eheschließung gemäß § 80 EheG (in der damals geltenden Fassung) unzulässig, aber jedenfalls an keine bestimmte Form gebunden wäre. Einzig der Vertragspunkt II.4. sehe hinsichtlich der ehelichen Ersparnisse im Scheidungsfall vor, dass diese Eigentum jenes Ehegatten bleiben würden, in dessen Eigentum sie stünden, ohne dass dafür irgendein Ausgleichsanspruch bestehe. Der Kläger habe bisher keine ehelichen Ersparnisse behauptet bzw konkret ins Treffen geführt. Ein Aufteilungsverfahren sei nicht anhängig, zumal die Ehe ja noch nicht einmal geschieden sei. Selbst im Falle eines allenfalls irgendwann einmal stattfindenden gerichtlichen Aufteilungsverfahrens würde auch eine in Notariatsaktform abgeschlossene Vereinbarung laut Vertragspunkt II.4. der richterlichen Kontrolle unterliegen (§ 97 Abs 2 EheG), wenn die Vereinbarung in einer Gesamtbetrachtung des in die Aufteilung einzubeziehenden Vermögens im Zeitpunkt der Aufteilungsentscheidung einen Teil unbillig benachteiligen würde, sodass diesem die Zuhaltung unzumutbar sei. Im Ergebnis sei ein dem Kläger aus der fehlenden Notariatsaktform konkret drohender Schaden oder Nachteil bislang weder bestimmt behauptet worden noch drohe tatsächlich ein solcher Nachteil. Dem Kläger fehle es daher an einem entsprechenden Feststellungsinteresse. Der von ihm bloß unsubstanziiert als „bereits gewiss eingetreten“ behauptete Primärschaden liege nicht vor und sei dem klägerischen Vorbringen auch nicht zu entnehmen; die Klage sei daher unschlüssig.

[9] Das Erstgericht gab der Klage statt. Da der Kläger erst seit 2019 von der Nichteinhaltung der Notariatsaktform erfahren habe, sei die 2021 angebrachte Klage nicht verjährt. Das BRÄG 2008 sei nicht rückwirkend anwendbar. Nach der 1999 geltenden, hier anzuwendenden Rechtslage sei der Beklagte Dauersubstitut in einem Substitutionsfall gewesen und daher passiv legitimiert. Das Feststellungsinteresse sei gegeben, weil die Frau des Klägers sich bereits als nicht an die Vereinbarungen gebunden bezeichnet habe, sodass die Möglichkeit eines – wenn auch noch nicht bezifferbaren – Vermögensschadens evident sei.

[10] Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Entgegen der Berufung des Beklagten, der darin lediglich die mangelnde Passivlegitimation und das fehlende Feststellungsinteresse geltend gemacht hatte (und auf den Einwand der Verjährung nicht mehr zurückgekommen war), teilte es die Auffassung des Erstgerichts zur Nichtrückwirkung des BRÄG 2008, zur Anwendung der Bestimmungen der NO in der im Jahr 1999 geltenden Fassung und zu deren Auslegung dahin, dass der Beklagte als Dauersubstitut in einem Substitutionsfall tätig geworden und daher nicht als Gehilfe zu qualifizieren sei. Der Beklagte sei nicht Vertragspartner des Klägers geworden, er habe aber nach § 39 NO wie ein Notar die Verletzung von Amtspflichten zu verantworten, was ihn dem Kläger gegenüber direkt haftbar mache, zumal er gegen §§ 52 ff NO verstoßen habe, die als Schutzgesetze anzusehen seien. Das Feststellungsinteresse sei gegeben, weil der Kläger konkret aufgezeigt habe, dass im Unterbleiben der Errichtung eines Notariatsakts ein schädigendes Ereignis liege, das potenziell einen (zukünftigen) Schaden auslösen könne; ein bereits eingetretener (Primär‑)Schaden sei nicht erforderlich, sondern es genüge – wie hier – ein drohender Schaden im Rahmen des anhängigen Scheidungs‑ und eines allfällig nachfolgenden Aufteilungsverfahrens zufolge der Nichtanwendbarkeit des Punkts II.4 des Ehevertrags. Zudem diene die Feststellung auch der Klarstellung der Haftungsfrage dem Grunde nach im Hinblick auf die Fragen der Passivlegitimation und der maßgeblichen Anspruchsgrundlage.

[11] Das Berufungsgericht bewertete seinen Entscheidungsgegenstand mit 5.000 EUR, aber nicht 30.000 EUR übersteigend und ließ die ordentliche Revision zu, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zur direkten Haftung des Notarsubstituten nach den Bestimmungen der NO in der Fassung vor dem BRÄG 2008 fehle.

[12] Mit seiner ordentlichen Revision beantragt der Beklagte die Klagsabweisung; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

[13] Kläger und Nebenintervenient beantragen, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.

[14] Die Revision ist zur Verdeutlichung der Rechtslage zulässig; sie ist aber nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

[15] Die Revision wirft als erhebliche Rechtsfragen die nach einer Rückwirkung der durch das BRÄG 2008 geschaffenen Rechtslage sowie die nach der Haftung des Notarsubstituten nach der NO in der Fassung vor dem BRÄG 2008 auf. Die unrichtigen Lösungen dieser beiden Fragen werden auch als Revisionsgründe der unrichtigen rechtlichen Beurteilung ins Treffen geführt; daneben werden die unrichtige Beurteilung des Vorliegens von Feststellungsinteresse, Substitutionsfall und Schutzgesetzverletzung als Rechtsfehler geltend gemacht.

[16] 1.1. Durch Art II Berufsrechts‑Änderungsgesetz 2008 (BRÄG 2008, BGBl I 2007/111) wurde die Notariatsordnung, RGBl 1871/75 (NO), geändert; deren § 123 Abs 1 idF Art I Z 24 BRÄG 2008 lautet:

„(1) Der Substitut hat alle Geschäfte des Notars zu besorgen und die Geschäftsregister und Verzeichnisse des Notars weiterzuführen. Die dem Notar erteilten Vollmachten gelten auch für den Substituten. Die Bestellung zum Substituten bewirkt keinen Übergang des Unternehmens, Betriebs oder Teilbetriebs. Die Österreichische Notariatskammer hat dem Substituten Zugang zu den vom Notar im Urkundenarchiv des österreichischen Notariats nach § 140e gespeicherten Urkunden zu ermöglichen. Der Notarsubstitut übernimmt neue Aufträge im Namen und auf Rechnung des Notars; letzterer haftet der Partei nach § 1313a ABGB.“

 

[17] Diese Bestimmung trat nach Art XVII § 1 BRÄG 2008 mit 1. 1. 2008 in Kraft; nähere Bestimmungen, auf welche Sachverhalte der neugefasste § 123 NO anzuwenden ist, enthält das Gesetz nicht.

[18] 1.2. Die Vorinstanzen haben bereits zutreffend darauf verwiesen, dass gemäß § 5 ABGB bei Änderungen der materiellen Rechtslage nach einem neuen Gesetz nur die nach seinem Inkrafttreten verwirklichten Sachverhalte zu beurteilen sind; vorher verwirklichte Sachverhalte sind – ebenso wie vorher entstandene Rechte – weiterhin dem alten Gesetz zu unterwerfen (RS0008715). Die Wirkungen einer (materiellen) Gesetzesänderung umfassen, sofern der Gesetzgeber nicht etwas anderes verfügt (vgl RS0008713, RS0008694) oder der besondere Charakter einer zwingenden Norm deren rückwirkende Anordnung verlangt, keine Tatbestände, die vor dem Inkrafttreten des neuen Gesetzes abschließend und endgültig verwirklicht wurden (RS0008715 [T5]); deren Beurteilung hat nach der im Zeitpunkt der Entstehung des Anspruchs geltenden Rechtslage zu erfolgen (vgl 8 Ob 49/18s mwN).

[19] 1.3. Bereits das Berufungsgericht hat völlig zutreffend darauf hingewiesen, dass weder aus der vom Beklagten in der Revision – ebenso wie schon in seiner Berufung – ins Treffen geführten Schrifttumsstelle (Jud, Konkurs des Notars und Treuhandschaft: Zur Stellung des Notariatssubstituten, NZ 2008/95, 353 [356]) noch aus den Mat (ErläutRV 303 BlgNR 23. GP  7 und 28 f) eine rückwirkende Anwendbarkeit des § 123 Abs 1 NO idF BRÄG 2008 abzuleiten ist. Dazu kommt, dass die Gesetzesmaterialien nicht Gesetz sind und dieses auch nicht authentisch interpretieren (RS0008799 [T3]); nach dem klaren Wortlaut des § 8 ABGB und der Rechtsprechung kann die authentische Interpretation eines Gesetzes nur durch eine Erklärung des Gesetzgebers vorgenommen werden, die sich als Gesetz darstellt und auch als Gesetz kundgemacht worden ist (RS0008905 [T3]). Davon, dass die zitierten Mat eine rückwirkende authentische Interpretation wären, kann somit keine Rede sein.

[20] 1.4. Die Anwendung der am 30. 9. 1999 geltenden Rechtslage auf den vorliegenden Fall und den an diesem Tag vollständig verwirklichten Haftungstatbestand ist daher zutreffend erfolgt.

[21] 2. Die einschlägigen Bestimmungen der NO in der am 30. 9. 1999 geltenden Fassung lauteten:

§ 1. (1) Die Notare werden vom Staate bestellt und öffentlich beglaubigt, damit sie nach Maßgabe dieses Gesetzes über Rechtserklärungen und Rechtsgeschäfte, sowie über Tatsachen, aus welchen Rechte abgeleitet werden wollen, öffentliche Urkunden aufnehmen und ausfertigen, dann die von den Parteien ihnen anvertrauten Urkunden verwahren und Gelder und Wertpapiere zur Ausfolgung an Dritte oder zum Erlage bei Behörden übernehmen.

[...]

§ 39. Jede Verletzung der durch dieses Gesetz vorgeschriebenen Amtspflichten macht den Notar strafbar und der Notar haftet den Parteien für den hiedurch verursachten Schaden. Die Strafbarkeit einer verübten Pflichtverletzung wird durch Leistung des Ersatzes nicht aufgehoben.

§ 52. Der Notar ist verpflichtet, bei Aufnahme eines Notariatsaktes die persönliche Fähigkeit und Berechtigung jeder Partei zum Abschlusse des Geschäftes nach Möglichkeit zu erforschen, die Parteien über den Sinn und die Folgen desselben zu belehren und sich von ihrem ernstlichen und wahren Willen zu überzeugen, ihre Erklärung mit voller Klarheit und Bestimmtheit schriftlich aufzunehmen und nach geschehener Vorlesung des Aktes durch persönliches Befragen der Parteien sich zu vergewissern, dass derselbe ihrem Willen entsprechend sei.

§ 53. Wollen die Parteien in den Notariatsakt dunkle oder zweideutige Bestimmungen aufnehmen, welche leicht Anlass zu einem Rechtsstreite geben könnten, oder welche von keiner rechtlichen Wirkung wären, oder ist mit Grund zu besorgen, dass eine Bestimmung die Übervorteilung eines der Kontrahenten bezwecke, so hat der Notar den Parteien diese Bedenken vorzutragen und sie angemessen zu belehren. Bestehen die Parteien dessen ungeachtet auf solchen Bestimmungen, so hat er zwar den Akt aufzunehmen, in demselben aber die von ihm gemachte Vorstellung ausdrücklich anzuführen.

§ 54. (1) Wollen die an einer Urkunde Beteiligten oder Einige derselben unter sich eine bereits errichtete Privaturkunde notariell bekräftigen, so ist hierüber ein Notariatsakt aufzunehmen.

(2) Die Privaturkunde muss dem Notare vorgelegt, von ihm nach Vorschrift der §§ 34, 36, 52 und 53 geprüft, und wenn der Aufnahme des Aktes kein Hindernis entgegensteht, von ihm und den etwa zuzuziehenden Aktszeugen (§ 56) unterzeichnet werden.

(3) Die Urkunde ist sohin dem nach den allgemeinen Vorschriften aufzunehmenden Notariatsakte beizuheften und bildet mit ihrem Inhalte einen ergänzenden Bestandteil desselben.

§ 119. (1) Wird durch Urlaub, Krankheit, Abwesenheit, Suspension, Amtsentsetzung, Tod oder Austritt eines Notars oder aus anderen Gründen die Substituierung desselben notwendig, so ist auf Antrag der Notariatskammer von dem Präsidenten des Gerichtshofes erster Instanz am Sitze der Kammer ein Substitut zu bestellen.

(2) Im Falle eines Urlaubes oder einer Krankheit hat der zu substituierende Notar, in anderen Fällen die Notariatskammer einen geeigneten Substituten in Vorschlag zu bringen.

(3) Als Substitut ist ein Notar desselben Kammersprengels zu bestellen; es kann jedoch auch ein geeigneter Notariatskandidat desselben Kammersprengels oder eine andere geeignete Person zum Substituten bestellt werden, wenn der Betreffende alle Erfordernisse zur Erlangung einer Notarstelle aufweist; [...]

§ 120. (1) Auf Antrag der Notariatskammer ist ein von dem zu substituierenden Notar vorgeschlagener Notar oder Notariatskandidat (§ 119 Abs 3) desselben Kammersprengels für alle während eines Kalenderjahres eintretenden Substitutionsfälle im Vorhinein zum Substituten zu bestellen (Dauersubstitut). [...]

§ 121. (1) Erfüllt der zum Dauersubstituten vorgeschlagene Notariatskandidat alle Erfordernisse zur Erlangung einer Notarstelle, so wird er ohne zeitliche Befristung bestellt.

(2) Ist der nach Abs 1 zum Dauersubstituten bestellte Notariatskandidat außerdem bei dem zu substituierenden Notar angestellt oder dessen Partner, so ist er berechtigt, den Notar in Amtsgeschäften auch dann zu vertreten, wenn kein Substitutionsfall nach § 119 Abs 1 vorliegt. Der Notar darf jedoch den Dauersubstituten in diesem Fall zur Vornahme von Amtsgeschäften nur dann heranziehen, wenn er wegen anderer Geschäfte oder aus einem anderen triftigen Grund im Einzelfall verhindert ist, die Amtshandlung selbst vorzunehmen.

[...]

§ 123. (1) Der Substitut hat alle Geschäfte des Notars zu besorgen und die Geschäftsregister und Verzeichnisse des Notars weiterzuführen. Die dem Notar erteilten Vollmachten gelten auch für den Substituten.

(2) Der Substitut hat in den Notariatsurkunden seine Eigenschaft als Substitut und den Vor‑ und Zunamen sowie den Amtssitz des von ihm vertretenen Notars anzuführen und seiner Unterschrift einen gleichen Hinweis beizufügen.

(3) Sofern er nicht selbst Notar ist, hat er sich des Amtssiegels des Notars zu bedienen, dessen Stelle er vertritt.

(4) Die für Notare gegebenen Vorschriften finden auch auf ihn Anwendung.

[…]

 

[22] 3.1. Das wesentliche Unterscheidungsmerkmal eines Substituten von einem Erfüllungsgehilfen liegt darin, dass der Substitut den Auftrag im Gegensatz zum Erfüllungsgehilfen in eigener Verantwortung, wenn auch nach den ihm vom ersten Beauftragten mitgegebenen Weisungen auszuführen hat; er unterstützt den Beauftragten nicht nur bei seiner Tätigkeit, sondern handelt selbständig, das heißt er entscheidet selbst über die zur Durchführung erforderlichen Maßnahmen und tritt daher bei der Ausführung an die Stelle des ersten Beauftragten (2 Ob 49/02y).

[23] Der Substitut eines Notars ist kein Erfüllungsgehilfe, da er von der Aufsicht des Substituenten unabhängig ist (RS0019417; vgl RS0019386). Eine – nach den Feststellungen hier vorliegende – Dauersubstitution nach § 120 NO darf nicht dazu führen, dass der Grundsatz der persönlichen Amtsausübung beeinträchtigt oder die Arbeitskraft des Notars verdoppelt wird; der Dauersubstitut darf nur dann amtieren, wenn er den Notar substituiert, also tatsächlich ein Substitutionsfall vorliegt (RS0029470 [T1]). Demnach wird bei der Haftung des Notarsubstituten in der Rechtsprechung danach unterschieden, ob ein Substitutionsfall des § 119 Abs 1 NO vorliegt oder der Notar wegen Verhinderung im Einzelfall den Substituten im Sinne des § 121 Abs 2 NO beauftragt hat, eine Amtshandlung vorzunehmen, oder keiner dieser Fälle vorliegt; ist keiner der beiden Fälle gegeben, würde der Notar ungeachtet der ansonsten selbstständigen Haftung des Notariatssubstituten für jenen auch nach alter Rechtslage gemäß § 1313a ABGB haften (vgl RS0029470 [T2]; vgl auch RS0108033).

[24] 3.2. An dieser grundsätzlichen Rechtsprechung für vor dem 1.1.2008 verwirklichte Fälle ist mit Koziol (Haftung der Notare für Substituten, in FS Weißmann [2003] 431) sowie ungeachtet der von der Revision ins Treffen geführten anderslautenden Meinungen von Kletečka (Haftet der Notar für seinen Substituten? in FS Welser [2004] 477) und Mutz (Haftungsfragen bei Treuhandabwicklungen durch den Notariatssubstituten, NZ 1999, 357) festzuhalten, zumal der Gesetzgeber des BRÄG 2008 selbst eine ausdrückliche Gesetzesänderung unter Abstandnahme von rückwirkender authentischer Interpretation entgegen der dargelegten Auslegung durch die Rechtsprechung vorgenommen hat.

[25] 4.1. Zur Frage, ob die Abwesenheit des Nebenintervenienten hier einen Substitutionsfall begründet habe, verwies das Berufungsgericht darauf, dass „Abwesenheit“ im Sinne des § 119 Abs 1 NO zwar eine gewisse Mindestdauer voraussetzt, die aber hier gegeben sei.

[26] 4.2.  Für den Substitutionsgrund der (temporären) Abwesenheit verlangt das Gesetz aber weder eine zeitliche Mindestdauer noch zählt es bestimmte Gründe taxativ auf; vielmehr ist eine Substitution nach § 119 Abs 1 NO auch „aus anderen Gründen“ zulässig. Für dieses Auslegungsergebnis sprechen auch die Gesetzesmaterialien zur Änderung des § 121 NO durch die NO‑Nov 1993, BGBl 1993/692, womit die Möglichkeit der auch unbefristeten Bestellung von Dauersubstituten wie folgt begründet wurde (ErläutRV 1133 BlgNR 18. GP  22 [Anm und Hervorhebung durch den Senat]):

„Die im Jahr 1962 [Anm: durch BGBl 1962/139 in einem neugefassten § 120 NO] eingeführte Möglichkeit, einen Substituten für alle während eines Kalenderjahrs eintretenden Substitutionsfälle zu bestellen (Dauersubstitution), hat sich bewährt und war in mehrfacher Hinsicht von Vorteil. Dem Notar steht bei kurzfristiger, auch stundenweiser Verhinderung zur Amtsausübung ein Vertreter zur Verfügung, die rechtsuchende Bevölkerung konnte auch in solchen Fällen unverzüglich den Dauersubstituten in Anspruch nehmen. Die Justizverwaltung wurde entlastet, dem Notariatskandidaten wurde als Dauersubstitut vermehrt die Gelegenheit geboten, selbstverantwortlich tätig zu sein. Die Anwendbarkeit des Instituts der Dauersubstitution soll daher zunächst insofern erweitert werden, dass Notariatskandidaten, die alle Erfordernisse zur Erlangung einer NotarsteIle aufweisen, ohne zeitliche Befristung bestellt werden. Dies macht in Hinkunft die jährlich wiederkehrende Bestellung entbehrlich.“

 

[27] 4.3. Die in der Revision gegen die Annahme eines Substitutionsfalls ins Treffen geführte, mehr als 70 Jahre alte Schrifttumsstimme ( Graschopf , Die Substitution im Notariate, NZ 1950, 97, 121 und 136 [101 und 124]) bezieht sich erkennbar auf den Inhalt des nunmehrigen § 21 NO, trifft aber keine Aussage darüber, ob (und welche) Mindestdauer für einen Substitutionsfall anzusetzen wäre, und kann ansonsten weder zur seit 1962 geltenden Rechtslage noch zur Unterstützung des Standpunkts des Beklagten beitragen.

[28] 4.4.  Auf § 121 Abs 2 NO (Beauftragung im Einzelfall) muss nicht mehr eingegangen werden.

[29] 5.1.  Die Übertretung einer Schutznorm macht nur insofern für den durch die Übertretung verursachten Schaden haftbar, als durch die Schutznorm gerade dieser Schaden verhindert werden sollte (RS0027553; RS0022933; RS0031143). Der Schutzzweck jeder Norm ergibt sich aus ihrem Inhalt. Das Gericht hat das anzuwendende Schutzgesetz teleologisch zu interpretieren, um herauszufinden, ob die jeweilige Vorschrift, die übertreten wurde, den in einem konkreten Fall eingetretenen Schaden verhüten soll (RS0008775 [T1]). Dabei genügt, dass die Verhinderung des Schadens bloß mitbezweckt ist; die Norm muss aber die Verhinderung eines Schadens wie des später eingetretenen zumindest intendiert haben (RS0008775 [T2, T4]).

[30] 5.2.  Das Berufungsgericht hat die Auffassung vertreten, der Beklagte habe mit seiner Unterlassung, die Parteien des vor ihm geschlossenen Ehevertrags über das jedenfalls in Ansehung von Pkt II.4. des Vertrags zu bejahende Erfordernis eines Abschlusses einer Vereinbarung in Notariatsaktsform aufzuklären und eine Solennisierung (Mantelung) des Vertrags nach § 54 NO vorzunehmen, eine Verletzung von ihm als Dauersubstitut ebenso wie den Notar selbst treffenden Amtspflichten begangen; weiters hat es den Schutzzweck der dargelegten Normen im Ergebnis dahin verstanden, dass damit die rechtlichen Interessen der Parteien und deren wahrer und ernstlicher Wille geschützt werden sollen.

[31] 5.3.  Diese Auslegung entspricht dem klaren und völlig unzweideutigen Wortlaut der oben dargelegten Bestimmungen der NO über die Amtspflichten des Notar(‑substituten).

[32] 5.4.  Die Revision zeigt dagegen nicht auf, warum diese Auslegung unrichtig sein sollte; ihre Auffassung, die Handlungs‑, Aufklärungs‑ und Belehrungspflichten der NO dienten nicht dem Schutz der beteiligten Vertragsparteien widerspricht in nicht nachvollziehbarer Weise dem klaren Gesetzeswortlaut. Warum dieser anders auszulegen sein sollte, legt die Revision damit nicht nachvollziehbar dar.

[33] 6.1.  Ein rechtliches Interesse ist (materielle) Voraussetzung jedes Feststellungsbegehrens (RS0039177). Es besteht, wenn ein aktueller Anlass zur präventiven Klärung des strittigen Rechtsverhältnisses vorliegt, so unter anderem bei objektiver Ungewissheit über den Bestand eines Rechts, etwa wenn dieses vom Beklagten ernsthaft bestritten wird (RS0039202 [T7]; RS0038968 [insb T4]); das Feststellungsinteresse ist zu bejahen, wenn das Feststellungsbegehren geeignet ist, über die Rechtsbeziehungen der Parteien ein für allemal Klarheit zu schaffen (RS0038908 [T5]). Die Rechtsprechung bejaht die Zulässigkeit der Feststellung einer Ersatzpflicht für künftige Schäden aus einem bestimmten (zumindest potenziell) schädigenden Ereignis (RS0038909 [T4]); eine Schadenersatzpflicht begründet daher ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis im Sinne des § 228 ZPO, wenn es sich dabei um eine bereits gegenwärtige und in allen rechtserzeugenden Tatsachen vollständig konkretisierte Verpflichtung handelt, getreten ist (1 Ob 162/15b); bleibt die Möglichkeit offen, dass ein schuldhaftes rechtswidriges Verhalten für einen künftigen Schadenseintritt ursächlich sein könnte, ist ein Feststellungsinteresse anzuerkennen (RS0038865; vgl RS0038949).

[34] 6.2.  Die Vorinstanzen haben das rechtliche Interesse an einer Feststellung der Haftung des Beklagten bejaht, dies vor dem Hintergrund dass dieser (in erster Instanz) Verjährung der Ansprüche einwandte; jeglichen Sorgfaltsverstoß leugnete; behauptete, er habe dem Auftrag der Parteien gemäß keinen Notariatsakt aufgenommen; und ins Treffen zu führen versuchte, er selbst sei neben dem Notar nicht selbst haftbar.

[35] 6.3.  Diese Auslegung ist durch die dargelegte Rechtsprechung gedeckt und in der Anwendung auf den vorliegenden Sachverhalt überzeugend.

[36] Die Revision dagegen vermag mit ihrem Hinweis auf § 97 Abs 2 EheG nicht nachvollziehbar zu begründen, warum die dem Beklagten anzulastende Verletzung seiner Amtspflichten und das daraus folgende Fehlen einer in Notariatsaktform geschlossenen Vorausvereinbarung über die Aufteilung ehelicher Ersparnisse oder der Ehewohnung nicht eine jedenfalls mögliche künftige Schädigung nach sich ziehen und damit das Feststellungsinteresse ausreichend begründen kann.

[37] 7. Zusammengefasst war daher der Revision des Beklagten nicht Folge zu geben. Dem zu bestätigenden Urteil war dabei im die Feststellung der Haftung betreffenden Spruchpunkt 1 eine dem eindeutigen Vorbringen des Klägers zu den konkret geltend gemachten haftungsbegründenden Umständen entsprechende klarere Fassung zu geben (vgl RS0039357, RS0041254).

[38] 8. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 4150 ZPO.

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