VwGH Ra 2017/20/0038

VwGHRa 2017/20/003823.3.2017

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bachler die Hofräte Mag. Eder und Dr. Schwarz als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Christl, in den Rechtssachen der Revision 1. des G K, 2. der N K, und

3. der A K, alle in G, alle vertreten durch Mag. Ronald Frühwirth, Rechtsanwalt in 8020 Graz, Grieskai 48, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 29. November 2016, Zlen. W196 2107928-1/8E (zu 1.), W196 2107929-1/8E (zu 2.) und W196 2119309-1/6E (zu 3.), betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Bundesverwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Normen

AsylG 2005 §55;
AsylG 2005 §58 Abs10;
AsylG 2005 §8 Abs1;
AsylG 2005 §8;
BFA-VG 2014 §9;
FrPolG 2005 §52 Abs2 Z2;
MRK Art3;
VwGG §34 Abs1;
VwRallg;
AsylG 2005 §55;
AsylG 2005 §58 Abs10;
AsylG 2005 §8 Abs1;
AsylG 2005 §8;
BFA-VG 2014 §9;
FrPolG 2005 §52 Abs2 Z2;
MRK Art3;
VwGG §34 Abs1;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Die revisionswerbenden Parteien, ein Ehepaar aus Georgien und dessen minderjährige Tochter, stellten am 27. Jänner 2014 Anträge auf internationalen Schutz. Diese begründeten sie im Wesentlichen mit dem schlechten Gesundheitszustand des Erstrevisionswerbers, der insbesondere an Hepatitis C leide und eine regelmäßige Dialysebehandlung benötige, die er sich in seinem Heimatstaat nicht leisten könne.

2 Diese Anträge wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) gemäß § 3 Abs. 1 und § 8 Abs. 1 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) ab, erteilte ihnen keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 57 und 55 AsylG 2005, erließ gegen sie Rückkehrentscheidungen gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) und stellte fest, dass die Abschiebung der revisionswerbenden Parteien nach Georgien zulässig sei.

3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht die gegen diese Entscheidungen erhobenen Beschwerden ab und sprach aus, dass eine Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

4 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG).

5 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

6 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

7 Die vorliegende außerordentliche Revision wendet sich nur gegen die Abweisung der Beschwerden der revisionswerbenden Parteien betreffend die Nichtzuerkennung von subsidiärem Schutz, gegen die Erlassung von Rückkehrentscheidungen und gegen die negativen Absprüche über eine Aufenthaltstitelerteilung nach § 55 AsylG 2005.

8 Zur Zulässigkeit der Revision wird zusammengefasst eine Verletzung der Verhandlungspflicht sowie eine fehlerhafte Beurteilung nach Art. 3 EMRK geltend gemacht. Das BFA habe kein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durchgeführt, weil es eine "Bescheinigung" einer Klinik in Georgien, die die Unmöglichkeit der Nierentransplantation für den Erstrevisionswerber mangels lebenden Spenders bescheinige, nicht berücksichtigt habe. In der Beschwerde habe der Erstrevisionswerber erneut auf diesen Umstand verwiesen und ausgeführt, dass seine Mutter, die grundsätzlich bereit gewesen wäre, ihre Niere zu spenden, an einem Infekt erkrankt sei, der die Transplantation verunmöglicht hätte. Das Bundesverwaltungsgericht habe sich nicht damit auseinandergesetzt, dass in Georgien "die Organspende nach dem Tod" verboten sei und somit "keine (lebende) für eine Organspende geeignete Person vorhanden sei". Unter dem Blickwinkel des Art. 3 EMRK hätte es jedoch eine Auseinandersetzung mit der Frage bedurft, ob der Erstrevisionswerber eine Nierentransplantation benötige bzw. welche Folgen die Unterlassung einer solchen Behandlung für seinen weiteren Gesundheitszustand habe.

9 Damit übersieht die Revision, dass sich das BFA auf das Bestehen der für den Erstrevisionswerber notwendigen Dialysebehandlungen in Georgien stützte und ausführte, dass zwar grundsätzlich auch die Möglichkeit einer Nierentransplantation bestehe, diese aber im Fall des Erstrevisionswerbers gar nicht akut lebensnotwendig sei. Eine adäquate und lebensnotwendige Behandlung des Erstrevisionswerbers sei die Dialyse. Diesen Erwägungen traten die revisionswerbenden Parteien im Beschwerdeverfahren nicht substantiiert entgegen. Vielmehr bejahten sie die Möglichkeit der notwendigen medizinischen Behandlung in ihrem Heimatstaat, führten aber ins Treffen, dass sie sich diese nicht leisten könnten. Die Notwendigkeit einer Nierentransplantation ergibt sich aus den vorgelegten ärztlichen Befunden nicht.

10 Soweit die Revision ein Abweichen von den Leitlinien zur Rechtsprechung der Verhandlungspflicht aufgrund "Einbeziehung und Würdigung neuer Sachverhaltselemente, konkret insbesondere von aktualisierten Herkunftsländerberichten" geltend macht, ist festzuhalten, dass die der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes zugrundegelegten Länderberichte - in den für die Entscheidung wesentlichen Punkten zum Vorhandensein von Dialysebehandlungen im Herkunftsstaat - den Länderberichten, die das BFA heranzog, entsprechen. Dass der Sachverhalt ergänzungsbedürftig geblieben wäre oder das Bundesverwaltungsgericht die verwaltungsbehördliche Beweiswürdigung nicht bloß unwesentlich ergänzt hätte, ist daher nicht ersichtlich.

11 Die Revision vermag sohin nicht darzulegen, inwiefern das Bundesverwaltungsgericht von den in der Rechtsprechung aufgestellten Leitlinien zur Verhandlungspflicht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. Mai 2014, Ra 2014/20/0017, 0018) abgewichen wäre.

12 Weiters hat nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes im Allgemeinen kein Fremder ein Recht, in einem fremden Aufenthaltsstaat zu verbleiben, bloß um dort medizinisch behandelt zu werden, und zwar selbst dann nicht, wenn er an einer schweren Krankheit leidet. Dass die Behandlung im Zielland nicht gleichwertig, schwerer zugänglich oder kostenintensiver ist, ist unerheblich, allerdings muss der Betroffene auch tatsächlich Zugang zur notwendigen Behandlung haben, wobei die Kosten der Behandlung und Medikamente, das Bestehen eines sozialen und familiären Netzwerks und die für den Zugang zur Versorgung zurückzulegende Entfernung zu berücksichtigen sind. Nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände führt die Abschiebung zu einer Verletzung von Art. 3 EMRK. Solche liegen jedenfalls vor, wenn ein lebensbedrohlich Erkrankter durch die Abschiebung einem realen Risiko ausgesetzt würde, unter qualvollen Umständen zu sterben, aber bereits auch dann, wenn stichhaltige Gründe dargelegt werden, dass eine schwerkranke Person mit einem realen Risiko konfrontiert würde, wegen des Fehlens angemessener Behandlung im Zielstaat der Abschiebung oder des fehlenden Zugangs zu einer solchen Behandlung einer ernsten, raschen und unwiederbringlichen Verschlechterung ihres Gesundheitszustands ausgesetzt zu sein, die zu intensivem Leiden oder einer erheblichen Verkürzung der Lebenserwartung führt (vgl. die hg. Beschlüsse vom 21. Februar 2017, Ro 2016/18/0005 und Ra 2017/18/0008 bis 0009, unter Hinweis auf das Urteil des EGMR vom 13. Dezember 2016, Nr. 41738/10, Paposhvili gegen Belgien, Rz 183 und Rz 189 ff).

13 Im vorliegenden Fall bejahte das Bundesverwaltungsgericht unter Heranziehung von Länderberichten sowohl das Vorhandensein der für den Erstrevisionswerber notwendigen medizinischen Behandlungen und Medikamente in seinem Herkunftsland als auch den tatsächlichen Zugang des Erstrevisionswerbers zu diesen. Es setzte sich mit den Angaben des Erstrevisionswerbers zu seinen finanziellen Verhältnissen und zu den Lebensumständen seiner Verwandten in seinem Herkunftsland auseinander und kam zum Ergebnis, dass die notwendige medizinische Versorgung für den Erstrevisionswerber auch tatsächlich verfügbar ist. Dass das Bundesverwaltungsgericht bei der hierauf gegründeten rechtlichen Beurteilung der (Nicht‑)Zuerkennung von subsidiärem Schutz von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen wäre, vermag die Revision nicht aufzuzeigen.

14 Auch in Bezug auf die Erlassung der Rückkehrentscheidung gelingt es der Revision nicht darzulegen, dass die im Einzelfall vorgenommene Interessenabwägung des Bundesverwaltungsgerichtes nach Art. 8 EMRK unvertretbar wäre.

15 Soweit die revisionswerbenden Parteien darauf verweisen, dass das Bundesverwaltungsgericht den Abspruch über die Nichterteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG 2005 nicht hätte bestätigen dürfen, so trifft dies zwar zu. In Anbetracht dessen, dass die Rechtskraftwirkungen dieses Abspruchs nicht über jene der erlassenen Rückkehrentscheidung hinausgehen, ist aber nicht zu sehen, inwieweit die revisionswerbenden Parteien dadurch in Rechten verletzt wurden (vgl. den hg. Beschluss vom 22. Februar 2017, Ra 2017/19/0001 bis 0006, mwN).

16 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 23. März 2017

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