AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §7
AsylG 2005 §8
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52
FPG §53
FPG §55
European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2021:L510.2228562.1.00
Spruch:
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. INDERLIETH als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. ARMENIEN, vertreten durch RA Dr. Alexander PHILIPP, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 22.01.2020, Zahl XXXX , nach mündlicher Verhandlung am 20.05.2021 und am 23.07.2021 zu Recht erkannt:
A)
I. Die Beschwerden gegen die Spruchpunkte I., II., III., IV. und VI. werden als unbegründet abgewiesen.
II. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt V. wird mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass Spruchpunkt V. des angefochtenen Bescheides wie folgt zu lauten hat: „Es wird gemäß § 52 Absatz 9 FPG festgestellt, dass Ihre Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Armenien zulässig ist.“
III. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt VII. des angefochtenen Bescheides wird mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass die Dauer des Einreiseverbotes auf 4 (vier) Jahre herabgesetzt wird.
B)
Die Revision ist nicht zulässig.
Entscheidungsgründe:
1. Dem Beschwerdeführer wurde als Familienangehörigen des XXXX (Vater des Beschwerdeführers), geb. XXXX , mit Bescheid vom 08.10.2003, Zahl: XXXX , der Status des Asylberechtigten zuerkannt.
2. In weiterer Folge wurde der Beschwerdeführer aufgrund seiner wiederholten Straffälligkeit im Bundesgebiet mehrfach rechtskräftig verurteilt.
3. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 15.02.2018, Zahl XXXX , wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 94 Abs. 5 iVm § 93 Abs. 1 Z 1 FPG der Konventionsreisepass entzogen.
4. Mit Bescheid des BFA vom 22.01.2020, Zahl XXXX , wurde (I.) dem Beschwerdeführer der mit Bescheid vom 08.10.2003 zuerkannte Status des Asylberechtigten gemäß § 7 Absatz 1 Ziffer 1, 2 AsylG aberkannt und gemäß § 7 Absatz 4 AsylG festgestellt, dass ihm die Flüchtlingseigenschaft kraft Gesetzes nicht mehr zukomme, (II.) dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Absatz 1 Ziffer 2 AsylG nicht zuerkannt, (III.) ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt, (IV.) gemäß § 10 Absatz 1 Ziffer 4 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Absatz 2 Ziffer 3 FPG erlassen, (V.) gemäß § 52 Absatz 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG zulässig sei, (VI.) festgestellt, dass gemäß § 55 Absatz 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage und (VII.) gemäß § 53 Absatz 1 iVm Absatz 3 Ziffer 1 FPG ein auf die Dauer von sieben Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen.
Mit Verfahrensanordnung vom 22.01.2020 wurde dem Beschwerdeführer ein Rechtsberater gemäß § 52 BFA-VG für ein allfälliges Beschwerdeverfahren zur Seite gestellt.
5. Mit Schriftsatz der rechtsfreundlichen Vertretung vom 06.02.2020 wurde fristgerecht Beschwerde eingebracht.
6. Am 20.05.2021 wurde eine mündliche Verhandlung beim Bundesverwaltungsgericht durchgeführt. Neben dem Beschwerdeführer wurde auch die Ehegattin sowie die nicht zur Verhandlung geladene Mutter des Beschwerdeführers als Zeugin einvernommen. Der als Zeuge geladene Vater des Beschwerdeführers erschien aufgrund einer Infektion mit dem Corona Virus nicht zur Verhandlung. Das BFA ist unentschuldigter Weise nicht erschienen.
Am 23.07.2021 wurde erneut eine mündliche Verhandlung beim Bundesverwaltungsgericht durchgeführt. Neben dem Beschwerdeführer wurde diesmal auch der Vater des Beschwerdeführers als Zeuge einvernommen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen (Sachverhalt)
1.1. Der Beschwerdeführer ist armenischer Staatsangehöriger, er wurde in XXXX geboren und reiste mit seinen Eltern und seiner Schwester spätestens am 29.04.2002 in Österreich ein. Die Identität des Beschwerdeführers steht fest. Der Beschwerdeführer bekennt sich zum armenisch-apostolischen Glauben.
Am 29.04.2002 stellten er, seine Mutter und seine Schwester einen Asylerstreckungsantrag vom Vater bzw. Ehemann, dem mit Bescheid vom 08.10.2003, Zahl: XXXX , stattgegeben wurde: Dem Beschwerdeführer wurde gemäß § 11 Abs. 1 AsylG 1997 Asyl durch Erstreckung von seinem Vater gewährt und es wurde ausgesprochen, dass ihm kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukomme. Dem Bescheid ist zu entnehmen, dass gemäß § 11 Abs. 1 AsylG 1997 die Behörde aufgrund eines zulässigen Antrages durch Erstreckung Asyl zu gewähren hat [Anm. BVwG: hatte], wenn dem Asylwerber die Fortsetzung eines bestehenden Familienlebens im Sinne des Artikel 8 EMRK mit dem Angehörigen in einem anderen Staat nicht möglich ist. Eigene Fluchtgründe hat der Beschwerdeführer im Rahmen jenes Antrages nicht vorgebracht bzw wurden durch seine Eltern keine eigenen Gründe für den Beschwerdeführer vorgebracht.
Der Beschwerdeführer hat in Armenien die Schule besucht und spricht armenisch, deutsch, russisch sowie etwas serbisch und englisch. In Armenien leben keine Verwandten des Beschwerdeführers. In Österreich leben die Eltern, die Schwester, der Bruder, die Ehefrau, die drei minderjährigen Kinder des Beschwerdeführers (geboren 2014, 2015 und 2018) und zwei Onkel. Die Eltern des Beschwerdeführers sind inzwischen österreichische Staatsbürger. Ein finanzielles oder sonstiges Abhängigkeitsverhältnis bzw. ein besonderes Naheverhältnis zu seinen Eltern, seinen Geschwistern oder seinen beiden Onkeln besteht nicht. Der Beschwerdeführer ist seit 2013 verheiratet, die Ehefrau verfügt seit 2015 über eine Rot-Weiß-Rot Karte plus. Er wohnt mit seiner Frau und den Kindern im gemeinsamen Haushalt in einer Mietwohnung.
Die Kinder erhielten im Rahmen eines gemäß § 34 AsylG geführten Familienverfahrens (in Bezug auf den Vater (den gegenständlichen Beschwerdeführer)) jeweils den Status eines Asylberechtigten. Mit Bescheiden des BFA vom 22.01.2020 wurden den Kindern des Beschwerdeführers der jeweils zuerkannte Status des Asylberechtigten gemäß § 7 Abs. 1 Z 2 AsylG aberkannt und festgestellt, dass Ihnen die Flüchtlingseigenschaft kraft Gesetz nicht mehr zukommt. Den dagegen erhobenen Beschwerden wurde mit Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichts vom heutigen Tag stattgegeben bzw. teilweise stattgegeben. Die Kinder des Beschwerdeführers sind daher in Österreich weiterhin aufenthaltsberechtigt. Die Kinder sprechen die Sprachen Deutsch, Armenisch und Englisch.
Der Beschwerdeführer war bis dato bei verschiedenen Arbeitgebern beschäftigt, bezog jedoch den Großteil der Zeit Arbeitslosengeld sowie Notstands- und Überbrückungshilfe. Seit 01.04.2021 arbeitet der Beschwerdeführer Teilzeit im Betrieb seiner Ehefrau als Mechaniker. Bereits zuvor war der Beschwerdeführer von 01.07.2020 bis 31.03.2021 geringfügig im Betrieb seiner Ehefrau angestellt, bezog jedoch gleichzeitig von 07.11.2019 bis 31.03.2021 Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung. Auch von 23.11.2016 bis 10.05.2018 bezog der Beschwerdeführer Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung. Von Mai 2018 bis Oktober 2019 war er Angestellter.
In Österreich hat der Beschwerdeführer die Hauptschule besucht und eine Lehre zum Automechaniker begonnen, welche er jedoch nach zwei Jahren abgebrochen hat. Seine Freizeit verbringt der Beschwerdeführer in der Autowerkstatt seiner Gattin.
Der Beschwerdeführer leidet an keinen schwerwiegenden oder lebensbedrohlichen Erkrankungen. Er ist gesund.
1.2. Der Beschwerdeführer wurde in Österreich wie folgt strafrechtlich verurteilt:
1. Mit seit 07.09.2010 rechtskräftigem Urteil des Landesgerichtes XXXX vom XXXX zu XXXX gemäß § 83 Abs 1, § 84 Abs 2 Z 2 StGB wegen des Vergehens der schweren, vorsätzlichen Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von vier Monaten, bedingt unter einer Probezeit von drei Jahren; mildernd wurde das Geständnis und der bisher untadelige Lebenswandel gewertet, erschwerend war kein Umstand.
2. Mit seit 02.07.2012 rechtskräftigem Urteil des Landesgerichtes XXXX vom XXXX zu XXXX gemäß §§ 146, 147 Abs 1 Z 1, § 147 Abs 2 StGB wegen des Vergehens des schweren Betruges zu einer Freiheitsstrafe von 12 Monaten, bedingt unter einer Probezeit von drei Jahren; mildernd wurden das Geständnis und das Alter von unter 21 Jahren, erschwerend die Vorstrafe gewertet.
3. Mit seit 19.08.2013 rechtskräftigem Urteil des Landesgerichtes XXXX vom XXXX zu XXXX gemäß § 99 Abs 1, § 15, 105 StGB wegen des Vergehens des Freiheitsentzuges und der versuchten Nötigung zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 12 Monaten; erschwerend wurde eine einschlägige Vorstrafe gewertet.
4. Mit seit 22.11.2013 rechtskräftigem Urteil des Landesgerichtes XXXX vom XXXX zu XXXX gemäß § 15, 269 Abs 1 StGB wegen des Vergehens des versuchten Widerstands gegen die Staatsgewalt zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von acht Monaten; mildern wurde das Geständnis sowie dass es beim Versuch geblieben ist, erschwerend zwei einschlägige Vorstrafen, die Tatbegehung innerhalb offener Probezeit und der rasche Rückfall gewertet.
5. Mit seit 28.12.2017 rechtskräftigem Urteil des Landesgerichtes XXXX vom XXXX zu XXXX gemäß § 27 Abs 1, § 28 Abs 1 und 2, § 28a Abs 1 SMG wegen des Verbrechens der Vorbereitung von Suchtgifthandel, des Verbrechens des Suchtgifthandels und des Vergehens des unerlaubten Umganges mit Suchtgift, zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 15 Monaten; mildern wurde kein Umstand gewertet, erschwerend drei einschlägige Vorstrafen und das Zusammentreffen von mehreren Verbrechen und einem Vergehen. Diesem Urteil lag zu Grunde, dass der Beschwerdeführer mit einem Mittäter mehrere Hundert Cannabispflanzen aufzog und daraus mehrere Kilo Cannabiskraut gewann, damit dieses in Verkehr gesetzt würde.
1.3. Hinsichtlich der letzten Verurteilung übernimmt der Beschwerdeführer nicht die Verantwortung, er gab diesbezüglich gegenüber dem BFA an, dass er nichts gemacht habe, der Richter ihm aber aufgrund seiner Vorstrafen nicht geglaubt habe. Auch in der Beschwerdeverhandlung am 20.05.2021 gab der Beschwerdeführer an: „Mein Freund hat das gemacht, die Halle lief auf meinen Namen.“ Die zuletzt ausgesprochene Haftstrafe verbüßte der Beschwerdeführer durch das Tragen einer Fußfessel, die im November 2019 entfernt wurde.
1.4. Darüber hinaus wurde der Beschwerdeführer in der Zeit von August 2016 bis September 2020 wegen 26 Delikten verwaltungsstrafrechtlich rechtkräftig bestraft.
Auszugsweise wurde der Beschwerdeführer im August 2018 wegen Lenken eines Kfz ohne gültige Lenkerberechtigung bestraft.
Im Jahr 2020 wurde er zweimal wegen Anstandsverletzung jeweils in Höhe von Euro 400, --, einmal wegen Geschwindigkeitsüberschreitung in Höhe von Euro 600, --, einmal wegen Aggressivem Verhalten gegenüber einem Organ der öffentlichen Aufsicht in Höhe von Euro 400, -- und wegen Lenken eines Kfz ohne gültige Lenkerberechtigung in Höhe von Euro 1.200-- bestraft.
1.5. Anlässlich einer Fahrzeugkontrolle am 07.05.2020 äußerte der Beschwerdeführer gegenüber einer österreichischen Polizistin Folgendes:
„Mit dir rede ich nicht. Ich rede nicht mit einer Frau. Misch dich nicht ein. Mit einer scheiß Beamtin rede ich nicht. Ich rede mit dem Beamten […]. […] Mit einer scheiß Beamtin rede ich nicht. Ich lasse mir nichts von einer Frau sagen.“ (OZ 3).
Bei dieser Amtshandlung äußerte er in aggressiver Weise gegenüber einer Zeugin, welche der Polizei anzeigen wollten, dass der Beschwerdeführer besonders rücksichtslos gefahren ist und auf der Nordbrücke 200 Km/h gefahren ist: „Verpiss dich du Arschloch!“, sodass diese daraufhin sofort wieder losfuhr, ohne dass die Polizei dadurch in der Lage war die Daten dieser Zeugin aufzunehmen.
1.6. Der Beschwerdeführer verfügt über ein mit den österreichischen Werten in keiner Weise zu vereinbarendes Frauenbild.
Gegen den Beschwerdeführer besteht in Österreich ein aufrechtes Waffenverbot.
1.7. Abgesehen von seinem asylrechtlichen Status verfügt der Beschwerdeführer über kein Aufenthaltsrecht in Österreich.
1.8. Es konnte nicht festgestellt werden, dass der Vater des Beschwerdeführers im Falle einer Rückkehr nach Armenien mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer aktuellen, unmittelbaren persönlichen und konkreten Verfolgung, Bedrohung oder sonstigen Gefährdung ausgesetzt wäre oder in eine lebens- bzw. existenzbedrohliche Notlage geraten würde.
Das Vorbringen des Vaters des Beschwerdeführers, in Armenien nach wie vor einer Verfolgung aufgrund der damaligen Teilnahme an einer Protestbewegung ausgesetzt zu sein, war nicht glaubhaft und ist von einer solchen Verfolgung nicht mehr auszugehen.
1.9. Nicht festgestellt werden kann, dass der Beschwerdeführer in Armenien aus Gründen der Rasse, der Religion, der Nationalität, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Ansichten bedroht wäre. Im Entscheidungszeitpunkt konnte keine aktuelle Gefährdung des Beschwerdeführers in Armenien festgestellt werden.
Der Beschwerdeführer ist aufgrund der Angehörigeneigenschaft zum Vater keiner Verfolgung durch die Behörden seines Herkunftsstaates oder Repressalien Dritter, welche der armenische Staat nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit hintanhalten würde, ausgesetzt. Der Beschwerdeführer hat den Herkunftsstaat als Kind verlassen. Es wurde nie festgestellt, dass der Beschwerdeführer einer individuellen Verfolgung ausgesetzt war und er hat im nunmehrigen Verfahren keine begründeten Befürchtungen für den Fall seiner Rückkehr geäußert.
Ebenfalls nicht festgestellt werden kann, dass der Beschwerdeführer im Fall seiner Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Armenien in seinem Recht auf Leben gefährdet, der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen oder von der Todesstrafe bedroht wäre. Der Beschwerdeführer liefe dort nicht Gefahr, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft nicht befriedigen zu können und in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten.
1.10. Der Beschwerdeführer ist grundsätzlich dazu in der Lage, seinen Lebensunterhalt im Herkunftsstaat durch die Teilnahme am Erwerbsleben eigenständig zu bestreiten, er ist arbeitsfähig. Als armenischen Staatsbürger steht ihm ein Rückgriff auf Leistungen des dortigen Sozialhilfesystems offen, außerdem könnten seine Angehörigen in Österreich ihn (anteilsmäßig) finanziell unterstützen.
1.11. Zur Lage in Armenien:
Aus dem in weiterer Folge auszugsweise angegebenen Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Armenien vom 16.03.2021 ergibt sich, dass der Beschwerdeführer Zugang zu medizinischer Grundversorgung, zum armenischen Sozialsystem, Arbeits- und Wohnungsmarkt, sowie zu in Armenien tätigen NGOs und Rückkehrer Beratung hat und Unterstützung finden kann.
Zudem geht daraus hervor, dass in Armenien von einer unbedenklichen Sicherheitslage auszugehen und der armenische Staat gewillt und befähigt ist, auf seinem Territorium befindliche Menschen vor Repressalien Dritter wirksam zu schützen. Ebenso ist in Bezug auf die Lage der Menschenrechte davon auszugehen, dass sich hieraus in Bezug auf den Beschwerdeführer ein im Wesentlichen unbedenkliches Bild ergibt. Darüber hinaus ist allgemein davon auszugehen, dass in der Republik Armenien die Grundversorgung der Bevölkerung gesichert ist, eine soziale Absicherung auf niedrigem Niveau besteht, die medizinische Grundversorgung flächendeckend gewährleistet ist, Rückkehrer mit keinen Repressalien zu rechnen haben und in die Gesellschaft integriert werden.
Armenien ist ein sicherer Herkunftsstaat iSd § 19 BFA-VG.
Länderspezifische Anmerkungen
Sofern nicht anders angegeben, schließen die Themenbereiche des LIB Armenien die Situation in der separatistischen Entität Bergkarabach (Republik Arzach / Nagorny Karabach), die völkerrechtlich zu Aserbaidschan gehört, nicht ein.
COVID-19
Informationen zur COVID-19-Situation in Armenien werden hauptsächlich in diesem Kapitel ihren Eingang finden. Vereinzelte Informationen finden sich jedoch auch in den nachfolgenden Kapiteln.
Zur aktuellen Anzahl der Krankheits- und Todesfälle in den einzelnen Ländern empfiehlt die Staatendokumentation bei Interesse/Bedarf folgende Websites der WHO: https://www.who.int/emergencies/diseases/novel-coronavirus-2019/situation-reports oder der John Hopkins-Universit ät: https://gisanddata.maps.arcgis.com/apps/opsdashboard/index.html#/bda7594740fd40299423467b48e9ecf6 mit täglich aktualisierten Zahlen zu kontaktieren.
Am 16.3.2020 rief die Regierung Armeniens den Ausnahmezustand aus, der fünf Mal verlängert wurde und am 11.9.2020 durch die Nationale Quarantäne ersetzt wurde, die nun bis 11.7.2021 gilt.
Armenien ist das am stärksten betroffene Land im Südkaukasus. Trotz der Notsituation funktionieren fast alle Sektoren der armenischen Wirtschaft wieder, nachdem Unternehmen Anfang Mai 2020 wiedereröffnen durften, um den wirtschaftlichen Zusammenbruch abzuwehren.
Das Einreiseverbot in die Republik Armenien für nicht-armenische Staatsbürger vom 17.3.2020 wurde am 12. August 2020 aufgehoben. Somit können Personen per Flug und per Landweg nach Armenien mit einem negativen PCR-Testergebnis, das max. 72 Stunden vor der Einreise gemacht wurde, einreisen.
Alle Einreisenden, die ohne ein dokumentiertes PCR-Testergebnis einreisen, müssen sich auf eigene Kosten einem PCR-Test im Labor an der Grenze unterziehen und sich dort unter Quarantäne stellen bis das Ergebnis bekannt wird. Die Ergebnisse dieser PCR-Tests werden im ARMED-System registriert und der getesteten Person innerhalb von 48 Stunden zur Verfügung gestellt.
Personen, die mit einer Person mit einem positiven Testergebnis auf COVID-19 in Kontakt waren, werden gebeten, sich 14 Tage unter Quarantäne zu stellen und einem PCR-Test in einem akkreditierten Labor in Jerewan, Armenien unterziehen. Während der Überwachungs oder Quarantänezeit können Gesundheitsbeamte den Zustand dieser Personen überprüfen. Die internationalen regulären Flugverbindungen nach/von Jerewan sind derzeit eingeschränkt. Austrian Airlines fliegen Armenien zwei Mal pro Woche aus Wien an.
Am 19. März 2020 haben die armenischen Behörden ein vorübergehendes Ausfuhr-Verbot für bestimmte medizinische Waren erlassen, um die Versorgung des Landes sicherzustellen. Das betrifft solche Güter wie medizinische Schutzausrüstung, Beatmungsgeräte, COVID-19-Test Kits, Atemschutzmasken, medizinische Masken, Desinfektionsmittel auf Alkoholbasis und andere Artikel.
Anfang Mai 2020 wurden die Ausgangsbeschränkungen und Reisebeschränkungen innerhalb Armeniens aufgehoben.
Seit Anfang Juni 2020 gilt in Armenien eine allgemeine Masken-Pflicht für alle Personen und Kinder ab 6 Jahren an öffentlichen Orten inklusive Geschäften, Einkaufszentren, öffentliche Verkehrsmitteln sowie Taxis. Die einzige Ausnahme aus der Masken-Pflicht gilt für Gäste in Cafés und Restaurants.
Seit August 2020 werden bestimmte Risikogruppen, geschlossene Unternehmen oder Institutionen proaktiv getestet. Das heißt, sollte eine positiv getestete Person, die in einer Fabrik, einem Pflegeheim oder einem Supermarkt arbeitet, festgestellt werden, wird das gesamte Personal getestet und nicht nur diejenigen, die sich mit Symptomen meldeten. So können auch die symptomlosen Infizierten isoliert werden.
Alle Schulen und Universitäten sind seit 15.9.2020 unter bestimmten Auflagen und Vorsichtsmaßnahmen wiedereröffnet. Einige Kurse je nach Universität bzw. Hochschule werden jedoch weiterhin online angeboten. Kindergärten sind seit 18. Mai 2020 wieder geöffnet. Viele Unternehmen arbeiten weiterhin zumindest teilweise im Homeoffice.
Das Versammlungsverbot wurde aufgehoben. Erlaubt sind nun öffentliche und private Versammlungen bei Einhaltung eines Mindestabstands von 1,5 Metern und mit obligatorischen Gesichtsmasken.
Die Regierung hat verschiedene finanzielle Hilfspakete für sozial gefährdete Haushalte und Privatpersonen und wirtschaftlich betroffene KMUs, Freizeit- und Tourismusunternehmen, landwirtschaftliche Betriebe, etc. bereitgestellt. Dazu zählen zinsfreie Kredite und staatliche Garantien, Stundungen für Kreditrückzahlungen, Subventionen für Gas- und Stromkosten (WKO 13.1.2021).
Es bestehen aufgrund der Pandemie keine besonderen Beschränkungen innerhalb des Landes (AA 11.2.2021).
Quellen:
AA – Auswärtiges Amt (11.2.2021): Armenien: Reise- und Sicherheitshinweise,
https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/armenien-node/armeniensicherheit/201872 , Zugriff 24.2.2021
WKO – Wirtschaftskammer Österreich (13.1.2021): Coronavirus: Situation in Armenien, https://www.wko.at/service/aussenwirtschaft/coronavirus-infos-armenien.html , Zugriff 24.2.2021
Politische Lage
Armenien (arm.: Hayastan) umfasst knapp 29.800 km² und hatte im ersten Quartal 2019 eine Einwohnerzahl von 2,96 Millionen, was einen Rückgang von 0,3% zum Vergleichszeitraum des Vorjahres ausmachte (ArmStat 7.5.2019). Davon sind laut der Volkszählung von 2011 98,1% ethnische Armenier. Den Rest bilden kleinere Ethnien wie Jesiden und Russen (CIA 14.2.2019).
Seit der Unabhängigkeit von der Sowjetunion 1991 findet in Armenien ein umfangreicher Reformprozess auf politischer, wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Ebene hin zu einem demokratisch und marktwirtschaftlich strukturierten Staat statt. Die vorgezogenen Parlamentswahlen am 9.12.2018 konnten nach übereinstimmender Meinung aller Wahlbeobachter als frei und fair bezeichnet werden. Die im Dezember 2015 per Referendum gebilligte Verfassungsreform zielt auf den Umbau von einer semi-präsidialen in eine parlamentarische Demokratie ab. Die Änderungen betreffen u.a. eine Ausweitung des Grundrechtekatalogs sowie die weitere Stärkung des Parlaments (auch der Opposition). Das Amt des Staatspräsidenten wurde im Wesentlichen auf repräsentative Aufgaben reduziert, gleichzeitig die Rolle des Premierministers und des Parlaments gestärkt (AA 27.4.2020). Der Premierminister und der Präsident werden vom Parlament gewählt. Der Premierminister ist der Regierungsvorsitzende, während der Präsident vorwiegend zeremonielle Funktionen ausübt (USDOS 11.3.2020).
Oppositionsführer Nikol Paschinjan wurde im Mai 2018 vom Parlament zum Premierminister gewählt, nachdem er wochenlange Massenproteste gegen die Regierungspartei angeführt und damit die politische Landschaft des Landes verändert hatte. Er hatte Druck auf die regierende Republikanische Partei durch eine beispiellose Kampagne des zivilen Ungehorsams ausgeübt, was zum schockartigen Rücktritt Serzh Sargsyans führte, der kurz zuvor das verfassungsmäßig gestärkte Amt des Premierministers übernommen hatte, nachdem er zehn Jahre lang als Präsident gedient hatte (BBC 20.12.2018; vgl. AA 27.4.2020). Bei den als „Samtene Revolution“ bezeichneten Demonstrationen im April/Mai 2018 verhielten sich die Sicherheitskräfte zurückhaltend. Auch die Demonstranten waren bedacht, keinerlei Anlass zum Eingreifen der Sicherheitskräfte zu bieten (AA 27.4.2020).
Am 9.12.2018 fanden vorgezogene Parlamentswahlen statt, welche unter Achtung der Grundfreiheiten ein breites öffentliches Vertrauen genossen. Die offene politische Debatte, auch in den Medien, trug zu einem lebhaften Wahlkampf bei. Das generelle Fehlen von Verstößen gegen die Wahlordnung, einschließlich des Kaufs von Stimmen und des Drucks auf die Wähler, ermöglichte einen unverfälschten Wettbewerb (OSCE/ODIHR 10.12.2018). Die Allianz des amtierenden Premierministers Nikol Paschinjan unter dem Namen „Mein Schritt“ erzielte einen Erdrutschsieg und erreichte 70,4% der Stimmen. Die ehemalige mit absoluter Mehrheit regierende Republikanische Partei (HHK) erreichte nur 4,7% und verpasste die 5-Prozent-Marke, um in die 101-Sitze umfassende Nationalversammlung einzuziehen. Die Partei „Blühendes Armenien“ (BHK) des Geschäftsmannes Gagik Tsarukyan gewann 8,3%. An dritter Stelle lag die liberale, pro-westliche Partei „Leuchtendes Armenien“ unter Führung Edmon Maruyian, des einstigen Verbündeten von Paschinjan, mit 6,4% (RFE/RL 10.12.2018; vgl. ARMENPRESS 10.12.2018).
Zu den primären Zielen der Regierung unter Premierminister Paschinjan gehören die Bekämpfung der Korruption und Wirtschaftsreformen (RFL/RL 14.1.2019; vgl. FH 4.3.2020) sowie die Schaffung einer unabhängigen Justiz (168hours 20.7.2018; vgl. FH 4.3.2020). Seit Paschinjans Machtübernahme hat sich das innenpolitische Klima deutlich verbessert und dessen Regierung geht bestehende Menschenrechts-Defizite weitaus engagierter als die Vorgängerregierungen an, auch wenn immer noch Defizite bei der konsequenten Umsetzung der Gesetze bestehen (AA 27.4.2020).
Quellen:
AA – Auswärtiges Amt (27.4.2020): Bericht über die asyl-und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Armenien (Stand: Februar2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2030001/Auswärtiges_Amt,_Bericht_über_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Republik_Armenien_(Stand_Februar_2020),_27.04.2020.pdf , Zugriff 23.6.2020
ARMENPRESS – Armenian News Agency (10.12.2018): My Step – 70.44%, Prosperous Armenia– 8.27%, Bright Armenia – 6.37%: CEC approves protocol of preliminary results of snap elections,https://armenpress.am/eng/news/957626.html , Zugriff 21.3.2019
ArmStat - Statistical Committee of the Repbulic of Armenia (7.5.2019): Economic and Financial Data for the Republic of Armenia, https://armstat.am/nsdp/ , Zugriff 8.5.2019
BBC News (20.12.2018): Armenia country profile, https://www.bbc.com/news/world-europe-17398605 , Zugriff 21.3.2019
CIA - Central Intelligence Agency (30.4.2.2019): The World Factbook, Armenia; https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/am.html , Zugriff 7.5.2019
FH - Freedom House (4.3.2020): Freedom in the World 2020 – Armenia, https://freedomhouse.org/country/armenia/freedom-world/2020 , Zugriff 24.4.2020
OSCE/ODIHR – Organization for Security and Cooperation in Europe/ Office for Democratic Institutions and Human Rights et alia (10.12.2018): Armenia, Parliamentary Elections, 2 April 2017: Statement of Preliminary Findings and Conclusions, https://www.osce.org/odihr/elections/armenia/405890?download=true , Zugriff 21.3.2019
RFE/RL – Radio Free Europe/ Radio Liberty (10.12.2018): Monitors Hail Armenian Vote, Call For Further Electoral Reforms, https://www.rferl.org/a/monitors-hail-armenia-s-snap-polls-call-for-further-electoral-reforms/29647816.html , 21.3.2019
RFE/RL – Radio Free Europe/ Radio Liberty (14.1.2019): Pashinian Reappointed Armenian PM After Securing Parliament Majority, https://www.rferl.org/a/pashinian-reappointed-armenian-pm-after-securing-parliament-majority/29708811.html , Zugriff 21.3.2019
USDOS – U.S. Department of State (11.3.2020): 2019 Country Reports on Human Rights Practices: Armenia, https://www.state.gov/wp-content/uploads/2020/02/ARMENIA-2019-HUMAN-RIGHTS-REPORT.pdf , Zugriff 13.3.2020
168hours (20.7.2018): Fight against corruption and creation of independent judiciary main pillars of government’s economic policy – PM Paschinjan, https://en.168.am/2018/07/20/26637.html , Zugriff 21.3.2019
Sicherheitslage
Im Ende September 2020 aufgeflammten Konflikt um die von Armenien kontrollierte Region Bergkarabach gelang es, unter Vermittlung Russlands, einen Waffenstillstand zu erreichen. Armenien, das als Schutzmacht für Bergkarabach agiert, stimmte unter massivem Druck der Neun-Punkte-Erklärung zu. In der Erklärung verpflichteten sich die Parteien zu einem vollständigen Einstellen aller Kampfhandlungen auf den zuletzt gehaltenen Positionen. Darüber hinaus werden die von Armenien im ersten Karabach-Krieg Anfang der 1990er Jahre eroberten sieben aserbaidschanische Bezirke rund um Bergkarabach schrittweise an Baku zurückgegeben. Vier davon gingen bereits im Zuge der Kampfhandlungen seit September weitgehend an Aserbaidschan verloren. Mit der Erklärung wurde ebenso eine russische Friedensmission etabliert, welche 1.960 Mann umfasst und die den Waffenstillstand entlang der Kontaktlinie auf Seiten Bergkarabachs sichern soll. Neben den Peacekeepern soll auch ein außerhalb Karabachs befindliches Zentrum zur Überwachung der Waffenruhe entstehen. Ebenso vereinbart wurde ein Austausch der Kriegsgefangenen und gefallenen Soldaten. Der letzte Punkt der Vereinbarung weist auf die Öffnung aller Wirtschafts- und Transportwege in der Region hin. Demzufolge muss Armenien Verkehrsverbindungen zwischen den westlichen Regionen der Republik Aserbaidschan und der südwestlich von Armenien gelegenen und an die Türkei grenzenden aserbaidschanischen Exklave Nachitschewan sicherstellen. Der Status von Bergkarabach wurde in der Erklärung offen gelassen (IFK 11.2020).
In einer gemeinsamen Erklärung haben sich Russlands Präsident Wladimir Putin, sein aserbaidschanischer Amtskollege Ilham Alijew und der armenische Regierungschef Nikol Paschinian auf eine neue Grenzziehung und die Stationierung eines russischen Militärkontingents zur Sicherung des neuen Status quo im Konflikt um XXXX geeinigt. Aserbaidschan übernimmt rund die Hälfte des abtrünnigen Gebiets, darunter die zweitgrößte Stadt Schuscha, die strategisch von immenser Bedeutung ist (DerStandard 10.11.2020).
Die militärische Niederlage löste eine scharfe politische Krise in Armenien aus, in der die Opposition gegen Premierminister Nikol Pashinian seinen Rücktritt forderte (HRW 13.1.2021; vgl. DerStandard 10.11.2020). Tausende Menschen demonstrierten in Jerewan gegen die Waffenruhe. Sie beschimpften Paschinian als „Verräter“ und forderten seinen Rücktritt. Hunderte der Demonstranten stürmten den Regierungssitz und das Parlamentsgebäude (Krone 10.11.2020). Die Polizei ging mit Gewalt gegen Demonstranten vor. Es gab dutzende Festnahmen. Unter den Festgenommenen waren auch mehrere Parlamentsabgeordnete (DerStandard 11.11.2020 vgl. ZeitOnline 11.11.2020).
Tausende Menschen haben bei neuen Protesten in der Südkaukasus-Republik Armenien den Rücktritt von Regierungschef Nikol Paschinian gefordert. Seit dem Ende der Kämpfe um die Konfliktregion XXXX vor gut drei Monaten kommt es in der Ex-Sowjetrepublik zu Protesten der Opposition. Paschinian lehnte wiederholt einen Rücktritt ab. Er bot stattdessen Neuwahlen in diesem Jahr an. Die Opposition plant, die Abstimmung zu boykottieren, sollte der Ministerpräsident wie angekündigt erneut kandidieren. Sie macht ihn persönlich für die Niederlage gegen Aserbaidschan verantwortlich (DerStandard 20.2.2021; vgl BAMF 22.2.2021).
Unter Vermittlung von Russlands Präsident Wladimir Putin haben die verfeindeten Nachbarn Aserbaidschan und Armenien bei einem ersten gemeinsamen Treffen in Moskau am 11.01.21 neue Schritte für einen Wiederaufbau der umkämpften Südkaukasusregion XXXX vereinbart. Dies betonte Putin nach einem etwa vierstündigen Treffen mit dem aserbaidschanischen Präsidenten Ilham Aliyev und dem armenischen Ministerpräsidenten Nikol Paschinjan. Rund zwei Monate nach dem Ende der Kampfhandlungen um XXXX betonten die drei Spitzenpolitiker im Kreml, dass das Waffenstillstandsabkommen weitgehend eingehalten werde. Es seien aber noch nicht alle Punkte umgesetzt, so Paschinian. Besonders die Frage armenischer Kriegsgefangener in Aserbaidschan sei schmerzhaft für sein Land. Zugleich betonte er, dass der Konflikt um XXXX nicht endgültig beigelegt sei. Insbesondere sei der politische Status ungeklärt. Die nun getroffenen Vereinbarungen für eine Entwicklung der Wirtschaft und Infrastruktur XXXX sollen zu noch verlässlicheren Sicherheitsgarantien für beide Seiten führen. Die Vize-Regierungschefs von Aserbaidschan und Armenien sowie Russlands würden nun eine Arbeitsgruppe bilden, um konkrete Projekte bei der Wiederherstellung der Wirtschafts- und Verkehrsverbindungen umzusetzen (BAMF 18.1.2021).
Quellen:
BAMF – Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (18.1.2021): Briefing Notes, Zugriff 22.1.2021
BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (22.2.2021): Briefing Notes, Zugriff 24.2.2021
DerStandard (20.2.2021): Proteste in Armenien gegen Regierungschef Paschinian, https://www.derstandard.at/story/2000124347798/proteste-in-armenien-gegen-regierungschef-paschinian ; Zugriff 22.2.2021
DerStandard (10.11.2020): Umstrittener Waffenstillstand in Bergkarabach, https://www.derstandard.at/story/2000121604696/umstrittener-waffenstillstand-in-bergkarabach , Zugriff 12.11.2020
DerStandard (11.11.2020): Erdogan verkündet Einigung auf Überwachung der Feuerpause in Bergkarabach, https://www.derstandard.at/story/2000121627117/erdogan-verkuendet-vereinbarung-zur-ueberwachung-der-waffenruhe-massenproteste-in-armenien , Zugriff 12.11.2020
HRW - Human Rights Watch (13.1.2021): World Report 2021 - Armenia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2043515.html , Zugriff 22.1.2021
IFK – Institut für Friedenssicherung und Konfliktmanagement (11.2020): Bergkarabach: Neuordnung der regionalen Machtverhältnisse, https://www.bundesheer.at/php_docs/download_file.php?adresse=/pdf_pool/publikationen/ifk_monitor_65_lampalzer_bergkarabach_nov_20_web.pdf , Zugriff 27.11.2020
Krone (10.11.2020): Einigung auf Waffenruhe in XXXX , https://www.krone.at/2272372 , Zugriff 12.11.2020
ZeitOnline (11.11.2020): Tausende Armenier protestieren gegen Abkommen mit Aserbaidschan, https://www.zeit.de/politik/ausland/2020-11/bergkarabach-konflikt-armenien-aserbaidschan-abkommen-massenproteste-nikol-paschinjan , Zugriff 12.11.2020
Regionale Problemzone: XXXX (Nagorny Karabach)
Die sogenannte Republik XXXX (’RBK’, russ.: Nagorny Karabach; in Armenien auch Arzach genannt) wird von keinem Staat völkerrechtlich anerkannt. Auch Armenien erkennt die ’Republik XXXX ’ offiziell nicht an, praktisch sind beide aber wirtschaftlich und rechtlich stark verflochten. Die Bewohner von XXXX erhalten neben ihrem RBK-Pass auch armenische Pässe (AA 27.4.2020). Armenien finanziert 55% des Budgets der Republik Arzach (ChH 4.6.2020).
Nach der Verfassung ist der Präsident sowohl Staats- als auch Regierungschef und hat die volle Autorität, Kabinettsmitglieder zu ernennen und zu entlassen. Im September 2017 wurde das Amt des Premierministers abgeschafft (FH 4.3.2020k).
Am 31.3.2020 fanden in XXXX - international nicht anerkannte - Parlaments- und Präsidentschaftswahlen statt (HBS 2.4.2020). Die Partei des Freien Vaterlandes von Harutjunyan gewann bei den Parlamentswahlen mehr als 40% der Stimmen und wird 16 der 33 Sitze kontrollieren, während die größte Oppositionskraft, die Partei der Vereinigten Heimat von Samvel Babajan, neun Sitze erhielt (CW 16.4.2020).
Bei der Wahl zum Präsidenten wurde ein zweiter Wahlgang notwendig, der am 14.4.2020, trotz des wegen COVID-19 zwei Tage zuvor ausgerufenen Notstandes, durchgeführt wurde. Die Notstandsregel verbietet öffentliche Versammlungen, beschränkt die Verkehrsanbindung innerhalb von Karabach und untersagt Bürgern Armeniens und anderer Länder die Einreise in die Region (CW 16.4.2020). Arayik Harutjunyan gewann mit mehr als 87% der abgegebenen Stimmen. Harutjunyan war 2017 bis 2018 Außenminister und 2007-2017 Premierminister der Republik Arzach (PA 15.4.2020) und verfehlte bereits im ersten Wahlgang am 31.3.2020 die notwendige Mehrheit nur um wenige hundert Stimmen (Armenpress 2.4.2020; vgl. EN 1.4.2020).
Armenische Wahlbeobachter berichten von weitverbreiteten Verletzungen des Wahlgeheimnisses (EN 1.4.2020). Kritisiert wurde weiters, dass wegen COVID-19 kein Wahlkampf geführt werden konnte wie in „normalen“ Zeiten – und zudem der Urnengang selbst das Risiko einer weiteren Ausbreitung des Virus deutlich erhöht habe (HBS 2.4.2020; vgl. EN 1.4.2020). Der im zweiten Wahlgang unterlegene Präsidentschaftskandidat Masis Mailjan forderte die Wähler auf, wegen der Pandemie nicht an den Wahlen teilzunehmen und weigerte sich auch, an Fernsehdebatten teilzunehmen (CW 16.4.2020).
Die Republik Arzach wurde bis zu den Wahlen von Verbündeten der 2018 von Paschinjan gestürzten armenischen Regierung regiert. Die Führer des ehemaligen armenischen Regimes, darunter die ehemaligen Präsidenten Serzh Sargsyan und Robert Kocharyan, unternahmen einige vage Anstrengungen, um über XXXX als letzte Bastion die Macht in Armenien wiederzugewinnen. Ihr favorisierter Kandidat, Vitaliy Balasanyan, versäumte bei den Präsidentenwahlen am 31.3.2020 den Einzug in den zweiten Wahlgang (EN 1.4.2020).
Die Justiz ist in der Praxis nicht unabhängig und die Gerichte werden von der Exekutive sowie von mächtigen politischen, wirtschaftlichen und kriminellen Gruppen beeinflusst. Die Verfassung garantiert grundlegende Verfahrensrechte, aber Polizei und Gerichte halten diese in der Praxis nicht immer ein. Die Regierung kontrolliert viele der Medien. Im Jahr 2019 wurden Veränderungen durch die politische Öffnung in Armenien im Jahr 2018 mitbewirkt. Politische Kritiker der Führung, denen zuvor selbst kurze Auftritte verboten waren, wurden zu regelmäßigen Gästen in Sendungen zu aktuellen Themen. Darüber hinaus werden nun regelmäßig Debatten organisiert, um wichtige Themen des lokalen öffentlichen Lebens anzusprechen. Oppositionspolitiker haben auch gute Verbindungen zu unabhängigen Medien in Armenien, wodurch deren Ansichten auch in XXXX vermittelt werden. Dennoch praktizieren viele Journalisten Selbstzensur, insbesondere bei Themen im Zusammenhang mit dem Friedensprozess. Die Verfassung garantiert die Religionsfreiheit, lässt aber Einschränkungen im Namen der Sicherheit, der öffentlichen Ordnung und anderer staatlicher Interessen zu. In der Verfassung ist die Armenische Apostolische Kirche als ’nationale Kirche’ des armenischen Volkes verankert. Die Religionsfreiheit anderer Gruppen wird in der Praxis eingeschränkt. Proteste sind in der Praxis relativ selten. Die Behörden blockieren Versammlungen und Demonstrationen, wenn sie diese als Bedrohung der öffentlichen Ordnung wahrnehmen (FH 4.3.2020).
Es gibt keine Erkenntnisse, wonach Personen bei Bekanntwerden einer (auch) aserbaidschanischen Herkunft mit staatlichen Übergriffen zu rechnen hätten. In XXXX gelten den armenischen Regelungen vergleichbare Vorschriften zur kostenlosen medizinischen Behandlung. Im Sozialwesen gibt es ’behördliche’ Unterstützung (AA 27.4.2020).
Ein gemeinsames türkisch-russisches Beobachtungszentrum zur Überwachung des Waffenstillstands zwischen Armenien und Aserbaidschan in der Region XXXX hat am 30.1.2021 seinen Betrieb aufgenommen. Der aserbaidschanische Verteidigungsminister Zakir Hasanov und die stellvertretenden Verteidigungsminister der Regionalmächte Türkei und Russland waren anwesend, um das Zentrum in der Region Agdam zu eröffnen. Die Türkei und Russland einigten sich darauf, ein gemeinsames Beobachtungszentrum zu bilden, kurz nachdem Moskau im November ein Waffenstillstandsabkommen vermittelte, das die heftigen Kämpfe zwischen Armenien und Aserbaidschan um die abtrünnige Region XXXX beendete. Die Türkei war einer der Hauptunterstützer Aserbaidschans in dem Konflikt. Im Rahmen des Waffenstillstandsabkommens wurden ein Teil des aserbaidschanischen Territoriums von XXXX und alle sieben Bezirke drum herum unter aserbaidschanische Verwaltung gestellt, nachdem sie fast 30 Jahre lang von ethnischen Armeniern kontrolliert wurden. Rund 2.000 russische Friedenssoldaten sind auch entlang der Frontlinie und zum Schutz einer Landverbindung zwischen XXXX und Armenien im Einsatz (RFE/RL 30.1.2021).
Quellen:
AA – Auswärtiges Amt (27.4.2020): Bericht über die asyl-und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Armenien (Stand: Februar2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2030001/Auswärtiges_Amt,_Bericht_über_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Republik_Armenien_(Stand_Februar_2020),_27.04.2020.pdf , Zugriff 23.6.2020
Armenpress (2.4.2020): Paschinjan praises ’high-quality’ Artsakh elections, https://armenpress.am/eng/news/1010917.html , Zugriff 23.4.2020
ChH – Chatham House (4.6.2020): South Caucasus States Set to Diverge Further due to COVID-19, https://www.chathamhouse.org/expert/comment/south-caucasus-states-set-diverge-further-due-covid-19 , Zugriff 5.6.2020
CW – Caucasus Watch (16.4.2020): Zweite Runde der Präsidentschaftswahlen in Bergkarabach wurde trotz des erklärten Ausnahmezustands abgehalten, https://caucasuswatch.de/news/2623.html , Zugriff 23.4.2020
EN – Eurasianet (1.4.2020): Karabakh elections to go to a second round, https://eurasianet.org/karabakh-elections-to-go-to-a-second-round , Zugriff 23.4.2020
FH-Freedom House (4.3.2020k): Freedom in the World 2020 – Nagorno Karabakh, https://freedomhouse.org/country/nagorno-karabakh/freedom-world/2020 , Zugriff 5.6.2020
HBS – Henirich-Böll-Stiftung / Stefan Meister (2.4.2020): Covid-19 im Südkaukasus – Schnelle Reaktionen und autoritäre Reflexe, https://www.boell.de/de/2020/04/02/covid-19-im-suedkaukasus-schnelle-reaktionen-und-autoritaere-reflexe , Zugriff 23.4.2020
NKR – President of the Artsakh Republic (o.D.): NKR, General information, http://www.president.nkr.am/en/nkr/generalInformation/ , Zugriff 24.6.2020
PA – the PanArmenian (15.4.2020): Arayik Harutyunyan wins Artsakh vote, preliminary results show, http://www.panarmenian.net/eng/news/280152/ , Zugriff 23.4.2020
RFE/RL – Radio Free Europe/Radio Liberty (30.1.2021): Turkish-Russian Center Begins Monitoring Nagorno-Karabakh Truce, https://www.ecoi.net/de/dokument/2044432.html ; Zugriff 15.2.2021
Rechtsschutz / Justizwesen
Die Unabhängigkeit der Gerichte und der Richter ist in Art. 162 und 164 der Verfassung verankert. Die Verfassung von 2015 hat die bisher weitreichenden Kompetenzen des Staatspräsidenten bei der Ernennung von Richtern reduziert. Das Vertrauen in das Justizsystem ist allerdings weiterhin schwach, da die Mehrzahl der Richter ihre Ämter unter der Vorgängerregierung erlangt hat. Die im Oktober 2019 verabschiedete Reform zur Justizstrategie zielt auf einen personellen Wechsel im Justizapparat ab. Verfahrensgrundrechte, wie rechtliches Gehör, faires Gerichtsverfahren und Rechtshilfe werden laut Verfassung gewährt. In Bezug auf den Zugang zur Justiz gab es in den letzten Jahren bereits Fortschritte, die Zahl der Pflichtverteidiger wurde erhöht und kostenlose Rechtshilfe kommt einer breiteren Bevölkerung zugute. Die Einflussnahme durch Machthaber auf laufende Verfahren war in der Vergangenheit in politisch heiklen Fällen verbreitet. Die derzeitige Regierung unter Premierminister Paschinjan hat sich von solchen Praktiken distanziert (AA 27.4.2020).
Zwar muss von Gesetzes wegen Angeklagten ein Rechtsbeistand gewährt werden, doch führt der Mangel an Pflichtverteidigern außerhalb Jerewans dazu, dass dieses Recht den Betroffenen verwehrt wird (USDOS 11.3.2020). Richter stehen unter systemischem politischem Druck und Justizbehörden werden durch Korruption untergraben. Berichten zufolge fühlen sich die Richter unter Druck gesetzt, mit Staatsanwälten zusammenzuarbeiten, um Angeklagte zu verurteilen. Der Anteil an Freisprüchen ist extrem niedrig (FH 4.3.2020). Allerdings entließen viele Richter nach der ’Samtenen Revolution’ im Frühjahr 2018 etliche Verdächtige in politisch sensiblen Fällen aus der Untersuchungshaft, was die Ansicht von Menschenrechtsgruppen bestätigte, dass vor den Ereignissen im April/Mai 2018 gerichtliche Entscheidungen politisch konnotiert waren, diese Verdächtigen in Haft zu halten, statt gegen Kaution freizulassen (USDOS 11.3.2020).
Trotz gegenteiliger Gesetzesbestimmungen zeigt die Gerichtsbarkeit keine umfassende Unabhängigkeit und Unparteilichkeit. Die Verwaltungsgerichte sind hingegen verglichen zu den anderen Gerichten unabhängiger. Sie leiden allerdings unter Personalmangel. Nach dem Regierungswechsel im Mai 2018 setzte sich das Misstrauen in die Unparteilichkeit der Richter fort und einige Menschenrechtsanwälte erklärten, es gebe keine rechtlichen Garantien für die Unabhängigkeit der Justiz. NGOs berichten, dass Richter die Behauptungen der Angeklagten, ihre Aussage sei durch körperliche Übergriffe erzwungen worden, routinemäßig ignorieren. Die Korruption unter Richtern ist weiterhin ein Problem. Die am 10. Oktober 2019 verabschiedete Strategie für die Justiz- und Rechtsreform 2019-2023 zielt darauf ab, das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Justiz und das Justizsystem zu stärken und die Unabhängigkeit der Justiz zu fördern (USDOS 11.3.2020).
Die Verfassung und die Gesetze sehen das Recht auf einen fairen und öffentlichen Prozess vor, aber die Justiz setzt dieses Recht nicht durch. Ebenso sieht das Gesetz die Unschuldsvermutung vor, Verdächtigen wird dieses Recht jedoch in der Regel nicht zugesprochen. Das Gesetz verlangt, dass die meisten Prozesse öffentlich sind, erlaubt aber Ausnahmen, auch im Interesse der ’Moral’, der nationalen Sicherheit und des ’Schutzes des Privatlebens der Teilnehmer’. Gemäß dem Gesetz können Angeklagte Zeugen konfrontieren, Beweise präsentieren und den Behördenakt vor einem Prozess einsehen. Allerdings haben Angeklagte und ihre Anwälte kaum Möglichkeiten, die Aussagen von Behördenzeugen oder der Polizei anzufechten. Die Gerichte neigen währenddessen dazu, routinemäßig Beweismaterial zur Strafverfolgung anzunehmen. Zusätzlich verbietet das Gesetz Polizeibeamten, in ihrer offiziellen Funktion auszusagen, es sei denn, sie waren Zeugen oder Opfer (USDOS 11.3.2020).
Quellen:
AA – Auswärtiges Amt (27.4.2020): Bericht über die asyl-und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Armenien (Stand: Februar2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2030001/Auswärtiges_Amt,_Bericht_über_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Republik_Armenien_(Stand_Februar_2020),_27.04.2020.pdf , Zugriff 23.6.2020
FH - Freedom House (4.3.2020): Freedom in the World 2020 – Armenia, https://freedomhouse.org/country/armenia/freedom-world/2020 , Zugriff 24.4.2020
USDOS – U.S. Department of State (11.3.2020): 2019 Country Reports on Human Rights Practices: Armenia, https://www.state.gov/wp-content/uploads/2020/02/ARMENIA-2019-HUMAN-RIGHTS-REPORT.pdf , Zugriff 13.3.2020
Sicherheitsbehörden
Die Polizei ist für die innere Sicherheit zuständig, während der Nationale Sicherheitsdienst (NSD oder eng. NSS) für die nationale Sicherheit, die Geheimdienstaktivitäten und die Grenzkontrolle zuständig ist (USDOS 11.3.2020, vgl. AA 27.4.2020). Beide Behörden sind direkt der Regierung unterstellt. Ein eigenes Innenministerium gibt es nicht. Die Beamten des NSD dürfen auch Verhaftungen durchführen. Hin und wieder treten Kompetenzstreitigkeiten auf, z.B. wenn ein vom NSD verhafteter Verdächtiger ebenfalls von der Polizei gesucht wird (AA 27.4.2020).
Im April verabschiedete die Regierung eine Strategie und einen Aktionsplan zur Polizeireform für 2020-2022. Der Plan beinhaltet die Wiedereinführung eines Innenministeriums und die Stärkung der parlamentarischen Kontrolle über die Polizei. Die Reformen sehen auch die Schaffung einer neuen Patrouillenpolizei und die Gewährung von Ermittlungsbefugnissen für die Polizei vor (HRW 13.1.2021).
Der Sonderermittlungsdienst führt Voruntersuchungen in Strafsachen durch, die sich auf Delikte von Beamten der Gesetzgebungs-, Exekutiv- und Justizorgane beziehen und von Personen, die einen staatlichen Sonderdienst ausüben. Auf Verlangen kann der Generalstaatsanwalt solche Fälle an die Ermittler des Sonderermittlungsdienstes weiterleiten (SIS o.D., vgl. USDOS 11.3.2020). Der NSD und die Polizeichefs berichten direkt an den Premierminister. NSD, SIS, die Polizei und das Untersuchungskomitee unterliegen demzufolge der Kontrolle der zivilen Behörden (USDOS 11.3.2020).
Obwohl das Gesetz von den Gesetzesvollzugsorganen die Erlangung eines Haftbefehls verlangt oder zumindest das Vorliegen eines begründeten Verdachts für die Festnahme, nehmen die Behörden gelegentlich Verdächtige fest oder sperren diese ein, ohne dass ein Haftbefehl oder ein begründeter Verdacht vorliegt. Nach 72 Stunden muss laut Gesetz die Freilassung oder ein richterlicher Haftbefehl erwirkt werden. Angeklagte haben ab dem Zeitpunkt der Verhaftung Anspruch auf Vertretung durch einen Anwalt bzw. Pflichtverteidiger. Die Polizei vermeidet es oft, betroffene Personen über ihre Rechte aufzuklären. Statt Personen formell zu verhaften, werden diese vorgeladen und unter dem Vorwand festgehalten, eher wichtige Zeugen denn Verdächtige zu sein. Hierdurch ist die Polizei in der Lage, Personen zu befragen, ohne dass das Recht auf einen Anwalt eingeräumt wird (USDOS 11.3.2020).
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt (27.4.2020): Bericht über die asyl-und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Armenien (Stand: Februar2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2030001/Auswärtiges_Amt,_Bericht_über_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Republik_Armenien_(Stand_Februar_2020),_27.04.2020.pdf , Zugriff 23.6.2020
HRW - Human Rights Watch (13.1.2021): World Report 2021 – Armenia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2043515.html , Zugriff 22.1.2021
SIS - Special Investigation Service of Republic of Armenia (o.D.): History http://www.ccc.am/en/1428926241 , Zugriff 24.6.2020
USDOS - U.S. Department of State (11.3.2020): 2019 Country Reports on Human Rights Practices: Armenia, https://www.state.gov/wp-content/uploads/2020/02/ARMENIA-2019-HUMAN-RIGHTS-REPORT.pdf , Zugriff 13.3.2020
Folter und unmenschliche Behandlung
Das Gesetz verbietet Folter und andere Formen von Misshandlungen. Dennoch gibt es Berichte, dass Mitglieder der Sicherheitskräfte Personen in ihrer Haft gefoltert oder anderweitig missbraucht haben. Laut Menschenrechtsanwälten definiert und kriminalisiert das Strafgesetzbuch zwar Folter, aber die einschlägigen Bestimmungen kriminalisieren keine unmenschliche und erniedrigende Behandlungen (USDOS 11.3.2020). Menschenrechtsorganisationen haben bis zur „Samtenen Revolution“ immer wieder glaubwürdig von Fällen berichtet, in denen es bei Verhaftungen oder Verhören zu unverhältnismäßiger Gewaltanwendung gekommen sein soll. Folteropfer können den Rechtsweg nutzen, einschließlich der Möglichkeit, sich an den Verfassungsgerichtshof bzw. den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) zu wenden (AA 27.4.2020). Gemäß Menschenrechtsanwälten führte die Straffreiheit von Folter in der Zeit vor der „Samtenen Revolution“ dazu, dass Folter weiterhin angewandt wird, wenn auch nun in geringerem Ausmaß, und alte Fälle von Folter werden nicht aufgearbeitet (USDOS 11.3.2020; vgl. AA 27.4.2020).
Misshandlungen finden auf Polizeistationen statt, die im Gegensatz zu Gefängnissen und Polizeigefängnissen nicht der öffentlichen Kontrolle unterliegen. Nach Ansicht von Menschenrechtsanwälten gab es keine ausreichenden verfahrensrechtlichen Garantien gegen Misshandlungen bei polizeilichen Vernehmungen, wie z.B. den Zugang zu einem Anwalt durch die zur Polizei als Zeugen geladenen Personen sowie die Unzulässigkeit von Beweisen, die durch Gewalt- oder Verfahrensverletzungen gewonnen wurden (USDOS 11.3.2020). In einem Antwortschreiben an das Helsinki Komitee Armeniens bezifferte der Special Investigation Service (SIS) die Anzahl der strafrechtlichen Untersuchungen bezüglich des Vorwurfes von Folter im Zeitraum zwischen dem 1.1. und dem 23.12.2019 auf 4 (HCA 25.2.2020).
Quellen:
AA – Auswärtiges Amt (27.4.2020): Bericht über die asyl-und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Armenien (Stand: Februar2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2030001/Auswärtiges_Amt,_Bericht_über_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Republik_Armenien_(Stand_Februar_2020),_27.04.2020.pdf , Zugriff 23.6.2020
HCA – Helsinki Committee of Armenia (25.2.2020): Human Rights in Armenia – 2019 Report, http://armhels.com/wp-content/uploads/2020/02/Ditord-2020Eng_Ditord-2019arm-2.pdf , Zugriff 24.6.2020
USDOS – U.S. Department of State (11.3.2020): 2019 Country Reports on Human Rights Practices: Armenia, https://www.state.gov/wp-content/uploads/2020/02/ARMENIA-2019-HUMAN-RIGHTS-REPORT.pdf , Zugriff 13.3.2020
Korruption
Das Gesetz sieht strafrechtliche Sanktionen bei behördlicher Korruption vor. Das Land hat eine Hinterlassenschaft der systemischen Korruption in vielen Bereichen. Nach der „Samtenen Revolution“ im Mai 2018 eröffnete die Regierung eine Untersuchung, die die systematische Korruption in den meisten Bereichen des öffentlichen und privaten Lebens aufdeckte und es wurden zahlreiche Strafverfahren gegen mutmaßliche Korruption durch ehemalige Regierungsbeamte und ihre Angehörigen, Parlamentarier und in einigen Fällen auch durch Angehörige der Justiz und ihre Verwandten und einige wenige derzeitige Regierungsbeamte eingeleitet. 2018 machte die Regierung die Korruptionsbekämpfung zu einer ihrer obersten Prioritäten und setzte ihre Maßnahmen zur Beseitigung der Korruption im Laufe des Jahres fort. Obwohl Spitzenbeamte die „Ausrottung der Korruption“ im Land ankündigten, stellten lokale Beobachter fest, dass Maßnahmen zur Korruptionsbekämpfung einer weiteren Institutionalisierung bedürfen (USDOS 11.3.2020; vgl. FH 4.3.2020, SWP 5.2020).
Die Regierung unternimmt Schritte, die Antikorruptionsmechanismen des Landes zu stärken. Im Oktober 2019 veröffentlichte sie einen Drei-Jahres-Aktionsplan, der die Schaffung eines neuen Antikorruptionsausschusses bis 2021 vorsieht. Die Regierung plant auch, die bestehende Kommission zur Korruptionsprävention zu stärken (FH 4.3.2020; vgl. SWP 5.2020). Auf dem Korruptionswahrnehmungsindex 2020 von Transparency International belegte Armenien Rang 60 von 180 untersuchten Ländern (TI 28.1.2021).
Quellen:
FH - Freedom House (4.3.2020): Freedom in the World 2020 – Armenia, https://freedomhouse.org/country/armenia/freedom-world/2020 , Zugriff 24.4.2020
SWP - Stiftung Wissenschaft und Politik (5.2020): Korruption und Korruptionsbekämpfung im Südkaukasus, https://www.swp-berlin.org/fileadmin/contents/products/studien/2020S08_suedkaukasus.pdf , Zugriff 12.6.2020
TI - Transparency International (28.1.2021): Corruption Perceptions Index 2020, https://images.transparencycdn.org/images/2020_Report_CPI_EN.pdf , Zugriff 29.1.2021
USDOS – U.S. Department of State (11.3.2020): 2019 Country Reports on Human Rights Practices: Armenia, https://www.state.gov/wp-content/uploads/2020/02/ARMENIA-2019-HUMAN-RIGHTS-REPORT.pdf , Zugriff 13.3.2020
NGOs und Menschrechtsaktvisten
Die Zivilgesellschaft ist in Armenien aktiv und weitgehend in der Lage, frei zu agieren. Das Gesetz über öffentliche Unternehmen und das Stiftungsrecht wurden kürzlich mit einer Reihe positiver Änderungen verabschiedet, darunter die Möglichkeit, direkt einkommensschaffende oder unternehmerische Aktivitäten durchzuführen; weiters die Möglichkeit von Freiwilligenarbeit sowie die Möglichkeit für Umweltorganisationen, die Interessen ihrer Mitglieder in Umweltfragen vor Gerichten zu vertreten. Es gibt jedoch noch eine Reihe von Herausforderungen. Zum Beispiel die gesetzlichen Bestimmungen in Bezug auf Steuerverpflichtungen im Zusammenhang mit der Erzielung von Einnahmen, das Fehlen klarer Regeln für den Zugang zu öffentlichen Mitteln sowie klarer Regelung für die Verwendung privater Daten. Einschränkungen gibt es für zivilgesellschaftliche Organisationen, die mit sensiblen Themen wie den Rechten von Minderheiten und einigen Gender-spezifischen Fragen arbeiten (OHCHR 16.11.2018). Nichtregierungsorganisationen (NGOs) fehlen lokale Mittel und sind weitgehend auf ausländische Geber angewiesen (FH 4.3.2020).
Trotz der Einschränkungen war die Zivilgesellschaft bei den Protesten im Jahr 2018 aktiv und wurde im Jahr 2019 aktive Teilnehmerin an den von der Regierung geführten Reformbemühungen, insbesondere im Bereich der Wahlreform. Armenische NGOs machen seither bedeutende Fortschritte bei der Stärkung ihrer organisatorischen Kapazitäten und operieren mit weniger Einmischung der Behörden (FH 4.3.2020).
Quellen:
FH - Freedom House (4.3.2020): Freedom in the World 2020 – Armenia, https://freedomhouse.org/country/armenia/freedom-world/2020 , Zugriff 24.4.2020
OHCHR – UN Office of the High Commissioner for Human Rights (16.11.2018): Statement by the United Nations Special Rapporteur on the rights to freedom of peaceful assembly and of association, Clément Nyaletsossi VOULE, at the conclusion of his visit to the Republic of Armenia, https://www.ohchr.org/EN/NewsEvents/Pages/DisplayNews.aspx?NewsID=23882&LangID=E , Zugriff 29.3.2019
Ombudsperson
Die vom Parlament gewählte und als unabhängige Institution in der Verfassung verankerte „Ombudsperson für Menschenrechte“ muss einen schwierigen Spagat zwischen Exekutive und den Rechtsschutz suchenden Bürgern vollziehen (AA 27.4.2020). Das Büro der Ombudsperson hat das Mandat, die Menschenrechte und Grundfreiheiten auf allen Regierungsebenen vor Missbrauch zu schützen. Das Büro verbessert seine Reichweite in den Regionen und die Zusammenarbeit mit regionalen Menschenrechtsorganisationen. Im Jahr 2019 startete das Büro eine Kampagne zur Sensibilisierung der Öffentlichkeit für die Verfahren zur Meldung häuslicher Gewalt. Das Büro berichtet weiterhin über einen deutlichen Anstieg der Zahl der Bürgerbeschwerden und Besuche, was zu den gestiegenen Erwartungen und dem Vertrauen der Öffentlichkeit in die Institution beitrug (USDOS 11.3.2020).
Quellen:
AA – Auswärtiges Amt (27.4.2020): Bericht über die asyl-und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Armenien (Stand: Februar2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2030001/Auswärtiges_Amt,_Bericht_über_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Republik_Armenien_(Stand_Februar_2020),_27.04.2020.pdf , Zugriff 23.6.2020
USDOS – U.S. Department of State (11.3.2020): 2019 Country Reports on Human Rights Practices: Armenia, https://www.state.gov/wp-content/uploads/2020/02/ARMENIA-2019-HUMAN-RIGHTS-REPORT.pdf , Zugriff 13.3.2020
Allgemeine Menschenrechtslage
Die Verfassung enthält einen ausführlichen Grundrechtsteil modernen Zuschnitts, der auch wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte mit einschließt. Durch Verfassungsänderungen im Jahr 2015 wurde der Grundrechtekatalog noch einmal erheblich ausgebaut. Ein Teil der Grundrechte können im Ausnahmezustand oder im Kriegsrecht zeitweise ausgesetzt oder mit Restriktionen belegt werden. Gemäß Verfassung ist der Kern der Bestimmungen über Grundrechte und –freiheiten unantastbar. Extralegale Tötungen, Fälle von Verschwindenlassen, unmenschliche, erniedrigende oder extrem unverhältnismäßige Strafen, übermäßig lang andauernde Haft ohne Anklage oder Urteil bzw. Verurteilungen wegen konstruierter oder vorgeschobener Straftaten sind nicht bekannt (AA 27.4.2020).
Zu den bedeutendsten Menschenrechtsverletzungen gehören: Folter; willkürliche Inhaftierung, wenn auch mit weniger Berichten; harte und lebensbedrohliche Haftbedingungen; willkürliche Eingriffe in die Privatsphäre; erhebliche Probleme mit der Unabhängigkeit der Justiz; Gewalt oder die Androhung von Gewalt gegen Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transgender oder intersexuelle Personen (LGBTI) und der Einsatz von erzwungener oder obligatorischer Kinderarbeit (USDOS 11.3.2020, vgl. HRW 14.1.2020). Die Regierung unternimmt Schritte zur Untersuchung und Ahndung von Missbrauch gegen aktuelle und ehemalige Beamte und Sicherheitskräfte (USDOS 11.3.2020).
Die Regierung Armeniens erfüllt die Mindeststandards für die Beseitigung des Menschenhandels nicht vollständig, unternimmt aber erhebliche Anstrengungen, um dies zu erreichen. Sie nahm Gesetzesänderungen und Verordnungen zur Stärkung der Gesundheits- und Arbeitsaufsichtsbehörde vor und führte Schulungen für Strafverfolgungsbeamte durch. Die Behörden erhöhten die Zahl der Ermittlungen und Strafverfolgungen, und die Kommission zur Identifizierung von Opfern funktionierte weiterhin gut. Die Regierung hat seit 2014 keine Verurteilung wegen Zwangsarbeit mehr erhalten. Es fehlt an proaktiven Identifizierungsbemühungen, wie z.B. Standardindikatoren zur Überprüfung gefährdeter Bevölkerungsgruppen. Die Opfer von Menschenhandel sahen sich, wie die Opfer anderer Verbrechen, mit einem eingeschränkten Zugang zur Justiz konfrontiert, u.a. aufgrund fehlender opferorientierter Verfahren und formeller Maßnahmen zum Schutz der Opfer und Zeugen (USDOS 25.6.2020).
Quellen:
AA – Auswärtiges Amt (27.4.2020): Bericht über die asyl-und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Armenien (Stand: Februar2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2030001/Auswärtiges_Amt,_Bericht_über_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Republik_Armenien_(Stand_Februar_2020),_27.04.2020.pdf , Zugriff 23.6.2020
HRW – Human Rights Watch (14.1.2020): World Report 2020 – Armenia, https://www.hrw.org/world-report/2020/country-chapters/armenia , Zugriff 16.1.2020
USDOS – U.S. Department of State (11.3.2020): 2019 Country Reports on Human Rights Practices: Armenia, https://www.state.gov/wp-content/uploads/2020/02/ARMENIA-2019-HUMAN-RIGHTS-REPORT.pdf , Zugriff 13.3.2020
USDOS – US Department of State (25.6.2020): 2020 Trafficking in Persons Report: Armenia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2036210.html , Zugriff 28.9.2020
Meinungs- und Pressefreiheit
Die Verfassung schützt die Freiheit der Meinung, Information, Medien und anderer Informationsmittel (AA 27.4.2020, vgl. USDOS 11.3.2020). Seit dem politischen Übergang 2018 ist das Medienumfeld freier geworden und einige Sender begannen, sich von der früheren Praxis der Selbstzensur zu lösen. Es gibt jedoch Berichte, dass einige Sender es vermeiden, die Behörden zu kritisieren, um nicht „konterrevolutionär“ zu erscheinen (USDOS 11.3.2020). Journalisten zeichneten neun Monate nach dem politischen Machtwechsel ein gemischtes Bild. Während die Regierung nicht mehr versucht, die Berichterstattung direkt zu orchestrieren, erweisen sich die neuen Behörden als dünnhäutig gegenüber Kritik. Premierminister Paschinjan selbst hat wiederholt öffentliche Angriffe auf Journalisten gestartet, von denen viele in den Medien sagen, dass sie ein Klima der Einschüchterung gegen kritische Berichterstattung geschaffen haben (Eurasianet 6.2.2019; vgl. USDOS 11.3.2020). Viele traditionelle und Online-Medien lassen weiterhin eine objektive Berichterstattung vermissen. Einzelpersonen können die Regierung ohne Angst vor Verhaftung kritisieren (USDOS 11.3.2020).
Dem Rundfunk und auflagenstarken Printmedien fehlt es in der Regel an politischer Meinungsvielfalt und objektiver Berichterstattung. Privatpersonen oder private Gruppen, von denen die meisten Verbindungen zur alten Regierung haben, besitzen die meisten Rundfunkmedien und Zeitungen, was in der Regel die politische Ausrichtung und die finanziellen Interessen ihrer Eigentümer widerspiegelt. Nach Ansicht einiger Medienkritiker präsentierte das öffentlich-rechtliche Fernsehen weiterhin Nachrichten aus einer regierungsfreundlichen Perspektive und hat nach dem Regierungswechsel die Sichtweise gewechselt (USDOS 11.3.2020).
Unabhängige und investigative Medien arbeiten in Armenien relativ frei. Ihre Produkte sind im Allgemeinen online zu finden. Kleine unabhängige Stellen berichteten ausführlich über die Proteste im Jahr 2018 und stellten das Narrativ der staatlichen Rundfunkanstalten und anderer Medien des Establishments in Frage. Im Vergleich dazu sind die meisten Print- und Rundfunkanstalten mit politischen oder größeren kommerziellen Interessen verbunden (FH 4.3.2020).
Im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie hat die Regierung restriktiv auf die Verbreitung von Falschnachrichten zum Coronavirus reagiert, indem sie Journalisten und Medien untersagte, bestimmte Nachrichten zu verbreiten. Diese Maßnahme traf auch unabhängige, kritische Medien und Journalisten, die unter anderem über die desolate Situation in Krankenhäusern berichten wollten (HBS 2.4.2020 vgl. FH 14.10.2020).
Die Internetfreiheit in Armenien hat sich seit der Samtenen Revolution verbessert. Die Nutzer stoßen in der Regel weder auf Einschränkungen von Online-Inhalten, noch werden sie für ihre Online-Aktivitäten rechtlich oder außergesetzlich bestraft. In den ersten Tagen der Reaktion der Regierung auf den Ausbruch von COVID-19 gingen die Beamten jedoch dazu über, Online-Nachrichtenagenturen und einzelne Nutzer sozialer Medien zu zensieren (vgl. HBS 2.4.2020). Darüber hinaus begann die Regierung damit, Metadaten von den Mobilgeräten der Benutzer zum Zweck der Kontaktverfolgung zu sammeln, was die Befürworter des Datenschutzes alarmiert hat (FH 14.10.2020).
In den ersten neun Monaten des Jahres 2019 wurden drei physische Angriffe auf Journalisten gemeldet (USDOS 11.3.2020). Im Jahr 2019 wurden insgesamt vier Vorfälle von körperlicher Gewalt gegen Reporter und Kameramänner registriert, 134Vorfälle von Druck auf Medien und deren Mitarbeiter und 108 Vorfälle von Verletzungen des Rechts auf Erhalt und Verbreitung von Informationen (HCA 25.2.2020).
Quellen:
AA – Auswärtiges Amt (27.4.2020): Bericht über die asyl-und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Armenien (Stand: Februar2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2030001/Auswärtiges_Amt,_Bericht_über_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Republik_Armenien_(Stand_Februar_2020),_27.04.2020.pdf , Zugriff 23.6.2020
Eurasianet (6.2.2019): In the new Armenia, media freedom is a mixed bag, https://eurasianet.org/in-the-new-armenia-media-freedom-is-a-mixed-bag , Zugriff 11.4.2019
FH - Freedom House (4.3.2020): Freedom in the World 2020 – Armenia, https://freedomhouse.org/country/armenia/freedom-world/2020 , Zugriff 24.4.2020
FH – Freedom House (14.10.2020): Freedom on the Net 2020 – Armenia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2039050.html , Zugriff 20.10.2020
HBS – Henirich-Böll-Stiftung / Stefan Meister (2.4.2020): Covid-19 im Südkaukasus – Schnelle Reaktionen und autoritäre Reflexe, https://www.boell.de/de/2020/04/02/covid-19-im-suedkaukasus-schnelle-reaktionen-und-autoritaere-reflexe , Zugriff 23.4.2020
HCA – Helsinki Committee of Armenia (25.2.2020): Human Rights in Armenia – 2019 Report, http://armhels.com/wp-content/uploads/2020/02/Ditord-2020Eng_Ditord-2019arm-2.pdf , Zugriff 24.6.2020
USDOS – U.S. Department of State (11.3.2020): 2019 Country Reports on Human Rights Practices: Armenia, https://www.state.gov/wp-content/uploads/2020/02/ARMENIA-2019-HUMAN-RIGHTS-REPORT.pdf , Zugriff 13.3.2020
Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, Opposition
Die Verfassung und das Gesetz sehen die Freiheit der friedlichen Versammlung vor und nach der ’Samtenen Revolution’ im Frühjahr 2018 respektierte die neue Regierung diese Rechte im Allgemeinen (USDOS 11.3.2020; vgl. AA 27.4.2020). Der Schutz und die Zugänglichkeit des Rechts auf Versammlungsfreiheit haben sich durch die politischen Veränderungen der im April 2018 abgehaltenen Versammlungen erheblich verbessert (HCA 1.2019). Die 194 im Jahr 2019 durchgeführten Versammlungen in Jerewan waren ihrer Natur nach extrem divers, jedoch wurde die Versammlungsfreiheit durch Polizeiinterventionen öfters gestört (HCR 25.2.2020).
Versammlungen können ohne vorherige Genehmigung, aber nach Benachrichtigung der Behörden abgehalten werden. In einigen Fällen die Benachrichtigung nicht erforderlich ist, wenn spontane und dringende Versammlungen abgehalten werden, oder wenn die Teilnehmerzahlen 100 Personen nicht überschreiten. Darüber hinaus sieht dieses Gesetz vor, dass die Polizei unabhängig von der Art der Versammlung verpflichtet ist, für Sicherheit zu sorgen und Demonstrationen zu ermöglichen, solange sie friedlich sind. Einige problematische Gesetzesbestimmungen schränken die Versammlungsfreiheit jedoch ein. So erlaubt das Gesetz beispielsweise nicht, dass sich Menschen vor dem Eingang bestimmter öffentlicher Gebäude versammeln (OHCHR 16.11.2018).
Die Vereinigungsfreiheit hat Verfassungsrang. Die Gesetzgebung entspricht im Wesentlichen internationalen Standards, weist aber in der Umsetzung Defizite auf (AA 27.4.2020, vgl. OHCHR 16.11.2018). Das Gesetz schützt das Recht der Arbeitnehmer auf Gründung und Beitritt zu unabhängigen Gewerkschaften, Streiks und Tarifverhandlungen. Diese Schutzvorkehrungen werden jedoch mangelhaft durchgesetzt und die Arbeitgeber sind im Allgemeinen in der Lage, die Gewerkschaftstätigkeit in der Praxis zu blockieren (FH 4.3.2020).
Das Gesetz schränkt die Registrierung oder Tätigkeit von politischen Parteien nicht ein. Die politische Dominanz und Kontrolle der Republikanische Partei (HHK) über die administrativen Ressourcen hat in der Vergangenheit verhindert, dass die gleichen Wettbewerbsbedingungen für die konkurrierenden Parteien des Landes galten. Die Protestbewegung von 2018, die Sargsyan, den Ministerpräsidenten der bis dahin regierenden HHK, aus dem Amt zwang, gab den Oppositionsgruppen deutlich mehr Freiheit vor den Wahlen im Dezember 2018. Die Parlamentswahlen im Dezember veränderten die politische Landschaft, ließen die HHK ohne parlamentarische Vertretung und ebneten den Weg für das Oppositionsbündnis „Mein Schritt“ zur Macht.
Quellen:
AA – Auswärtiges Amt (27.4.2020): Bericht über die asyl-und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Armenien (Stand: Februar2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2030001/Auswärtiges_Amt,_Bericht_über_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Republik_Armenien_(Stand_Februar_2020),_27.04.2020.pdf , Zugriff 23.6.2020
FH - Freedom House (4.3.2020): Freedom in the World 2020 – Armenia, https://freedomhouse.org/country/armenia/freedom-world/2020 , Zugriff 24.4.2020
HCA – Helsinki Committee of Armenia (1.2019): Human Rights in Armenia 2018 Report, Ditord Observer #1 (73), http://armhels.com/wp-content/uploads/2019/03/Ditord-2019Engl_Ditord-2019arm-1.pdf , Zugriff 24.6.2020
HCA – Helsinki Committee of Armenia (25.2.2020): Human Rights in Armenia – 2019 Report, http://armhels.com/wp-content/uploads/2020/02/Ditord-2020Eng_Ditord-2019arm-2.pdf , Zugriff 24.6.2020
OHCHR – UN Office of the High Commissioner for Human Rights (16.11.2018): Statement by the United Nations Special Rapporteur on the rights to freedom of peaceful assembly and of association, Clément Nyaletsossi VOULE, at the conclusion of his visit to the Republic of Armenia, https://www.ohchr.org/EN/NewsEvents/Pages/DisplayNews.aspx?NewsID=23882&LangID=E , Zugriff 27.3.2019
USDOS – U.S. Department of State (11.3.2020): 2019 Country Reports on Human Rights Practices: Armenia, https://www.state.gov/wp-content/uploads/2020/02/ARMENIA-2019-HUMAN-RIGHTS-REPORT.pdf , Zugriff 13.3.2020
Haftbedingungen
Mit Stand 1.1.2018 befanden sich 3.536 Personen in Haft, was einen Wert von 119 per 100.000 Einwohner ausmachte und eine Abnahme bedeutet (2016: 4.873; 162 per 100.000). Allerdings stieg die Quote bei Untersuchungshäftlingen 2018 auf rund 37% im Vergleich zu fast 29% im Jahr 2016 (ICPS 2018).
Die Haftbedingungen sind geprägt von schlechter Hygiene, unzureichender medizinischer Versorgung und dominanten kriminellen Strukturen. Überbelegung ist auf der Ebene der Gefängnisse kein Problem mehr, jedoch auf der Ebene der Zellen. Die Bedingungen sind in einigen Fällen hart und lebensbedrohlich. In den Gefängnissen fehlte es im Allgemeinen an Unterkünften für Häftlinge mit Behinderungen (USDOS 11.3.2020).
Es existieren in Armenien 12 Haftanstalten, darunter ein Krankenhausgefängnis. Drei Haftanstalten befinden sich in Jerewan, die übrigen in den Provinzen. Die Haftanstalt Abovyan ist für die Unterbringung von Frauen und Jugendlichen vorgesehen. Der bauliche Zustand der Haftanstalten unterscheidet sich erheblich. Am besten sind die Haftbedingungen in der Anstalt Armavir. Häftlinge aus anderen Anstalten, insbesondere zu lebenslanger Freiheitsstrafe Verurteilte, werden vermehrt nach Armavir verlegt. Die Zellen sind ausreichend beleuchtet. Ausreichende Belüftung ist zum Teil, Heizung stets sichergestellt. Die hygienischen Verhältnisse sind insgesamt zufriedenstellend. Die Sicherstellung einer regelmäßigen Versorgung mit Nahrung ist aufgrund bestehender Regulierungen des staatlichen Beschaffungswesens zum Teil problematisch. Spezielle Angebote für Sport/Freizeitaktivitäten existieren in der Regel nicht. Fälle von willkürlicher Gewalt durch Gefängnispersonal stellen die Ausnahme dar. Allerdings ist der Schutz vor Gewalt von Insassen untereinander nicht immer gewährleistet. Probleme bereitet die gesundheitliche Versorgung. So gibt es zu wenig medizinisches Personal in den Krankenstationen. Ein Projekt des Europarats hat durch die Bereitstellung medizinischer Geräte sowie entsprechende Schulung des Gefängnispersonals zur deutlichen Verbesserung der Bedingungen in elf Gefängnissen geführt. Die Situation der Überbelegung hat sich, mit Ausnahme der Haftanstalt Nurbarashen, verbessert (AA 27.4.2020).
Neben dem schlechten Zustand der Einrichtungen dominiert eine organisierte kriminelle Struktur das Gefängnisleben. Gefängnisbeamte delegieren Befugnisse an ausgewählte Häftlinge (sogenannte „Beobachter“) an der Spitze der informellen Gefängnishierarchie, welche dann die Insassen kontrollieren. Die Haftbedingungen von Angehörigen sexueller Minderheiten sind die schlimmsten. Sie sind, geduldet von der Gefängnisverwaltung, häufig Ziel von Diskriminierung, Gewalt, psychologischem und sexuellem Missbrauch und werden von anderen Häftlingen gezwungen, entwürdigende Arbeit zu leisten (USDOS 11.3.2020)
Die Behörden führen keine Ermittlungen durch und ergreifen keine Maßnahmen, um Probleme wie Misshandlung von Gefangenen, Streitigkeiten und Gewalt zwischen Häftlingen oder weit verbreitete Korruption sinnvoll anzugehen. Strafgefangene und Häftlinge haben nicht immer einen angemessenen Zugang zu den Besuchern, da es keine geeigneten Räumlichkeiten gibt. Die Regierung erlaubt im Allgemeinen nationalen und internationalen Menschenrechtsgruppen sowie dem Internationalen Komitee des Roten Kreuzes die Haftbedingungen in Gefängnissen zu überwachen und Insassen zu besuchen. Die Behörden gestatten den Beobachtern auch, privat mit den Gefangenen zu sprechen (USDOS 11.3.2020).
Im Jahr 2019 wurde die Wasserversorgung in allen Haftanstalten verbessert und die Renovierung von einigen Gefängnissen wurde begonnen. Gemäß Angaben des Justizministeriums wird begonnen, eine Nulltoleranzpolitik gegenüber organisierten kriminellen Banden umzusetzen (USDOS 11.3.2020).
Quellen:
AA – Auswärtiges Amt (27.4.2020): Bericht über die asyl-und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Armenien (Stand: Februar2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2030001/Auswärtiges_Amt,_Bericht_über_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Republik_Armenien_(Stand_Februar_2020),_27.04.2020.pdf , Zugriff 23.6.2020
ICPS - International Centre for Prison Studies (2018): World Prison Brief – Armenia, http://www.prisonstudies.org/country/armenia , Zugriff 24.6.2020
USDOS – U.S. Department of State (11.3.2020): 2019 Country Reports on Human Rights Practices: Armenia, https://www.state.gov/wp-content/uploads/2020/02/ARMENIA-2019-HUMAN-RIGHTS-REPORT.pdf , Zugriff 13.3.2020
Todesstrafe
Armenien hat im September 2003 die Todesstrafe für alle Verbrechen abgeschafft; dies ist in Artikel 24 der Verfassung verankert (AA 27.4.2020, vgl. AI 21.4.2020, Standard 19.4.2003).
Quellen:
AA – Auswärtiges Amt (27.4.2020): Bericht über die asyl-und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Armenien (Stand: Februar2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2030001/Auswärtiges_Amt,_Bericht_über_die_asyl-und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Republik_Armenien_(Stand_Februar_2020),_27.04.2020.pdf , Zugriff 23.6.2020
AI – Amnesty International (21.4.2020): Death Sentences and Executions 2019, https://www.amnesty.org/download/Documents/ACT5018472020ENGLISH.PDF , Zugriff 24.4.2020
Standard, der (19.4.2003): Armenien schafft Todesstrafe ab, https://derstandard.at/1276261/Armenien-schafft-Todesstrafe-ab , Zugriff 25.3.2019
Religionsfreiheit
Die Religionsfreiheit ist verfassungsrechtlich garantiert und darf nur durch Gesetze und nur soweit eingeschränkt werden, wie dies für den Schutz der staatlichen und öffentlichen Sicherheit, der öffentlichen Ordnung, Gesundheit und Moral notwendig ist. Gemäß Verfassung wird zudem die Freiheit der Tätigkeit von religiösen Organisationen garantiert. Es gibt keine verlässlichen Angaben zum Anteil religiöser Minderheiten an der Gesamtbevölkerung; Schätzungen zufolge machen sie weniger als 5% aus. Auch in den 2015 beschlossenen Verfassungsänderungen genießt die Armenisch-Apostolische Kirche (AAK) nach wie vor Privilegien, die anderen Religionsgemeinschaften nicht zuerkannt werden (Zulässigkeit der Eröffnung von Schulen, Herausgabe kirchengeschichtlicher Lehrbücher, Steuervorteile u. a. bei Importen, Wehrdienstbefreiung von Geistlichen, Kirchenbau). Religionsgemeinschaften sind nicht verpflichtet, sich registrieren zu lassen. Religiöse Organisationen mit mindestens 200 Anhängern können sich jedoch amtlich registrieren lassen und dürfen dann Zeitungen und Zeitschriften mit einer Auflage von mehr als 1.000 Exemplaren veröffentlichen, regierungseigene Gelände nutzen, Fernseh- oder Radioprogramme senden und als Organisation Besucher aus dem Ausland einladen. Es gibt keine Hinweise darauf, dass Religionsgemeinschaften die Registrierung verweigert wurde bzw. wird. Bekehrungen durch religiöse Minderheiten sind zwar gesetzlich verboten; missionarisch aktive Glaubensgemeinschaften wie die Zeugen Jehovas oder die Mormonen sind jedoch tätig und werden staatlich nicht behindert. Dies wird von offiziellen Vertretern der Zeugen Jehovas bestätigt (AA 27.4.2020).
In Artikel 18 der Verfassung wird die Armenische Apostolische Kirche als „Nationalkirche“ anerkannt, die für die Erhaltung der armenischen nationalen Identität verantwortlich ist. Religiöse Minderheiten haben in der Vergangenheit über Diskriminierung berichtet und einige hatten Schwierigkeiten, Genehmigungen für den Bau von Gotteshäusern zu erhalten (FH 4.3.2020). Mitglieder religiöser Minderheiten werden bei der Beschäftigung im öffentlichen Dienst benachteiligt (USDOS 11.3.2020).
Menschenrechtsaktivisten äußerten weiterhin ihre Besorgnis über die Zustimmung der Regierung, dass die AAK am Unterricht an Schulen mitwirkt und die Zugehörigkeit zur AAK mit der nationalen Identität oft gleichsetzt wird, was die staatliche und gesellschaftliche Diskriminierung anderer religiöser Organisationen verstärkt (USDOS 10.6.2020).
Quellen:
AA – Auswärtiges Amt (27.4.2020): Bericht über die asyl-und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Armenien (Stand: Februar2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2030001/Auswärtiges_Amt,_Bericht_über_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Republik_Armenien_(Stand_Februar_2020),_27.04.2020.pdf , Zugriff 23.6.2020
FH - Freedom House (4.3.2020): Freedom in the World 2020 – Armenia, https://freedomhouse.org/country/armenia/freedom-world/2020 , Zugriff 24.4.2020
USDOS – U.S. Department of State (10.6.2020): Armenia 2019 International Religious Freedom Report, https://www.state.gov/wp-content/uploads/2020/06/ARMENIA-2019-INTERNATIONALRELIGIOUS-FREEDOM-REPORT.pdf , Zugriff 24.6.2020
USDOS – U.S. Department of State (11.3.2020): 2019 Country Reports on Human Rights Practices: Armenia, https://www.state.gov/wp-content/uploads/2020/02/ARMENIA-2019-HUMAN-RIGHTS-REPORT.pdf , Zugriff 13.3.2020
Bewegungsfreiheit
Die gesetzlich garantierte Bewegungsfreiheit im Land, Auslandsreisen, Emigration und Repatriierung werden generell respektiert (USDOS 11.3.2020, vgl. FH 4.3.2020).
Aufgrund des zentralistischen Staatsaufbaus und der geringen territorialen Ausdehnung gibt es kaum Ausweichmöglichkeiten gegenüber zentralen Behörden. Bei Problemen mit lokalen Behörden oder mit Dritten kann jedoch ein Umzug Abhilfe schaffen (AA 27.4.2020).
Im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie hat Armenien die Einreise von Personen untersagt, die weder Staatsbürger Armeniens noch Familienangehörige eines Staatsbürgers oder rechtmäßige Bewohner Armeniens sind. Reisende, denen die Einreise nach Armenien gestattet ist, müssen sich 14 Tage lang in Selbstquarantäne begeben. Georgien und Armenien haben bilateral ihre Landgrenze bis auf weiteres geschlossen. Staatsbürger Armeniens oder Georgiens dürfen in ihre jeweiligen Länder zurückkehren. Ebenso ist die Grenze zwischen dem Iran und Armenien für die meisten Reisenden geschlossen (USEMB 23.4.2020; vgl. Gov.am o.D.). Eine landesweite Ausgangssperre wurde am 16.3.2020 ausgerufen, alle Personen mussten Deklarationsformulare und Ausweise stets bei sich tragen (Garda 31.3.2020; vgl. USEMB 23.4.2020). Verstöße gegen die Quarantänebestimmungen und Ausgangsbeschränkungen waren gesetzlich strafbar (USEMB 23.4.2020; vgl. Gov.am o.D.). Die Bestimmungen wurden jedoch häufig nicht eingehalten und nicht durchgesetzt (ChH 4.6.2020; vgl. TASS 4.6.2020). Bis Anfang Mai 2020 wurden die meisten Beschränkungen wieder aufgehoben (RFE/RL 2.6.2020; vgl. EN 3.6.2020, TASS 4.6.2020).
Quellen:
AA – Auswärtiges Amt (27.4.2020): Bericht über die asyl-und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Armenien (Stand: Februar2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2030001/Auswärtiges_Amt,_Bericht_über_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Republik_Armenien_(Stand_Februar_2020),_27.04.2020.pdf , Zugriff 23.6.2020
ChH – Chatham House (4.6.2020): South Caucasus States Set to Diverge Further due to COVID-19, https://www.chathamhouse.org/expert/comment/south-caucasus-states-set-diverge-further-due-covid-19 , Zugriff 5.6.2020
FH - Freedom House (4.3.2020): Freedom in the World 2020 – Armenia, https://freedomhouse.org/country/armenia/freedom-world/2020 , Zugriff 24.4.2020
Garda World (31.3.2020): Armenia: Government extends emergency restrictions due to COVID-19 March 31 – April 10 /update 6, https://www.garda.com/crisis24/news-alerts/327866/armenia-government-extends-emergency-restrictions-due-to-covid-19-march-31-april-10-update-6 , Zugriff 24.4.2020
Gov.am – The Government of the Republic of Armenia (o.D.): COVID-19 Travel restrictions, https://www.gov.am/en/covid-travel-restrictions/ , Zugriff 24.4.2020
TASS – Russländische Nachrichtenagentur (4.6.2020): Coronavirus situation in Armenia deteriorating — PM, https://tass.com/world/1163989 , Zugriff 5.4.2020
USDOS – U.S. Department of State (11.3.2020): 2019 Country Reports on Human Rights Practices: Armenia, https://www.state.gov/wp-content/uploads/2020/02/ARMENIA-2019-HUMAN-RIGHTS-REPORT.pdf , Zugriff 13.3.2020
USEMB – U.S. Embassy in Armenia (23.4.2020): COVID-19 Information, https://am.usembassy.gov/u-s-citizen-services/covid-19-information/ , Zugriff 24.4.2020
EN – Eurasianet (3.6.2020): Dashboard: Coronavirus in Eurasia, https://eurasianet.org/dashboard-coronavirus-in-eurasia , Zugriff 4.6.2020
RFE/RL – Radio Free Europe / Radio Liberty (2.6.2020): COVID-19: Armenia Sees Growth In Cases Amid Lockdown Easing, https://www.rferl.org/a/covid-19-armenia-sees-growth-in-virus-cases-amid-nationwide-lockdown-easing/30648237.html , Zugriff 5.6.2020
IDPs und Flüchtlinge
Mit Stand Februar 2019 wurden rund 14.700 Flüchtlinge aus Syrien, 1.390 aus Aserbaidschan und 1.100 aus dem Irak gezählt, in Summe rund 18.000 (UNHCR 2.2019). Seit Ausbruch des Bürgerkriegs in Syrien kamen über 20.000 Flüchtlinge nach Armenien (99% armenisch-stämmige Christen), davon wurde der Löwenanteil aufgrund des gegenüber Immigranten armenischer Abstammung liberalen armenischen Staatsangehörigkeitsrechts mittlerweile eingebürgert. In kleinerem Maße treffen noch immer Flüchtlinge aus Syrien in Armenien ein. Die Integration ist aufgrund der schlechten wirtschaftlichen Lage schwierig, auch wenn gerade die Flüchtlinge aus Syrien gut ausgebildet sind und oft unternehmerische Erfahrung sowie ein gutes Integrationspotential haben (AA 27.4.2020).
Die Nationalversammlung hat den Aktionsplan der neuen Regierung gebilligt, der erstmals wesentliche Verweise auf Flüchtlinge und Migration enthält. Unzureichende Aufnahmekapazitäten, die Bestrafung von Asylbewerbern wegen illegaler Einreise und nationale Sicherheitserwägungen können einen wirksamen Flüchtlingsschutz behindern, obgleich Armenien Vertragsstaat der Genfer Flüchtlingskonvention ist (UNHCR 2.2019).
Die Behörden bieten den im Land verbliebenen ethnischen Armeniern aus Syrien die Wahl zwischen verschiedenen Schutzoptionen, darunter eine beschleunigte Einbürgerung, eine Aufenthaltserlaubnis oder den Flüchtlingsstatus. Durch die schnelle Einbürgerung erhalten Vertriebene aus Syrien das gleiche Recht auf Gesundheitsversorgung und die meisten anderen Sozialdienste wie andere Bürger (USDOS 11.3.2020).
Das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) leistet humanitäre Hilfe in Form von Bargeld und anderer Unterstützung für einige der am stärksten gefährdeten Personen. Die Unterstützung umfasst Berufsausbildung, Mikrokredite, Instrumente zur Einkommenserzielung, Ausbildung im lokalen Marketing sowie Beratung und Coaching. Während der COVID-19-Pandemie wird auch psychosoziale Unterstützung und Beratung angeboten. Darüber hinaus setzt sich das UNHCR auch für die sozialen und wirtschaftlichen Rechte von Syrern und anderen Vertriebenen ein und fördert ihre gleichberechtigte Einbeziehung in staatliche Programme und Entwicklungsprogramme mit Einheimischen (UNHCR 3.6.2020).
Laut dem Internal Displacement Monitoring Center lebten mit Stand Dezember 2018 etwa 8.400 Binnenvertriebene der geschätzten 65.000 Haushalte, die [im Zuge des Bergkarabach-Konfliktes] 1988-94 evakuiert wurden, noch in der Vertreibung. Einige der Binnenvertriebenen und ehemaligen Flüchtlinge des Landes haben keine angemessene Unterkunft und nur begrenzte wirtschaftliche Möglichkeiten (USDOS 11.3.2020).
Quellen:
AA – Auswärtiges Amt (27.4.2020): Bericht über die asyl-und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Armenien (Stand: Februar2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2030001/Auswärtiges_Amt,_Bericht_über_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Republik_Armenien_(Stand_Februar_2020),_27.04.2020.pdf , Zugriff 23.6.2020
UNHCR - United Nations High Commissioner for Refugees (2.2019): Fact Sheet Armenia, http://www.un.am/up/file/UNHCR Armenia Factsheet ENG as of Feb 2019.pdf , Zugriff 25.3.2019
UNHCR - United Nations High Commissioner for Refugees (3.6.2020): UNHCR helps displaced Syrian-Armenians facing hardship amid pandemic, https://www.unhcr.org/ph/19353-unhcr-helps-displaced-syrian-armenians-facing-hardship-amid-pandemic.html , Zugriff 25.6.2020
USDOS – U.S. Department of State (11.3.2020): 2019 Country Reports on Human Rights Practices: Armenia, https://www.state.gov/wp-content/uploads/2020/02/ARMENIA-2019-HUMAN-RIGHTS-REPORT.pdf , Zugriff 13.3.2020
Grundversorgung und Wirtschaft
Ein beachtlicher Teil der Bevölkerung ist nach wie vor finanziell nicht in der Lage, seine Versorgung mit den zum Leben notwendigen Gütern ohne Unterstützung durch humanitäre Organisationen sicherzustellen. Nach Schätzungen der Weltbank für 2019 leben 22,2 % der Armenier unterhalb der Armutsgrenze (2016: 29,4%). Ein Großteil der Bevölkerung wird finanziell und durch Warensendungen von Verwandten im Ausland unterstützt. Das die Armutsgrenze bestimmende Existenzminimum beträgt in Armenien ca. 60.000 armenische Dram (AMD) im Monat, der offizielle Mindestlohn 55.000 AMD (= ca. 100 Euro). Das durchschnittliche Familieneinkommen ist mangels zuverlässiger Daten schwer einzuschätzen. Der Großteil der Armenier geht mehreren Erwerbstätigkeiten und darüber hinaus privaten Geschäften und Gelegenheitstätigkeiten nach (AA 27.4.2020).
Die Arbeitslosenquote liegt bei 16,6%, die Inflationsrate 2019 bei 1,44% (laenderdaten.info; vgl. CIA 5.2.2021)
Das Durchschnittseinkommen beträgt AMD 192.450 pro Monat (IOM 2020).
Trotz relativ günstiger Wachstumsraten ist es nicht gelungen, den Lebensstandard für breite Bevölkerungsteile spürbar zu erhöhen. Wegen der Corona-Krise 2020 ist er nun massiv bedroht (SWP 5.2020).
Der UNDP Human Development Index, ein Messwert zur Beurteilung der Humanentwicklung und der Ungleichheit, ergab 2017 für Armenien einen Wert von 0.757 [Statistischer Bestwert ist 1] (im Vergleich der HDI von Österreich beträgt 0.908). Damit belegte Armenien, dessen Wert sich seit 1990 kontinuierlich verbesserte, Platz 83 von 189 Staaten (UNDP 15.7.2018).
Rohstoffgewinnung und deren Verarbeitung dominieren die armenische Industrie. Auch der Landwirtschaftssektor spielt eine wichtige Rolle, vor allem in Exporten des Landes (WKO 5.202023.7.2018). Nach den politischen Veränderungen im Jahr 2018 ging es mit der armenischen Wirtschaft steil bergauf. Sie wuchs schnell und überholte die ihrer Nachbarländer: Das Wachstum im Jahr 2019 betrug laut Weltbank 7,6% (Euronews 20.4.2020; vgl. WKO 5.2020).
Im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie ist die Produktion in einigen Sektoren um 90% gesunken. Der Bau- und Tourismussektor haben am meisten gelitten, da sie mit anderen Wirtschaftssektoren zusammenhängen (Euronews 20.4.2020). In der Branche Tourismus und Gastgewerbe kann die Zahl der Arbeitslosen bis zu 200.000 erreichen (Sputnik 17.4.2020).
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt (27.4.2020): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Armenien, https://www.ecoi.net/en/file/local/2030001/Auswärtiges_Amt,_Bericht_über_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Republik_Armenien_(Stand_Februar_2020),_27.04.2020.pdf ; Zugriff 16.2.2021
ArmStat - Statistical Committee of the Repbulic of Armenia (2019): Average monthly nominal wages, drams / 2019, https://www.armstat.am/en/?nid=12&id=08001 , Zugriff 7.5.2019
ArmStat - Statistical Committee of the Repbulic of Armenia (2018): Armenia in Figures – Living Standards And Social Sphere, https://www.armstat.am/file/article/armenia_2018_5.pdf , Zugriff 25.3.2019
CIA - Central Intelligence Agency (5.2.2021): The World Factbook, Armenia, Economie, https://www.cia.gov/the-world-factbook/countries/armenia/#economy ; Zugriff 16.2.2021
Euronews (20.4.2020): Armeniens Wirtschaft vom Coronavirus bedroht, https://de.euronews.com/2020/04/20/armeniens-wirtschaft-vom-coronavirus-bedroht , Zugriff 24.4.2020
IOM – Internationale Organisation für Migration (2020): Länderinformationsblatt Armenien 2020, https://files.returningfromgermany.de/files/CFS_2020_Armenia_DE.pdf , Zugriff 16.2.2021
laenderdaten.info (ohne Datum): Armenien, https://www.laenderdaten.info/Asien/Armenien/index.php ; Zugriff 16.2.2021
Sputnik News Armenija (17.4.2020): Как в Армении уйти от безработицы, когда вокруг -сплошное ЧП: специалист предлагает выход, https://ru.armeniasputnik.am/society/20200417/22765751/Kak-v-Armenii-uyti-ot-bezrabotitsy-kogda-vokrug---sploshnoe-ChP-spetsialist-predlagaet-vykhod.html , Zugriff 24.4.2020
SWP - Stiftung Wissenschaft und Politik (5.2020): Korruption und Korruptionsbekämpfung im Südkaukasus, https://www.swp-berlin.org/fileadmin/contents/products/studien/2020S08_suedkaukasus.pdf , Zugriff 12.6.2020
UNDP - United Nations Development Programme (15.7.2018): Human Development Indices and Indicators: 2018 Statistical Update, Briefing note for countries on the 2018 Statistical Update, Armenia, http://hdr.undp.org/sites/all/themes/hdr_theme/country-notes/ARM.pdf , Zugriff 25.3.2019
WKO – Wirtschftskammer Österreich (25.5.2020): Wirtschaftsbericht Armenien, https://www.wko.at/service/aussenwirtschaft/armenien-wirtschaftsbericht.pdf , Zugriff 23.6.2020
Sozialbeihilfen
Das Ministerium für Arbeit und soziale Angelegenheiten verwaltet das Sozialschutzsystem in Armenien. Zu den wichtigsten Arten staatlicher Sozialleistungen in Armenien gehören: Familienbeihilfe, Sozialleistungen, dringende Unterstützungen, pauschales Kindergeld, Kinderbetreuungsgeld bis zum Alter von zwei Jahren, Leistungen bei vorübergehender Arbeitsunfähigkeit, Mutterschaftsgeld, Altersbeihilfe, Invaliditätsleistungen, Leistungen bei Verlust der geldverdienenden Person, Bestattungsgeld (IOM 2020).
Personen, die das 63. Lebensjahr vollendet und mindestens 10 Jahre Berufserfahrung haben, haben Anspruch auf eine arbeitsbedingte Rente. Personen, die keinen Anspruch auf eine arbeitsbedingte Rente haben, haben mit 65 Jahren Anspruch auf eine altersbedingte Rente. In Armenien gibt es zwei Kategorien von Renten: Arbeitsrenten umfassen Altersrenten, privilegierte Renten, Renten für langjährige Betriebszugehörigkeit, Invalidenrenten und Hinterbliebenenrenten. Militärrenten umfassen Renten für Langzeitdienstleistern, Invaliditätsrenten und Hinterbliebenenrenten (IOM 2020).
Der Pensionsanspruch gilt ab einem Alter von 63 mit mindestens 25 Jahren abgeschlossener Beschäftigung; ab einem Alter von 59 mit mindestens 25 Jahren Beschäftigung, wobei mindestens 20 Jahre erschwerte oder gefährlicher Arbeit vor dem 1. Januar 2014 oder mindestens 10 Jahre derartiger Arbeit nach dem 1. Januar 2014 verrichtet wurde; oder ab einem Alter von 55 mit mindestens 25 Jahren Beschäftigung, einschließlich mindestens 15 Jahre in Schwerst- oder gefährlicher Arbeit vor dem 1. Januar 2014 bzw. mindestens 7,5 Jahre in einer solchen nach dem 1. Januar 2014. Eine verringerte Pension steht nach mindestens zehnjähriger Anstellung, jedoch erst ab 65 zu. Bei Invalidität im Rahmen der Sozialversicherung sind zwischen zwei und zehn Jahre Anstellung Grundvoraussetzung, abhängig vom Alter des Versicherten beim Auftreten der Invalidität. Die Invaliditätspension hängt vom Grade der Invalidität ab. Unterhalb der erforderlichen Zeiten für eine Invaliditätspension besteht die Möglichkeit einer Sozialrente für Invalide in Form einer Sozialhilfe. Zur Pensionsberechnung werden die Studienjahre, die Wehrdienstzeit, die Zeit der Kinderbetreuung und die Arbeitslosenzeiten herangezogen. Die Alterspension im Rahmen der Sozialversicherung beträgt 100% der Basispension von AMD 16.000 monatlich zuzüglich eines variablen Bonus. Die Bonuspension macht AMD 500 monatlich für jedes Kalenderjahr ab dem elften Beschäftigungsjahr multipliziert mit einem personenspezifischen Koeffizienten, basierend auf der Länge der Dienstzeit (USSSA 3.2019).
Das Ministerium für Arbeit und Soziales (MLSA) implementiert Programme zur Unterstützung von schutzbedürftigen Personen: Behinderte, ältere Personen, RentnerInnen, Waisen, Opfer von Menschenhandel, Frauen und Kinder. Der Zugang zu diesen Leistungen erfolgt über die 51 Büros des staatlichen Sozialversicherungsservice (IOM 2020).
Die staatliche Arbeitsagentur bietet im Rahmen der Arbeitslosenunterstützung folgende Dienstleistungen an: Beratung und Information über die von der Agentur angebotenen Dienstleistungen, Beratung zur beruflichen Orientierung, Antrag auf freie Mitarbeit, Teilnahme an staatlichen Beschäftigungsprogrammen und -veranstaltungen, Berufsausbildung und Umschulung (IOM 2020).
Arbeitslosenunterstützung
2015 wurde die Arbeitslosenunterstützung zugunsten einer Einstellungsförderung eingestellt. Zu dieser Förderung gehört auch die monetäre Unterstützung für Personen die am regulären Arbeitsmarkt nicht wettbewerbsfähig sind. Das Arbeitsgesetz von 2004 sieht ein Abfertigungssystem seitens der Arbeitgeber vor. Bei Betriebsauflösung oder Stellenabbau beträgt die Abfertigung ein durchschnittliches Monatssalär, bei anderen Gründen hängt die Entschädigung von der Dienstzeit ab, jedoch maximal 44 Tage im Falle von 15 Anstellungsjahren (USSSA 3.2019).
Quellen:
IOM – Internationale Organisation für Migration (2020): Länderinformationsblatt Armenien 2020, https://files.returningfromgermany.de/files/CFS_2020_Armenia_DE.pdf ; Zugriff 16.2.2021
USSSA – U.S. Social Security Administration (3.2019): Social Security Programs Throughout the World: Asia and the Pacific, 2018 – Armenia, https://www.ssa.gov/policy/docs/progdesc/ssptw/2018-2019/asia/armenia.pdf , Zugriff 24.6.2020
Medizinische Versorgung
Die medizinische Grundversorgung ist flächendeckend gewährleistet (AA 27.4.2020). Das Gesundheitssystem besteht aus einer staatlich garantierten und kostenlosen Absicherung sowie einer individuellen und freiwilligen Krankenversicherung. Jeder Mensch in der Republik Armenien hat Anspruch auf medizinische Hilfe und Dienstleistungen unabhängig von Nationalität, Herkunft, Geschlecht, Sprache, Religion, Alter, politischen und sonstigen Überzeugungen, sozialer Herkunft, Eigentum oder sonstigem Status (IOM 2020). Die primäre medizinische Versorgung wird in der Regel entweder durch regionale Polikliniken oder ländliche Behandlungszentren erbracht. Die sekundäre medizinische Versorgung wird von regionalen Krankenhäusern und einigen der größeren Polikliniken mit speziellen ambulanten Diensten übernommen, während die tertiäre medizinische Versorgung größtenteils den staatlichen Krankenhäusern und einzelnen Spezialeinrichtungen in Jerewan vorbehalten ist (AA 27.4.2020).
Die primäre medizinische Versorgung ist grundsätzlich kostenfrei. Kostenlose medizinische Versorgung gilt nur noch eingeschränkt für die sekundäre und die tertiäre Ebene. Das Fehlen einer staatlichen Krankenversicherung erschwert den Zugang zur medizinischen Versorgung insoweit, als für einen großen Teil der Bevölkerung die Finanzierung der kostenpflichtigen ärztlichen Behandlung extrem schwierig geworden ist. Viele Menschen sind nicht in der Lage, die Gesundheitsdienste aus eigener Tasche zu bezahlen. Der Abschluss einer privaten Krankenversicherung übersteigt die finanziellen Möglichkeiten der meisten Familien bei weitem (AA 27.4.2020).
Armeniens Gesundheitssystem ist durch den Staat stark unterfinanziert; weniger als 1,6% des BIP werden für Gesundheitsausgaben aufgewendet (einer der niedrigsten Werte weltweit) und mehr als 50% aller Gesundheitsausgaben entfallen auf Direktzahlungen von Patienten (einer der höchsten Werte weltweit). Dies führt zu erheblichen Problemen beim Zugang, der Steuerung und der Qualität der Versorgung (EVN 22.3.2020). Die COVID-19-Pandemie im ersten Halbjahr 2020 hat das Gesundheitssystem noch weiter unter Druck gesetzt (ChH 4.6.2020) Das Gesundheitssystem leidet nicht unter einem Ärztemangel. Es besteht jedoch ein ernstes Missverhältnis zwischen ländlichen Gebieten und der Hauptstadt: Eriwan weist im Vergleich zum Rest des Landes eine übermäßige Konzentration von Ärzten auf. Im internationalen Vergleich gibt es in Armenien eine große Zahl von Fachärzten im Vergleich zu Allgemeinmedizinern (EVN 22.3.2020).
Informationen über soziale Bevölkerungsgruppen, die berechtigt sind, kostenlose Medikamente durch lokale Polikliniken zu erhalten, sind verfügbar unter: www.moh.am (IOM 2020).
Die Einfuhr von Medikamenten zum persönlichen Gebrauch ist auf 10 Arzneimittel, je 3 Packungen, beschränkt (IOM 2020).
Die armenische Verfassung von 1995 garantiert den universellen Anspruch auf medizinische Leistungen, die vom Staat finanziert werden sollten. Ab 1997 wurden aufgrund der Finanzierungsnöte die Ansprüche durch die Einführung des Basis-Leistungspakets (BBP) begrenzt, bei dem es sich um ein öffentlich finanziertes Paket handelt, das eine Liste von Dienstleistungen festlegt, die für die gesamte Bevölkerung kostenlos sind (weitgehend Grundversorgung, sanitärepidemiologische Dienstleistungen und Behandlung von rund 200 gesellschaftlich bedeutsamen Krankheiten) und die diejenigen Gruppen festlegt, die alle Dienstleistungen kostenlos erhalten sollten. Die unter den BBP fallenden Dienstleistungen und Bevölkerungsgruppen werden jährlich seitens der Regierung überprüft. Zu den Kategorien von Menschen, die nach dem BBP Anspruch auf kostenlose Gesundheitsleistungen haben, gehören Menschen mit Behinderungen, die je nach Schweregrad in die Gruppen I, II oder III eingeteilt sind; Kriegsveteranen; Hinterbliebene von Gefallenen, aktive Soldaten und ihre Familienmitglieder; generell Kindern unter sieben Jahren, unter 18 Jahren mit Behinderung, Kinder von vulnerablen Bevölkerungsgruppen oder Familien mit vier oder mehr Minderjährigen, von minderjährigen Elternteilen, Kindern ohne elterliches Sorgerecht oder aus Familien mit Menschen mit Behinderungen, Kinder in Pflegeheimen; alte Menschen in Pflegeheimen, Häftlinge, Opfer von Menschenhandel, Schutzsuchende und deren Familienmitglieder. D.h., wenn ein Patient unter das BBP fällt, ist die Behandlung kostenlos. Auch private medizinische Einrichtungen müssen kostenlose Dienstleistungen für die unter das BBP fallenden Personengruppen erbringen. Die Kosten übernimmt das Gesundheitsministerium. Gehört jedoch der Patient nicht zu einer der sozial schwachen oder besonderen Bevölkerungsgruppen, ist er nicht versichert oder fällt nicht unter ein „spezielles Krankheitsprogramm“ (z.B. AIDS, Tuberkulose, Psychiatrie, etc. sowie die teilweise Abdeckung anderer Erkrankungen, wie Krebs), so muss er für die erhaltene Behandlung bezahlen (MedCOI 2.2018; vgl. MedCOI 12.11.2019).
Für die stationäre Behandlung zahlreicher Erkrankungen und Leiden besteht ein komplexes System des Selbstbehalts (Co-Payment System), wodurch nicht die gesamten Kosten beim Patienten liegen. Ausgenommen sind wiederum Minderjährige und Personen, die unter das BBP hinsichtlich der Hospitalsbetreuung fallen, für die die gesamten Kosten übernommen werden. Wenn ein Patient eine Krankenhausbehandlung benötigt, nimmt die primäre medizinische Einrichtung (z.B. Poliklinik) eine Überweisung an den entsprechenden Krankenhausdienst vor. Die Hausärzte informieren die Patienten in der Regel über ihre Chance auf kostenlose Behandlung oder Zuzahlung in Krankenhäusern, die Dienstleistungen im Rahmen des BBP anbieten. Nach der Anmeldung hat der Patient oder sein gesetzlicher Vertreter den ersten erforderlichen Betrag seines Anteils an der Zuzahlung zu begleichen. Der Selbstbehalt (Zuzahlungsbetrag) kann vollständig oder schrittweise bezahlt werden, spätestens jedoch mit der Entlassung des Patienten aus dem Krankenhaus. Die staatliche Gesundheitsbehörde übernimmt den Rest der Gesamtkosten nach der Analyse der monatlichen Finanzberichte der Krankenhäuser. Es gibt keine Rückerstattung und beide Parteien (Patient und Staat) zahlen ihren eigenen Anteil. Der Betrag, den jede Partei innerhalb des Zuzahlungssystems zahlen muss, ist kein fester Prozentsatz für alle betroffenen Krankheiten (MedCOI 2.2018; vgl. MedCOI 12.11.2019).
Ein Grundproblem der staatlichen medizinischen Fürsorge ist die schlechte Bezahlung des medizinischen Personals (für einen allgemein praktizierenden Arzt ca. EUR 250/Monat). Dies führt dazu, dass die Qualität der medizinischen Leistungen des öffentlichen Gesundheitswesens in weiten Bereichen unzureichend ist. Denn hochqualifizierte und motivierte Mediziner wandern in den privatärztlichen Bereich ab, wo Arbeitsbedingungen und Gehälter deutlich besser sind. Der Ausbildungsstand des medizinischen Personals ist zufriedenstellend. Die Ausstattung der staatlichen medizinischen Einrichtungen mit technischem Gerät ist dagegen teilweise mangelhaft. In einzelnen klinischen Einrichtungen – meist Privatkliniken – stehen hingegen moderne Untersuchungsmethoden wie Ultraschall, Mammographie sowie Computer- und Kernspintomographie zur Verfügung (AA 27.4.2020).
Die größeren Krankenhäuser in Eriwan sowie einige Krankenhäuser in den Regionen verfügen über psychiatrische Abteilungen und Fachpersonal. Die technischen Untersuchungsmöglichkeiten haben sich durch neue Geräte verbessert. Die Behandlung von posttraumatischem Belastungssyndrom (PTBS) und Depressionen ist auf gutem Standard gewährleistet und erfolgt kostenlos. Die Anzahl der kostenlosen Behandlungsplätze für Dialyse ist begrenzt, aber gegen Bezahlung von ca USD 100 jederzeit möglich. Selbst Inhaber kostenloser Behandlungsplätze müssen aber noch in geringem Umfang zuzahlen. Derzeit ist die Dialysebehandlung in fünf Krankenhäusern in Eriwan möglich, auch in den Städten Armavir, XXXX , Kapan, Noyemberyan und Vanadsor sind die Krankenhäuser entsprechend ausgestattet (AA 27.4.2020).
Quellen:
AA – Auswärtiges Amt (27.4.2020): Bericht über die asyl-und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Armenien (Stand: Februar 2020), https://www.ecoi.net/en/file/local/2030001/Auswärtiges_Amt,_Bericht_über_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Republik_Armenien_(Stand_Februar_2020),_27.04.2020.pdf , Zugriff 23.6.2020
ChH – Chatham House (4.6.2020): South Caucasus States Set to Diverge Further due to COVID-19, https://www.chathamhouse.org/expert/comment/south-caucasus-states-set-diverge-further-due-covid-19 , Zugriff 5.6.2020
EVN Report / Shant Shekherdimian, Nerses Kopalyan (22.3.2020): Armenia Combats the Coronavirus: State Capacity and the Diaspora, https://www.evnreport.com/readers-forum/armenia-combats-the-coronavirus-state-capacity-and-the-diaspora , Zugriff 24.4.2020
IOM – International Organization for Migration (2020): Länderinformationsblatt Armenien 2020, https://files.returningfromgermany.de/files/CFS_2020_Armenia_DE.pdf ; Zugriff 16.2.2021
MedCOI - Medical Country of Origin Information (2.2018): Country Fact Sheet Access to Healthcare: Armenia, MedCOI-Datenbank, Zugriff 25.3.2019
MedCOI - Medical Country of Origin Information / Belgian Desk on Accessibility (12.11.2019): BDA7075, Zugriff 24.6.2020
2. Beweiswürdigung
2.1.Beweis erhoben wurde im gegenständlichen Beschwerdeverfahren durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt des BFA unter zentraler Berücksichtigung der niederschriftlichen Angaben des Beschwerdeführers, der von ihm vorgelegten Beweismittel, des bekämpften Bescheides, des Beschwerdeschriftsatzes, durch die Durchführung von mündlichen Verhandlungen vor dem BVwG und die Einsichtnahme in die aktuellen und dem Beschwerdeführer im Vorfeld der mündlichen Verhandlung übermittelten länderkundlichen Informationen zur allgemeinen Lage im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers. Vorweg wird festgehalten, dass der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung nichts gegen die getroffenen Feststellungen einwandte.
2.2. Die Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers, seiner Herkunft, seiner Identität, seinem Glauben, seiner Einreise in Österreich, der Antragstellung auf internationalen Schutz und der Erstreckung des Status des Asylberechtigten von seinem Vater sowie dass der Beschwerdeführer damals keine eigenen Fluchtgründe aufgewiesen hat, ergeben sich aus der im Akt einliegenden, vom Standesamt XXXX ausgestellten Geburtsurkunde des Beschwerdeführers, abgelaufenen Konventionsreisepässen des Beschwerdeführers, sowie dem Bescheid des (damals zuständigen) Bundesasylamtes zu den Aktenzahlen XXXX , XXXX vom 08.10.2003.
2.3. Die Feststellungen zum Schulbesuch in Armenien, zu den Sprachkenntnissen des Beschwerdeführers, zum Aufenthalt der Eltern und der Geschwister sowie deren Staatsbürgerschaften, sowie der Umstand, dass in Armenien keine Verwandten des Beschwerdeführers leben, ergeben sich aus dem ZMR und den diesbezüglich glaubhaften Angaben des Beschwerdeführers in der Einvernahme vor dem BFA sowie in der mündlichen Beschwerdeverhandlung. Der Beschwerdeführer wird zwar gelegentlich von seinen Eltern finanziell unterstützt, eine finanzielle Abhängigkeit kann darin jedoch nicht erkannt werden, zumal der Beschwerdeführer selbst seinen Lebensunterhalt durch seine Tätigkeit als Mechaniker verdient und auch seine Frau selbstständig erwerbstätig ist.
Die Ehe des Beschwerdeführers wird durch die im Akt enthaltene Heiratsurkunde belegt, dass die Ehefrau des Beschwerdeführers über eine Rot-Weiß-Rot-Karte plus verfügt ergibt sich aus dem IZR, die Status der Kinder des Beschwerdeführers ergeben sich ebenso aus dem IZR als auch aus den Akten des BFA betreffend die Kinder. Dass der Beschwerdeführer abgesehen von seinem Status als Asylberechtigter über kein Aufenthaltsrecht in Österreich verfügt, war dem IZR zu entnehmen. Die Wohnsituation des Beschwerdeführers ergibt sich aus dem ZMR als auch aus dem vorgelegten Mietvertrag. Die Beschäftigungen des Beschwerdeführers als auch sein Gesundheitszustand ergeben sich aus einer sozialversicherungsrechtlichen Abfrage bzw. den diesbezüglich glaubhaften Angaben des Beschwerdeführers gegenüber dem BFA und in der Beschwerdeverhandlung. Dass der Beschwerdeführer an keinen schwerwiegenden oder lebensbedrohlichen Krankheiten leidet und gesund ist, wurde auf Basis der Angaben des Beschwerdeführers im Rahmen der mündlichen Verhandlung festgestellt.
2.4. Die Feststellungen zu den strafgerichtlichen Urteilen ergeben sich aus dem Strafregister der Republik Österreich als auch aus den im Verwaltungsverfahrensakt enthaltenen Strafkarten, Protokollsvermerken und gekürzten Urteilsausfertigungen. Die Verwaltungsstrafen des Beschwerdeführers ergeben sich aus dem im Akt befindlichen Auszug aus der Verwaltungsstrafevidenz. Das aufrechte Waffenverbot ergibt sich aus einem Auszug aus der Personeninformation.
2.5. Die Feststellungen zu den Angaben des Beschwerdeführers hinsichtlich der letzten Verurteilung und die Feststellungen zur Fußfessel ergeben sich aus den eigenen diesbezüglich glaubhaften Angaben des Beschwerdeführers gegenüber dem BFA und dem Bundesverwaltungsgericht.
2.6. Die Feststellungen zur Fahrzeugkontrolle ergeben sich aus dem korrelierenden Anzeigeprotokoll vom 13.05.2020. Das Verhalten gegenüber der Zeugin, welche den Beschwerdeführer anzeigen wollte, ergibt sich ebenfalls aus dem diesbezüglichen Polizeiprotokoll und der diesbezüglichen Aussage des Beschwerdeführers in der Verhandlung: „Das stimmt schon ungefähr so. Ich habe ihr gesagt „verpiss dich“.
2.7. Die Feststellung, wonach der Beschwerdeführer über ein mit den österreichischen Werten in keiner Weise zu vereinbarendes Frauenbild verfügt, beruht zum einen auf den Ausführungen im Urteil des Landesgerichts XXXX vom XXXX , XXXX , mit welchem der Beschwerdeführer gemäß § 99 Abs 1, § 15, 105 StGB wegen des Vergehens des Freiheitsentzuges und der versuchten Nötigung zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 12 Monaten verurteilt wurde. Zum anderen ergibt sich die Feststellung aus seinen Aussagen gegenüber Beamten der PI XXXX während einer Fahrzeugkontrolle am 07.05.2020, welche dem zuvor angeführten Anzeigeprotokoll vom 13.05.2020 zu entnehmen sind. Sowohl dem Urteil vom XXXX , als auch dem Anzeigeprotokoll ist zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer sich nicht an jene die Rechte der Frauen schützenden gesellschaftspolitischen Normen in Österreich halten will und Frauen in seinem Weltbild nicht dieselbe Stellung wie Männer innehaben.
2.8. Zum Vater des Beschwerdeführers zuerkannten Status des Asylberechtigten:
Eingangs ist anzumerken, dass es weder dem BFA, noch dem Vater des Beschwerdeführers möglich war, Asylunterlagen vom Verfahren des Vaters dem Bundesverwaltungsgericht vorzulegen, wenngleich die Mutter des Beschwerdeführers in ihrer zeugenschaftlichen Einvernahme vor dem Bundesverwaltungsgericht angab, dass sie Asylunterlagen zum Verfahren ihres Gatten zuhause hätten und diese nachreichen würden. Das Bundesverwaltungsgericht nahm daher die Prüfung einer aktuellen, unmittelbaren persönlichen und konkreten Verfolgung, Bedrohung oder sonstigen Gefährdung des Vaters des Beschwerdeführers im Falle einer Rückkehr nach Armenien aufgrund dessen zeugenschaftlichen Aussagen in der Beschwerdeverhandlung am 23.07.2021, den zeugenschaftlichen Aussagen der Mutter des Beschwerdeführers in der Beschwerdeverhandlung am 20.05.2021, den Angaben des Beschwerdeführers sowie den vom Bundesverwaltungsgericht beigeschafften länderkundlichen aktuellen Informationen zur allgemeinen Lage in Armenien vor.
Der Vater des Beschwerdeführers gab in der zeugenschaftlichen Einvernahme zu seinen Ausreisegründen im Wesentlichen an, dass er zusammen mit Freunden an einer Protestbewegung teilgenommen habe. Diese Protestbewegung habe es sich zum Ziel gemacht, Umstände, im Zuge deren Soldaten nach den Kriegshandlungen von hinten angeschossen worden seien, aufzuklären. Soldaten seien von anderen Soldaten unter der Leitung von anderen Offizieren angeschossen worden. Zu Beginn der Protestaktionen habe er sich in der Stadt XXXX in XXXX aufgehalten. Die Protestaktionen hätten Wirkung gezeigt und so sei es anschließend zu Einvernahmen (der militärischen Führungskräfte) und in weiterer Folge Gerichtsverhandlungen gekommen. Aufgrund der Auswirkungen der Protestaktionen sei auf den Beschwerdeführer und die anderen Teilnehmer der Bewegung Druck ausgeübt worden und es sei auch zu Misshandlungen gekommen. Ihm sei nahegelegt worden zu flüchten, weshalb er mit seiner Familie in ihre Heimatstadt XXXX geflohen sei. Dort habe er erfahren, dass ein Kind seiner Bekannten im Krieg gefallen sei, weshalb sie noch weitere Protestaktionen veranstaltet hätten. Er sei daraufhin jedoch vom Sohn des Bürgermeisters und dessen Cousin ausgeforscht worden, weil unter den Tätern gegen die sie protestiert hätten, auch Verwandte des Bürgermeisters gewesen seien. Ihm sei dann von Bekannten und Angehörigen geraten worden, Armenien zu verlassen, weshalb er nach XXXX zu seiner Schwester gegangen sei. Nach seiner Ausreise seien Leute zu seiner Familie in Armenien gekommen und hätten nach ihm gefragt. Seine Ehegattin habe zu ihnen gesagt, dass er nach Russland gefahren sei um zu arbeiten. Sie hätten seiner Gattin jedoch nicht geglaubt und diese derart brutal verprügelt, dass sie zwei Jahre später zweimal operiert werden habe müssen. Bei den Leuten, welche zu seiner Familie gegangen seien, habe es sich um Vertreter der Stadt gehandelt, die im Auftrag der Generäle, gegen welche er protestiert habe, gehandelt hätten. Darunter sei auch der Sohn des Bürgermeisters gewesen. Er habe den Kontakt zu Armenien auch im Nachhinein aufrechterhalten und erfahren, dass einige Verwandte des Bürgermeisters deswegen auch bestraft worden seien. Probleme mit dem Militärgericht habe er in Armenien nicht gehabt. Er sei auch nicht beim Militär gewesen, sondern habe während des Krieges bei einer Baufirma gearbeitet, welche die armenische Armee beliefert habe. Er selbst habe nie an Kriegshandlungen teilgenommen. Zum einen habe er Armenien verlassen, weil seine Gattin so brutal verprügelt worden sei, zum anderen weil zwei seiner Freunde verschwunden seien und niemand gewusst habe, wo sich diese aufhalten würden. Seine Ehegattin wisse über seine Fluchtgründe Bescheid und war immer dagegen, dass er an Protestaktionen teilnehme. Wahrscheinlich habe er auch heute noch Probleme in Armenien, da sich jene Personen, welche damals in Haft genommen worden seien, an ihm rächen wollen würden.
Im Verfahren ergaben sich maßgebliche Widersprüche zwischen den Angaben des Vaters des Beschwerdeführers und der Mutter des Beschwerdeführers. Die Mutter des Beschwerdeführers gab in ihrer zeugenschaftlichen Einvernahme am 20.05.2021 den Ausführungen ihres Ehegatten widersprechend an, dass ihr Gatte im Krieg in XXXX gekämpft habe und zwei seiner Kameraden getötet worden seien. Ihr Gatte sei Kommandant einer Truppe gewesen und ihm sei vorgeworfen worden, dass er seine Truppe nicht gut geleitet habe und diese nicht entsprechend vorgerückt sei, weswegen Soldaten von hinten angeschossen worden seien. Aus diesem Grund sei ihr Haus attackiert und niedergebrannt worden. Weil ihr Gatte vor das Militärgericht gekommen wäre und Angst gehabt habe, dass er wie auch andere Soldaten einfach verschwinden würde, sei er geflohen. Auf Nachfrage, ob es richtig sei, dass ihr Gatte Probleme mit dem Militär und der Militärgerichtsbarkeit gehabt habe, antwortete die Mutter des Beschwerdeführers mit „Ja.“.
Die Mutter des Beschwerdeführers schilderte hier eine gänzlich andere Geschichte als ihr Ehegatte, was insofern in keiner Weise nachvollziehbar ist, als der Vater des Beschwerdeführers auf Nachfrage angab, dass seine Gattin „natürlich“ über seine Fluchtgründe Bescheid gewusst habe und immer dagegen gewesen sei, dass er an Protestaktionen teilnehme. Im Hinblick auf diese Angaben ist es für das erkennende Gericht nicht ersichtlich, warum seine Gattin vor dem Bundesverwaltungsgericht von keinerlei Protestaktionen sprach, sondern Probleme ihres Gatten aufgrund seiner Mitwirkung im Krieg als Kommandant in XXXX schilderte. Der Vater des Beschwerdeführers selbst gab jedoch an, nie an Kriegshandlungen teilgenommen zu haben und während des Krieges bei einer Baufirma gearbeitet zu haben. Auch Probleme mit dem Militärgericht verneinte er explizit, während seine Ehegattin angab, dass er genau deshalb seinen Herkunftsstaat verlassen habe.
Nach den Angaben des Vaters des Beschwerdeführers, befürchte dieser aktuell Verfolgungshandlungen durch die Verwandten des damaligen Bürgermeisters von XXXX , welche aufgrund seiner Protestaktionen inhaftiert worden seien und sich nun an ihm rächen wollen könnten.
Dem ist jedoch zu entgegnen, dass es sich bei diesem Vorbringen des Vaters des Beschwerdeführers um reine Spekulationen handelt. So konnten keinerlei Anhaltspunkte für mögliche Racheaktionen der Verwandten des ehemaligen Bürgermeisters erkannt werden. Gerade weil diese Verwandten bereits eine Haftstrafe verbüßt hätten, ist eine Verfolgung des Vaters des Beschwerdeführers im Falle seiner Rückkehr nach Armenien unglaubwürdig, müssten diese doch davon ausgehen, im Falle eines strafrechtswidrigen Fehlverhalten erneut bestraft zu werden. So gab auch der Vater des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung an, dass einige Verwandten des Bürgermeisters nach ihrer Ausreise aus Armenien aufgrund der Verfolgungshandlungen bestraft worden seien.
Bei dem Vorbringen handelt es sich zudem um eine nichtstaatliche Verfolgung durch private Dritte. Zum einen wurde kein Zusammenhang zwischen der Verfolgung durch die Verwandten des Bürgermeisters und dem Bürgermeisteramt selbst behauptet. Der Bürgermeister selbst war nach Angaben des Vaters des Beschwerdeführers gar nicht involviert. Weder stand dieser in Zusammenhang mit den behaupteten Kriegsverbrechen, noch war er an der Ausforschung des Vaters des Beschwerdeführers oder den Verfolgungshandlungen beteiligt. Darüber hinaus habe sich der Vorfall im Jahr 2002 zugetragen. Es ist daher nicht davon auszugehen, dass nach beinahe 20 Jahren immer noch dieselbe Person das Bürgermeisteramt innehabe.
Sofern der Vater des Beschwerdeführers in der Beschwerdeführung mit seinen Angaben auch Rückkehrbefürchtungen aufgrund von Racheaktionen der in Haft gekommenen Offiziere bzw. Generäle vermeinte, so ist dem zu entgegnen, dass diese seinen eigenen Angaben zufolge zur Rechenschaft gezogen worden seien und teilweise Haftstrafen verbüßen hätten müssen. Es ist aus diesem Grund nicht glaubhaft, dass diese nach Verbüßung ihrer Haftstrafen immer noch derart hohe militärische Ränge bekleiden würden, welche sie befähigen könnten, ihre Macht zur Verfolgung des Vaters des Beschwerdeführers in Armenien zu missbrauchen. Eine staatliche Verfolgung des Vaters des Beschwerdeführers kann jedoch ohnehin nicht erkannt werden. Zwar gab der Vater des Beschwerdeführers an, jene Leute die seine Familie in Armenien aufgesucht hätten, seien „im Auftrag von oben“ gekommen, seinen Angaben zufolge habe es sich dabei jedoch bspw. um den Sohn des Bürgermeisters gehandelt, welcher ohnehin ein eigenes Interesse an der Verfolgung des Vaters gehabt habe. Auch konnte der Vater des Beschwerdeführers nicht nachvollziehbar darlegen, inwiefern die Offiziere bzw. Generäle Einfluss auf die „Vertreter der Stadt“ genommen haben sollen.
Darüber hinaus ergibt sich aus den Länderfeststellungen, dass sich die Lage in Armenien seit der Ausreise des Vaters des Beschwerdeführers erheblich geändert hat. Am 9.12.2018 fanden vorgezogene Parlamentswahlen statt. Die Allianz des amtierenden Premierministers Nikol Paschinjan unter dem Namen „Mein Schritt“ erzielte einen Erdrutschsieg und erreichte 70,4% der Stimmen. Die ehemalige mit absoluter Mehrheit regierende Republikanische Partei (HHK) erreichte nur 4,7% und verpasste die 5-Prozent-Marke, um in die 101-Sitze umfassende Nationalversammlung einzuziehen. Es gibt daher mittlerweile eine völlig andere Regierung. Des Weiteren ist Armenien zwischenzeitlich ein sicherer Herkunftsstaat. Sofern die Offiziere bzw. Generäle also tatsächlich ihre politische Stellung genutzt haben, um den Beschwerdeführer in seinem Heimatstaat zu verfolgen, so wäre dies mittlerweile bereits aufgrund der geänderten politischen Lage in Armenien nicht mehr möglich.
Selbst wenn der Vater des Beschwerdeführers tatsächlich befürchten würde, aufgrund möglicher Racheaktionen der Verwandten des ehemaligen Bürgermeisters im Falle einer Rückkehr verfolgt zu werden, so würde sich eine aus diesem Vorbringen allenfalls resultierende Bedrohungslage jedenfalls als lokal begrenzt erweisen, zumal keinesfalls anzunehmen ist, dass er landesweit verfolgt werden würde. Sofern der Vater des Beschwerdeführers nicht genau in seine Heimatstadt XXXX zurückkehren würde, ist nicht ersichtlich, weshalb seine damaligen Verfolger überhaupt von seiner Rückkehr nach Armenien erfahren sollten. Darüber hinaus ist es auch zweifelhaft, ob die Verwandten des damaligen Bürgermeisters den Vater des Beschwerdeführers nach beinahe 20 Jahren Abwesenheit überhaupt erkennen würden.
Auch stünde es dem Vater des Beschwerdeführers, selbst wenn es nach einer Rückkehr in den Herkunftsstaat zu Drohungen durch Verwandte des ehemaligen Bürgermeisters kommen sollte, offen, dieses Verhalten bei den Behörden von Armenien, einem sicheren Herkunftsstaat, zur Anzeige zu bringen und die dortigen Schutzmechanismen in Anspruch zu nehmen. Der Vater des Beschwerdeführers hat kein individuelles Vorbringen erstattet, welches die grundsätzlich bestehende Schutzfähigkeit und Schutzwilligkeit der armenischen Behörden in Bezug auf strafrechtswidriges Fehlverhalten von Privatpersonen in Zweifel ziehen würde. Vielmehr ergibt sich aus seinem Vorbringen, dass die Schutzfähigkeit und Schutzwilligkeit der armenischen Behörden durchaus gegeben ist, zumal sowohl die angeblichen Kriegsverbrecher gegen welche sie demonstriert hätten, als auch jene Personen, die ihn anschließend verfolgt hätten, vom armenischen Staat bestraft worden seien. Es stünde dem Vater des Beschwerdeführers somit auch frei, sich im Falle einer Bedrohung an eine übergeordnete Polizeidienststelle, eine StA ein Gericht oder einer NGO oder den Ombudsmann zu wenden. Letztgenannter unterstützt Personen auch bei rechtswidrigem Verhalten durch Polizeiorgane.
Die Schutzfähigkeit ergibt sich auch aus den nunmehr vorliegenden Länderfeststellungen, welche die in Armenien verbesserte Situation sowie die Bemühungen der Regierung zur Korruptionsbekämpfung darstellen. Nach bisher vorliegenden Informationen hat sich die Strafverfolgungs- und Strafzumessungspraxis verbessert. Zu den primären Zielen der Regierung unter Premierminister Paschinjan gehören die Bekämpfung der Korruption und Wirtschaftsreformen sowie die Schaffung einer unabhängigen Justiz. Seit Paschinjans Machtübernahme hat sich das innenpolitische Klima deutlich verbessert und dessen Regierung geht bestehende Menschenrechts-Defizite weitaus engagierter als die Vorgängerregierungen an, auch wenn immer noch Defizite bei der konsequenten Umsetzung der Gesetze bestehen.
Trotz marginaler Defizite in der Wahrung von Bürgerrechten ist der armenische Staat im Grundsätzlichen willens und fähig, seinen Bürgern Schutz und Hilfe vor strafrechtsrelevanten Übergriffen zu bieten, dies ergibt sich aus den beigeschafften Dokumentationsquellen. Anzumerken ist in diesem Kontext, dass es keine Hinweise gibt, dass die armenische Polizei untätig ist bzw. die Bürger vor Bedrohungen oder Übergriffen von Privatpersonen nicht schützen könne bzw. würde. Zwar ist Korruption in Armenien vorhanden, doch geht aus den Länderinformationen hervor, dass die armenische Polizei willens und fähig ist, ihre Bürger zu schützen. Alleine daraus, dass manche Polizisten Handlungen tätigen, welche nicht im Sinne des armenischen Staates sind, also beispielsweise Personen mit weniger Macht und Einfluss gegenüber Machthabern benachteiligen, kann nicht geschlossen werden, dass die armenische Polizei im Allgemeinen derartige Handlungen unterstützt oder setzt.
Aufgrund der dargelegten Umstände ergibt sich, dass eine aktuelle Gefahr einer Verfolgung aus asylrelevanten Motiven nicht gegeben ist und auch darüber hinaus keine Gefährdung des Vaters des Beschwerdeführers im Falle seiner Rückkehr zu prognostizieren ist.
2.9. Anhaltspunkte dafür, dass der Beschwerdeführer in Armenien aus Gründen der Rasse, der Religion, der Nationalität, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Ansichten bedroht wäre, sind im Verfahren nicht hervorgekommen. Im Entscheidungszeitpunkt konnte keine aktuelle Gefährdung des Beschwerdeführers in Armenien festgestellt werden. Der Beschwerdeführer hat kein substantiiertes Vorbringen dazu erstattet, dass eine Abschiebung ihn in den Rechten nach Art. 3 EMRK verletzen würde.
Der Beschwerdeführer hat seinen Herkunftsstaat als Kind verlassen und wurde ihm im Wege des Familienverfahrens der Status des Asylberechtigten zuerkannt. Eigene Fluchtgründe brachte der Beschwerdeführer während des Verfahrens nicht vor. In der Einvernahme vor dem BFA brachte der Beschwerdeführer vor, dass er nicht wisse, warum er Armenien verlassen habe. Er sei wegen seinen Eltern ausgereist. In der mündlichen Beschwerdeverhandlung gab der Beschwerdeführer ebenfalls an, wegen seiner Eltern aus Armenien ausgereist zu sein. Er habe die Probleme seiner Eltern damals nicht mitbekommen, weil seine Eltern diese verheimlicht hätten. Befragt, was gegen eine Rückkehr in seinen Herkunftsstaat sprechen würde, gab der Beschwerdeführer an, dass er dort niemanden habe und die Lage dort sehr schlecht sei. Andere Rückkehrbefürchtungen brachte der Beschwerdeführer nicht vor, insbesondere keine, welche auf eine individuelle Verfolgung des Beschwerdeführers in Armenien schließen lassen würden.
2.10. Dass der Beschwerdeführer grundsätzlich dazu in der Lage ist, seinen Lebensunterhalt in Armenien eigenständig bestreiten zu können, ergibt sich aus dem Gesundheitszustand des Beschwerdeführers, seiner armenischen Sprachkenntnisse, seinem Aufwachsen in einer armenischen Familie und seiner in Österreich erworbenen Arbeitserfahrung. Es spricht nichts dagegen, dass der Beschwerdeführer in Armenien z. B. in einer Autowerkstatt oder in einem Restaurant arbeiten könnte, wie er es auch in Österreich bereits getan hat. Dass er Leistungen aus dem armenischen Sozialhilfesystem erhalten könnte, ergibt sich aus den diesbezüglichen Feststellungen zur Lage in Armenien, wonach alle armenischen Staatsangehörigen solche Leistungen erhalten können. Dass die in Österreich lebende Familie des Beschwerdeführers ihn finanziell unterstützten könnte, war anzunehmen, zumal die Ehefrau des Beschwerdeführers selbständig erwerbstätig ist und ihn auch seine Eltern hier in Österreich gelegentlich finanziell unterstützen. Auch unter Berücksichtigung seiner bereits langen Ortsabwesenheit kann demnach kein konkretes Risiko erkannt werden, dass der Beschwerdeführer nach einer Rückkehr in den Herkunftsstaat nicht in der Lage sein würde, sein Existenzminimum zu sichern. Aus den Länderberichten ergibt sich kein Hinweis, dass die wirtschaftliche Lage in Armenien derart prekär ist, als dass alle Bewohner der Republik von existenzgefährdenden Lebensbedingungen betroffen wären. Da der Beschwerdeführer demnach keine besondere Vulnerabilität aufweist, ist ihm eine neuerliche Niederlassung in seiner Herkunftsregion XXXX , ebenso möglich und zumutbar, wie eine Ansiedelung in einem anderen Teil von Armenien.
2.11. Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Herkunftsstaat:
Die getroffenen Feststellungen zur allgemeinen Lage im Herkunftsstaat ergeben sich aus den angeführten herkunftsstaatsbezogenen Erkenntnisquellen. Die Länderfeststellungen basieren auf vielgestaltigen Quellen, denen keine Voreingenommenheit unterstellt werden kann. Das BVwG hat diesbezüglich das Parteiengehör gewahrt. Es wurde ihm die Möglichkeit der Stellungnahme bis zur Verhandlung oder in der Verhandlung eingeräumt. Der Beschwerdeführer ist diesen Quellen nicht entgegengetreten.
3. Rechtliche Beurteilung
Zu A)
Zu Spruchpunkt I.
Aberkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 7 Abs. 1 Z 1, 2 iVm § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG und Feststellung, dass dem Beschwerdeführer die Flüchtlingseigenschaft kraft Gesetzes nicht mehr zukommt (Spruchpunkt I des angefochtenen Bescheides)
3.1. Zur Aberkennung gemäß § 7 Abs 1 Z 1 AsylG
§ 75 Abs. 5 AsylG: Einem Fremden, dem am oder nach dem 31. Dezember 2005 die Flüchtlingseigenschaft nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997 oder früheren asylrechtlichen Vorschriften zugekommen ist oder zuerkannt wurde, gilt, soweit es zu keiner Aberkennung oder keinem Verlust der Flüchtlingseigenschaft gekommen ist, der Status des Asylberechtigten als zuerkannt.
Gemäß § 7 Abs 1 AsylG ist einem Fremden der Status des Asylberechtigten von Amts wegen mit Bescheid abzuerkennen, wenn (1.) ein Asylausschlussgrund nach § 6 vorliegt, (2.) einer der in Art. 1 Abschnitt C der Genfer Flüchtlingskonvention angeführten Endigungsgründe eingetreten ist oder (3.) der Asylberechtigte den Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen in einem anderen Staat hat.
Gemäß § 6 Abs 1 Z 4 AsylG ist ein Fremder von der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten ausgeschlossen, wenn er von einem inländischen Gericht wegen eines besonders schweren Verbrechens rechtskräftig verurteilt worden ist und wegen dieses strafbaren Verhaltens eine Gefahr für die Gemeinschaft bedeutet.
§ 2 Abs. 3 AsylG: Ein Fremder ist im Sinne dieses Bundesgesetzes straffällig geworden, wenn er (1.) wegen einer vorsätzlich begangenen gerichtlich strafbaren Handlung, die in die Zuständigkeit des Landesgerichtes fällt, oder (2.) mehr als einmal wegen einer sonstigen vorsätzlich begangenen gerichtlich strafbaren Handlung, die von Amts wegen zu verfolgen ist rechtskräftig verurteilt worden ist.
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (siehe zuletzt VwGH 05.04.2018, Ra 2017/19/0531) müssen für die Anwendung des § 6 Abs 1 Z 4 AsylG kumulativ vier Voraussetzungen erfüllt sein, damit ein Flüchtling trotz drohender Verfolgung in den Herkunftsstaat verbracht werden darf. Er muss erstens ein besonders schweres Verbrechen verübt haben, dafür zweitens rechtskräftig verurteilt worden und drittens gemeingefährlich sein, und schließlich müssen die öffentlichen Interessen an der Aufenthaltsbeendigung seine Interessen am Weiterbestehen des Schutzes durch den Zufluchtsstaat überwiegen (vgl. VwGH 18.10.2018, Ra 2017/19/0109, mwN).
Die Aberkennung des Status des Asylberechtigten wegen Straffälligkeit setzt nach § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005 eine rechtskräftige Verurteilung wegen eines besonders schweren Verbrechens voraus. Das entspricht der unionsrechtlichen Vorgabe des Art. 14 Abs. 4 lit. b der Richtlinie 2011/95/EU (Statusrichtlinie), wonach die Aberkennung erfolgen kann, wenn der Flüchtling eine Gefahr für die Allgemeinheit dieses Mitgliedstaates darstellt, weil er wegen einer besonders schweren Straftat rechtskräftig verurteilt wurde (VwGH 30.12.2019, Ra 2019/18/0125).
Mit der Einteilung in Verbrechen und Vergehen trifft § 17 Strafgesetzbuch eine grundsätzliche Unterscheidung der Straftaten, durch die das besondere Gewicht der als Verbrechen geltenden Straftaten ihrer Art nach betont werden soll. Über die Bezeichnung dieser Straftaten hinaus – mit "Verbrechen" wird schon rein sprachlich ein höherer Unwert konnotiert – bringt die Anknüpfung an ein Mindestmaß der Strafdrohung von mehr als dreijähriger oder lebenslanger Freiheitsstrafe sowie die Einschränkung auf Vorsatztaten zum Ausdruck, dass es sich um solche handelt, denen ein besonders hoher Unrechtsgehalt innewohnt (vgl. VwGH 5.4.2018, Ra 2017/19/0531, mwN).
Im Fall des § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005 ist allerdings zudem gefordert, dass ein "besonders schweres" Verbrechen vorliegen muss. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fallen unter den Begriff des "besonders schweren Verbrechens" nur Straftaten, die objektiv besonders wichtige Rechtsgüter verletzen. Typischerweise schwere Verbrechen sind etwa Tötungsdelikte, Vergewaltigung, Kindesmisshandlung, Brandstiftung, Drogenhandel, bewaffneter Raub und dergleichen (vgl. VwGH 25.10.2018, Ra 2018/20/0360, sowie nochmals VwGH Ra 2017/19/0531, mwN). Der Verwaltungsgerichtshof hat aber auch bereits festgehalten, dass es sich dabei um eine demonstrative und daher keineswegs abschließende Aufzählung von Delikten in Zusammenhang mit Art. 33 Abs. 2 GFK handelt (vgl. erneut VwGH Ra 2017/19/0109, mit Verweis auf VwGH 3.12.2002, 99/01/0449).
Ebenso hat der Verwaltungsgerichtshof schon zum Ausdruck gebracht, dass auch im Fall einer Vielzahl einschlägiger rechtskräftiger Verurteilungen und insofern verhängter, beträchtlicher und überwiegend unbedingter Freiheitsstrafen, verwirklichte Delikte in einer Gesamtbetrachtung als "besonders schweres Verbrechen" qualifiziert werden können (vgl. VwGH 23.9.2009, 2006/01/0626; 18.10.2018, Ra 2017/19/0109). In der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes wird allerdings auch betont, dass es auf die Strafdrohung allein bei der Beurteilung, ob ein "besonderes schweres Verbrechen" vorliegt, nicht ankommt (vgl. VwGH 6.10.1999, 99/01/0288, sowie zuletzt VwGH Ra 2018/20/0360).
So genügt es demnach nicht, wenn ein abstrakt als "schwer" einzustufendes Delikt verübt worden ist. Die Tat muss sich im konkreten Einzelfall als objektiv und subjektiv besonders schwerwiegend erweisen, wobei unter anderem auf Milderungsgründe Bedacht zu nehmen ist (vgl. erneut VwGH 99/01/0288). Bei der Beurteilung, ob ein "besonders schweres Verbrechen" vorliegt, ist daher eine konkrete fallbezogene Prüfung vorzunehmen und sind insbesondere die Tatumstände zu berücksichtigen (VwGH 23.9.2009, 2006/01/0626).
Bei einer auf § 6 Abs 1 Z 4 AsylG gestützten Entscheidung ist eine entsprechende Zukunftsprognose (zur Beurteilung der Gemeingefährlichkeit des Straftäters) zu erstellen, wobei es auf das gesamte Verhalten des Täters ankommt. Demgemäß ist seine Einstellung während der Dauer seines Aufenthaltes gegenüber dem Staat bzw. der Gemeinschaft der in diesem Staat lebenden Bürger und seine in diesem Zeitraum gesetzten Handlungen maßgeblich, welche geeignet sind, das ordentliche und sichere Zusammenleben der Gemeinschaft zu gefährden (vgl. VwGH 6.10.1999, 99/01/0288). Ein Gesinnungswandel eines Straftäters ist grundsätzlich daran zu messen, ob und wie lange er sich – nach dem Vollzug einer Haftstrafe – in Freiheit wohlverhalten hat (vgl. B 22. Mai 2014, Ra 2014/21/0014).
Darüber hinaus ist bei der (in der oben angeführten Rechtsprechung als vierte Voraussetzung aufgezählten) Güterabwägung auch eine Rückkehrgefährdung des Asylwerbers zu prüfen (VwGH 23.9.2009, 2006/01/0626).
Im Fall des Beschwerdeführers bedeutet dies:
Zur Voraussetzung der rechtskräftigen Verurteilung wegen eines besonders schweren Verbrechens:
Das BFA stützte sich bei der Aberkennung des Status des Asylberechtigten – was die Aberkennung gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 iVm § 6 Z 4 AsylG betrifft – maßgeblich auf die letzte rechtskräftige Verurteilung des Beschwerdeführers und hielt dazu fest, dass er auf Grund der rechtskräftigen Verurteilung wegen 28a (1) SMG, §§ 28 (1), 28 (2) SMG, § 27 (1) SMG) eine Gefahr für die Gemeinschaft darstelle. Der Beschwerdeführer sei in Österreich mehrmals straffällig geworden und er habe bei der niederschriftlichen Einvernahme vom 08.01.2020 nicht den Eindruck gemacht, dass er für sein bisheriges Verhalten Reue zeige. Vielmehr habe er trotz einer Verurteilung mit 15 Monaten Freiheitsstrafe angegeben, nichts gemacht zu haben, doch der Richter habe ihm aufgrund der Vorstrafen keinen Glauben geschenkt (Bescheid, S 43).
Der Beurteilung des BFA ist aus folgenden Gründen im Ergebnis nicht entgegenzutreten:
Der Beschwerdeführer wurde insgesamt fünfmal durch ein österreichisches Gericht rechtskräftig strafrechtlich verurteilt. Bereits im Jahr 2010, als der Beschwerdeführer erst zwanzig Jahre alt war, wurde er wegen absichtlich schwerer Körperverletzung zu einer viermonatigen Freiheitsstrafe (bedingt) verurteilt. Im Jahr 2012 wurde er, erneut als (noch) junger Erwachsener, wegen schweren Betruges zu einer Freiheitsstrafe von 12 Monaten, bedingt unter einer Probezeit von drei Jahren, verurteilt. Die bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafen konnten den Beschwerdeführer nicht davon abhalten, im Jahr 2013 gleich wegen zweier Taten rechtskräftig verurteilt zu werden, nämlich wegen des Vergehens des Freiheitsentzuges und der versuchten Nötigung sowie wegen des Vergehens des versuchten Widerstands gegen die Staatsgewalt, weshalb er zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 12 Monaten bzw. zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von acht Monaten verurteilt wurde. Schließlich wurde der Beschwerdeführer im Jahr 2017 wegen des Verbrechens der Vorbereitung von Suchtgifthandel, des Verbrechens des Suchtgifthandels und des Vergehens des unerlaubten Umganges mit Suchtgift, zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 15 Monaten verurteilt. Darüber hinaus wurde der Beschwerdeführer in der Zeit von August 2016 bis September 2020 wegen 26 Delikten verwaltungsstrafrechtlich rechtkräftig bestraft.
Dass sich der Beschwerdeführer nach wie vor nicht an die in Österreich allgemeingültigen Verhaltensnormen zu halten vermag und die spezialpräventiven Absichten der erhaltenen Strafen beim Beschwerdeführer keine nachhaltigen und umfassenden Wirkungen erreichen konnten, hat der Beschwerdeführer mit seinem Verhalten im Rahmen einer Verkehrskontrolle im Mai 2020 deutlich gemacht. Als ihm von einer Polizistin eine Geschwindigkeitsübertretung vorgehalten wurde, wurde der Beschwerdeführer aggressiv und äußerte sich dahingehend, dass er mit einer Frau nicht rede, dass sie [Anm.: die Polizistin] sich nicht einmischen solle, dass er mit einer „scheiß Beamtin“ nicht rede und dass er sich von einer Frau nichts sagen lasse (OZ 3). Diese Aussagen des Beschwerdeführers verdeutlichen, dass sich der Beschwerdeführer, neben der begangenen Übertretungen strafrechtlicher Normen, auch nicht an die gesellschaftspolitischen Normen in Österreich halten will. Besonders auffallend wird dies, wenn man berücksichtigt, dass der Beschwerdeführer bereits mehrmals inhaftiert war und dort sicherlich mit weiblichen Justizwachebeamtinnen Kontakt hatte, er bereits mehrmals Kontakt mit Polizeibeamtinnen gehabt haben muss und sogar bereits zweimal von Richterinnen zu Freiheitsstrafen verurteilt wurde.
Die in der Judikatur als typischerweise schwere Verbrechen angesehenen Straftaten Tötungsdelikte, Vergewaltigung, Kindesmisshandlung, Brandstiftung, Drogenhandel, bewaffneter Raub stellen nur eine demonstrative und daher keineswegs abschließende Aufzählung von Delikten dar. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt es bei der Beurteilung, ob ein besonders schweres Verbrechen vorliegt, nicht allein auf die Strafdrohung an, sondern darauf, ob sich die Tat im konkreten Einzelfall als objektiv und subjektiv besonders schwerwiegend erweist, wobei unter anderem auf Milderungsgründe Bedacht zu nehmen ist. Bei Vorliegen einer Vielzahl einschlägiger rechtskräftiger Verurteilungen zu beträchtlichen und überwiegend unbedingten Freiheitsstrafen können verwirklichte Delikte in einer Gesamtbetrachtung als "besonders schweres Verbrechen" qualifiziert werden.
Hinsichtlich der Milderungsgründe wird festgehalten, dass im zuletzt ergangenen Urteil keine Umstände mehr als mildernd gewertet werden konnten. Als erschwerend wurden drei einschlägige Vorstrafen sowie das Zusammentreffen von mehreren Verbrechen und einem Vergehen gewertet.
Aus den Umständen, dass der Beschwerdeführer das Verbrechen des explizit als „besonders schweres Verbrechen“ bezeichneten Verbrechens des Drogenhandels begangen hat, indem er mehrere Hundert Cannabispflanzen aufzog und daraus mehrere Kilo Cannabiskraut gewann damit dieses in Verkehr gesetzt werden, und dafür zu einer unbedingten Freiheitsstrafe verurteilt wurde sowie, dem vorhergehend, er vier weitere Straftaten begangen hat und sich offenbar nach wie vor nicht an die Verhaltensregeln in Österreich halten will, was er sogar im Zuge einer Verkehrskontrolle augenscheinlich unter Beweis stellte, lässt sich ein Gesamtbild des Beschwerdeführers bilden.
Dass die Verurteilung wegen Suchtgifthandels und Vorbereitung zum Suchtgifthandel rechtskräftig ist, ist unstrittig. Dass es sich bei der Tat um ein besonders schweres Verbrechen handelt, ergibt sich aus der großen Menge Suchtgift die der Beschwerdeführer herstellte und in Verkehr zu bringen beabsichtigte, der hohen Rückfallsgefahr bei Straftaten im Suchtgiftmilieu und des qualifizierten strafrechtlichen Verstoßes an sich (VwGH 30.08.2017, Ra 2017/18/0155), sowie auch nicht übersehen werden kann dass der Beschwerdeführer insgesamt fünf Mal strafgerichtlich verurteilt wurde: Trotz bereits erfahrener strafrechtlicher Sanktionen, bedingter Strafnachsichten sowie bereits abgebüßter Freiheitsstrafen war der Beschwerdeführer nicht in der Lage, sein Handeln rechtmäßig zu gestalten, sondern setzte er seine kriminelle Energie erneut um.
Dass das Verbrechen des Suchtgifthandels sich auch subjektiv als besonders schwerwiegend erweist, ergibt sich aus den Umständen, dass es sich bei der entsprechenden Verurteilung um die bereits fünfte Verurteilung des Beschwerdeführers handelt, dass die Tat absichtlich begangen wurde, dass der Beschwerdeführer offensichtlich Vermögen durch den Verkauf des Suchtgiftes zu lukrieren beabsichtigte und dass keine Milderungsgründe in Erwägung gezogen werden konnte. Auch die Leugnung der Tat gegenüber dem BFA und dem BVwG spricht nicht dafür, dass sich der Beschwerdeführer selbstreflexiv mit seinem (Straf-)Verhalten auseinandergesetzt hätte, was ihn davon abhalten könnte, wiederum straffällig zu werden. Insgesamt kann es somit zu keiner positiven Zukunftsprognose hinsichtlich des Beschwerdeführers kommen, auch wenn der Beschwerdeführer vor dem BFA beteuert „eh“ nichts mehr zu machen und sich geändert zu haben. In diesem Zusammenhang gab er auch an, bereits seit sieben Jahren verheiratet zu sein. Dem ist jedoch zu entgegnen, dass der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt seiner letzten Verurteilung nach dem SMG bereits verheiratet war und ihn die Ehe mit seiner Gattin nicht davon abhielt, im Bundesgebiet die der Verurteilung zugrundeliegende Straftat zu begehen.
Zur Voraussetzung der Gemeingefährlichkeit:
Zur Beurteilung der Gemeingefährlichkeit eines Straftäters ist nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine Zukunftsprognose zu erstellen, wobei es auf das gesamte Verhalten des Täters ankommt.
Ein eingetretener Gesinnungswandel konnte beim Beschwerdeführer bisher nicht festgestellt werden: Die bereits als junger Erwachsener erhaltenen Verurteilungen konnten den Beschwerdeführer nicht davon abgehen weitere Straftaten zu begehen und insbesondere war der Beschwerdeführer auch nicht davon abzuhalten, Delikte nach dem Suchtmittelgesetzt zu verüben. Auch aus dem Umstand, dass bei der letzten Verurteilung (wegen Suchtgifthandels) keine Milderungsgründe mehr in Anschlag gebracht werden haben können, sodass keine vom Strafgericht herangezogenen Milderungsgründe eine günstige Zukunftsprognose unterstützen könnten. Darüber hinaus trat der Beschwerdeführer auch nach der letzten rechtkräftigen Verurteilung noch mehrfach verwaltungsstrafrechtlich in Erscheinung. Insgesamt scheint er in der verwaltungsstrafrechtlichen Evidenz mit 26 rechtskräftigen Bestrafungen auf.
Suchtmittelhandel – im Fall des Beschwerdeführers sogar mit vorhergehender eigener Herstellung der Suchtmittel – ist als gemeingefährliches Verhalten anzusehen, zumal der Handel mit Suchtgiften eine Gefahr für die Allgemeinheit darstellt. Besonders mit dem oft als „Einstiegsdroge“ bezeichneten Cannabis, welches der Beschwerdeführer herstellte um es in Verkehr zu bringen, wäre es möglich gewesen, eine Vielzahl an Personen an den Konsum von Suchtgiften zu gewöhnen, woraus sich die vom Beschwerdeführer ausgehende Gefahr für die Allgemeinheit ergibt.
Auch die Leugnung der Tat durch den Beschwerdeführer gegenüber dem BFA und dem BVwG untermauert die Gemeingefährlichkeit des Beschwerdeführers, zumal dadurch zu Tage trat, dass er sich seines eigenen Verhaltens nicht bewusst ist und nicht in der Lage ist, sein gesetztes Verhalten als nicht richtig zu bewerten. Der Beschwerdeführer konnte somit keine Distanzierung von seinen Taten glaubhaft erkennen lassen und vermittelte nicht, dass er den Unrechtsgehalt seines Verhaltens einzusehen vermag.
Ebenfalls für die Annahme einer Gefährlichkeit des Beschwerdeführers spricht das von der zuständigen Behörde verhängte Waffenverbot (vgl. § 12 Abs. 1 WaffG: "Die Behörde hat einem Menschen den Besitz von Waffen und Munition zu verbieten, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß dieser Mensch durch mißbräuchliches Verwenden von Waffen Leben, Gesundheit oder Freiheit von Menschen oder fremdes Eigentum gefährden könnte.").
Zur Interessensabwägung:
Zuletzt ist eine Interessenabwägung betreffend die Schwere der vom Beschwerdeführer in Österreich begangenen Straftaten im Verhältnis zu einem etwaigen individuellen Schutzinteresse bei einer Rückkehr in den Herkunftsstaat vorzunehmen:
Aus den Länderfeststellungen zur Lage in Armenien geht hervor, dass in Armenien bzw in der Herkunftsregion des Beschwerdeführers von einer unbedenklichen Sicherheitslage auszugehen ist. Ebenso ist in Bezug auf die Lage der Menschenrechte davon auszugehen, dass sich hieraus trotz bestehender Mängel für den Beschwerdeführer ein im Wesentlichen unbedenkliches Bild ergibt, zumal systematische, jedermann mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit treffende Menschenrechtsverletzungen nicht feststellbar sind und betrachtet die Republik Österreich die Republik Armenien zudem zwischenzeitig als einen sicheren Herkunftsstaat:
Gemäß des Anhanges I der Richtlinie 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.06.3013 gilt ein Staat als sicherer Herkunftsstaat, wenn sich anhand der dortigen Rechtslage, der Anwendung der Rechtsvorschriften in einem demokratischen System und der allgemeinen politischen Lage nachweisen lässt, dass dort generell und durchgängig weder eine Verfolgung im Sinne des Artikels 9 der Richtlinie 2011/95/EU noch Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe noch Bedrohung infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts zu befürchten sind.
Die Einführung einer Liste sicherer Herkunftsstaaten führte zu keiner Umkehr der Beweislast zu Ungunsten eines Antragstellers, sondern ist von einer normativen Vergewisserung der Sicherheit auszugehen, soweit seitens des Antragstellers kein gegenteiliges Vorbringen substantiiert erstattet wird. Wird ein solches Vorbringen erstattet, hat die Behörde bzw. das ho. Gerichten entsprechende einzelfallspezifische amtswegige Ermittlungen durchzuführen.
Aus dem Umstand, dass sich der innerstaatliche Normengeber im Rahmen einer richtlinienkonformen Vorgangsweise und unter Einbeziehung der allgemeinen Berichtslage zum Herkunftsstaat des Beschwerdeführers ein umfassendes Bild über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Armenien verschaffte, ist ableitbar, dass ein bloßer Verweis auf die allgemeine Lage im Herkunftsstaat, bzw. die Vorlage von allgemeinen Berichten grundsätzlich nicht geeignet ist, einen Sachverhalt zu bescheinigen, welcher geeignet ist, von der Vorbeurteilung der Sicherheit für den Regelfall abzuweichen.
Aufgrund dieser normativen Vergewisserung besteht für den Beschwerdeführer bzw. das Bundesverwaltungsgericht die Obliegenheit zur amtswegigen Ermittlung der asyl- und abschiebungsrelevanten Lage nur insoweit, als seitens des Beschwerdeführer ein konkretes Vorbringen erstattet wird, welches im konkreten Einzelfall gegen die Sicherheit Armeniens spricht und dem Beschwerdeführer bzw. dem ho. Gericht im Lichte der bereits genannten Kriterien die Obliegenheit auferlegt, ein entsprechendes amtswegiges Ermittlungsverfahren durchzuführen. Diese Obliegenheit wurde im Rahmen des gegenständlichen Ermittlungsverfahrens jedenfalls erfüllt:
Das Vorbringen des Beschwerdeführers war nicht geeignet, einen Sachverhalt zu bescheinigen, welcher die Annahme zuließe, dass ein von der Vorbeurteilung der Sicherheit für den Regelfall abweichender Sachverhalt vorliegt. Die Behörde bzw. das ho. Gericht waren in diesem Zusammenhang auch nicht verpflichtet, Asylgründen nachzugehen, die der Antragsteller gar nicht behauptet hat (Erk. des VfGH vom 15.10.2014 G237/03 ua mit zahlreichen wN) und liegt auch kein notorisch bekannter Sachverhalt vor, welcher über das Vorbringen des Beschwerdeführers hinausgehend noch zu berücksichtigen wäre. Diesbezüglich ist auf das Vorbringen des Beschwerdeführers gegenüber dem BFA zu verweisen, wonach er, nachdem er gefragt wurde, was aus heutiger Sicht gegen eine Rückkehr in das Herkunftsland spreche, gefragt wurde, an, dass er dort nichts habe, dass seine ganze Familie in Österreich sei und dass er in Armenien weder eine Wohnung noch eine Arbeit habe. Er sei zehn Jahre alt gewesen als er hergekommen sei und er sei wegen seiner Eltern ausgereist. Ob es in Armenien gut oder schlecht sei, wisse er nicht, er habe kein Interesse an Armenien und er habe dort nichts. Auch in der Beschwerdeverhandlung gab der Beschwerdeführer befragt an, was gegen eine Rückkehr in seinen Herkunftsstaat sprechen würde, dass er dort niemanden habe und die Lage dort sehr schlecht sei. In der Beschwerde wurde zwar behauptet, dass der Fluchtgrund des Beschwerdeführers aus dem Jahr 2003 nicht in angemessener Weise gewürdigt worden sei; festzuhalten ist diesbezüglich jedoch (erneut), dass der Beschwerdeführer keinen eigenen Fluchtrund hatte. Weiters geht aus der Beschwerde hervor, dass die Bedrohung des Vaters nach wie vor bestehe, da dieser in Armenien gegen das Regime demonstriert habe und deshalb verfolgt worden sei; die Beschwerde lässt es jedoch unbeantwortet, weshalb und in welcher Weise sich die behauptete nach wie vor bestehen sollende Gefährdung des Vaters Auswirkungen auf den Beschwerdeführer zum aktuellen Zeitpunkt haben sollte oder könnte. Eine Rückkehrgefährdung des Beschwerdeführers zum aktuellen Zeitpunkt ist somit nicht gegeben.
Ebenso ist davon auszugehen, dass in der Republik Armenien die Grundversorgung der Bevölkerung gesichert ist, eine soziale Absicherung auf niedrigem Niveau besteht, die medizinische Grundversorgung flächendeckend gewährleistet ist, Rückkehrer mit keinen Repressalien zu rechnen haben und in die Gesellschaft integriert werden.
Eine Rückkehrgefährdung des Beschwerdeführers liegt damit bei der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nicht vor.
Für die öffentlichen Interessen an der Aberkennung des Status eines Asylberechtigten ist festzuhalten, dass die Verhinderung des Suchtgifthandels in besonderem öffentlichen Interesse steht (vgl. bspw. VwGH 30.08.2017, Ra 2017/18/0155), nicht zuletzt aufgrund des möglichen massiven Schadens am öffentlichen Gesundheitssystem. Die Zukunftsprognose des Beschwerdeführers hat ergeben, dass der Beschwerdeführer aufgrund der bereits fünfmaligen Verurteilungen und vor allem aufgrund der letzten Verurteilung die dem Suchtgiftmilieu zuzuordnen ist und dem eine hohe Rückfallgefahr innewohnt, jedenfalls ein öffentliches Interesse an der Aberkennung des Asylstatus des Beschwerdeführers besteht.
Schließlich ergibt sich auch aus der Prüfung der Rückkehrentscheidung (vgl. unten Punkt 3.5.4. und 3.5.5.), dass die Interessen des Beschwerdeführers an einem Verbleib in Österreich im Hinblick auf Art. 8 EMRK nicht ausreichend gewichtig sind, dass sie einer Rückführung des Beschwerdeführers entgegenstehen könnten.
Die Güterabwägung führt sohin zum Überwiegen der öffentlichen Interessen an der Beendigung des Aufenthalts des Beschwerdeführers in Österreich im Verhältnis zu seinen privaten- und familiären Interessen am weiteren Aufenthalt in Österreich.
Da die Tatbestandsvoraussetzungen gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 iVm § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG somit erfüllt sind, hat das BFA dem Beschwerdeführer zu Recht den Status des Asylberechtigten gemäß § 7 Abs 1 Z 1 AsylG aberkannt.
3.2. Zur Aberkennung gemäß § 7 Abs. 1 Z 2 AsylG
3.2.1. Gemäß § 7 Abs 1 AsylG ist einem Fremden der Status des Asylberechtigten von Amts wegen mit Bescheid abzuerkennen, wenn (1.) ein Asylausschlussgrund nach § 6 vorliegt, (2.) einer der in Art. 1 Abschnitt C der Genfer Flüchtlingskonvention angeführten Endigungsgründe eingetreten ist oder (3.) der Asylberechtigte den Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen in einem anderen Staat hat. Gemäß Abs. 3 leg.cit. kann das Bundesamt einem Fremden, der nicht straffällig geworden ist (§ 2 Abs. 3), den Status eines Asylberechtigten gemäß Abs. 1 Z 2 nicht aberkennen, wenn die Aberkennung durch das Bundesamt – wenn auch nicht rechtskräftig – nicht innerhalb von fünf Jahren nach Zuerkennung erfolgt und der Fremde seinen Hauptwohnsitz im Bundesgebiet hat. Kann nach dem ersten Satz nicht aberkannt werden, hat das Bundesamt die nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005, zuständige Aufenthaltsbehörde vom Sachverhalt zu verständigen. Teilt diese dem Bundesamt mit, dass sie dem Fremden einen Aufenthaltstitel rechtskräftig erteilt hat, kann auch einem solchen Fremden der Status eines Asylberechtigten gemäß Abs. 1 Z 2 aberkannt werden.
Artikel 1 Abschnitt C GFK lautet: Dieses Abkommen wird auf eine Person, die unter die Bestimmungen des Abschnittes A fällt, nicht mehr angewendet werden, wenn sie
1. sich freiwillig wieder unter den Schutz ihres Heimatlandes gestellt hat; oder
2. die verlorene Staatsangehörigkeit freiwillig wieder erworben hat; oder
3. eine andere Staatsangehörigkeit erworben hat und den Schutz ihres neuen Heimatlandes genießt; oder
4. sich freiwillig in dem Staat, den sie aus Furcht vor Verfolgung verlassen oder nicht betreten hat, niedergelassen hat; oder
5. wenn die Umstände, auf Grund deren sie als Flüchtling anerkannt worden ist, nicht mehr bestehen und sie es daher nicht weiterhin ablehnen kann, sich unter den Schutz ihres Heimatlandes zu stellen.
Die Bestimmungen der Ziffer 5 sind nicht auf die in Ziffer 1 des Abschnittes A dieses Artikels genannten Flüchtlinge anzuwenden, wenn sie die Inanspruchnahme des Schutzes durch ihr Heimatland aus triftigen Gründen, die auf frühere Verfolgungen zurückgehen, ablehnen;
6. staatenlos ist und die Umstände, auf Grund deren sie als Flüchtling anerkannt worden ist, nicht mehr bestehen, sie daher in der Lage ist, in ihr früheres Aufenthaltsland zurückzukehren.
Die Bestimmungen der Ziffer 6 sind jedoch auf die in Ziffer 1 des Abschnittes A dieses Artikels genannten Personen nicht anzuwenden, wenn sie die Inanspruchnahme des Schutzes durch ihr früheres Aufenthaltsland aus triftigen Gründen, die auf frühere Verfolgungen zurückgehen, ablehnen.
Das AsylG sah zwecks Erlangung von Asyl zwei unterschiedliche Anträge von Fremden, einen gerichtet auf die Asylgewährung und einen gerichtet auf die Asylerstreckung, vor. Gemäß § 7 AsylG hatte die Behörde Asylwerbern auf Antrag mit Bescheid Asyl zu gewähren, wenn glaubhaft war, dass ihnen im Herkunftsstaat Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK drohte und keiner der in Art. 1 Abschnitt C oder F GFK genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorlag. Gemäß § 10 AsylG begehrten Fremde mit einem Asylerstreckungsantrag die Erstreckung des einem Angehörigen auf Grund eines Asylantrages oder von Amts wegen gewährten Asyl. Gemäß § 11 Abs. 1 AsylG hatte die Behörde auf Grund eines zulässigen Antrages durch Erstreckung Asyl zu gewähren, wenn dem Asylwerber die Fortsetzung eines bestehenden Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK in einem anderen Staat nicht möglich war. Das Verhältnis dieser beiden Rechtsinstitute war im Sinne eines Vorranges der Asylgewährung vor der Asylerstreckung bzw. der Subsidiarität der Asylerstreckung gegenüber der Asylgewährung ausgestaltet (RV 686 BlgNR XX. GP 21; vgl. näher §§ 10 und 11 AsylG) (VwGH 23.10.2019, Ra 2019/19/0059, Rn 14, 15).
Im Unterschied zu allen anderen Aberkennungstatbeständen des § 7 Abs. 1 AsylG 2005 kann aber die in Art. 1 Abschnitt C Z 5 GFK vorgesehene "Wegfall der Umstände"-Klausel nicht gesondert für einen Familienangehörigen, der seinen Asylstatus von einer Bezugsperson abgeleitet hat, geprüft werden. Es ist nämlich bei einer Person, welcher die Flüchtlingseigenschaft unabhängig vom Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK zukommt, der Wegfall solcher Umstände von vornherein nicht denkbar.
Dies würde aber dazu führen, dass der Aberkennungstatbestand des § 7 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 iVm Art. 1 Abschnitt C Z 5 GFK hinsichtlich von Personen, denen der Status des Asylberechtigten im Familienverfahren (bzw. durch Asylerstreckung) zuerkannt wurde, ins Leere liefe.
Familienangehörigen könnte dieser Status also selbst dann nicht aberkannt werden, wenn sich die Umstände, auf Grund deren ihre Bezugsperson als Flüchtling anerkannt worden ist, nicht mehr bestehen und die Bezugsperson es daher nicht weiterhin ablehnen kann, sich unter den Schutz ihres Heimatlandes zu stellen. Es kann dem Gesetzgeber aber nicht unterstellt werden, dass er eine solche Rechtsfolge bei der Ersetzung der Asylerstreckung durch das Familienverfahren durch die AsylG-Novelle 2003 trotz der ersatzlosen Aufhebung des auf die Asylerstreckung Bezug nehmenden Aberkennungstatbestandes des § 14 Abs. 1 Z 2 AsylG bewirken wollte.
Die Beendigungsklauseln des Art. 1 Abschnitt C GFK beruhen auf der Überlegung, dass internationaler Schutz nicht mehr gewährt werden sollte, wo er nicht mehr erforderlich oder nicht mehr gerechtfertigt ist. Bei der "Wegfall der Umstände"-Klausel ist dies dann der Fall, wenn die Gründe, die dazu führten, dass eine Person ein Flüchtling wurde, nicht mehr bestehen (vgl. UNHCR, Handbuch über Verfahren und Kriterien zur Feststellung der Flüchtlingseigenschaft gemäß dem Abkommen von 1951 und dem Protokoll von 1967 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, 1979, Rn. 111, 115). Zweck der Regelungen über das Familienverfahren nach dem AsylG 2005 ist es, Familienangehörigen die Fortsetzung des Familienlebens mit einer Bezugsperson in Österreich zu ermöglichen (vgl. RV 952 BlgNR XXII. GP 15). Bestehen jene Umstände, auf Grund deren die Bezugsperson als Flüchtling anerkannt worden ist, nicht mehr, und kann es die Bezugsperson daher nicht weiterhin ablehnen, sich unter den Schutz ihres Heimatstaates zu stellen, besteht weder nach dem Zweck des internationalen Flüchtlingsschutzes noch nach jenem des Familienverfahrens nach dem AsylG 2005 eine Rechtfertigung dafür, den Asylstatus des Familienangehörigen, der diesen Status von der Bezugsperson nur abgeleitet hat, aufrecht zu erhalten (vgl. hiezu auch Nedwed, aaO 231 f).
„Für die Aberkennung des einem Familienangehörigen im Familienverfahren (bzw. durch Asylerstreckung) zuerkannten Status des Asylberechtigten wegen Wegfalls der fluchtauslösenden Umstände kommt es also darauf an, ob die Umstände, auf Grund deren die Bezugsperson als Flüchtling anerkannt worden ist, nicht mehr bestehen und es diese daher nicht weiterhin ablehnen kann, sich unter den Schutz ihres Heimatlandes zu stellen. Diese Frage hat die Behörde (bzw. das Verwaltungsgericht) ohne Bindung an eine allfällige diesbezügliche Entscheidung im Verfahren über die Aberkennung des Asylstatus des Familienangehörigen selbstständig zu beurteilen. Gelangt die Behörde (bzw. das Verwaltungsgericht) in so einem Fall zu der Beurteilung, dass die in Rn. 29 genannten Umstände nicht mehr vorliegen, ist der Asylstatus eines Familienangehörigen, dem dieser Status im Familienverfahren (bzw. durch Asylerstreckung) zuerkannt worden ist, abzuerkennen, sofern im Entscheidungszeitpunkt hinsichtlich des Familienangehörigen nicht die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 (drohende Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK) vorliegen (vgl. in diesem Sinn auch EuGH 2.3.2010, C-175/08 u.a., Aydin Salahadin Abdulla u.a., Rn. 81 ff)“ (VwGH 23.10.2019, Ra 2019/19/0059, Rn 26-30).
„Demnach hat in jenem Fall, in dem der einem Fremden zuvor im Familienverfahren zuerkannte Status des Asylberechtigten nach § 7 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 iVm Art. 1 Abschnitt C Z 5 GFK aberkannt wird, sowohl eine inhaltliche Auseinandersetzung mit der (als Vorfrage zu beantwortenden) Frage zu erfolgen, ob die Umstände, auf Grund deren die Bezugsperson - im vorliegenden Fall die Mutter des Revisionswerbers - als Flüchtling anerkannt worden ist, nicht mehr bestehen, als auch die Prüfung der Frage, ob hinsichtlich des Fremden - hier also des Revisionswerbers - die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 vorliegen. Zwar hat das BVwG in diesem Sinn geprüft, ob Gründe vorlägen, wonach der Revisionswerber im Fall der Rückkehr in sein Heimatland selbst einer asylrechtlich relevanten Verfolgung unterliegen könnte. In Verkennung der oben dargestellten Rechtslage hat das BVwG aber keine Ermittlungen vorgenommen und auch keine Feststellungen getroffen, die die Beurteilung erlaubt hätten, ob hinsichtlich der Bezugsperson, von der der Revisionswerber den Status als Asylberechtigter im Familienverfahren abgeleitet zuerkannt erhalten hatte, jene Umstände, die zu ihrer Anerkennung als Flüchtling geführt haben, nicht mehr bestünden und es diese daher nicht weiterhin ablehnen könne, sich unter den Schutz ihres Heimatlandes zu stellen“ (VwGH 22.04.2020, Ra 2019/14/0501, Rn 14, 15).
„Auch der Umstand, dass die Bezugsperson - im vorliegenden Fall der Vater des Revisionswerbers - mittlerweile die österreichische Staatsbürgerschaft erlangt hat, steht einer Aberkennung von Asyl hinsichtlich des Familienangehörigen nicht entgegen. Dass dem Vater des Revisionswerbers wegen des Wechsels der Staatsangehörigkeit der Asylstatus nicht mehr abzuerkennen wäre, liegt daran, dass in seinem Fall die zeitlichen Einschränkungen der Asylaberkennung gemäß § 7 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 aus dem Grunde des § 7 Abs. 3 erster Satz AsylG 2005 greifen könnten (vgl. zum Asylausschluss wegen Erwerbes einer neuen Staatsangehörigkeit aber grundsätzlich Art. 1 Abschnitt C Z 3 GFK). Für die Asylaberkennung in Bezug auf den Revisionswerber kommt es auf die mögliche Entscheidung in einem Aberkennungsverfahren der Bezugsperson aber nur insoweit an, als selbstständig zu klären ist, ob die fluchtauslösenden Umstände im Verfahren der Bezugsperson, von der Asyl abgeleitet wurde, noch vorliegen. Im Übrigen ist das Schicksal des Aberkennungsverfahrens des Revisionswerbers von seinem Vater losgelöst. Dafür spricht insbesondere auch, dass die Ausnahme vom Grundsatz nach § 7 Abs. 3 AsylG 2005, nämlich die Straffälligkeit des Asylberechtigten, für jedes Familienmitglied gesondert zu beurteilen ist. Voraussetzung einer solchen Aberkennung ist allerdings, dass sowohl eine inhaltliche Auseinandersetzung mit der (als Vorfrage zu beantwortenden) Frage erfolgt, ob die Umstände, auf Grund deren die Bezugsperson als Flüchtling anerkannt worden ist, nicht mehr bestehen, als auch eine Prüfung der Frage, ob hinsichtlich des Fremden - hier also des Revisionswerbers - die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 vorliegen (vgl. VwGH 22.4.2020, Ra 2019/14/0501, Rn. 14).“ (vgl. VwGH 07.01.2021, Ra 2020/18/0491).
3.2.2. Im vorliegenden Fall wurde dem Beschwerdeführer aufgrund der Asylzuerkennung an seinen Vater im Rahmen der Asylerstreckung letztlich der Status des Asylberechtigten erteilt. Eigene Fluchtgründe wurden vom Beschwerdeführer damals wie heute nicht vorgebracht. Es hat daher im vorliegenden Fall eine inhaltliche Auseinandersetzung mit der (als Vorfrage zu beantwortenden) Frage zu erfolgen, ob es dem Vater des Beschwerdeführers derzeit möglich wäre, aufgrund geänderter Umstände, nach Armenien zurückzukehren oder ob dieser im Falle dessen hypothetischer Rückkehr nach Armenien (weiterhin) einer Bedrohung bzw. Verfolgung ausgesetzt sei. Aus der oben zitierten Rechtsprechung ergibt sich, dass es nicht darauf ankommt, dass der jeweiligen Bezugsperson der Status des Asylberechtigten (bereits) aberkannt worden ist, sondern es darauf ankommt, im Wege einer Vorfragenprüfung zu eruieren, ob der Asylstatus für die Bezugsperson aufgrund geänderter Umstände im Herkunftsstaat nach wie vor erforderlich ist oder nicht. Dass die Bezugsperson (gegenständlich der Vater des Beschwerdeführers) inzwischen österreichischer Staatsbürger ist, ist daher für die gegenständlich durchzuführende Prüfung nicht relevant.
Wie bereits festgestellt wurde, hätte der Vater des Beschwerdeführers aus heutiger Sicht im Herkunftsstaat keine Verfolgung zu erwarten und wäre dementsprechend ein Interesse am Weiterbestehen des Schutzes durch Österreich als Zufluchtsstaat nicht mehr gegeben. Im Lichte der obigen Judikatur schlägt dies auf den Beschwerdeführer durch und hat auch dieser, mangels eigener Fluchtgründe, keine Verfolgungsgefahr im Herkunftsstaat zu befürchten.
Die Umstände, die zur Zuerkennung des Status des Asylberechtigten an den Beschwerdeführer geführt haben, sind daher nachweislich und dauerhaft weggefallen und liegen beim Beschwerdeführer daher nicht mehr vor.
3.2.3. § 7 Abs. 3 AsylG 2005 sieht vor, dass einem Fremden, der nicht straffällig geworden ist (§ 2 Abs. 3 AsylG 2005) der Status des Asylberechtigten nicht abzuerkennen ist, wenn die Aberkennung durch das Bundesamt – wenn auch nicht rechtskräftig – nicht innerhalb von fünf Jahren nach der Zuerkennung erfolgt und der Fremde seinen Hauptwohnsitz im Bundesgebiet hat.
Gemäß § 2 Abs. 3 AsylG 2005 ist ein Fremder iSd Bundesgesetzes straffällig geworden, wenn er wegen einer vorsätzlich begangenen gerichtlich strafbaren Handlung, die in die Zuständigkeit eines Landesgerichtes fällt (1.), oder mehr als einmal wegen einer sonstigen vorsätzlich begangenen gerichtlich strafbaren Handlung, die von Amts wegen zu verfolgen ist rechtskräftig verurteilt worden ist. Gemäß § 2 Abs. 4 AsylG 2005 liegt eine nach diesem Bundesgesetz maßgebliche strafgerichtliche Verurteilung auch vor, wenn sie wegen einer Jugendstrafe erfolgt ist.
Der Beschwerdeführer wurde aufgrund der festgestellten strafgerichtlichen Verurteilungen im Bundesgebiet iSd § 2 Abs. 3 und 4 AsylG straffällig. Eine Aberkennung gemäß § 7 Abs. 1 Z 2 AsylG ist damit gemäß § 7 Abs. 3 AsylG 2005 gegenständlich trotz des Ablaufes von fünf Jahren ab der Zuerkennung noch zulässig.
3.2.4. Da die Tatbestandsvoraussetzungen gemäß § 7 Abs. 1 Z 2 iVm Art. 1 Abschnitt C Z 5 GFK somit ebenfalls erfüllt sind, hat das BFA dem Beschwerdeführer zu Recht den Status des Asylberechtigten gemäß § 7 Abs 1 Z 2 AsylG aberkannt.
3.3. Da sich die Aberkennung des Status des Asylberechtigten insgesamt als rechtmäßig erweist, hat die belangte Behörde auch gemäß § 7 Abs. 4 AsylG 2005 zu Recht festgestellt, dass dem BF die Flüchtlingseigenschaft kraft Gesetzes nicht mehr zukommt. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des bekämpften Bescheids war daher als unbegründet abzuweisen.
3.4. Nichtzuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II des angefochtenen Bescheides)
Wird der Status des Asylberechtigten aberkannt, so ist einem Fremden gemäß § 8 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, „wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.“ Nach § 8 Abs. 2 AsylG 2005 ist die Entscheidung über die Zuerkennung dieses Status mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 zu verbinden. Anträge auf internationalen Schutz sind gemäß Abs. 3 leg.cit. bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11) offen steht.
Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom 21.5.2019, Ro 2019/19/0006, unter Bezugnahme auf seine Entscheidung vom 6.11.2018, Ra 2018/01/0106, festgehalten, dass eine Interpretation, mit der die Voraussetzungen der Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 8 Abs. 1 AsylG 2005 mit dem in der Judikatur des EuGH dargelegten Verständnis des subsidiären Schutzes nach der Statusrichtlinie in Übereinstimmung gebracht würde, die Grenzen der Auslegung nach den innerstaatlichen Auslegungsregeln überschreiten und zu einer - unionsrechtlich nicht geforderten - Auslegung contra legem führen würde. Demnach hält der Verwaltungsgerichtshof an seiner bisherigen Rechtsprechung fest, wonach eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 und 3 MRK durch eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat - auch wenn diese Gefahr nicht durch das Verhalten eines Dritten (Akteurs) bzw. die Bedrohungen in einem bewaffneten Konflikt verursacht wird - die Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 8 Abs. 1 AsylG 2005 begründen kann.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist bei der Beurteilung einer möglichen Verletzung des Art. 3 EMRK eine Einzelfallprüfung vorzunehmen, in deren Rahmen konkrete und nachvollziehbare Feststellungen zu der Frage zu treffen sind, ob einer Person im Fall der Rückkehr in ihren Herkunftsstaat die reale Gefahr ("real risk") einer gegen Art. 3 EMRK verstoßenden Behandlung droht. Es bedarf einer ganzheitlichen Bewertung der möglichen Gefahren, die sich auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen hat. Die Außerlandesschaffung eines Fremden in den Herkunftsstaat kann auch dann eine Verletzung von Art. 3 EMRK bedeuten, wenn der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet, also die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz (bezogen auf den Einzelfall) nicht gedeckt werden können. Eine solche Situation ist nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen. Die bloße Möglichkeit einer durch die Lebensumstände bedingten Verletzung des Art. 3 EMRK reicht nicht aus. Vielmehr ist es zur Begründung einer drohenden Verletzung von Art. 3 EMRK notwendig, detailliert und konkret darzulegen, warum solche exzeptionellen Umstände vorliegen.
Weiters hat der Verwaltungsgerichtshof in seiner Rechtsprechung festgehalten, dass, wenn im Herkunftsstaat eines Asylwerbers eine prekäre allgemeine Sicherheitslage herrscht, in der die Bevölkerung durch Akte willkürlicher Gewalt betroffen ist, stichhaltige Gründe für die Annahme eines realen Risikos bzw. für die ernsthafte Bedrohung von Leben oder Unversehrtheit eines Asylwerbers bei Rückführung in diesen Staat dann vorliegen, wenn diese Gewalt ein solches Ausmaß erreicht hat, dass es nicht bloß möglich, sondern geradezu wahrscheinlich erscheint, dass auch der betreffende Asylwerber tatsächlich Opfer eines solchen Gewaltaktes sein wird. Davon kann in einer Situation allgemeiner Gewalt nur in sehr extremen Fällen ausgegangen werden, wenn schon die bloße Anwesenheit einer Person in der betroffenen Region Derartiges erwarten lässt. Davon abgesehen können nur besondere in der persönlichen Situation der oder des Betroffenen begründete Umstände dazu führen, dass gerade bei ihr oder ihm ein - im Vergleich zur Bevölkerung des Herkunftsstaats im Allgemeinen - höheres Risiko besteht, einer dem Art. 2 oder Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu sein bzw. eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit befürchten zu müssen.
Eine schwierige Lebenssituation, insbesondere bei der Arbeitsplatz- und Wohnraumsuche sowie in wirtschaftlicher Hinsicht, die ein Fremder im Fall der Rückkehr in sein Heimatland vorfinden würde, reicht nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes für sich betrachtet nicht aus, um die Verletzung des nach Art. 3 EMRK geschützten Rechts mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit annehmen zu können oder um eine innerstaatliche Fluchtalternative zu verneinen (vgl. zum Ganzen zuletzt VwGH 27.5.2019, Ra 2019/14/0153; 26.6.2019, Ra 2019/20/0050, jeweils mwN).
Überdies hat nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes im Allgemeinen kein Fremder ein Recht, in einem fremden Aufenthaltsstaat zu verbleiben, bloß um dort medizinisch behandelt zu werden, und zwar selbst dann nicht, wenn er an einer schweren Krankheit leidet. Dass die Behandlung im Zielland nicht gleichwertig, schwerer zugänglich oder kostenintensiver ist, ist unerheblich, allerdings muss der Betroffene auch tatsächlich Zugang zur notwendigen Behandlung haben, wobei die Kosten der Behandlung und Medikamente, das Bestehen eines sozialen und familiären Netzwerks und die für den Zugang zur Versorgung zurückzulegende Entfernung zu berücksichtigen sind. Nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände führt die Abschiebung zu einer Verletzung von Art. 3 EMRK. Solche liegen jedenfalls vor, wenn ein lebensbedrohlich Erkrankter durch die Abschiebung einem realen Risiko ausgesetzt würde, unter qualvollen Umständen zu sterben, aber bereits auch dann, wenn stichhaltige Gründe dargelegt werden, dass eine schwerkranke Person mit einem realen Risiko konfrontiert würde, wegen des Fehlens angemessener Behandlung im Zielstaat der Abschiebung oder des fehlenden Zugangs zu einer solchen Behandlung einer ernsten, raschen und unwiederbringlichen Verschlechterung ihres Gesundheitszustands ausgesetzt zu sein, die zu intensivem Leiden oder einer erheblichen Verkürzung der Lebenserwartung führt (vgl. VwGH 23.3.2017, Ra 2017/20/0038 bis 0040; 6.11.2018, Ra 2018/01/0106, jeweils mwN; sowie EGMR 13.12.2016, 41738/10, Paposhvili gegen Belgien, Rz 189 ff; EGMR 1.10.2019, 57467/15, Savran gegen Dänemark, Rz 44 ff ).
Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner Rechtsprechung wiederholt und unter Bezugnahme auf die diesbezügliche ständige Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte ausgesprochen, dass es grundsätzlich der abschiebungsgefährdeten Person obliegt, mit geeigneten Beweisen gewichtige Gründe für die Annahme eines Risikos nachzuweisen, dass ihr im Falle der Durchführung einer Rückführungsmaßnahme eine dem Art. 3 EMRK widersprechende Behandlung drohen würde (vgl. VwGH 23.2.2016, Ra 2015/01/0134, mit Verweis auf EGMR 5.9.2013, 61204/09, I gegen Schweden; siehe dazu auch VwGH 18.3.2016, Ra 2015/01/0255; 19.6.2017, Ra 2017/19/0095; 5.12.2017, Ra 2017/01/0236;).
Hinweise auf das Vorliegen einer allgemeinen existenzbedrohenden Notlage (allgemeine Hungersnot, Seuchen, Naturkatastrophen oder sonstige diesen Sachverhalten gleichwertige existenzbedrohende Elementarereignisse) liegen in Bezug auf die Republik Armenien nicht vor, weshalb hieraus aus diesem Blickwinkel bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen kein Hinweis auf das Vorliegen eines Sachverhaltes gem. Art. 2 bzw. 3 EMRK abgeleitet werden kann.
Aufgrund der Ausgestaltung des Strafrechts des Herkunftsstaates des Beschwerdeführers (die Todesstrafe wurde abgeschafft) scheidet das Vorliegen einer Gefahr im Sinne des Art. 2 EMRK, oder des Protokolls Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe aus.
Da sich der Herkunftsstaat des Beschwerdeführers nicht im Zustand willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes befindet (dies kann auch in Bezug auf den Konflikt um die Kontrolle der Regionen Abchasien und Südossetien nicht angenommen werden), kann bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen nicht festgestellt werden, dass für den Beschwerdeführer als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines solchen internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes besteht.
Es kann weiters nicht festgestellt werden, dass eine nicht sanktionierte, ständige Praxis grober, offenkundiger, massenhafter Menschenrechtsverletzungen (iSd VfSlg 13.897/1994, 14.119/1995, vgl. auch Art. 3 des UN-Übereinkommens gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe vom 10. Dezember 1984) herrschen würde und praktisch, jeder der sich im Hoheitsgebiet des Staates aufhält schon alleine aufgrund des Faktums des Aufenthaltes aufgrund der allgemeinen Lage mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit damit rechnen muss, von einem unter § 8 Abs. 1 AsylG subsumierbaren Sachverhalt betroffen ist.
Aus der sonstigen allgemeinen Lage im Herkunftsstaat kann ebenfalls bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen kein Hinweis auf das Bestehen eines unter § 8 Abs. 1 AsylG subsumierbaren Sachverhalt abgeleitet werden.
Weitere, in der Person des Beschwerdeführers begründete Rückkehrhindernisse können bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen ebenfalls nicht festgestellt werden.
Beim Beschwerdeführer handelt es sich um einen volljährigen Mann Anfang 30 mit Schuldbildung und Berufserfahrung, der an keinen Erkrankungen leidet und der seinen Lebensunterhalt demnach grundsätzlich durch eigene Teilnahme am Erwerbsleben bestreiten kann. Es sind keine Umstände ersichtlich, weshalb dem Beschwerdeführer im Herkunftsstaat die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit und eigenständige Bestreitung seines Lebensunterhaltes nicht möglich sein sollten. Dieser ist in einem armenischen Familienverband aufgewachsen und beherrscht die Landessprache seines Herkunftsstaates, sodass es ihm trotz fehlender ausgeprägter Ortskenntnis und ohne ein unterstützendes familiäres Netz möglich sein wird, sich in der Herkunftsregion seiner Familie niederzulassen und dort ein Leben unter würdigen Bedingungen aufzubauen. Der Beschwerdeführer hat in Österreich die Grundschule und die Hauptschule besucht sowie Berufserfahrung gesammelt, welche er sich am armenischen Arbeitsmarkt ebenso wie seine Deutschkenntnisse zu Nutzen machen können wird, sodass nicht ersichtlich ist, dass er in Armenien von maßgeblich schlechteren Lebensbedingungen bzw. Verdienstmöglichkeiten betroffen sein wird, als die dort ansässige Durchschnittsbevölkerung, die ebenfalls für ihren Lebensunterhalt aufkommen kann.
Darüber hinaus ist es dem Beschwerdeführer unbenommen, Rückkehrhilfe in Anspruch zu nehmen und sich im Falle der Bedürftigkeit an eine im Herkunftsstaat karitativ tätige Organisation zu wenden.
Aufgrund der oa. Ausführungen ist letztlich im Rahmen einer Gesamtschau davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat seine dringendsten Bedürfnisse befriedigen können wird und nicht in eine, allfällige Anfangsschwierigkeiten überschreitende, dauerhaft aussichtslose Lage geraten wird.
Die Zumutbarkeit der Annahme einer –ggf. auch unattraktiven- Erwerbsmöglichkeit wurde bereits in einer Vielzahl ho. Erkenntnisse bejaht.
Aus der sich aus der COVID-19-Pandemie sich ergebenden Umständen kann vor dem Hintergrund der Anzahl der in Armenien stattgefundenen Infektionen und den vom armenischen Staat –dem Beschwerdeführer zumutbaren- Maßnahmen ebenfalls nicht davon ausgegangen werden, dass der Beschwerdeführer mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer Gefahr iSd Art. 2 bzw. 3 EMRK ausgesetzt wäre.
Aufgrund der getroffenen Ausführungen ist davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer nicht vernünftiger Weise (VwGH 9.5.1996, Zl.95/20/0380) damit rechnen muss, in seinem Herkunftsstaat mit einer über die bloße Möglichkeit (z.B. VwGH vom 19.12.1995, Zl. 94/20/0858, VwGH vom 14.10.1998. Zl. 98/01/0262) hinausgehenden maßgeblichen Wahrscheinlichkeit einer aktuellen (VwGH 05.06.1996, Zl. 95/20/0194) Gefahr im Sinne des § 8 AsylG ausgesetzt zu sein, weshalb die Gewährung von subsidiären Schutz ausscheidet.
Die Beschwerde gegen Spruchpunkt II des angefochtenen Bescheides war daher abzuweisen.
3.5. Nichterteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG (Spruchpunkt III des angefochtenen Bescheides)
Gemäß § 57 Abs 1 AsylG ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ zu erteilen 1. wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs 1 Z 1 oder Z 3 FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen […] 2. zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen […] oder 3. wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO, RGBl Nr 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.
Fallbezogen liegen nach dem Vorbringen des Beschwerdeführers die gesetzlichen Voraussetzungen für die Erteilung eines solchen Aufenthaltstitels nicht vor.
Die Beschwerde gegen Spruchpunkt III des angefochtenen Bescheides war daher abzuweisen.
3.5. Rückkehrentscheidung und Frist zur Ausreise (Spruchpunkte IV und VI des angefochtenen Bescheides)
3.5.1. Gemäß § 10 Abs 1 Z 4 AsylG ist eine Entscheidung nach dem AsylG mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn einem Fremden der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt und von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt wird.
Gemäß § 52 Abs 2 Z 3 FPG hat das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl gegen einen Drittstaatsangehörigen unter einem mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn ihm der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.
Da dem Beschwerdeführer der Status des Asylberechtigten aberkannt wurde, der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuerkannt wurde, kein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG erteilt wurde und ihm auch nach anderen Bundesgesetzen als dem FPG kein Aufenthaltsrecht zukam, war mit dem angefochtenen Bescheid unter einem eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 9 BFA-VG, nicht gegen Art 8 EMRK verstößt.
3.5.2. Gemäß § 52 FPG iVm § 9 BFA-VG darf eine Rückkehrentscheidung nicht verfügt werden, wenn es dadurch zu einer Verletzung des Privat- und Familienlebens in Österreich käme:
§ 9 Abs 1 bis 3 BFA-VG lautet:
(1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Rückkehrentscheidung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.
(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:
1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,
2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,
3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,
4. der Grad der Integration,
5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,
6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,
7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,
8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,
9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.
(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§ 45 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.
Gem. Art 8 Abs 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung des Rechts auf das Privat- und Familienleben nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, welche in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, der Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.
Zweifellos handelt es sich beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl um eine öffentliche Behörde im Sinne des Art 8 Abs 2 EMRK; der Eingriff ist – wie bereits oben dargestellt – in § 9 Abs 1 BFA-VG iVm § 67 FPG gesetzlich vorgesehen.
Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens
(1) Jedermann hat Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs.
(2) Der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts ist nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.“
Für die Beurteilung ob ein relevantes Privat- und/oder Familienleben iSd Art 8 EMRK vorliegt sind nach der höchstgerichtlichen Judikatur insbesondere nachfolgende Umstände beachtlich:
Privatleben
Nach der Rechtsprechung des EGMR (vgl. aktuell SISOJEVA u.a. gg. Lettland, 16.06.2005, Bsw. Nr. 60.654/00) garantiert die Konvention Fremden kein Recht auf Einreise und Aufenthalt in einem Staat. Unter gewissen Umständen können von den Staaten getroffene Entscheidungen auf dem Gebiet des Aufenthaltsrechts (zB. eine Rückkehrentscheidungsentscheidung) aber in das Privatleben eines Fremden eingreifen. Dies beispielsweise dann, wenn ein Fremder den größten Teil seines Lebens in dem Gastland zugebracht (wie im Fall SISOJEVA u.a. gg. Lettland) oder besonders ausgeprägte soziale oder wirtschaftliche Bindungen im Aufenthaltsstaat vorliegen, die sogar jene zum eigentlichen Herkunftsstaat an Intensität deutlich übersteigen (vgl. dazu BAGHLI gg. Frankreich, 30.11.1999, Bsw. Nr. 34374/97; ebenso die Rsp. des Verfassungsgerichtshofes; vgl. dazu VfSlg 10.737/1985; VfSlg 13.660/1993).
Bei der Schutzwürdigkeit des Privatlebens manifestiert sich der Grad der Integration des Fremden insbesondere an intensiven Bindungen zu Verwandten und Freunden, der Selbsterhaltungsfähigkeit, der Schulausbildung, der Berufsausbildung, der Teilnahme am sozialen Leben, der Beschäftigung und ähnlichen Umständen (vgl. EGMR 4.10.2001, Fall Adam, Appl. 43.359/98, EuGRZ 2002, 582; 9.10.2003, Fall Slivenko, Appl. 48.321/99, EuGRZ 2006, 560; 16.6.2005, Fall Sisojeva, Appl. 60.654/00, EuGRZ 2006, 554; vgl. auch VwGH 5.7.2005, 2004/21/0124; 11.10.2005, 2002/21/0124).
Familienleben
Das Recht auf Achtung des Familienlebens iSd Art. 8 EMRK schützt das Zusammenleben der Familie. Es umfasst jedenfalls alle durch Blutsverwandtschaft, Eheschließung oder Adoption verbundenen Familienmitglieder, die effektiv zusammenleben;
das Verhältnis zwischen Eltern und minderjährigen Kindern auch dann, wenn es kein Zusammenleben gibt (EGMR Kroon, VfGH 28.06.2003, G 78/00); etwa bei Zutreffen anderer Faktoren aus denen sich ergibt, dass eine Beziehung genügend Konstanz aufweist, um de facto familiäre Bindungen zu erzeugen: zB Natur und Dauer der Beziehung der Eltern und insbesondere, ob sie geplant haben ein gemeinsames Kind zu haben; ob der Vater das Kind als eigenes anerkannt hat; ob Unterhaltszahlungen für die Pflege und Erziehung des Kindes geleistet wurden; und die Intensität und Regelmäßigkeit des Umgangs (EGMR v. 8.1.2009, Zl 10606/07, Fall Grant gg. Vereinigtes Königreich).
Kinder werden erst vom Moment ihrer Geburt an rechtlich Teil der Familie. Zu noch ungeborenen Kindern liegt somit bis dahin (noch) kein schützenswertes Familienleben iSd Art 8 EMRK vor (vgl. zB VfGH 24.02.2003, B 1670/01; EGMR 19.02.1996, GÜL vs Switzerland).
Der Begriff des Familienlebens ist jedoch nicht nur auf Familien beschränkt, die sich auf eine Heirat gründen, sondern schließt auch andere „de facto Beziehungen“ ein; maßgebend ist beispielsweise das Zusammenleben eines Paares, die Dauer der Beziehung, die Demonstration der Verbundenheit durch gemeinsame Kinder oder auf andere Weise (EGMR Marckx, EGMR 23.04.1997, X ua).
Eine familiäre Beziehung unter Erwachsenen fällt nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) nur dann unter den Schutz des Art 8 Abs. 1 EMRK, wenn zusätzliche Merkmale der Abhängigkeit hinzutreten, die über die üblichen Bindungen hinausgehen (vgl. dazu auch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 9. Juni 2006, B 1277/04, unter Hinweis auf die Judikatur des EGMR; des Weiteren auch das Erkenntnis des VwGH vom 26. Jänner 2006, Zl. 2002/20/0423 und die darauf aufbauende Folgejudikatur, etwa die Erkenntnisse vom 26. Jänner 2006, Zl. 2002/20/0235, vom 8. Juni 2006, Zl. 2003/01/0600, vom 22. August 2006, Zl. 2004/01/0220 und vom 29. März 2007, Zl. 2005/20/0040, vom 26. Juni 2007, 2007/01/0479).
Die Beziehung der bereits volljährigen Kinder zu den Eltern ist vor allem dann als Familienleben zu qualifizieren, wenn jene auch nach Eintritt der Volljährigkeit im Haushalt der Eltern weiterleben, ohne dass sich ihr Naheverhältnis zu den Eltern wesentlich ändert (Chvosta, Die Rückkehrentscheidung von Asylwerbern und Art 8 MRK, ÖJZ 2007/74, 860 unter Hinweis auf Wiederin in Korinek/Holoubek, Österreichisches Bundesverfassungsrecht, Art 8 EMRK Rz 76).
Nach der Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) sind Beziehungen zwischen Eltern und ihren erwachsenen Kindern, die wegen des Fehlens von über die üblichen Bindungen hinausgehenden Merkmalen der Abhängigkeit nicht (mehr) unter den Begriff des Familienlebens fallen, unter den Begriff des ebenfalls von Art. 8 Abs. 1 EMRK geschützten Privatlebens zu subsumieren (VwGH 21.4.2011, 2011/01/0093-7 [vgl. dazu die Urteile des EGMR vom 9. Oktober 2003, Slivenko gegen Lettland, Beschwerde Nr. 48321/99, Randnr. 97, vom 15. Juni 2006, Shevanova gegen Lettland, Beschwerde Nr. 58822/00, Randnr. 67, vom 22. Juni 2006, Kaftailova gegen Lettland, Beschwerde Nr. 59643/00, Randnr. 63, und vom 12. Jänner 2010, A.W. Khan gegen das Vereinigte Königreich, Beschwerde Nr. 47486/06, Randnr. 31 ff]).
Alle anderen verwandtschaftlichen Beziehungen (zB zwischen Enkel und Großeltern, erwachsenen Geschwistern [vgl. VwGH 22.08.2006, 2004/01/0220, mwN; 25.4.2008, 2007/20/0720 bis 0723-8], Cousinen [VwGH 15.01.1999, 97/21/0778; 26.6.2007, 2007/01/0479], Onkeln bzw. Tanten und Neffen bzw. Nichten) sind nur dann als Familienleben geschützt, wenn eine „hinreichend starke Nahebeziehung“ besteht. Nach Ansicht der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts ist für diese Wertung insbesondere die Intensität und Dauer des Zusammenlebens von Bedeutung (vgl. VfSlg 17.457/2005). Dabei werden vor allem das Zusammenleben und die gegenseitige Unterhaltsgewährung zur Annahme eines Familienlebens iSd Art 8 EMRK führen, soweit nicht besondere Abhängigkeitsverhältnisse, wie die Pflege eines behinderten oder kranken Verwandten, vorliegen.
Ist von einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme die gesamte Familie betroffen, greift sie lediglich in das Privatleben der Familienmitglieder und nicht auch in ihr Familienleben ein; auch dann, wenn sich einige Familienmitglieder der Abschiebung durch Untertauchen entziehen (EGMR im Fall Cruz Varas gegen Schweden). In diesen Fällen ist nach der Judikatur des EGMR der Eingriff in das Privatleben gegebenenfalls separat zu prüfen (Chvosta, Die Rückkehrentscheidung von Asylwerbern und Art 8 MRK, ÖJZ 2007/74, 856 mwN).
Der Begriff des "Familienlebens" in Art 8 EMRK umfasst nicht nur die Kleinfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern und Ehegatten, sondern auch entferntere verwandtschaftliche Beziehungen, sofern diese Beziehungen eine gewisse Intensität aufweisen, etwa ein gemeinsamer Haushalt vorliegt (vgl. dazu EKMR 19.07.1968, 3110/67, Yb 11, 494 (518); EKMR 28.02.1979, 7912/77, EuGRZ 1981/118; Frowein - Peukert, Europäische Menschenrechtskonvention, EMRK-Kommentar, 2. Auflage (1996) Rz 16 zu Art. 8; Baumgartner, Welche Formen des Zusammenlebens schützt die Verfassung? ÖJZ 1998, 761; vgl. auch Rosenmayer, Aufenthaltsverbot, Schubhaft und Abschiebung, ZfV 1988, 1). In der bisherigen Spruchpraxis der Straßburger Instanzen wurden als unter dem Blickwinkel des Art 8 EMRK zu schützende Beziehungen bereits solche zwischen Enkel und Großeltern (EGMR 13.06.1979, Marckx, EuGRZ 1979, 458; s. auch EKMR 07.12.1981, B 9071/80, X-Schweiz, EuGRZ 1983, 19), zwischen Geschwistern (EKMR 14.03.1980, B 8986/80, EuGRZ 1982, 311) und zwischen Onkel bzw. Tante und Neffen bzw. Nichten (EKMR 19.07.1968, 3110/67, Yb 11, 494 (518); EKMR 28.02.1979, 7912/77, EuGRZ 1981/118; EKMR 05.07.1979, B 8353/78, EuGRZ 1981, 120) anerkannt, sofern eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt (vgl. Baumgartner, ÖJZ 1998, 761; Rosenmayer, ZfV 1988, 1). Das Kriterium einer gewissen Beziehungsintensität wurde von der Kommission auch für die Beziehung zwischen Eltern und erwachsenen Kindern gefordert (EKMR 06.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215).
3.5.3. Zu den in Österreich lebenden Eltern, Geschwistern und Onkeln des Beschwerdeführers ist anzumerken, dass diese Familienangehörigen nicht vom Begriff des "Familienlebens" im Sinne des Art 8 EMRK umfasst sind, zumal nach der Judikatur Beziehungen zwischen Erwachsenen, welche keine über die üblichen Bindungen hinausgehenden Merkmalen der Abhängigkeit aufweisen, eben nicht unter den Begriff des Familienlebens fallen und im gegenständlichen Verfahren kein finanzielles oder sonstiges Abhängigkeitsverhältnis bzw. kein besonderes Naheverhältnis zwischen dem Beschwerdeführer und den genannten Familienangehörigen festgestellt werden konnten.
Im Bundesgebiet leben jedoch auch die Ehegattin des Beschwerdeführers sowie seine drei minderjährigen Kinder, weshalb die Rückkehrentscheidung jedenfalls einen Eingriff in das Recht auf Familienleben bildet.
Auf Grund der langen Aufenthaltsdauer im Bundesgebiet und der gegebenen persönlichen Umstände liegt hier auch ein relevantes Privatleben in Österreich vor.
Da die Rückkehrentscheidung somit einen Eingriff in das Recht auf Privat- und Familienleben darstellt, bedarf es diesbezüglich einer Abwägung der persönlichen Interessen mit den öffentlichen Interessen, ob eine Rückkehrentscheidung zur Erreichung der im Art 8 Abs 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.
Im vorliegenden Fall ist der Eingriff gesetzlich vorgesehen und verfolgt gem. Art 8 Abs 2 EMRK legitime Ziele, nämlich
- die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe und Ordnung, worunter auch die geschriebene Rechtsordnung zu subsumieren ist;
- zur Verhinderung von strafbaren Handlungen;
Öffentliche Ordnung / Verhinderung von strafbaren Handlungen (auch im Bereich des Aufenthaltsrechtes)
Der EGMR geht davon aus, dass die Konvention kein Recht auf Aufenthalt in einem bestimmten Staat garantiert. Der EGMR erkennt in stRsp weiters, dass die Konventionsstaaten nach völkerrechtlichen Bestimmungen berechtigt sind, Einreise, Rückkehrentscheidung und Aufenthalt von Fremden ihrer Kontrolle zu unterwerfen, soweit ihre vertraglichen Verpflichtungen dem nicht entgegenstehen (vgl. uva. zB. Urteil Vilvarajah/GB, A/215 § 102 = NL 92/1/07 und NL 92/1/27f.). Die Schaffung eines Ordnungssystems mit dem die Einreise und der Aufenthalt von Fremden geregelt wird, ist auch im Lichte der Entwicklungen auf europäischer Ebene notwendig. Dem öffentlichen Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Bestimmungen kommt im Interesse des Schutzes der öffentlichen Ordnung (Art 8 Abs 2 EMRK) daher ein hoher Stellenwert zu (VfGH 29.9.2007, B 328/07, VwGH 16.01.2001, Zl. 2000/18/0251 uva.).
3.5.4. Im Einzelnen ergibt sich unter zentraler Beachtung der in § 9 Abs 1 Z 1-9 AsylG genannten Determinanten Folgendes:
- Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt rechtswidrig war:
Der Beschwerdeführer war bisher legal im österreichischen Bundesgebiet aufhältig. Er ist seit April 2002 in Österreich wohnhaft. Damals reiste er gemeinsam mit seinen Eltern und seiner Schwester nach Österreich. Am 29.04.2002 stellten er einen Asylerstreckungsantrag von seinem Vater, dem mit Bescheid vom 08.10.2003 stattgegeben wurde.
- das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens
In Österreich leben die Ehegattin sowie die drei gemeinsamen Kinder des Beschwerdeführers, mit welchen er im gemeinsamen Haushalt in einer Mietwohnung wohnt. Seine Ehefrau verfügt seit 2015 über eine Rot-Weiß-Rot Karte plus. Die Kinder wurden in Österreich geboren und erhielten im Rahmen eines gemäß § 34 AsylG geführten Familienverfahrens (in Bezug auf den Vater (den gegenständlichen Beschwerdeführer)) jeweils den Status eines Asylberechtigten.
- Schutzwürdigkeit des Privatlebens
Während des bisherigen Aufenthaltes im Bundesgebiet hat der Beschwerdeführer sicherlich auch private Anknüpfungspunkte in Österreich erlangt, insbesondere leben auch die Eltern, die Geschwister und zwei Onkel des Beschwerdeführers in Österreich.
- Grad der Integration
Der Beschwerdeführer befindet sich seit seiner Kindheit in Österreich und besuchte hier die Hauptschule. Er hat eine Lehre zum Automechaniker begonnen, welche er jedoch nach zwei Jahren abgebrochen und somit nicht abgeschlossen hat. Der Beschwerdeführer war bis dato bei verschiedenen Arbeitgebern beschäftigt, bezog jedoch den Großteil der Zeit Arbeitslosengeld sowie Notstands- und Überbrückungshilfe. Seit 01.04.2021 arbeitet der Beschwerdeführer Teilzeit im Betrieb seiner Ehefrau als Mechaniker. Bereits zuvor war der Beschwerdeführer von 01.07.2020 bis 31.03.2021 geringfügig im Betrieb seiner Ehefrau angestellt, bezog jedoch gleichzeitig von 07.11.2019 bis 31.03.2021 Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung. Auch von 23.11.2016 bis 10.05.2018 bezog der Beschwerdeführer Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung. Seine Freizeit verbringt der Beschwerdeführer in der Autowerkstatt seiner Gattin. Der Beschwerdeführer spricht armenisch, deutsch, russisch sowie etwas serbisch und englisch. Er ist gesund. Der Beschwerdeführer verfügt über ein mit den österreichischen Werten in keiner Weise zu vereinbarendes Frauenbild. Der Beschwerdeführer trat regelmäßig strafrechtlich und verwaltungsstrafrechtlich in Erscheinung.
- Bindungen zum Herkunftsstaat
Der Beschwerdeführer ist in Armenien in XXXX geboren, verbrachte dort die ersten 11 Jahre seines Lebens und besuchte dort die Schule. Über familiäre Anknüpfungspunkte verfügt der Beschwerdeführer in Armenien nicht. Er spricht die armenische Sprache.
- strafrechtliche Unbescholtenheit
In der Datenbank des österreichischen Strafregisters scheinen die o. a. Verurteilungen auf. Die für die Integration wesentliche soziale Komponente wird durch die vom Beschwerdeführer begangenen Straftaten erheblich beeinträchtigt. Die Integration eines Fremden in seinem Gastland verlangt die Bereitschaft, die Rechtsordnung dieses Gastlandes zu respektieren. Diese Bereitschaft hat der Beschwerdeführer jedenfalls nicht gezeigt.
- Verstöße gegen die öffentliche Ordnung
Der Beschwerdeführer wurde in der Zeit von August 2016 bis September 2020 wegen 26 Delikten verwaltungsstrafrechtlich rechtkräftig bestraft. Diesbezüglich wird auf die näheren Ausführungen in den Feststellungen verwiesen.
3.5.5. Zusammenfassend ist somit festzuhalten, dass eine Rückkehrentscheidung einen Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers darstellt. Dies ist aber gerechtfertigt, da dem öffentlichen Interesse an der aufenthaltsbeendenden Maßnahme auf Grund der gravierenden Straffälligkeit des Beschwerdeführers ein sehr großes Gewicht zukommt.
Für den Verbleib des Beschwerdeführers in Österreich sprechen seine lange Aufenthaltsdauer in Österreich seit 2002, seine Deutschkenntnisse, dass er in Armenien keine familiären Anknüpfungspunkte hat, insbesondere jedoch der Umstand, dass die Ehefrau des Beschwerdeführers sowie die gemeinsamen drei Kinder (geboren 2014, 2015, 2018) in Österreich dauerhaft aufenthaltsberechtigt sind. Gegen den Verbleib und damit für die aufenthaltsbeendende Maßnahme sprechen die fünf festgestellten, strafrechtlichen Verurteilungen die der Beschwerdeführer aufweist, die 26 rechtskräftigen Verwaltungsstrafen des Beschwerdeführers sowie sein Verhalten im Rahmen einer Fahrzeugkontrolle im Frühjahr 2020, insbesondere sein mit den österreichischen Werten in keiner Weise zu vereinbarendes Frauenbild.
Zu den Bindungen des Beschwerdeführers zu seinen Eltern, seinen Geschwistern und seinen beiden Onkeln ist festzuhalten, dass der Beschwerdeführer nicht gezwungen ist, nach einer Rückkehr nach Armenien diese zur Gänze abbrechen zu müssen, sondern können diese auf telefonische und elektronische Weise oder durch gegenseitige Besuche aufrechterhalten werden. In Bezug auf die Ehefrau ist auf jene Rechtsprechung des Verwaltungsgerichthofes hinzuweisen, wonach eine Trennung von Ehepartnern in Kauf zu nehmen ist, wenn dem öffentlichen Interesse an der Vornahme einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme insgesamt ein sehr großes Gewicht beizumessen ist, wie insbesondere bei Straffälligkeit des Fremden (VwGH 22.08.2019, Ra 2019/21/0162 mwN). Dass das öffentliche Interesse im gegenständlichen Fall besonders schwer wiegt, ist im gegenständlichen Fall evident, es ergibt sich aus der bereits oben erörterten Gemeingefährlichkeit des Beschwerdeführers und dem Umstand, dass er ein besonders schweres Verbrechen begangen hat.
Der Verwaltungsgerichtshof sprach in seinem Erkenntnis vom 23.02.2017 aus, dass das "Kindeswohl" bei der Interessenabwägung nach § 9 BFA-VG 2014 zu berücksichtigen ist (mwN, VwGH, 23.02.2017, Ra 2016/21/0235). Überdies ist nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bei der Beurteilung der Auswirkungen einer Aufenthaltsbeendigung auf die wechselseitigen Beziehungen eines Elternteiles und seines Kindes auch auf im Entscheidungszeitpunkt konkret absehbare zukünftige Entwicklungen Bedacht zu nehmen (VwGH 31.08.2017, Ro 2017/21/0012).
Bei der vorzunehmenden Interessenabwägung ist zu berücksichtigen, dass der Beschwerdeführer ein erhebliches Interesse an einem Verbleib in Österreich hat, weil sich seine minderjährigen Kinder im Bundesgebiet aufhalten. Verlässliche Kontakte zu den leiblichen Eltern sind im Interesse des Kindeswohls geboten und der Beschwerdeführer hat mit seinen Kindern eine persönliche Beziehung einschließlich persönlicher Kontakte zu pflegen. Dem Interesse an einer Fortsetzung dieses Familienlebens steht aber das große öffentliche Interesse am geordneten Vollzug fremdenrechtlicher Vorschriften gegenüber.
Festzuhalten ist, dass den Kindern des Beschwerdeführers der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde. Die Bescheide des BFA vom 22.01.2020, mit welchen den Kindern des Beschwerdeführers der jeweils zuerkannte Status des Asylberechtigten gemäß § 7 Abs. 1 Z 2 AsylG aberkannt und festgestellt wurde, dass Ihnen die Flüchtlingseigenschaft kraft Gesetz nicht mehr zukommt, wurden mit Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichts vom heutigen Tag behoben bzw. teilweise behoben. Die Kinder des Beschwerdeführers sind daher in Österreich dauerhaft aufenthaltsberechtigt. Auch die Mutter der Kinder verfügt über einen Aufenthaltstitel für Österreich. Der Familie des Beschwerdeführers wäre es theoretisch auch möglich, nach Armenien zu gehen und dort ihr Familienleben gemeinsam mit dem Beschwerdeführer weiter zu führen. Die Gattin des Beschwerdeführers stammt aus Armenien und auch die gemeinsamen Kinder sprechen zumindest die Landessprache. Die Ehegattin des Beschwerdeführers gab vor dem Bundesverwaltungsgericht auch an, ihren Gatten mit den Kindern nach Armenien begleiten zu würden, wenngleich sie ihre Angaben auf Nachfrage relativierte. Ob die Gattin des Beschwerdeführers schlussendlich ihren Ehegatten gemeinsam mit den Kindern nach Armenien begleitet, ist dieser überlassen. Es ist diesbezüglich auf den Unrechtsgehalt des bisherigen Lebenswandels des Beschwerdeführers hinzuweisen. Der Beschwerdeführer hat die öffentlichen Interessen der Republik Österreich durch die Missachtung strafrechtlicher Normen stark beeinträchtigt. Aufgrund seiner insgesamt fünf strafrechtlichen Verurteilungen, vor allem jedoch aufgrund seiner Suchtmitteldelinquenz besteht ein so großes öffentliches Interesse an der Aufenthaltsbeendigung, dass die Trennung auch von seinen Kindern gerechtfertigt ist (vgl VwGH 24.09.2019, Ra 2019/20/0446; VwGH 15.03.2018, Ra 2017/21/0191). Hinzu kommt die vom Beschwerdeführer ausgehende Gemeingefährlichkeit, die schließlich erst zur Aberkennung seines Status des Asylberechtigten in Österreich geführt hat. Es wird dem Beschwerdeführer auch möglich sein, das Familienleben mit seiner Frau und seinen Kindern bei wechselseitigen Besuchen in vom Einreiseverbot nicht umfassenden Staaten fortzusetzen und dabei auch den im Interesse des Kindeswohls liegenden persönlichen Kontakt zu den Kindern zu pflegen.
Dem persönlichen Interesse des Beschwerdeführers an einer Fortsetzung seines Familien- und Privatlebens in Österreich steht nicht nur das große öffentliche Interesse am geordneten Vollzug fremdenrechtlicher Vorschriften, sondern auch jenes an der Verhinderung von Straftaten gegenüber. Dem öffentlichen Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Bestimmungen sowie der Verhinderung von Straftaten kommt im Interesse des Schutzes der öffentlichen Ordnung und Sicherheit ein hoher Stellenwert zu.
Insbesondere schwerwiegende kriminelle Handlungen – etwa nach dem SMG –, aus denen sich eine vom Fremden ausgehende Gefährdung ergibt, können die Erlassung einer Rückkehrentscheidung daher auch dann tragen, wenn diese zu einer Trennung von Familienangehörigen führt (vgl. VwGH 28.11.2019, Ra 2019/19/0359 unter Hinweis auf VwGH 05.10.2017, Ra 2017/21/0174; 26.06.2019, Ra 2019/21/0034).
Letztlich ist auf die Judikatur des VwGH zu verweisen, wonach die allfällige Trennung von Familienangehörigen ebenso wie mögliche Schwierigkeiten bei der Wiedereingliederung im Heimatland im öffentlichen Interesse in Kauf zu nehmen sind (vgl. VwGH 09.07.2009, 2008/22/0932; 22.02.2011, 2010/18/0417) und selbst Schwierigkeiten bei der Gestaltung der Lebensverhältnisse, die infolge der alleinigen Rückkehr auftreten können, hinzunehmen sind (vgl. VwGH 15.03.2016, Zl. Ra 2015/21/0180).
Die für die Integration wesentliche soziale Komponente wird durch vom Fremden begangene Straftaten erheblich beeinträchtigt. Darüber hinaus wird das Gewicht der familiären Beziehungen zu Angehörigen relativiert, wenn der Fremde bereits erwachsen ist (VwGH 19.11.2003, 2002/21/0181).
Selbst eine Selbsterhaltungsfähigkeit samt gefestigter Integration im privaten Bereich können vor dem Hintergrund der obigen Ausführungen die Umstände, dass der Fremde einen großen Freundes- und Bekanntenkreis hat und er der deutschen Sprache mächtig ist, seine persönlichen Interessen an einem weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet nicht maßgeblich verstärken (vgl. VwGH 26.11.2009, 2007/18/0311; 29.6.2010, 2010/18/0226).
Im Rahmen der vorzunehmenden Interessenabwägung überwiegt das öffentliche Interesse an einer Aufenthaltsbeendigung die gegenläufigen familiären und privaten Interessen des Beschwerdeführers. Durch die Rückkehrentscheidung wird Art 8 EMRK im Ergebnis nicht verletzt. Auch sonst sind keine Anhaltspunkte hervorgekommen oder wurden in der Beschwerde behauptet, die eine Rückkehrentscheidung (vorübergehend oder auf Dauer) unzulässig erscheinen ließen.
Aufgrund des familiären Hintergrundes des Beschwerdeführers ist nicht davon auszugehen, dass er seinem Herkunftsstaat und den dort herrschenden Gepflogenheiten und Lebensumständen derart entfremdet wäre, als ihm eine Rückkehr und Wiedereingliederung in die dortige Gesellschaft unzumutbar oder unmöglich wäre. Auch wenn der Beschwerdeführer in Armenien anfänglich Herausforderungen zu meistern haben werde, deutet nichts darauf hin, dass es dem Beschwerdeführer nicht möglich wäre, sich erneut in Armenien zu integrieren. In Österreich arbeitet der Beschwerdeführer in einem Restaurant und als Mechaniker und wird es ihm auch in Armenien möglich sein, eine zumindest vergleichbare Tätigkeit auszuüben.
Aufgrund des vom Beschwerdeführer gesetzten Verhaltens durch welches er fünf Mal strafrechtlich zur Verantwortung gezogen wurde, ergibt sich hinsichtlich der Persönlichkeit des Beschwerdeführers, dass er bisher immer wieder nicht davor zurückschreckt, sich über die österreichische Rechtsordnung hinwegzusetzen. Seine letzte Straftat leugnete der Beschwerdeführer gegenüber dem BFA, indem er angab, dass ihm der Richter nicht geglaubt habe, da er schon vorbestraft gewesen sei. Auch vor dem Bundesverwaltungsgericht leugnete der Beschwerdeführer seine Tat und gab an, dass sein Freund die Straftat begangen habe und lediglich die Halle auf seinen Namen gelaufen sei. Damit legt er auch aktuell dar, dass er die Rechtsprechung nicht akzeptiert und manifestierte sich die ablehnende Haltung gegenüber der österreichischen Rechtsordnung durch seine mehrfachen Verurteilungen. Das vom Beschwerdeführer seit Verbüßung seiner letzten Strafe (die Fußfessel wurde im November 2019 entfernt) gesetzte Wohlverhalten ist derzeit zu kurz, um davon sprechen zu können, dass sich das Persönlichkeitsbild des Beschwerdeführers maßgeblich zum Besseren verändert hätte. Des Weiteren wurde der Beschwerdeführer seit seiner letzten Verurteilung mehrfach verwaltungsstrafrechtlich bestraft. Dem Beschwerdeführer musste bewusst sein, dass die Begehung der festgestellten Straftaten sich negativ auf seinen Aufenthaltsstatus auswirken können und dies auch zur Aberkennung des bereits gewährten Asyls führen kann. Durch das massive strafrechtliche Fehlverhalten relevieren sich alle Interessen des Beschwerdeführers, den Aufenthalt in Österreich fortsetzen zu dürfen. Als asyl- und fremdenrechtliche Konsequenz seines Fehlverhaltens hat der Beschwerdeführer es hinzunehmen, dass er seine asylrechtliche Aufenthaltsberechtigung in Österreich verloren hat.
Im gegenständlichen Fall haben somit die minderjährigen Kinder, die Ehefrau und der Beschwerdeführer selbst den Eingriff in ihr Familienleben hinzunehmen, da das öffentliche Interesse an der Aufenthaltsbeendigung des Beschwerdeführers überragende Bedeutung zukommt.
Im gegenständlichen Fall überwiegen somit aufgrund der Delinquenz und der fehlenden positiven Zukunftsprognose im Rahmen einer Interessensabwägung im Sinne des Art 8 Abs 2 EMRK eindeutig die öffentlichen Interessen gegenüber den privaten- und familiären Interessen des Beschwerdeführers, weshalb das BFA die Rückkehrentscheidung zu Recht erlassen hat.
Die festgelegte Frist von 14 Tagen für die freiwillige Ausreise ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung ergibt sich zwingend aus § 55 Abs 2 erster Satz FPG. Dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hätte, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen würden, wurde nicht vorgebracht. Die eingeräumte Frist ist angemessen und es wurde diesbezüglich auch in der Beschwerdeschrift kein Vorbringen erstattet.
Die Beschwerde gegen Spruchpunkte IV und VI des angefochtenen Bescheides war daher abzuweisen.
Spruchpunkt II
3.6. Zulässigkeit der Abschiebung (Spruchpunkt V des angefochtenen Bescheides)
In Hinblick auf §§ 52 Abs 9 iVm 50 FPG und auf die dazu oben getroffenen länderkundlichen Feststellungen sind keine konkreten Anhaltspunkte dahingehend hervorgekommen, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Armenien unzulässig wäre.
Zwar lautet der Spruchpunkt V des angefochtenen Bescheides wörtlich "Es wird gemäß § 52 Absatz 9 FP festgestellt, dass Ihre Abschiebung gemäß § 46 FPG nach zulässig ist.“ und fehlt damit im Spruch die konkrete Bezeichnung des entsprechenden Landes („Armenien“). Zumal sich die belangte Behörde jedoch in der Bescheidbegründung auf Armenien (Bescheid, S 53f) bezieht und keine Zweifel aufgekommen sind, dass noch ein anderer Herkunftsstaat außer Armenien in Frage kommen könnte, ist hier von einem offenkundigen Redaktionsversehen auszugehen.
Aufgrund des Versehens des BFA in Spruchpunkt V des angefochtenen Bescheides das Herkunftsland des Beschwerdeführers einzufügen, wurde dies mit Spruchpunkt A) II der gegenständlichen Entscheidung nachgeholt.
Spruchpunkt III
3.7. Erlassung eines Einreiseverbotes (Spruchpunkt VII des angefochtenen Bescheides)
Einreiseverbot
Einreiseverbot § 53 FPG
(1) Mit einer Rückkehrentscheidung kann vom Bundesamt mit Bescheid ein Einreiseverbot erlassen werden. Das Einreiseverbot ist die Anweisung an den Drittstaatsangehörigen, für einen festgelegten Zeitraum nicht in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten einzureisen und sich dort nicht aufzuhalten.
(Anm.: Abs. 1a aufgehoben durch BGBl. I Nr. 68/2013)
(2) Ein Einreiseverbot gemäß Abs. 1 ist, vorbehaltlich des Abs. 3, für die Dauer von höchstens fünf Jahren zu erlassen. Bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbots hat das Bundesamt das bisherige Verhalten des Drittstaatsangehörigen mit einzubeziehen und zu berücksichtigen, inwieweit der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft. Dies ist insbesondere dann anzunehmen, wenn der Drittstaatsangehörige1. wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß § 20 Abs. 2 der Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO), BGBl. Nr. 159, iVm § 26 Abs. 3 des Führerscheingesetzes (FSG), BGBl. I Nr. 120/1997, gemäß § 99 Abs. 1, 1 a, 1 b oder 2 StVO, gemäß § 37 Abs. 3 oder 4 FSG, gemäß § 366 Abs. 1 Z 1 der Gewerbeordnung 1994 (GewO), BGBl. Nr. 194, in Bezug auf ein bewilligungspflichtiges, gebundenes Gewerbe, gemäß den §§ 81 oder 82 des SPG, gemäß den §§ 9 oder 14 iVm § 19 des Versammlungsgesetzes 1953, BGBl. Nr. 98, oder wegen einer Übertretung des Grenzkontrollgesetzes, des Meldegesetzes, des Gefahrengutbeförderungsgesetzes oder des Ausländerbeschäftigungsgesetzes rechtskräftig bestraft worden ist;2. wegen einer Verwaltungsübertretung mit einer Geldstrafe von mindestens 1 000 Euro oder primären Freiheitsstrafe rechtskräftig bestraft wurde;3. wegen einer Übertretung dieses Bundesgesetzes oder des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes rechtskräftig bestraft worden ist, sofern es sich dabei nicht um eine in Abs. 3 genannte Übertretung handelt;4. wegen vorsätzlich begangener Finanzvergehen oder wegen vorsätzlich begangener Zuwiderhandlungen gegen devisenrechtliche Vorschriften rechtskräftig bestraft worden ist;5. wegen eines Verstoßes gegen die Vorschriften, mit denen die Prostitution geregelt ist, rechtskräftig bestraft worden ist;6. den Besitz der Mittel zu seinem Unterhalt nicht nachzuweisen vermag;7. bei einer Beschäftigung betreten wird, die er nach dem AuslBG nicht ausüben hätte dürfen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige hätte nach den Bestimmungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes für denselben Dienstgeber eine andere Beschäftigung ausüben dürfen und für die Beschäftigung, bei der der Drittstaatsangehörige betreten wurde, wäre keine Zweckänderung erforderlich oder eine Zweckänderung zulässig gewesen;8. eine Ehe geschlossen oder eine eingetragene Partnerschaft begründet hat und sich für die Erteilung oder Beibehaltung eines Aufenthaltstitels, für den Erwerb oder die Aufrechterhaltung eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts, für den Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft, zwecks Zugangs zum heimischen Arbeitsmarkt oder zur Hintanhaltung aufenthaltsbeendender Maßnahmen auf diese Ehe oder eingetragene Partnerschaft berufen, aber mit dem Ehegatten oder eingetragenen Partner ein gemeinsames Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK nicht geführt hat oder9. an Kindes statt angenommen wurde und die Erteilung oder Beibehaltung eines Aufenthaltstitels, der Erwerb oder die Aufrechterhaltung eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts, der Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft, der Zugang zum heimischen Arbeitsmarkt oder die Hintanhaltung aufenthaltsbeendender Maßnahmen ausschließlicher oder vorwiegender Grund für die Annahme an Kindes statt war, er jedoch das Gericht über die wahren Verhältnisse zu den Wahleltern getäuscht hat.
(3) Ein Einreiseverbot gemäß Abs. 1 ist für die Dauer von höchstens zehn Jahren, in den Fällen der Z 5 bis 8 auch unbefristet zu erlassen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt. Als bestimmte Tatsache, die bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbotes neben den anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen relevant ist, hat insbesondere zu gelten, wenn1. ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mindestens drei Monaten, zu einer bedingt oder teilbedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten oder mehr als einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden strafbaren Handlungen rechtskräftig verurteilt worden ist;2. ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht wegen einer innerhalb von drei Monaten nach der Einreise begangenen Vorsatztat rechtskräftig verurteilt worden ist;3. ein Drittstaatsangehöriger wegen Zuhälterei rechtskräftig verurteilt worden ist;4. ein Drittstaatsangehöriger wegen einer Wiederholungstat oder einer gerichtlich strafbaren Handlung im Sinne dieses Bundesgesetzes oder des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes rechtskräftig bestraft oder verurteilt worden ist;5. ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als drei Jahren rechtskräftig verurteilt worden ist;6. auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der Drittstaatsangehörige einer kriminellen Organisation (§ 278a StGB) oder einer terroristischen Vereinigung (§ 278b StGB) angehört oder angehört hat, terroristische Straftaten begeht oder begangen hat (§ 278c StGB), Terrorismus finanziert oder finanziert hat (§ 278d StGB) oder eine Person für terroristische Zwecke ausbildet oder sich ausbilden lässt (§ 278e StGB) oder eine Person zur Begehung einer terroristischen Straftat anleitet oder angeleitet hat (§ 278f StGB);7. auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der Drittstaatsangehörige durch sein Verhalten, insbesondere durch die öffentliche Beteiligung an Gewalttätigkeiten, durch den öffentlichen Aufruf zur Gewalt oder durch hetzerische Aufforderungen oder Aufreizungen, die nationale Sicherheit gefährdet oder8. ein Drittstaatsangehöriger öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen, ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt.
(4) Die Frist des Einreiseverbotes beginnt mit Ablauf des Tages der Ausreise des Drittstaatsangehörigen.
(5) Eine gemäß Abs. 3 maßgebliche Verurteilung liegt nicht vor, wenn sie bereits getilgt ist. § 73 StGB gilt.
(6) Einer Verurteilung nach Abs. 3 Z 1, 2 und 5 ist eine von einem Gericht veranlasste Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher gleichzuhalten, wenn die Tat unter Einfluss eines die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustandes begangen wurde, der auf einer geistigen oder seelischen Abartigkeit von höherem Grad beruht.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 15.12.2011, Zahl 2011/21/0237, zur Rechtslage vor dem FPG idgF (in Kraft seit 01.01.2014) erwogen, dass bei der Festsetzung der Dauer des Einreiseverbotes nach dem FrÄG 2011 eine Einzelfallprüfung vorzunehmen (vgl ErläutRV, 1078 BlgNR 24. GP 29 ff und Art 11 Abs 2 Rückführungs-RL) sei. Dabei hat die Behörde das bisherige Verhalten des Drittstaatsangehörigen zu beurteilen und zu berücksichtigen, ob (bzw. inwieweit über die im unrechtmäßigen Aufenthalt als solchen zu erblickende Störung der öffentlichen Ordnung hinaus) der (weitere) Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen in Art 8 Abs 2 MRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft. Eine derartige Gefährdung ist nach der Gesetzessystematik insbesondere in den Fällen der Z 1 bis 9 des § 53 Abs 2 FrPolG 2005 idF FrÄG 2011 anzunehmen.
In den Fällen des § 53 Abs 3 Z 1 bis 8 FrPolG 2005 idF FrÄG 2011 ist das Vorliegen einer schwerwiegenden Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit indiziert, was dann die Verhängung eines Einreiseverbotes in der Dauer von bis zu zehn Jahren und, liegt eine bestimmte Tatsache im Sinne der Z 5 bis 8 vor, von unbefristeter Dauer ermöglicht. Zudem ist festzuhalten, dass - wie schon nach bisheriger Rechtslage (vgl. VwGH 20.11.2008, 2008/21/0603) - in Bezug auf strafgerichtliche Verurteilungen nicht auf die bloße Tatsache der Verurteilung bzw. Bestrafung des Fremden, sondern immer auf das zugrunde liegende Verhalten (arg.: Einzelfallprüfung) abzustellen ist. Maßgeblich sind Art und Schwere der zugrunde liegenden Straftaten und das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild; darauf kommt es bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbots an.
§ 53 Abs 3 FPG idgF hat im Vergleich zur Rechtslage vor dem 01.01.2014 keine inhaltliche Änderung erfahren. Daraus ist zu schließen, dass auch in Bezug auf die vom VwGH statuierten (obgenannten) Kriterien, die bei der Verhängung des Einreiseverbots und seiner Dauer zur Anwendung gelangen sollen, kein Wandel stattgefunden hat. Aus diesem Grund erachtet das Bundesverwaltungsgericht diese auch nach wie vor als anwendbar. Bei der Stellung der für jedes Einreiseverbot zu treffenden Gefährlichkeitsprognose ist das Gesamt(fehl)verhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die in § 53 Abs 3 FrPolG 2005 idF FrÄG 2011 umschriebene Annahme gerechtfertigt ist (VwGH 2012/18/0230, 19.02.2013).
Das BFA verhängte gem. § 53 Abs 1 iVm Abs 3 Z 1 FPG ein auf 7 Jahre befristetes Einreiseverbot gegen den Beschwerdeführer.
Bei einer Abwägung der im gegenständlichen Fall betroffenen Interessen bedurfte es einer Gesamtbeurteilung des bisherigen Verhaltens des Beschwerdeführers und seiner privaten- und familiären Anknüpfungspunkte in Österreich.
Es war auf der Grundlage einer Einzelfallprüfung, in deren Rahmen neben den rechtskräftigen strafgerichtlichen Verurteilungen auch das bisherige Verhalten des Beschwerdeführers während seines Aufenthalts im Bundesgebiet sowie sein Privat- und Familienleben zu analysieren und berücksichtigen sind, eine Gefährlichkeitsprognose zu treffen (vgl. VwGH 20.12.2016, Ra 2016/21/0109, mwN aus der Judikatur). Maßgeblich sind Art und Schwere der zugrundeliegenden Straftaten und das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild (VwGH 15.12.2011, 2011/21/0237).
Aufgrund der Verurteilungen des Beschwerdeführers war bereits von der Erfüllung des Tatbestandes des § 53 Abs 3 Z 1 FPG ausgehen, was das Vorliegen einer schwerwiegenden Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit durch den weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet indizierte.
Wie bereits oben in der zu erstellenden Gefährlichkeitsprognose gezeigt (Spruchpunkt I.), stellt der weitere Aufenthalt des Beschwerdeführers auf Grund seines dargestellten persönlichen Verhaltens im Bundesgebiet eine tatsächliche, schwerwiegende und gegenwärtige Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung dar und wird auf die diesbezüglichen Ausführungen verwiesen. Auch wurde bereits das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers berücksichtigt. Wie bereits dargelegt, konnte von einem Wegfall seiner Gefährdung nicht ausgegangen werden, demgemäß kann auch die diesbezügliche Zukunftsprognose nicht positiv ausfallen und können weitere strafbare Handlungen der geschilderten Art auch in Hinkunft nicht ausgeschlossen werden.
Unter Berücksichtigung aller genannten Umstände sowie in Ansehung des bisherigen Fehlverhaltens und des sich daraus ergeben Persönlichkeitsbildes des Beschwerdeführers kann eine gegenwärtige, schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit als gegeben angenommen werden und ist, wie oben ebenfalls schon genauer dargelegt, eine aus dem Einreiseverbot allenfalls resultierende Trennung von seiner Familie im öffentlichen Interesse in Kauf zu nehmen (vgl. VwGH 12.10.2010, 2010/21/0335; 17.07.2008, 2007/21/0180; 28.05.2008, 2008/21/0339).
Gegenständlich ist jedoch zu berücksichtigen, dass der Beschwerdeführer einen wesentlichen Teil seines Lebens in Österreich verbrachte und seine Kernfamilie in Österreich lebt. Die von der belangten Behörde verhängte Dauer des Aufenthaltsverbots von 7 Jahren steht vor diesem Hintergrund im Vergleich zum konkreten Verhalten des Beschwerdeführers unter Berücksichtigung sämtlicher sonstiger Erwägungen außer Relation.
Allerdings erweist sich im vorliegenden Fall unter Berücksichtigung des Gesamtfehlverhaltens des Beschwerdeführers eine Herabsetzung des Einreiseverbots auf weniger als 4 Jahre als nicht angemessen.
Das Einreiseverbot war somit auf 4 Jahre herabzusetzten.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung, weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Mangels offener Rechtsfragen - siehe die oben zitierte Judikatur des VwGH - ist die Revision nicht zulässig.
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