European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0020OB00173.24S.1119.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage
Spruch:
Die Revisionen werden zurückgewiesen.
Die klagenden Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der beklagten Partei die mit 2.909,96 EUR (darin enthalten 484,99 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
[1] Die Kläger sind Eigentümer von Liegenschaften, auf denen sich ein Baggersee befindet. Rund um den See liegen von den Klägern vermietete, mit Superädifikaten bebaute Badeparzellen.
[2] Die Beklagte erwarb 2003 ein solches Superädifikat vom Vormieter und schloss mit den Klägern folgenden, auszugsweise wiedergegebenen, mit 31. 12. 2015 befristeten (unstrittig), nicht dem MRG unterliegenden Mietvertrag ab:
„…
VI. Die Müllabfuhr, Senkgrubenentleerung und die Instandhaltung der Einfriedung der Parzelle, Straßen, Wege und der Abstellplätze gehen zu Lasten des (der) Mieter(s), wobei die Vermieter die Unkosten in diesem Zusammenhang im Einvernehmen mit dem Seeverein verrechnen werden. Der/die Mieter ist/sind verpflichtet, für die Herstellung und Instandhaltung von Lichtleitung, Kanal, Trinkwasserversorgung und Kläranlage sowie für eine allfällige Haupteinfriedung anteilsmäßig, d.h. entsprechend der Anzahl der Parzellen aufzukommen, wobei ein Teil dieser Kosten entsprechend einer noch zu treffenden Vereinbarung von den Vermietern getragen wird. […]
VII. Soweit in diesem Vertrag nichts anderes vereinbart wurde, gehen alle Rechte und Verbindlichkeiten aus demselben auf die Erben bzw. Rechtsnachfolger der Vertragsparteien über. […]
XIII.[…] Sollten die Vermieter das Mietverhältnis nach Ablauf der vereinbarten Vertragsdauer nicht mehr zu analogen Bedingungen mit dem/den Mieter(n) fortsetzen wollen, sind sie verpflichtet, die auf dem Mietobjekt befindlichen Baulichkeiten dem/den Mieter(n) um den vollen Schätzwert (Abs. 3) käuflich abzulösen. Das Vormietrecht ist in diesem Fall erloschen, ebenso das nur für die Vertragsdauer geltende Vorkaufsrecht.
Der Schätzwert ist zum Stichtag der Schätzung mangels anderer Einigung von dem Sachverständigen festzustellen, der an erster Stelle in der betreffenden Branchenliste des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien aufscheint. […]“
[3] Die Beklagte nutzte die Badeparzelle auch nach Ablauf des Mietverhältnisses weiter und stellte sie (erst) am 30. 9. 2022 nach Erwirkung eines Übergabsauftrags zurück.
[4] Das Superädifikat wurde noch nicht abgelöst, weil die Parteien den für die Ablösesumme vereinbarten „vollen Schätzwert“ unterschiedlich auslegen.
[5] Die Kläger begehren von den Beklagten gestützt auf § 1041 ABGB für die Zeit von Jänner 2016 bis inklusive Februar 2023 angemessenes, am ortsüblichen Mietzins orientiertes Benützungsentgelt in Höhe von 38.673,57 EUR.
[6] Die Beklagten bestreiten und wenden ihrerseits die Zug um Zug gegen Übertragung des Eigentums am Superädifikat von den Klägern zu leistende Ablösezahlung bis zur Höhe der Klageforderung compensando ein.
[7] Das Erstgericht erkannte (1.) die Klageforderung mit 29.654,03 EUR, (2.) die Gegenforderung bis zur Höhe der Klageforderung als zu Recht bestehend, (3.) wies das Klagebegehren ab, und (4.) sprach aus, dass das Eigentum am Superädifikat Zug um Zug mit Rechtskraft von Punkt 1. bis 3. dieses Urteils von der Beklagten auf die Kläger übergehe.
[8] Das von beiden Seiten angerufene Berufungsgericht bestätigte die Entscheidung mit der Maßgabe, dass es Spruchpunkt 4. in einen Leistungsbefehl zu Gunsten der Kläger umformulierte. Rechtlich ging es davon aus, dass die Parteien dem im Mietvertrag für die Höhe der Ablösezahlung maßgeblichen Begriff des „vollen Schätzwert[s]“ unterschiedlich verstünden und es (nur) deswegen noch zu keiner Eigentumsübertragung an die Kläger gekommen sei. Von einer Vereitelung der Ablöseverpflichtung könne keine Rede sein. Der Oberste Gerichtshof habe im Verfahren über den Übergabeauftrag schon klargestellt, dass ein Anbot auf Zahlung des Ablösebetrags keinesfalls vor der Rückstellung erfolgen müsse und dieser daher vor Rückstellung keinesfalls fällig sein habe können. Die Beklagte schulde aufgrund der titellosen Weiterbenützung nach Mietvertragsende ein angemessenes Benützungsentgelt, das sich am ihr verschafften Nutzen zu orientieren habe. Dass die Kläger nicht über das Superädifikat verfügen und daher nur einen „Zeltplatz“ vermieten hätten können, für den es kaum Interesse am Markt gebe, sei daher unerheblich. Ein Abschlag aufgrund der von der Beklagten bzw ihren Rechtsvorgängern (mit‑)finanzierter Infrastruktur sei nicht vorzunehmen, weil sie auch bei einem vergleichbaren Objekt für die Infrastruktur (mit‑)zahlen hätte müssen. Wer diese geschaffen habe und und welche Kosten durch die Mieter getragen worden seien, sei daher irrelevant. Nach Rückstellung des Bestandobjekts gebühre allerdings kein Benützungsentgelt mehr, weil der Verbleib des von den Beklagten nicht mehr genutzten Superädifikats auf der gemieteten Liegenschaft dem Mietvertrag entsprochen habe, sodass insoweit keine rechtswidrige Nutzung vorliege. Anhaltspunkte für eine Unredlichkeit der Beklagten lägen nicht vor. Auch wenn die Beklagte Zinsen aus dem Benützungsentgelt bis zur von den Klägern angenommenen Fälligkeit der Gegenforderung am 22. 11. 2022 zu zahlen habe, ergebe sich keine die Gegenforderung übersteigende Klageforderung. Da der Wert des Superädifikats jedenfalls eine – auch von den Klägern angebotene – Ablöse in Höhe von 39.000 EUR rechtfertige, bestehe die Gegenforderung bis zur Höhe der Klageforderung zu Recht. Die Ablöse sei jedenfalls mit gerichtlicher Einforderung im Verfahren 6 Cg 144/22i fällig geworden. Der Spruchpunkt 4. des Ersturteils sei zwar nicht vom Klagebegehren umfasst, was jedoch keine der Parteien bemängelt habe. Da eine Eigentumsübertagung nicht allein durch Urteilsspruch erfolgen könne, sei im Hinblick auf die erklärte Absicht beider Parteien, Eigentum übertragen bzw übernehmen zu wollen, der Spruch anzupassen. Die ordentliche Revision ließ das Berufungsgericht zur – in vielen anhängigen Verfahren maßgeblichen – Frage zu, ob für die Angemessenheit des Benützungsentgelt Investitionen des früheren Mieters (mindernd) zu berücksichtigen seien.
[9] Dagegen richtet sich die Revision der Kläger mit dem Abänderungsantrag, ihrer Klage zur Gänze stattzugeben, und die Revision der Beklagten mit dem Abänderungsantrag, die Klage ohne Berücksichtigung der Gegenforderung abzuweisen.
[10] Hilfsweise werden jeweils Aufhebungsanträge gestellt.
[11] Die Kläger beantragen in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision der Beklagten nicht Folge zu geben; die Beklagte beantragt, die Revision der Kläger zurückzuweisen hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
[12] Die Revisionen sind – entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) Ausspruch des Berufungsgerichts – mangels Aufzeigens einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig. Der Umstand alleine, dass die zu lösenden Fragen in einer Vielzahl von Fällen auftreten, bewirkt nicht ihre Erheblichkeit im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO (RS0042816).
I. Revision der Kläger
[13] 1. Die Verpflichtung zur Bezahlung eines Benützungsentgelts in der Höhe des bisherigen oder eines sonst angemessenen Bestandzinses für die Zeit der vertragswidrigen Weiterbenützung beruht auf § 1041 ABGB (RS0019883; RS0019909). Die Anwendung des § 1041 ABGB ist ausgeschlossen, wenn der Benutzung ein Rechtsgrund, insbesondere eine vertragliche Vereinbarung mit dem Rechteinhaber zu Grunde liegt (RS0020101; RS0028179).
[14] Der Oberste Gerichtshof hat im Zusammenhang mit der zwischen den Parteien bestehenden Vertragslage schon klargestellt, dass das Superädifikat nach Räumung der Liegenschaft auf dieser verbleiben kann (9 Ob 72/21k Rz 37). Wenn das Berufungsgericht für die Zeit nach Räumung der Liegenschaft einen Anspruch nach § 1041 ABGB mangels rechtswidriger Nutzung der Liegenschaft der Kläger verneint hat, ist dies daher nicht korrekturbedürftig. Dass sich die Parteien (noch) nicht auf die Höhe der von den Klägern zu leistenden Ablösezahlung einigen konnten und daher keine Eigentumsübertragung stattfand, ändert nicht daran, dass es an einer rechtswidrigen Nutzung der Liegenschaft durch die Beklagte fehlt.
[15] 2. Die Höhe des zu leistenden Ersatzes hängt von der Redlichkeit oder Unredlichkeit des Bereicherten ab. Der redliche Benützer hat den Vorteil zu vergüten, der ihm nach seinen subjektiven Verhältnissen entstanden ist. Dieser Vorteil orientiert sich in der Regel am gewöhnlichen Benützungsentgelt, das aber zugleich die Obergrenze des Ersatzes bildet (RS0020150). Richtig ist, dass der unredliche Bereicherungsschuldner dem Verkürzten nach der Rechtsprechung entsprechend § 417 ABGB das höchste erzielbare Benützungsentgelt schuldet (RS0020150 [T6]).
[16] Die Frage der Unredlichkeit der Beklagten und der Auswirkungen einer (allfälligen) Unredlichkeit auf den Verwendungsanspruch der Kläger bedürfen aber keiner weiteren Erörterung, weil die Kläger in erster Instanz nicht das höchste erzielbare, sondern lediglich ein angemessenes, am ortsüblichen Mietzins orientiertes Benützungsentgelt für die Inanspruchnahme ihrer Liegenschaft gefordert haben. Soweit sie erstmals im Rechtsmittelverfahren unter Hinweis auf eine in erster Instanz nicht näher konkretisierte Unredlichkeit der Beklagten ein höheres als vom Erstgericht als angemessen festgestelltes Benützungsentgelt fordern, verstoßen sie gegen das Neuerungsverbot (RS0037612).
[17] 3. Soweit die Kläger bemängeln, beim Ausspruch über das Zurechtbestehen der Klageforderung wären auch die Zinsen aus den jeweiligen Benützungsentgelten darzustellen gewesen, setzen sie der Annahme des Berufungsgerichts, auch dann wäre die Klage wegen des Zurechtbestehens der Gegenforderung abzuweisen gewesen, nichts entgegen, sondern beschränken sich darauf, pauschal die Unrichtigkeit dieser Rechtsansicht zu behaupten. Dies entspricht keiner gesetzmäßig ausgeführten Rechtsrüge, die eine Überprüfung der im angefochtenen Urteil vertretenen Rechtsansicht begründen könnte (vgl RS0043605, RS0043654).
II. Revision der Beklagten:
[18] 1. Nach ständiger Rechtsprechung beruht die Verpflichtung des (ehemaligen) Bestandnehmers zur Zahlung eines Benützungsentgelts in der Höhe des bisherigen oder eines sonst angemessenen Bestandzinses für die vertragswidrige Weiterbenützung des Bestandgegenstands – wie bereits ausgeführt – auf § 1041 ABGB.
[19] Der Benützer hat gemäß § 1041 ABGB ein dem verschafften Nutzen angemessenes Entgelt zu entrichten, wobei es in erster Linie nicht etwa auf die Nachteile des Anspruchsberechtigten, sondern auf den Nutzen des Benützers, insbesondere auf die von ihm durch die Benützung der fremden Sache ersparten Auslagen ankommt (RS0019850). Maßgeblich ist, was der Bereicherte sonst auf dem Markt für diesen Vorteil hätte aufwenden müssen (RS0019900).
[20] Das nach § 1041 ABGB zu entrichtende Entgelt für die Benützung einer fremden Sache ist regelmäßig der ortsübliche Bestandzins, also die Höhe des Betrags, den der Bereicherte sonst auf dem Markt für die Benützung hätte aufwenden müssen (vgl RS0019813 [T7]). Der früher zu entrichtende Bestandzins liefert für die angemessene Höhe des Benützungsentgelts nur Anhaltspunkte (RS0019883 [T1]; 3 Ob 51/23f Rz 2).
[21] 2. Die Höhe des angemessenen Benützungs-entgelts hängt von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls ab (vgl RS0018534 [T13]) und wirft daher regelmäßig keine Rechtsfrage der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO auf.
[22] 3. Soweit die Beklagte argumentiert, die Kläger hätten ihre Nutzungschance mangels Einhaltung des vertraglichen Procederes zur Ablöse des Superädifikats selbst vereitelt bzw aufgrund des Vorhandenseins eines fremden Superädifikats die Verwendbarkeit ihrer Liegenschaft auf einen bloßen „Zeltplatz“ reduziert, sodass ihnen kein oder nur ein reduziertes Benützungsentgelt zustehe, übergeht sie, dass – wie der Oberste Gerichtshof zur Vertragslage zwischen den Parteien bereits festgehalten hat (9 Ob 72/21k Rz 35) – vor Rückstellung der Liegenschaft noch gar nicht verlässlich beurteilt werden konnte, welche Werte auf den Vermieter übertragen werden und daher vor Rückstellung kein Ablöseanbot von den Klägern zu fordern war. Von einer vertragswidrigen Vereitelung oder Schmälerung der Nutzungschance durch die Kläger kann daher jedenfalls bis zur Rückstellung durch die Beklagte keine Rede sein. Eine Verpflichtung/Obliegenheit zur Übernahme des Bestandobjekts vor der Räumung durch den Bestandnehmer im Sinne der Entfernung von Personen und Fahrnissen trifft den Bestandgeber nicht (1 Ob 90/23a Rz 4). Für die Zeit nach der Rückstellung scheidet ein Anspruch nach § 1041 ABGB mangels vertragswidriger (Weiter)Nutzung durch die Beklagte ohnehin aus (vgl Pkt I.1).
[23] Überdies hat die Beklagte die Liegenschaft bis zur Rückstellung tatsächlich weiter genutzt, sodass ihr jedenfalls auch nach ihren subjektiven Verhältnissen ein nach § 1041 ABGB zu ersetzender Vorteil entstanden ist (RS0019883 [T10; T15]).
[24] 4. Das Berufungsgericht erachtete den von der Beklagten geforderten Abschlag von zehn Prozent auf das Benützungsentgelt aufgrund von von ihr bzw ihren Vormietern getätigten, wertsteigernden Investitionen in die Liegenschaft deshalb nicht für berechtigt, weil sie die Liegenschaft genutzt habe und für den erlangten Gebrauchsvorteil auch bei vergleichbaren Objekten auf dem Markt das vom Erstgericht als angemessen erachtete Benützungsentgelt aufwenden hätte müssen.
[25] Dieser – den oben dargelegten Grundsätzen der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zum Inhalt des Verwendungsanspruchs entsprechenden – Rechtsansicht setzt die Revision argumentativ nichts entgegen, sondern wiederholt im Wesentlichen ihre Berufungsausführungen und beharrt darauf, aufgrund der von (allen) Mietern mitfinanzierten wertsteigerndern Anlagen gebühre ihr ein Abschlag. Dass sie sich – worauf das Berufungsgericht hingewiesen hat – dennoch Auslagen in Höhe des Benützungsentgelts zur Erlangung ihres Gebrauchsvorteils erspart hat, blendet sie aus. Mangels Auseinandersetzung mit der tragenden Begründung des Berufungsgerichts liegt keine gesetzmäßig ausgeführte Rechtsrüge vor (RS0043603 [T15, T16]), die eine Rechtsfrage der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO aufzeigen könnte.
[26] 5. Die Beurteilung der Angemessenheit des Benützungsentgelts ist eine Rechtsfrage. Hingegen stellt die Ermittlung des üblichen Mietzinses – als Orientierungshilfe für die Angemessenheitsprüfung – eine Tatfrage dar (vgl RS0111105). Aus der – auf dem Sachverständigengutachten beruhenden – „Feststellung“ des Erstgerichts, ein Abschlag von zehn Prozent sei vorzunehmen, wenn man von einer Auswirkung der Beiträge der Mieter zu den Anlagen des Badesees ausginge, ist nicht zwingend die Maßgeblichkeit des reduzierten Benützungsentgelts abzuleiten, weil es sich dabei – entgegen der Revision – nicht um eine vom Sachverständigen zu lösende (tatsächliche) Bewertungsfrage handelt, der die Vorinstanzen folgen hätten müssen.
III. Kosten:
[27] Die Beklagte hat – anders als die Kläger – auf die Unzulässigkeit der Revision der Gegenseite hingewiesen, weshalb nur ihr gemäß §§ 41, 50 ZPO die Kosten ihrer Revisionsbeantwortung zu ersetzen sind (vgl RS0035962, RS0035979).
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