OGH 1Ob162/15b

OGH1Ob162/15b28.1.2016

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr.

Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.‑Prof. Dr. Bydlinski, Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger und die Hofrätin Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. E***** V*****, Rechtsanwalt, *****, gegen die beklagte Partei Gemeinde D*****, vertreten durch Dr. Dietmar Fritz, Rechtsanwalt in Bezau, wegen Feststellung, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 7. Jänner 2015, GZ 3 R 95/14s‑34, mit dem das Urteil des Landesgerichts Feldkirch vom 3. September 2014, GZ 5 Cg 11/13t‑30, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0010OB00162.15B.0128.000

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 559,15 EUR (darin enthalten 93,19 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Begründung

Der Kläger begehrte die Feststellung der Haftung der Beklagten für sämtliche künftigen Schäden und Nachteile, welche ihm dadurch entstünden, dass die Beklagte die Vereinbarung vom 28. 10. 2008, welche seine Familie und die seines Vaters mit der Beklagten abgeschlossen hätten, nicht einhalte. Die Nichteinhaltung dieser Vereinbarung mache die Beklagte schadenersatzpflichtig.

Gegenstand der Vereinbarung vom 28. 10. 2008 ist unter anderem die Gestaltung einer Kreuzungsstelle zwischen einer Schiabfahrtspiste und einem Güterweg, der als Verbindung zwischen der Liegenschaft des Vaters des Klägers und dem öffentlichen Wegenetz dient. Das Feststellungsbegehren betrifft daher vom Kläger behauptete Schäden, die ihm dadurch entstünden, dass der Weg zum Anwesen seines Vaters nicht entsprechend dem Inhalt des Vertrags, wie es die Beklagte „garantiert bzw gewährleistet“ habe, befahren werden könne. Nach den Feststellungen hat der Kläger dort seinen Nebenwohnsitz, an dem er sich aber nur selten aufhält.

Am 2. 9. 2010 erließ der Bürgermeisters der beklagten Gemeinde eine Verordnung gemäß § 43 Abs 1 lit b (und Abs 2 lit a) StVO über ein Fahrverbot. § 3 dieser Verordnung hält fest, dass der Güterweg während der Wintersaison zur Sicherheit der Schiliftbenützer für jegliche Kraftfahrzeuge zu sperren ist. Anträge unter anderem des Obersten Gerichtshofs (1 Ob 202/14h), § 3 dieser Verordnung als gesetzwidrig aufzuheben, hat der Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 19. 6. 2015, GZ V 66/2014‑14 ua, abgewiesen.

Das Berufungsgericht bestätigte die Abweisung der Klage durch das Erstgericht. Soweit Kosten aufgrund einer Vertragsverletzung in der Vergangenheit schon entstanden seien, seien sie bezifferbar und könnten mit Leistungsklage verfolgt werden; soweit solche Kosten allenfalls in der Zukunft entstünden, würden diese ein neuerliches (weiteres) vertragswidriges Verhalten der Beklagten voraussetzen. Eine Ersatzpflicht für künftige Schäden infolge erst in der Zukunft liegender Vertragswidrigkeiten sei aber nicht feststellungsfähig.

Die Revision erklärte das Berufungsgericht über Antrag der Beklagten nach § 508 ZPO für zulässig, weil es allenfalls seiner Entscheidung eine nicht vertretbare Auslegung der Vereinbarung vom 28. 10. 2008 zugrunde gelegt habe.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts (§ 508a Abs 1 ZPO) nicht zulässig.

1. Die vom Kläger geltend gemachte Nichtigkeit des Berufungsurteils gemäß § 477 Abs 1 Z 9 ZPO liegt nicht vor. Entgegen seiner Ansicht steht das Berufungsurteil weder mit sich selbst in Widerspruch, noch ist dessen Fassung so mangelhaft, dass eine Überprüfung nicht mit Sicherheit vorgenommen werden könnte.

2. Mit seinen Ausführungen zum Verbot der Überraschungsentscheidung spricht der Kläger keine Verfahrensmängel, sondern Fragen nach der Auslegung der Vereinbarung vom 28. 10. 2008 und damit Rechtsfragen an, auf die es hier aber nicht ankommt.

3. Die Rechtsprechung bejaht die Zulässigkeit der Feststellung einer Ersatzpflicht für künftige Schäden aus einem bestimmten (zumindest potentiell) schädigenden Ereignis (RIS‑Justiz RS0038909 [T4]; Rechberger/Klicka in Rechberger 4 § 228 ZPO Rz 5 mwN). Eine Schadenersatzpflicht begründet daher ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis im Sinne des § 228 ZPO, wenn es sich dabei um eine bereits gegenwärtige und in allen rechtserzeugenden Tatsachen vollständig konkretisierte Verpflichtung handelt ( Fasching in Fasching/Konecny 2 III § 228 ZPO Rz 58).

4.1 Die Vereinbarung vom 28. 10. 2008, aus deren Nichteinhaltung der Kläger eine Schadenersatzpflicht der Beklagten ableitet, war bereits wiederholt Gegenstand von Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs. Zuletzt hat der 3. Senat in der Entscheidung 3 Ob 154/15s in einem vom Vater des Klägers angestrengten Verfahren unter Berufung auf die Entscheidung 2 Ob 173/12y, die dieselbe Vereinbarung betraf, zu einem Unterlassungsbegehren ausgesprochen, dass derzeit keine Verpflichtung der Beklagten besteht, den Vertrag vom 28. 10. 2008 einzuhalten, weil weder die Verordnung vom 2. 9. 2010 als gesetzwidrig aufgehoben, noch dem (damaligen) Kläger eine Ausnahme vom verordneten Fahrverbot bewilligt wurde. Das ist Folge davon, dass es derzeit an der rechtlichen Erlaubtheit (dazu 2 Ob 173/12y) des Befahrens des Güterwegs mit Kraftfahrzeugen jeglicher Art während der Wintersaison fehlt.

4.2 Der Kläger bezweifelt die ordnungsgemäße Kundmachung der Verordnung vom 2. 9. 2010. Dazu ist er auf die bereits zitierte Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs vom 19. 6. 2015 (AZ V 66/2014 ua) zu verweisen, die das verneint hat und von der abzuweichen kein Anlass besteht.

4.3 Die Verordnung verbietet ein Befahren des Wegs in seiner vollen Länge während der gesamten Wintersaison und steht einem feststellungsfähigen Schadenersatzanspruch, wie ihn der Kläger daraus ableitet, dass die Beklagte entgegen der Vereinbarung vom 28. 10. 2008 nicht die jederzeitige Benützbarkeit der Zufahrtsstraße mit einem Kfz ermöglicht, entgegen. Solange die Verordnung aufrecht ist, besteht auch gegenüber dem Kläger keine wirksame Verpflichtung der Beklagten, den Vertrag vom 28. 10. 2008 einzuhalten, sodass eine Vertragsverletzung als Grundlage für ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis im Sinne des § 228 ZPO ausscheidet. Fragen im Zusammenhang mit der ‑ stets von den Umständen des Einzelfalls abhängigen Vertragsauslegung (dazu RIS‑Justiz RS0042936; RS0044358; RS0044298) ‑ stellten sich hier damit nicht, weswegen auch die vom Berufungsgericht in seinem Zulassungsausspruch angesprochene Frage keine erhebliche Rechtsfrage begründet.

5. Mit seiner Argumentation, das Risiko der mangelnden Vertragserfüllung infolge der später erlassenen Verordnung vom 2. 9. 2010 sei für ihn (gemeint offensichtlich der Bürgermeister als Vertreter der Beklagten) eher vorhersehbar gewesen als für den Kläger selbst, gibt der Revisionswerber nicht zu erkennen, inwieweit die Beurteilung des Berufungsgerichts eine Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO aufwerfen soll. Soweit der Kläger darauf abzielt, die Beklagte hätte, weil sie die Erlassung der Verordnung vorhersehen hätte müssen, die Vereinbarung vom 28. 10. 2008 erst gar nicht abschließen dürfen, übergeht er, dass er dann aus der Nichteinhaltung der dennoch abgeschlossenen Vereinbarung Erfüllungsansprüche nicht ableiten kann, sodass schon insofern keine feststellungsfähige Schadenersatzpflicht gemäß § 228 ZPO vorliegen kann. Zielt er mit seinen Ausführungen hingegen darauf ab, dass die Verordnung vom 2. 9. 2010 die Erfüllung der Vereinbarung durch die Beklagte hindere und die Verordnung daher wegen der Vereinbarung erst gar nicht erlassen werden hätte dürfen, scheitert sein Begehren schon daran, dass eine Garantie für eine bestimmte behördliche Erledigung (hier die Unterlassung einer Verordnung gemäß § 43 Abs 1 lit b [und Abs 2 lit a] StVO) ebenso wie die Annahme eines solchen Versprechens auf einen nach § 878 ABGB unerlaubten und ungültigen Vertrag hinausläuft (vgl OGH 10. 10. 1903, Nr 12.897 = GlUNF 2512). Die Beschränkung öffentlich‑rechtlicher Pflichten durch privatrechtlichen Akt wäre rechtswidrig und unzulässig (vgl 5 Ob 244/03y). Dass eine abstrakte drei personale Garantie vereinbart worden wäre, kann der Kläger auch nicht darlegen.

6. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

7. Die Kostenentscheidung beruht auf § 41 Abs 1 iVm § 50 Abs 1 ZPO. Die Beklagte hat auf die mangelnde Zulässigkeit der Revision hingewiesen, weswegen ihr der Kläger zum Ersatz der Kosten der Revisionsbeantwortung verpflichtet ist.

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